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Kapitel 1

 

Ich brachte meinen Wecker schnell zum Schweigen, als er mich aus dem Schlaf riss und blieb noch einen Moment liegen, bevor ich mich aufraffte. Ich durfte nicht zu lange warten, also eilte ich schnell ins Badezimmer um schnell zu duschen. Für mehr hatte ich morgens nie Zeit. Es war jeden Morgen einen Wettlauf gegen meinen Vater.

Sobald ich fertig geduscht hatte, stieg ich aus der Dusche, trocknete mich ab und eilte in ein Handtuch gewickelt in mein Zimmer, wo ich mich schnell anzog. Mein Blick glitt dabei mit einem Schlucken über meine blasse blau gefleckte Haut. Blutergüsse. Ich musste vorsichtig sein beim Anziehen, weil ich mir sonst wehtat. Ich hatte sie einfach überall. An den Armen, den Beinen, am Rücken, am Bauch, sogar am Hals und oft im Gesicht. Und kleine Verletzungen, wie die, die ich nun an meiner Hüfte fand. Ein kleiner Schnitt. Im Moment konnte ich mir keinen Reim darauf machen woher er kam, doch ich wollte darüber nicht zulange nachdenken.

So schnell ich konnte packte ich meine Schultasche und lief die Treppe so schnell und leise wie möglich hinunter. In der Küche nahm ich mir eine Flasche Wasser und schmierte mir schnell einige Brote. Dann hörte ich Schritte auf der Treppe.

Zu langsam.

Ich erstarrte beinahe vor Angst, als die Schritte zur Küchentür führten.

„Guten Morgen, Alisson.“, hörte ich die Stimme meines abscheulichen Vaters, „Du willst in die Schule?“

„J-j-ja. Ich muss regelmäßig in die Schule. Das sage ich dir jedes mal.“, entgegnete ich leise und steckte die Brote ein.

„Dann solltest du hoffen, dass du noch ein bisschen Zeit hast.“ Er kam näher.

Ich drehte mich um, suchte einen Weg an ihm vorbei, doch er war schon zu nahe. „Bitte. Ich muss los.“

Nun stand er direkt vor mir, blickte auf mich herab. Das Glitzern in seinen Augen verriet mir schon alles. Er schlug mich ins Gesicht.

„Hast du mir gerade widersprochen?“, donnerte er wütend.

Tränen traten mir in die Augen. Krampfartig hielt ich den Träger meiner Tasche umklammert und schluckte das Schluchzen hinunter. „Ich wollte nicht widersprechen.“, wisperte ich, „Ich... ich möchte nur zur Schule. Bitte.“ Ich hatte Angst ihn anzusehen.

„Das kannst du hiernach auch noch tun.“, entgegnete er und drehte mich grob so herum, dass ich mit dem Rücken zu ihm stand. Seine Hände griffen um mich herum zu dem Knopf meiner Hose.

Zu langsam,echote es in meinem Kopf, Warum bin ich so oft zu langsam?

Tränen rannen mir über die Wange, als er meine Hose hinunter zog und meinen Oberkörper auf die Arbeitsplatte drückte. Ich ließ es über mich ergehen. Es hätte sowieso nicht genützt mich zu wehren. Das hätte es nur noch schlimmer gemacht.

 

Eine halbe Stunde zu spät ging ich den Flur in meiner Schule entlang. Ich erinnerte mich wage daran, dass meine einzige Freundin mir gestern irgendwas sagen wollte, doch ich war mit den Gedanken mal wieder ganz woanders. Nun tadelte ich mich innerlich dafür, dass ich nicht zu gehört hatte. Es hatte sich wichtig angehört.

An meinem Klassenzimmer angekommen klopfte ich vorsichtig und wartete darauf, dass meine Lehrerin mich herein bat. Ich atmete nochmal kurz durch, rieb mir über die Schmerzende Wange und öffnete dann die Tür. Mit gesenktem Blick trat ich zwei Schritte in die Klasse, schloss die Tür und hob entschuldigend den Blick zu meiner Lehrerin.

„Schon wieder zu spät.“, bemerkte sie mit einem Seufzen, „Was soll ich nur mit dir machen? Was war es diesmal?“

„Ich hab verschlafen.“, antwortete ich, gerade laut genug, dass sie es hören konnte.

„Ich muss nicht mehr mitzählen zu müssen, um zu wissen, dass du viel zu oft zu spät kommst.“

Ich senkte den Blick.

„Wenn sich das nicht bald ändern, muss ich deinen Vater anrufen.“

„Es kommt nicht noch einmal vor.“, versprach ich und schluckte leise.

„Das sagst du jedes Mal.“ Als ich nichts erwiderte, atmete sie kurz durch. „Setz dich auf deinen Platz. Wir haben einen neuen Schüler. Er sitzt neben dir.“

Ich riss die Augen auf und sah auf den besagten Platz. Es war ein Junge, der sogar im Sitzen ziemlich groß wirkte. Kräftig gebaut. Sehr kräftig. Angst kroch langsam meine Wirbelsäule hinauf.

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren stürzte ich aus der Klasse.

„Alisson!“, hörte ich meine Lehrerin noch rufen, doch ich lief weiter.

Mein Weg führte in die Mädchentoilette, wo ich mich in einer Kabine einsperrte und an die Wand drückte. Mein Herz pochte vor Angst, mein Atem ging schnell. Ich wusste schon seit Monaten, dass die Schüler meiner Klasse mich wahrscheinlich für gestört hielten. Diesen Eindruck hatte ich jetzt sicher auch bei dem neuen Schüler hinterlassen.

Die Tür des Vorraumes wurde geöffnet.

„Alisson?“ Es war Miranda. Meine Freundin. „Alles in Ordnung?“

Ich hatte meinen Atem und mein Herz immer noch nicht unter Kontrolle, konnte nicht antworten. Miranda klopfte an der Tür vor mir.

„Komm raus. Wir sind allein. Du weißt, dass du mit mir sprechen kannst. Auch wenn du es nie tust.“

„Geh weg.“, keuchte ich, die Angst immer noch im Nacken.

„Ich mache mir Sorgen um dich. Du hast wieder einen Bluterguss im Gesicht. Na los, komm raus.“

„Geh weg!“, wiederholte ich etwas lauter und schlang die Arme um mich.

„Ich werde nicht ohne dich gehen, Alley. Ich werde hier bei den Waschbecken warten, bis du da raus kommst. Komm raus, wenn du bereit dafür bist. Ich bin hier.“

Langsam sank ich zu Boden, zog die Beine an und lehnte den Kopf an die Toilettenwand neben mir. Miranda war das einzige Mädchen, mit dem ich sprach und auch nur, weil sie nie locker ließ. Sie bestand regelrecht darauf mit mir befreundet zu sein, obwohl sie fast nichts über mich wusste und ich ihr auch nur wenig erzählte. Natürlich wusste sie von dem Zustand zuhause nichts. Davon wusste niemand, sie könnten ja sowieso nichts daran ändern. Das würde alles nur schlimmer machen.

So saß ich die ganze Zeit in dieser verflixten Kabine und hoffte, dass Miranda es irgendwann leid war zu warten. Irgendwann klingelte es zur nächsten Stunde. Miranda blieb. Auch als es eine Stunde später zur Pause klingelte. Es dauerte nur wenige Minuten, bis die Tür des Vorraumes geöffnet wurde.

„Und da hab ich ihm gesagt, er solle sich mal im Spiegel ansehen. Was bildet er sich ein?“ Einen Moment war es still. „Was machst du denn da?“

„Das hat dich nicht zu interessieren.“, entgegnete Miranda scharf, „Dein Makeup kannst du auch woanders auftragen.“

Das Mädchen lachte auf. „Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich gehe, nur weil du mich nicht hier haben willst. Das hier ist ein Mädchenklo. Ein Mädchenklo an einer Schule, die ich besuche. Idiotin.“

„Ein Mädchenklo sucht man generell dann auf, wenn man aufs Klo muss. Nicht um sich noch mehr Farbe ins Gesicht zu schmieren. Ohne würdest du wahrscheinlich besser aussehen und dann würden dich die Jungs auch ansehen.“

„Das sagt gerade ein Mädchen, die noch nicht einmal ein Date hatte.“

„Im Gegensatz zu dir, die zu jedem Date geht, um das man sie bittet, habe ich wenigstens einen Freund. Und das ganz ohne Makeup, stell dir das vor.“

Sie schnaubte. „Komm Mädels, gehen wir. So was muss ich mir nicht anhören.“

Kurz nachdem sie das gesagt hatte, wurde die Tür erneut geöffnet. Dann war es wieder still.

Miranda seufzte tief. „Na komm schon Alisson. Komm raus. Du musst mir auch nicht erzählen, was dir so zugesetzt hat. Du musst etwas essen. Ich kann dir beinahe dabei zusehen, wie du dünner wirst.“

Ich regte mich nicht, dachte jedoch über ihre Worte nach.

„Sicher, ich werde ein bisschen fragen, aber du musst nicht darauf antworten, wenn du es nicht willst.“

Lange atmete ich aus. Miranda war mir gegenüber immer sehr freundlich, während sie anderen gegenüber eher dazu neigte schroff zu sein. Nur zu ihrem Freund nicht. Er saß nur selten bei ihr, wenn sie bei mir saß. Er schien sich in meiner Nähe nicht sehr wohl zu fühlen.

Mein Magen knurrte.

„Ach komm schon Alley.“, jammerte Miranda, „Du hast Hunger. Und ich verhungere gerade. Jetzt komm schon raus.“

Die Angst, die in meinem Nacken gesessen hatte war beinahe vollständig verschwunden. Also stand ich langsam auf, nahm meine Tasche und öffnete mit gesenktem Kopf die Tür.

„Na endlich!“, rief sie aus und stieß sich von dem Waschbecken ab, das der Kabine gegenüber stand, in der ich gewesen bin. „Irgendwann wirst du mir alles erklären müssen. Ich mache mir wirklich Sorgen um dich.“ Ohne ein weiteres Wort zu verlieren hakte sie sich bei mir unter und verließ mit mir das Mädchenklo. „Du hast Darren ziemlich durcheinander gebracht. Er hat dir mit offenem Mund hinterher gestarrt und ist dem Unterricht erst wieder gefolgt, als Mrs. Witherspoon ihn dazu aufgefordert hat. Sie ist etwas enttäuscht von dir. Und leicht angesäuert, aber wir alle wissen, dass sie sich auch Sorgen um dich macht.“

„Tut mir leid.“, murmelte ich.

Wir betraten die Cafeteria, wo Miranda auf meine Worte nur leise seufzte. „Ach Alley. Ich frage mich, was nur mit dir los ist. Seit ich dich kenne, bist du total komisch.“ Sie stellte ich mit mir bei der Essensausgabe an. „Du siehst immer so trostlos aus. Hoffnungslos. Und ziemlich schlimm.“ Sie sah auf meine Wange. „Der ist frisch oder? Von wann ist der?“

„Ich bin heute Morgen gestürzt.“, antwortete ich nur und drehte meinen Kopf beiseite.

„Hmmm... Da fällt mir wieder auf, dass ich dich noch nie hab lächeln sehen. Lächle doch mal, vielleicht hilft das!“ Demonstrativ lächelte sie mich an. „Na los, versuch's.“

Mich schauderte es. Ich habe seit Jahren nicht mehr gelächelt. Es gab auch keinen Grund dafür. Miranda gab die Versuche auf mich zum Lächeln zu bringen und suchte sich drei Muffins aus.

„Wir sollten nach der Schule mal was zusammen machen.“

Mir graute es schon bei der Vorstellung, wie mein Vater reagieren würde, wenn ich ihm sagte, ich würde nach der Schule noch woanders hingehen. Ganz zu schweigen davon, wie er reagieren würde, wenn ich nach dem besagtem Treffen nach Hause kommen würde. Ich wusste, er würde sofort nein sagen. In beiden Fällen hieß es also auf jeden Fall Wut, eine Tracht Prügel und höchstwahrscheinlich noch eine-

„Alles in Ordnung? Du bist plötzlich so blass.“, unterbrach Miranda meine Gedanken.

„Alles okay.“, entgegnete ich leise.

Sie sah mich skeptisch an, wendete sich dann aber an die nette Frau hinter dem Tresen, bezahlte ihr Essen und ging dann mit mir durch die Cafeteria, auf der Suche nach einem freien Platz. Als wir nichts fanden, gingen wir raus und setzten uns ins Gras. Sie biss herzhaft in einen Blaubeermuffin, während ich eines der Brote aus meiner Tasche holte. Als sie es sah, hielt sie abrupt inne und riss es mir aus der Hand.

„Alisson, das kannst du doch nicht essen!“, rief sie aus.

Unsicher sah ich zu ihr herüber und versuchte zaghaft es mir zurück zu holen.

„Sieh doch mal. Du kannst es nicht mehr essen. Das Brot ist ganz verschimmelt.“

Um ihre Aussage zu bestätigen deutete sie auf einen Fleck grünen Pelz, den ich ganz offensichtlich übersehen hatte. Ich ließ die Hand fallen, zog die Beine an und bettete meinen Kopf darauf, während ich sie mit meinen Armen umschlang. Miranda dagegen durchsuchte meine Tasche nach den anderen Broten, von denen sie wusste, dass ich sie hatte, untersuchte sie gründlich und warf sie dann allesamt in den nächsten Abfalleimer. Als sie sich neben mich setzte, knurrte mein Magen erneut.

„Wann hast du zuletzt gegessen?“, wollte sie von mir wissen.

„Vorgestern.“

Sofort reichte sie mir einen Muffin. „Dann nimm den hier. Sonst kippst du uns noch um.“

„Aber der gehört dir.“

„Nun nimm ihn schon. Es ist ja nur ein Muffin.“

„Ich... ich hab aber...“

„Was?“

„Ich habe noch nie einen Muffin gegessen.“

Ungläubig sah sie mich an. „Na, dann wird’s aber mal langsam Zeit. Glaub mir, er wird dir schmecken. Die sind fantastisch!“

„Dankeschön.“

Ich nahm ihn vorsichtig entgegen, sah ihn mir eine Weile an und brach dann ein kleines Stück ab, um zu probieren. Erwartungsvoll sah Miranda mir dabei zu und wartete auf meine Reaktion.

„Schmeck gut.“

Sie begann zu lächeln. „Sag ich doch. Jetzt iss. Du bist immer noch so blass.“

Ich biss vorsichtig ab. Es schmeckte wirklich gut. Besser als die Brote, die ich immer aß. Und besser als der Fraß, den mein Vater immer kochte, wenn er denn mal nüchtern war.

Als plötzlich ein Paar Füße vor uns auftauchten, sah Miranda auf. Ich widmete mich weiter dem Muffin.

„Oh, hey Darren. Was gibt’s?“, wollte sie wissen und lächelte ihn freundlich an. Bisher hatte er wohl keinen schlechten Eindruck bei ihr hinterlassen. Aber das hier war auch sein erster Schultag an dieser Schule.

„Naja... eigentlich... äh... Ich wollte fragen...“

„Ihr Name ist Alisson.“

„Alisson.“, wiederholte er, „Stimmt. Mrs. Wither... irgendwas hat sie so genannt.“

„Witherspoon.“

„Genau.“

„Und was wolltest du nun fragen?“

„Naja...“

„Setz dich doch. Dann verrenke ich mir nicht den Nacken.“

Sofort setzte er sich hin, schien jedoch sehr unsicher zu sein. „Ich möchte nicht unhöflich sein. Ich meine... Also...“

Ich konnte regelrecht spüren, dass er mich ansah, weigerte mich jedoch aufzusehen.

„Sie ähm... spricht nicht viel.“, erklärte Miranda.

„Ja, das... hab ich schon gehört. Ich wollte mich nur vorstellen. Weil ich halt neben ihr sitze. Da dachte ich... man sollte sich doch wenigstens ein bisschen kennen.“

„Nun... wenn du es schaffst etwas aus ihr heraus zu bekommen, dann viel Glück. Ich hoffe, es stört dich nicht, wenn ich euch jetzt allein lasse. Dave wartet sicher schon auf mich.“

Als ich nicht antwortete, drückte sie mir kurz aufbauend den Unterarm und ging dann. Darren rutschte vorsichtig neben mich.

„Also... du bist Alisson.“

„Ja.“

Er schien zu zögern, als er mir seine Hand reichte. „Ich bin Darren.“

Ich betrachtete sie einige Sekunden lang, bevor ich zaghaft meine Hand danach ausstreckte. Er umfasste sie ganz vorsichtig mit einem warmen Griff. Nervosität ergriff mich, was mich dazu brachte, meine Hand schnell wieder zurück zu ziehen, sobald er sie wieder los ließ.

„Du redest nicht viel.“

„Nein.“

„Hat das einen besonderen Grund?“

„Ich habe nichts zu sagen.“

Einen Moment schwieg er, bevor er wieder das Wort ergriff. „Wohnst du hier in der Gegend?“

„Ja.“

„Hmmm.“ Angestrengt rieb er sich übers Kinn. „Warum bist du in der ersten Stunde einfach raus gerannt?“ Die Frage schien ihn wirklich zu beschäftigen.

Ich hörte auf an meinem Muffin zu nagen und warf ihm einen unsicheren Blick zu. Was sollte ich darauf antworten? Am besten gar nichts. Ja, das wäre am sichersten. Aber was, wenn er keine Ruhe gab?

„Ich möchte darauf nicht antworten.“, antwortete ich schließlich.

„Habe ich mir schon irgendwie gedacht. Aber... es hat was mit mir zu tun, oder?“

Ich zögerte einige Zeit. „Indirekt.“

„Verstehe.“ Er zog ein Bein an, stützte sich daran ab und sah mich neugierig an. „Woher ist eigentlich der blaue Fleck?“

„Ich bin gestürzt. Heute Morgen.“

„Und worauf bist du gelandet? Das sieht ziemlich schlimm aus.“

Angestrengt dachte ich nach, während ich begann nervös an meinem Mundwinkel herum zu kauen. „Auf der Couchlehne.“, meinte ich schließlich, jedoch etwas schnell.

„Der Couchlehne.“, wiederholte er, „Ich wusste gar nicht, dass man dabei einen Bluterguss bekommen kann.“

„Passiert mir öfter.“, entgegnete ich.

„Bekommst du schnell Blutergüsse?“

„Ja.“, antwortete ich sofort. Wie sollte ich sonst mit den ständigen Erklärungen durchkommen, ich hätte mich aus Versehen gestoßen, oder sei gestürzt.

Eine Weile beobachtete er mich schweigend. Ich begann wieder zu essen. Die ganze Zeit hatte ich ihn nur ein einziges Mal angesehen. Das schien ihm aufzufallen.

„Siehst du deinen Gesprächspartner nie an?“

Mein Blick huschte kurz zu seinem Arm, der auf seinem Knie lag. Mittlerweile stützte er sich mit dem anderen Arm auf dem Boden ab, lehnte jedoch so weit vor, dass er mein Gesicht sehen konnte.

Was soll ich tun? Ihn ansehen? Es ignorieren? Nein, das wäre unhöflich. Soll ich ihn ansehen? Aber das macht mir Angst.

Ich schluckte hart und sah nochmal kurz zu seinem Arm. Als er ihn plötzlich hob, um sich anders hinzusetzen, zuckte ich sofort zusammen und zog automatisch den Kopf ein. Darren hielt abrupt inne und starrte mich an.

„Tut mir leid, ich... Ich... Du...“ Sein Blick fiel auf den Muffin, den ich vor Schreck fallen gelassen hatte und der nun im Gras lag. „Jetzt hast du nichts mehr zu essen, oder?“

Mein Magen knurrte wieder. Ich hatte den Muffin nur zur Hälfte gegessen.

„Warte, ich hab... ich geb dir was von mir.“ Sofort kramte er in seiner Tasche herum und förderte ein Gebäck zutage. „Ist zwar kein Muffin, aber es ist lecker.“

Unsicher sah ich auf das Gebäck in seiner Hand. „Es ist deins.“

„Ich hab genug davon. Meine Mutter hat letztens drei Bleche gebacken.“

„Aber... Was... was ist das?“

Einen Moment hatte er vor Überraschung die Sprache verloren. „Äh... das ist dein Kuchen. Ein Zitronenkuchen. Vom Blech, deshalb ist er so flach.“

„Schmeckt er nach Zitrone?“, hakte ich nach, „Sauer?“

„Was? Hast du noch nie welchen gegessen?“

Ich wurde ein wenig rot. „Nein. Bis eben habe ich auch noch nie einen Muffin gegessen.“

„Oh. Nun dann... also... er schmeckt zitronig, aber nicht so sauer. Eigentlich sogar ziemlich lecker. In der Glasur ist auch Zitronensaft. Er ist mit Puderzucker gemischt, also ist er auch nicht sehr sauer. Hier probier mal. Es ist nicht jedermanns Sache, aber ich finde ihn sehr lecker.“ Als ich nicht danach griff, hielt er ihn mir an den Mund. „Keine Sorge, er ist nicht vergiftet.“

Unsicher wagte ich einen Blick in sein Gesicht und sah dann wieder auf den Kuchen vor meiner Nase. Darren hat mich freundlich angelächelt. Freundlich und aufmunternd. Zögernd öffnete ich ein wenig den Mund und biss ein kleines Stück ab.

„Wenn du immer so kleine Stücke abbeißt, dann hast du ihn nicht mal in zwei Stunden verputzt. Nun nimm schon einen richtigen Happen. Mund auf.“

Zögerlich tat ich worum er mich bat, woraufhin er mir den Kuchen weit in den Mund schob. Als er dann inne hielt, biss ich vorsichtig ab und krümelte ziemlich viel herum. Sofort hielt ich die Hand darunter, um die Krümel aufzufangen und begann zu kauen. Der schmeckte auch ziemlich gut. Richtig gut sogar. Irgendwie besser als die Muffins. Doch als ich geschluckt hatte, hatte ich keine Freude mehr daran.

„Darf... darf ich noch einmal... abbeißen?“ Erneut sah ich zaghaft zu ihm auf, zwang mich diesmal aber dazu seinem Blick standzuhalten.

Er lächelte etwas breiter und hielt mir den Kuchen wieder an den Mund. „Natürlich. Wenn du ihn so magst, kann ich dir morgen gerne ein paar Stücke mitbringen. Meine Mutter backt für ihr Leben gern. Sie wird sich freuen, wenn sie erfährt, dass es noch jemanden gibt, der ihre Backkünste zu schätzen weiß.“

„Ich-ich-ich möchte dir nicht zur Last fallen.“

„Ach Quatsch. Beiß schon ab.“ Ich tat worum er mich bat. „Du fällst mir nicht zur Last. Es stört mich nicht morgens ein paar Stücke mehr einzupacken. Meine Mutter backt ständig Kuchen.“

Als ich geschluckt hatte, hielt er mir den Kuchen erneut an den Mund.

„Scheint dir aber wirklich zu schmecken.“

„Er schmeckt... gut.“

Erleichtert atmete er aus. „Freut mich das zu hören. Jetzt weiß ich wenigstens, wie ich dich zum Reden bringe. Und du hast wirklich noch nie Zitronenkuchen gegessen?“

Ich wurde wieder etwas rot. „Nein. Das einzige Gebäck, das ich bisher gegessen habe, war Brot oder Brötchen.“

Seine Gesichtszüge entglitten ihm. „Meinst du das ernst?“

„Ja.“

„Und was isst du dann? Nur Brot?“

„Nein. Ab und zu kocht... kocht... mein-mein Vater.“ Er schob mir das letzte Stück Kuchen in den Mund. Irgendwie war ich traurig darüber, dass ich ihn aufgegessen hatte. „Aber das was er kocht, schmeckt nicht sehr lecker. Er kann nicht kochen.“

„Und du?“

„Nicht gelernt.“

„Oh oh. Jetzt wirst du wieder wortkarg. Mal sehen, ich müsste doch noch was haben.“ Erneut begann er in seiner Tasche zu wühlen und förderte noch ein Stück zutage. Als er zu mir sah, schmunzelte er. „Du freust dich ja richtig.“

Verlegen senkte ich den Blick, biss aber gehorsam ab, als er es mir an den Mund hielt.

„Und hungrig scheinst du auch zu sein.“

„Ich esse nicht oft.“, antwortete ich darauf.

„Und warum?“

„Ich... oft komme ich nicht dazu. Oder es gibt einfach nichts. Ich-ich-ich darf nur einmal in der Woche einkaufen.“

„Wo ist das Problem dabei? Seid ihr so viele?“

„Nein. Nur mein V-V-Vater und ich.“ Ich bekam jedes Mal eine Gänsehaut, wenn ich es aussprechen musste. Mein Vater. „Ich versuche sparsam einzukaufen. Das meiste isst er dann.“

„Aber er muss doch für dich sorgen.“

Ich zuckte zusammen. „D-d-d-das tut er. E-e-er geht Arbeiten. Darf ich nochmal... abbeißen?“

Wieder hielt er mir den Kuchen an den Mund. „Es wundert mich ein bisschen, dass du stotterst.“

„Ich stottere nicht.“, entgegnete ich leise.

„Hmmm.... Was ist mit deiner Mutter?“

„Ich weiß es nicht.“

„Warum?“

„Sie hat uns verlassen, als ich fünf war.“

„So früh?“

Ich hob die Schultern. „Ich kann es ihr nicht verübeln. Ich wünschte nur manchmal, sie hätte mich mitgenommen.“

„Und warum hat sie es nicht getan?“

„Ich kann mich nicht gut daran erinnern. Ich glaube... M-m-mein V-V-V-“ Ich unterbrach ich kurz. „Mein V-V-Vater hat sie daran gehindert.“ Egal wie sehr ich auch versuchte nicht zu stottern, wenn ich ihn ansprechen musste, es brachte nichts. Ich stotterte trotzdem.

„Oh.“ Gedankenverloren sank die Hand mit dem Kuchen etwas herab. „Und seit dem wohnst du mit ihm allein?“

„Ja. Ich habe keine Geschwister... falls du das fragen wolltest.“

„Gar keine?“

„Ich... ich glaube, ich hab irgendwo einen älteren Bruder. Aber wenn ja, weiß er wahrscheinlich nichts von mir. Ich bin nicht mal sicher, ob ich ihn habe.“ Darf ich wieder abbeißen? Bitte!

„Warum... warum wünschst du dir, deine Mutter hätte dich mitgenommen?“

Ich wurde starr. Warum musste er etwas fragen, bei deren Antwort ich etwas von meiner Situation zuhause erzählen musste? Ich hatte gerade angefangen mich ein bisschen zu entspannen.

„Es ist nicht... nicht... schön. Bei-bei... ihm.“, antwortete ich schließlich und löste den Blick von ihm. Dann drehte ich mich wieder nach vorn und schlang die Arme um meine Beine. „Er geht arbeiten. Und er ist eigentlich... eigentlich...“ Ganz nett? Wenn er nüchtern ist und einen guten Tag hat würde das stimmen. Akzeptabel? Das müsste wieder voraussetzen, dass er nüchtern ist. Furchterregend ist er. Schrecklich, abscheulich, einfach grauenhaft. Aber das kann ich Darren nicht sagen.

„Tut mir leid. Ich hätte nicht fragen dürfen. Das ist privat.“

„Ich versteh's schon.“

Eine Weile sah er mich einfach nur an, bis ihm plötzlich der Kuchen in seiner Hand wieder einfiel. „Ach... hast du noch Hunger?“

Als er fragte, hielt er mir wieder den Kuchen an den Mund. Er war wirklich nett. Innerlich schämte ich mich dafür, dass ich Angst vor ihm gehabt habe.

„Ich... hab keinen Hunger mehr.“, meinte ich entschuldigend. Mir war der Appetit vergangen.

„Ah... verstehe.“

Einen Moment sah er den Kuchen schweigend an, zuckte dann aber mit den Schultern und biss selbst ab. Als es dann klingelte, sah er überrascht auf, während ich sofort aufstand und meine Tasche nahm. Als er das bemerkte, stand er ebenfalls auf, nahm seine Tasche und begleitete mich zurück zur Klasse. Wir schwiegen uns gegenseitig an, während er den Rest Kuchen verputzte. In der Klasse setzten wir uns dann an unseren Platz und kurz darauf begann der Unterricht.

 

Als die letzte Stunde nun auch vorüber war, packte ich alles zusammen und verließ die Klasse. Ich lief langsam, damit ich möglichst spät zuhause war, wie ich es jeden Tag versuchte. Dieses Mal wurde ich jedoch sogar noch aufgehalten.

„Alisson?“

Ich zuckte zusammen, als man mich am Arm packte. Aus Reflex zog ich den Kopf ein und sah hinab, kniff die Augen zusammen, mein Herz begann zu pochen... doch nichts passierte. Nur langsam traute ich mich die Augen zu öffnen und vorsichtig den Kopf zu heben. Darren sah mit unergründlichem Blick zu mir herab.

„Alles in Ordnung?“, fragte er besorgt.

„Äh... ja.“ Langsam beruhigte ich mich wieder und sah kurz auf seine Hand, die meinen Arm noch festhielt.

Er ließ ihn los. „Ich wollte ich fragen, ob wir nicht vielleicht... zusammen nach Hause gehen wollen.“

„Zusammen?“, hakte ich nach und spürte, wie mein Herz wieder zu pochen begann.

„Ja. Du sagtest, du wohnst in der Nähe.“

Noch bevor er den Satz beendet hatte, begann ich hektisch den Kopf zu schütteln. „Nein. Das ist keine gute Idee.“

„Nicht?“ Seine Schultern sanken ein wenig herab. „Und... essen wir morgen wieder gemeinsam? Wenn es deiner Freundin nichts ausmacht. Wie heißt sie nochmal?“

„Miranda.“

„Ja genau. Also... essen wir dann zusammen? Oder... ist das auch eine schlechte Idee?“

„Nein. Essen ist gut. Das ist in Ordnung.“

Sein Gesicht erhellte sich ein wenig. „Gut. Ähm... bist du morgen pünktlich da?“

„Warum?“

„Naja... Wenn du nichts dagegen hast, warte ich vorn an der Schule auf dich. Du wirkst irgendwie so... verloren, wenn du allein bist.“

Ich rieb mir über den Oberarm. „Ich...“ Er möchte auf mich warten. „Ich...“ Heißt das, er mag mich? „Also... ich werd's versuchen. S-s-sei aber bitte nicht enttäuscht, falls ich doch zu spät komme. Das passiert oft.“

„Schon in Ordnung. Ich werde einfach darauf warten... dass es zum Unterricht abklingelt. Und wenn du noch nicht da bist, weiß ich Bescheid.“

„Okay.“

„Nun dann... ich muss jetzt los.“

Rede doch noch ein bisschen mit mir!

„Meine Eltern warten immer ungeduldig, wenn ich zu spät komme. Sie machen sich zu viele Sorgen.“

Ich will noch nicht nachhause! „Okay.“

„Bis morgen.“

Geh noch nicht... Bitte... „Bis morgen.“ Bitte...

Mit einem Lächeln drehte er sich um und ging weiter. Ich stand noch eine Weile da, sah ihm hinterher und ging dann schließlich ebenfalls Richtung Ausgang. Unterwegs holte Miranda mich ein.

„Hey Alley.“, rief sie schon von weitem, „Wie findest du ihn?“, wollte sie wissen, als sie bei mir war. Ihr Freund lief neben ihr her.

„Er ist... nett. Freundlich.“ Total lieb und aufmerksam.

„Und... findest du nicht auch, dass er gut aussieht?“

Ich zog die Brauen zusammen. Ob er gut aussieht? „Weiß ich nicht. Ich hab nicht drauf geachtet.“

„Oh?“ Sie sah mich einen Moment überrascht und verwirrt an. „Naja, er scheint dich jedenfalls zu mögen. So wie ihr euch in der Pause und eben unterhalten habt. Ich wette, er steht auf dich.“

„Das glaube ich nicht. Er ist nur freundlich.“

„Jeder Junge ist zu dem Mädchen freundlich, auf das er steht. Er fragt dich sicher bald nach einem Date.“

„Ich werde sowieso nein sagen.“

„Aber warum denn?“

„Ich... ich hab keine Zeit. Tut mir leid, ich muss jetzt gehen. Wir sehen uns morgen.“

Ohne auf eine Antwort zu warten wendete ich mich von ihr ab und ging weiter. Glücklicherweise musste ich in eine andere Richtung als sie, sonst würde sie mir sicher noch hinterherlaufen. Den ganzen Weg nach Hause grübelte ich darüber nach, was sie gesagt hat.

Ich wette, er steht auf dich.

Unsinn. Wer stand schon auf blau geschlagene Mädchen? Wäre ich ein Junge, würde ich nicht auf sie stehen. Die machten nur Ärger.

Ich seufzte. Ärger. Genau das mache ich eher nicht. Schweigend bog ich wenig später in meine Straße ein und ging kurz darauf die Auffahrt hinauf. An der Haustür holte ich langsam meinen Schlüssel hervor und stand noch gute fünf Minuten einfach nur da, bevor ich mich dazu ringen konnte die Tür zu öffnen und einzutreten.

„Ich bin wieder da.“, rief ich vorsichtig.

„Na, das wurde aber auch Zeit!“, rief mein Vater gereizt zurück. Eine Flasche fiel zu Boden.

„Ich werde jetzt für die Schule lernen.“ Während ich das sagte, ging ich bereits die Treppe hinauf.

„Komm sofort wieder runter! Ich muss mal ein Wörtchen mit dir reden!“

Oben angekommen eilte ich in mein Zimmer, stellte meine Tasche bei meinem Schreibtisch ab und eilte sofort an die der Tür gegenüber liegende Wand, als ich die Schritte meines Vaters auf der Treppe hörte.

„Ich hab gesagt, du sollst wieder runter kommen, kleines Miststück.“, grölte er, als er die Tür aufriss. „Was denkst du eigentlich wer du bist? Marschierst morgens hier raus und kommst erst am Nachmittag zurück!“

„Ich-ich war in der Sch-Sch-Schule.“

„In der Sch-Sch-Schule.“, äffte er mich nach und kam auf mich zu, „Du weißt, was ich davon halte! Wenn du lieber zuhause bleiben würdest, würde es hier weniger aussehen, wie in einem Schweinestall!“

„Aber-“

Er packte mich am Arm und warf mich zu Boden. „Kein aber! Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du mir nicht widersprechen sollst?“

Als er neben mich trat und mit dem Bein ausholte, zog ich abrupt die Beine an und hielt die Arme über meinen Kopf. Schmerz durchzuckte mein Bein, als er mich traf. Und er trat wieder zu und wieder, drehte mich auf die Seite, und trat dann erneut zu. Ich begann zu schreien.

„Hör auf! Hör auf!“

„Halt die verdammte Klappe!“, schrie er zurück und trat erneut zu.

Als er es zehn Minuten später leid war zuzutreten, packte er mich an den Haaren und zog mich auf die Beine, um mich dann aufs Bett zu schmeißen. Ich weinte vor Schmerz, wimmerte und versuchte über das Bett zu klettern, doch er hielt mich fest und begann meine Hose zu öffnen. Mit einem Schluchzen, das mich durchschüttelte, ergab ich mich wieder einmal meinem Schicksal und gab auf.

 

Am nächsten Morgen tat mir alles weh. Stöhnend hievte ich mich auf und schleppte mich ins Bad. Ich wusste, ich würde zu langsam sein. Dafür hatte er gestern Abend gesorgt. Doch das Wasser tat mir gut. Als ich aus dem Bad kam, fühlte ich mich etwas besser und ging zehn Minuten später wieder eilig und leise die Treppe hinunter. In der Küchentür erstarrte ich. Er lehnte am Tresen und wartete bereits.

„Du weißt, was ich dir gestern gesagt habe.“ Natürlich war er nicht nüchtern. Er war immer noch stockbesoffen.

„Ich möchte in die Schule.“

Er stieß sich mit finsterem Blick ab und kam wieder auf mich zu. „Du gehst nirgendwo hin.“

Ich trat Rückwärts von ihm weg und steuerte auf die Tür zu. Als er erkannte, was ich vorhatte, sprang er vor, um nach mir zu greifen, doch in dem Moment riss ich bereits die Tür auf und rannte hinaus.

„Alisson!“, rief er mir wütend hinterher, „Komm zurück! Komm zurück, unnützes Weib!“

Er folgte mir die Auffahrt hinunter und noch eine Minute weiter, als ich die Straße hinab rannte. Doch ich war bereits so oft vor ihm davon gelaufen, dass ich eine beträchtliche Geschwindigkeit und Ausdauer hatte. Doch ich wurde nicht langsamer, als er es aufgab. Ich rannte weiter und bremste erst, als ich an der Schule war. Dort angekommen sah ich hektisch zurück und starrte eine Weile in die Richtung, aus er ich kam. Nichts. Er war mir nicht gefolgt.

Gerade als ich aufatmen wollte, legte man mir eine Hand auf die Schulter. Ich schrie vor Schreck auf und trat zwei Meter von der Person weg, wobei ich mich abrupt umdrehte. Mein Atem ging immer noch hektisch, mein Herz raste. Doch als ich erkannte, dass es Darren war, der mich nur begrüßen wollte, verschwand die Angst langsam wieder.

„Tut mir leid.“, meinte ich sofort und sah nochmal zurück.

Immer noch nichts. Als ich mich wieder zu Darren umdrehte, ging ich an ihm vorbei, etwas weiter auf den Schulhof. Als ich merkte, dass er mir nicht folgte, blieb ich überrascht stehen und sah zu ihm herüber. Offenbar dachte er, ich wolle allein sein, denn er stand immer noch da und sah mir lediglich hinterher. Als er dann sah, dass ich mich nach ihm umsah, begann er wieder zu lächeln und eilte mir hinterher.

„Du hast ausgesehen, als sei der Teufel hinter dir her.“, bemerkte er.

„Aah... So etwas in der Art.“

Miranda kam auf mich zugeeilt. „Mein Gott Alisson! Was ist los? Du hast ja total verängstigt ausgesehen. Alles okay? Du bist blasser als sonst.“

„Alles in Ordnung.“

„Und warum bist du so gerannt? Sah aus, als seist du auf der Flucht!“

Ich schwieg. Sie hatte den Nagel auf den Kopf getroffen.

„Und dir geht es wirklich gut?“

Langsam nickte ich. „Ja. Alles bestens.“

„Meine Güte, du siehst immer noch so verängstigt aus.“ Tröstend zog sie mich in die Arme, doch ich schrie darauf nur vor Schmerz auf, als sie meine lädierte Seite drückte. Sie ließ mich sofort los. „Oh mein Gott, was ist? Was hab ich getan?“

„Nichts!“, antwortete ich schnell, „Es ist... nichts.“

„Ist etwas mit deiner Seite?“

„Alles bestens.“ Ich wich zurück, als sie nach meinem Pullover griff.

„Lass mal sehen. Ich hab dir wirklich wehgetan.“

„Bitte, Miranda.“

Als Miranda erneut danach griff, legte Darren mir einen Arm um die Schulter.

„Ist schon okay.“, meinte er, „Sie möchte nicht.“

Ich stöhnte leise auf. „Nicht anfassen. Bitte.“

Als sie mein Wimmern hörten, sahen mich alle beide mit großen Augen an. Langsam ließ Darren mich wieder los.

„Habe ich dir weh getan?“, fragte er besorgt.

„Alles bestens.“, wiederholte ich schnell, „Ich bin nur... nur... empfindlich.“

„Du trägst deine Tasche aber eigentlich immer auf der anderen Seite.“, bemerkte Miranda.

„Ich-ich hab mir eine Rippe verstaucht.“ Das war wahrscheinlich nicht einmal gelogen.

„Oh nein. Warst du beim Arzt?“

„Alles in bester Ordnung.“, log ich sofort, „Nichts gebrochen.“ Hoffte ich.

Sie glaubte mir ebenso wenig wie Darren. Doch ich ignorierte es.

„Wir sollten rein gehen. Es klingelt gleich.“

„Ich mache mir wirklich ernsthafte Sorgen um dich.“, meinte Miranda nochmals, bevor sie sich abwand und zu Dave eilte, der mich von weitem mit gerunzelter Stirn beobachtete. Als Miranda bei ihm war, sah er fragend auf sie herab.

„Es ist nicht alles okay, oder?“, fragte Darren leise.

„Ich will dich nicht anlügen.“, entgegnete ich, „Also antworte ich besser nicht.“

Mit diesen Worten machte ich mich auf den Weg zur Klasse, dass es bereits klingelte.

