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Ich rannte um die Ecke und sprang über zwei Bänke. Mittlerweile rannte ich nun eine halbe Stunde. Ich verfluchte diese Köter für ihre Ausdauer und rannte die Straße hinunter. Nicht mehr weit, dann war ich zuhause und in Sicherheit. Währenddessen verfluchte ich meinen Job, der mir das immer wieder einbrachte. Als ich das Pfotengetrappe hinter mir hörte, bog ich um die nächste Ecke und legte ein Zahn zu.
Mistviecher.
Noch zwei Straßen. Ich rannte noch schneller. Meine Tasche wurde langsam schwerer. Ich sah mir kurz über die Schulter zurück, sprang über einen Gartenzaun und lief quer Feld ein. Die Kläffer folgten mir natürlich. Am anderen Ende des Gartens angekommen, sprang ich kurz rüber und landete auf einer Straße, wo ich auch gleich rüber rannte und hörte wie ein Auto bremste, als der Wolf mir folgte. Die Straße rannte ich runter. Am Ende angekommen bog ich kurz um eine Ecke und rannte am dritten Grundstück der riesigen Auffahrt hinauf. Mein Bruder wollte gerade raus gehen. Ich zog ihn mit rein und warf die Tür zu, bevor ich mich dagegen drückte um zu verhindern, dass sie einbrach, das die Wölfe gleich genau dies versuchten. Sie zum Einbruch zu bringen.
„Verriegle die Tür!“, rief ich meinem zweiten Bruder zu, der sofort nach unten in sein Zimmer rannte um genau das am Computer einzustellen.
Wenige Sekunden später hörte ich das leise Summen der Metalltür die sich draußen vor die Tür schob. Kurz darauf hörte die Tür auf unter den Stößen der Wölfe zu Erzittern. Dann kam mein zweiter Bruder jedoch sofort wieder hoch und kam zu mir.
„Bist du okay?“, wollte er wissen und suchte mich kurz nach Verletzungen ab.
„Ich bin okay.“, gab ich zurück. „Sie haben mich auf dem Marktplatz überrascht.“
„Wie viele sind es?“, wollte nun Luca, mein erster Bruder, von mir wissen.
„Ich bin mir nicht sicher. Zwanzig. Vielleicht fünfundzwanzig.“
„Ich hasse Werwölfe.“, meinte wieder Alec, mein zweiter Bruder.
Luca war einer der wenigen Kämpfer in der Familie. Alec war der Computerfreak unter uns. Er kümmerte sich um das Finanzielle, um Waffen, Verkehrsmittel und alles was ich und Luca sonst noch so brauchten.
„Das wäre dann Auftrag Nummer neun, diesen Monat. Neun in zwölf Tagen. Du wirst langsam Berühmt, Schwesterherz.“, verkündete meine Schwester, Felicy.
„Was machst du jetzt?“, wollte Mom wissen.
Ich atmete kurz tief durch. „Erst mal brauche ich ein Bad.“
Luca lachte ein wenig und machte mir den Weg frei. Ich ging direkt zum Badezimmer und nahm ein langes heißes Bad. Etwa anderthalb Stunden später verließ ich mein Zimmer und ging zu den anderen ins Wohnzimmer. Alec spielte mit einer Münze, während Luca ein Dolch polierte. Felicy füllte gerade ein Formular aus. Mom trug das Essen herein das sie mir machen wollte. Ich atmete erleichtert auf und sah zu den metallenen Wänden die vor den Fenstern zu sehen waren. Reine Sicherheitsvorkehrungen. Ich setzte mich zu den anderen an den Tisch und begann zu essen, während ich nachdachte was ich nun tun sollte. Gegen drei oder vier Wölfen hätte ich eine Chance. Acht bis Zehn könnte ich mit Luca kalt machen. Aber mehr würden wir nicht ohne Opfer schaffen. Und das würde ich nie riskieren. Luca zu verlieren würde mir mehr zusetzen als ihn.
„Alec, kannst du einen Flug nach New York buchen?“, bat ich nach einer Weile.
„New York?“, hakte Alec nach. „Klar. Fliegt Luca mit?“
Luca und ich sahen uns kurz an. Dann sahen wir auf Felicy und Mom die gerade miteinander beschäftigt waren.
