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Prolog

Den ganzen Tag hatte er bereits hier verbracht.

Den ganzen Tag wanderte er hin und her.

Den ganzen Tag wartete er darauf, dass man ihn abholte.

Doch es wurde langsam spät und er wurde müde und ihm war langweilig.

So langweilig.

Er fühlte sich einsam zwischen all den Erwachsenen und fragte sich, wann dieser Mann wohl kam, um ihn abzuholen.

Er seufzte leise und sah in seine Tasche, um etwas zu Essen zu suchen. Seit Stunden hatte er nichts mehr gegessen oder getrunken und Geld hatte er auch nicht.

Mittlerweile fragte er sich, ob dieser Mann eigentlich noch kam. Und ob er wusste, dass er sich anders nennen sollte.

Wie war der Name noch gleich? Nachdenklich zog er die Brauen zusammen, schürzte die Lippen und sah auf seine Füße herab, bis ihm der Name wieder einfiel.

Seufzend hob er wieder den Kopf und sah sich um. Dann fiel sein Blick auf dieses Mädchen, das bei einer Frau stand.

Ob sie wohl auch wartet? Er beobachtete sie eine Weile und fand, dass ihr Haar echt hübsch war. Es war schwarz. Eigentlich mochte er kein schwarz, aber ihre Haare glänzten so schön im Licht, dass er der Meinung war, dass er diesmal eine Ausnahme machen könnte. Vielleicht mag sie spielen.

Ein paar Sekunden beobachtete er sie noch, ehe er zu ihr herüber ging. Sie bemerkte ihn erst, als er direkt neben ihr war. Eigentlich wollte er höflich sein und sie begrüßen, doch als sie ihn ansah, stellte er fest, dass auch ihre Augen wirklich hübsch waren. Sie funkelten. Er mochte es, dass sie funkelten. Außerdem hatte sie eine schöne Farbe. So hell blau, irgendwie gräulich und mit grünen Tupfen.

„Wer bist du?“, fragte er neugierig.

Sie schob sich etwas hinter die Beine der Frau. Wahrscheinlich war sie schüchtern. „Mein Name ist Vilija Kemmesies. Und wer bist du?“

Er rümpfte ein wenig die Nase. „Das ist aber ein komischer Name.“ Er passte irgendwie gar nicht zu ihren hübschen Haaren oder ihren schönen Augen. Als sie sich dann etwas mehr hinter die Frau schob, bemerkte er, dass er sie wahrscheinlich beleidigt hatte. Das war nicht freundlich. „Ich bin Tevin McCourtney.“, antwortete er dann auf ihre Frage und hoffe, dass sie ihm nicht böse war. „Magst du spielen?“

Erwartungsvoll sah er zu, wie sie ein wenig nachdachte. Doch irgendwann schüttelte sie den Kopf und er fühlte sich traurig.

„Ich warte auf meinen Papà.“, erklärte sie dann.

Daraufhin verstand er. Sie wartete, genau wie er. „Gut. Dann warte ich mit dir.“, verkündete er und stellte sich neben sie. So konnte er weiter Zeit mit ihr verbringen. Mit ihr fühlte er sich nicht einsam, denn er konnte mit ihr reden. Er mochte sie und sie war nett zu ihm, auch wenn sie sich vor ihm versteckte. „Wie alt bist du?“, fragte er, denn er war sich sicher, dass sie etwa gleich alt sein mussten.

„Ich bin fünf. Und du?“, fragte sie zurück.

„Sechs.“ Er freute sich, dass er Recht gehabt hatte.

„Schon?“

Als sie ihn so überrascht ansah, genoss er ihre Aufmerksamkeit und spürte Aufregung in sich. „Ja. Ich warte auf meinen Onkel. Er kommt aus Rumänien.“ Er wusste nicht genau, warum er ihr das sagte, aber er wollte es ihr sagen, auch wenn es sie vielleicht gar nicht interessierte.

„Mein Papà war in Litauen.“, entgegnete sie.

Er lächelte. „Mein Onkel war viel weiter weg.“, prahlte er dann.