 

In der Pause setzte ich mich wieder draußen ins Gras. Da ich nichts zu essen dabei hatte, trank ich eifrig aus meiner Wasserflasche, die noch vom Vortag in meiner Tasche war. Er war sehr erfrischend, weshalb ich aufatmete, als ich sie absetzte. Dann schloss ich einen Moment die Augen und schraubte den Deckel wieder rauf, bevor ich sie in meine Tasche steckte. Als mein Bein schmerzte, sah ich mich einen Moment aufmerksam um, bevor ich vorsichtig das Hosenbein hochzog, um mir mein Bein anzusehen. Mein Schienbein war von oben bis unten blau gefärbt und leuchtete in der Mitte dunkelrot. Als ich es vorsichtig berührte, spürte ich im ersten Moment nichts. Erst als ich nur den Hauch eines Drucks ausübte, durchzuckte der Schmerz mein ganzes Bein. Ein Wunder, dass ich es damit bis in die Schule geschafft habe.

Nachdem ich mich ein weiteres Mal umgesehen hatte, holte ich erneut meine Flasche heraus und hielt sie vorsichtig an das Bein. Es war angenehm kühl, weshalb ich erleichtert aufatmete und sogar leise stöhnte. Als mir dann einfiel, dass ich zugestimmt hatte mit Darren zusammen zu essen, steckte ich die Flasche schnell wieder ein und zog das Hosenbein hinunter. Gerade rechtzeitig, denn im nächsten Moment sah ich bereits, wie er auf mich zukam. Bei mir angekommen kramte er bereits in seiner Tasche und setzte sich neben mich.

„Leider war kein Zitronenkuchen mehr übrig.“, meinte er entschuldigend und holte eine kleine transparente Dose heraus. „Aber als ich Mom von deiner Begeisterung erzählt habe, hat sie einen Nusskuchen gebacken. Ich hoffe, du magst Nüsse.“

Ich wurde rot, als er mir die Dose reichte und nahm sie zaghaft entgegen. „Danke. Sie hätte nicht extra für mich backen müssen.“

„Schon okay. Sie macht es wirklich gerne.“

Vorsichtig öffnete ich die Dose. Sofort kam mir ein herrliches Aroma entgegen. Dann wurden meine Augen jedoch etwas größer. „Aber das ist viel mehr als ich essen kann.“

„Kein Problem. Du kannst es ruhig mitnehmen. Die Dose kannst du mir ja morgen wieder zurückgeben.“

„Ich mache dir viel zu viele Umstände.“

„Nicht im Geringsten. Ich nehme an, Nusskuchen hast du auch noch nie gegessen.“

Ich schüttelte langsam den Kopf.

„Dann probier. Moms Nusskuchen ist der Beste weit und breit.“

Ich nahm ein Stück heraus und biss herzhaft davon ab. Dann schloss ich die Augen und genoss den Geschmack. Das war besser als Zitronenkuchen und Blaubeermuffins zusammen!

„Schmeckt das gut!“, kam es mir über die Lippen, bevor ich erneut abbiss.

Er begann wieder zu lächeln und sah mir eine Weile zu. „Wo genau wohnst du eigentlich?“

„Ähm... Nur vier Straßen weiter. Gardenstreet.“

„So? Ist nur eine Straße vor meiner.“

„Tompsonstreet?“

„Ja.“

„Oh... Wohnst du schon lange da?“

„Seit ein paar Jahren.“

„Hab dich noch nie gesehen.“

„Ebenfalls.“ Wieder sah er mir eine Weile beim Essen zu. „Hast du Haustiere?“

Ich schüttelte den Kopf.

„Warum?“

„Ich dürfte nicht einmal welche haben, wenn ich wollte.“

„Du willst aber auch keine?“

„Ich würde schon gerne. Vielleicht ein Hamster.“ Ich zog die Brauen zusammen. Der war so klein. „Eine Katze...“ Wer weiß, was mein Vater damit machen würde. „Oder eher ein Vogel...“ Der konnte zur Not weg fliegen. Aber mein Vater hatte eine Pistole. Ich seufzte. „Mein.... Zuhause ist nicht geeignet für Haustiere.“ Um nicht zu sagen, mein Vater würde sie töten, um mich zu quälen.

„Oh... Also... wir haben einen Hund. Rocky. Ein ziemlich guter Wachhund.“

„Ich mag Wachhunde nicht sehr gern.“

„Warum?“

„Weil sie bellen, wenn man ihnen in die Nähe kommt.“

„Ach... Rocky macht das nicht einfach so. Er merkt schon, wenn jemand unbeabsichtigt auf dem Hof ist. Dann fängt er an zu bellen. Sonst nie.“

„Aber alle anderen Wachhunde machen das. Ich hätte lieber etwas... weniger aggressives. Ein Kätzchen zum Beispiel. Aber... das geht nicht.“

„Hast du Angst vor Hunden?“

„Nicht vor Hunde generell.“, murmelte ich, „Nur vor denen die Bellen.“

„Warum?“

Weil sie mich an meinen Vater erinnern, wenn er wieder ausrastet.Ich schwieg.

„Du willst nicht lügen, richtig?“

Ich nickte nur.

„Verstehe.“ Schweigend sah er eine Weile über den Schulhof, bevor sich seine Miene etwas aufhellte. „Hey, wie wäre es, wenn wir nach der Schule mal was zusammen machen? Ich meine... wenn ich dich nicht nachhause bringen darf-“ Er unterbrach sich, als er zu mir sah. Ich hatte inne gehalten und ging gerade Schritt für Schritt im Kopf durch, was passieren würde. Dabei senkte ich ein wenig den Blick.

„Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist.“

„Warum?“

Er würde mir nie erlauben nach der Schule irgendwohin zu gehen. Und wenn ich es ohne seine Erlaubnis tat... Ich schauderte. „Vielleicht... wenn mal eine Stunde ausfällt.“, murmelte ich. Das wird er nicht mitbekommen.

„Wenn eine Stunde ausfällt? Du meinst, wenn wir mal früher Schluss haben?“

Ich nickte langsam.

„Warum erst dann? Möchtest du nicht, dass das jemand mitbekommt?“

Ich warf ihm einen kurzen Blick zu und knabberte an dem Kuchen. Als er begriff, dass ich darauf nicht antworten würde, seufzte er tief und zog ein Bein an, um seinen Kopf darauf ab zu stützen.

„Es ist nicht leicht dich kennen zu lernen.“

„Ich möchte nicht, dass mich jemand kennen lernt.“

„Und warum?“

„Es ist-“

„Keine gute Idee.“, beendete er meinen Satz, „Und wenn ich dich trotzdem kennen lernen möchte?“

„Du kennst mich doch erst seit zwei Tagen. Wie kannst du das da sagen?“

Er zuckte mit den Schultern. „Nennen wir es Intuition. Ich mag dich.“

„Du kennst mich nicht.“

„Würde ich gern ändern.“

Ich seufzte leise, antwortete jedoch nichts.

„Du willst keine Freunde. Warum? Und jetzt sag nicht, es sei keine gute Idee.“

Ich stellte eine Gegenfrage. „Sind deine Eltern nett?“

Er blinzelte überrascht. „Ja. Warum?“

„Haben sie dich je geschlagen?“

„Nein. Wer schlägt schon seine Kinder?“ Er sagte es so, als würde es das nicht geben.

Ein Schulterzucken meinerseits. „Ich weiß nicht. Wütende Väter vielleicht. Wenn sie betrunken sind.“

„Das ist Körperverletzung. Heutzutage wird das doch verboten. Die eigenen Kinder zu schlagen, meine ich.“

„Du hast Recht. Aber es gibt immer noch Menschen, die das machen.“

„Und die werden dafür bestraft.“

„Und wenn man nicht herausfindet, dass es passiert? Wenn es keiner bemerkt, was dann?“

„Das Kind wird es doch sagen, oder nicht? Es geht doch um seine Gesundheit.“

„Was... wenn es schweigt? Aus Angst.“

„Dann wird es jemand anderen geben, der es bemerkt. Die Nachbarn oder Freunde.“

„Hmm...“ Ich biss von dem Kuchen ab.

„Du bist irgendwie süß, wenn du so an dem Kuchen knabberst.“

Überrascht sah ich zu ihm auf und blickte direkt in ein lächelndes Gesicht.

Findest du nicht auch, dass er gut aussieht?

Ich wusste nicht warum mir der Satz ausgerechnet jetzt einfiel. Aber es brachte mich mir dazu Darren etwas genauer anzusehen. Er hatte dunkelbraunes, kurzes Haar. Nicht zu kurz. Gerade lang genug, um mit der Hand hindurch zu fahren. Seine Augen waren hell grün, schienen sogar etwas grau zu sein und wurden von einem tiefen schwarzen Kreis umrandet. Seine Haut war hell, jedoch etwas gebräunt. Stand ihm gut. Wie mir bereits aufgefallen war, war er kräftig gebaut und ganz schlank. Sein Bizeps war unter seinem Shirt gut zu sehen, aber er schien nicht zu dem Jungen zu gehören, die es mögen große Bizeps zu haben. Das fand ich gut. Man sah, dass er Kraft hatte, aber seine Bizeps waren nicht übermäßig groß. Stand ihm auch gut.

„Warum siehst du mich so an?“, wunderte er sich.

Ich blinzelte und sah wieder zu ihm auf. „Wie sehe ich dich denn an?“

„Irgendwie... abschätzend. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass du so oberflächlich bist wie die Zicken da hinten.“ Er deutete auf eine Gruppe Mädchen, die gerade über den neusten Klatsch und Tratsch sprachen. Die Tatsache, dass sie oft zu mir und Darren sahen, verriet mir worüber sie wohl jetzt gerade sprachen.

„Ich versuche eine Antwort auf eine Frage zu finden, die Miranda mir gestellt hat.“

„Eine Frage über mich?“, hakte er unsicher nach.

„Sie fragte, ob ich nicht auch der Meinung bin, dass du gut aussiehst.“

„So?“ Irgendwie schien ihn das zu erheitern. „Und was hast du ihr gesagt?“

Ich hob die Schultern. „Dass ich darauf nicht geachtet habe.“

„Und... wie denkst du jetzt darüber?“

„Dass du auf jeden Fall nicht hässlich bist.“

Er brach in Gelächter aus. Einige drehte sich überrascht zu uns um und begannen dann zu starren, als sie feststellten, dass ich ihn offenbar zum Lachen gebracht hatte.

„Ich habe noch nie jemanden zum Lachen gebracht.“, bemerkte ich, mehr an mich selbst, als an jemand anderen.

Als er sich wieder beruhigt hatte, sah er mich mit gehobener Braue an. „Hast du nicht?“

„Nein. Abgesehen von dir habe ich allerdings auch nur mit Miranda länger als fünf Minuten gesprochen.“ Als ich das Stück Kuchen aufgegessen hatte, nahm ich ein zweites heraus und begann daran herum zu nagen.

„Du musst schon richtig abbeißen.“

„Aber dann kann ich es nicht genießen.“, entgegnete ich, „So hab ich viel mehr davon.“

„Du sagtest doch, du hättest mehr, als du essen kannst. Also hast du später doch auch noch etwas.“

Ich seufzte leise, biss dann aber richtig ab. Er lächelte zufrieden, bevor es ein wenig nachließ.

„Ich hab dich bisher nicht einmal lächeln sehen.“

„Ich lächle nicht.“, entgegnete ich darauf.

„Das wird eine immer längere Liste. Kein Lächeln, wohl auch kein Lachen, kein Gebäck außer Brot, keine Freunde, keine Haustiere, keine Treffen nach der Schule... Ich nehme an, du hattest bisher noch keine Beziehung?“

Ich schüttelte hektisch den Kopf und spürte wie ich blass wurde. Die Vorstellung, dass mich jemand anderes so berühren könnte wie mein Vater, ließ Übelkeit in mir aufwallen. Ich legte den Kuchen wieder in die Dose.

„Keinen Hunger mehr?“

Langsam schüttelte ich den Kopf. „Es schmeckt aber wirklich lecker.“

„Das möchte ich hoffen. Aber warum hast du keinen Hunger mehr? Du hast doch nur ein Stück gegessen.“

Langsam atmete ich aus, antwortete aber nicht.

„Es sind ziemlich viele Fragen, die du mir nicht beantworten möchtest.“

„Ich hab meine Gründe dafür.“, murmelte ich darauf leise.

„Und... warum hattest du noch nie einen Freund? Ich meine... du bist ein schönes Mädchen. Und du bist auch sehr freundlich. Bisher ist mir nichts aufgefallen, was meine Entscheidung ändern würde dich nach einem Date zu fragen.“

„Und die blauen Flecken? Ich habe ständig welche.“

„Das ändert aber nichts an deinem Charakter.“

„Aber auch nichts an meiner gegenwärtigen Situation.“, murmelte ich leise vor mich hin.

„Wie meinst du das?“

„Nicht so wichtig.“

„Hmm... Was machst du so in deiner Freizeit?“

„In meiner Freizeit?“

„Ja. Wenn du mal Zeit für dich hast.“

Ich zögerte ein wenig. „Ich gehe in die Schule.“

„Ja... Aber was machst du danach? In deiner Freizeit? Hast du irgendein Hobby?“

„Nein.“

„Nicht? Gibt es denn nichts, was du gerne machst?“

„Weiß ich nicht.“ Ich zuckte mit den Schultern. „Ich habe nie etwas ausprobiert.“

„Was machst du dann die ganze Zeit? Wenn du zuhause bist, meine ich.“

Eine Weile überlegte ich, was ich antworten könnte. „Nichts.“, antwortete ich schließlich, bevor ich die Brauen zusammen zog, „Zumindest nichts, was mir Spaß macht.“

„Und was macht dir keinen Spaß?“

„Warum fragst du?“

„Ich versuche nur aus dir herauszukitzeln, was du machst, wenn du zuhause bist.“

„Ich werde auf diese Frage nicht antworten.“

Wieder seufzte er, diesmal ziemlich frustriert. „Weil du sonst lügen möchtest?“

„Was wäre dir lieber? Keine Antwort oder eine falsche?“

„Ich weiß nicht. Kommt darauf an, wie weit die Antwort von der Wahrheit entfernt ist.“

„Sehr weit.“

„Dann lieber keine.“

Ich nickte. „Dachte ich mir.“

Er murrte. „Aber... warum?“

„Warum was?“

„Warum würdest du lügen, wenn du antwortest?“

„Warum lügt man, Darren? Damit die angelogene Person nicht die Wahrheit erfährt.“

„Was hast du denn zu verbergen?“

„Mein ganzes Leben.“

„Und deshalb lässt du mich dich nicht kennen lernen?“

Stumm nickte ich.

„Verstehe.“ Er klang irgendwie... geknickt.

Bitte nicht. „Sei jetzt nicht... enttäuscht.“

Er lachte leise. „Alisson, du bist ein wunderbares Mädchen. Und du hast mir gerade gesagt, dass du nicht möchtest, dass ich dich kennen lerne. Und das würde ich wirklich gerne. Es fällt mir schwer nicht enttäuscht zu sein.“

Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn dann aber wieder, weil ich nicht wusste was ich dazu sagen sollte. „Morgen ist Freitag.“, meinte ich stattdessen.

„Ja.“

„Mein... mein V-V-Vater geht freitags immer mit einem Freund Angeln. Wenn du möchtest... also... wir könnten in den Park gehen oder so.“

Überrascht sah er zu mir. „Wie bitte?“

„Ich möchte nicht, dass du enttäuscht bist.“

„Du gehst mit mir aus?“

Ich verzog ein wenig das Gesicht. „Es ist kein Date. Nur ein einfaches Treffen. Unter Klassenkameraden.“

Er begann zu lächeln. „Gerne. Soll ich dich abholen?“

Als ich den Kopf schüttelte sah er mich fragend an. „Ich weiß nicht, wann er geht.“

Sein Lächeln wurde etwas matt. „Du willst nicht, dass er es mitbekommt.“

Ich fummelte an der Dose herum, antwortete aber nicht.

„Wie machen wir das dann?“

„Ich... könnte dich abholen.“

„Klingt irgendwie unfair. Du darfst mich abholen, ich dich aber nicht. Welche Hausnummer habt ihr?“

Ich rang mit mir. „45.“

„Ich hol dich um 3 Uhr ab, okay?“

„Aber... wenn er noch nicht weg ist-“

„Dann sorgst du eben dafür, dass es so ist.“

Es klingelte, weshalb wir sofort aufstanden und in die Klasse gingen. Wie sollte ich meinen Vater dazu bringen rechtzeitig beim Angeln zu sein?

Ich schluckte.

Kapitel 2

 

Wie immer atmete ich tief durch, als ich vor der Haustür stand. Den Schlüssel in der Hand. Sie zitterte. Mein ganzer Körper zitterte. Vorsichtig schloss ich auf und trat langsam ein.

„Ich bin wieder da.“, rief ich vorsichtig.

Es blieb still. Ängstlich machte ich einen Schritt vor den anderen, sah ganz vorsichtig ins Wohnzimmer. Als ich ihn nirgendwo sah, kroch die Angst immer weiter an meiner Wirbelsäule hinauf. Plötzlich hörte ich wie oben eine Tür zugeschlagen wurde. Schritte im Flur... dann auf der Treppe. Er sah wütend aus, wie immer. Und er kam direkt auf mich zu. Das Einzige, was mich wenigstens ein bisschen aufatmen ließ war, dass er nüchtern war. Dennoch schlug er sofort zu, als er nahe genug war.

„Das ist dafür, dass du weiter gerannt bist, obwohl ich dir sagte, du sollst zurück kommen.“, meinte er mit finsterer Stimme.

Im nächsten Moment packte er mich an den Haaren und zerrte mich hinter sich her die Treppe hinauf. Ich hielt sein Handgelenk fest und unterdrückte die Schreie in meinem Hals, während mir die Tränen über die Wange flossen. Oben angekommen ging er weiter ins Badezimmer, wo er mich dann vor die Waschmaschine warf.

„Mach die Wäsche. Heute Abend ist alles gewaschen, kapiert?“

„Ja.“, flüsterte ich.

„Und hör auf zu heulen.“

Ich wischte die Tränen weg, während er sich bereits umdrehte. „Vater.“

Er blieb stehen und sah zu mir herüber. „Was ist?“

„Ich... ich...“ Komm schon. Trau dich. „Ich brauche ein bisschen Geld.“, brachte ich hervor.

Seine Augen wurden etwas enger. „Wofür?“

„Es sind nur zehn Dollar. Wir- wir- … meine Klasse fährt Mittwoch ins Theater.“

Schweigend stand er an der Badezimmertür und sah zu mir herab. Dann sah er auf den Berg Wäsche zu meiner Linken. „Die bekommst du, wenn du die Wäsche fertig hast. Heute Abend um zehn. Nicht später. Verstanden?“

Ich nickte hektisch. „Danke.“

Mit einem Schnauben wendete er sich ab und ging hinunter. Zitternd drehte ich mich um und begann die Wäsche zu sortieren. Und als ich die Maschine startete, stellte ich fest, dass zu wenig Waschmittel für die ganze Wäsche da war. Ich schluckte hart, schaltete die Maschine ein und ging dann hinunter. Ich musste neues Waschmittel kaufen. Und dafür brauchte ich Geld, das bedeutete...

„V-V-Vater.“

Er saß im Wohnzimmer auf der Couch und sah fern. Als er mich hörte sah er mit finsterem Blick zu mir auf. „Was denn jetzt schon wieder?“

Ich trat von einem Fuß auf den anderen. „Wir haben kein Waschmittel mehr.“

„Dann geh welches kaufen.“

„Ich... Ich brauche dafür... ein bisschen Geld.“

Mit einem gereiztem Seufzen griff er in seine Hosentasche und holte fünf Dollar aus seiner Brieftasche. Als ich es entgegen nahm, packte er mich am Handgelenk.

„Du kaufst nur das verdammte Waschmittel. Nichts anderes, verstanden?“

Ich nickte hektisch und er ließ mich los.

„Gut. Und bring die Quittung mit. In einer halben Stunde bist du wieder hier.“

„J-j-ja.“

„Und hör, verflucht nochmal, auf zu stottern!“

„Tut mir leid.“

Mit diesen Worten drehte ich mich um und eilte hinaus. Eine halbe Stunde... Der nächste Supermarkt war eine Viertelstunde zu Fuß entfernt. Also musste ich rennen. Ich sah auf die Uhr und rechnete mir aus, dass ich um Viertel vor wieder da sein musste.

Zehn Minuten später erreichte ich schwer atmend den Supermarkt und eilte hektisch durch die Gänge, auf der Suche nach dem Waschmittel. Als ich in der entsprechenden Abteilung einbog, lief ich Darren in die Arme. Wortwörtlich. Er fing mir vorsichtig auf, bevor ich zu Boden gehen konnte und sah überrascht zu mir herab. Als er mich erkannte, begann er kurz zu lächeln, starrte dann aber auf meine Wange.

„Deine Wange ist ganz rot um den blauen Fleck.“, bemerkte er, „Ist etwas passiert?“

„N-n-nein nichts. Tut mir leid, ich hab keine Zeit.“ Ich sah auf die Uhr. 17 Minuten.

„Was suchst du denn?“

„Waschmittel.“

„Äh... da vorn, glaube ich.“

Ich eilte in die Richtung, in der er zeigte, woraufhin er mir verwirrt folgte.

„Warum bist du so in Eile?“

„Weil... ich muss um Viertel vor wieder zuhause sein.“ Ich sah das Regal durch. Als ich fand was ich suchte, schnappte ich mir eine Flasche und eilte dann an die Kasse. Darren folgte mir weiter.

„Was ist denn, wenn du dann nicht wieder da bist?“

„Da-da-dann bekomme ich Ärger.“

„Auch wenn du nur zwei Minuten später dran bist?“

Ich nickte stumm.

„Dein Vater ist ziemlich streng.“

Leicht biss ich mir auf die Unterlippe, antwortete aber nicht.

„Und du hast gerade Wäsche gewaschen?“

„Ja. Warum?“

„Jetzt kenne ich wenigstens eine deiner Aktivitäten. Musst du auch putzen?“

„Ja.“, antwortete ich unsicher. Ich sah wieder auf die Uhr. 14 Minuten. „Das geht viel zu langsam.“

„Du siehst ein bisschen ängstlich aus. Ist wirklich alles okay?“

Ich nickte nur.

Er schürzte die Lippen. „Wenn du willst, nehme ich dich auf meinem Fahrrad mit.“

Ich sah zu ihm auf.

„Wenn du zu Fuß gehst, schaffst du es niemals rechtzeitig. Ich bin mit dem Fahrrad da. Das geht viel schneller.“

Ich öffnete bereits den Mund um zu widersprechen, schwieg dann aber doch. „Dankeschön.“

„Immer wieder gern.“

Als ich an der Reihe war, bezahlte ich und ließ mir noch die Quittung geben. Dann wartete ich noch kurz auf Darren und ging dann mit ihm hinaus. Ich konnte nicht anders und sah wieder auf die Uhr. Noch 11 Minuten. Bei seinem Fahrrad angekommen erklärte er mir, wie ich mich zu ihm setzen sollte und bat mich die kleine Tüte mit seinen Besorgungen zu halten. Zusätzlich legte er noch einen Arm um meine Taille, damit ich etwas Halt hatte und begann zu fahren. Er war vorsichtig, fuhr aber schnell genug. Und als wir wenig später bei meinem Haus hielten, blieben mir sogar noch drei Minuten.

Erleichtert stieg ich von dem Fahrrad und reichte ihm seine Tüte. Dann hörte ich, wie die Haustür geöffnet wurde. Den Mund, den ich geöffnet hatte, um Darren zu danken, schloss ich sofort wieder und drehte mich um. Mein Vater sah mich einen Moment finster an, ging dann aber, nach einem kurzen Blick auf die Uhr, zur Garage.

„Danke fürs Fahren.“, meinte ich halblaut an Darren.

„Ist das dein Vater?“, fragte er verwundert.

„Ja.“

„Er sieht aus wie... naja... wie ein Soldat.“

„Wie ein Soldat?“, hakte ich nach, während ich hörte, wie mein Vater wieder zum Haus ging.

„Ja. Also... streng und... böse.“

„Alisson!“

Ich zuckte zusammen, als er nach mir rief. „Wir sehen uns morgen.“

Ohne auf eine Antwort zu warten lief ich quer über den Rasen ins Haus.

„Wer war das?“, fragte mein Vater sofort.

„Darren.“, antwortete ich kleinlaut.

„Und das ist?“

„Ein-ein Klassenkamerad.“ Ich umklammerte das Waschmittel.

„Und was hast du mit ihm gemacht?“

„Ich-ich-ich hab ihn zufällig im Supermarkt getroffen. Die Schlange an der Kasse war so lang, also hat er mich mit seinem Fahrrad gefahren.“

Er sah mich für eine Weile noch mit verengten Augen an, bevor er mir mit einer Kopfbewegung befahl mich weiter um die Wäsche zu kümmern. Sofort senkte ich den Kopf und eilte nach oben. Wenn ich Glück hatte, überstand ich den Tag ohne Prügel zu beziehen. Abgesehen von der einen Ohrfeige.

 

Als ich spät abends die letzte Wäsche im Wohnzimmer auf hängte, las mein Vater gerade Zeitung und saß gemütlich auf der Couch. Ab und zu warf er einen Blick auf die Uhr. Endlich fertig mit der Wäsche ließ ich mich ebenfalls auf der Couch sinken, saß jedoch so weit weg von meinem Vater, wie es auf derselben Couch möglich war.

„Ich bin fertig.“, meinte ich schließlich und folgte seinem Blick zur Uhr. 21:45 Uhr.

Ordentlich faltete er die Zeitung zusammen und holte seine Brieftasche heraus. „Wie viel Geld war das? Zehn Dollar?“

„Ja.“ Er war seltsam ruhig.

„Hier hast du zwanzig. Ich fahre morgen schon früh los. Kauf dir von den anderen zehn was zu essen und zu trinken.“

Ich nahm die beiden Scheine zaghaft entgegen. Mit finsterem Blick betrachtete er die Distanz zwischen uns, bevor er die Brieftasche einsteckte und sich abwand, um die Zeitung weiterzulesen.

„Dad?“, versuchte ich es vorsichtig, als er die Zeitung gerade in die Hand genommen hatte.

Er erstarrte bei dem Wort und sah langsam zu mir herüber. „Was?“

„Warum...“ Ich zögerte.

Seine Augen verengten sich. „Warum was? Sei nicht feige.“

Ich schluckte. „Warum trinkst du immer so viel?“

„Ich glaube kaum, dass ich dir das sagen muss. Noch eine Frage?“

„Weißt du, was du tust, wenn du betrunken bist?“

Es wurde verdächtig still. Einen Moment dachte ich, er würde nicht darauf antworten und die Zeitung weiter lesen. Stattdessen rollte er sie langsam zusammen.

„Was hast du gerade gefragt?“, wollte er bedrohlich leise wissen.

Ich hob abwehrend die Hände. „Ich frag nicht nochmal. Bitte... nicht schlagen.“

Er beugte sich zu mir herüber, die Zeitung immer noch in der Hand. „Ich weiß ganz genau was ich tue, Alisson. Du solltest allerdings selbst wissen, dass man sich im Einfluss von Alkohol nicht unter Kontrolle hat.“ Sein Gesicht war meinem ganz nahe. Beinahe berührten sich unsere Nasenspitzen und ich spürte seinen Atem im Gesicht. Angst kroch mir die Wirbelsäule hinauf. „Habe ich deine Frage beantwortet?“

„J-j-j-ja.“

Er schlug mich mit der Zeitung gegen den Hinterkopf. „Hör auf zu stottern!“

Ich fasste mir an den Hinterkopf und war etwas überrascht darüber, dass es nicht so sehr weh tat wie dann, wenn er mich mit der Hand schlug. „Tut mir leid.“

Dann sah er einfach auf mich herab. Ganz plötzlich griff er nach meinem Kinn, zog mein Gesicht hoch und drückte dann seine Lippen fest auf meine. Ich erstarrte, versuchte ihn an der Brust wegzudrücken, doch er war viel stärker. Doch das, was ich befürchtet hatte, blieb aus. Statt weiterzumachen, wie sonst, hörte er genauso plötzlich auf wie er angefangen hatte und ließ von mir ab. Verängstigt sah ich zu ihm auf, während er nur weiter zu mir herab sah.

„Du siehst genauso aus wie deine gottverdammte Mutter.“, murmelte er, offenbar eher an sich selbst, als an mich. Seine Augen begannen ein wenig zu glitzern und ich sah, wie sich eine Träne sammelte. Im nächsten Moment hatte er sich bereits wieder abgewandt und schlug die Zeitung auf.

„Geh jetzt ins Bett.“

Ich sprang sofort auf.

„Und Alisson.“

An der Wohnzimmertür erstarrte ich und sah ängstlich zu ihm zurück. Er hatte sich umgedreht und sah mich mit undefinierbarem Blick an.

„Es mag vielleicht... unglaubwürdig klingen. Aber wenn dich jemand belästigt... oder dir weh tut, sag mir sofort Bescheid. Verstanden?“

Ich nickte erst langsam, dann etwas schneller.

Er presste die Lippen aufeinander. Dann wendete er sich wieder ab. „Du kannst jetzt gehen.“

Wie auf Knopfdruck drehte ich mich wieder um und flitzte hinauf.

 

Der nächste Morgen lief zu Beginn so wie alle anderen. Bis ich die Treppe hinunter ging. Mein Vater kam gerade aus der Küche, was mich dazu brachte sofort stehen zu bleiben. Als er mich hörte sah er zu mir herüber, ging aber wortlos weiter ins Wohnzimmer.

Er ist immer noch nüchtern.

Das wunderte mich. Ich hatte ihn noch nie so lange nüchtern erlebt, seit Mom weg war. Als ich in die Küche ging, blieb ich wieder abrupt stehen. Da stand eine Flasche Wasser und eine Brotdose. Verwirrt sah ich durch die Küchentür rüber ins Wohnzimmer, wo er gerade dabei war die Angelsachen fertig zu machen.

„Für wen ist das Essen?“, fragte ich ihn verwundert.

„Für dich.“, antwortete er knapp.

Für mich...

Unsicher nahm ich die Flasche und die Dose und steckte sie ein. Als ich wieder in den Flur ging, kam er aus dem Wohnzimmer.

„Wenn ich heute Abend wieder komme, ist das Haus sauber. Beziehe auch die Betten neu. Die Vorhänge kannst du auch waschen, wenn du schon dabei bist. Dann kannst du Sonntag raus gehen. Morgen gehen wir einkaufen.“

„Ich... Ich...“ Soll ich ihm von heut Nachmittag erzählen? Aber ich muss sauber machen... „Kann... kann ich auch Sonntag sauber machen und heute raus gehen?“

„Das war kein Angebot. Du machst heute sauber.“, stellte er bedrohlich fest.

„Und... muss es Sonntag sein? Oder... darf ich an einem anderen Tag raus?“

Ein Muskel in seinem Kiefer zuckte. „Sonntag.“, wiederholte er, „Ich habe Sonntag gesagt.“

Ich zuckte wegen seinem Tonfall zusammen und nickte schnell. „Danke.“

Dann eilte ich hinaus.

Ich werde mich nie daran gewöhnen ihn nüchtern zu erleben, dachte ich mir, als ich mich auf den Weg zur Schule machte. Er war immer so seltsam unberechenbar, wenn er nüchtern war. Sicher, wenn er wütend wurde, schlug er mich trotzdem, aber das passierte dann nicht so schnell und er war bei weitem nicht so aggressiv wie im betrunkenen Zustand. Die Kompromisse kamen ebenfalls immer dann, wenn er nüchtern war. Allerdings ließ sich selten mit ihm verhandeln. Es geschah äußerst selten, dass ich etwas aushandeln konnte, das mir besser passte.

Was mir jedoch jedes Mal eine Gänsehaut verpasste, war die Art wie er mit mir sprach, wenn er nüchtern war. Er klang so... vernünftig, beinahe wie ein richtiger Vater. Nur dann gestattete ich mir für ihn die Bezeichnung als Dad. Dann wünschte ich mir auch, er würde immer so nüchtern sein. Ich wollte ihn nicht hassen. Er war mein Vater. Das konnte ich einfach nicht.

 

Während der Pause saß ich draußen wieder im Gras und starrte die Brotdose an, die mein Vater mir gemacht hatte. Das tat er äußerst selten. Als ich irgendwann den Mut hatte sie zu öffnen, wurde ich von Darren unterbrochen, der sich neben mir nieder ließ.

„Wunderschönen guten Tag, schöne Frau.“, begrüßte er mich mit einem Lächeln.

Ich sah überrascht zu mir auf. Er dagegen sah überrascht auf die Brotdose in meiner Hand.

„Du hast was dabei?“, fragte er verwundert nach.

Ich folgte seinem Blick. „Ja.“, antwortete ich dann leise.

„Oh.“ Er zögerte. „Möchtest du es nicht essen?“

„Ich weiß nicht.“

„Warum?“

Ich zögerte und hielt es ihm dann hin. „Mach du es auf.“, bat ich ihn dann, „Sag mir, was drinnen ist.“

Verwundert nahm er es entgegen und öffnete sie vorsichtig. Als er den Inhalt sah hoben sich überrascht seine Brauen. „Sieht lecker aus.“

„Was ist es denn?“

„Waffeln.“

„Waffeln?“

„Ja. Hast du mal welche gegessen?“

„Als kleines Kind hab ich sie gern gegessen. Meine... Meine Mom hat sie damals gemacht.“ Ich nahm meine Brotdose entgegen und sah hinein. Waffeln. Mein Vater hatte mir Waffeln für die Schule gemacht. Warum brachte mich das nur zum Weinen?

„Hey, was ist denn los?“, wollte Darren besorgt wissen.

Ich schüttelte nur den Kopf, nahm eine Waffel heraus und biss vorsichtig hinein. Vorsichtig kaute ich, schluckte und sah in die Waffel hinein. Dann konnte ich einfach nicht anders. Ich begann zu weinen. Richtig zu weinen. Es waren Schokostückchen in den Waffeln, wie in denen, die meine Mutter damals gemacht hatte.

Darren sah hilflos auf mich herab, rang eine Weile mit sich selbst und rückte schließlich etwas näher, um mir einen Arm um die Schultern zu legen.

„Was ist denn los?“, fragte er sanft und strich mir über die Wange. „Hey, Alley. Wein doch nicht.“ So sanft wie er sprach, wischte er die Tränen von meinen Wangen.

„Es ist nur...“ Ich schluchzte. „Es sind genau dieselben. Meine-Meine Mom hat sie genauso gemacht.“

Er zog die Brauen etwas zusammen. „Das heißt... du hast sie nicht selbst gemacht?“

Ich schüttelte den Kopf. „Nein. Mein-Mein... Mein Dad hat sie gemacht.“

„Dein... Vater?“

Ich nickte. „Es ist das zweite Mal, dass er mir etwas zum Frühstück macht.“

Erneut schluchzte ich und ließ mich ein wenig gegen ihn sinken. Er streichelte mir beruhigend übers Haar, bis ich mich wieder etwas beruhigt hatte. Dann hob er meinen Kopf an, wischte die Tränen aus meinem Gesicht und sah mir aufmerksam in die Augen.

„Geht’s wieder?“, fragte er, immer noch besorgt.

Ich nickte. „Danke.“

Mit diesem Wort löste ich mich wieder von ihm und wendete mich an die Waffeln, die ich dann hungrig zu verschlingen begann. Wenn das der Preis dafür war meinen Vater Wochen sogar Monate lang betrunken zu erleben... dann hatte es sich für mich gelohnt. Ich konnte ihn einfach nicht hassen, wenn er nüchtern doch so nett sein konnte.

Als ich die Waffeln restlos verputzt hatte legte ich mich ins Gras und war das erste Mal seit Jahren richtig zufrieden und satt. Dann fiel mir etwas ein, dass ich Darren noch beichten musste.

„Darren.“

„Ja?“

Ich setzte mich wieder auf. „Ich muss für heute absagen.“

Er ließ den Kuchen sinken, in den er gerade beißen wollte. „Warum? Geht dein Vater doch nicht angeln?“

„Doch. Aber... ich soll das Haus sauber machen. Wenn ich bis heute Abend, wenn er wiederkommt, fertig bin, darf ich dafür Sonntag raus. Wenn du nichts dagegen hast, können wir uns ja dann treffen.“

„Du sollst das Haus sauber machen?“, hakte er entsetzt nach, „Allein? Das ganze Haus?“

Ich zuckte zusammen. „Mach dir darüber keine Gedanken.“

Er sah nicht minder entsetzt aus. „Und was meinst du damit, dann darfst du am Sonntag raus? Darfst du das sonst nicht?“

Ich verstummte. Ich hätte es nicht sagen dürfen. Genau deshalb vermied ich es, dass mich jemand kennen lernen wollte. Dass sich jemand mit mir treffen wollte. Wenn was dazwischen kam, musste ich es sagen. Aber ich wollte nicht lügen, also musste ich die Wahrheit erzählen. Und das hatte unangenehme Folgen.

„Vergiss, was ich gesagt hab.“, murmelte ich.

„Alisson, das... nimmst du das wirklich einfach so hin?“

Ich presste die Lippen aufeinander. „Mein Vater ist nicht schlecht.“

„Nicht schlecht! Er erlaubt dir erst das Haus zu verlassen, nachdem du es sauber gemacht hast. Was ist das für ein Vater?“

Es ist mein Vater! „Er ist nicht schlecht.“, wiederholte ich etwas leiser.

Darren schnaubte. „Das ist nicht dein Ernst. Wo ist deine Vernunft? Du kannst doch nicht so dumm sein!“

Erneut zuckte ich zusammen. Dann biss ich die Zähne zusammen und packte die Brotdose ein.

„Alisson warte. Ich-“ Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar, während ich meine Tasche zuzog und aufstand. „Bitte, ich hab's nicht so gemeint.“

Ohne Worte ließ ich ihn sitzen und ging zu der großen Eiche, die fast am anderen Ende des Schulhofes stand. Dort angekommen ließ ich mich daran angelehnt auf dem Boden nieder, ließ die Beine angezogen und holte die Flasche Wasser aus meiner Tasche. Als ich sie genauer betrachtete stellte ich fest, dass es meine Lieblingssorte war. Ich seufzte leise und schraubte den Deckel ab.

Darren würde mich nie verstehen. Das konnte ich ihm nicht zum Vorwurf machen, aber es sagte mir, dass ich nicht mit ihm befreundet sein konnte. Ich konnte ihm nicht nahe kommen.

Den Rest der Pause verbrachte ich allein.

 

Ich atmete auf, als die letzte Stunde vorbei war, packte schnell meine Sachen zusammen und eilte dann hinaus. Darren hatte mir insgesamt drei Zettel herüber geschoben. Wahrscheinlich, um sich mit mir zu versöhnen. Ich ignorierte sie.

Ebenso wie ich es jetzt ignorierte, als er mir hinterher eilte und nach mir rief.

„Alisson, bitte. Es tut mir leid. Hör mich doch zu, es tut mir leid.“

Ich ging stur mit gesenktem Kopf weiter. Einige Schüler sahen uns überrascht hinterher, andere sahen Darren sogar finster an. Als er mich sogar bis zu meiner Straße verfolgte, blieb ich abrupt stehen.

„Lass mich in Ruhe.“, bat ich ihn.

Er hielt inne. „Alisson, ich... Es tut mir leid.“

„Ich möchte, dass du mich in Ruhe lässt.“, wiederholte ich.

Er hielt mich verzweifelt am Handgelenk fest, als ich weitergehen wollte. „Bitte Alisson. Gib mir noch eine Chance. Es ist mir einfach raus gerutscht. Du hast Recht, ich kenne dich nicht. Ich habe nicht das Recht über deinen Vater zu urteilen. Es tut mir so verdammt leid.“

„Du würdest es selbst dann nicht verstehen, wenn du alles wüsstest.“, entgegnete ich mit zitternder Stimme, „Im Gegenteil. Du würdest mich erst recht für dumm halten. Tu uns also besser beiden den Gefallen und lass mich in Ruhe.“

„Aber-“

„Darren. Bitte.“

„Ich möchte dich kennen lernen.“, meinte er darauf, „Dich ganz allein. Es ist mir egal, ob du übersät mit blauen Flecken bist, ob du regelmäßig zu spät kommst oder ob du Angst vor bellenden Hunden hast. Ich finde es interessant, dass du nie richtiges Gebäck probiert hast und mir kaum auf meine Fragen antwortest. Ich möchte dich kennen lernen. Deshalb kann ich dich nicht einfach gehen lassen. Bitte Alisson. Es tut mir ehrlich leid.“

Ich atmete lange aus. Noch nie hatte mir ein Junge gesagt, er wolle mich kennen lernen. Erst recht nicht, trotz meines Verhaltens, der blauen Flecken und des Zuspätkommens. Er weigerte sich tatsächlich mich in Ruhe zu lassen. Doch was würde passieren, wenn er erfuhr, was mein Vater noch alles tat?