„Kannst du die zwei beschützen?“, wollte ich von Alec wissen.
„Hier drinnen sind so sicher wie in einer Hochsicherungsanstalt.“, erwiderte er. „Hier kommt keiner an sie heran wenn ich es nicht will.“
„Oder ich oder Luca.“, stimmte ich zu.
Alec nickte.
Luca und ich sahen uns an. Dieser nickte kurz darauf kaum merklich.
„Ein Flug für zwei.“, meinte ich dann. „Hast du den Organizer schon repariert?“
Er lächelte, stand auf und ging voran nach unten. Luca und ich folgten ihm in sein Reich. Über seinem Drehstuhl hatte Alec eine Trainingsstange an die Decke montiert. Oft bekam ich von ihm ein Bild auf dem er kopfüber an dieser Stange hing und trainierte. Nun setzte er sich auf den Drehstuhl und rollte zu einem Regal rüber. Kurz darauf kam er mit zwei kleinen kompakten Geräten zurück die er mir und Luca gab.
„Ich hab sie noch etwas modifiziert.“, erklärte er dabei. „Von Musik, über Filme und Nachrichten, bis hin zu Internetverbindung und Telefon. Hinzugekommen ist das ihr euch nun gegenseitig über GPS empfangen könnt. Also, wenn sich einer von auch verläuft kann der andere ihn raus holen. Ihr könnt damit auch jede Beliebige Information über Leute aufrufen die ihr bereits kennt. Nützlich wenn ihr über jemanden etwas vergessen habt oder die Erinnerung nur noch schwach ist.“
„Cool.“, meinten Luca und ich zugleich.
Alec lächelte und wand sich an seinen Computer an dem er zwei Sekunden später schon dabei war den Flug zu buchen.
„Wie kommt ihr da weg?“, wollte er nebenbei wissen und trank noch ein Schluck aus einer Flasche Wasser.
Er war schon immer der perfekte Multitasker.
„Das regle ich schon.“, meinte ich nur. „In anderthalb Stunden können wir da sein.“
Er nickte und kurz darauf war schon alles bereit.
„Dann packt mal.“, meinte er und stand wieder auf. „Viel Spaß ihr zwei.“
Damit zog er sich kurz an der Stange hoch und begann zu trainieren. Luca und ich gingen nach oben und in unsere Zimmer. Ich zog mir einfach kurz etwas Bequemes an und packte meinen Rucksack. Dann nahm ich mein Laptop, zwei kleine Spielzeuge, ein Dolch und eine kurze Lederjacke. Ich selbst trug eine Jeans, die mich in keiner Bewegung störte, ein Top und Handschuhe, deren Stoff bis zu den Schultern ging und die Finger frei ließ. Die trug ich immer. Außer wenn ich ein Bad nahm, unter die Dusche stieg oder schlief. Aber selbst im Bett trug ich sie manchmal. Sie waren eines der wichtigsten Sachen die ich besaß.
Ich warf mir kurz die Tasche über die Schulter und nahm die Jacke, bevor ich in den Flur ging und mit Luca nach unten ging. Dort nahmen wir dann noch ein paar Dollar und steckten es ein. Jeder brauchte ein Snack für zwischendurch.
„Wehe ihr kommt nicht wieder.“, mahnte Felicy. „Wir brauchen euch noch.“
„Du brauchst uns?“, neckte Luca sie. „Ich dachte du brauchst nur dein Niko-Schätzchen.“
„Du!“, rief sie daraufhin aus und schlug ihm auf die Schulter.
Luca lachte nur. Daraufhin gingen wir dann zusammen zur Tür. Dort warteten wir kurz. Mom verabschiedete sich nie von uns wenn wir wegen unserem Job für längere Zeit weggingen. Für sie wäre es zu schwer. Als wieder das Summen zu hören war, gingen Luca und ich in Position. Ich zog mir schnell die Jacke an und nahm den Rucksack richtig auf den Rücken. Als das Summen aufhörte, eilten wir raus und direkt darauf begann das Summen wieder. Nur drei Sekunden, dann hörte es wieder auf. Luca und ich waren bereits auf den Weg zum Wagen.
„Ich fahre.“, meinte ich.