„Stimmt gar nicht!“, rief sie daraufhin aus, „Mein Papà war viel weiter weg!“

Das ernüchterte ihn ein wenig und er fragte sich, ob er etwas falsches gesagt hatte. Doch dann lachte die Frau und sagte: „Sie waren beide gleich weit weg.“

Da er sich danach nicht traute noch etwas zu sagen, stand er nur neben dem Mädchen und wartete, wie er es gesagt hatte.

Vilija, dachte er sich dabei und nickte sich selbst zu, Ihr Name ist Vilija. Das werde ich nicht vergessen.

Wenn er so darüber nachdachte, fand er, dass ihr Name eigentlich doch ganz schön klang. Vielleicht war es der Nachname, der so komisch war.

Kemmesies, wiederholte er daraufhin gedanklich. Vilija Kemmesies. Hmmm...

Nein, das war es nicht. Also musste es daran liegen, dass er den Namen zum ersten Mal gehört hatte. Vielleicht hatte er sich erst an den Namen gewöhnen müssen, wie an einen neuen Haarschnitt.

Erneut nickte er sich zu. Ja, das muss es sein.

Mit einem Mal gab Vilija neben ihm ein begeistertes Geräusch von sich und rief: „Papà!“ Dabei lief sie eilig davon in die Arme eines großen Mannes, der sie begeistert auffing und an sich drückte.

Die Frau folgte ihr zu dem Mann, woraufhin er sich einen Moment umsah, weil sein Onkel ja vielleicht auch angekommen war. Doch als er niemanden sah, der auf ihn zukam, folgte er der Frau zaghaft. Vielleicht blieben sie ja noch etwas. Dann könnte er weiter mit Vilija reden. Unsicher beobachtete er, wie der Mann die Frau begrüßte und erinnerte sich, dass seine Eltern sich noch nie so gefreut hatten einander zu sehen. Dann sah der Mann auf ihn herab. Er fühlte mich fehl am Platz, als hätte er etwas falsches getan, weshalb er ein wenig den Kopf senkte. Das Gefühl verstärkte sich, als die Frau ihn ebenfalls ansah und fragte: „Musst du nicht zu deiner Mutter?“

Er hob wieder den Kopf und sah zu ihr auf. „Zu Mutter? Nein. Sie ist weggeflogen. Sie sagte, ich soll hier warten, bis man mich abholt.“

Als er etwas wie Entsetzen in ihrem Gesicht sah, befürchtete er, er hätte etwas böses gesagt. „Bis man dich abholt?“, fragte sie ihn.

Er nickte zaghaft. „Sie sagt, Onkel Aidan kommt her und holt mich ab.“ Nun begann er zu lächeln, denn vielleicht würde Vilija mit ihm warten wollen, so wie er es getan hatte. „Er kommt extra aus Rumänien her.“ Doch dann sah er, dass sie einschlief, als die Frau sich zu ihm herab beugte.

„Hat deine Mutter das schon öfter gemacht?“, fragte die Frau.

Er schüttelte den Kopf und war etwas traurig, weil Vilija eingeschlafen war. So konnte er nicht mehr mit ihr reden. „Nein, das ist das erste Mal.“, erklärte er dann der Frau.

„Hast du denn keine Angst?“

Erneut schüttelte er den Kopf. „Onkel Aidan kommt doch her.“ Irgendwann zumindest. Er musste nur warten. Vielleicht wachte Vilija ja auf und wartete mit ihm. Dann könnten sie doch noch miteinander reden.

Die Frau hatte sich umgesehen, während er nachgedacht hatte, und sah nun auf ihn herab. „Was hältst du davon, wenn du mit uns kommst?“, fragte sie freundlich, „Nur bis dein Onkel da ist.“

Er war sich nicht sicher, ob er das tun sollte. Die Frau war so groß, wie alle anderen hier. Und der Mann auch. Allerdings könnte er Zeit mit Vilija verbringen... Schließlich nickte er. „Bekomme ich dann auch was zu Essen?“, fragte er zaghaft, weil sein Magen sich so leer anfühlte. Und immerhin hatten die großen Menschen doch immer Essen und Trinken. Und wenn sie es nicht hatten, hatten sie Geld, um es zu kaufen.