„Ich muss jetzt nach Hause.“, antwortete ich nur, „Ich muss das Haus sauber machen.“

Er begann hektisch zu atmen. „Sag mir, dass du mir verziehen hast. Ich habe es wirklich nicht so gemeint. Es ist mir einfach raus gerutscht.“

Vorsichtig zog ich an meinem Handgelenk, woraufhin er es vor Verzweiflung etwas fester hielt. Die Angst saß bereits am Ende meiner Wirbelsäule und wartete nur auf einen Grund um hinauf zu klettern.

„Darren. Ich muss heute Abend damit fertig sein.“

„Bitte Alisson.“

„Ich... ich muss darüber nachdenken.“

Er biss die Zähne zusammen und musste sich sichtlich dazu zwingen mich loszulassen. Sofort zog ich mein Handgelenk zu mir und rieb es mit der anderen Hand.

„Okay... Sehen... sehen wir uns Sonntag trotzdem?“

Nachdenklich sah ich auf den Bürgersteig herab. „Mal sehen.“

Ich hörte ihn wieder seufzen, als ich mich umdrehte und die Straße entlang ging. Zuhause angekommen brachte ich meine Tasche hinauf, wobei mir einfiel, dass ich noch den Kuchen von ihm hatte. Vor lauter Wäsche waschen war ich nicht dazu gekommen ihn aufzuessen.

Ich biss mir leicht auf die Unterlippe und holte die Dose heraus, in der Darren den Kuchen getan hatte. Nun fiel mir zum ersten Mal ein Zettel auf, der am Boden lag. Umständlich fummelte ich ihn hervor und faltete ihn auf. Ich riss die Augen auf.

Für ein wunderschönes Mädchen, dass sogar viel mehr verdient hat.

Ich ließ mich auf mein Bett sinken und las es mir erneut durch. Warum war er nur so nett?

Doch damit konnte ich mich gerade nicht befassen. Ich musste das Haus sauber machen.

 

Am Samstag schlief ich aus. Es war so angenehm so lange zu schlafen wie ich wollte. Dann ging ich ins Badezimmer und duschte ausgiebig. Das konnte ich mir in der Woche nicht leisten. Als ich hinterher frisch angezogen die Treppe hinunter kam und die Küche betrat, schien meine Glückssträhne vorbei zu sein. Mein Vater hatte eine Flasche Alkohol in der Hand, die er bereits zur Hälfte geleert hatte. Ich spürte, wie meine Hand begann zu zittern und schluckte.

„Guten Morgen.“, begrüßte ich ihn leise.

Sein finsterer Blick glitt zu meinem Gesicht. „Warum hast du so lange geschlafen?“, fragte er ohne Begrüßung.

„Weil es Samstag ist.

Er kam auf mich zu. „Und warum nicht am Rest der Woche?“

„Weil-weil ich in der Woche in die Schule gehe.“, antwortete ich halblaut und zog bereits den Kopf ein.

Er schlug zu. Und zwar so heftig, dass ich mit dem Kopf gegen den Türrahmen stieß und zu Boden ging. Er nutzte es sofort aus, begann zu treten bis er nicht mehr wollte, zog mich an den Haaren hoch und stieß mich an den Tisch. Ich schloss schluchzend die Augen.

 

Zwei Stunden später stieg ich aus dem Wagen und ging mit ihm in das riesige Einkaufscenter. Mich schickte er mit einigen Scheinen in den Lebensmittelladen, während er in den Getränkeladen ging. Mit einem leisen Seufzen kramte ich die Einkaufsliste aus meiner Hosentasche und ging durch den Laden, während ich ab und an etwas in den Einkaufswagen legte. Plötzlich stieß etwas an den Wagen, woraufhin ich von der Liste aufsah, um den Grund zu finden. Mein Einkaufswagen war mit einem anderen kollidiert.

„Verfolgst du mich?“, fragte ich überrascht, als ich Darren sah.

Er fasste sich an den Schopf. „Äh... nein. Ich bin mit meinen Eltern hier.“ Er deutete auf eine Frau, die den Einkaufswagen geschoben hatte. Kurz darauf tauchte ein Mann auf, der etwas in den Wagen legte, der meinen gerammt hatte.

„Tut mir leid.“, meinte die Frau entschuldigend, „Ich hab dich nicht gesehen.“ Dann sah sie neugierig zu Darren. „Du kennst sie?“

Er nickte. „Ja. Sie ist das Mädchen, von der ich dir erzählt habe.“

Begeistert sah sie wieder zu mir. „Oh! Freut mich wirklich sehr dich kennen zu lernen. Alisson, richtig? Darren ist ganz hin und weg, spricht ständig nur von dir.“

Dieser sah seine Mutter rot geworden erschrocken an. „Mom!“

Sie grinste ihn an und zwinkerte mir zu. „Freut mich übrigens, dass dir der Kuchen schmeckt. Ich versuche Darren die ganze Zeit dazu zu bringen es ebenfalls zu versuchen, aber er ist skeptisch.“

„Mom, würdest du bitte... Dad sag doch was.“

„Ich bin da machtlos, mein Junge.“, entgegnete der Mann mit einem Schulterzucken, „Deine Mutter ist so stur wie ein Maulesel.“

„Du kannst uns ruhig jeder Zeit besuchen.“, meinte diese, als hätte sie die beiden nicht gehört. „Darren würde sich bestimmt freuen.“

„Mo-hom! Wolltet ihr den Einkauf nicht hinter euch bringen?“

„Es passiert nicht oft, dass wir ein Mädchen kennen lernen, das du magst.“

Er schien zu verzweifeln. „Bitte. Könntet ihr bitte weiter gehen?“

Sie verdrehte die Augen. „Er tut nur so. Wie gesagt, du bist bei uns herzlich Willkommen. Komm nur vorbei wann du willst.“

„Sie hat es jetzt verstanden.“, warf Darren ein, „Ihr wolltet Melonen kaufen! Die sind da hinten.“

Sein Vater lachte leise. „Komm schon, Liebling. Wir sollten die zwei allein lassen, bevor er noch im Erdboden versinkt.“

„Aber wieso? Habe ich etwas Falsches gesagt?“

Liebevoll schob er seine Frau voran, nachdem ich den Einkaufswagen zurückgezogen hatte, damit sie vorbei kam. Darren atmete auf und sah mich entschuldigend an.

„Tut mir leid. Sie ist furchtbar peinlich.“

Ich sah dem Paar kurz hinterher und dann zu Darren. „Ich wünschte ich hätte solche Eltern.“, meinte ich darauf nur.

„Glaub mir, die willst du nicht. Sind wir allein möchte ich keine anderen, aber sobald ich Besuch habe ist meine Mutter viel zu fürsorglich.“

Ich schob den Wagen weiter, woraufhin er neben mir her ging. „Ich finde sie ganz nett.“

Er murrte sah dann jedoch überrascht auf den Inhalt des Einkaufswagens. „Warum kaufst du so komische Sachen? Kein Wunder dass du so dünn bist. Da sind ja kaum Nährwerte drinnen.“

„Es ist billig.“, entgegnete ich und sah nochmal auf die Liste. „Wenn ich qualitativ bessere Sachen kaufe, kann ich nicht einmal die Hälfte davon bezahlen.“

„Habt ihr so wenig Geld?“

„Ähm... eigentlich nicht.“ Ich nahm eine Packung Cornflakes aus dem Regal. Billige Cornflakes.

„Die da schmecken besser.“, bemerkte er und deutet auf eine andere Packung.

„Die kosten aber auch doppelt so viel.“, entgegnete ich leise und schob den Wagen voran.

„Kaufst du immer so ein?“

„Ja.“

„Hmmm...“ Er sah sich kurz um. „Hier guck mal. Die hier sind genauso billig.“ Er nahm eine Packung Cornflakes aus dem Regal und hielt sie mir hin. „Und die sind trotzdem besser.“

„Hast du die mal probiert?“

„Ja. Die schmecken richtig gut.“

Ich sah sie mir einen Moment an und blickte dann auf den Preis. „Die kosten ein bisschen mehr.“

Er winkte ab und tauschte es mit der Packung im Einkaufswagen aus. „Das bisschen fällt doch gar nicht auf.“

Ich biss mir auf die Unterlippe. „Bist du dir sicher?“

„Hundertprozentig.“

So ging das noch eine Weile weiter. Ich suchte etwas aus, er fand etwas Besseres, dass nur ein ganz kleines bisschen teuer war. Das hatte allerdings zur Folge, dass ich länger brauchte als sonst. Ich merkte sofort den Unterschied, als ich sah, wie mein Vater mit finsterem Blick auf mich zukam. Ich zog den Kopf ein.

„Du solltest jetzt gehen.“, meinte ich schnell an Darren und ging auf meinen Vater zu.

„Ich hol dich morgen um 3 ab.“, entgegnete er noch schnell, bevor er rückwärts zurückging.

„Warum brauchst du so lange?“, fragte mein Vater sofort.

„Ich hab mich noch mit Darren unterhalten.“

Er schlug mich leicht auf den Hinterkopf. „Du sollst einkaufen und dich nicht mit Freunden treffen.“

„Er ist kein Freund von mir.“, entgegnete ich.

„Warum sprichst du dann mit ihm? Du weißt, dass ich es nicht leiden kann, wenn du mich anlügst.“

„Es ist nicht gelogen.“, entgegnete ich.

Er legte mir eine Hand in den Nacken und drückte zu. „Lüg mich nicht an.“

Ich verzog das Gesicht, als er etwas fester zudrückte und zog aus Reflex die Schultern etwas hoch, wobei ich den Kopf einzog. „Es tut mir leid. Er ist mir nur zufällig begegnet.“

„So wie gestern, als er dir zufällig im Supermarkt begegnet ist und dich danach gefahren hat?“ Der Griff wurde fester.

Ich wimmerte leise. „Es war ein Zufall. Er ist mit seinen Eltern hier. Wirklich, ich lüge dich nicht an!“

Einen Moment drückte er noch etwas fester zu, drückte dabei meinen Kopf hinunter und ließ dann wieder los, bevor er mich nochmal gegen den Hinterkopf schlug. „Das machst du nicht nochmal, verstanden?“

„Ja. Ich hab’s verstanden.“

„Gut. Jetzt ab an die Kasse. Ich warte am Wagen auf dich.“

Ich gehorchte ihm und fuhr den Wagen an die Kasse, während er an der Schlange vorbei ging und den Laden verließ. Ich stellte ich vorbildlich an und legte mir eine Hand auf den Schmerzenden Nacken, während ich darauf wartete, dass ich die Lebensmittel auf das Laufband legen konnte. Das würde noch eine Weile wehtun. Und mein Kopf tat noch von heute Morgen weh. Ich hatte Glück, dass ich keine Beule hatte. Die wäre Darren sicher aufgefallen. Und seinen Eltern. Der Bluterguss an meiner Wange war nur noch etwas gelblich und daher nicht so gut zu erkennen. Der Schlag von heute Morgen hatte eher meine Schläfe getroffen, als meine Wange.

Als ich endlich nahe genug am Laufband war, begann ich die Ware darauf zu verfrachten und schob den dann leeren Einkaufswagen langsam voran. Plötzlich tippte mich jemand von hinten an. Als ich mich umdrehte sah ich, wer hätte es gedacht, Darrens Mutter. Dahinter ein frustrierter Darren neben einem hoffnungslosen Vater.

„Hallo.“, begrüßte ich sie zaghaft.

„Hallo Alisson. Hätte nicht gedacht, dass wir hintereinander an der Kasse landen.“ Sie lächelte mich freundlich an.

„Ja. Schon komisch.“, entgegnete ich und zog vorsichtig die Hand aus meinem Nacken, nur um sie dann wieder dorthin zu legen, als es begann noch mehr zu schmerzen.

„Alles in Ordnung mit deinem Hals?“

„J-j-ja. Ich hab ihn mir, glaube ich, nur ein wenig verrenkt. Wenn die Hand da liegt, tut es kaum weh.“

„So? Vielleicht solltest du zum Arzt gehen und es sich von ihm anschauen lassen.“

„Ach nicht nötig. Das ist sicher gleich wieder vorbei.“ Ich zwang mich keine Miene zu verziehen, als ich die Hand aus meinem Nacken nahm. „Ha, sehen Sie. Schon weg. War nichts Schlimmes.“

„Bist du sicher? Muss böse gewesen sein, wenn es erst aufhört weh zu tun wenn du die Hand darauf legst.“

„Halb so schlimm.“, entgegnete ich und schob den Wagen etwas weiter vor, während die Kassiererin begann alles zu scannen. Ich verstaute alles in Tüten.

„Du bist dir ganz sicher?“

Ich nickte und verkniff es mir, das Gesicht zu verziehen. „Alles gut.“

Darren sah nicht überzeugt aus, sagte aber nichts.

„Also... ich muss dann jetzt wieder gehen.“, meinte ich, nachdem ich bezahlt hatte. „Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende.“

„Ich dir auch. Ach Darren, hilf ihr doch.“

„Das ist nicht nötig.“, warf ich schnell ein, „Ich schaff das schon.“

„Das sieht aber schwer aus.“

„Ich bin kräftiger als ich aussehe.“ Mit diesen Worten hob ich die Tüten herunter und versuchte so zu tun, als seien sie ganz leicht. „Kein Problem.“

„Hmmm...“, machte sie darauf nur, „Nun... dann wünsche ich dir auch ein schönes Wochenende. Darren kann dir die Tüten auch bis zum Aufzug tragen.“

„Das ist wirklich nicht nötig.“, antwortete ich schnell, „Tschüss.“

Damit drehte ich mich um und ging eilig weg. Die Tüten waren schwer. Ziemlich sogar. Aber ich schaffte es sie bis in den Aufzug zu tragen, wo ich sie dann erleichtert abstellte. Als ich im Erdgeschoss war, trug ich sie dann weiter hinaus und zum Wagen meines Vaters, wo dieser schon ungeduldig wartete. Als ich vor ihm stand schnaubte er gereizt und öffnete den Kofferraum, bevor er nach vorn ging und sich hinters Steuer setzte. Ich dagegen stellte die Tüten ins Auto, schloss den Kofferraum und stieg dann auf den Rücksitz.

„Warum hat das wieder so lange gedauert?“, wollte er mit seiner üblich schlechten Laune wissen und bog auf die Straße ein.

„Die Schlange war lang.“, antwortete ich darauf, „Die Leute haben viel eingekauft.“

Der Rest der Fahrt verlief schweigend. Zuhause ging er ohne ein weiteres Wort hinein, während ich den Einkauf hinein trug. Die Lebensmittel, einige Flaschen Wasser und sein Lieblingsgetränk. Alkohol. Den hätte ich am liebsten weggeworfen oder an die Wand geschmissen. Doch dafür hätte er mich noch härter geschlagen als sonst. Und schlimmeres. Ich hatte einmal aus Versehen seine Flasche umgeworfen. Er hatte mich grün und blau geschlagen und danach dreimal vergewaltigt. Ich konnte mich danach drei Tage lang nicht ohne Schmerzen bewegen.

Als ich alles rein getragen und verstaut hatte, kam er in die Küche. Eine Flasche in der Hand.

„Geh hoch in dein Zimmer.“

Ich zuckte zusammen. „Warum?“

„Frag nicht, tu es einfach.“

Schweigend ging ich vorsichtig an ihm vorbei hinauf. Er folgte mir. In Windeseile kroch die Angst meine Wirbelsäule hinauf und hatte Panik im Schlepptau.

„Zieh dich aus.“, befahl mein Vater, als wir in meinem Zimmer waren.

„Aber-“

„Kein aber!“

Einen Moment schwiegen wir beide.

„Ich... Ich will nicht.“

„Ich sagte, zieh dich aus!

„Aber ich-“

Ich sah nicht einmal wie er ausholte. Im nächsten Moment landete ich bereits auf dem Boden. Wieder liefen mir Tränen über die Wangen. Langsam kämpfte ich mich wieder auf die Beine, während er seine Flasche irgendwo abstellte.

„Jetzt zieh dich aus.“

Ich schluckte schwer und ballte die Hände zu Fäusten.

„Alisson, tu was ich dir sage!“

Als ich weiterhin nichts tat, holte er wieder aus, woraufhin ich sofort die Hände hob. „Warte! Ich mach schon! Bitte! Nicht schlagen!“

Er verengte ein wenig die Augen und sah zu, wie ich mir den Pullover auszog. Ich versuchte es hinauszuzögern, indem ich mich langsam bewegte.

„Schneller.“, donnerte er daraufhin.

„Mir tut alles weh. Ich kann nicht schneller.“, entgegnete ich und zog mir meine Schuhe und Socken aus.

„Du sollst schneller machen!“

„Ich-Ich versuch es doch.“

So langsam, wie ich konnte zog ich mir mein T-Shirt aus. Er knurrte einige Beleidigungen und warf mich dann grob aufs Bett. „Alles muss man selber machen. Bist du nicht einmal in der Lage dich auszuziehen, kleine Schlampe?“ Grob riss er mir die Hose von den Beinen, zerriss meine Unterwäsche. „Jetzt will ich dir zusehen.“

„Nein!“

„Sofort!“

„Nein.“

Er schlug erneut zu. Fester. Viel fester. Um mich herum wurde es schwarz.

Kapitel 3

 

Ich wurde zum Glück erst am nächsten Morgen wieder wach. Ich lag auf dem Bauch, alles tat mir weh. Als ich mich vorsichtig bewegte, spürte ich eine Flüssigkeit auf mir. Angewidert schloss ich die Augen und stand auf, um duschen zu gehen. Eine halbe Stunde später verließ ich das Bad angezogen und ging vorsichtig hinunter. Noch bevor ich die Küchentür erreichte, wurde ich an den Haaren zurückgezogen.

„Da ist sie endlich, die kleine Schlampe.“, hörte ich meinen Vater, „Hast du nichts Besseres zu tun als den halben Tag zu schlafen?“ Er zog so fest an meinen Haaren, dass ich den Kopf in den Nacken legen musste. Ich griff nach seiner Hand.

„Hör auf. Bitte.“

„Ich mach mit dir was ich will!“ Seine Hand legte sich auf meinen Schritt, drückte zu und glitt dann unter mein Shirt.

„Nein! Bitte, hör auf!“

„Du gehörst mir, verflucht nochmal. Ich tue mit dir, was ich will.“ Er drückte schmerzhaft zu, ich schrie auf. „Schrei, schrei, Miststück. Das kannst du so gut.“ Ich schrie erneut auf, als er wieder zudrückte. „Genau so. Noch lauter.“ Er kniff zu und riss weiter an meinen Haaren. Ich schrie erneut.

„Hör auf! Hör auf damit!“

Er lachte nur und legte die Hand auf den Verschluss meiner Hose. Glücklicherweise kam er nicht dazu sie zu öffnen, da es an der Tür klingelte. Mit einem derben Fluch stieß er mich zu Boden.

„Mach auf. Danach kommst du zu mir.“

Hektisch atmend und mit schmerzendem Körper kämpfte ich mich auf die Beine und schleppte mich an die Tür. Mein Vater war hinauf gegangen. Ich hörte eine Tür zufallen. Als ich die Tür öffnete, sah ich Darren. Ich hätte nichts anderes erwarten sollen.

„Was machst du hier?“, fragte ich ihn entsetzt.

„Ich sagte dir doch, ich hole dich um 3 ab.“

„Geh weg.“

„Du siehst nicht gut aus. Was ist passiert?“

„Bitte, geh weg.“ Ich schob die Tür etwas zu. „Du hättest nicht herkommen sollen.“

„Ich mache mir Sorgen um dich.“

„Alisson! Wo bleibst du?“

Ich zuckte schrecklich zusammen. „Geh.“

„Das war dein Vater, oder? Klingt nicht sehr nett.“

„Geh jetzt bitte. Sonst... sonst kommt er wieder runter. Er darf dich nicht sehen.“

„Warum? Tut er dir etwas an, Alisson? Dein Gesicht ist verweint und du hast frische Blutergüsse.“

„Du musst jetzt wirklich gehen.“

Eine Tür wurde oben geöffnet. „Alisson!“

„I-i-ich komme gleich!“

„Hör auf zu stottern und mach endlich! Ich warte nicht den ganzen Tag!“

„Er tut dir wirklich etwas an, oder?“

Ich wendete das Gesicht ab. „Geh nach Hause, Darren. Mit mir brauchst du dich nicht abgeben. Du hast doch eine so nette Familie.“

„Du hast auch eine verdient. Sag mir, Alisson, tut er dir etwas an?“

„Zwing mich nicht dazu wieder runter zu kommen!“, ertönte es von unten.

„Geh jetzt.“, entgegnete ich nur und schob die Tür zu, „Geh nach Hause.“

Er schob einen Fuß zwischen Tür und Türrahmen. „Ich bin im Park. Wenn du mich brauchst... ich bin da.“

Schwere Schritte ertönten, führten zur Treppe.

„Geh jetzt. Bitte!“

Er sah kurz an mir vorbei. „Ich bin da.“, flüsterte er dann noch einmal, bevor er den Fuß weg zog.

Ich schaffte es gerade die Tür zu schließen und mich umzudrehen. Da drehte mein Vater mich bereits erneut um und drückte mich an die Tür. Ich kniff die Augen zusammen.

„Du sollst tun was ich dir sage, hast du mich verstanden?!“

„Ja.“, flüsterte ich weinend.

„Lauter, verflucht!“

„Ja!“, rief ich daraufhin.

„Hör auf zu flennen, wie eine Kind!“ Grob öffnete er den Verschluss meiner Hose, riss mich an den Haaren von der Tür los und drückte mich über den nächsten Tisch.

„Hör doch auf! Bitte.“

„Ich sagte dir, ich tue mit dir was ich will.“, entgegnete er darauf, als er mir die Hose herunter zog. Dann hörte ich, wie er sich den Gürtel von der Hose zog. In mir zog sich alles vor Angst zusammen und kurz darauf traf der erste Schlag. Ich schrie laut auf. „Schnauze!“, rief er darauf nur und schlug erneut zu.

Ich konnte den Schrei nicht unterdrücken.

„Du sollst den Mund halten!“

Und so ging es weiter. Immer weiter. Und als ich vor Heiserkeit nicht mehr schreien wollte und ihm offenbar der Arm einschlief, warf er den Gürtel weg. Ich hörte einen Reißverschluss, woraufhin ich mich unter seinem Griff wendete.

„Nein. Bitte nicht.“, weinte ich, „Bitte nicht!“

„Still halten, dreckiges Weib, sonst setzt es noch eine Tracht Prügel!“ Er zog sich die Hose herunter.

„Nein! Nicht, nein!“

Ich versuchte ihn von mir zu schieben, versuchte ihn zu treten, ihn zu schlagen. Schließlich ließ er einen kurzen Moment von mir ab, um mich anders zu packen, woraufhin ich ihn von mir stieß so fest ich konnte.

„Du kleines Miststück!“, rief er aus und hievte sich auf.

Ich zog mir unterdessen wieder die Hose an und eilte zur Tür.

„Bleib hier, dreckige Schlampe!“

Er griff nach mir, doch da war ich bereits aus der Tür heraus. Ich hörte seine Schritte, seine wütende Stimme, als ich die Auffahrt und die Straße hinunter rannte.

Ich bin im Park. Wenn du mich brauchst... ich bin da.

Ich lief so schnell ich konnte. Mein Vater brüllte mir wüste Beleidigungen hinterher, während er mir folgte. Die Leute, die uns sahen, blickten uns entsetzt hinterher, riefen meinem Vater einige Dinge hinterher, doch wir ignorierten es beide. Ich, weil ich so schnell von ihm weg wollte wie ich konnte und er, weil er mich zwischen die Finger bekommen wollte. Und sich selbst zwischen meine Beine.

Mir wurde übel. Ich hatte das Gefühl einen Marathon gelaufen zu sein, als ich den Park erreichte.

Wo bist du? Darren, wo bist du?

Mein Vater folgte mir immer noch. Ich konnte ihn hören, doch ich hatte bereits etwas Distanz zwischen uns gebracht. Als ich einen Moment so weit von ihm weg war, dass er mich nicht sehen konnte, steuerte ich auf eine Bank zu, die vor einem Baum stand, sprang mit zwei Schritten daran hinauf und griff nach einem Ast, an dem ich mich sofort hochzog und Flucht hinter den Blättern suchte. Gerade rechtzeitig. Als ich mich umdrehte sah ich wie er auf die Wiese lief, auf der die Bäume und einige Bänke standen. Hektisch und wütend sah er sich nach mir um, rief einige Male nach mir und drehte sich dann fuchsteufelswild um und ging. Ich klammerte mich unterdessen verängstigt an die Äste und hielt abrupt den Atem an, als ich Darren mit einem anderen Jungen auf einer Bank sitzen sah, die etwa fünfzehn Meter von dem Baum entfernt war, auf dem ich war. Beide sahen meinem Vater entsetzt hinterher. Darren war blass geworden, als er in meine Richtung sah. Mein Vater war bereits weg, doch ich traute mich nicht hinunter zu klettern. Darrens Freund begann aufgebracht etwas zu erzählen, während Darren weiterhin in den Baum sah, in dem ich saß. Plötzlich sagte er irgendwas zu seinem Freund und stand auf. Dieser antwortete kurz etwas, schien eine Frage zu stellen, aber Darren eilte bereits in meine Richtung. Er stellte sich dich an den Baumstamm und sah hinauf, offenbar um mich zu suchen.

„Alisson?“, rief er mich vorsichtig.

Ich zitterte heftig und atmete hektisch. Dennoch beugte ich mich etwas vor und sah zu ihm herab.

„Du kannst wieder runter kommen.“, meinte er beruhigend, „Er ist weg.“

Ich umklammerte die Äste und schüttelte den Kopf.

„Komm. Ich bin da. Wenn du willst, fange ich dich auf.“

Ich zögerte.

„Du weißt, dass ich dir nichts tun werde. Und ich werde dich nicht zu ihm bringen.“

Vorsichtig und verkrampft stieg ich langsam herab. Als ich tief genug war streckte er die Arme aus, um mir zu helfen. Unten angekommen zog er mich sanft an sich und streichelte mir tröstend über den Rücken, woraufhin ich mich an ihn klammerte. Er zuckte nicht einmal zusammen, als ich ihn fest an den Schultern packte, um nicht zu fallen.

„Alles gut. Ich bin da.“

„Was ist mit ihr?“, wollte plötzlich ein Junge wissen, der neben uns auftauchte.

Ich zuckte zusammen und wollte mich bereits von Darren losreißen, doch er hielt mich sanft fest, sodass ich kaum von ihm abrücken konnte.

„Schon gut, schon gut. Er ist ein Freund von mir. Alles in Ordnung.“

Ich drückte aus Angst etwas fester zu, doch es schien ihm nichts auszumachen. Im Gegenteil. Er strich mir beruhigend über den Rücken.

„Ich glaube es ist besser wenn wir zu mir gehen.“, bemerkte er, „Da wird er dich sicher nicht suchen. Gib mir bitte deine Jacke.“

„Klar. Hier.“

Kurz darauf legte Darren fürsorglich eine Jacke über meine Schultern und zog sie vor meinem Körper etwas zusammen, sodass man meine Arme kaum erkennen konnte.

„Du bist ganz kalt.“, erklärte er, „Was hat er nur mit dir gemacht?“

Ich schwieg weiterhin, woraufhin er leise seufzte, mich nochmal kurz vorsichtig drückte und mir dann eine Hand auf den Rücken legte.

„Komm. Gehen wir zu mir.“

Sein Freund begleitete uns schweigend, während wir einen ähnlichen Weg zurückgingen, wie ich ihn nehmen müsste. Eine Viertelstunde später, in der wir schweigend durch die Straßen gegangen waren, ging er mit mir in seinem Arm, den er mir unterwegs um die Taille gelegt hatte, eine Auffahrt hinauf und kramte einen Schlüssel aus seiner Hosentasche. Er schloss auf und schob mich dann sanft herein. Unwillkürlich sah ich mich um und beruhigte mich ein wenig, als ich feststellte, dass hier alles so freundlich aussah. An den Wänden hingen Bilder, darunter stand ab und zu ein Beistelltisch mit einer Pflanze oder einer Vase mit Blumen.

Dann tauchte Darrens Mutter aus einer der Türen auf.

„Da bist du ja wieder.“, meinte sie und blieb abrupt stehen, als sie mich sah. „Oh nein. Was ist denn mit dir passiert?“

Ich zog die Jacke etwas enger um mich und wich ihrem Blick aus, versuchte mich hinter Darren zu verstecken.

„Mom, bitte. Nicht jetzt.“

Einen Moment stand sie schweigend da. Dann nickte sie und wendete sich ab. „Ich mache ihr einen heißen Kakao.“

„Danke.“

Sanft schob er mich voran zu einer Treppe. Als ich zögerte, hielt er ebenfalls inne.

„Wir gehen nur in mein Zimmer.“

Abrupt erstarrte ich.

„Schon gut, schon gut. Alles gut. Ich lasse die Tür offen, okay? Du weißt, ich tue dir nichts.“

Ich schluckte hektisch, zitterte heftig und atmete immer noch sehr schnell. Dennoch schaffte ich es, trotz der Angst, langsam die Treppe hinauf zu gehen. Er drängte mich nicht. Im Gegenteil. Er schien sich sogar Zeit zu nehmen. Ganz langsam gingen wir hinauf und dann den Flur ein Stück hinunter. Dann öffnete er eine Tür und öffnete sie so weit es ging, bevor er herein ging und die Hand nach mir ausstreckte.

„Es ist alles okay.“

Ich ergriff sie vorsichtig und ließ mich von ihm ins Zimmer ziehen. Dort schob er mich vorsichtig zu seinem Bett, woraufhin ich sofort stehen blieb und sogar einige Schritte zurück machte.

„Okay, ganz ruhig. Die Couch. Wir setzen uns auf die Couch.“

Das war schon einfacher. Darren und ich saßen auf der Couch. Sein Freund auf der anderen Seite des kleinen Tisches auf dem Boden. Doch Darren blieb nicht lange sitzen. Er holte seine Decke, kam zu mir herüber und tauschte sie gegen die Jacke aus, bevor er sich wieder setzte.

„Hier passiert dir nichts.“, sprach er mir beruhigend zu.

Ich zog die Decke enger um mich. „Danke.“, flüsterte ich dann leise und heiser.

Ich hörte Schritte auf der Treppe und wurde etwas starr, entspannte mich aber kurz darauf wieder, als seine Mutter mit einer dampfenden Tasse und einem Teller herein kam.

„Hier ist der Kakao und... ein bisschen Schokolade. Das beruhigt die Nerven.“ Sie stellte beides vor mich auf den Tisch und betrachtete mich besorgt. „Ruft einfach, wenn ihr noch etwas braucht.“

„Danke Mom.“

Sie lächelte schwach, drehte sich um und wollte bereits die Tür hinter sich schließen.

„Lass die Tür bitte auf.“

Sie sah ihn überrascht an.

„Dann fühlt sie sich besser.“

„Okay.“ Sie öffnete die Tür wieder so weit es ging und ging dann wieder hinunter.

Darren nahm daraufhin die Tasse und reichte sie mir. Da ich noch sehr stark zitterte, sah ich nur einen Moment auf meine Hände und seufzte dann leise.

„Schon okay.“ Er stellte die Tasse wieder ab. „Du kannst es auch gleich noch trinken. Oder später.“

„Ich denke, ich sollte besser gehen.“, meinte sein Freund plötzlich, „Sie kennt mich ja nicht. Das macht sie bestimmt nervös.“

„Danke.“

„Schon okay. Wir sehen uns demnächst.“ Er stand auf und nahm seine Jacke.

„Bis dann.“

„Bis dann.“ Einen Moment sah er zu mir herab, nickte mir dann kurz zu und verschwand dann zur Tür hinaus.

„Jetzt sind nur noch du und ich da. Niemand, der dir wehtun will.“ Zaghaft legte er erneut einen Arm um mich und rieb mir aufmunternd den Rücken. „Was... was hat er gemacht?“

Ich senkte den Blick.

„Hat... Hat er dich geschlagen?“

Ein stummes Nicken. „Das... das tut er öfter. Regelmäßig. Wenn er betrunken ist.“ Meine Stimme war ein kleines heiseres Flüstern.

„Ist er oft betrunken?“

„Fast immer. Jeden Tag, außer freitags. Da ist er nüchtern. Zumindest bis er wieder da ist.“

„Wenn er... so etwas Schreckliches tut, warum... warum nimmst du ihn dann in Schutz? Du sagtest, er sei nicht schlecht.“

„Weil er es... weil er es nicht ist.“

„Aber er schlägt dich.“

„Wenn er betrunken ist.“, entgegnete ich, „Und dann tut er noch viel schlimmere Dinge. Aber wenn er nüchtern ist, länger als einen Tag, dann... dann ist er... dann ist er mein Dad. Er ist vielleicht nicht liebevoll und zeigt auch keine Zuneigung, aber... dann schenkt er mir diese kleinen Dinge, die mir das Gefühl geben, dass sich all das lohnt.“

„Was für kleine Dinge?“

„Es erinnert mich an die Zeit, in der meine Mom noch bei uns war.“

Er sah mich überrascht an. „Die Waffeln.“

„Ja. Das war das erste Mal, dass mir etwas von ihm geschmeckt hat. Seit meine Mom uns verlassen hat, leidet er furchtbar. Es macht es für ihn nicht erträglicher, dass ich auch noch so aussehe wie sie. Er erleidet furchtbare Schmerzen. Deshalb trinkt er. Aber... das macht ihn etwas kaputt. Er hasst sie dafür, dass sie uns verlassen hat. Er sagte mir mal, er wünschte sich, sie sei wenigstens für mich da geblieben. Aber das ist sie nicht.“

„Aber... warum schlägt er dich? Und was tut er dir noch an?“

„Er ist so schrecklich wütend auf sie. Sie verließ uns, hat für wahnsinnige Schulden gesorgt und sogar noch sein Konto leer geräumt. Sie hat alles mitgenommen, was irgendwie von Wert war. Nur mich hat sie da gelassen. Er hasst sie. Und wenn er betrunken ist... Ich sehe aus wie sie, Darren. Anfangs hat er mich sogar Erica genannt. Wie meine Mom. Er sieht keinen Unterschied, wenn er im Rausch ist. Und dann verliert er die Kontrolle. Er- Er kann doch nichts dafür.“ Ich begann unkontrolliert zu weinen. „Er ist doch mein Vater. Ich kann ihn nicht hassen. Ich kann einfach nicht.“

„Sch sch sch. Ich verstehe schon. Komm her. Ist gut. Es wird alles wieder gut.“ Sanft zog er mich an sich und wiegte mich hin und her, während ich an seiner Schulter weinte.

„Ich kann ihn nicht hassen.“

„Das ist okay. Ich verstehe das.“

Es dauerte sehr lange, bis ich mich wieder einigermaßen beruhigt hatte. Als es soweit war, drückte er mir den Kakao in die Hand und hielt mir ein Stück Schokolade an den Mund.

„Hier. Das hilft. Ob du mir glaubst oder nicht.“

Ich zog die Nase hoch und ließ mich von ihm füttern, bevor er kurz aufstand und ein Taschentuch holte.

„Komm, putz dir die Nase.“

Er versuchte ein leichtes Lächeln. Ich entspannte mich ein wenig und tat worum er mich bat. Dann lächelte er, warf das Taschentuch in einen Mülleimer und wischte mir mit den Daumen die Tränen aus dem Gesicht.

„Der Anblick von deinem verweinten Gesicht tut mir weh.“, bemerkte er, „Der Gedanke, dass du Schmerzen hast. Und dass man dich zum Weinen gebracht hat. Du verdienst so etwas nicht.“

Aufmerksam sah er mir ins Gesicht, in meine Augen. Ich nahm vorsichtig einen Schluck von dem Kakao. Er war wohl heiß, als Darrens Mutter ihn gebracht hatte. Jetzt hatte er genau die richtige Temperatur. Ich trank noch einen Schluck und schloss die Augen.

„Ich habe noch nie Kakao getrunken.“, bemerkte ich, „Oder Schokolade gegessen.“

Er lächelte leicht. „Scheint so, als würde ich dir ziemlich viele neue Dinge zeigen.“

Dann war es plötzlich da. Ein kleines Lächeln in meinem Gesicht. „Stimmt.“ Ich hatte seit Jahren nicht mehr gelächelt. Es fühlte sich ungewohnt an. Ungewohnt, aber angenehm.

„Du siehst wunderschön aus.“

Ich sah zu ihm auf, sein Blick fiel auf meine Augen. Ein Lächeln umspielte seinen Mundwinkel. Plötzlich legte er mir eine Hand an die Wange, berührte sachte meine Unterlippe und folgte der Berührung mit seinen Augen. Dann beugte er sich herab. Da er die Augen schloss, sah er meine Reaktion nicht. Dass ich die Augen aufriss, erstarrte und die Tasse umklammerte. Als seine Lippen meine berührten, pochte mein Herz schnell, raste regelrecht. Ich kniff die Augen zusammen, wappnete mich automatisch auf die Grobheit, mit der mein Vater mich immer küsste. Aber die kam nicht. Darrens Lippen waren ganz weich und sanft, nicht hart und grob. Sein Kuss war liebevoll, nicht aggressiv. Doch ich wusste nicht, wie man küsste.

Langsam löste er sich von mir und sah vorsichtig auf mich herab. Dann wurde er selbst etwas starr. „Das war falsch, oder? Das hätte ich nicht tun dürfen, richtig? Zu früh?“

„Du hast nichts falsch gemacht.“, entgegnete ich und senkte ein wenig den Blick, „Es ist nur so, dass ich... Ich... Ich kann nicht küssen.“

Als ich vorsichtig aufsah, sah ich ihn lächeln. „Also war das dein erster Kuss?“

„Nein.“

Nun schien er überrascht. „Nein? Dann war der Junge, der ihn dir gegeben hat aber nicht sehr lehrreich.“

Ich trank vorsichtig noch einen Schluck. „Es gab keinen anderen.... Jungen.

„War es etwa ein Mädchen?“ Er schien verwirrt zu sein.

„Nein.“

Er wartete einen Moment, merkte dann aber, dass ich nicht mehr sagen würde. „Okay... Wenn das so ist... werde ich dir das Küssen eben beibringen.“

Ich fühlte mich etwas seltsam, als er das sagte. „Es mir beibringen?“

„Ja. Komm, stell die Tasse hin. Wir fangen gleich an.“

Unsicher stellte ich sie ab und sah zu ihm auf.

„Als erstes musst du dich entspannen. Sei locker. Ich tue nichts, was du nicht willst.“

Ich nickte langsam und versuchte mich zu entspannen. Als er bemerkte, dass es mir nicht so recht gelang, griff er nach der Schokolade und hielt sie mir an den Mund. Abgelenkt sah ich darauf herab.

„Iss. Schmeckt lecker.“

Ich nahm sie zaghaft in den Mund, woraufhin er begann zu lächeln.

„Mir gefällt es dich zu füttern.“

Nun wurde ich rot.

„Das gefällt mir aber auch. Schmeckt es dir?“

Ich nickte langsam. „Ja. Darf ich noch ein Stück?“

Er griff erneut nach der Schokolade. Aber diesmal...

„Hol sie dir.“ Er nahm sie so in den Mund, dass die Hälfte hinaus ragte.

Unsicher sah ich auf seinen Mund und rang ein wenig mit den Händen. Dann hob ich den Kopf etwas an, doch er war zu groß. Er merkte es sofort und kam mir entgegen.

„Beeil dich. Sie schmilzt.“, nuschelte er mit einem Lächeln.

Ich hob erneut den Kopf und öffnete ein wenig den Mund, um in die Schokolade zu beißen. Plötzlich zog er den Kopf zurück. Ich sah ihn verwundert an, woraufhin er ihn wieder etwas senkte. Als ich es ein zweites Mal versuchte, zog er ihn wieder zurück. Diesmal sah ich ihn etwas verärgert an, bemerkte jedoch, wie er mich amüsiert ansah.

„Du ärgerst mich.“, bemerkte ich.

Er zwinkerte mir zu. „Glaubst du wirklich, ich mache es dir so einfach?“

Ohne weiter nachzudenken hielt ich ihn am Hinterkopf fest und versuchte es ein drittes Mal. In dem Moment, als meine Lippen seine berührten, legte er mir eine Hand in den Nacken und hielt mich an Ort und Stelle. Kurz darauf löste er sich wieder.

„Gut. Aufgabe eins gelöst. Du bist locker und entspannt. Aufgabe Nummer zwei, spitz die Lippen ein wenig. Etwa so.“ Er machte einen leichten Kussmund.

Ich versuchte es ihm nachzumachen, woraufhin er begann leise zu lachen.