Er lächelte und stieg auf dem Beifahrerplatz ein. Ich startete wenige Sekunden darauf den Motor und fuhr los. Die Werwölfe begannen sich langsam zu sammeln und versuchten mir den Weg zu versperren. Ich fuhr stattdessen entweder drum herum oder fuhr sie einfach um. Zehn Minuten später waren wir auch schon auf der Autobahn Richtung Flughafen. Ich beschleunigte bis ich nicht mehr schneller fahren konnte und fuhr an den wenigen Autos vorbei die noch auf der Straße waren. Luca saß lässig auf dem Sitz und schien fast einzuschlafen. Ich nahm einen der Bonbons vom Armaturenbrett und warf ihn ihm zu. Er lächelte etwas und fing ihn auf.
„Es ist ziemlich langweilig so spät noch mit dem Auto unterwegs zu sein.“, meinte er. „Da sind viel zu wenig Leute unterwegs die man überholen kann.“
Ich schmunzelte. „Gleich wird es schon voller, keine Angst. Weiter vorn ist ein kleiner Stau.“
Er grinste. Nur eine halbe Minute später wurde es langsam dichter. Es war zwar gefährlich zwischen den engen Lücken hindurchzufahren um vorwärts zu kommen, aber Luca und ich konnten das bereits perfekt und hatten nie einen Unfall gebaut. Als vor uns nun endgültig voll war und man nicht durch kam, wurde ich abrupt langsamer und hielt an, wie die anderen Wagen. Bei der Gelegenheit warf ich meine Tasche auf den Rücksitz, wie Luca es getan hatte und öffnete das Fenster.
„Ist es noch weit?“, fragte Luca als wir etwa zwei Minuten auf demselben Fleck standen.
„Etwa fünfzehn Kilometer noch.“
Er seufzte. „Wenn ich jetzt los rennen würde, wäre ich in einer halben Stunde da.“
Ich lächelte etwas. „Ich kann den Wagen nicht hier stehen lassen.“
„Und wie lang ist dieser dämliche Stau?“
„Ich weiß nicht. Ich kann ja nachsehen und du fährst voran wenn es vorwärts geht.“
Er nickte und ich stieg aus, während er hinters Steuer stieg. Daraufhin kletterte ich auf die Haube und sprang auf das Autodach vor uns. Dabei war ich so leise wie möglich um sie nicht zu stören. Als ich mir sicher war sie nicht gestört zu haben sprang ich von Dach zu Dach. Nach fünf Minuten kam ich dann an die Stelle an der sich der Stau auflöste. Jedoch standen auch dort alle still. Hier war die Fahrbahn blockiert. Ich sprang auf die Straße und ging zu den Bauarbeitern die dort einen Baum von der Fahrbahn holen wollten.
„Guten Abend, Männer.“, meinte ich lächelnd.
„Hallo, lange nicht gesehen.“, gab Julian zurück und gab mir die Hand. „Wie geht’s dir so?“
„Alles Fit. Was ist hier passiert?“
„Ach, vor ein paar Stunden kam ein Rudel Werwölfe hier vorbei und hat den Baum dabei umgestürzt. Der dürfte in zehn Minuten hier weg sein.“
„Luca und ich sind auf dem Weg zum Flughafen. Es ist sehr dringend. Kannst du uns hier irgendwie raus helfen?“
Er schürzte die Lippen und dachte kurz nach. Dann sah er sich den Baum an, der langsam gekürzt wird und sah zu den Autos.
„Bekommst du den Wagen auf den Seitenstreifen?“, wollte er wissen.
„Dort hin bekomme ich ihn immer.“
„Fahr ihn da vorn auf den Seitenstreifen. Dann kann ich euch vorbei helfen.“
„Danke. Du bist ein Schatz.“
Er lächelte mich an. „Man tut was man kann. Hast du dir die Haare abgeschnitten? Die waren doch so schön lang.“
„Nein. Ich hab sie nur mit einer Klammer hoch gesteckt.“ Ich drehte meinen Kopf und deutete auf eine Klammer an meinem Hinterkopf. „So ist es leichter zu rennen und zu kämpfen. Gib mir fünf Minuten, dann bin ich mit dem Wagen hier.“
„Kein Problem. Bis gleich.“
Ich nickte und rannte los, wobei ich mein Handy aus der Tasche zog. Als ich jedoch gerade wählen wollte, sprang mich etwas von der Seite an und warf mich mit zu Boden. Mein Handy rutschte unters nächste Auto.