Die Frau nickte, woraufhin er etwas erleichtert war. „Ja, bekommst du.“

„Wie lange wartest du denn schon?“, fragte der große Mann.

Unsicher zuckte er mit den Schultern, weil der Mann ihn irgendwie einschüchterte. Er war so groß und seine Stimme klang so komisch. Aber Vilija schien sich bei ihm wohl zu fühlen. „Es war ganz früh, als Mommy weggegangen ist. Es wurde gerade hell.“

Wieder sah sich die Frau um, als würde sie irgendwas suchen. Doch sie schien es nicht zu finden, also richtete sie sich wieder auf und griff nach meiner Hand. „Dann komm.“, sagte sie.

Da er sie zwischen den vielen großen Menschen nicht verlieren wollte, immerhin war sie wohl die Mutter von Vilija und das würde bedeuten, er wäre bei Vilija zu Hause, ergriff er ihre Hand und folgte ihr.

Erst, als er sich zu ihnen ins Auto setzte, bemerkte er, wie müde er eigentlich war und schlief fast ein. Doch er hatte Hunger und immerhin musste er wach bleiben, falls sein Onkel kam. Und irgendwann würde Vilija aufwachen und dann könnten sie vielleicht spielen. Sie wartete ja nicht mehr, also hatte sie Zeit zum Spielen.

Irgendwann schlief er doch ein.

Kapitel 1

 

Vilija

Langsam wachte ich auf und streckte mich gähnend im Bett, ehe ich noch etwas mit meinem Plüschtiger Nicki kuschelte. Doch dann bekam ich Hunger und stand auf. Ich wollte schon im Pyjama in den Flur gehen, doch dann fiel mir ein, dass Mamma und Papà immer stolz auf mich waren, wenn ich mich allein anzog. Also ging ich zu dem Schrank, in den Mamma Kleidung gelegt hatte und zog mich an. Es dauerte ein wenig die Socken richtig anzuziehen und mein T-Shirt richtig herum über meinen Kopf zu ziehen, doch nach einer Weile hatte ich es geschafft. Der Knopf meiner Hose war eine weitere Schwierigkeit, doch ich gab nicht auf und presste die Lippen fest aufeinander, als ich versuchte den Knopf durch das Loch zu schieben. Hinterher tat mir ein wenig mein Daumen weh, aber ich hatte es geschafft.

Erfolgreich angezogen ging ich also in den Flur und tapste dann mit schnellen Schritten zum Zimmer meiner Eltern. Wie immer klopfte ich an der Tür, denn manchmal taten sie so komische Sachen und wollten nicht, dass ich es sah. Doch diesmal erinnerte ich mich und wartete brav ein paar Sekunden, ehe ich mich etwas streckte, um den Türgriff zu erreichen. Als die Tür wenige Sekunden später auf ging, sah ich das Bett und Mamma. Sie zuckte so komisch.

Besorgt betrat ich das Zimmer und ging ans Bett. „Mamma.“, hob ich vorsichtig an.

Sie zuckte daraufhin zusammen und drehte sich zu mir um. Ihr Gesicht sah ganz traurig und feucht aus, als würde sie weinen. „Vilija.“, hauchte sie überrascht und wischte sich schnell über die Wangen, ehe sie mich mit zitterndem Mund ansah. „Du bist ja schon wach.“

Ich verzog ein wenig das Gesicht. „Ich konnte nicht mehr schlafen.“ Weil sie traurig war, verschwieg ich, dass ich Hunger hatte, denn das könnte sie vielleicht noch trauriger machen und das wollte ich nicht.

Doch trotz meiner Bemühung begann sie wieder zu weinen. Sehr zu weinen.

„Was ist denn los?“, fragte ich verwirrt und hatte Angst, dass etwas passiert war.

Sie schüttelte den Kopf. „Sag deinem Vater nichts davon, okay?