„Sah es bei mir auch so witzig aus?“

„Ziemlich.“, entgegnete ich, „Aber ich hab dich deshalb nicht ausgelacht.“

Er hörte sofort auf. „Tut mir leid. Also. Nummer drei. Wenn wir uns küssen, musst du die Lippen ein wenig bewegen. Ich zeig’s dir.“

Wieder beugte er sich zu mir herab, legte seine Lippen auf meine und begann sie zu bewegen. Ganz sanft und vorsichtig rieb er sie an meinen. Dann löste er sich wieder.

„Gemerkt?“

Ich nickte.

„Gut. Jetzt versuch du es. Küss mich.“ Er wartete.

Eine Sekunde zögerte ich, legte ihm dann aber eine Hand in den Nacken und hob den Kopf, legte meine Lippen auf seine. Mein Herz klopfte ein wenig schneller, doch ich spürte keine Angst. Das war Aufregung.

Sanft schob er mich von sich und lächelte mich an. „Keine Sorge, du hast alles richtig gemacht. Ich dachte nur, ich zeige dir noch ein bisschen mehr. Es gib viel schönere Arten sich zu küssen.“ Er war nur wenige Zentimeter von meinem Gesicht entfernt. „Mach den Mund auf. Nur ein bisschen. Genau so. Und schließ die Augen.“

Ich tat worum er bat und wartete. Seine Nasenspitze stieß ganz leicht an meine, stupste sie spielerisch an. Sie glitt kurz über meine Wange und dann legten sich seine Lippen wieder auf meine. Diesmal geöffnet. Unwillkürlich sog ich die Luft ein, legte die Hände in seinen Nacken. Das fühlte sich so gut an. Ich wollte nicht aufhören.

Er atmete erleichtert aus und legte die Arme um mich, während er den Kuss vertiefte. Mein Herz schlug langsam immer schneller, mein Atem beschleunigte sich. Ich zog ihn immer enger an mich, wollte mehr davon. Mehr von diesem wunderschönen Gefühl. Als er sich plötzlich wieder von mir löste, krallte ich mich in seinen Haaren fest.

„Jetzt zeige ich dir noch etwas.“, meinte er leise, „Mach den Mund ein bisschen weiter auf und mach einfach dasselbe wie ich, okay?“

Ich nickte schnell und hob bereits wieder den Kopf. Er lachte leise und küsste mich erneut. Lange, intensiv, genau wie vorher. Dann spürte ich seine Zunge an meiner Unterlippe. Er berührte sie vorsichtig, regelrecht fragend.

Mach einfach dasselbe wie ich.

Ich berührte sie vorsichtig mit meiner, woraufhin er begann sie mit seiner zu streicheln. Es dauerte nicht lange, da war ich bereits wieder überwältigt von den Gefühlen. Gierig zog ich ihn noch enger an mich, erwiderte den Kuss, wollte einfach noch viel mehr. Plötzlich entwich ihm ein Stöhnen. Ich merkte, wie ich ein wenig nach hinten kippte, er ließ mit einer Hand von mir ab. Dann lag ich auf der Couch und er beugte sich über mich, legte die Arme fest um meine Taille, während er mich weiter küsste. Doch ich wollte mehr. Viel mehr.

„Alisson.“, stöhnte er leise, „Nicht so stürmisch.“

Ich hielt überrascht inne, woraufhin er keuchend die Stirn an meine lehnte, die Augen weiterhin geschlossen. Mein Atem ging genauso schnell wie seiner, mein Herz raste.

„Warum nicht?“, fragte ich leise.

Er lächelte. „Ich bin ein Mann. Irgendwann ist auch meine Grenze erreicht und ich will noch nicht weiter gehen. Ich denke... das würde dich auch abschrecken und dir Angst machen.“

„Aber... ich möchte noch mehr davon.“

Sein Lächeln wurde etwas breiter, wärmer. „Bleiben wir erst einmal beim Küssen. Und davon bekommst du so viele wie du haben willst.“

„Mehr.“

Er stupste meine Nase wieder mit seiner an. „Gleich. Guck nicht so enttäuscht.“, lachte er, als er meinen Blick sah. „Ich muss erst einmal zu Atem kommen. Du küsst ziemlich gut, das muss man dir wirklich lassen.“

Wieder wurde ich ein wenig rot. Er gab mir einen Kuss auf die Nasenspitze.

„Glaub mir, ich küsse dich genauso gerne, wie du mich, wie es scheint, aber ich möchte dich nicht... überfallen. Also müssen wir vorsichtig sein, okay?“

„Was meinst du damit... überfallen?“

„Über... dich her fallen. Das würde dir Angst machen, das weiß ich.“

„Über mich her fallen.“, wiederholte ich vorsichtig.

Vorsichtig erwiderte er meinen Blick. „Ja. Ich würde... die Kontrolle verlieren. Und das will ich dir nicht antun. Ich küsse dich gerne sooft du willst, aber wir müssen ab und zu eine kleine Pause machen, weil es sonst zu viel wird. Okay?“

Ich nickte langsam. „In Ordnung.“

„Gut. Und wenn ich etwas tue, das dir Angst macht, sag mir sofort Bescheid, ja?“

Ich nickte. „Mhm.“

„Braves Mädchen.“ Erneut küsste er mich auf die Nasenspitze.

„Bekomme ich jetzt noch einen Kuss?“

Wieder lachte er leise. „Du bist ja süchtig.“

Dennoch senkte er den Kopf und küsste mich erneut. Wenn er das tat, schien alles vollkommen in Ordnung zu sein. Es gab keinen Vater, der mich schlug. Es gab keine Schmerzenden Gliedmaßen. Und es gab keine Blutergüsse. Es war alles schön. Und dieses Gefühl wollte ich behalten. Es aufbewahren und daran denken, wenn ich allein war und es mir schlecht ging.

Erneut hörte ich ihn leise stöhnen. „Alisson.“ Als er sich von mir löste, glitt er mit dem Mund sanft über meine Wange und dann hinab zu meinen Hals, den er liebevoll küsste und mit der Zunge kitzelte.

„Das kitzelt.“, beschwere ich mich halbherzig und zog die Schulter hoch.

Er lachte an meinem Hals und vergrub das Gesicht darin. Dann blieb er einfach so auf mir liegen, atmete tief durch und entspannte sich. Er blieb so lange still liegen, bis ich sogar dachte, er sei eingeschlafen. Doch dann hob er träge den Kopf und lächelte mich an.

„Ich hätte nie gedacht, dass es so schön mit dir wird.“

„Du hast darüber nachgedacht?“

„Ja. Seit du neben mir wegen den Waffeln geweint hast. Deine Lippen haben so weich ausgesehen. Und sie sind sogar noch weicher.“ Er berührte sie vorsichtig mit dem Zeigefinger. „Wie kleine Kissen.“

„Und... das ist gut?“

„Ich mag es. Sehr sogar. Und du schmeckst auch ziemlich gut. Und riechst so schön nach...“ Er glitt mit der Nasenspitze über meine Wange. „Ich weiß nicht, was es ist. Nach einer wunderschönen Blume an einem angenehmen Sommertag. Und dann ist deine Haut noch so weich und samtig. Wenn ich dir so nahe bin, weiß ich fast nicht mehr wo oben und unten ist.“

Verlegen senkte ich den Blick. „So was hat man mir noch nie gesagt.“

„Wenn du es magst, sage ich es dir immer wieder.“

Irgendwie glücklich darüber lächelte ich ihn an. „Würdest du?“

„Wenn du mich jedes Mal dafür so anlächelst, auf jeden Fall. Du bist so schön, wenn du lächelst.“

Ich drückte ihm einen Kuss auf den Mund. Als ich mich danach wieder von ihm löste, seufzte er leise und sah auf meine Lippen.

„Das ist schöner als Urlaub in Kalifornien.“

Er küsste mich erneut. Endlos lang. Gierig wie ich war, vergrub ich die Hände in seinem Haar und zog ihn enger an mich, wollte noch so viel mehr. Ich wollte... ich wollte...

Bevor mir etwas Passendes einfiel, glitt sein Mund über meine Wange zu meinem Ohr. Er nahm das Ohrläppchen zwischen die Lippen, saugte ein wenig daran und knabberte dann zärtlich an dem Fleisch. Ich kicherte, woraufhin er freudig auflachte mir einen Kuss direkt unters Ohr drückte und seine Nase dann wieder an meinem Hals vergrub.

„Du bist so herrlich.“, schwärmte er, „Wie ein frische Morgenwind an einem heißen Sommertag. Und du... bist der heiße Sommertag.“

„Ich?“, hakte ich verwirrt nach.

„Ja. Bei dir wird mir ganz warm. Richtig heiß.“

„Ist das gut?“

„Das erzähle ich dir viel, viel später. Das ist eine der letzten Lektionen, die ich dir mit Freuden beibringen möchte. Ich bin ganz vorsichtig, versprochen.“

„Du bist so nett zu mir.“

Er hob den Kopf lächelte mich an. „Natürlich. Ich mag dich. Und zwar sehr gern.“ Noch ein Kuss auf die Nasenspitze.

Es klopfte. Darren sprang sofort von mir auf und drehte sich um. Ich setzte mich auf und legte die Decke um mich, die mir von den Schultern gerutscht war.

„Äh... hallo Dad.“

Darrens Vater lächelte uns warmherzig von der Zimmertür aus an. „So ungern ich auch stören möchte. Es wird langsam spät.“

„Ja, ich bringe sie- äh...“ Er sah zu mir. „Möchtest du wieder nach Hause?“

Mein Lächeln verschwand, ich presste die Lippen ein wenig aufeinander. „Er wird wütend auf mich sein.“

Sorge erschien in seinen Augen. „Du kannst hierbleiben wenn du möchtest.“

Ich schüttelte den Kopf. „Nein. Ich möchte euch keine Last sein.“

„Das bist du nicht.“, versicherte er mir, „Du bist sicher vieles, aber keine Last.“

Ich zögerte. „Ich sollte trotzdem nach Hause. Ich... ich schaff das schon.“

„Ganz sicher?“

Ich nickte.

„Gut.“ Er sah zu seinem Vater. „Ich bring sie dann eben nach Hause.“

„In Ordnung. Deine Mutter macht gerade Essen. Also solltest du nicht zu lange weg bleiben.“

„Ist okay.“

Mein Magen knurrte. Sein Vater, der gerade wieder gehen wollte, hielt abrupt inne und sah zu mir herüber.

„Wenn ich so darüber nachdenke... kann sie eigentlich auch noch mitessen.“

Ich schüttelte schnell den Kopf. „Nein Danke. Vielleicht... vielleicht beim nächsten Mal.“

„Ganz sicher?“

„Ja.“

„Gut. Dann bis bald, Alisson.“

„Bis bald.“

Damit wendete Darrens Vater sich ab und ging wieder hinunter.

„Deine Eltern sind so nett.“, bemerkte ich etwas niedergeschlagen, „Ich fühle mich immer ein bisschen fehl am Platz.“

„Mach dir darum keine Sorgen.“ Er stand auf und reichte mir die Hand, um mir aufzuhelfen. „Du wirst dich sicher noch daran gewöhnen.“

Ich ließ mir von ihm aufhelfen und folgte ihm dann die Treppe hinunter. „Ich möchte mich gerne noch von deiner Mutter verabschieden.“

„Klar. Komm mit. Die Küche ist da drüben.“

Er zog mich sanft an der Hand zu einer der Türen und sah hinein. Ich folgte ihm, als er sie betrat. Sie war gerade dabei Paprika zu schneiden und sah sofort auf, als sie uns bemerkte.

„Oh hallo Alisson. Kann ich euch helfen?“

„Ich wollte mich für heute verabschieden.“, antwortete ich, „Ich sollte langsam nach Hause gehen.“

Sie lächelte mich warm an. „Komm bald wieder. Du bist hier herzlich willkommen.“

„Liebend gerne. Auf Wiedersehen.“

„Auf Wiedersehen, Alisson.“

Dann folgte ich Darren zur Tür und ging mit ihm hinaus. Als er die Tür schloss, fiel mein Blick auf die Klingel, unter der sein Nachname stand.

„Hawkins.“, las ich laut vor, „Dein Nachname ist Hawkins?“

„Ja. Und deiner?“

„Grace. Alisson Adelaide Grace.“

„Adelaide?“, hakte er überrascht nach.

„So heißt die Mutter meines Vaters.“

„Kennst du sie?“

„Ja. Sie ist sehr nett. Aber schon sehr alt. Sie sieht nicht mehr so gut und hat Rheuma. Deshalb mag sie es nicht so gern besucht zu werden.“

„Und dein Großvater?“

„Schon lange verstorben. Es war ein schreckliches Unglück im Urlaub, aber mehr weiß ich nicht.“

„Oh. Und... was ist mit den Eltern deiner Mutter?“

„Die habe ich nie kennen gelernt. Was ist mit deinen Großeltern?“

„Naja... Meine Großmutter Laine wohnt mit meinem Großvater George in Texas. Sie sind dort groß geworden. Meine anderen beiden Großeltern ziehen die etwas kälteren Regionen vor. Sie wohnen in Boston. Alle vier sind furchtbar nett. Wie meine Eltern.“

„Muss schön sein eine so liebevolle Familie zu haben.“

„Jetzt hast du ja mich. Von mir bekommst du so viel Zuneigung, wie du haben möchtest.“

Bei diesen Worten zog er mich an sich und senkte den Kopf zu mir herab, um mich zu küssen. Ich seufzte leise und krallte eine Hand in seinen Kragen, während er die andere Hand in seine nahm und unsere Finger miteinander verschränkte. Irgendwann seufzte er leise, löste seine Lippen von meinen und lehnte seine Stirn an meine. Dann öffnete er seine Augen, lächelte mich an und zog mich sanft hinter sich her, als er weiter ging.

„Wegen dir werde ich auch noch süchtig. Und zwar nach dir.“, meinte er gut gelaunt und strich mit dem Daumen über meinen Handrücken.

Als ein kühler Wind aufkam, fröstelte ich kurz, woraufhin er meine Hand losließ und den Arm um meine Taille legte.

„Wird wohl langsam Herbst.“, bemerkte er.

„Fühlt sich zumindest so an. Aber wir haben schon Oktober. Es geht eher auf den Winter zu.“

„Ja. Deshalb wundert es mich auch, dass du nur im T-Shirt unterwegs bist.“

Ich zögerte etwas. „Naja... Gestern trug ich noch einen Pullover.“

Er nickte. „Ich erinnere mich.“

„Heute habe ich keinen angezogen, weil ich vergessen habe, dass du mich abholen wolltest. Deshalb wollte ich zuhause bleiben.“

„Ach so. Aber... frierst du nicht?“

„Nein. Ich habe schon einige Male bei den Temperaturen draußen geschlafen?“

„Draußen? Nachts?“, hakte er nach.

„Ja. Auf dem Dach.“

Er sah bestürzt auf mich herab. „Nächstes Wochenende schläfst du bei mir. Von Freitag bis Sonntag.“

„Aber ich mach euch-“

„Tust du nicht. Glaub mir. Meine Eltern würden sich freuen.“

Ich seufzte tief. „Mein Vater würde nein sagen.“

„Dein Vater sagt wahrscheinlich zu allem nein was du ihn fragst.“

„Ich kann trotzdem nicht bei dir schlafen?“

„Und warum nicht?“

„Weil... ich... darum. Wenn ich wieder nach Hause komme würde er nur wieder fuchsteufelswild werden. So wie er es gleich sein wird.“

„Ich wünschte, du würdest bei mir übernachten.“, murmelte er leise.

„Das geht nicht.“

Leise seufzte er und zog mich wenig später an sich, als wir nur noch wenige Meter von meiner Auffahrt entfernt waren. „Ich will dich gar nicht mehr gehen lassen.“, bemerkte er, „Ich möchte nicht, dass er dir weh tut.“

„Ich schaff das schon.“, entgegnete ich, „Ich mache das schon seit dreizehn Jahren durch. Er wird mich nicht umbringen, keine Angst.“

Eine tiefe Furche bildete sich zwischen seinen Brauen, als er sie zusammen zog und besorgt zu mir herab sah. „Ich habe aber Angst um dich. Du sagtest, er macht noch schlimmere Dinge, als dich zu schlagen. Wenn er betrunken bist. Und so wie es aussieht ist er betrunken und so wütend wie ein tollwütiges Äffchen.“

Ich konnte mir ein Kichern nicht verkneifen. „Wir sehen uns morgen in der Schule. Hoffe ich.“

Noch mehr Sorge füllte sein Gesicht. „Hoffst du. Wenn du in der Pause nicht da bist komm ich persönlich zu dir und hol dich da raus. Und wenn ich dafür die Polizei rufen muss.“

„Jetzt übertreib nicht.“, meinte ich darauf leise.

„Ich meine es ernst. Wenn du morgen nicht kommst weiß ich, dass er dir irgendwas schlimmes angetan hat. Und dann ist es mir egal, ob er es heute getan hat oder morgen tun wird.“

Es war sinnlos zu antworten, also atmete ich nur leise durch und strich ihm kurz über die Brust, bevor ich Anstalt machte mich von ihm zu lösen. „Bis morgen.“

„Hey, warte mal.“, entgegnete er darauf, sah mich verwundert an und zog mich zurück. „Du kannst doch nicht einfach so gehen, ohne mir einen Abschiedskuss zu geben.“

Ich schaffte es noch überrascht zu blinzeln, bevor er den Kopf bereits wieder senkte und seine Lippen auf meine legte. Er war irgendwie anders, der Kuss. Irgendwie sehnsüchtig, ängstlich. Und doch wunderschön.

„Denk an mich.“, flüsterte er an meinen Lippen, als er sich von mir löste und ich langsam einige Schritte zurück machte.

Er hielt so lange meine Hand fest, bis ich zu weit weg war um sie länger halten zu können. Dann seufzte er schwer und sah mir noch hinterher, als ich mich umdrehte und die Auffahrt hinauf ging. An der Tür sah ich ihn nochmal an und wendete mich dann wieder nach vorn. Wie immer stand ich eine Weile einfach nur da, holte den Schlüssel heraus und zögerte so lange es ging. Die Angst packte mich sobald ich den Schlüssel ins Schloss schob und ihn drehte. Als ich die Tür leise aufschob, zitterte ich bereits und atmete hektisch. Vorsichtig sah ich ins Haus und betrat es langsam. Alles war still. Zu still. Ich schluckte, sah nochmal kurz zu Darren, der immer noch dort stand, wo ich ihn hatte stehen lassen, und schloss dann langsam die Tür. Wieder blieb ich einen Moment stehen. Dann begann es.

Schritte ertönten hinter mir, schwer und langsam. Vor Angst gelähmt bewegte ich mich keinen Millimeter, wenn man mal von dem Zittern absah, dass mich beinahe durchschüttelte. Ich atmete so schnell, als sei ich einen Marathon gelaufen und schaffte es nicht einmal meine Hand von der Tür zu nehmen.

„Wo warst du?“

Ich hörte regelrecht seine Wut. Je leiser er sprach umso deutlicher klang sie hervor und nun flüsterte er nahezu. Die Angst verwandelte sich in Panik, gemischt mit leiser Verzweiflung.

„Bei einem Freund.“, antwortete ich leise, immer noch heiser.

Die Stille verursachte mir eine Gänsehaut, das Wissen darüber, dass er mir gleich sehr wehtun würde, machte alles beinahe unerträglich. Ganz plötzlich riss er mich an den Haaren zu sich heran, riss meinen Kopf zurück und sah mich mit einem so wütenden Blick an, dass ich das Gefühl hatte vor Panik zu zerspringen.

„Du meinst den Bastard, der dir hinterherläuft wie ein Straßenköter?“

Tränen traten mir in die Augen. Vor Schmerz, weil er so etwas sagte und weil er noch fester an meinen Haaren zog.

„Du warst bei ihm, hab ich Recht?“

„J-j-j-ja. I-i-ich war bei ihm.“

Wütend ließ er von mir ab, drehte mich um und schlug zu. Mit der Faust. Direkt ins Gesicht. Ich schrie auf, fiel zu Boden und schrie dann lauter auf, als er mich an den Haaren wieder auf die Beine riss.

„Wenn du es noch einmal wagst zu ihm zu gehen, breche ich dir die Beine, hast du mich verstanden?“

Ich antwortete nicht, woraufhin er mir die Faust in den Bauch jagte. Ich keuchte, würgte und sah schwarze Punkte.

„Ob du mich verstanden hast!“

Verzweifelt begann ich zu blinzeln, fühlte mich seltsam benebelt. Als ich nicht antwortete, da ich nicht in der Lage war, warf er mich wütend auf den Boden, trat einige Male zu und begann mir dann die Kleider vom Körper zu reißen. Ich ließ es keuchend über mich ergehen, doch ganz plötzlich bekam ich keine Luft mehr. Etwas drückte mir den Hals zu. Als ich panisch die Augen aufriss, stellte ich fest, dass er mich mit einer Hand am Hals gepackt hatte, während seine Hand zwischen meinen Beinen vergraben war. Bin ich für einen Moment ohnmächtig gewesen?

„Hast du dich von ihm flach legen lassen?“, fragte er noch wütender als vorher, „Hat er dich so richtig angemacht? Dich aufgegeilt und ist dann über dich gestiegen wie ein williger Hengst, hm? Hast du es ihm auch so richtig besorgt?“

Ich wollte verneinen, ihn bitten damit aufzuhören solche Dinge zu sagen, doch ich bekam keine Luft. Ich griff nach seiner Hand, doch sein Griff war zu fest. Ohne Gnade zog er seine Hand zurück und schob sich damit seine eigene Hose herunter, bevor er sich zwischen meinen Beinen positionierte. Sein Griff wurde ein wenig fester. Wieder tanzten schwarze Punkte vor meinen Augen. Ich zerrte wie verrückt an seiner Hand, während mir mittlerweile völlig gleichgültig war, was er mit dem Rest meines Körpers tat. Doch die Kraft ging mir aus. Meine Arme wurden schwerer. Um mich herum wurde alles schwarz.

Kapitel 4

 

Ich wusste nicht wie spät es war, als ich wieder zu mir kam. Der Grund für mein Erwachen war eine Bewegung, die mich schmerzhaft aufschreien ließ. Ich lag auf dem Bauch. Er auf mir drauf und genau da wo er sein wollte.

„Verfluchte Schlampe.“, flüsterte er mir zu, „Dreckige Hure.“

Wieder riss er meinen Kopf an den Haaren zurück. Ich wollte nach seinem Handgelenk greifen, doch seine andere Hand hielt meine Hände auf meinem Rücken fest, drückte sie hinauf, bis sie beinahe meinen Nacken berührten. Ich schrie laut und lange vor Schmerz auf.

Als es endlich vorbei war, stand er schweigend auf, trat mir im vorbei gehen auf die Hand und ging hinauf. Ich blieb reglos liegen und weinte schweigend, bis ich die nötige Kraft gefunden hatte um mich auf die Beine zu kämpfen. Meine Knie knickten ein, doch ich hielt mich an der Tür fest, zog mich wieder hoch. Dann schleppte ich mich zur Treppe, kroch beinahe hinauf und ging ins Bad, wo ich mich unter die Dusche setzte. Nachdem ich alles von mir abgewaschen hatte ging ich in mein Zimmer, zog mich an und ging so schnell ich es mit meinem schmerzendem Körper konnte, die Treppe hinunter in die Küche. Es war schon viel zu spät. Die zweite Stunde hatte schon lange begonnen, und bald war Pause.

Schnell machte ich mir ein Frühstück und eilte dann zur Schule. Mein rechtes Bein begann unterwegs zu Schmerzen, weshalb ich begann es hinterher zu ziehen. Ich hatte das Gefühl, dass mein Vater immer noch die Hand an meinem Hals hatte, das Atmen fiel mir schwer. Und mein Auge pochte wie verrückt.

Zwanzig Minuten vor Beginn der Pause klopfte ich an der Tür meiner Klasse, wobei ich mich am Türrahmen abstützte. Sobald ich die Erlaubnis hatte die Klasse zu betreten öffnete ich die Tür und kam herein.

„Entschuldigt bitte die Verspätung.“, krächzte ich, den Blick auf den Boden gerichtet. „Ich habe verschlafen.“

Mein Lehrer musste sich drei Mal Räuspern, bevor er mir sagte, ich solle mich setzen. Ich traute mich nicht den Blick zu heben, weil ich wusste, dass Darren wütend und entsetzt war. Als ich mich setzte, griff er sofort nach meiner Hand und drückte sie fest.

 

Als es zur Pause klingelte, stand Miranda sofort bei mir am Tisch.

„Was ist passiert?“, fragte sie schockiert, „Du siehst aus, als hätte man dich durch einen Fleischwolf gedreht.“

„Das wird wieder.“, antwortete ich leise krächzend.

„Das wird wieder?“, wiederholte sie, „Mädchen, du- du- Dave, sag doch was! Sie sieht furchtbar aus! Was ist dir nur passiert?“

Darren öffnete kurz den Mund, um etwas zu sagen, schwieg dann aber und stand auf, wobei er sich meine Tasche gleich mit über die Schulter legte. Ich stand auf, um Darren hinaus zu begleiten, doch meine Beine versagten ihren Dienst, weshalb ich kurz darauf zu seinen Füßen lag. Am liebsten wäre ich einfach da liegen geblieben, wollte schlafen und alles vergessen. Doch ich konnte nicht.

„Alles in Ordnung.“, murmelte ich und kämpfte mich wieder auf die Beine. Ich schaff das. Ich schaff das.

„Komm, ich helfe dir.“, meinte Darren sanft und legte mir einen Arm um die Taille. „Lass uns raus an die frische Luft gehen.“

„Sprich mit mir.“, bat Miranda unterdessen, „Was ist passiert? Wer hat das getan?“

„Es war ein Unfall.“, antwortete ich darauf standardmäßig.

Darren verkniff sich ein Schnauben und brachte mich auf den Hof, wo er mir half mich ins Gras zu setzten. Doch statt sitzen zu bleiben ließ ich mich auf den Rücken fallen, drehte mich auf die Seite und zog die Beine an. Er stützte sich daraufhin neben mir ab und berührte vorsichtig das Auge, das offenbar blau sein musste.

„Komm Liebling.“, hörte ich Dave sagen, „Wir können nichts machen. Sie sagt dir sowieso nichts.

Darren wartete bis wir allein waren, bevor er mich sanft an sich zog. „Was hat er getan?“, flüsterte er leise.

„Willst du das wirklich wissen?“, fragte ich zurück.

„Ich möchte alles über dich wissen.“

Ich ließ es zu, dass er mich an seine Brust zog und das Gesicht in meinem Haar vergrub. „Er hat mich an den Haaren gepackt und Fragen gestellt. Die Antworten gefielen ihm nicht, also hat er mich geschlagen. Und als ich auf eine Frage nicht geantwortet habe, ich konnte nicht antworten, da... er hat begonnen mich zu würgen, bis ich ohnmächtig war.“

„Oh Alisson.“, flüsterte er mit Schmerz in der Stimme. „Das hast du nicht verdient.“

„Ich bin müde.“, flüsterte ich, „Mir tut alles weh.“

„Schlaf ein wenig. Ich bin hier.“

Es wunderte mich ein wenig, dass ich kein Problem damit hatte mich an Darren zu schmiegen und die Augen zu schließen. Ich schlief überraschend schnell ein.

 

Darren

Ich spürte, wie die Anspannung langsam von ihr wich, ihr Atem wurde regelmäßig und ihr Körper wurde ganz weich. Ich wagte es nicht mich auch nur einen Zentimeter zu bewegen, aus Angst, sie würde davon aufwachen. Ich hatte noch nie ein Mädchen gesehen, das so zerschlagen aussah wie sie. Ein blaues Auge, der Hals fast ein einziger Bluterguss, die Lippe aufgeplatzt und auf beiden Wangen blaue Flecken. Ihre Hände waren ähnlich beschädigt. Kleine Blutergüsse und Kratzer auf den Handrücken.

Ich wünschte mir, ich könne sie einfach mit zu mir nach Hause nehmen und dort behalten. Dort würde ihr Vater ihr nichts antun können. Seit ich sie das erste Mal gesehen habe war ich gleichermaßen schockiert und fasziniert von ihr. Schockiert, weil sie immer irgendwelche Lädierungen hatte. Und Fasziniert, weil sie trotz allem stur weiter machte und versuchte sich nichts anmerken zu lassen. Sie strengte sich sehr an, damit niemand ihre Angst bemerkt.

Plötzlich fragte ich mich wie viele Blutergüsse sie noch hatte. Als sie in die Klasse gekommen war, zog sie ihr Bein ein wenig hinter sich her. Hinkte. Die Versuchung war groß es sich anzusehen, doch dafür würde ich sich bewegen müssen. Sie loslassen. Doch davor hatte ich viel zu große Angst.

Unbewusst zog ich sie etwas enger an mich heran und erstarrte sofort, als sie sich ein wenig regte. Ich sah herab auf ihr Gesicht. Die Brauen zusammen gezogen schien ihr Unterbewusstsein die Veränderung zu spüren. Doch sobald ich wieder still war, entspannte sie sich wieder und kuschelte sich etwas enger an mich. Dann seufzte sie leise und lag wieder still da. Die Augen entspannt geschlossen, die Lippen ein wenig geöffnet, das Gesicht friedlich.

Ich spürte wie mein Herz einen Hüpfer machte, als ich merkte, dass sie sich bei mir sicher fühlte. Unwillkürlich lächelte ich und verkniff es mir, sie vorsichtig an der Wange zu berühren.

 

Alisson

Es war eine sanfte Berührung an meiner Wange, die mich langsam aus dem Schlaf zog. Allein der Geruch, der mich umgab, brachte mich dazu nicht sofort in Angst zu fallen. Stattdessen murrte ich leise, drehte das Gesicht weg und kuschelte mich enger an die Wärme, die mich umgab.

Dann hörte ich Darren leise lachen. „Hey komm. Du musst aufstehen.“

„Ich will nicht.“, murmelte ich.

„Na los. Wach auf. Der Unterricht beginnt gleich.“

Widerwillig öffnete ich die Augen und drehte das Gesicht ein wenig. Darren sah auf mich herab und lächelte warm.

„Hallo.“, begrüßte er mich.

„Hallo.“

„Geht’s dir besser?“

Ich nickte langsam. „Hat gut getan. Du bist schön warm.“

Er lächelte etwas mehr und beugte sich vorsichtig herab. Ein kurzer Blick auf meine Lippen und ich wusste sofort was er vorhatte. Ich schloss die Augen und legte ihm eine Hand in den Nacken, als er mich küsste. Sanft, liebevoll, vorsichtig. Langsam legte ich ihm noch die andere Hand in den Nacken und zog ihn enger an mich heran. Plötzlich glitt sein Mund zu meiner Wange und küsste sie ausgiebig. Dann die andere Wange und als nächstes mein schmerzendes Auge. Ich hielt den Atem an, als ich bemerkte, was er da tat. Sein Mund glitt zu meinem Hals, den er ausgiebig zu küssen begann. Er pflasterte einen Kuss neben den Anderen, als wolle er, dass ich schnell wieder gesund werde. Zu guter Letzt drückte er mir einen Kuss auf einen Teil meiner Unterlippe, der ebenfalls wehtat. Ich merkte gar nicht, dass mir zwei drei Tränen über die Wangen kullerten.

„Hey, alles okay?“, fragte er sanft und wischte die Tränen weg.

„Ja. Alles gut.“

„Und das sagst du nicht wieder, um mich zu beruhigen?“

Mein Mundwinkel hob sich ein wenig. „Ich bin in Ordnung. Ich war nur... es ist nur...“ Ich berührte vorsichtig seine Lippen. „Danke.“

„Ich glaube, ich würde alles für dich tun.“ Mit diesen Worten drückte er mir einen letzten sanften Kuss auf die Lippen und stand dann auf, bevor er mir auf die Beine half. „Komm. Wir müssen jetzt in die Klasse.“

Er hob meine Tasche auf und schulterte sie, während er seine eigene in der Hand hielt. Dann nahm er mich an die Hand, verschränkte unsere Finger und machte sich mit mir an seiner Seite auf den Weg zur Klasse. Er lächelte unaufhörlich und auch ich merkte, dass es mir nun etwas leichter fiel zu lächeln. Wenn auch nur ein wenig.

In der Klasse sahen uns alle mit großen Augen an, doch Darren ignorierte es gekonnt und schob mir den Stuhl zurecht, bevor er mir die Tasche hinstellte und sich dann neben mir nieder ließ.

„Stört es dich, wenn ich dich nach der Schule nach Hause bringe? Bis kurz vor eurem Grundstück, meine ich.“

Ich sah zu ihm auf und nickte dann ein wenig. „Das wäre schön.“

Er sah so aus, als hätte er mich gerne noch einmal geküsst, doch bevor er das tun konnte, sah ich wieder nach vorn. „Möchtest du es nicht?“, fragte er leise, „Ist dir das unangenehm, wenn ich dich küsse?“

„Nur, wenn alle zusehen.“, entgegnete ich darauf ebenso leise.

Unter dem Tisch nahm er wieder meine Hand und drückte sie sanft. Bevor er loslassen konnte verschränkte ich unsere Finger, woraufhin ich ihn aus dem Augenwinkel wieder lächeln sah.

 

Nach dem Unterricht verließen wir Hand in Hand die Klasse und gingen den Schulflur entlang. An seinem Spind hielten wir kurz an, während wir uns über verschiedene Dinge unterhielten.

„Was willst du mal werden?“, fragte er, als er den Spind schloss und wieder meine Hand nahm.

„Darüber habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht.“

„Nein?“, hakte er nach, „Aber du musst doch einen Wunsch haben. Einen Traumberuf.“

„Das würde heißen, dass es ein Traum ist. Träume werden selten wahr.“

Er grinste ein wenig. „Stimmt.“

„Und du?“

„Ich?“

„Ja. Was ist mit dir? Was willst du werden?“

Er atmete kurz durch. „Naja. Ich hab überlegt, ob ich Medizin studiere.“

„Medizin?“

Er nickte. „Ja. Aber ich glaube, dafür sind meine Noten zu schlecht. Vielleicht werde ich ja Lehrer.“ Er lächelte amüsiert.

„Keine Vorstellungen?“

„Ab und zu denke ich darüber nach, aber ich weiß nicht wirklich, ob ich das, was ich mir dann aussuche, wirklich den Rest meines Lebens machen möchte.“

„Verstehe.“ Ich dachte kurz nach. „Etwas, das ich den Rest meines Lebens tun möchte.“

„Ja. Immerhin musst du es mögen und Spaß dabei haben.“

„Hmm... Ich kenne nicht viele Dinge die mir Spaß machen.“

„Was macht dir denn Spaß?“

Ich wurde etwas rot. „Es macht Spaß dich zu küssen.“

Er lächelte mich an. „Damit kannst du dir nur leider nicht dein Leben finanzieren.“

Wir verließen das Gebäude und gingen gemütlich über den Schulhof. Da keiner wusste, was er noch sagen sollte, schwiegen wir einfach. Kurz darauf gingen wir die Straße entlang. Je näher wir meinem Zuhause kamen, umso höher kroch die Angst meine Wirbelsäule hinauf. Plötzlich ließ Darren meine Hand los. Einen Moment dachte ich, er wolle gehen und spürte bereits, wie die Panik die Angst einholte, doch dann legte er mir einen Arm um die Taille und drückte mich sanft an sich.

„Du bist plötzlich so angespannt.“, bemerkte er.

„Ich möchte eigentlich noch nicht nach Hause.“, antwortete ich leise.

„Komm doch mit zu mir.“, bot er darauf sofort an.

Ich schüttelte sofort den Kopf. „Das geht nicht.“ Wir bogen in meine Straße ein.

„Ich möchte nicht, dass du zu ihm gehst.“

Ich sah überrascht zu ihm auf.

„Er tut dir nur weh.“, erklärte er, als er den Blick sah. „Und ich möchte nicht, dass man dir weh tut. Du verdienst so was einfach nicht. Du hast Liebe und Zuneigung verdient. Geborgenheit, Sicherheit. Das alles sollte er dir geben. Aber stattdessen...“ Er berührte vorsichtig mein Auge. „Wehrst du dich eigentlich?“

Meine Augen wurden etwas größer. „Nein. Wenn-wenn ich das tue, wird es nur schlimmer. Dann schlägt er fester zu, damit ich mich vor Schmerz nicht mehr bewegen kann. Dann kann ich mich auch nicht mehr wehren.“

Sofort zog er mich in seine Arme und vergrub sein Gesicht in meinem Schopf. So blieben wir einige Zeit stehen, bevor er sich irgendwann löste und mir einen Kuss auf die Stirn drückte.

„Ich wünschte, ich könnte irgendwas tun.“, murmelte er leise.

Ich lehnte meine Stirn an seine Brust. Dann löste ich mich ganz von ihm. „Ich muss jetzt gehen.“ Als ich zu ihm aufsah, waren seine Pupillen etwas kleiner geworden. Er schluckte, doch sein Atem wurde ein wenig schneller. „Wir sehen uns morgen in der Schule.“

„Ich warte auf dich.“

Ich nickte und wollte von ihm wegtreten, doch er zog mich nochmal an sich und drückte mir einen Kuss auf die Lippen. Lange und innig.

„Denk an mich.“, murmelte er und küsste mich erneut. „Wenn irgendwas passiert und es dir hilft, dann denk an mich. Ich möchte bei dir sein, wenn du mich brauchst.“ Er küsste mich ein letztes Mal. Verzweifelt und etwas ängstlich. Dann ließ er mich widerwillig los und trat einen Schritt zurück.

„Ich verspreche es dir.“, antwortete ich und drehte mich um, um die Auffahrt hinauf zu gehen.

An der Tür sah ich nochmal zu ihm und stellte fest, dass er immer noch dort stand. Wie letztes mal. Nach einigem Zögern holte ich meinen Schlüssel aus der Tasche und schloss langsam auf. Meine Hände zitterten, als ich die Tür öffnete und vorsichtig hinein sah. Langsam trat ich ein, drehte mich um und sah zu Darren, während ich langsam die Tür schloss. Dann drehte ich mich um, wollte gerade rufen, ich sei wieder zurück, da kam er bereits aus dem Wohnzimmer. Er schien betrunkener als sonst.

Sofort geriet ich in Panik, eine Gänsehaut machte sich auf meiner Haut breit. Er sagte nicht einmal etwas. Er schlug einfach zu.

 

Darren

Mit einem tiefen Seufzen sah ich auf die Uhr, die über der Klassentür hing. Sie kam nun bereits über eine Stunde zu spät. Ob etwas passiert ist? Aber nein, darüber durfte ich mir keine Gedanken machen. Am Vortag war sie auch ziemlich spät gekommen.

Da hatte sie auch Würgemale am Hals.

Unkonzentriert schlug ich mit meinem Bleistift auf meinen Block, während ich dem Lehrer zuhörte und immer wieder zur Uhr sah. Gleich war die Stunde vorbei.

Warum braucht sie so lange?

Nervös rutschte ich auf meinem Stuhl herum. Irgendwas musste passiert sein.

Beruhige dich wieder. Sie kommt schon noch.

Es klingelte zur Pause. Langsam stand ich auf und packte meine Sachen zusammen, bevor ich mit meiner Tasche die Klasse verließ.

„Darren!“

Ich blieb überrascht stehen, als jemand nach mir rief und sah in ein Gesicht, an dem mindestens drei Kilo Makeup kleben müssten.

„Ja?“

„Ich hab dich gestern mit Alisson gesehen.“, bemerkte sie, „Das ist das erste Mal, dass ich sie mit einem Jungen hab reden sehen. Oder dass sie seine Hand gehalten hat. Bist du etwa mit ihr zusammen?“

Bei dem Gedanken, ich könne mit ihr zusammen sein, wurde mir plötzlich warm. Doch ich musste den Kopf schütteln, weil ich nicht wusste, wie Alley darüber dachte. „Darüber haben wir noch nicht gesprochen. Warum fragst du?“

„Na, weil sie nicht ganz... richtig im Kopf ist.“

Ich zog die Brauen zusammen. „Wie bitte?“

„Wie tickt nicht mehr richtig. Ist geisteskrank. Einige glauben, sie sei aus einer psychiatrischen Klinik entlaufen.“

Ich wendete mich ab. „Ist sie nicht.“

„Bist du dir sicher?“, hakte sie ab und folgte mir, als ich Richtung Hof ging. „Geisteskranke können ziemlich gut lügen.“

„Ich weiß, dass sie es nicht tut.“, antwortete ich. Ich hatte ihren Vater gesehen, wie er ihr wütend hinterher gerannt ist, im Park nach ihr rief und sie in aller Öffentlichkeit beschimpfte.

„Ach? Und was soll es deiner Meinung nach dann sein?“

Ich sah sie schweigend an. Ich konnte es ihr nicht sagen, sonst wäre Alisson bis an mein Lebensende sauer auf mich.