„Och ne.“, murmelte ich und sah auf, da das Ding das mich angesprungen hat, von mir runter geflogen ist.
Natürlich. Damit hätte ich rechnen müssen. Ein Werwolf. Dieser stand nun auf und knurrte mich an. Ich hatte nichts womit ich mich wehren konnte. Die Leute waren schlau genug sich in ihren Autos zu verbarrikadieren. Links von mir war ein Cabriolet und rechts von mir ein Bus. Ich trat ein Schritt zurück und ging hinter den Bus. Bevor der Wolf mir folgen konnte, sprang ich auf den Wagen der vom Bus verdeckt wurde und sprang auf diesen. Der Wolf war leicht irritiert als er mich nicht fand und hob die Schnauze in die Luft um meinen Geruch zu wittern. Ich dagegen sprang zwei Autos weiter auf den Boden und setzte mich dort kurz auf die Rückbank. Damit drückte ich einen ca. 20 jährigen Jungen zu seinem Kumpel die mit zwei weiteren Jungs unterwegs waren.
„Kann mir jemand sein Handy leihen?“, bat ich kurz und sah kurz zur Tür hinaus zum Wolf.
Alle vier reichten mir sofort ihre Handys. Ich ergriff einfach irgendeines und wählte Lucas Nummer. Im selben Moment sah mich der Wolf. Als er dann nahe genug war, lehnte ich mich zurück und trat zu. Eine Sekunde später nahm Luca ab.
„Ja?“, meldete er sich.
„Ich hab ein Problem.“, meinte ich sofort. „Ich hab einen, ich korrigiere zwei, Köter am Hals.“
„Ich glaub's nicht.“, stöhnte er. „Können die uns nicht einfach in Ruhe lassen?“
„Wenn das so einfach wäre. Ich hab Julian vorn getroffen. Fahr auf dem Seitenstreifen weiter. Dämlicher Kläffer, hau ab!“
Er lachte ein wenig, wobei ich den Motor des Wagens hörte.
„Du kommst sicher an mir vorbei.“
„Wo ist eigentlich dein Handy?“
„Irgendwo unter eines der Autos.“
„Und bei wie vielen Jungs sitzt du im Auto?“
Ich trat erneut den Wolf und sah mich kurz im Wagen um.
„Vier.“, meinte ich dann. „Scheinen ganz nett zu sein. Bist du schon unterwegs?“
Er schwieg kurz. „Bin auf dem Seitenstreifen. Ich brauche nicht lange.“
„Typisch. Bis gleich.“ Ich legte auf und gab das Handy zurück. „Danke schön. Und anschnallen nicht vergessen.“
Damit sprang ich wieder aus dem Auto und lief um das Auto herum zum Seitenstreifen, wobei ich dem Wolf auswich. Dieser konnte sich gerade noch retten, als Luca eine Vollbremsung machte, bevor er getroffen wurde. Luca hatte das Fenster bereits unten.
„Du solltest besser auf dein Handy aufpassen, Schwesterherz.“, meinte er belustigt.
„Halt die Klappe.“, gab ich zurück und schob ihn auf den Beifahrerplatz als ich hinters Steuer stieg.
Gerade als ein Wolf auf mich zu sprang, zog ich die Tür zu, sodass sein Kopf zwischen Tür und Auto fest hing. Ich ließ währenddessen das Fenster hoch.
„Luca, ruf mal Alec an und sag ihm, dass ich ein neues Handy brauche.“
„Luca, mach dies, Luca, mach das.“, meckerte dieser und holte sein Handy hervor. „Kennst du auch andere Befehle?“
„Halt die Klappe!“
Er schmunzelte, während die Tür rüttelte, als der Wolf sich bewegte. Der andere Wolf sprang auf das Dach.
„Ach ja, ich hatte ja nur fünf Minuten.“, erinnerte ich mich dann und zog die Brauen zusammen.