Ich zögerte ein wenig, nickte aber. „Okay.“

„Jetzt geh runter. Er ist sicher unten.“

„Okay.“, wiederholte ich und verzog ein wenig das Gesicht, ehe ich mich umdrehte und das Zimmer verließ. Ich versuchte auch die Tür hinter mir zu zu ziehen und freute mich, als ich es schaffte.

Dann seufzte ich jedoch traurig, weil Mamma nicht bemerkt hatte, dass ich mich ganz allein angezogen hatte. Doch dann ging ich eilig die Treppe hinunter, denn vielleicht würde es Papà bemerken. Ich sah zuerst in der Küche nach, weil er immer, wenn er da war, das Frühstück machte, aber da war er nicht. Also ging ich ins Wohnzimmer und fand ihn auf der Couch. Er schlief noch. Unsicher, was ich nun tun sollte, stand ich einen Moment nur vor ihm, doch dann knurrte mein Magen.

„Papà.“, versuchte ich ihn vorsichtig zu wecken.

Er drehte seinen Kopf weg. Daraufhin presste ich meine Lippen aufeinander und drückte gegen seine Schulter.

„Papà.“

Daraufhin murrte er und zog sich die Decke über den Kopf.

Ich seufzte. „Papààà.“

Dieses Mal drehte er sich wieder um, zog die Decke weg und sah mich an. „Ja?“

„Warum hast du hier auf der Couch geschlafen?“, fragte ich, weil mich das neugierig machte. Vielleicht war Mamma ja deshalb traurig. Sie schlief gern mit Papà in einem Bett.

Dieser sah sich müde um, ehe er leise stöhnte und sich auf die Couch fallen ließ. „Ich war böse.“, erklärte er mir dann, „Ich war ganz ganz böse. Und ich wollte deine Mutter nicht wütend machen. Also habe ich hier geschlafen.“

Er war also böse. Ich sah auf meine Hände herab. Vielleicht war Mamma deshalb traurig. Wieder zu ihm aufblickend sagte ich: „Mamma sagte, ich darf es dir nicht sagen, aber sie weint ganz fürchterlich. Weint sie, weil du so böse warst?“

Er nickte langsam. „Ja. Ich habe etwas Schreckliches getan und sie damit sehr verletzt.“

„Kannst du nicht zu Mamma gehen und sie wieder glücklich machen? Vielleicht tut es ihr nicht mehr so sehr weh, wenn du dich entschuldigst.“ Immerhin sollte ich mich im Kindergarten auch entschuldigen, wenn ich böse zu jemandem war. Und danach war er nicht mehr traurig.

Papà sah mich eine Weile an, ehe er mich auf seinen Schoß zog. Ich saß gerne auf seinem Schoß und ich mochte es, wenn er mich umarmte. Er war immer schön warm und es war bequem sich an ihn zu lehnen. Und es fühlte sich toll an.

„Weißt du, manchmal tut man Menschen so sehr weh, dass man es nicht mehr gut machen kann. Eine Entschuldigung reicht dann nicht mehr. Und ich habe deiner Mutter wirklich sehr wehgetan. Ich befürchte, dass sie jetzt immer böse auf mich sein wird.“, erklärte er langsam.

„Warst du so böse?“ Ich sah zu ihm auf, denn ich konnte mir nicht vorstellen, dass er so böse war.

Doch er nickte. „Ja.“

„Was hast du denn gemacht?“

Nachdenklich sah er auf mich herab, weshalb ich geduldig wartete. Irgendwann drückte er mich an sich und wickelte mich mit sich in die Decke ein. Vor Freude grinste ich etwas vor mich her.

„Es hat damit angefangen, dass ich mit einem Freund weg war. Wir haben etwas getrunken, das nicht gut für uns war. Eine Frau hat sich zu uns gesetzt und uns noch mehr davon gekauft. Wir konnten nicht mehr richtig denken und haben sogar vergessen was an dem Abend noch passiert ist.“, erklärte er, während ich aufmerksam zuhörte. „Als ich wieder aufgewacht bin, wusste ich nicht wo ich bin. Dann kam die Frau ins Zimmer und hat meine Sachen angehabt.“

„Deine Sachen?“, wiederholte ich.