„Das Schicksal meint es einfach nicht gut mit ihr.“, antwortete ich schließlich und ging weiter, wollte weg von dem Mädchen, aber sie folgte mir hartnäckig.

„Naja, aber... egal, du bist ja nicht mit ihr zusammen, also tut das ja nichts zur Sache. Ich würde gerne mal mit dir ausgehen.“

„Kein Interesse.“

„Warum? Ich sehe gut aus, ich hab viel Geld.“

„Und eine große Klappe, eine hohe Nase und Tonnen von Makeup im Gesicht. Weiß eigentlich irgendjemand an der Schule wie dein Gesicht wirklich aussieht?“

Empört war sie stehen geblieben und sah mir entsetzt hinterher, während ich einfach weiter ging. Die Einzige, die ich bei mir haben wollte war Alisson. Ich konnte zwar nicht sagen, was mich an ihr anzog, aber ich konnte einfach nicht aufhören an sie zu denken.

„Hey Darren.“

Ich sah auf, als ich Mirandas Stimme höre. „Hey.“

„Alles in Ordnung?“

„Ich mache mir Sorgen.“

Sie seufzte leise. „Um Alisson, oder? Ja, ich auch. Sie sah gestern so zerschunden aus. Mrs. Witherspoon hat mal mit mir gesprochen und mich gefragt, ob ich weiß was mit ihr ist. Aber ich weiß es nicht. Ich kann nur wirre Vermutungen anstellen. Weißt du etwas?“

Ich zögerte.

„Du weißt etwas, oder?“

Langsam nickte ich.

„Oh mein Gott, was ist es? Ich weiß, sie wird bestimmt sauer sein, wenn du es mir erzählst, aber neben dir bin ich ihre einzige Freundin.“

„Ich kann es dir nicht erzählen.“, entgegnete ich leise.

„Aber... gut. Du hast Recht. Sie vertraut dir und wenn du es mir sagst.“ Sie nickte. „Tut mir leid, dass ich gefragt habe. Ich verstehe schon. Es ist nicht leicht ihr Vertrauen zu gewinnen.“

„Sie hat sich mit Händen und Füßen gewehrt sich von mir kennen lernen zu lassen.“

„Ja, so ist sie. Verschlossen und wortkarg. Obwohl sie sich mit dir ja ziemlich viel unterhält, wie man sieht.“

Ich musste ein wenig lächeln. „Ja. Wenn wir zusammen sind, reden wir über das eine oder andere. Sie hat mich sogar zum Lachen gebracht.“

„Wirklich?“

„Ja.“

„Wie?“

Ich begann zu grinsen. „Sie hat mir davon erzählt, dass du sie gefragt hast, ob sie auch der Meinung ist, dass ich gut aussehe.“

Sie wurde ein wenig rot.

„Sie sagte mir, sie hätte darauf nicht geachtet und wüsste es nicht. Dann habe ich gefragt, was sie dann darüber dachte.“ Ich grinste etwas mehr. „Sie sagte, ich sei wenigstens nicht hässlich.“

Miranda begann leise zu lachen. „Das war eigentlich zu erwarten.“, meinte sie dann, „Sie weiß nicht, wie sie Komplimente macht und scheut sich auch davor.“

„Ja.“

Einen Moment schwiegen wir beide, bevor wir uns ins Gras setzten.

„Weißt du, warum sie heute nicht kommt?“

„Ich kann es nur vermuten.“

„Aber deine Vermutungen stimmen wahrscheinlich eher als meine.“ Sie zögerte kurz. „Ist es sehr schlimm?“

„Wenn meine Vermutungen stimmen? Ja. Für mich ist sehr schlimm dann sogar noch ein bisschen zu wenig. Hat sie schon öfter gefehlt? Einen ganzen Tag, meine ich.“

„Soweit ich mich erinnern kann passierte das bisher nur zwei Mal. Dann fehlte sie aber immer ziemlich lange. Das erste Mal waren es zwei Wochen. Beim zweiten Mal waren es anderthalb.“

Ich schluckte. Zwei Wochen allein mit ihrem Vater.

„Alles okay? Du bist plötzlich so blass. Hat sie eine Krankheit, oder so? Eine Ansteckende? Ich meine... sie wird ab und zu auch einfach blass.“

„Ich wünschte es wäre einfach nur eine Krankheit. Gegen die kann man noch etwas machen.“ Ich atmete durch. „Es ist alles in Ordnung. Ich... mache mir nur Sorgen um sie.“

Sie nickte stumm.

 

Sie kam nicht. Alisson kam nicht mehr. Auch nicht am Mittwoch, als wir ins Theater fuhren. Am Donnerstag war ich kurz davor zu ihr nach Hause zu gehen, doch ich hielt mich zurück. Sie wollte nicht, dass ich zu ihr kam. Doch als sie auch am Freitag nicht kam, konnte mich nichts mehr davon abhalten. Sobald die letzte Stunde vorbei war, packte ich meine Sachen, nahm meine Tasche und eilte hinaus. Ich beeilte mich meine Bücher in meinen Spind zu packen, schulterte meine Tasche und lief dann hinaus. Als ich wenig später in ihre Straße einbog, wurde ich etwas langsamer. Was sollte ich tun, wenn ich da war? Klopfen und fragen, ob sie zu sprechen war? Er würde nein sagen.

Nachdenklich blieb ich stehen. Heute war Freitag. Dann erinnerte ich mich daran, was sie letzte Woche zu mir gesagt hatte.

Mein Vater geht freitags immer mit einem Freund Angeln.

Vielleicht hatte ich Glück und er war schon weg. Doch... was wenn nicht? Ich taufte mir die Haare. Schule! Genau, sie war nicht in der Schule. Ich würde ihr die Hausaufgaben und meine Notizen geben.

Ich ging weiter, bemerkte jedoch die Nervosität, je näher ich dem Haus kam. Als ich vor der Tür stand, zögerte ich etwas, hob dann aber die Hand und klingelte. Ich hörte wie irgendwo im Haus etwas zu Boden fiel. Schwer und hart. Dann schien etwas die Treppe hinunter zu fallen.

Bitte lass es nicht Alley sein. Bitte lass es nicht Alley sein.

Die Haustür wurde geöffnet. Ihr Vater sah mich mit finsterem Gesicht auf mich herab. Abgesehen davon, dass er mich stark an einen Soldaten erinnerte, dem der kurze Haarschnitt fehlte, sah er eigentlich nicht aus, wie ein Mann, der seine Tochter verprügelte. Wenn man von dem finsteren Blick absah.

„Was ist?“, wollte er wissen.

Als ich einen Blick an ihm vorbei werfen konnte, entdeckte ich am Fuß der Treppe ein Regal. „Ich möchte Alisson die Hausaufgaben vorbei bringen. Ist sie gerade zu sprechen?“

„Sie ist krank. Eine starke Erkältung.“, antwortete er kühl.

„Darf ich sie ihr bringen? Sie hat fast eine Woche gefehlt, da ist viel liegen geblieben.“

Er schwieg eine Weile, trat dann jedoch, zu meiner Überraschung, beiseite. Ich trat vorsichtig ein, woraufhin er hinter mir die Tür schloss und das Regal beiseite räumte.

„Es ist mir aus der Hand gerutscht.“, erklärte er, „Warte einen Moment hier, ich bringe es nur schnell ins Wohnzimmer.“

Mit den Worten ging er durch eine Tür, rechts von mir. Ich nahm die Gelegenheit dafür mich umzusehen. Doch viel gab es nicht zu sehen. Durch eine Tür links von mir erkannte ich die Küche. Rechts von der Haustür stand ein Beistelltisch, doch es stand nichts darauf. Auch die Wände waren kahl, doch man sah, dass dort mal einige Bilder gehangen haben. Nicht viele, drei oder vier. Eine abgekratzte Tapete hätte mich sogar auf den Gedanken gebracht sie hätten eine Katze, doch Alisson sagte, sie dürfe keine haben, wolle auch keine.

Ihr Vater kam wieder in den Flur. „Komm mit, ich zeig dir ihr Zimmer.“ Schweigend folgte ich ihm die Treppe hinauf. „Du bist Darren, richtig?“

„Ja.“

„Alisson sagte, du seist ihr Klassenkamerad?“

„Ja. Ich sage gerne, dass ich mit ihr befreundet bin, aber ich weiß nicht, wie sie das sieht.“

Er antwortete nicht. Stattdessen blieb er vor einer Tür stehen und öffnete sie. „Hier. Ich lass die Tür offen.“

„Danke.“

Er nickte kurz und wendete sich dann wieder ab, erschien mir aber nicht sehr aggressiv. Etwas verwirrt betrat ich Alissons Zimmer. Sie lag im Bett, die Decke bis unters Kinn hochgezogen. Als sie hörte, dass jemand herein kam, zuckte sie zusammen und drehte sich herum. Dann blinzelte sie einige Male. Es war ziemlich dunkel.

„Darren?“, hakte sie nach.

„Ja.“, antwortete ich, „Wie geht es dir?“

Sie hustete eine Weile. „Ziemlich schlecht.“, antwortete sie dann und setzte sich auf. „Machst du die Jalousien auf? Und... kannst du dann auch ein Fenster auf machen?“

„Klar. Einen Moment.“ Ich stellte meine Tasche beiseite und ging zu ihrem Fenster. Kurz darauf setzte ich mich zu ihr ans Bett. „Du bist ganz blass.“

Sie putzte sich die Nase. „Ich hab mir eine Erkältung eingefangen. Tut mir leid, falls du dir Sorgen um mich gemacht hast.“

„Ziemlich viele sogar.“, entgegnete ich, war jedoch gleichermaßen erleichtert. „Miranda macht sich auch ziemlich große Sorgen.“

Sie verzog das Gesicht. „Tut mir leid. Montag bin ich bestimmt wieder fit.“ Sie horchte einen Moment. Kurz darauf hörte ich den Grund. Ihr Vater tauchte in der Tür auf.

„Ich fahre jetzt. Meine Handynummer liegt auf dem Küchentisch. Ruf an, wenn etwas ist.“

„Mach ich.“, antwortete sie.

Er sah mich noch mit einem finsteren warnenden Blick an, der mir einen Schauder über den Rücken jagte, bevor er sich schließlich abwand und wieder hinunter ging.

„Warum sieht er mich so an?“, fragte ich Alisson verwirrt.

Sie hob die Schultern, griff nach einem Taschentuch und nieste heftig. Dann nochmal und noch ein drittes Mal. Dann putzte sie sich erneut die Nase.

„Tut mir leid.“, meinte sie dann, „Es ist schon besser geworden.“

Ich winkte ab. „Ich bin froh, dass es nur eine Erkältung ist.“

Sie zögerte, warf einen kurzen Blick zur Tür. „Ja.“, antwortete sie dann zaghaft. „Ich glaube, er sieht dich so an, weil du ein Junge bist.“

Ich sah sie verwirrt an. „Ein Junge?“

„Ja.“ Die Tür fiel unten zu, sie ließ erleichtert die Schultern sinken. „Er ist nüchtern.“, erklärte sie dann, „Seit Mittwoch. Mittlerweile hat er sich so weit eingekriegt, dass er beinahe ein richtiger Vater ist. Nur ohne Liebe und Zuneigung.“ Sie hustete erneut. „Kannst du mir die Flasche da rüber geben?“

Sie deutete auf eine Flasche Wasser, die auf ihrem Nachttisch stand. Ich reichte sie ihr sofort.

„Dankeschön.“

Sie nahm einige große Schlucke davon und schraubte den Deckel dann wieder rauf. „Ich muss zugeben, dass ich Dienstag noch nicht krank war.“, offenbarte sie schließlich.

Ich wurde starr. „Nicht krank?“, hakte ich dann nach, „Was ist passiert?“

„Er hat Montag mehr getrunken als sonst. Ich weiß nicht warum. Er hat mich grün und blau geschlagen und-“ Sie unterbrach sich selbst. „Ich habe mir meinen Knöchel verstaucht, also konnte ich nicht rennen. Dienstagmorgen habe ich wieder versucht schneller zu sein als er. Das gelingt mir jedoch nur sehr selten. Er hat wieder auf mich gewartet. Weil mein Knöchel verstaut war, hatte ich deshalb keine Chance. Und weil er noch betrunken war, setzte es sofort eine Tracht Prügel.“

„Und wie bist du krank geworden?“

„Ich habe Montagnacht auf dem Dach geschlafen.“ Ich merkte, dass sie mir irgendwas verheimlichte, sprach sie jedoch nicht darauf an. Sie sollte es mir sagen, wenn sie soweit war. „Ich trug nicht viel.“, fügte sie noch hinzu, „Deshalb hat mich die Erkältung ziemlich gut getroffen.“ Sie nieste erneut, griff sofort nach einem frischen Taschentuch und nieste noch einige Male. „Meine Nase fühlt sich schon ganz wund an.“, bemerkte sie, nachdem sie sich erneut die Nase geputzt hatte. „Mein Hals fühlt sich an, als hätte ich Stacheldraht geschluckt.“

„Habt ihr Hustensaft?“

„Ja, den habe ich schon genommen. Gestern war es noch viel schlimmer.“

„Gut.“

„Jedenfalls... Als ich Dienstag angefangen habe zu husten und zu niesen, hat mein Vater sofort die Flasche weggestellt und ist weggefahren. Hat aber die Tür abgeschlossen. Als er zurückkam, hatte er Medikamente dabei.“

Noch verwirrter zog ich die Brauen zusammen. „Warte. Ich komm irgendwie nicht mehr mit. Montag schlägt er dich grün und blau... du wirst krank und er fährt sofort los um Medikamente zu holen?“

„Ich sagte doch, er ist nicht schlecht. Er verliert nur... schnell die Kontrolle über sich selbst, wenn er betrunken ist.“ Als ein kalter Wind herein kam, zog sie die Decke etwas höher. „Wie geht es dir?“

„Abgesehen davon, dass meine Nerven blank liegen geht es mir ziemlich gut.“, entgegnete ich und fuhr mir mit der Hand durchs Haar. „Ich habe gedacht, dir sei irgendwas Schreckliches passiert.“

„Tut mir leid. Im ersten Moment wollte ich dich anrufen und dir Bescheid sagen, aber ich habe deine Nummer nicht.“

Ich hätte mir in den Arsch beißen können. Mit einem Seufzen holte ich mein Handy aus der Tasche, woraufhin sie sich zu ihrem Nachttisch beugte und ihr eigenes aus der Schublade kramte.

„Ich benutze es nicht oft.“, gestand sie, „Deshalb lasse ich es einfach da drinnen.“

„Ehrlich gesagt wundere ich mich sogar, dass du eins hast.“

„Dad hat es mir gekauft, als ich vierzehn wurde. Genau genommen, als ich langsam Brüste bekommen habe.“

Ich verschluckte mich an meiner eigenen Spucke. „Was?“

Sie wurde ein wenig rot. „Äh... Er möchte nicht, dass mich jemand belästigt. Seine Nummer war schon gespeichert, als er es mir gab.“ Sie machte etwas an dem Handy und reichte es mir dann, damit ich meine Nummer einspeichern konnte.

„Ich blicke bei deinem Vater irgendwie nicht richtig durch.“, bemerkte ich darauf und gab meine Nummer ein.

„Es ist, als wären es zwei verschiedene Menschen. Ist er betrunken, ist er mein Vater, aggressiv und ohne Kontrolle. Aber wenn er nüchtern ist, ist er mein Dad. Zwar immer noch ohne Zuneigung und Liebe, aber ich spüre etwas Fürsorge. Er kümmert sich um mich.“ Sie hustete erneut, diesmal besonders lange, bis sie sogar ganz rot in ihrem blassen Gesicht war. Als sie sich erholt hatte, lehnte sie sich erschöpft zurück. „Husten ist anstrengend.“, bemerkte sie.

„Ja.“, antwortete ich nur, „Habt ihr Tee? Und Honig?“

„Ich weiß nicht. Ich kann nachsehen.“

„Mir wäre es lieber, wenn du im Bett bleibst.“, entgegnete ich, während ich hilflos zusah, wie sie aufstand.

„Ist schon in Ordnung.“, entgegnete sie und hielt inne, als die Decke drohte sie zu entblößen. „Das wird ein unschöner Anblick.“, bemerkte sie, „Ich hab nur ein kurzes Shirt und eine kurze dünne Hose an.“

Ich schluckte kurz. „Ich werde es schon verkraften.“

Sie zögerte noch eine Weile, sah mich prüfend an und schob dann vorsichtig die Decke beiseite, bevor sie das Bein ausstreckte, um den Fuß auf den Boden zu stellen. Ihr Fuß war kein Problem. Elegant und blass, wie der Rest ihrer Haut. Aber ab der Hälfte ihres Unterschenkels wurde es schlimm. Ein riesiger Bluterguss war gerade noch dabei zu verheilen. Ihr Knie sah aufgescheuert aus, war immer noch gerötet. Auf dem Oberschenkel leuchtete ein großer Bluterguss blau. Doch ich riss mich zusammen, zwang mich dazu sie nicht sofort in meine Arme zu reißen.

Erneut warf sie mir einen kurzen Blick zu. Dann kam das andere Bein. Ihr Knöchel war etwas geschwollen und leicht blau gefärbt. Die Verstauchung. Das Schienbein sah ähnlich aus wie das andere, mit dem Unterschied, dass der Bluterguss hier etwas weiter verheilt war. Das Knie sah so aus wie das andere und er Oberschenkel war zum Glück unversehrt, doch ich sah, wie ein Bluterguss unter dem kurzen Hosenbein hervorlugte. Nun war nur noch ihr Bauch bedeckt.

„Und du bist dir sicher, dass du es erträgst?“, fragte sie vorsichtig, „Das sieht wirklich schlimm aus.“

„Ich schaff das.“, entgegnete ich etwas gepresst, „Ich schaff das wirklich.“

Zaghaft biss sie sich auf die Unterlippe. Dann zog sie die Decke beiseite. Sie war ziemlich dünn, beinahe mager. Ich wunderte mich einen Augenblick, dass man das weder an ihren Armen, noch an ihren Beinen sehen konnte, doch im nächsten Moment wurde meine Aufmerksamkeit von dem Blutergüssen auf ihrem Bauch und ihren Seiten angezogen. Blaue, rote, gelbe, grüne, violette... so viele Blutergüsse in den unterschiedlichsten Farben.

„Es sind nur Blutergüsse, die du siehst.“, erklärte sie, „Und den verstauchten Knöchel. Die wirklich schlimmen Dinge siehst du gar nicht.“

Ich schluckte hart. „Was für schlimme Dinge Alisson?“

Sie zögerte, versuchte vorsichtig aufzustehen und hielt sich am Nachttisch fest. Ich stand sofort auf, um sie zu stützen, woraufhin sie als erstes zu ihrem Kleiderschrank ging.

„Es wäre mir lieber, wenn ich dir nicht davon erzähle.“, gab sie leise zu und zog einen Pullover heraus, deren Ärmel bis zu ihren Fingern reichte. Dann zog sie eine Hose heraus, kämpfte sich hinein und griff dann nach zwei Socken.

„Mir wäre es lieber.“, entgegnete ich leise und sah überrascht auf ihre Socken. „Verschiedene?“

Eine leichte Röte schlich sich in ihr Gesicht. „Ich hab das Gefühl, die Waschmaschine frisst eine Socke von einem Paar. Also mache ich mir nicht die Mühe zwei Gleiche zu finden.“

Sie sah irgendwie niedlich aus, wie sie da auf dem Boden saß und sich die Socken anzog. Als ihre Füße von dem Stoff bedeckt waren, wackelte sie kurz mit den Zehen und griff dann nach meinem Arm, damit ich ihr aufhelfen konnte. Die verschiedenen Socken, violett und grün, machten sie sogar irgendwie sympathisch.

„Okay, jetzt können wir runter.“, meinte sie mit einem Nicken.

Ich stützte sie, als wir uns auf den Weg machten. „Hast du mal ein Bad genommen?“

„Jeden Abend. Und ich dusche jeden Morgen. Dad sagt, das tut gut.“

„Ja. Wenn du badest, kannst du auch bestimmte Öle ins Wasser tun. Einige helfen gut bei Erkältung.“

„Oh. So etwas haben wir nicht.“

Ich lächelte leicht. „Wir haben einige. Ich kann dir welche vorbei bringen.“

„Das wäre lieb von dir.“

„Gut. Wie wäre es, wenn ich sie gleich hole, während wir warten, dass das Wasser kocht? Ich brauche nicht lange nach Hause.“

„Klingt gut. Ich pass dann auf das Wasser auf.“

Mit einem Nicken half ich ihr die Treppe hinunter. „Früher hat es hier mal anders ausgesehen, oder?“

Sie sah an die kahlen Wände des Flures. „Ja. Da hingen Bilder. Von jedem von uns eins und eins von uns allen. Und dort auf dem Tisch stand eine Vase mit Blumen. Mein Vater hat die Bilder abgenommen. Das von mir steht auf seinem Nachttisch. Das von ihm hab ich. Das Bild von meiner Mutter hat er verbrannt. Genauso wie das letzte.“

„Und die Blumen?“

„Die sind eingegangen. Die Vase hat meine Mutter mitgenommen.“ Wir betraten die Küche. „Dann sehen wir mal nach.“

Ich hielt sie an der Taille fest, als sie sich streckte, um in einen Oberschrank zu sehen. Sie förderte Honig zu Tage und in einem anderen Schrank fand sie einige Sorten Tee.

„Ich weiß nicht, ob man die noch benutzen kann. Wir trinken keinen Tee.“

Ich setzte sie auf einen der Stühle und sah mir die Verpackungen an. „Sieht nicht gut aus. Ich bringe einen von zuhause mit.“

„Und der Honig?“

„Der ist frisch.“

„Gut. Ah, stimmt. Ich habe ihn vorletztes Wochenende gekauft. Dad ist ihn ab und zu. Und dann ziemlich gern.“

Ich nickte kurz, ließ mir von ihr sagen wo die Töpfe waren und setzte Wasser auf, bevor ich mich an sie wendete. „Okay. Ich gehe jetzt schnell nach Hause. Ich beeile mich, versprochen. Es dauert vielleicht fünf Minuten. Ich lasse die Tür angelehnt, dann musst du nicht aufstehen, um zu öffnen.“

„Ist gut.“

„Bis gleich.“ Ich drückte ihr einen sanften Kuss auf die Stirn und ging dann hinaus.

 

Alisson

Ich hielt den Topf mit dem Wasser aufmerksam im Blick, während ich darauf wartete, dass Darren zurückkam. Eigentlich hatte ich nie gewollt, dass er zu mir kam. Nebenbei blickte ich oft auf die Uhr, die mir zeigte, wie langsam die Zeit doch verging.

Keine Sorgen, Alisson. Er kommt schon. Gleich ist er wieder da. Sei es nur, um seine Tasche zu holen.

Dennoch hob ich unbewusst meine Hand an und begann an meinen Nägeln herum zu knabbern. Als das Wasser begann zu kochen, wollte ich gerade aufstehen, als ich Schritte auf der Veranda hörte. Die Tür wurde geöffnet, ich ließ mich wieder auf den Stuhl sinken.

„Da bin ich.“, meinte Darren etwas atemlos und kam in die Küche, wo er den Topf vom Herd nahm und eine Tasse suchte.

„Oben links im Schrank.“, informierte ich ihn und sah ihm gebannt dabei zu, wie er die Tasse heraus holte, etwas Wasser hinein tat und dann einen Beutel des Tees, den er mitgebracht hatte, ins das Wasser tat.

Nebenbei stellte er ein kleines Fläschchen auf dem Tresen ab und drehte sich dann zu mir um. „Der muss jetzt ein wenig ziehen. Möchtest du ihm im Wohnzimmer trinken? Da ist doch bestimmt eine Decke. Ich dachte mir, wir sehen uns einen Film an.“

Ich wollte bereits sagen, dass wir keine Filme hatten, als er bereits einen in die Höhe hielt und leicht damit winkte. Erst jetzt bemerkte ich die kleine Stofftasche, die an seinem Handgelenk baumelte. Mein Blick fiel wieder auf den Film.

„Was ist das für einer?“, fragte ich neugierig.

Er sah auf das Cover. „Hast du mal einen Film gesehen?“

„Früher als ich klein war. Von Disney. Die Filme mochte ich ziemlich gern.“

Er lächelte schräg. „Ich wusste nicht, was du magst, also hab ich fünf verschiedene mitgebracht. Wenn nicht sogar mehr. Meine Mom hat noch welche dazu gelegt, als ich nicht hingesehen habe.“ Er seufzte leise und sah in die Tasche. „Und Kuchen hat sie mir natürlich auch gegeben.“

„Kuchen?“ Unwillkürlich versuchte ich in die Tasche zu sehen, was mir natürlich nicht gelang.

Er lachte leise und kam zu mir. „Ich bringe dich jetzt erst einmal ins Wohnzimmer. Komm. Ich trage dich auch.“

Ich schrie überrascht auf, als er mich einfach hoch hob und klammerte mich an ihn, aus Angst hinunter zu fallen. „Darren, lass mich runter, ich bin viel zu schwer.“

„Zu schwer? Du bist viel zu leicht für dein Alter und deine Größe. Auch wenn du nicht sehr groß bist.“

Ich spürte die leichte Röte in meinem Gesicht. „Das hab ich von meiner Mutter. Sie war auch klein. Trotzdem bin ich zu schwer.“

„Nie und Nimmer. Wie viel wiegst du? Zehn Kilo? Zwanzig?“

„Fünfundvierzig.“

Er schnaubte leise. „Und wie groß bist du? Ein Meter sechzig?“

„Eins fünfundsechzig.“, murmelte ich leise.

„Du bist viel zu leicht. Gut, dass ich Kuchen dabei habe, der hilft dir dabei zuzunehmen.“

Unwillkürlich begann ich an meiner Unterlippe herum zu knabbern. Er setzte mich unterdessen auf der Couch ab und sah sich kurz nach einer Decke um, die er dann um mich legte.

„So. Jetzt hole ich den Tee. Finger weg von der Tasche.“

Diese legte er auf dem Tisch ab, bevor er wieder hinausging. Neugierig sah ich auf die besagte Tasche und fragte mich, was es wohl für ein Kuchen war, den er dabei hatte. Ich wollte gerade die Hand danach ausstrecken, als ich hörte, wie Darren zurückkam. Sofort zog ich die Hand zurück und drehte mich zu ihm um. Er hatte eine Untertasse dabei, den Honig, den Tee und zwei Löffel. Alles stellte er sorgfältig vor mir auf dem Tisch ab und rührte kurz den Tee um, bevor er den Beutel heraus nahm und auf die Untertasse stellte. Dann öffnete er den Honig und löffelte ihn großzügig in den Tee, bevor er nochmal umrührte. Er probierte vorsichtig. Dann lächelte er leicht und hielt mir die Tasse hin.

„Hier. Ist der gut so? Oder zu heiß?“

Vorsichtig streckte ich die Hände aus und nippte vorsichtig. Dann verzog ich das Gesicht, hielt ihm die Tasse hin und betastete meine Zungenspitze.

„Zu heiß.“, nuschelte ich mit verbrannter Zunge.

„In Ordnung. Lassen wir ihn einfach ein wenig stehen. Dann wollen wir mal hier rein sehen.“ Er sah in die Tasche und holte einige Filme heraus. Offenbar um mich zu ärgern ließ er den Kuchen in der Tasche. „Hier haben wir Die Chroniken von Narnia. Ein sehr schöner Film. Alice im Wunderland. Das ist die Neuverfilmung mit Jonny Depp. Fluch der Karibik. Oh, die ganze Reihe. Was haben wir noch? Zwei Horrorfilme, Animes, Liebesfilme... Okay, den hat meine Mutter rein gelegt.“ Ich blinzelte überrascht, als er einen Film mit schillernden Farben auf dem Cover in der Hand hielt. „Barbie. Ist was für kleine Mädchen. Also... für ganz kleine.“ Er legte den Film zurück in die Tasche. „Also? Ich glaube, Horrorfilme würdest du nicht so toll finden.“

Ich sah ihn fragend an.

„Das eine ist 28 days later. Da ist auch der zweite Teil drauf. Der andere ist Cube Zero. War wohl auch meine Mom.“

„Was passiert in den Filmen?“, fragte ich neugierig.

„In 28 days later bricht ein Virus aus, der Wut genannt wird. Die Menschen werden unglaublich aggressiv und greifen andere an. Viel mit Tot, Gewalt und Blut. So was halt. Nicht ganz so schön. Cube Zero handelt davon, dass einige Mensch in einem großen Würfel gefangen sind und hinaus kommen müssen.“

„Und was ist so schlimm daran?“

„Also... der Cube ist ziemlich groß. Ich glaube... 28 Räume hoch, 28 Räume breit und 28 Räume in die Tiefe. Und in fast jedem Raum gibt es eine Falle. Ab und zu verschieben sie sich und nur ein einziger Raum führt hinaus. Auch viel Blut und Gewalt.“

„Lieber nicht.“

Er nickte und legte die Filme beiseite. „In Ordnung. Wie wäre es mit Die Chroniken von Narnia? Da gibt es ein bisschen Krieg, eigentlich ziemlich wenig Blut und mehr Fantasie als Gewalt.“

Ich biss mir zaghaft auf die Unterlippe. „Krieg?“

„Nur ein wenig. Mit Schwertern, wie im Mittelalter. Aber es gibt ein schönes Happy End. Der ist nicht schlimm, wirklich.“

Ich nickte langsam. „Okay. Dann gucken wir den.“

Er lächelte leicht, legte alle anderen DVDs zusammen und schaltete den Fernseher ein. „Na dann wollen wir mal sehen.“

Ungeduldig sah ich vom Fernseher, über Darren zur Tasche und zurück. Schließlich konnte ich einer der Gründe nicht mehr widerstehen und warf Darren einen kurzen Blick zu, bevor ich die Tasche vorsichtig mit der Öffnung zu mir drehte. Dann sah ich nochmal vorsichtig zu ihm und sah hinein, nur um dann einen Schmollmund zu ziehen, da die Verpackung des Kuchens nicht durchsichtig war.

„Hey, ich hab gesagt, du darfst nicht gucken.“, tadelte Darren mich amüsiert und zog die Tasche von mir weg.

„Was ist es denn für ein Kuchen?“, fragte ich darauf.

„Das ist eine Überraschung. Bist du gegen etwas allergisch?“

„Nein.“

„Gut.“

Damit verschwand er wieder in der Küche, während die Werbung gezeigt wurde. Von der anderen Neugier gepackt sah ich aufmerksam zum Fernseher. Kurz darauf kam er mit Kuchentellern und Gabeln zurück. Er lächelte mich warm an, als er sich neben mich setzte, so völlig in die Decke gemurmelt, nur die Hände, Unterarme und der Kopf sahen heraus.

„Du bist süß.“, meinte er und drückte mir einen Kuss auf die Stirn.

„Ist das denn gut?“

„Das ist verschieden. Ich finde es gut.“ Während er das sagte legte er die Arme um mich und zog mich zu sich herüber. Als das Menü zu sehen war, nahm er die Fernbedienung und ließ den Film starten. Dann holte er noch den Kuchen heraus und legte je ein Stück auf einen Teller, bevor er mir einen gab und mir eine Gabel in die Hand drückte. Dann setzte er sich so hin, dass ich vor ihm zwischen seinen Beinen saß und sein Kopf auf meiner Schulter lag. Gebannt sah ich mir den Film an und aß genüsslich den Kuchen.

 

Als der Film vorbei war, hatten wir je drei Stücke Kuchen gegessen. Da ich danach satt war, hatte ich mich mit dem Kopf auf seinen Schoß gelegt, woraufhin er mir über den Schopf streichelte.

„Hat dir der Film gefallen?“, fragte Darren neugierig.

„Ja. Er war wirklich sehr schön.“, antwortete ich halblaut und streckte mich gähnend. „Und der Tee war auch sehr lecker. Meinem Hals geht es schon viel besser.“

„Gut. Dann werde ich dir jetzt ein Bad einlaufen lassen.“

„Dankeschön. Warte, ich komme mit. Du weißt nicht, wo das Bad ist.“

„Ich packe nur schnell die Sachen wieder ein.“

Er tat was er sagte und ging dann hinaus. Kurz darauf kam er mit dem kleinen Fläschchen zurück und half mir auf.

„Das ist mit Minze und Menthol. Befreit die Atemwege.“, erklärte er mir, während er mit mir hinauf ging.

Im Bad angekommen setzte er mich auf die Badezimmertheke und ließ Wasser in die Badewanne einlaufen. Neugierig sah ich ihm dabei zu, wie er erst die Temperatur prüfte, den Stöpsel hinein tat und dann vorsichtig einige Tropfen aus dem Fläschchen hinein tat, bevor er sich zu mir drehte.

„Schaffst du den Rest allein?“

„Ja. Gehst du schon?“

„Naja... ich denke, ich werde die Sachen zurück bringen und zuhause schnell etwas machen, damit du in Ruhe das Bad nehmen kannst. In etwa einer Dreiviertelstunde wäre ich dann wieder da.“

„Warum bleibst du nicht?“

Er wurde etwas rot. „Weil... naja... ich glaube nicht, dass du möchtest, dass ich dich nackt sehe, also werde ich dich allein lassen, sobald genug Wasser eingelaufen ist.“

„Oh, ja. Du hast Recht.“

„Ist das in Ordnung? Dass ich so lange weg bin, meine ich.“

Ich nickte und holte mein Handy aus der Tasche. „Ich lass es einfach hier liegen. Und wenn etwas passiert, dann rufe ich dich an.“

„Gut.“

Nervös rieb er seine Hände an seinen Oberschenkeln und drehte das Wasser ab, als genug in der Wanne war. Dann drückte er mir noch einen Kuss auf die Stirn, bevor er das Bad verließ. Mit einem tiefen Seufzen begann ich daraufhin mich auszuziehen, kämpfte mich dabei mit Schmerzen auf die Beine und ging kurz darauf zur Wanne. Das Wasser war wirklich heiß, aber nicht so heiß, dass ich es nicht hätte ertragen können.

Erleichtert ließ ich mich ins Wasser sinken und schloss die Augen. Die Düfte, die in der Luft hingen, machten es mir leichter durchzuatmen, sodass ich wenig später weg döste.

 

Irgendwann wurde ich von einem lauten Klopfen an der Tür wach. Ich schreckte hoch, blinzelte einige Male und sah zur Tür.

„Alisson!“, rief Darren panisch, „Sag doch was!“

„Ich bin hier!“, rief ich zurück, „Alles in Ordnung.“

Er atmete erleichtert durch. „Gott sei Dank. Du hast nicht reagiert, da dachte ich schon...“

„Tut mir leid. Ich bin eingeschlafen.“

„Eingeschlafen! In der Badewanne! Du hättest ertrinken können!“

Ich zuckte zusammen. „Tut mir leid. Es ist ja alles gut.“ Schnell stand ich auf und stieg aus der Wanne, griff nach einem Handtuch und wickelte mich darin ein, bevor ich die Tür öffnete. „Siehst du? Mir geht’s gut.“

Er legte mir sanft eine Hand an die Wange und seufzte tief. „Ja, ich sehe es. Ich mache mir nur selbst Vorwürfe. Ich war anderthalb Stunden weg, weil ich dachte, dir täte es gut ein schön langes, heißes Bad zu nehmen. Jetzt wünsche ich mir, ich wäre früher wieder da gewesen, wie ich es gesagt hatte.“

„Mir geht es ja gut.“

„Ja, aber du hättest trotzdem ertrinken können.“

„Es tut mir leid.“, murmelte ich kleinlaut, „Das nächste Mal passe ich auf. Versprochen.“

Ein Gesicht wurde weicher, er zog mich sanft an sich und drückte mir einen Kuss auf den Schopf. „Ist schon gut. Es ist ja alles in Ordnung. Komm, trockne dich ab und zieh dich an. Danach solltest du dich wieder ins Bett legen und dann zeige ich dir, was wir im Unterricht gemacht haben. Einverstanden?“

Ich nickte zögernd. „Ja. Das klingt super.“

„Alles in Ordnung?“

Unsicher biss ich mir leicht auf die Unterlippe. „Du hast mich heute noch gar nicht geküsst. Ich meine- du musst nicht, wenn du nicht willst, ich- … also...“

Seine Mundwinkel hoben sich. „Alisson, ich würde dich unglaublich gern küssen, aber... du bist erkältet. Und ich glaube kaum, dass du möchtest, dass ich mich bei dir anstecke und dann an deiner Stelle zuhause bleiben muss.“

Wieder wurde ich rot. „Daran hatte ich nicht gedacht.“

Nun lachte er sogar leise. „Glaub mir, wenn es dir Montag wieder gut geht, bekommst du einen so schönen Kuss, dass du die anderen vergessen wirst.“

„Ich möchte die anderen aber nicht vergessen.“

„Das war im übertragenen Sinn gemeint. Natürlich vergisst du sie nicht. Aber es wird der schönste Kuss sein, den du je gehabt hast. Wie hört sich das an?“

„Schön.“

Erneut küsste er mich auf die Stirn. „Gut. Das soll es auch. Jetzt trockne dich ab und zieh dich an. Du hast viel verpasst.“

Mit einem hektischen Nicken trat ich vorsichtig an ihm vorbei und ging zu meinem Zimmer.

Den Rest des Tages verbrachten wir mit lernen in meinem Zimmer. Ab und zu kochte er mir einen Tee oder sogar heiße Milch. Er hatte ziemlich überrascht ausgesehen, als ich ihm sagte, ich hätte noch nie heiße Milch getrunken. Dann hatte er wieder gelacht, mir einen Kuss auf die Stirn gegeben und mir Mathematik erklärt. Ich wusste nicht wie wir es schafften, doch irgendwann schliefen wir beide nebeneinander in meinem Bett ein.

 

Wärme umgab mich. Wunderbare Wärme und dieser himmlische Geruch. Irgendwas lag auf meinem Oberarm und an meiner Wange bewegte sich etwas. Langsam, rhythmisch. Außerdem hörte ich ein Pochen, wie das Klopfen eines Herzens. Über meinem Kopf hörte ich leise Atemzüge und spürte die Wärme des Atems.

Müde blinzelte ich einige Male und blickte dann auf einen Arm, der über meinem Oberarm lag. Jemand hielt mich fest in seinen Armen. Verwundert darüber rieb ich mir kurz ein Auge und sah dann vor mich. Einen Brust, die sich bei jedem Atemzug hob und senkte. Der Pullover kam mir bekannt vor. Ich sah auf und erkannte Darren, der friedlich neben mir schlief.

Unwillkürlich gähnte ich tief und bemerkte, dass es ziemlich dunkel war. Als ich mich vorsichtig abstützte, um zum Fenster zu sehen, sah ich den Mond am Himmel stehen. Verwirrt sah ich mich um. Irgendwas hatte mich geweckt. Aber was?

Ein Geräusch neben meinem Bett ließ mich zusammen zucken. Mit einem aufmerksamen Blick auf Darren rückte ich vorsichtig von ihm weg und sah auf den Boden. Da lagen zwei Bücher, ein Heft und ein aufgeschlagener Hefter. Die Art und Weise wie sie da lagen sagte mir, dass sie vom Bett gefallen waren.

So leise ich konnte beugte ich mich herunter und hob sie auf, nahm dann das Heft und den Hefter die noch auf dem Bett waren und legte sie dann sorgfältig auf meinem Nachttisch ab. Erst als ich mir sicher war, dass alles sicher dort lag, trank ich ein paar Schlucke von meinem Wasser und sah, müder als zuvor, zu dem schlafenden Darren. Dieser begann sich im Schlaf zu bewegen, glitt mit der Hand suchend übers Bett.

„Alley.“, murmelte er verschlafen und öffnete im Halbschlaf die Augen.

„Hier.“, entgegnete ich leise und rückte enger an ihn.

Mit einem verschlafen, wohligen Seufzen legte er die Arme wieder um mich, bettete seinen Kopf an meinem Schopf und glitt wieder in den Tiefschlaf. Geborgen von dieser Umarmung kuschelte ich mich ein wenig an ihn und glitt ebenfalls wieder in den Schlaf.

Kapitel 5

 

Am nächsten Morgen wachte ich nur langsam auf, riss dann aber sofort die Augen auf, als ich meinen Vater von unten meinen Namen rufen hörte.

„Alisson!“

Als ich hörte, wie Darren hinter mir müde murrte, setzte mein Herz einen Schlag aus. Ich setzte mich sofort auf und begann ihn zu rütteln.

„Darren. Darren, wach auf!“, redete ich auf ihn ein.

Mein Vater, der ganz offensichtlich wieder betrunken war, machte sich gerade langsam auf den Weg hinauf.