Ich schlug dem Wolf an der Tür einmal mit Wucht gegen den Kopf, sodass er auf jaulte, öffnete die Tür weit genug das er raus fiel und zog sie sofort wieder zu, während ich Gas gab. Luca redete bereits mit Alec. Als ich bei Julian ankam, ließ ich das Fenster runter und er kam zu mir.
„Auf die Sekunde genau.“, meinte er. „Da vorn ist gleich ein Stück frei. Ihr müsst nur hinter die Absperrung fahren.“
Ich nickte und steuerte den Wagen dort hin wo er mich entlang lotste. Wenige Sekunden später bedankte ich mich herzlich und fuhr mit Höchstgeschwindigkeit über die leere Autobahn. Eine halbe Stunde später saßen wir im Flugzeug und sahen zu wie die Stadt hinter uns immer kleiner wurde.
David
Gegen 14 Uhr klingelte bei mir das Telefon. Ein Kumpel von mir unterbrach den Satz den er gerade sagte und sah auf.
„Ich bin gleich wieder da.“, meinte ich und stand auf.
Er nickte und wartete, während ich in den Flur ging und abhob.
„Ja?“, meldete ich mich.
„David!“
„Sylvia! Wie geht’s dir?“, wollte ich sofort wissen.
„Mir geht es prima. Und dir?“
„Jetzt geht es mir prächtig. Es ist immer schön deine Stimme zu hören. Warum rufst du an?“
„Ich hab eine Bitte.“
„Schieß los.“
„Kannst du mich und meinem Bruder Luca vom Flughafen abholen?“
„Wann denn? Morgen? Übermorgen?“
„In einer halben Stunde.“
Ich verzog das Gesicht. „Eine halbe Stunde?“
„Ja. Die anderen beiden haben keine Zeit. Johns Auto hat eine Panne und Niko ist in Miami. Er hat gleich eine Konferenz und musste dort mit dem Taxi hin weil sein Auto auch eine Panne hat. Naja, du warst der einzige der mir noch eingefallen ist. Ich weiß ja das du von der Polizei gesucht wirst und so. Deshalb mag ich dich nicht so gern um etwas bitten das dich eventuell hinter Gittern bringen könnte.“
Ich biss mir auf die Unterlippe. „Hör mal, du, ich hab leider keine Zeit.“
„Keine Zeit?“ Sie hörte sich etwas enttäuscht an.
„Ja, ich hab gerade einen Kumpel zu Besuch. Wir äh... Warum bist du eigentlich in New York?“
„Naja... Zuhause ist grad ein Notfall und ich wollte bei euch jemanden suchen. Naja, eigentlich findet er eher mich, aber das ist jetzt egal. Jedenfalls...“ Sie machte eine kurze Pause. Ich war mir sicher sie schüttelte kurz den Kopf. „Ein Rudel Werwölfe belagert unser Haus.“
Sie hatte die Stimme gesenkt, was wohl bedeutete, dass sie bereits im Flugzeug saßen. Und in einer halben Stunde landeten sie.
„Hast du wirklich keine Zeit?“
„Äh... Ich und mein Kumpel sehen uns gerade ein Fußballspiel an.“
Ich wusste es war nicht gut sie an zu lügen, aber ich konnte ihr doch wohl kaum sagen das ich gerade den Kummerkasten spielte, oder? Eine Weile war es still. Es hörte sich an als horche sie. Dann wurde mir klar, dass sie es tatsächlich tat.
„Fußball.“, meinte sie nun etwas neutraler, „Ohne Ton.“
Ich erwiderte nichts und wusste einfach, dass sie weiter horchte. Dann hörte ich sie tief durch atmen. Danach hörte sie sich etwas wütend an.
„David, ich hab ja nichts dagegen wenn du mir sagst du hättest keine Zeit weil du gerade irgendwas mit einem Kumpel machst, und vielleicht ist bei dir wirklich einer zu hause, aber du siehst dir definitiv kein Fußball an.“
„Warte, Sylvia...“
„Du weißt ganz genau das ich es nicht ausstehen kann wenn man mich anlügt.“, unterbrach sie mich, „Ich kann es einfach nicht leiden.“
„So meinte ich das doch nicht.“
Sie machte eine kurze Pause. „Schön.“, meinte sie dann deutlich wütend. „Dann sieh dir mit deinem Freund das Spiel an, oder was auch immer ihr gerade macht. Du brauchst aber nicht damit zu rechnen, dass ich mich nochmal bei dir melde. Ich habe keine Lügner als Freunde.“
„Sylvia, warte...“
Ich sprach ins Leere. Ich bemerkte wage das ich die Kante des kleinen Tisches ergriffen hatte und ich zu zittern begann. Sylvia war jemand der mir wirklich am Herzen lag. Und sie kündete mir die Freundschaft. Wie betäubt legte ich auf und ging zurück ins Wohnzimmer, wo ich mich mit einem tiefen Seufzer auf die Couch sinken ließ.