Papà nickte. „Ja. Wie Mamma es manchmal tut.“

Daraufhin schlug ich die Hand vor den Mund, wenn ich wusste, dass Mamma es mochte seine Sachen zu tragen und mir würde es auch nicht gefallen, jemand anderem Nicki zu geben.

Papà nickte. „Die Frau und ich haben etwas sehr Schlimmes getan. Und deshalb ist deine Mutter wütend und traurig.“

„Aber du konntest doch nicht richtig denken.“ Ich war mir ganz sicher, dass Mamma es verstehen würde, wenn er es ihr sagte.

Doch er lächelte nur matt und streichelte mir übers Haar, wie ich es gerne mochte. „Das mag zwar sein,meine Kleine“, gab er zu, „aber es tut Mamytė trotzdem sehr weh.“

„Oh.“, machte ich daraufhin, denn mir wurde klar, dass er es ihr wohl erzählt hat.

Er küsste mich aufs Haar. „Hast du schon gefrühstückt?“

Ich schüttelte den Kopf. „Mamma ist noch nicht aufgestanden.“

Vielleicht bemerkte er ja jetzt, dass ich mich allein angezogen hatte. Doch stattdessen stand er mit mir auf den Armen auf und ging in die Küche, wo er mir etwas zu Essen machte. Ich seufzte leise und war etwas traurig, weil es niemand bemerkt hatte. Er machte mir eine Schüssel warmen Haferbrei und ging dann hoch. Hoffentlich machte er Mamma wieder glücklich.

Weil ich wusste, dass sie es nicht mochten, wenn ich ohne Aufsicht lange allein war, aß ich brav den Haferbrei, der diesmal irgendwie nach Vanille schmeckte, und saß dann einfach auf dem Stuhl, wobei ich begann meine Beine vor und zurück zu schwingen. Irgendwann betrachtete ich im Löffel mein Spiegelbild, leckte ihn sauber und versuchte mich dann nochmal zu erkennen, doch das Bild war falsch herum. Verwirrt drehte ich den Löffel um, sodass der Griff oben war, doch mein Spiegelbild war noch immer falsch herum. Neugierig drehte ich den Löffel mit der hohlen Seite weg, weil ich wissen wolle, ob die Rückseite auch falsch herum war.

Dann kam Papà mit dem Jungen vom Flughafen herein. Tevin.

„Guten Morgen, Tevin.“, begrüßte ich ihn zaghaft.

Als er mich hörte, sah er auf und lächelte begeistert. „Hallo Vilija.“

Ich beobachtete unsicher, wie Papà ihn neben mich setzte. „Soll ich dir mal was zeigen?“, bot ich dann vorsichtig an.

„Was denn?“, fragte er neugierig.

Ich zeigte auf meinen Löffel und drehte ihn mit der hohlen Seite zu ihm. „Das Spiegelbild im Löffel ist kopfüber.“

Verwirrt nahm er den Löffel und betrachtete ihn ein wenig, ehe er ihn, wie ich zuvor, auf den Kopf drehte. Dann hielt er ihn seitlich, ehe er ihn wieder normal vor sich hielt. „Das ist ja komisch.“, bemerkte er dann.

Ich nickte. „Vielleicht ist der Löffel kaputt.“

Papà lachte leise und gab Tevin ebenfalls etwas von dem Haferbrei und einen neuen Löffel. „Der Löffel ist nicht kaputt.“, erklärte er dann, „Dass er dein Spiegelbild kopfüber zeigt, liegt daran, dass er so krumm ist.“

Ich blinzelte verwirrt, nahm mir meinen Löffel von Tevin und sah ihn mir nochmal an. „Weil er krumm ist?“

„Ja.“

„Und wenn man ihn gerade biegen würde?“

„Dann wäre auch dein Spiegelbild normal.“

„Komisch.“, murmelte ich daraufhin und versuchte den runden Teil vom Löffel gerade zu biegen, doch das Metall war so fest, dass mir der Daumen begann weh zu tun.