„Alisson, steh auf, verfluchtes Weibsstück!“

Blinzelnd öffnete Darren die Augen und fasste sich an den Kopf, während er realisierte, wo er war.

„Was-“

„Schnell, du musst dich verstecken.“

„Verstecken?“ Verwirrt sah er zu mir auf. „Warum?“

„Schnell.“ Ich schob ihn aus dem Bett, woraufhin er aufstand und sich von mir perplex zu meinem Schrank schieben ließ. „Du musst da rein, bevor er dich sieht.“

„Aber warum-“

„Frag nicht. Sei still und gib keinen Mucks von dir. Egal was passiert, egal was du siehst, bleib da und gib kein Laut von dir.“

Mit schmerzendem Köchel eilte ich zu seiner Tasche und schob sie unters Bett, bevor ich sicher ging, dass die Schranktür zu und Darren nicht zu sehen war. Dann hinkte ich bereits ängstlich an die andere Seite des Zimmers. Die Tür wurde aufgerissen.

„Hast du schon wieder den halben Tag geschlafen?!“, brüllte er und kam auf mich zu.

„Ich-ich bin immer noch krank. D-du sagtest gestern viel Schlaf würde mir gut tun.“

„Hör auf zu stottern, verdammt nochmal. Wir haben Samstag und du weißt, dass wir samstags Einkaufen fahren.“ Er schlug mich so fest, dass ich auf dem Boden landete. „Und du hast mal wieder nichts Besseres zu tun, als den ganzen Tag im Bett zu liegen.“ Er trat zu. Wieder und wieder. „Warum bist du so ein verdammter Nichtsnutz?!“

Ich schrie auf, als er mich an den Haaren hochzog. Meine Wangen waren von Tränen bedeckt.

„Beantworte meine Frage!“

„Ich weiß es nicht.“, weinte ich, „Ich weiß es nicht.“

Er schlug mich erneut, diesmal mit der Faust in den Bauch. „Falsche Antwort!“

So grob wie immer stieß er mich aufs Bett, riss mir die Hose und die Unterhose hinunter.

„Nein! Bitte nicht!“, schrie ich.

„Halt dein Mund, kleines Miststück!“

Ich versuchte verzweifelt mich übers Bett zu ziehen, doch er zog mich sofort zurück. Ich hörte, wie er seine Hose öffnete... und gab auf.

 

Als er mein Zimmer verließ, lag ich reglos auf meinem Bett, hatte Angst mich zu bewegen. Drei Mal hatte er es getan. Drei Mal und mir dabei alles ausgezogen, mich geschlagen und zu Dingen gezwungen, die ich nicht tun wollte.

Unten fiel die Haustür laut zu, ich zuckte zusammen, regte mich aber nicht weiter. Als ich plötzlich ein Geräusch von meinem Schrank hörte, zog ich sofort die Decke über mich und kroch davon weg.

„Alisson?“

Ich kannte diese Stimme. Ich kannte sie, das war...

Darren. Oh nein, er hat alles gesehen! Alles!

„Geh weg!“, rief ich und zog die Decke enger an mich. „Sieh mich nicht an!“

„Alisson, es ist alles in Ordnung, er ist weg.“

„Geh weg.“, bat ich erneut, „Ich möchte nicht, dass du das siehst.“

Die Matratze senkte sich neben mir, ich begann zu hyperventilieren.

„Bitte Darren, lass mich allein.“

„Alisson, ich habe gerade gesehen, wie dein eigener Vater dich misshandelt und vergewaltigt hat. Ich lasse dich jetzt nicht allein.“

Ich spürte eine zaghafte Berührung an meinem Arm und zog mich sofort zurück. „Nicht anfassen! N-n-nicht anfassen! Ich-ich muss duschen. Ich bin schmutzig. Nicht anfassen, bitte.“

„Okay. Das verstehe ich. Ich... werde dich in die Decke wickeln und ins Bad tragen, okay? Dann gehe ich mit dir unter die Dusche.“

„Ich möchte nicht, dass du mich so siehst. Ich bin so... beschmutzt. Zerschunden.“

„Alisson, sieh mich an.“

Ich regte mich nicht.

„Sieh mich an, Alley.“

Ganz langsam hob ich den Blick zu ihm. Sein Blick war freundlich, beruhigend, tröstend... gab mir das Gefühl von Geborgenheit, von Schutz.

„Ich werde nicht hinsehen. Ich werde dich auch nur mit einem Schwamm oder einem Tuch berühren, okay? Ist das in Ordnung?“

Ganz langsam nickte ich. Daraufhin hob er langsam die Arme und wickelte mich in der Decke ein, bevor er mich hoch hob und ins Badezimmer trug. Dort setzte er mich sanft auf der Badezimmertheke ab und ging zur Dusche, um die Temperatur einzustellen. Als das Wasser die richtige Temperatur hatte, begann er sich auszuziehen. Ich richtete sofort den Blick auf die Wand neben mir und schluckte einige Male. Plötzlich stand Darren wieder vor mir und hob mich sanft auf die Beine, ohne die Decke zu entfernen.

„Okay, ich... ich gehe zuerst rein, ja? Dann legst du die Decke weg und kommst auch rein. In Ordnung?“

Mit dem Rücken zur Dusche sah er zu mir herab. Als ich nur schweigend nickte, ließ er mich vorsichtig los und trat unter das Wasser, ohne mich aus den Augen zu lassen. Ich wich seinem Blick aus, zwang mich, ihn nicht anzusehen und ließ zitternd die Decke los. Ich hörte, wie er keuchte.

„Tut mir leid. Ich werde dir nur ins Gesicht sehen. Versprochen.“, kam es sofort von ihm.

Ich warf ihm einen kurzen Blick zu. Seine Augen waren starr auf mein Gesicht gerichtet. Dennoch legte ich die Arme um meine Brüste und stieg vorsichtig mit in die Dusche. Ich hörte, wie sich ein Atem beschleunigte, merkte, wie er sich einen Moment versteifte, doch im nächsten Moment griff er bereits nach einem Schwamm, nahm Seife, während er mit dem Ellenbogen die Tür der Kabine zuschob. Wenig später berührte der Schwamm meinen linkten Oberarm. Er schob mich sanft unters Wasser und begann mich einzuseifen. Die Arme, den Rücken, den Bauch und vorsichtig die Beine. Er wagte es sich nicht in intime Bereiche zu kommen. Stattdessen wusch er mich noch den Hals und den Nacken, bevor er mir den Schwamm reichte. Ich sah mit großen Augen zu ihm auf.

Soll ich ihn etwa...

„Da gibt es einige Partien, die du sicher selbst waschen möchtest.“, erklärte er, als hätte er meine Gedanken gelesen und griff erneut nach der Seife.

Wie hypnotisiert beobachtete ich, wie er die Seife auf seinen Händen verteilte und sich dann ohne Schwamm einseifte. Seine Hände glitten über seine Arme, dann über die Brust, über den Bauch- Ich hatte vor den Blick sofort abzuwenden, aber dann fiel mir auf, dass er seine Shorts angelassen hatte.

„Oh.“ Das kleine Wörtchen ließ mich wieder aufsehen. Er hat meine Blicke bemerkt. „Ich... wollte dir nicht zu nahe kommen, deshalb... ich dachte- also... ich hab sie einfach angelassen. Wegen dir, weil...“

„Danke.“, murmelte ich und drehte mich ein wenig weg, um mich dort zu waschen, wo er es nicht getan hatte, damit er mir nicht zu nahe kam.

Als ich fertig war, verrenkte er sich gerade die Arme, um sich den Rücken zu waschen. Zaghaft hob ich den Schwamm und seifte ihn ein. Er hielt sofort inne, nahm die Arme runter, wartete bis ich fertig war und drehte sich um.

„Danke. Komm, ich wasche dir die Haare.“

Ohne einen Widerspruch zuzulassen drehte er mich um und sorgte dafür, dass meine Haare vollständig durchnässt waren, bevor er nach meinem Shampoo griff und etwas auf seine Hand gab und es in meinem Haar ein massierte. Ich schloss entspannend die Augen und wartete noch, bis er mir den Schaum ausgewaschen hatte. Dann stand ich einfach nur unter dem heißen Wasser, bis er fertig war.

Wortlos stieg er aus der Dusche und suchte die Handtücher. Das Wasser lief noch, also hatte ich es nicht eilig aus der Dusche zu kommen. Als er es ausstellte, hatte er sich ein Handtuch um die Hüfte geschlungen und breitete ein großes Handtuch so aus, dass er mich problemlos darin einwickeln konnte. Und das tat er auch, als ich heraus kam. Seine Shorts entdeckte ich klatschnass auf dem Boden liegend, während er mich fürsorglich abtrocknete und dann mit einem zweiten Handtuch mein Haar durchrubbelte. Dann setzte er mich sanft auf den Toilettendeckel und suchte den Föhn, um sie mir zu kämmen und zu trocknen. Als auch das erledigt war, hob er mich wieder hoch, als sei ich federleicht, trug mich in mein Zimmer und öffnete meinen Schrank, um etwas zum Anziehen auszusuchen.

„Ich nehme dich mit zu mir.“, erklärte er nebenbei und begann sich im Zimmer umzusehen.

„Ich kann nicht mitkommen.“, entgegnete ich leise.

„Du musst. Dein Vater ist nicht gut für dich, wenn er betrunken ist. Komm wenigstens bis Dienstag mit zu mir. Wir haben jetzt Ferien, also wirst du in der Schule auch nichts mehr verpassen.“

„Ferien?“, hakte ich überrascht nach.

Er nickte. „Ja. Zwei Wochen. Hier.“

Mit leicht gerötetem Gesicht reichte er mir Unterwäsche, damit ich mich anziehen konnte. Als nächstes reichte er mir ein Shirt, Socken, eine Hose und einen Pullover.

„Dienstag geht es deinem Knöchel bestimmt wieder gut. Dann bist du ihm wenigstens nicht mehr so ausgeliefert.“, fügte er noch hinzu.

Er fand eine leere Tasche neben meinem Schrank und begann Kleidung hinein zu tun. Ich zog mich unterdessen an. Als er genug Kleidung in der Tasche hatte, verließ er mein Zimmer und kam einige Minuten später angezogen zurück.

„Brauchst du noch etwas? Nimm alles mit was dir wichtig ist.“

Ich dachte nach und ging schließlich zu meinem Schreibtisch, wo ich etwas in der Schublade suchte. Ein kleines Buch, das ich sorgfältig dort versteckt hatte. Ich umklammerte es mit beiden Armen und nickte ihm dann zu.

„Jetzt hab ich alles.“

Ich war froh, dass er nicht fragte was das für ein Buch war. Stattdessen nickte er nur, suchte seine Tasche und legte mir dann eine Hand auf den Rücken.

„Komm. Ich bin da.“

Dieser eine Satz, sanft und liebevoll, hatte mich vor dem Schlimmsten bewahrt. Seit er es das erste Mal gesagt hatte, war alles irgendwie... leichter. Und dennoch schwerer. Darren war da um mich zu schützen. Doch er würde auch da sein, wenn ich grün und blau, zerschunden und bewegungslos von der Prügel meines Vaters war. Ich wollte nie, dass er es sah. Und doch... er war da. Und er blieb bei mir.

Eine Träne rollte über meine Wange. Trotz allem war er noch genauso wie vorher. Er wollte mich kennen lernen, wollte mich beschützen. Und er würde mich auch beschützen, wenn ich ihn ließ. So wie er mich jetzt schützte.

„Was? Was ist?“ Sorge spiegelte sich in seinen Augen, als er sah, wie mir noch eine Träne über die Wange rollte.

„Nichts.“ Ich wischte sie nicht weg, schaffte es aber leicht die Mundwinkel zu heben. „Danke.“

Erleichtert nahm er nun meine Hand und lächelte mich warm an. Unten angekommen öffnete er mir die Haustür und machte sich mit mir auf den Weg zu sich.

„Es hat sich noch nie jemand so um mich gekümmert.“, bemerkte ich irgendwann.

„Wahrscheinlich hat auch noch nie jemand gesehen wie du behandelt wurdest.“

Ich hob eine Schulter, wendete den Blick ab. „Früher hatte ich Freunde. Zu meinem zwölften Geburtstag habe ich sie mit nach Hause gebracht. Weil ich nichts gesagt habe, war mein Vater außer sich vor Wut und begann unkontrolliert auf mich einzuschlagen. Da hat er mich das erste Mal... vergewaltigt. Meine Freunde... es waren nur drei... sie haben nie etwas getan. Würde man sie heute darauf ansprechen, und glaub mir das hat man schon getan, dann würden sie leugnen mich überhaupt gekannt zu haben.“

Er ließ meine Hand los und genau wie beim letzten Mal überfiel mich plötzlich die Angst, er würde einfach gehen, mich einfach stehen lassen. Doch er legte mir den Arm um die Taille, zog mich näher an sich heran und drückte mir einen Kuss auf die Schläfe.

„Ihr ward jung.“, meinte er dann, „Sie sind sicher traumatisiert und wollen nicht darüber nachdenken. Und heute... wollen sie wohl einfach nichts damit zu tun haben oder haben Angst in etwas verwickelt zu werden. Das sind keine Freunde, Alley. Die wollen nur sagen können sie seien mit dir befreundet. Aber jetzt hast du mich. Ich kümmer mich um dich, versprochen.“

Zaghaft lehnte ich mich leicht an ihn, bettete meinen Kopf an seiner Schulter. Mein Innerstes zog sich bei dieser Nähe vor Angst zusammen, doch da nichts passierte entspannte ich mich wieder.

Als wir sein Zuhause betraten schob er mich bereits voran zur Treppe, als seine Mutter im Flur auftauchte.

„Gott, Darren! Wo bist du gewesen?! Du kannst doch nicht einfach über Nacht wegbleiben! Wir haben uns Sorgen gemacht!“

Ich zuckte kurz zusammen, zog den Kopf ein und stellte mich etwas hinter Darren, als er sich zu seiner Mutter umdrehte.

„Tut mir leid. Alisson geht es nicht gut und als ich mit ihr gelernt habe, sind wir eingeschlafen.“, erklärte er entschuldigend und griff nach meiner Hand.

Ihr Blick fiel auf mich, woraufhin sie freundlich lächelte. „Hallo Alisson. Freut mich dich wiederzusehen.“

Ich winkte zögerlich mit meinem Buch in der Hand und drückte es dann wieder an mich. „Hallo Mrs. Hawkins. Freut mich auch Sie wiederzusehen.“

„Ist es in Ordnung, wenn sie für einige Tage hier übernachtet?“

„Ja natürlich. Wissen deine Eltern Bescheid, Liebes?“

„Ihr Vater ist nicht da.“, antwortete Darren, „Da dachte ich, ich nehme sie mit zu mir. Wir haben ihm einen Zettel da gelassen.“ Er log.

„Verstehe.“ Sie schien nicht so ganz einverstanden damit zu sein, ließ es jedoch auf sich beruhen. „Nun dann... viel Spaß euch beiden.“

„Danke. Ach und... kannst du uns vielleicht Frühstück machen? Wir haben noch nichts gegessen.“

„Ja natürlich. Ich rufe euch, wenn es fertig ist.“

„Danke Mom.“

Als sie lächelte, drückte er sanft meine Hand und zog mich sanft hinter sich her die Treppe hinauf. Sein Vater verließ gerade mit nassen Haaren, jedoch frisch angezogen, ein Zimmer das nach Badezimmer roch.

„Hallo Darren. Hallo Alisson.“

„Hallo Dad.“

„Guten Tag Mr. Hawkins.“

„Wie war es gestern noch?“ Darrens Vater sah uns fragend an.

„Unterhaltsam.“, antwortete ich vorsichtig, „Ach... besten Dank für den Kuchen an Ihre Frau. Daran habe ich eben nicht gedacht. Er war wirklich sehr lecker.“

„Ich werde es ihr ausrichten. Freut mich sehr dich wiederzusehen.“

„Mich ebenfalls Mr. Hawkins.“

Er lächelte schräg und sah seinen Sohn fragend an. „Und was habt ihr vor?“

„Sie bleibt ein paar Tage.“, antwortete Darren, „Mom weiß schon Bescheid.“

„Gut. Ich gehe gleich einkaufen. Braucht ihr etwas Bestimmtes?“

Ich zögerte. „Ich habe keine Zahnbürste dabei.“

„Eine Zahnbürste für die Lady. Und du?“ Wieder sah Mr. Hawkins seinen Sohn fragend an.

„Bringst du Pudding mit? Vanille und Wackelpudding? Den Grünen.“

Sein Vater nickte. „Sonst noch etwas?“

Darren sah einen Moment auf mich herab, bevor er wieder zu seinem Vater sah. Er reckte sich ein wenig und flüsterte ihm etwas ins Ohr, woraufhin Mr. Hawkins leicht lächelte und nickte.

„In Ordnung. Wir sehen uns später Alisson.“

„Bis später Mr. Hawkins.“

Sanft zog Darren mich weiter in sein Zimmer. Dort angekommen stellte er unsere Taschen beiseite und setzte sich mit mir auf seine Couch.

„Da wären wir. Hier wird er dich sicher nicht suchen.“

„Danke Darren.“

„Ich glaube, meine Eltern mögen dich.“ Er sah kurz zur Tür, die er wieder weit offen gelassen hatte. „Aber eins muss man dir lassen. Dafür das du eine so schlimme Vergangenheit hast, hast du ziemlich gute Manieren.“

Ich wurde ein wenig rot. „Sie sind sehr nett.“

Als er daraufhin nichts sagte, sah ich zu ihm auf und stellte fest, dass er auf meine Hand sah. Sie war leicht blau verfärbt.

„Warum hast du mir nicht gesagt, dass er so was tut?“, fragte er leise.

„Ich wollte nicht, dass du dir Sorgen um mich machst. Oder dass du meinen Vater für einen schlechten Menschen hältst.“ Mensch nicht Vater. „Ich wollte nicht, dass du mich so siehst und weißt wie es entstanden ist.“

Es blieb einen Moment still, bevor er die Arme um mich legte und an sich zog. „Ich mache mir Sorgen um dich. Und ich halte deinen Vater für einen schlechten Menschen. Ich weiß jetzt auch wie all das hier entstanden ist, aber... das ändert meine Meinung nicht auf dich. Ich denke, dein Vater kann sogar wieder wie vorher sein, wenn er einen Entzug macht.“

„Aber wo soll ich dann hin? Außerdem... wie wird er erst reagieren, wenn er mitbekommt, dass ich... dass ich...“

„Ist schon gut. Wenn er in eine Klinik geht, dann kannst du hier bleiben. Okay?“

Ich nickte zaghaft. „Danke.“

„Ist schon gut.“

Es fiel mir nicht schwer mich in seinen Armen zu entspannen. So fiel mir auf, wie müde ich eigentlich noch war und gähnte herzlich.

„So müde?“, fragte er neckisch.

Ich wurde rot. „Wir haben gestern ziemlich lange gelernt.“

„Stimmt.“

Unsicher kaute ich auf meiner Unterlippe. „Was hast du deinem Vater eigentlich eben gesagt?“

„Das ist eine Überraschung.“ Warm sah er auf mich herab und streichelte mir liebevoll über die Wange. „Möchtest du nach dem Frühstück noch ein wenig schlafen?“

Ich schüttelte den Kopf. „Nein.“

„Was möchtest du dann machen?“

Einen Moment überlegte ich und sah mich dann aufmerksam in seinem Zimmer um. Darren wurde neben mir etwas nervös, wartete aber still ab. Die Wände waren in einem angenehmen dunklen blau gestrichen. Sein Bett, das ich nicht zum ersten Mal sah, war im Vergleich zu meinem riesig und mit schwarzer Bettwäsche bezogen. Die Couch stand auf der anderen Seite des Zimmers, davor ein kleiner Tisch und gegenüber der Couch etwas das wie ein riesiger Kissen aussah.

„Was ist das?“, fragte ich verwirrt.

Er folgte meinem Blick und lachte leise. „Das ist ein Sitzkissen.“

„Ein Sitzkissen?“

„Noch nie gehört?“

„Nein.“

Ohne zu zögern stand er auf und zog mich sanft um den Tisch herum. „Setzt dich mal rauf.“

Unsicher ließ ich mich darauf sinken und sackte sofort ein, fiel hinten über und landete auf dem Boden. Darren konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. Ich nahm es ihm nicht übel und stimmte leise mit ein.

„Keine Sorge, das ist mir beim ersten Mal auch passiert.“, beruhigte er mich und half mir auf. „Im Grunde darf man sich nur nicht zurück lehnen und muss quasi einen Abdruck hinein sitzen.“

Ich versuchte es erneut und stellte fest, dass es eigentlich ziemlich gemütlich war. „Schön weich.“, bemerkte ich.

Er lächelte schräg und setzte sich vorsichtig zu mir. „Man kann sicher prima darauf kuscheln.“

Wie um es zu bestätigen, legte er die Arme um mich, um mich an sich zu ziehen. Das Lächeln, das sich auf mein Gesicht legte, war so leicht wie atmen... und voller Freude. Ich mochte es, wenn er mich in den Armen hielt. Er würde mir nie wehtun.

Seine Lippen berührten meine Wange. „Glaubst du, du bist noch ansteckend?“

„Ganz bestimmt.“, entgegnete ich darauf.

Er gab ein Laut von sich, dass sich irgendwie genervt anhörte, schwieg einen Moment und zuckte dann mit den Schultern. „Auch egal. Ist ja nur eine Erkältung.“

Damit hob er sanft mein Kinn an und küsste mich auf den Mund. Dieser Kuss war anders als die letzten. Irgendwie... hungrig? Nein, eher... Besitzergreifend? Ich konnte es nicht einordnen.

Sein Arm umschlang meine Taille, mit der freien Hand zog er mich an den Oberschenkeln auf seinen Schoß, berührte fragend mit der Zunge meine Unterlippe. Unwillkürlich öffnete sich mein Mund, hieß ihn freudig willkommen. Meine Hände legten sich wie von selbst in seinen Nacken, zogen ihn enger an mich. Die Hand auf meinen Oberschenkeln glitt hinab zu meinem Knie, wanderte dann sanft wieder hinauf. Zaghaft berührte er mit den Fingerspitzen die Haut unter meinem Shirt. Ganz automatisch zog ich seine Hand dort weg, löste mich von ihm.

Er war außer Atem und sah mit halb geöffneten Augen auf mich herab. „Tut mir leid. Nächstes Mal frage ich.“

Ich zögerte. „Warum... möchtest du mich berühren?“

Überrascht hielt er den Atem an. „Nun... Es fühlt sich schön an. Sowohl für dich, als auch für mich.“

Verwirrt zog ich die Brauen zusammen, doch bevor er noch etwas dazu sagen konnte, rief uns bereits seine Mutter.

„Darren! Alisson! Euer Frühstück ist fertig!“

Etwas enttäuscht löste Darren sich ganz von mir und half mir auf, bevor er selbst aufstand und dann, mit mir an der Hand, hinunter ging. Es roch einfach himmlisch, als wir die Küche betraten.

„Ich wusste nicht was Alisson mag, also hab ich dein Lieblingsfrühstück gemacht.“, erklärte Mrs. Hawkins unsicher.

„Ist schon in Ordnung, Mom. Ich glaube, Alisson weiß selbst noch nicht was ihr schmeckt und was nicht.“

„Wenn das so ist. Lasst es euch schmecken.“ Mit diesen Worten drückte sie ihrem Sohn einen Kuss auf die Wange.

„Vielen Dank Mrs. Hawkins.“

Sie winkte mit einem Lächeln ab und verließ die Küche. Darren dagegen zog mich sanft zu dem gedeckten Tisch und schob mir einen Stuhl zurecht. Neugierig sah ich auf das wohl duftende Essen auf dem Teller und wartete bis Darren saß, bevor ich ihn fragte, was das war.

„Das da ist Rührei.“ Er deutete auf eine gelbliche Masse mit roten Stückchen. „Mom hat Schinken darein gemacht. Schmeckt sehr lecker. Ich esse ihn gern auf Toast.“ Er deutete auf das Brot, das in einem Korb zwischen den Teller stand. „Und das hier...“ Er deutete auf einen anderen Teller, auf dem einige runde... Dinger waren. Sie waren flach und an einigen Stellen braun. Der Rest war hellbraun. „sind Pfannkuchen. Du kannst sie mit Nutella essen, mit Marmelade, mit Zucker und Zimt... ich esse sie auch gern mit Käse, aber dafür müssen sie nochmal in die Pfanne.“

„Pfanne?“, hakte ich nach, „Ich dachte Kuchen backt man.“

Er lächelte schräg. „Das ist kein richtiger Kuchen. Warte kurz...“ Er stellte seinen Teller, Besteck und sein Glas neben meinem auf den Tisch und setzte sich auf den freien Platz neben mir. „Damit du auch weißt, wie man das alles überhaupt isst.“

Aufmerksam sah ich dabei zu, wie er eine Scheibe Toast nahm und etwas von dem Rührei mit Schinken darauf legte, bevor er es vorsichtig mit den Händen anhob und hinein biss.

„Natürlich kann man es auch mit Messer und Gabel essen.“, erklärte er, nachdem er geschluckt hatte. „Aber dann fällt mir immer das Ei runter.“

Ich lächelte amüsiert und nahm mir ebenfalls eine Scheibe Toast, belegte es mit dem Ei und hob es vorsichtig an, um hinein zu beißen. Unwillkürlich stöhnte ich leise.

„Das schmeckt besser als die Brote, die ich immer esse.“, bemerkte ich nachdem ich geschluckt hatte und biss nochmal hinein.

„Womit sind die denn immer belegt?“

Sie zögerte kurz, dachte einen Moment nach. „Mit Käse...“

„Nur Käse?“

„Ähm... verschiedene Sorten. Butterkäse, Gouda, Tillsitter, Frischkäse, Frischkäse mit Kräuter, die schmeckt mir ziemlich gut.“

„Mit Kräuter?“, hakte er nach.

Ich nickte, während ich von dem Brot abbiss. „Ich mag sie sehr gern.“

„Hast du nie Wurst auf deinem Brot?“

„Manchmal haben wir noch Mortadella übrig. Oh, Marmelade esse ich auch. Aber meistens esse ich Käse.“ Ich zögerte kurz. „Mein Vater mag ihn nicht.“

„Hmmm....“

Er beobachtete mich eine Weile beim Essen, verputzte sein eigenes Brot und nahm dann noch ein zweites. Als auch das verputzt war und kein Ei mehr auf seinem Teller war, nahm er sich einen der Pfannkuchen. Ich tat es ihm nach.

„Okay... Was magst du am liebsten? Marmelade? Zimt und Zucker? Oder Nutella?“

„Ähm... was... was ist Nutella?“

Er hob überrascht eine Braue und griff dann nach einem Glas, in dem etwas Braunes war. „Nuss-Nugat-Creme. Möchtest du mal probieren?“

Ich nickte zaghaft. Mit einem schrägen Lächeln schnappte er sich den kleinen Löffel, der eigentlich für die Marmelade gedacht war und nahm etwas von der Nutella darauf. Dann hielt er ihn mir an den Mund. Vorsichtig probierte ich und sah es dann begeistert an.

„Das schmeckt gut! Richtig gut!“

Nun lächelte er breit und zeigte mir, wie ich es am besten auf dem Pfannkuchen verteilte. Ich tat es ihm nach.

„Jetzt kannst du selbst entscheiden, ob du es so isst, oder es einrollst und isst.“ Er rollte es jedenfalls ein, stach an dem einen Ende mit der Gabel hinein und schnitt ein Stück mit dem Messer ab. Dann zeigte er mir, wie es aussah. „Gleichmäßig verteilt.“, erklärte er und nahm das Stück in den Mund, „Und sehr lecker.“

Begeistert rollte ich es ebenfalls zusammen und probierte. Es schmeckte einfach himmlisch.

„Gut?“

Ich nickte und biss nochmal ab. Eine Viertelstunde später waren alle Pfannkuchen verputzt. Er stellte alles weg und ging dann wieder mit mir hoch in sein Zimmer, wo er es sich wieder auf der Couch gemütlich machte. Ich setzte mich zu ihm und bemerkte sein schräges Lächeln erst, als ich zu ihm aufsah.

„Was ist?“, fragte ich verwundert.

„Du hast da noch Nutella am Mundwinkel.“ Seine Fingerspitze glitt über den besagten Mundwinkel und verschwand dann in seinem Mund. Im nächsten Moment zog er mich wieder in seine Arme. „Wie wäre es, wenn ich dir jetzt das mit den Berührungen zeige?“

Ich zögerte. „Ich bin mir nicht sicher.“

„Ich werde dir nichts tun. Sag mir einfach, wenn du bereit bist. Wie wäre es, wenn ich dir solange zeige in welchen Positionen man richtig gut kuscheln kann?“

Das weckte meine Neugier. „Positionen?“

„Ja. Wie eben, als du auf meinem Schoß gesessen hast.“

Mein Gesicht wurde heiß. „Oh.“

„Gute Idee?“

Ich nickte zaghaft und er begann zu lächeln.

„Also, ein paar kennst du ja jetzt schon. Entweder so, wie wir jetzt hier sitzen, liegend, oder wenn du seitlich auf meinen Schoß sitzt. Auch sehr interessant ist es, wenn du rittlings auf meinem Schoß sitzt.“

„Rittlings?“

Er zögerte kurz, ließ mich dann aber los. „Steh auf.“ Unsicher tat ich worum er bat. „Und jetzt kniest du dich mit dem einen Bein auf diese Seite von meinem Schoß und mit dem anderen Bein auf der anderen Seite.“

Er stützte mich, als ich mich vorsichtig so hinkniete, dass ich quasi mit gespreizten Beinen über ihm war. Als mir die Position auffiel, wurde ich wieder rot.

„Und jetzt setzt du dich einfach hin.“

Bevor ich das jedoch tat, rückte er noch etwas vor, sodass es mir auch möglich war, mich auf seinen Schoß zu setzen. Und tatsächlich war es ziemlich gemütlich. Ich war ganz dich bei ihm, konnte seinen Atem in meinem Gesicht spüren.

„Und? Wie fühlt es sich an?“ Aufmerksam sah er auf mich herab, als sei er nicht sicher, ob es eine gute Idee war.

„Warm...“

Sein Mundwinkel hob sich. „Keine Angst?“

Ich schüttelte den Kopf, woraufhin er die Arme um mich legte und etwas enger an sich drückte. Dann senkte er wieder den Kopf zu mir herab, küsste mich erst vorsichtig, dann langsam leidenschaftlicher. Ich vergrub die Hände in seinen Haaren, spürte den Drang, mehr tun zu wollen, doch ich wusste nicht wie oder was. Nur wenige Augenblicke später ging Darrens Atem schwer, seine Hände lagen auf meinen Hüften. Seine Zunge glitt in meinen Mund, umspielte neckisch die meine. Ich erwiderte es ohne Zögern und zog ihn am Nacken enger an mich. Plötzlich wurde sein Griff etwas fester, er stöhnte leise, löste seinen Mund von meinem.

„Großer Gott, Alisson.“, keuchte er, „Ich sagte doch, nicht so stürmisch.“

Sofort lockerte ich meinen Griff. „Tut mir leid.“ Beinahe konnte ich an seinem Hals sehen, wie schnell sein Puls ging. Immer noch schwer atmend drückte er, wie letztes Mal, sein Gesicht an meinen Hals, atmete dort tief durch.

„Was für Positionen gibt es noch?“, fragte ich neugierig, mit dem Ziel ihn ein wenig abzulenken.

„Ähm...“ Er schwieg eine Weile. „Ich kann nicht klar denken. Einen Moment.“ Mit geschlossenen Augen legte er den Kopf in den Nacken und lehnte sich zurück, zog mich dabei mit den Armen auf meinem Rücken mit sich, sodass ich praktisch auf seiner Brust lag. „Naja, da wäre noch eine liegende. Nur liege ich da unten und du auf mir drauf.“

„So wie jetzt?“

Er öffnete die Augen und sah an uns herab. „Ja, so ungefähr. Nur würden wir ganz liegen. Natürlich denken die Leute sich immer neue Sachen aus.“

„Ich verstehe. Ist die Lektion damit vorbei?“

Als er die Enttäuschung hörte, sah er mir ins Gesicht. „Ja. Das nächste wären die Berührungen, aber ich möchte nichts tun, was du nicht willst.“ Sein Puls hatte sich wieder beruhigt.

„Was gibt es noch für Lektionen?“

Es überraschte mich, dass er rot wurde. „Also, die Sache mit den Berührungen, richtiges Kuscheln... Wenn du es möchtest... intime Berührungen.“ Immer mehr wich er meinem Blick aus, schien sich nicht ganz wohl zu fühlen. „Äh... Sex... in Lektionen unterteilt.“

Ich spürte, wie ich starr wurde. Sex... Er wollte mit mir schlafen. „D-D-Darren, ich glaube nicht-“

„Ist schon gut. Wir gehen es langsam an. Ich denke, du wirst sehen, dass es nichts gibt, wovor du dich fürchten musst.“

Ich biss mir auf die Unterlippe. „Ich bin beschmutzt, Darren.“

Er streichelte mir über die Wange, ließ die Hand über meinen Hals gleiten. „Mach dir keine Sorgen.“

„Aber-“

Er unterbrach mich, indem er den Kopf schüttelte. „Wir sind sowieso noch sehr weit davon entfernt.“

Mit einem Seufzen bettete ich meinen Kopf seitlich an seiner Brust und glitt mir meiner Hand sanft daran hinauf und wieder hinab. Die andere Hand suchte die Seine und hielt sie fest, woraufhin er die Finger miteinander verschränkte und mir einen Kuss auf den Schopf gab.

„Möchtest du, dass ich mit bei dir im Bett schlafen, oder soll ich es mir auf der Couch gemütlich machen?“, fragte er plötzlich.

„Bei mir im Bett.“, antwortete ich ohne Zögern, „Dann kann ich besser schlafen.“

„Ach ja?“

„Du tust mir nichts.“, erklärte ich, „In deinen Armen habe ich keine Angst.“

„Gut. Ich mag es nicht, wenn du vor etwas Angst hast.“ Er machte eine kurze Pause. „Du bist unfair.“

Ich sah überrascht auf. „Warum?“

„Du streichelst mich... aber ich darf dich nicht streicheln.“

Verwirrt zog ich die Brauen zusammen, woraufhin er auf meine Hand sah, die immer weiter über seine Brust glitt. „Oh. Das habe ich doch gar nicht verboten.“

„Das ist aber die Art von Berührung, die ich in der nächsten Lektion meine.“

Einen Moment verstand ich nicht, was er mit damit sagen wollte. Dann machte es Klick und ich sah begeistert zu ihm auf. „Ganz einfache? Nichts Intimes?“

„Du darfst es intim nennen, wenn ich dich unter deinem Shirt berühre.“

Ich erinnerte mich an dem Moment, als seine Fingerspitzen fragend auf meiner Haut lagen. „Oh. Das willst du mir also auch zeigen?“

„Ich tue dir nicht weh. Und falls ich es unbeabsichtigt doch tue, dann sag es mir.“

Wartend sah er auf mich herab, während ich mir das ganze durch den Kopf gehen ließ. Es waren einfache Berührungen, wie die Berührung seiner Brust. Dann etwas intimere Berührungen auf meiner Haut.

„Du darfst natürlich auch alles an mir ausprobieren, was ich dir zeige.“, fügte Darren hinzu, als ich nichts sagte.

Von dem Gedanken überrascht hob ich ein wenig den Kopf und sah auf seine Brust. Ich mochte es sie zu berühren. Vielleicht war es genauso schön sie ohne dem Shirt zu berühren.

„Es ist okay, wenn du es nicht willst.“, hob er an.

Ich sah sofort auf. „Doch. Doch doch. Ich... ich würde es gerne ausprobieren. Ich meine... Ich möchte gerne wissen, wie es sich anfühlt... Dich zu berühren, meine ich.“

Er begann wieder zu lächeln und setzte sich wieder etwas auf. „Du darfst alles ausprobieren was du möchtest.“ Ein kurzer Kuss. „Also... nur damit ich sicher sein kann. Gibst du mir die Erlaubnis dir die Berührungen zu zeigen?“

Ich zögerte nochmal, nickte dann aber. Er atmete aus und legte seine Hände auf meine Hüften. Sie waren groß und warm. Sanft glitten sie hinab auf meine Oberschenkel zu meinen Knien und dann wieder hinauf. Diesmal jedoch nicht auf die Hüften. Er legte sie auf meinen Hinter. Mein Gesicht wurde heiß, er lächelte mich schräg an.

„Alles okay?“

Ich nickte nur, seltsam sprachlos geworden. Er ließ seine Hände eine Weile dort, bewegte sie ein wenig, streichelte mich, drückte etwas zu. Nur ganz wenig. Dann legte er eine Hand auf meine Wirbelsäule und ließ sie über meinen Rücken gleiten. Seine andere Hand gesellte sich beinahe sofort dazu. Gemeinsam wanderten sie hinab, legten sich auf meine Seiten. Dann glitten seine Daumen nach vorn zu meinem Bauch. Er lehnte sich ein wenig zurück, damit er mich besser berühren konnte, begann meinen Bauch durch das Shirt zu streicheln. Dann legte er sie wieder auf meine Hüften.

„Tat es weh?“, fragt er, als wäre es eine Kontrolle.

Ich schüttelte langsam den Kopf, wartete neugierig was jetzt wohl kam. Ganz vorsichtig berührten seine Fingerspitzen die Haut unter meinem Shirt. Einen Moment spürte ich Angst in den Knochen, doch im nächsten Moment bemerkte ich, dass meine Haut ganz warm wurde, wo er mich berührte. Langsam wanderten die Fingerspitzen höher, seine Handflächen folgten, sanft und warm. Unwillkürlich öffnete sich mein Mund ein wenig, ich sog tief die Luft ein. Darren hielt aufmerksam inne, schien jedoch nichts Beunruhigendes in meinem Gesicht zu sehen. Seine Hände glitten weiter, legten sich sanft auf meinen Rücken. Ich spürte eine Gänsehaut, als er die Finger ausstreckte und die Hände wieder hinab wandern ließ. Dann legten sie sich auf meinen Bauch, glitten etwas höher, bis sie den Rand meines BHs berührten. Ich hielt den Atem an, wartete, doch er schüttelte leise den Kopf, ließ seine Hände wieder hinab wandern.

„Das habe ich dir eigentlich auch zeigen wollen, aber... Ich bin nicht sicher, ob du das erträgst.“, erklärte er.

„Ich habe dir die Erlaubnis gegeben.“, entgegnete ich. „Ich möchte, dass du mir zeigst, was du mir zeigen möchtest.“

Mittlerweile lagen seine Hände wieder auf meinen Hüften.

„Bist du dir sicher?“, fragte er vorsichtig.

Ich nickte, wartete etwas ungeduldig. Er legte seine Hände auf meine Rippen, auf dem Shirt, direkt unter meinen Brüsten, hielt dort inne. Ich wollte bereits protestieren, ihm versichern, dass es in Ordnung war, da beugte er sich plötzlich vor und küsste mich wieder. Etwas verwirrt, reagierte ich im ersten Moment nicht, realisierte dann aber was er tat und legte ihm die Hände wieder in den Nacken, zog ihn an mich heran und erwiderte den Kuss gierig. Dann spürte ich, wie seine Hände meine Brüste berührten. Durch das Shirt und den BH. Ich zuckte kurz zusammen, bemerkte sein Zögern, doch ich hielt ihn nicht ab, küsste ihn nur etwas gieriger. Etwas ermutigt ließ er die Hände nun wieder unter mein Shirt gleiten, berührte mit der Zunge wieder meine Unterlippe. Ich öffnete sofort meinen Mund, erwiderte den Kuss so stürmisch, dass er aufstöhnte. Seine Hände berührten erneut meine Brüste, diesmal nur durch den BH. Doch offenbar schien eine Schranke bei ihm gesunken zu sein, die Berührung nicht das, was er gern hätte. Lange Finger glitten auf meinen Rücken, suchten den Verschluss meines BHs, während er mich leidenschaftlicher küsste, öffnete ihn und ließ die Hände wieder nach vorn gleiten. Sie schoben sich unter die Körbchen, legten sich direkt auf die weiche Haut.

Ich schnappte nach Luft, keuchte auf, sein Mund bewegte sich über meine Wange zu meinem Hals, begann ihn zu küssen. Ich spürte seine sanfte Zungenspitze, vergrub die Hände in seinem Haar, während er die Haut küsste und seine Hände sich bewegten.

„Darren.“, kam es mir leise über die Lippen.

Seine Zunge schnellte über meine Halsschlagader, dann löste sich sein Mund von meinem Hals und senkte sich wieder auf meine Lippen. Plötzlich ließen seine Hände von mir ab, glitten hinab und dann wieder hinauf, schoben das Shirt sanft hinauf.