„Was ist denn mit dir passiert?“, wollte mein Kumpel wissen als er mich sah.
Ich sah auf. „Wie bitte?“
„Und ich dachte ich bräuchte einen Kummerkasten. Wer war das?“
„Sylvia.“
„Und... Wer ist Sylvia?“
„Vor ein paar Sekunden... war sie noch jemand der mir wirklich am Herzen lag. Sie hat mir die Freundschaft gekündigt.“
„Warum?“
„Sie braucht gerade jemanden der sie vom Flughafen abholt. Ich hab sie angelogen damit ich ihr nicht vorkomme wie ein Idiot. Glaube ich zumindest.“
„Dann fahr zum Flughafen und hol sie ab.“
„Falls sie überhaupt noch möchte, meinst du?“
„Warum, sagtest du nochmal, konntest du sie nicht abholen?“
„Weil ich Besuch habe. Von einem Kumpel.“
„Mehr nicht?“
„Ich hab behauptet wir würden uns ein Spiel ansehen.“
„Und woher weiß sie, dass du lügst?“
„Sie hat ein ausgezeichnetes Gehör.“
„Oh.“
„Und wer sieht schon Fußball ohne Ton?“
„Ich sicher nicht. Du auch nicht.“
Ich nickte. „Das ist der Knackpunkt.“ Erst jetzt wurde mir klar warum sie so enttäuscht klang. „Sie hat mir wirklich oft den Arsch gerettet. So haben wir uns auch kennen gelernt.“
„Eine Frau rettet dir den Arsch? Ich glaub's ja wohl nicht. Und die willst du nicht abholen weil du ein Spiel im Fernsehen guckst? Bewege dich und hol die Autoschlüssel!“
„Idiot.“, murmelte ich leise und hievte mich auf, während er aufsprang und sich seine Jacke holte. „Sie ist nicht nur eine Frau.“, meinte ich dann. „Sie ist ein Naturtalent. Eine Kämpferin. Glaub mir, gegen sie hast du nicht die geringste Chance.“
„Na, das wollen wir ja erst mal sehen. Ich wette sie sieht richtig süß aus.“
„Du willst mit?“
„Natürlich. Es passiert nicht alle Tage das man eine Frau kennen lernen kann die dir den Arsch rettet.“
„Halt die Klappe!“
Er grinste mich nur an.
Sylvia
„Du bist so leise.“, bemerkte Luca als wir die große Halle des Flughafens erreichten.
„Hm.“, gab ich nur zurück.
Es wurmte mich ziemlich das David mich sitzen ließ und mich dazu noch anlog. Es wäre nicht so schlimm wenn er mich sitzen ließ weil er einen Freund zu Besuch hatte, aber das er mich an log, das war schlimm. David war einer meiner besten Freunde. Luca seufzte leicht genervt und rollte mit den Augen.
„Sag schon, was ist los?“, wollte er wissen. „Soll ich erst Alec anrufen damit er dich analysiert?“
„Nein, danke.“, gab ich zurück. „Es nervt mich schon das Alec uns diese Chips eingepflanzt hat ohne uns vorher davon zu sagen.“
Er schmunzelte. „Genau deshalb hat er ja nichts gesagt.“
„Ha ha.“
„Das ist die Wahrheit. Du bist so leicht zu ärgern das es Spaß macht.“
„Halt die Klappe.“
Er seufzte. „Tut mir Leid, ist angewachsen.“
„Ich schneide sie dir mit Freuden ab.“
„Versuchs doch.“
„Gib mir mein Dolch.“
„Das hättest du wohl gern.“
„Würde ich es sonst sagen?“
„Klar.“
Ich schnaubte nur und nahm ihm meine Tasche weg. „Und das gehört sowieso mir.“
Er lachte nur ein bisschen. „Du bist so leicht zu reizen wenn du so bist.“
„Wenn ich wie bin?“ Ich zog die Brauen zusammen.