„Sag mal, Vilija.“, hob Papà kurz darauf an.

Ich sah zu ihm auf. „Hm?“

„Hast du dich allein angezogen?“

Begeistert, weil es ihm jetzt doch aufgefallen war, lächelte ich ein wenig und nickte. „Jap.“

Stolz lächelte er mich daraufhin an und küsste mich auf die Stirn. „Das hast du sehr gut gemacht. Schlaues Mädchen.“

Ich gluckste und sah dann zu Tevin, der mit dem Essen spielte. „Tevin.“, meinte ich daraufhin leise, „Wir dürfen nicht mit dem Essen spielen.“

Er sah mich überrascht an. „Warum nicht?“

„Äh...“ Nachdenklich sah ich auf den Haferbrei. „Weil wir essen sollen. Mamma sagt immer, wenn wir damit herum spielen wird es kalt und schmeckt nicht mehr.“

„Oh.“, machte er daraufhin und senkte den Löffel, ehe er begann zu essen. „Hmmm.“, machte er dann begeistert, „Das schmeckt ja nach Vanille.“

Ich nickte begeistert. „Papà kann ganz tolle Sachen machen zu Essen machen.“

„Meine Mutter war nicht so gut darin.“, gab Tevin zu und aß begeistert weiter. „Mein Vater auch nicht.“ Einen Moment sah er traurig aus, lächelte mich dann aber an. „Wollen wir nach dem Essen etwas spielen?“

Ich lächelte ebenfalls. „Au ja! Ich weiß auch schon was.“ Mit diesen Worten rutschte ich vom Stuhl und lief hinüber ins Wohnzimmer, wo ich aus einem der Kommoden unser Memorie holte. Damit lief ich dann zurück in die Küche, wo ich mühsam auf den Stuhl kletterte, ohne das Spiel fallen zu lassen. „Kennst du Memorie?“, fragte ich Tevin.

Er aß den letzten Rest von dem Haferbrei, woraufhin Papà das Geschirr in die Spüle stellte, und schüttelte den Kopf. „Was macht man da?“

Ich öffnete die Box und holte einen Haufen Pappkarten heraus, die ich auf den Tisch legte. Dann schob ich die Box zur Seite. „Hier sind ganz viele Bilder drauf.“, erklärte ich Tevin und nahm eine der Karten, um sie ihm zu zeigen. „Von jedem Bild gibt es genau zwei.“ Ich musste ein wenig suchen, ehe ich das passende Gegenstück zu der Karte fand, die ich in der Hand hielt. „Die werden alle falsch herum auf den Tisch gelegt und gemischt. Dann werden sie so verteilt, dass man jede Karte sehen kann, aber sie bleiben immer noch umgedreht.“ Ich schob den Haufen Pappkarten zusammen und mischte den Haufen so gut ich konnte, ehe ich die Karten auf dem Tisch verteilte. „Nun müssen wir abwechselnd zwei Karten umdrehen und die Paare suchen.“ Ich drehte zwei Karten um, die unterschiedliche Bilder zeigten. „Wenn es nicht zwei gleiche sind, dann müssen wir sie wieder umdrehen und der andere ist dran.“ Daraufhin drehte ich die Karten um und sah Tevin wartend an.

Dieser schürzte nachdenklich die Lippen und betrachtete die Karten ein wenig, ehe er zwei Karten umdrehte. Als er sah, dass es unterschiedliche waren, seufzte er und drehte sie wieder um, ehe er mich ansah.

Ich nickte. „Wenn du ein Paar gefunden hast, darfst du nochmal umdrehen und nimmst dir das Paar. Gewonnen hat derjenige, der am Ende die meisten Paare hat.“

„Okay.“

Also begannen wir zu spielen.

Impressum

Texte: © Copyright 2016 – Alle Inhalte, insbesondere Texte sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, einschließlich der Vervielfältigung, Veröffentlichung, Bearbeitung und Übersetzung, bleiben vorbehalten, Lisa Irmer
Tag der Veröffentlichung: 23.12.2016

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für all meine Leser, die Vilija und Tevin genauso sehr lieben wie ich.

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