„W-w-warte.“, unterbrach ich ihn.

Er hielt sofort inne, löste sich von mir und sah mir in die Augen. Sein Atem ging schnell, ich konnte sehen wie schnell sein Puls ging.

„Nicht ausziehen.“, bat ich leise.

Seine Hände glitten wieder hinab, zogen das Shirt zurecht. „Ist in Ordnung.“, meinte er dann mit rauer Stimme und küsste mich nochmal, bevor seine Hände auf meinen Rücken glitten und den Verschluss meines BHs zu machten. Dann lächelte er leicht. „Jetzt bist du dran.“ Er zog noch schnell den BH zurecht, lehnte sich dann zurück und legte mir die Hände neutral auf die Hüften. „Jetzt darfst du mich berühren.“

Unverzüglich legte ich meine Hände auf seine Brust, begann sie ein wenig zu streicheln. Er lachte leise.

„Das kennst du doch schon.“, bemerkte er dann sanft.

„Ich mag es.“, entgegnete ich darauf.

„Ich auch, aber du möchtest doch etwas neues ausprobieren.“

Stumm nickte ich und ließ die Hände zaghaft etwas tiefer gleiten. Sein Bauch spannte sich an, als ich ihn berührte. Überrascht und fasziniert legte ich die Hände ausgebreitet darauf und ließ sie ein wenig wandern. Als sie zu seinen Seiten glitten, setzte er sich wieder ein wenig auf, damit ich auch seinen Rücken berühren konnte. Langsam und neugierig glitt ich mit den Händen über seinen Rücken und spürte wie Darren unter mir erschauderte. Unsicher biss ich mir auf die Unterlippe und glitt mit den Händen zaghaft unter sein Shirt. Darren hielt unter mir ganz still, als ich, fasziniert von dem Gefühl, die Hände erneut über seinen Rücken wandern ließ und sie dann auf seinen Bauch legte. Er lehnte sich wieder etwas zurück, damit ich ihn besser erreichen konnte. Gleichzeitig spannte sich sein Bauch unter meiner Berührung wieder an. Ich bemerkte kaum, dass sich mein Mund ein wenig öffnete, als meine Hände langsam höher wanderten. Als ich seine Brust berührte, lehnte ich mich ganz von allein vor, breitete meine Hände aus und erforschte ihn eingehend. Dann küsste ich ihn, bevor mir überhaupt auffiel, dass ich ihn küssen wollte. Seine Hände griffen automatisch etwas fester zu und rutschten dann wieder auf meinen Hintern, wo er mich enger an sich zog, während er den Kuss noch weiter vertiefte. Mitgerissen von meinen Gefühlen drängte ich mich immer enger an ihn, wollte noch so viel mehr.

„Alisson.“, stöhnte er leise mit rauer Stimme. „Zu stürmisch.“

Doch ich konnte mich einfach nicht zurück halten. Eine Hand legte sich wie von selbst in seinen Nacken, während die andere unter seinem Shirt blieb und sich dort auf seinen Rücken legte. Er stöhnte erneut, spannte sich immer mehr an. Hände legten sich auf meine Taille, seine Finger gruben sich in mein Fleisch. Unkontrolliert drückte ich mich so eng an ihn wie ich konnte, küsste ihn immer stürmischer.

„Alisson, nicht... so stürmisch.“

Ich landete plötzlich mit dem Rücken auf der Couch, er auf mir, sein Mund auf dem meinen, seine Hände am Saum meines Shirts, die Finger bereits auf meiner Haut. Ich hielt ihn so fest in meinem Griff, dass meine Hände so gut wie gar nicht verrutscht waren, ließ nicht zu, dass er sich von mir löste.

Plötzlich begann er zu fluchen. „Alisson, wenn du nicht sofort aufhörst... kann ich für nichts garantieren. Ich will dir keine Angst einjagen.“

Der Unterton in seiner Stimme, leise Verzweiflung gepaart mit einer Spur Angst, brachte mich dazu mich zusammen zu reißen und mich atemlos von ihm zu lösen. Mit einem erleichterten Stöhnen ließ er seinen Kopf auf meiner Schulter nieder und blieb reglos liegen.

„Ich glaube...“, begann er keuchend, „Ich sollte mit dir üben, dich zu kontrollieren. Ich sterbe noch, wenn du so weiter machst.“

„Tut mir leid. Es war nur so... Mitreißend. Ich wollte einfach nicht aufhören.“

„Geht mir genauso. Deshalb ja die Übung zur Selbstbeherrschung, die ich gerade angesprochen habe. Ich weiß nicht, ob ich beim nächsten Mal den Mund aufkriege, wenn du mich so...“

Als er plötzlich inne hielt, sah ich auf ihn herab. Mit verwirrter Miene stützte er sich ab und sah an mir herab. Als ich seinem Blick folgte, entdeckte ich nur meine Brust und sah fragend zu ihm auf.

„Weißt du was mich wundert?“, fragte er dann, „Obwohl du so unglaublich wenig wiegst... bist du hier ja ziemlich gut bestückt. Ich meine, ich hatte die eine oder andere Beziehung.“ Ein seltsamer Stich traf mich in der Nähe des Herzens. „Aber ich kann mich nicht daran erinnern, dass eine von ihnen so gut bestückt war. Aber was rede ich da? Du bist sowieso anders als sie. Besser.“ Seine Hände glitten über meine Taille, sein Gesicht drückte sich an meinen Hals. „Und du riechst so gut.“

„Was waren das für Mädchen?“, fragte ich zaghaft.

Er schwieg eine Weile, sodass ich sogar anfing zu denken, er würde darauf nicht antworten. „Denk nicht über sie nach. Sie können dir nicht einmal annähernd das Wasser reichen.“

„Aber ich bin beschmutzt. Zerschunden. Und viel zu dünn, wie du selbst bemerkt hast.“

Er hob den Kopf und küsste mich ganz ganz sanft. So sanft, dass es mir Tränen in die Augen trieb. „Du hast dafür ein reines Herz, einen wundervollen Charakter und mehr Mitgefühl als all diese Mädchen zusammen. Damals war ich anders. Meine letzte Beziehung ist drei Jahre her.“ Er hob eine Braue, als würde das bereits alles sagen. „Meine Freunde übten einen schlechten Einfluss auf mich aus und ich fand alle Mädchen toll, die mich mochten. Die Mädchen, die fanden, dass ich schlecht war, fand ich irgendwie doof, eben weil sie mich nicht mochten. Damals war ich ganz anders als jetzt.“ Er schüttelte amüsiert den Kopf. „Viel zu spät habe ich bemerkt, dass die anderen Mädchen die Richtigen sind. Die, die treu und liebevoll sind. Und ich habe erkannt, dass meine Freunde allesamt kriminell werden würden. Also hab ich mich weniger mit ihnen getroffen und mehr für die Schule gebüffelt. Ich freundete mich mit anderen an, die Mädchen begannen mich zu mögen, aber irgendwie... waren sie nicht das was ich suchte. Kein Mädchen, das ich bisher kennen gelernt hatte, war das was ich suchte. Bis ich dich kennen gelernt habe.“

Ich machte große Augen, mein Herzschlag beschleunigte sich, mir wurde heiß und mein Atem ging unregelmäßig.

„Nie habe ich ein Mädchen kennen gelernt, das so zart und doch so stark ist. So unnahbar und doch offen für jedes Gespräch, solange es nicht zu privat wird. Du bist wunderschön, auch wenn du zu dünn bist. Das ist nichts, was sich nicht mit einer guten Ernährung wieder zurecht rücken lässt. Du hast ein wunderschönes Lächeln, umwerfend schöne Augen und ein Lachen, bei dem einem das Herz aufgeht. Außerdem bringst du mich in Situationen zum Lachen, in denen ich es gar nicht erwartet hätte.“

Mit tief rotem Gesicht sah ich zu ihm auf, war sprachlos über all die Komplimente. „D-D-Darren, ich...“ Mehr fiel mir einfach nicht ein, weshalb er begann zu lächeln.

„Hab ich dich sprachlos gemacht?“

Unfähig zu sprechen nickte ich nur stumm. Er küsste mich ein weiteres Mal.

„Alles die Wahrheit.“, meinte er dann, „Ich würde dich nie anlügen.“ Noch ein Kuss, dann sah er ernst auf mich herab. „Sag mal... sind wir eigentlich... ein Paar? Ich meine... Ich würde gerne mit dir zusammen sein, aber... Möchtest du denn?“

Mein Mund wurde trocken. Hatte er mich das gerade wirklich gefragt?

Alisson, du musst antworten. Antworten, antworten, antworten. Was sag ich nur? Was sag ich nur? Was sag ich nur? Möchte ich? Ja! Aber wie sag ich es ihm? Nicken? Ja sagen? Das klingt so karg. Ein 'Ich würde mich freuen.' ist zu förmlich. Verdammt, ich denke zu lange nach.

Er begann leicht gezwungen zu lächeln, wendete den Blick ein wenig ab. „Ich verstehe es, wenn du nicht willst.“

Nein nein nein! Ich will doch! Bewegt euch Lippen, sag es ihm Mund!Mein Mund öffnete sich, schloss sich dann jedoch wieder. Vor Nervosität brachte ich keinen einzigen Ton zustande.

„Ich komm damit zurecht.“, fügte er dann hinzu und erhob sich vorsichtig von mir.

Ein Laut, der für mich irgendwie verzweifelt klang, entrang sich meiner Kehle. Nicht weggehen! Alles, nur nicht weggehen!

Verwundert sah er auf mich herab, woraufhin ich mich nur aufsetzte und die Arme um seine Hüften schlang, da er vor mir stand. Unter meinem Ohr hörte ich das regelmäßige Pochen seiner Bauchschlagader.

„Es ist schon in Ordnung, wirklich.“, versicherte er mir und löste meine Arme von seinen Hüften.

Ich schlug sie nur hektisch beiseite und umschlang ihn erneut. Unwillkürlich lachte er auf und nahm sie erneut weg, diesmal jedoch, um sich neben mich zu setzen. Sofort riss ich sie ihm wieder aus den Händen und klammerte mich an ihn.

„Nicht weggehen.“, bat ich ihn leise.

Überrascht hielt er inne. „Wollte ich doch gar nicht.“

„Du wolltest dich zurückziehen.“

„Weil ich es verstehe, dass du nicht mit mir zusammen sein möchtest.“

„Nein.“, entgegnete ich darauf schnell.

„Was?“, fragte er perplex.

„Ich-ich-ich-ich- Nnrg.“ Verlegen, weil ich nicht aufhörte zu stottern wurde ich rot und drückte mein Gesicht an seine Brust.

„Alisson? Was ist los?“

„Du hast das falsch verstanden.“, nuschelte ich.

„Was falsch verstanden?“

„Mein Schweigen.“

„Alisson, hör auf mich zu verwirren.“

Die Art und Weise wie er das sagte, brachte mich dazu unkontrolliert zu lachen. Es klang einerseits wie ein Vorwurf, andererseits wie ein Tadel. Ganz abgesehen davon klang er wirklich irgendwie verwirrt und verzweifelt, weil er nicht verstand, was ich ihm sagen wollte.

Als ich mich vor Lachen von ihm löste, sah ich ihm kurz ins Gesicht und musste gleich noch mehr lachen. Jedes Fragezeichen war ihm regelrecht ins Gesicht geschrieben. Nach einer gefühlten Ewigkeit beruhigte ich mich wieder und ließ mich gegen ihn sinken.

„Kannst du mir jetzt vielleicht sagen, was du meintest?“

„Ich war sprachlos.“, erklärte ich und spürte, wie mir die Röte abermals ins Gesicht stieg.

Er öffnete gerade den Mund um etwas zu sagen, als es unten an der Tür klingelte. Einen Moment schwieg er, sah kurz zur Tür und dann wieder auf mich herab. „Du warst sprachlos.“, wiederholte er, „Was bedeutet, dass du nicht geschwiegen hast, weil du nicht willst?“

Ich nickte langsam.

„Da ich also ausschließe, dass du nicht willst... willst du?“

Erneut nickte ich langsam. Er zog verwirrt die Brauen zusammen, schien nicht so recht zu verstehen, dass das bedeutete, dass ich mit ihm zusammen sein wollte.

„Oh.“, kam es ihm dann über die Lippen, wobei er sich sichtlich entspannte. „Also möchtest du mit mir zusammen sein.“

Jetzt bloß nicht wieder schweigen.Da ich den Mund nicht auf bekam nickte ich erneut. Im nächsten Moment drückte er mich an sich und küsste mich voller Glück. Kurz darauf löste er sich wieder von mir, wobei sich ein kleines Bedürfnis meldete.

„Ich hab Durst.“, murmelte ich kleinlaut und sah unschuldig zu ihm auf.

Er lachte leise, lächelte mich an und küsste mich auf die Stirn, während er aufstand. „Bin gleich wieder da.“

Kapitel 6

 

 

„Wie kommst du denn hier her?“, fragte er verblüfft und sah den Jungen an, der bis auf die Augen, eine genaue Kopie von ihm war.

„Ich dachte mir, ich besuche meinen Cousin.“, entgegnete der Junge und kam lächelnd auf Darren zu, der noch zu überrascht war um zu reagieren. „Wie geht es dir? Hab Gerüchte gehört.“ Er drückte seinen Cousin kurz an sich und sah sich dann um. „Wo ist Onkel Dorian?“

„Einkaufen.“, antwortete Mrs. Hawkins.

„Mir geht’s ganz gut.“, antwortete dann Darren, als so langsam zu ihm durchdrang, dass tatsächlich sein Cousin vor ihm stand. Und hinter ihm zwei Koffer und eine große Reisetasche. „Was für Gerüchte? Und wie lange bleibst du?“

„Ach... nur ein paar Monate. Habt ihr schon ein Zimmer frei?“

„Wir haben dir ein Gästezimmer freigehalten.“, antwortete Mrs. Hawkins und sah dann zu Darren als sein Cousin mit seinem Gepäck die Treppe hinauf verschwand. „Schläft Alisson bei dir?“

„Ja. Ich... hol uns etwas zu trinken.“

„Nur zu. Vielleicht beeilst du dich. Du kennst ja deinen Cousin.“

Schnell eilte er in die Küche.

 

Ich stand gerade neugierig vor Darrens Schreibtisch, als ich Schritte im Flur hörte und aufsah. Da ging jemand vorbei, sah aus wie Darren. Verwirrt trat ich an die Tür... und lief in die Person hinein.

„Nanu, wer bist denn du?“

Ich sprang sofort einen Schritt zurück und sah auf. Er sah aus wie Darren, klang wie Darren... er trug andere Kleidung. Und irgendwas war noch anders.

Fragend legte er den Kopf schräg. „Du bist ein bisschen dünn.“

Automatisch legte ich die Arme um mich. „Das sagt Darren auch immer.“

„Sind das Blutergüsse?“ Nun sah er genauer hin. „Hat man dich geschlagen? Sieht ja ziemlich schlimm aus. Soll ich mir das mal ansehen?“ Ohne auf eine Antwort zu warten stellte er sein Gepäck ab und kam auf mich zu.

Ich wich mit großen Augen zurück.

„Keine gute Idee.“, ertönte plötzlich eine Stimme hinter ihm.

Neben Darrens Double tauchte nun der richtige Darren auf, stellte eine Flasche Mineralwasser und zwei Gläser auf den Tisch und zog mich dann zu sich.

„Und warum nicht?“, fragte der andere Junge.

„Sie ist scheu.“

„Scheu?“ Ein Paar Meerblaue Augen richteten sich auf mich.

Unsicher rückte ich an Darren heran. Dann fiel es mir auf. Blaue Augen. Der Junge hatte blaue Augen. Darrens waren grün. Den blauäugigen kannte ich nicht, konnte ich noch nicht trauen.

„Wer-wer ist das?“, fragte ich leise und sah zu Darren auf.

„Das ist mein Cousin.“, antwortete er und sah auf mich herab. „Schwer in Ordnung, sobald man ihn besser kennen gelernt hat.“

Sein blauäugiger Cousin hielt mir die Hand hin. „Ich bin Tai. Und du?“

Zögerlich streckte ich die Hand aus und ergriff seine. „Alisson.“

„Freut mich dich kennen zu lernen, Alisson. Scheint als würden die Gerüchte stimmen.“

Ich zog die Hand schnell wieder zurück. „Gerüchte?“

Tai grinste Darren an. „Unsere Onkel und Tanten tratschen gerne. Es hieß Darren hätte eine Freundin. Eine ziemlich hübsche Freundin. Stimmt es, dass du noch nie Kuchen gegessen hast?“

„Bevor ich Darren kennen gelernt habe... Ja, das stimmt.“

„Wow. Wo hast du sie aufgetrieben? Kein Wunder, dass sie so dürre ist.“

„Nicht dürre.“, entgegnete Darren, „Nur unterernährt. Und ich habe sie an meiner Schule kennen gelernt.“

„Ach so? Gibt es da noch mehr von ihr?“

„Nein. Alisson ist einzigartig.“

Tai lachte leise. „Dachte ich mir schon. Jemanden wie dich hab ich bisher noch nicht gesehen.“, erklärte er dann an mich, „Naja, ich werde dann mal meine Sachen in mein neues Zimmer bringen. Ich komm gleich nochmal wieder.“ Er zwinkerte mir noch kurz zu und verließ dann wieder das Zimmer.

„Vielleicht sollte ich die Tür lieber zu machen.“, meinte Darren und sah mich fragend an.

Als ich darauf nur nickte schloss er dir Tür und zog mich dann wieder sanft zur Couch.

„Komm, du sagtest, du hättest Durst. Trink lieber etwas, bevor Tai wieder da ist. Er klopft selten an.“

Er goss mir etwas Wasser ein und hielt mir dann das Glas hin, woraufhin ich das Glas in einem Zug leerte und es ihm dann bittend wieder hinhielt. Mit einem amüsierten Lächeln füllte er nach. Das wiederholte sich so lange, bis mein Durst gestillt war. Dann zog er mich bereits wieder an eng sich und vergrub sein Gesicht an meinem Hals. Ich dagegen wurde Rot über die Position. Er hatte ein Bein angewinkelt, sodass ich zwischen seinen Beinen saß. Dann hatte er es wieder ausgestreckt, sodass er entspannt da saß und ich ganz nahe bei ihm war.

„Tai sieht dir ziemlich ähnlich.“, bemerkte ich irgendwann.

„Ich weiß. Lediglich seine Augenfarbe unterscheidet ihn äußerlich von mir.“ Seine Nase glitt über meinen Hals.

„Darren, das kitzelt.“, beschwerte ich mich amüsiert und zog aus Reflex die Schulter etwas hoch.

Ich spürte sein Grinsen an meinem Hals, bevor er sich daran hinauf küsste und an meinem Ohrläppchen knabberte. Unwillkürlich begann ich zu kichern, woraufhin er leise lachte und mein Gesicht zu sich drehte, um mich zu küssen.

„Es hört sich so schön an, wenn du dieses Geräusch machst.“

„Und es fühlt sich ganz komisch an, wenn du das machst.“

„Was? Das hier?“ Wieder nahm er mein Ohrläppchen zwischen die Zähne. Ich schrie leise auf und er lachte erneut auf, küsste mich einige Male auf den Hals und dann wieder auf den Mund. „Wenn du nochmal schreist, denkt man noch ich würde dir etwas antun.“, bemerkte er amüsiert.

„Was du natürlich nie tun würdest.“

„Kommt ganz darauf an, was ich dir antun möchte.“

Ich hob die Brauen.

„Naja... wenn ich dir mich antun möchte, dann würde ich es immer tun.“ Er drückte mich etwas fester an sich. „Oder wenn ich dir meine Küsse antue. Oder meine Fürsorge. Meine Angst um dich.“ Er begann zu grinsen. „Oder meine schmutzigen Fantasien.“

Ich wurde rot. „Fantasien?“

„Ja. Das Bett spielt da eine ziemlich große Rolle.“

„Darren!“

Zum dritten Mal lachte er und küsste mich erneut, diesmal länger, inniger. Mit einem leisen Seufzen lehnte ich mich an ihn, seine Brust in meinem Rücken und legte ihm eine Hand in den Nacken, als er mir eine an den Hals legte. Seine andere Hand legte er flach auf meinen Bauch, ließ sie ganz langsam etwas hinab wandern, um sie unter mein Shirt auf meine Haut zu legen. Meine andere Hand legte sich auf seinen Unterarm. In dem Moment, indem Darren mich umdrehen wollte, wurde die Tür geöffnet.

„Da bin ich!“, rief Tai gut gelaunt aus und beachtete es nicht, dass er Darren und mich gerade gestört hatte.

Schnell lösten wir uns voneinander, doch Darren ließ nicht zu, dass ich von ihm abrückte.

„Scheint euch ja prächtig zu amüsieren.“, bemerkte sein Cousin und machte es sich auf dem Sitzkissen gemütlich.

„Tai, kannst du das nächste Mal bitte anklopfen?“, bat Darren geduldig.

„Ich versuche das nächste Mal daran zu denken. Jetzt erzähl mal, lief der Umzug gut?“

Darren seufzte leise. „Ziemlich stressig, aber zum Glück ohne Probleme. Was macht Nadia?“

„Wachsen und alles in den Mund nehmen, was sie mit ihren kleinen Händen in die Finger kriegt. Das mein ich ernst. Kurz bevor ich gegangen bin, hat sie sich an tatsächlich an dem Kondom vergriffen, das auf meinem Nachttisch lag. Sieh mich nicht so an. Ich hab vergessen es in die Schublade zu tun.“

Ich hörte bereits, wie Darren kurz Luft holte um etwas zu erwidern, als er dann plötzlich starr wurde. Dann sah er auf mich herab. „Sag mal Alisson... Ähm... verhütest du eigentlich?“

Ich lief tief rot an. „Ich bekomm eine Spritze.“, murmelte ich leise.

Er entspannte sich wieder. „Gut.“ Dann zog er mich nochmals enger an sich und bettete seinen Kopf auf meiner Schulter.

„Warum fragst du sie?“, wunderte sich Tai, „Hast du etwa keine?“

„Doch. Es ist nur... Mmmmh... Sie... Ich...“

Er war hin und hergerissen, sah aufmerksam zu mir herüber. Dann berührte er einen Bluterguss auf meiner Wange. Tai machte große Augen, saß im nächsten Moment aufrecht auf dem Kissen.

„Sie wurde doch nicht etwa... Wurde sie?“

Ich griff nach Darrens Armen.

„Oft.“, antwortete Darren knapp.

Drei kleine Buchstaben. Tai sah mich fassungslos an. „Sind davon auch... die... Blutergüsse?“

„Mmmh... Alisson möchte nicht, dass irgendjemand davon erfährt. Erst musste ich alles selbst aus ihr heraus kitzeln. Dann... hab ich es gesehen.“ Seine Stimme brach, er drückte mir einen Kuss auf den Hals.

„Du hast es gesehen und nichts unternommen?“

Schnell schüttelte ich den Kopf, drängte mich näher an Darren. „Das darf er nicht tun.“

„Ich würde ja gerne.“, entgegnete Darren, „Wenn ich überhaupt könnte.“

Tai sah einige Male zwischen uns hin und her, bevor sein Blick sich schließlich bei mir festsetzte. „Wer tut das denn?“

„Er ist nicht schlecht.“, entgegnete ich sofort und drängte mich an Darren, der die Arme enger um mich legte. „Wirklich nicht.“

Tai sah mich skeptisch an. „Bist du dir sicher?“

„Ja. Darren weiß es. O-oder?“

„Es liegt am Alkohol. Und davon trinkt er offenbar jede Menge.“

„Wer?“, wollte Tai erneut wissen.

Ich sagte nichts, ließ mich nur von Darren beruhigend umarmen.

„Ihr Vater.“, meinte dieser schließlich.

„Großer Gott.“, hauchte sein Cousin fassungslos.

Wir hörten, wie die Haustür geschlossen wurde. Offenbar war Mr. Hawkins zurück. Ich löste mich zaghaft von Darren.

„Ich gehe kurz ins Bad.“

„Geht es dir gut?“, fragte er besorgt.

„Alles in Ordnung. Mein Knöchel tut nur etwas weh.“

„Soll ich dich stützen?“

Ich schüttelte den Kopf. „Das geht schon. Danke.“

Mit diesen Worten ging ich, leicht hinkend, rüber ins Bad. Vielleicht hätte ich weniger Wasser trinken sollen. Kurz darauf betätigte ich die Toilettenspülung, wusch mir die Hände und sah in den Spiegel. Ich sah schlimmer aus, als ich vermutet hatte. Auf Wangen und Kiefer waren Blutergüsse verteilt und an meiner Stirn hatte ich eine Beule. Mit einem Schlucken sah ich mich kurz um und entdeckte einen großen Spiegel neben der Dusche. Ich stellte mich davor und zog zaghaft mein Shirt hoch. Viele große und kleine Blutergüsse, waren zu sehen. Ich sah aus wie ein Dalmatiner, nur mit farbigen Flecken, statt mit schwarzen. Dann fiel mir noch auf, dass ich auch am Hals Flecken hatte. Um das ganze Ausmaß meiner Verletzungen sehen zu können, zog ich mir mein Shirt ganz aus und betrachtete mich erneut. Die Flecken zogen sich über meinen gesamten Oberkörper. Und auch auf meinem Rücken waren sie verteilt.

Dann entdeckte ich Flecken nahe meines Unterleibes und erinnerte mich daran, wie mein Vater mich dort getreten hatte. Falls ich Glück haben sollte, konnte ich noch Kinder kriegen. Doch wenn nicht... Tränen rannen mir über die Wangen. Er hatte mich bereits beinahe umgebracht. Zeugungsunfähig zu sein wäre eine Bürde, die ich nicht tragen wollte. Schon als Kind hatte ich davon geträumt Kinder zu bekommen und sie so liebevoll aufzuziehen, wie sie es verdient hatten. Aber es bestand die Gefahr, dass das nun nicht mehr möglich war.

Ein Schluchzen kam über meine Lippen.

Denk an Darren.

Er blieb bei mir, würde immer bei mir bleiben, mir nie wehtun. Er hatte mit eigenen Augen hautnahe gesehen was mir passierte und dennoch blieb er bei mir, wollte mich schützen. Ich würde jedoch nie auf die Idee kommen, dass er sich jemals in mich verlieben würde. Zerschunden, beschmutzt und viel zu dünn, zerbrechlich, wie ich war.

„Alisson?“

Ich zuckte zusammen und zog mir schnell wieder mein Shirt an, als Darren an der Tür klopfte und erneut nach mir rief.

„Ist alles in Ordnung?“

„Ja.“, antwortete ich mit zitternder Stimme und öffnete die Tür.

„Was ist? Du weinst.“ Sanft strich er mir eine Strähne aus der Stirn.

„Ich hab nur an etwas gedacht.“, antwortete ich und verkroch mich an seiner Brust.

„Verstehe.“ Er zögerte kurz. „Du trägst dein Shirt falsch herum.“

Verwundert sah ich an mir herab. Es war nicht nur umgekrempelt, sondern auch mit der Rückseite vorn. Mit einem leisen Seufzen trat ich wieder ins Badezimmer und zog mir das Shirt aus, um es umzukrempeln. Darren folgte mir hinein und zog mich in die Arme, bevor ich es wieder anziehen konnte.

„Hast du dir die Flecken angesehen?“, fragte er neugierig.

Zaghaft nickte ich. „Ich... dachte ich hätte weniger. Er hat weniger zugeschlagen als sonst. Ich glaube, er hatte weniger Lust zu schlagen, als- … Du weißt schon.“

Kleine Küsse auf meiner Schulter. „Denk nicht darüber nach.“

„Aber... In Ordnung.“

„Gut. Komm, zieh das wieder an.“

In dem Moment, als ich das Shirt über meinen Kopf hob, um hinein zu schlüpfen, hörte ich einen Pfiff an der Badezimmertür.

„Sieht ja wirklich schlimm aus. Abgesehen von den Brüsten.“

Ich zuckte zusammen und konnte gerade noch einen kurzen Blick auf Tai werfen, bevor Darren sich vor mich schob, um mich abzuschirmen. Schnell zog ich mir das Shirt an und zog es zurecht, bevor ich Darrens Hand nahm.

„Kannst du aufhören, sie anzustarren?“, bat Darren und ließ meine Hand los, um sie mir auf die Hüfte zu legen.

Tai lächelte schräg. „Wenn ich eine ziemlich schöne Frau ohne Shirt sehe, sprich im BH, dann kann ich doch nicht einfach weggucken. Besonders dann nicht, wenn sie so hübsche Brüste hat.“

„Tai.“ Eine kleine Warnung.

„Ist ja schon gut. Beim nächsten Mal versuch ich wegzusehen, okay?“

Sein Cousin seufzte tief. „Komm Alley. Wie wäre es mit einem kleinen Snack?“

Ich blinzelte verwirrt. „Haben wir nicht erst etwas gegessen?“

„Das war vor Stunden. Außerdem musst du zunehmen.“

„Da muss ich meinem Cousin zustimmen.“, bemerkte Tai und begleitete uns, als Darren mich nach unten führte. „Wie viel isst du eigentlich?“

„Äh...“ Ich begann zu überlegen.

„Das war eine rhetorische Frage.“

„Oh.“

In der Küche war Mr. Hawkins gerade dabei den Rest des Einkaufs weg zustellen.

„Hallo Onkel Dorian.“, begrüßte Tai ihn mit einem Lächeln.

Mr. Hawkins sah überrascht auf und lächelte Tai dann an. „Hallo Tai. Bist du gut angekommen?“

„Ja. Der Flug war etwas lang, aber mein Bett ist gemütlich. Und außerdem wurde ich ja auch ganz gut empfangen.“ Er grinste mich an und zwinkerte mir zu.

Darren warf ihm kurz einen finsteren Blick zu, bevor er zwei kleine Becher mit einer hellgrünen Substanz nahm, zwei Löffel aus der Schublade holte und sich dann mit einer kurzen Erklärung wieder aus der Küche verzog. Dafür führte er mich in ein Wohnzimmer und zog mich auf seinen Schoß, als er sich auf die Couch setzte.

„Stört es dich, wenn ich dich füttere?“, fragte er, als er einen der Becher öffnete.

„Nein.“, antwortete ich und sah ihm aufmerksam zu. „Was ist das?“

„Wackelpudding. Mit Waldmeistergeschmack.“ Er nahm einen Löffel, nahm etwas von dem Pudding darauf und hielt ihn mir an den Mund. Ich probierte zaghaft.

„Das ist lecker.“, meinte ich dann auf seinen fragenden Blick.

Er lächelte schräg und hielt mir den nächsten Löffel an den Mund. „Es macht Spaß dich zu füttern.“

„Ach ja?“

Sein Mundwinkel zog sich etwas höher. Als er mir den nächsten Löffel an den Mund hielt, zog er ihn weg, als ich essen wollte. Er lachte leise, hielt ihn mir wieder hin und zog ihn dann wieder weg.

„Darren.“, beschwerte ich mich.

„Ich hab eine Idee.“, meinte er nur darauf und nahm den Löffel an meiner Stelle in den Mund. Dann küsste er mich. Mit Zunge, flößte mir den Pudding ein.

Ich lehnte mich an ihn, woraufhin er sich mit einem Lächeln wieder von mir löste.

„Wenn du so anfängst, dann nimmt es wieder kein Ende.“, tadelte er mich sanft und hielt mir den nächsten Löffel an den Mund.

Brav aß ich weiter, lehnte mich aber dennoch an ihn und legte ihm eine Hand an die Brust. Er fütterte mich fleißig weiter, bis der Becher leer war. Dann küsste er mich, lange und leidenschaftlich... bis ich wieder zu gierig war.

„Jetzt mal ehrlich.“, ertönte plötzlich neben uns Tais Stimme.

Darren, der mich bereits auf die Couch gedrückt und sich auf mich gelegt hatte, hob den Kopf und sah zu seinem Cousin. Dann seufzte er tief.

„Das sieht verdammt heiß aus.“, fuhr Tai fort, „Hattet ihr schon Sex? Ich meine... Wow. Ich hab dich noch nie so mit einem Mädchen knutschen sehen. Würde mich da nicht wundern, wenn ihr schon welchen gehabt hättet. Wie kriegst du das hin, ohne sie gleich auszuziehen?“

„Tai.“, warnte Darren halblaut.

„Hey, ich freu mich für dich, Cousin. Aber nur so nebenbei... wenn ihr Schluss macht... gibst du mir dann ihre Nummer?“

Darren schloss die Augen und sah entschuldigend auf mich herab. „Tut mir leid. Er macht so was eigentlich nicht. Wenn du möchtest, verhau ich ihn deshalb.“

„Ist ja schon gut.“, wehrte Tai ab, „Ich wollte eigentlich nur fragen, ob ihr Lust habt euch mit mir einen Film anzusehen.“

„Hatte ich heute Abend sowieso vor.“, antwortete Darren und sah wieder zu ihm auf.

„Super... ich hol einen Film.“

„Ich meine heute Abend.“

„Spaßverderber. Wo ist eigentlich Rocky?“

„Im Garten.“

„Und wie lange willst du noch so auf ihr liegen?“

Darren hob eine Braue, sah aus dem Augenwinkel zu mir herab, bevor er wieder zu Tai sah. „Neidisch?“

„Man, ja.“, entgegnete Tai grinsend, „Ich will auch knutschen.“

„Was ist mit deiner Freundin?“

Das Grinsen wurde etwas schwächer. „Sie hat Schluss gemacht. Sie sagt, sie hätte einen anderen kennen gelernt und sich in ihn verliebt. Deshalb bin ich hier. Dann sehe ich sie nicht jeden Tag.“

„Hab mich schon gefragt, warum du so viel flirtest.“

Tai schmunzelt leicht. „Naja, mit Alisson würde ich auch flirten, wenn ich vergeben wäre. Sie ist so süß, wenn sie rot ist.“

Meine Wangen wurden heiß. Darren küsste mich kurz. Dann sah er wieder zu Tai.

„Und was hast du jetzt vor?“, fragte er ihn.

„Ich hab einen netten Job hier in der Nähe angenommen. Ich werde sie einfach vergessen... und dann mal sehen. Vielleicht ändert Alisson ja ihre Meinung und lässt sich lieber mit mir ein.“

Darren schüttelte leise lachend den Kopf. „Ich hoffe nicht. Ich will dir nur ungern wehtun.“

„Nein, ich bin froh, dass ihr euch habt. Ich werde mich einfach umsehen. Vielleicht ist hier ja irgendwo ein hinreißendes Mädchen, dass nach jemandem wie mir ruft.“

„Miranda hat Glück, dass sie vergeben ist.“, flüsterte ich leise.

Darren brach in Gelächter aus.

„Was?“, wollte Tai wissen, „Was hat sie gesagt?“

Darren erzählte ihm schnell von Miranda und wiederholte dann was ich gesagt hatte, woraufhin Tai mich amüsiert ansah.

„Freche Göre.“, meinte er belustigt an mich, „Ich mag dich.“

„Danke.“, antwortete ich schüchtern, „Ich dich auch. Ein bisschen.“

„Schön zu sehen, dass ihr Freundschaft geschlossen habt.“, meinte Darren dazwischen, „Können wir jetzt weiter knutschen?“

„Lasst euch von mir nicht stören.“, meinte Tai darauf und holte sein Handy heraus, richtete wenig später die kleine Kamera auf uns. „Okay, legt los.“

„Tai.“

„War doch nur ein Scherz. Hab nur einen kleinen Schnappschuss gemacht.“ Er steckte das Handy wieder ein und stand auf. „Viel Spaß. Ich sehe mich mal draußen ein bisschen um.“

 

Tai

Die Hände tief in die Hosentaschen vergraben ging ich die Straßen entlang. Ich mochte Spaziergänge, hatte geplant einmal um den Block zu gehen und dann vielleicht ein wenig in den Park, von dem Tante Ellen gesprochen hatte.

Als ich in die Straße einbog, die parallel zu der verlief in der Darren wohnte, sah ich mich ein bisschen um. Nach einigen Häusern fiel mir ein Mann auf, der auf der Veranda saß, ein Bier in der Flasche. Er war groß, scheinbar sportlich gebaut, dunkles Haar. Ich wusste nicht, warum er mir auffiel. Da war nichts Besonderes.

„Hey, was willst du?“, wollte er wissen, als er mich sah. „Wenn du ärger machen willst, rate ich dir dich zu verziehen.“

„Nein Sir. Ich wollte mich nur ein bisschen umsehen.“

„Ja ja. Wenn du ein dürres Mädchen mit langen, dunklen Haaren siehst, die auf den Namen Alisson hört... sag ihr sie soll verflixt nochmal nach Hause kommen.“

„Sind Sie ihr Vater?“

„Wer soll ich sonst sein?“

Ich hob die Schultern. „Könnte ja sein, dass Sie ein Bekannter sind.“

„Falsch gedacht, Bursche.“

„Und warum soll sie nach Hause kommen? Hat sie was verbrochen?“

„Das hat dich nichts zu interessieren. Das verfluchte Drecksweib soll nur nach Hause kommen. Jetzt verzieh dich.“

Wortlos wendete ich mich ab und ging weiter. War das wirklich Alissons Vater? Darrens Alisson? Nein, das musste jemand anderes sein. Jemand, deren Tochter zufällig auch Alisson hieß.

„Hey, warte mal Bursche.“

Ich blieb stehen und drehte mich wieder um.

„Bist du nicht der Junge, mit dem sie sich in letzter Zeit immer trifft? Dieser... Darren?“

Er meint Darrens Alisson. Verdammt, das ist ihr Vater?

„Sie verwechseln mich mit jemandem. Ich bin erst heute hergezogen. Mein Name ist Tai.“

Er brummte miss gelaunt und hob das Bier wieder an seinen Mund. Ich dagegen wendete mich wieder ab und ging weiter. Tief erschüttert, dass es tatsächlich ihr Vater war, suchte ich den Park und setzte mich dort auf eine Bank. Kurz darauf bemerkte ich ein Mädchen, das geradewegs auf mich zukam. Ein kurzer Blick und ich wusste, dass sie nicht mein Fall war. Ihr Gesicht war voll von Makeup, der BH mit Sicherheit gepuscht und ich konnte in ihren Haaren die Ansätze von Extension erkennen. Außerdem wiesen die Ansätze ihrer richtigen Haare darauf hin, dass sie gefärbt waren und offenbar eigentlich ziemlich dunkel waren, statt so blond, wie sie im Moment aussahen.

„Hallo Darren.“, begrüßte sie mich lächelnd und setzte sich neben mich. „Wie geht’s dir?“

Ich ignorierte die Tatsache, dass sie mich mit meinem Cousin verwechselte. „Ganz passabel.“

„Wie geht es deiner Alisson? Weißt du da was? Die ganze Schule fragt sich, warum sie die letzten Tage nicht da war.“

Offenbar wusste niemand davon, dass ihr Vater sie misshandelte. Ich wollte es auch niemandem verraten. „Das geht dich nichts an.“

„Weißt du, das Angebot steht noch.“

„Angebot?“, hakte ich nach.

Sie lehnte sich anzüglich an mich. „Ja, du weißt doch. Lass die Verrückte einfach stehen. Bei mir bekommst du alles, was du haben willst.“

Ich musterte sie ein zweites Mal, diesmal sichtbar skeptisch, und stand auf. „Tut mir leid. Ich steh auf natürliche Frauen. Ach übrigens... ich bin Darrens Cousin Tai. Lass die Finger von ihm. Er ist glücklich mit Alisson.“

„Das Mädchen hat nicht mehr alle Tassen im Schrank.“, gab sie zu bedenken, „Sie ist ins Mädchenklo geflüchtet, als sie gesehen hat, das Darren neben ihr sitzt. Man sagt, sie sei einer psychiatrischen Klinik entlaufen. Die ist nicht mehr ganz richtig im Kopf.“

„Du kennst sie nicht.“, entgegnete ich, „Alisson hat ein schweres Leben und muss viele grausame Dinge aushalten. Du hast nicht einmal eine Vorstellung davon wie sie eigentlich ist. Die Einzige, die nicht mehr ganz richtig im Kopf ist, bis du. Halt dich von ihr fern. Von beiden.“

„Du schützt sie auch noch? Ist sie mit euch zwei ins Bett gegangen oder so? Seid ihr geblendet von ihren Brüsten?“

„Ich weiß nicht wie du heißt und ich will es auch gar nicht wissen. Aber im Gegensatz zu dir hat Alisson eine gewisse Ehre und Stolz. Wag es nicht noch einmal so über sie zu reden, sonst bekommst du es mit mir zu tun, verstanden?“

„Sie ist mit dir wirklich ins Bett gestiegen! Kaum zu glauben!“ Sie lachte auf. „War sie auch mit euch beiden gleichzeitig im Bett?“

Es passierte ganz von allein. Ehe ich mich versah sah sie mich mit großen Augen an und hielt sich die Wange, die begann rot zu werden.