Er tat so als hätte er die Frage nicht gehört. „Also, wie kommen wir hier weg?“
„Naja... Die Personen die mich sonst abholen sind...“
„Ja?“
„Äh...“
Ich antwortete gar nicht erst, als ich David sah. Jemand stand bei ihm und redete auf ihm ein, während er unruhig hin und her ging. Beinahe sofort verflog meine Wut und ich eilte zu ihm. Er sah natürlich sofort auf und breitete auch sofort die Arme aus um mich aufzufangen. Die Tasche hatte ich bei Luca fallen gelassen. Dieser musste sie nun tragen.
„Sagtest du nicht die gehört dir?“, wollte er belustigt wissen als er bei mir war. „Erst nimmst du sie mir weg und dann lässt du sie fallen.“
Ich seufzte. „Er ist so schwer von Begriff.“, murmelte ich dann.
David lachte leise. „Bin ich das nicht auch?“
„Nur ein bisschen.“
„He.“
Ich schmunzelte und löste ich wieder von ihm. „Bist du schon mal mit zehn Kilo auf dem Rücken gerannt?“, wollte ich dann von Luca wissen.
„Dreißig.“, ergänzte dieser.
„Vierzig.“
„Fünfzig.“
„Sechzig.“
„Angeberin.“
„Idiot.“
„Zicke.“
Ich streckte ihm die Zunge raus. „Also. David, das ist Luca. Wie ich schon erwähnt habe ist er mein Bruder. Der jüngere.“
„Zwei Sekunden!“, meinte Luca gereizt.
„Also dein Zwilling.“, meinte David nickend.
„Luca, das ist David. Er fährt uns zum Anwesen.“
„Verstehe.“, meinte Luca leicht kritisch. „Kennt er denn den Weg?“
„Er hat mich schon oft genug hin gefahren. Du kannst auch Alec fragen wenn du willst.“
„Ich frag mich ja langsam wer das ist.“, meinte nun wieder David. „Ständig erwähnst du ihn, hältst es scheinbar aber nicht für nötig mir zu sagen wer das ist.“
„Und ich soll ein Idiot sein.“, meinte Luca und schüttelte den Kopf.
„Ach und, das ist Theo, ein Kumpel von mir.“ David deutete auf den Mann der bei ihm stand. „Theo das sind Sylvia und ihr Bruder Luca.“
Ich reichte ihm die Hand. „Freut mich dich kennen zu lernen.“
Er lächelte leicht. „Mich ebenfalls.“
„Okay.“ Ich wand mich an David. „Können wir dann los oder gibt es noch mehr die mit fahren?“
„Nein, wir können los.“, antwortete er.
Ich hob meine Tasche auf und nahm sie über die Schulter, bevor wir zu viert raus gingen. Ich verstaute mit Luca kurz die Taschen und stieg dann zu Theo auf die Rückbank, während Luca natürlich auf dem Beifahrerplatz saß.
„Wo hast du eigentlich den schwarzen Ferrari hin?“, fragte ich nebenbei.
„Der Ferrari?“, halte David nach. „Der äh...“ Er räusperte sich kurz. „Abgeschleppt.“, meinte er dann schnell.
Ich schwieg kurz. Luca schien langsam belustigt zu sein. David war etwas unwohl zu mute.
„Sag mir mal.“, meinte ich etwas zu ruhig, jedoch nur um dann wirklich wütender zu klingen. „Wie, zum Teufel, schaffst du es, 2 Millionen abschleppen zu lassen?!“
Luca brach in Gelächter aus. David biss sich auf die Unterlippe.
„Du vergisst, dass der Wagen mir, einem von der Polizei gesuchten Mann, gehört. Die nehmen alles in Beschlag was mir gehört.“
Ich seufzte. „Das kann ja noch ein Spaß werden. Luca, gib mir mal dein Handy.“
„Nein.“, meinte dieser trotzig.