„Rede nie wieder so von Alisson. Hast du mich verstanden?“

Ohne auf eine Antwort zu warten wendete ich mich ab und ging weg. Innerlich regte ich mich wahnsinnig darüber auf, dass jemand Alissons Namen so in den Dreck zog. Ich kannte sie vielleicht nicht lange, aber ich sah, dass sie litt. Und ich sah auch, dass sie Darren glücklich machte. Und plötzlich begann ich schräg zu grinsen.

Die zwei hatten garantiert noch keinen Sex.

Von diesem Gedanken amüsiert lachte ich leise und setzte mich auf eine andere Bank, als ich mir sicher war, dass dieses Mädchen weit genug von mir weg war. Doch nur wenige Minuten später tauchte ein anderes Mädchen auf.

„Störe ich gerade?“, fragte sie höflich und beugte sich etwas vor, um mich anzulächeln. Dann hielt sie kurz inne, sah mir in die Augen und hielt mir dann die Hand hin. „Ich bin Miranda und du siehst aus wie Darren. Aber Darren hat grüne Augen.“

Einen Moment zögerte ich, schüttelte ihre Hand dann aber und lächelte freundlich. „Ich bin Tai. Sein Cousin.“

„Ah, ja das erklärt alles. Ich kenne Darren, wir gehen in dieselbe Klasse.“

„Kennst du auch Alisson?“

„Alley? Oh ja. Die zwei sind ja kaum noch zu trennen.“ Sie lächelte ein wenig. „Darf ich mich zu dir setzen?“

„Ja klar.“

Sie ließ sich neben mir nieder, achtete jedoch darauf eine gewisse Distanz zwischen uns zu behalten. „Mein Freund sieht es nicht gern, wenn ich zu nahe bei einem anderen Jungen sitze.“, erklärte sie, als sie meinen Blick sah.

„Ist er denn in der Nähe?“

„Ja. Er ist da hinten, bei den anderen Jungs und sieht ständig hier rüber.“ Sie winkte jemandem zu. Als ich ihrem Blick folgte, entdecke ich eine kleine Gruppe, aus denen ein Junge zurück winkte. „Du hast Alisson also auch schon kennen gelernt?“

„Ja. Sie übernachtet bei Darren. Ich bin heute bei ihnen eingezogen.“

„Sie übernachtet bei ihm? Wow. Das hätte ich jetzt nicht erwartet. Oh, tut mir leid, das kam vielleicht falsch rüber. Ähm... Ich kenne Alisson jetzt schon ein paar Jahre und bisher hat sie nie jemanden nahe an sich heran gelassen. Und dann tauchte Darren auf. Dann kam sie nach einem Wochenende in die Schule und plötzlich... hielten sie Händchen und knutschten auf dem Pausenhof herum.“ Sie verzog ein wenig das Gesicht. „Sie hat ziemlich schlimm ausgesehen. Überall blaue Flecken, beide Augen blau, ihr ganzer Hals, sie hatte eine aufgeplatzte Lippe und kleine Verletzungen auf der Hand. Die war ganz blau. Ich möchte nur zu gern wissen, was ihr immer passiert.“

„Und sie möchte nicht, dass du es weißt?“

„Ja. Darren weiß es natürlich. Du wahrscheinlich auch noch.“

Ich lächelte matt. „Irgendwie wünsche ich mir, ich hätte es nicht erfahren.“, entgegnete ich, „Es ist grausam und schockierend. Wenn man daran denkt, dreht sich einem der Magen um.“

„Verstehe. Wie hast du es erfahren? Mir sagt sie es nicht.“

„Es war eigentlich eher ein Zufall. Ich hab es quasi erraten und Darren hat ein paar Einzelheiten genannt. Bist du mit Alisson befreundet?“

„Wenn man das so nennen darf. Sie redet nicht oft mit mir. Schon gar nicht darüber. Warum bist du hergezogen?“

„Meine Freundin hat Schluss gemacht.“, antwortete ich darauf nur.

„Und jetzt suchst du eine andere?“

„Vielleicht nicht jetzt gerade. Ich bin ja erst vor wenigen Stunden hier angekommen. Nein, ich arbeite jetzt erst einmal eine Weile, versuche sie zu vergessen und dann sehe ich mich mal um.“

„Ich verstehe. Naja, wenigstens bist du nicht wie die vielen anderen Typen und springst von einer Beziehung in die nächste.“

Ich verzog das Gesicht. „Diese Typen kann ich nicht leiden. Frauen muss man mit Respekt behandeln. Sie haben ehrliche Liebe genauso verdient wie Männer.“

Miranda lächelte leicht. „Genauso sehe ich das auch. Es hat lange gedauert, bis ich Dave gefunden habe.“

Als ein Junge auf uns zukam, lächelte sie noch mehr und stand auf, um ihm entgegen zu kommen. Sie küssten sich liebevoll, dann zog sie ihn sanft an der Hand zu mir.

„Dave, das hier ist Tai.“, stellte sie mich vor, „Er ist Darrens Cousin. Tai, das ist Dave. Der wundervollste Junge, den ich je kennen gelernt habe.“

Sie lächelte ihn warm an, woraufhin er ebenso warm zurück lächelte und ihr einen Kuss auf die Stirn drückte. Dann reichte er mir die Hand.

„Freut mich dich kennenzulernen.“, begrüßte er mich freundlich.

„Mich ebenso.“, entgegnete ich höflich, „Allzu lange kann ich aber auch nicht mehr bleiben. Darren und Alisson können die Finger nicht voneinander lassen. Irgendjemand muss ja ein Auge auf die zwei haben.“

„Sind sie jetzt offiziell zusammen?“, fragte Miranda neugierig.

„Waren sie es etwa nicht? Kommt mir so vor, also gehe ich davon aus, dass es so ist. Ich sollte jetzt aber wirklich los. Ich will euch nicht weiter stören und Tante Ellen hat sicher bald das Abendessen fertig. Ich bin neugierig, wie das wohl mit Alisson aussieht.“

Miranda lächelte schräg. „Das würde ich gern miterleben. Leider zu schön. Ich wünsche dir noch einen schönen Abend, viel Erfolgt bei der Arbeit und Glück bei der Suche.“

„Danke, die werde ich sicher gebrauchen können. Man sieht sich.“

Ich verabschiedete mich von beiden und machte mich gemütlich auf den Weg nach Hause, wobei ich einen kleinen Umweg machte, zum einen, um Alissons Vater nicht erneut zu begegnen. Zum anderen, um noch ein bisschen länger spazieren gehen zu können.

 

Alisson

Gierig fiel ich über Darren her, küsste ihn hingebungsvoll und glitt mit den Händen unter seinem Shirt über seine Brust. Wir waren nach dem zweiten Becher wieder in sein Zimmer gegangen, wo er sich wieder mit mir unterhalten hatte und gleichzeitig ein wenig mit mir kuschelte. Irgendwann hatte er angefangen mir kleine Küsse zu geben, bevor er nachgegeben und mich inniger geküsst hatte.

Nun lagen wir auf der Couch, küssten uns leidenschaftlich und berührten uns, wo wir nur konnten. Seine Hand fand meine Brust, glitt unter mein Körbchen und berührte sie auf eine Art, die mich leise zum Stöhnen brachte, massierte, streichelte. Eine meiner Hände glitt auf seinen Rücken, hielt ihn dort fest, als er sich zu meinem Hals hinab küsste, wie er es bereits einige Male getan hatte. Diesmal glitt sein Mund ein wenig tiefer, küsste mit heißem Atem mein Schlüsselbein, dann den Ansatz meiner Brüste, der gerade noch zu sehen war. Im nächsten Moment legte er seine Lippen wieder auf meine.

„Großer Gott, Alisson. Wenn du wüsstest, was ich jetzt gern alles mit dir anstellen würde.“ Die Worte waren nur ein Hauchen, doch ich hörte sie trotzdem.

„Darren.“, flüsterte ich mit einem leisen Stöhnen.

„Darf ich dir dein Shirt ausziehen?“

Ein wenig Angst regte sich in mir. „Nein.“

Er stöhnte, leicht frustriert, küsste mich aber weiter. „Ich tu dir nichts. Das weißt du.“

„Nein.“, wiederholte ich, „Ich... ich bin noch nicht bereit dafür... glaube ich.“

Ein Schmunzeln tauchte in seinem Gesicht auf. Dann fand seine Zunge wieder die meine. Nun glitt auch meine zweite Hand auf seinen Rücken, streichelte ihn, während die andere mich an ihn klammerte.

„Den BH ziehe ich dir nicht aus.“, meinte er schließlich, „Nur das Shirt. Bitte?“

Ich zögerte etwas, während sein Mund über meinen Hals wanderte und sich erneut meinem Dekolletee widmete. „Okay.“, hauchte ich schließlich leise.

Er stöhnte auf, küsste mich wieder auf den Mund und ließ seine Hände an meinem Bauch hinab wandern. Am Saum meines Shirts bewegten sie sich wieder hinauf, schoben das Shirt vor sich her. Ich gab ein unwilliges Geräusch von mir, als ich die Hände zurückziehen musste, damit er mir das Shirt ausziehen konnte. Dann setzte er sich auf und sah lange auf mich herab, betrachtete mich eingehend.

„Du bist wunderschön.“, flüsterte er bewundernd, „Einfach wunderschön.“

Ich zupfte an seinem Shirt. „Ziehst du deins auch aus?“, fragte ich schüchtern.

Er lächelte schräg und zog sich mit einer schnellen Bewegung das Shirt über den Kopf. Als er meinen Blick sah, der sich über seinen ganzen Oberkörper bewegte, lächelte er etwas mehr und beugte sich zu mir herab, um mich wieder zu küssen. Ich berührte alles an ihm, was ich erreichte. Seine Brust, seine Schulter, seinen Rücken. Ebenso wie er mich berührte. Irgendwann löste er sich schwer atmend von meinem Mund und rutschte etwas an mir herab.

„Ich möchte dir etwas zeigen.“, erklärte er mit einem Lächeln auf meinen Blick und senkte den Mund wieder auf mein Schlüsselbein.

Mein Atem, der ohnehin schon schwer ging, begann zu stocken, als er tiefer glitt. Nicht zum Brustansatz, nein. Er vergrub sein Gesicht zwischen meinen Brüsten, küsste die Haut, glitt leicht mit der Zunge darüber. Dann glitt sein Mund über die Haut meiner linken Brust. Ich sog den Atem scharf ein, seine Finger griffen nach dem Rand des Körbchens und...Tai unterbrach uns, indem er klopfte. Doch es war nur eine Warnung, um anzukündigen, dass er herein kam. Direkt nach dem Klopfen riss er bereits die Tür auf und schloss sie fröhlich pfeifend hinter sich. Darren griff nach einer Decke, die über die Rückenlehne lag, und bedeckte mich schnell damit, bevor Tai sich umdrehte und sich auf das Sitzkissen setzte.

„Da bin ich wieder.“, verkündete er mit einem Lächeln und zog überrascht die Brauen hoch, als er uns sah. Dann stieß er ein weiteres Pfeifen aus. „Hab gerade ziemlich gestört, oder? Wie weit wart ihr schon? Ich meine, du trägst kein Shirt mehr und sie...“ Er hob mein Shirt vom Boden auf. „Offenbar auch nicht.“

„Tai.“, stieß Darren warnend hervor.

„Ich hab geklopft.“, verteidigte er sich sofort.

„Könntest du vielleicht auch warten, bis man dich hinein bittet?“

„Ich werde versuchen dran zu denken.“ Er machte es sich gemütlich. „Also... Wollt ihr euch nicht hinsetzen?“

Mit einem tiefen Seufzen setzte Darren sich auf, zog mich mit sich und dann an sich heran, wobei er aufmerksam darauf achtete, dass die Decke immer noch alles bedeckte, was bedeckt bleiben sollte. Dann sah er Tai frustriert an.

„Und was willst du nun?“, wollte er wissen.

„Mit euch reden. Hab im Park so ein komischen Mädchen getroffen, die von einem Angebot gesprochen hat, dass sie dir gemacht hat.“ Er verzog das Gesicht. „Sie war grässlich.“

„Ich mag sie auch nicht.“, entgegnete Darren.

Ich sah fragend zu ihm auf.

„Ach... das war so ein Mädchen mit 'nem Haufen Schminke im Gesicht. Ich weiß nicht wie sie heißt. Sie hat ziemlich schlecht von dir gesprochen, also wollte ich auch nicht weiter mit ihr reden.“

„So ging es mir auch.“, stimmte Tai zu, „Die hat vollkommenen Unsinn geredet.“

„Was... was hat sie gesagt?“, fragte ich zögerlich.

Tai zögerte etwas. Dann verfinsterte sich seine Miene. „Sie sagt, es ginge das Gerücht um... du seist einer psychiatrischen Klinik entflohen. Außerdem behauptet sie, du seist... verrückt. Dann fing sie an noch bescheuertere Dinge zu sagen... Da ist mir die Hand ausgerutscht und hab ihr gesagt, sie soll sowohl dich als auch Darren in Ruhe lassen. Danach hab ich eine Freundin von euch kennen gelernt. Miranda. Ziemlich nett.“

„Ja. Miranda ist sehr nett.“, bestätigte ich, „Sie ist auch sehr glücklich mit Dave.“

„Das hab ich gesehen, er war auch im Park. Aber jetzt genug von meinem kleinen Abenteuer. Wollen wir uns den Film ansehen?“

Darren seufzte leise. „Na gut, sonst gibst du ja nie Ruhe.“

Mit einem leisen na endlich erhob sich Tai und verließ das Zimmer. Darren zögerte ein wenig, grinste mich dann aber schelmisch an.

„Wollen wir weiter machen?“

Leise lachend schlug ich ihm leicht gegen die Schulter. „Darren. Er wartet sicher unten. Und wenn wir nicht runter kommen, kommt er nach oben.“

Er murrte. „Du hast Recht. Aber ich kann auch abschließen.“

„Darren.“

Amüsiert grinste er mich an und fischte dann mein Shirt vom Boden. „Schon verstanden. Du möchtest meinem Cousin schöne Augen machen.“

Ich wurde ein wenig rot. „Möchte ich gar nicht. Grüne Augen mag ich lieber.“

Er belohnte mich mit einem kurzen, aber sehr intensivem Kuss. Dann zog er mir mein Shirt wieder an, stand auf und half mir auf die Beine, bevor wir uns auf den Weg hinunter machten. Unterwegs versuchte ich ein wenig Ordnung in meine Haare zu bringen, die Darren in Eifer der Leidenschaft durcheinander gebracht hatte.

Im Wohnzimmer angekommen setzten wir uns auf die Couch, während Tai fragend eine CD-Hülle hoch hielt.

„Was ist das für ein Film?“, fragte ich darauf.

Hachiko. Ein sehr schöner Film. Und sehr traurig. Eigentlich eher was für Mädchen, aber ich hab Darren noch nie heulen sehen.“

Ohne ein weiteres Wort legte er die CD in den DVD-Player und setzte sich zu uns. Wenige Minuten später begann der Film. Anfangs verstand ich nicht, was Tai gemeint hatte. Er war ziemlich schön und herzerwärmend. Ein Mann fand einen Hund auf dem Bahnhof. Ein Akita. Weil sich der Besitzer nicht meldet nimmt er ihn mit nach Hause. Da seine Frau nicht damit einverstanden ist den Hund zu behalten, möchte er ihn verkaufen. Der Mann freundet sich mit dem Hund an und als ein Interessent anruft um den Hund zu kaufen, antwortete die Frau, der Hund habe schon ein neues Zuhause.

Der Mann versuchte dem Hund, Hachi hieß er, das Apportieren beizubringen und weil der Hund das nicht tat, suchte er einen guten Freund auf, einen Japaner. Dieser sagte ihm, dass Akitas nur apportieren, wenn etwas ganz bestimmtes passierte. Was es war, wusste niemand, man musste es selbst herausfinden. Dennoch übte der Mann mit ihm.

Jeden Tag brachte Hachi sein Herrchen zum Bahnhof, weil dieser Professor an einer Universität war. Und jeden Tag holte Hachi ihn auch wieder am Bahnhof ab. Doch irgendwann kam Hachi nicht mit zum Bahnhof und sein Herrchen befürchtete er sei krank, konnte sich jedoch nicht um ihn kümmern, weil er sonst den Zug verpassen würde. Dann, als er gehen wollte, brachte Hachi ihm den Ball. Er apportierte. Der Mann freute sich darüber und nahm den Ball sogar mit zur Uni... wo er dann einen Herzinfarkt erlitt und starb.

In dem Moment dachte ich, das sei das schlimmste, was in dem Film passierte. Doch es wurde noch trauriger, als ich sah, dass Hachi sich dennoch jeden Tag zur selben Uhrzeit zum Bahnhof begab um sein Herrchen abzuholen. Er schlief unter stehenden Zügen, weigerte sich zuhause zu bleiben und kam jeden Tag zum Bahnhof, wartete auf seinem Stammplatz auf sein Herrchen, der jedoch nie kommen würde.

Ich konnte ein Schluchzen nicht unterdrücken und lehnte mich an Darren, der die Arme um mich legte und an sich zog. Sogar er schniefte traurig. Als ich zu Tai sah, stellte ich fest, dass auch er weinte. Seine Wangen waren feucht, die Augen gerötet und seine Unterlippe bebte. Als er meinen Blick bemerkte, räusperte er sich leise und suchte nach einem Taschentuch. Als der Film vorbei war wurde noch ein kurzer Text gezeigt, der besagte, dass der Film auf einer wahren Begebenheit beruhte, bevor noch einige Fakten zum wahren Hachi genannt wurden. Dann war er endgültig vorbei und Tai schaltete den Fernseher aus. Im nächsten Moment stand er auf, durchsuchte eine der Kommode und holte eine Packung Taschentücher hervor. Wortlos reichte er mir zwei Tücher, reichte Darren eins und putzte sich dann selbst die Nase, bevor er sich die Tränen weg wischte.

„Diesen Film sehe ich nie wieder.“, bemerkte ich, als auch ich die Beweise meiner Trauer weggewischt hatte.

Darren lachte leise. „Ich auch nicht.“

„Ganz sicher nicht.“, stimmte Tai zu.

Als Mr. Hawkins herein kam, um etwas ins Regal zu stellen, sah er uns überrascht an. Dann sah er die Hülle auf dem Tisch und seufzte leise.

„Ihr habt euch Hachiko angesehen, hm?“, fragte er halblaut.

Wir nickten wortlos.

„Ich warne Ellen vor. Als sie den Film gesehen hat, hörte sie fast nicht mehr auf zu weinen.“

Ich konnte sie gut verstehen. Auch bei mir liefen noch die Tränen. Darren küsste mich sanft auf die Stirn.

„Es gibt jetzt auch Abendessen.“, bemerkte Mr. Hawkins, „Kommt ihr?“

„Sofort.“, antwortete Tai und streckte sich ein wenig. „Was gibt es zu essen?“

„Einen Auflauf.“

Auflauf. Was ist das? Wie sieht der aus?

Gemeinsam standen wir auf und folgten Mr. Hawkins in die Küche, wo bereits alles bereit stand.

„Ah, da seid ihr ja schon. Ich wollte euch gerade holen.“, bemerkte Mrs. Hawkins, „Ist alles mit euch dreien in Ordnung?“

„Sie haben Hachiko geguckt.“

„Oh. Ja, das ist ein sehr traurig schöner Film. Jetzt setzt euch schnell, bevor es noch kalt wird.“

„Du hast ihn wahrscheinlich gerade erst aus dem Ofen geholt.“, bemerkte Darren, als er mich zu einem Platz führte und sich neben mich setzte. „Also wird es nicht so schnell kalt.“

Sein Vater lachte leise. „Da hat er Recht, Liebling.“

Diese verdrehte sie Augen. „Ja ja.“

Mein Blick fiel auf das Essen, das in der Mitte des Tisches stand. Mir gab Mrs. Hawkins als erstes, weshalb ich das Gespräch nicht weiter mitverfolgte und stattdessen den Auflauf inspizierte, der nun vor mir stand. Die anderen begannen zu essen, ich zerlegte ihn in seine Einzelteile.

„Was machst du da?“

Ich zuckte leicht zusammen, als Darren mich das fragte. „Ich... ich... also...“

„Iss einfach. Es schmeckt lecker. Egal ob du es einzeln oder zusammen isst.“

Röte stieg mir in die Wangen. „Ich habe nicht behauptet, dass es nicht schmecken würde. Es ist nur...“ Ich hob eine Schicht hoch. „Ich habe noch nie einen Auflauf gesehen oder gar gegessen. Was ist da drinnen? Sind das Pilze?“

„Ja. Isst du keine Pilze?“

„Ich weiß es nicht.“

Er pikste einen meiner Pilze mit der Gabel auf und hielt ihn mir an den Mund. „Dann wirst du sie wohl probieren müssen.“ Ein warmes Lächeln lag in seinem Gesicht, während er beobachtete, wie ich den Pilz zaghaft probierte. „Und?“

„Schmeckt lecker. Aber ich dachte... Die kommen doch aus dem Wald, richtig?“

„Ja.“

„Und sie wachsen auf dem Boden.“

„Jaaa...“ Er wartete geduldig.

„Müssten sie nicht... also... Ich meine... Da sind gar keine Wurzeln.“

Er rieb sich kurz über den Mund, was mir verriet, dass er sich etwas verkniff. „Kennst du dich mit Pilzen nicht aus?“

„Naja... Ich kenne sie aus dem Biologieunterricht. Sie haben ganz dünne Wurzeln.“

„Richtig.“ Er nickte. „Aber wenn Pilze geerntet werden, dann schneidet man sie ab. Man reißt sie nicht raus.“

„Oh.“ Erneut wurde ich rot. „Das habe ich vergessen.“

„Weißt du denn gar nichts über Essen?“, fragte Tai amüsiert.

Ich zog den Kopf ein wenig ein. „Nicht wirklich.“

„Tai, lass sie in Ruhe. Es ist doch so schon schwer genug für sie.“, meinte Darren gereizt an seinen Cousin. Dann sah er wieder zu mir. „Warum zögerst du noch?“

Einen Moment druckste ich herum. Dann deutete ich mit der Gabel auf etwas, dass aussah wie ein Erdklumpen.

„Das ist ein Fleischbällchen.“, erklärte er und schnitt ihn in der Mitte durch. „Siehst du? Du isst doch Fleisch.“

„J-j-ja. Es ist nur...“

„Du hast noch nie welche gegessen.“, beendete er meinen Satz, „Ist schon in Ordnung. Du musst auch nicht alles essen. Wenn dir etwas nicht schmeckt, dann lass es einfach liegen, okay?“

Ich nickte zaghaft. Dann pikste ich etwas eckiges gelbliches auf, dass von der Soße ein wenig weiß gefärbt war. „Und was ist das?“

„Ein Stück Kartoffel.“, antwortete Darren mit vollem Mund und schluckte. „Auch noch nicht probiert?“

Ich dachte eine Weile nach. Dann erinnerte ich mich. „Mom hat mir früher Püree gemacht. Mit Kräutern.“

„Und du magst Kräuter.“, erinnerte er sich, „Das ist die Kartoffel im Ganzen. Sie schmeckt ein wenig anders.“

Vorsichtig biss ich ab.

„Wenn sie so kleine Bisse macht, sitzt sie morgen früh noch hier.“, bemerkte Tai.

„Iss weiter.“, forderte Mrs. Hawkins darauf streng und deutete auf sein Essen. „Und lass die beiden in Frieden.“

Tai grinste ein wenig, tat aber was seine Tante ihm sagte. Darren dagegen nahm einiges von dem Essen auf meinem Teller auf seine Gabel und hielt es mir an den Mund. Ich konnte Käse erkennen, etwas von dem Fleisch und ein Stück Nudelplatte. Ich pustete kurz, da es noch dampfte, und ließ mich dann von ihm füttern. Genießend schloss ich die Augen.

„Schmeckt das gut.“, bemerkte ich.

Darren lachte leise, küsste mich leicht auf die Lippen und begann mich weiter zu füttern. Tai beobachtete es amüsiert und Darrens Eltern beachteten es nicht weiter. Mit der Zeit rückte Darren immer weiter zu mir herüber und legte mir den freien Arm über die Schultern. Das war mit Abstand die beste Mahlzeit die ich je gegessen hatte!

„Hat es euch geschmeckt?“, fragte Mrs. Hawkins, als sie den Tisch abräumte.

„So lecker wie immer.“, antwortete Darren.

„War fantastisch, Tante Ellen.“, stimmte Tai zu.

„Du hast dich wieder selbst übertroffen, Liebling.“, lobte Mr. Hawkins seine Frau.

Dann sahen sie zu mir.

„Hat es dir auch geschmeckt?“, wollte Darren wissen.

Ich nickte. „J-j-ja. Es war... es war...“ Ich versuchte einen passenden Ausdruck zu finden. „Viel besser als ich es gewohnt bin. Also... ich meine... Es war sehr lecker.“ Ein weiteres Mal wurde ich rot, woraufhin Darren mir einen Kuss gab.

„Du musst nicht verlegen sein.“, meinte er dann, „Mom weiß, dass du etwas wortkarg bist. Ist schon in Ordnung.“

Mrs. Hawkins warf mir noch ein Lächeln zu, bevor sie begann alles abzuwaschen. Ihr Mann half ihr und Tai und Darren gingen mit mir wieder ins Wohnzimmer.

„Ich hab jetzt so richtig Lust auf Game Cube.“, bemerkte Tai und ging direkt zum Fernseher, wo er einen kleinen Kasten einschaltete und eine CD einlegte. „Wollt ihr mitspielen?“

Ich blinzelte überrascht. „Was ist das?“

Darren schob mich sanft zur Couch und setzte sich mit mir auf den Schoß hin. „Eine Spielkonsole. Welches Spiel hast du eingelegt?“

Tai schaltete den Fernseher ein. „Etwas mit weniger Gewalt. Need for Speed Most Wanted. Ich hoffe deine Freundin hat nichts gegen Autorennen.“

Ich schüttelte den Kopf und sah auf den Bildschirm. „Wie geht das?“

Mit einem amüsierten Lächeln brachte Tai zwei weitere Controller mit zur Couch und gab sowohl mir als auch Darren einen. Darren legte die Arme um mich und hielt den Controller so, dass wir beide ihn gut halten konnte und ich seinen Controller sah.

„Hier, ich zeig’s dir.“, meinte er mit einem Lächeln in der Stimme.

Mit sanfter Stimme erklärte er mir wie das Spiel funktionierte, worum es ging und was ich beachten musste. Dann spielten beide eine Runde zu zweit, um es mir zu zeigen. Danach spielte ich mit, um es auszuprobieren. Ganz automatisch lehnte ich mich in jeder Kurve zu der entsprechenden Seite und hielt den Controller ebenfalls in die Richtung. Darren und Tai schien das zu amüsieren, auch wenn Darren deshalb ein wenig behindert war. Dennoch schaffte er es auf den ersten Platz, während ich weit hinter den beiden war.

„Du musst dich nicht so in die Kurve legen.“, erklärte Darren mir amüsiert. „Halte den Controller einfach ganz locker in den Händen.“

Sein Atem streifte meinen Nacken, was mir eine wahnsinnige Gänsehaut bescherte. Dann spielten wir noch eine Runde, doch ich konnte es einfach nicht unterdrücken mich in die entsprechenden Kurven zu bewegen. Bog ich links ab, hielt ich den Controller nach links und lehnte mich nach links. Bog ich nach rechts ab, lehnte ich mich nach rechts und hielt den Controller so weit rechts, wie es mir möglich war. Als Darren und ich einmal dabei umkippten, lachten wir alle amüsiert auf. Als wir uns wieder richtig setzten, spreizte er die Beine, sodass ich dazwischen saß und er mich besser halten konnte.

„Schon besser.“, bemerkte er und spielte weiter.

Eine Stunde später begann ich herzhaft zu gähnen und lehnte mich an Darren. Seit ein paar Runden spielte ich bereits nicht mehr mit und sah den beiden beim Spielen zu.

„Bist du müde?“, fragte Darren und sah auf mich herab.

„Etwas.“, antwortete ich.

„Es ist auch schon spät.“, meinte Tai darauf, „Wir sollten langsam ins Bett gehen.“ Er beendete das Spiel.

„Gut. Machst du alles aus?“

„Ja klar. Geht ihr nur schon ins Bett. Seit aber bitte nicht so laut, ich möchte gleich in Ruhe schlafen.“

Darren warf ihn einen Blick zu, der sowohl finster als auch amüsiert war. Ich dagegen verstand nicht, was Tai damit sagen wollte.

„Du bist doch nur neidisch.“, neckte Darren seinen Cousin und hob mich auf die Arme, als er aufstand.

„Klar bin ich das. Wer wäre das nicht?“

Ich verstand nur Bahnhof.

„Wir sehen uns morgen.“, meinte Darren darauf nur und steuerte die Wohnzimmertür an.

„Gute Nacht.“

„Nacht.“

Mit diesem Wort trug er mich durch den Flur, die Treppe hinauf und ins Bad. Dort bat er mich kurz zu warten und ging hinaus, um dann wenig später mit ein paar Kleidungsstücken wieder zurück zu kommen. Er legte sie wortlos auf die Badezimmertheke und schloss dann die Tür ab.

„Komm, wir gehen noch mal duschen, bevor wir uns hinlegen. Okay?“

Ich nickte schüchtern. Dann machte ich große Augen, als er begann sich auszuziehen. Wieder ließ er seine Boxershorts an und wendete sich dann an mich, um mich ebenfalls auszuziehen. Bei meiner Unterwäsche zögerte er.

„Ist es für dich in Ordnung?“, fragte er sanft, die Hände auf meinen Hüften. „Diesmal würde ich nicht wegsehen können.“

Ich schluckte kurz, nickte dann aber. Bei Darren konnte ich das. In seiner Nähe fiel mir alles viel einfacher.

Ganz sanft zog er mir erst den BH und dann den Slip aus, bevor er mich ebenso sanft in die Duschkabine schob und zu mir trat. Wortlos zog er die Tür zu und drehte das Wasser auf. Da das Wasser im ersten Moment kalt war, schrie ich leise auf und rückte zu ihm herüber, wo das Wasser nicht hinkam.

„Tut mir leid.“, meinte er sofort, „Einen Moment.“

Er drehte ein wenig an den Reglern und wenig später wurde es warm. Als es die richtige Temperatur hatte, griff er nach oben und stellte den Duschkopf so ein, dass wir beide genug Platz unter dem Wasser hatten. Dann schob er mich sachte darunter, bevor er ebenfalls darunter trat. Als erstes begann er mich einzuseifen. Ich spürte sofort wie ich rot wurde, als er mich überall einseifte. Er hob sogar eines meiner Beine um seine Hüfte und ließ den Schwamm zwischen meine Beine gleiten. Mein Gesicht brannte vor Scham. Darren lächelte schräg als er das sah und drückte mir einen Kuss auf den Mund. Unwillkürlich stöhnte ich auf und legte die Hände an seine Schultern, um Halt zu finden. Im Gegensatz zu mir schien er nicht vor zu haben den Kuss lange anhalten zu lassen. Er löste sich von mir, nahm den Schwamm beiseite und wusch ihn aus, während das Wasser den Schaum wegspülte. Dann beobachtete ich mit offenem Mund, wie er den Schwamm erneut einseifte und sich waschen wollte. Als er ihn an seiner Schulter ansetzte, nahm ich ihm den Schwamm aus der Hand, woraufhin er mich überrascht ansah. Ich begann ihn sorgfältig einzuseifen, während meine freie Hand gemächlich über seine Brust wanderte. Wenig später hielt ich bei seiner Shorts inne.

„Du musst das nicht tun.“, meinte er und blickte auf meinen Mund.

Einen Moment dachte ich darüber nach, nahm den Schwamm dann aber beiseite. Stattdessen kniete ich mich hin und begann seine Beine einzuseifen. Er schien etwas unbeholfen, als er dabei auf mich herab sah und zog mich dann wieder zu sich hoch, sobald ich fertig war. Sofort legte er die Arme um mich, drückte meinen Körper an sich und bettete seinen Kopf an meiner Halsbeuge. Meine Hände lagen auf seiner Brust. Wenig später hob er den Kopf, küsste mich sanft und drehte dann das Wasser aus, bevor er hinaus nach einem Handtuch griff und mich darin einwickelte. Dann schob er mich sanft hinaus.

„Ich komm gleich auch raus.“, meinte er sanft, „Zieh dich schon mal an.“

Ich nickte, woraufhin er die Kabinentür wieder schloss. Da die Tür aus Milchglas war, konnte ich nur seine Silhouette erkennen, doch das reichte um mir klar zu machen, dass er sich die Shorts auszog, bevor er die Dusche wieder andrehte. Doch ich sah keinen Dampf. Duschte er etwa kalt?

Verwundert drehte ich mich um und trocknete mich gründlich ab, bevor ich mir ein Shirt und eine Shorts von Darren anzog und dann meine Haare trocknete. In dem Moment in dem ich nach dem Föhn griff, stellte Darren das Wasser ab, holte ein Handtuch hinein und stieg kurz darauf hinaus, wobei er die nasse Shorts in einen Wäschekorb warf, der zwischen der Dusche und einer riesigen Badewanne stand. Als sein Blick auf mich fiel, lächelte er schräg und trocknete sich mit einem zweiten Handtuch ab, während er mich beobachtete. Ich versuchte nicht rot zu werden, während ich den Föhn einschaltete, mich nach vorn beugte und begann mir die Haare zu föhnen. Unterdessen hörte ich ein Keuchen und ein Stöhnen von Darren. Als ich zu ihm sah, stellte ich fest, dass sein Blick auf meinem Hinter lag, bevor er ihn schnell los riss und tief durchatmete. Dann drehte er sich ein wenig weg und trocknete sich weiter ab, während ich weiter meine Haare föhnte.

Was ist so toll an dem Anblick meines Hinterns?

Nachdenklich richtete ich mich wenig später wieder auf und föhnte mir weiter die Haare, bis sie nur noch ein wenig feucht waren. Dann gab ich ihn Darren, der sich flüchtig die Haare föhnte und ihn dann wieder ausschaltete. Er hatte sich bereits angezogen und schob mich nun sanft zur Tür.

„Komm, jetzt können wir ins Bett.“

Mit einem leichten Lächeln ließ ich mich von ihm in sein Zimmer führen. Dort angekommen schloss er leise die Tür und schlug am Bett die Decke zurück, um mich mit einer Geste zu bitten mich hinzulegen. Ohne Zögern krabbelte ich auf das Bett und rückte herüber, woraufhin er sich neben mich legte und mich an sich zog.

Es dauerte ein paar Momente, bis er mich so hingelegt hatte wie er es wollte. Auf der Seite, ein Bein über seines, ganz dicht an ihm dran. Er selbst lag ebenfalls auf der Seite, ein Bein zwischen meinen, eine Hand auf meinem Hintern und die andere in meinem Nacken. In Windeseile wurde mir heiß. Und dann küsste er mich, ganz sanft und zärtlich. Meine Hände, die wieder an seiner Brust lagen, griffen leicht in sein Shirt, bevor sie sich in seinen Nacken legten und ihn zu mir zogen. Gierig wie immer drängte ich mich näher an ihn heran, während er die Hände über meinen Rücken gleiten ließ. Doch dieses Mal blieb es bei einem einfachen Kuss. Nach einer Weile löste er sich ein wenig von mir, streifte seine Lippen mit meinen und küsste mich nochmal kurz, bevor er sein Gesicht an meiner Halsbeuge vergrub.

„Vielleicht solltest du dich doch umdrehen.“, meinte er wenig später und drehte mich sanft um, bevor er mich an sich zog, einen Arm um meine Taille legte und den anderen unter meinen Kopf schob. „Geht das so?“

„Ja.“, antwortete ich leise und kuschelte mich ein wenig an ihn. „So ist schön.“

„Gut.“ Ein Kuss auf meinen Nacken. „Schlaf schön.“

„Du auch. Gute Nacht.“

„Nacht.“

Es wurde still. Überall roch es nach ihm und es war schön warm und gemütlich. Doch trotz allem konnte ich nicht schlafen. Da war diese Hitze...

„Darren?“, flüsterte ich leise.

„Hm?“, kam es müde von ihm.

„Mir ist heiß.“

Er zog die Decke ein wenig herunter. „Besser?“

„Ich meine... von innen.“

Abrupt erstarrte er hinter mir. „Wo genau?“

Ich wurde rot. „Wie bitte?“

„Von wo kommt die Wärme?“

„Von... meinem Bauch... glaube ich. Hier unten.“ Ich legte seine Hand von meiner Taille auf meinen Unterbauch. „Weißt du was das ist?“

„Ich glaube schon.“ Er zögerte. „Es ist... mh... Es könnte... Erregung sein.“ Er räusperte sich. „Sexuelle Erregung.“

„Und woher kommt das?“

„Von unserem Kuss. Von der Nähe. Hattest du das öfter?“

„Bisher?“ Ich dachte kurz nach. „Schon öfter, ja.“

„Wann?“ Man konnte die Unsicherheit beinahe hören. „Hattest du das mal mit jemand anderem?“ Da war Eifersucht zu hören.

„Nein. Also... Wenn wir uns geküsst haben. Ganz besonders dann, wenn du mich auch berührt hast.“

Stille trat ein.

„Darren?“

„Du solltest versuchen zu schlafen.“, lenkte er ab.

„Aber... mir ist immer noch heiß.“

Er nahm die Hand von meinem Unterbauch und legte sie vor mir auf die Matratze. „Denk an etwas Kühles. Schnee, Eis, Wasser. Denk an etwas was dich müde macht. Eine schöne Melodie, ein beruhigendes Streicheln, einlullende Wärme.“

Meine Augen wurden etwas träge. „Ich hab dich sehr gern Darren.“

„Ich dich auch, Alisson. Du ahnst gar nicht wie gern. Ist es jetzt besser mit der Hitze?“

Ich nickte müde. „M-hm.“ Dann gähnte ich.

„Gut. Dann schlaf jetzt. Und träum was Schönes.“

„Mmmmh...“, war meine Antwort, während ich langsam in den Schlaf glitt.

 

Er konnte kaum fassen, was sie ihm da gerade erzählt hat. Dass sie die Berührungen und die Küsse genoss und ziemlich gierig danach war, wusste er bereits, doch das... Sie hatte es ganz nebenbei gesagt. Sie ahnte nicht, was es in ihm auslöste, was sie ihm da gebeichtet hatte. Jetzt war er es, der nicht schlafen konnte.

Tief atmete er durch und sah auf ihren Schopf herab. Sie war so unschuldig. Er hatte beinahe Schuldgefühle, weil er sie ein wenig verdarb. Doch er konnte irgendwie nicht anders. Er konnte sie nicht unwissend berühren, all diese Dinge tun, ohne ihr vorher alles beizubringen, da sie offenbar nichts davon wusste oder gewalttätige Taten damit verband. Er musste es langsam angehen, wollte sie nicht verletzen oder ängstigen. Sie war noch lange nicht bereit.

Leise seufzend hob er den Arm von ihrem zu dünnen Körper und fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht. War es vielleicht etwas zu gefährlich für sie bei ihm zu schlafen? Vielleicht sollte er sie in eines der Gästezimmer bringen. Dann fiel ihm ein, dass sie in seinen Armen besser schlafen konnte und verwarf den Gedanken wieder. Er würde sich eben beherrschen müssen.

Sachte legte er den Arm wieder um ihre viel zu schmale Taille und zog sie etwas enger an sich. Als sie sich ein wenig regte, hielt er abrupt inne.

„Darren?“, murmelte sie leise.

„Ist schon gut.“, flüsterte er zurück, „Schlaf weiter.“

Mit einem verschlafenen Schmatzgeräusch drehte sie sich um und kuschelte sich an ihm. „Ich bin froh, dass ich dich habe. Danke.“

Ihm wurde warm ums Herz. Sie vertraute ihm offenbar tatsächlich bedingungslos. Mit einem Lächeln auf den Lippen hob er den Arm von ihrer Taille, legte sie um ihre Schultern und zog sie erneut enger an sich, wobei er sein Gesicht in ihrem Schopf vergrub.

Gott, ich verliebe mich in dich, Alisson.

Impressum

Texte: © Copyright 2014 – Alle Inhalte, insbesondere Texte sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, einschließlich der Vervielfältigung, Veröffentlichung, Bearbeitung und Übersetzung, bleiben vorbehalten, Lisa Irmer
Tag der Veröffentlichung: 21.03.2014

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