„Gib mal her.“
„Warum willst du mein Handy?“
„Ich will Alec anrufen.“
„Das hat doch Zeit. Warum sollte ich riskieren das mein Handy dasselbe Schicksal erleidet wie deines?“
„Da konnte ich auch nichts für.“
„Du hast es aber da liegen lassen.“
„Der Wolf ist schuld. Der hat mich angesprungen.“
„Du hättest es doch noch holen können.“
„Ich hab keine Lust mit einer Bisswunde am Bein herum zu rennen.“
Er seufzte. „Typisch. Du kannst nicht mal auf ein Handy aufpassen, geschweige denn auf ein Ticket.“
„Das Ticket war gar nicht meine Schuld.“
„Wessen dann? Die des Mannes dem du sie gegeben hast damit du deine Cola und
deine Brezel halten konntest?“
Nun lachte David leise.
„Das war letztes Jahr.“, murmelte ich. „Jetzt gib mal dein Handy.“
„Nimm deinen Organizer.“
„Der ist in meiner Tasche.“
Er stöhnte genervt und holte sein Handy raus. „Wehe du machst irgendwas Falsches damit.“
„Ha ha.“
Er reichte es mir und ich wählte kurz Alecs Nummer. Keine zwei Sekunden später ging er auch schon ran.
„Ja?“, meldete er sich.
„Tu mir ein Gefallen.“, bat ich ihn.
„Dein Handy ist schon unterwegs.“, meinte er amüsiert.
„Ich meine nicht das Handy.“
Er lachte ein wenig. „Da ist wohl jemand gereizt.“
„Ach, vergiss es einfach.“
„Was soll ich vergessen?“
„Das mit dem Handy.“
„Also willst du kein neues?“
„Doch. Ich meine, du sollst vergessen wie mein Handy abhanden gekommen ist.“
„Das könnte ein bisschen dauern.“
Ich prustete nur.
„Was wolltest du, Schätzchen?“
„Du musst dich mal um den Ferrari kümmern den du hier rüber geschmuggelt hast.“
„Was ist mit dem?“
„David hat es geschafft ihn abschleppen zu lassen.“
„Was. Für. Ein. Idiot.“
Ich schmunzelte. „Kriegst du es hin, dass er morgen in unserer Garage steht?“
„Erst bis morgen? Er kann auch in drei Stunden da sein wenn du willst.“
„Mir egal, Hauptsache er ist wieder da.“
„Geht klar. Was machst du jetzt eigentlich in New York?“
„Das verrate ich dir noch nicht.“
„Ich weiß es gleich sowieso.“
„Du bist ein Cheater.“
„Ich weiß. Ach, bevor ich es vergesse.“
„Ja?“
Er klang ziemlich verstimmt als er weiter sprach. „Ich hab was Neues von unserem Vater.“
„Kannst du es mir vielleicht gleich erklären? Es ist noch ein kleines Stück bis zum Anwesen.“
„Klar.“
„Wie geht’s Felicy?“
„Wie sonst auch. Zahlen, Finanzen, Profit. Sie ist in ihrer Traumwelt.“
„Wie kann man sich nur so viel mit Mathematik beschäftigen?“
„Keine Ahnung. Ich bevorzuge lieber die Arbeit am Computer.“
„Du hast es dir auch einfach gemacht. Eine Trainingsstange über dem Arbeitsplatz.“
„Bist du jetzt wütend weil du das nicht hast, oder wie?“
„Nein.“
„Natürlich nicht.“
„Aber da wir gerade bei den bevorzugten Arbeiten sind, die wir machen... Was macht Mom gerade?“
„Kochen.“
„Was gibt’s bei euch?“
„Oh, das ist toll.“
„Sag schon.“
„Ein Nudelauflauf.“
„Luca, können wir wieder nach Hause?“
„Warum?“, wollte dieser wissen.
„Mom macht einen Nudelauflauf.“
Er stöhnte. „Immer wenn wir nicht da sind. Muss sie uns denn immer so foltern?“
„Du kennst Alec. Er reibt es uns unter die Nase, nicht Mom.“
„Das hab ich gehört.“, meinte dieser.
„Ach.“, meinte ich nur, „Wie geht’s denn deiner Freundin?“
„Welche Freundin?“
„Welche wohl? Nadia.“
Luca lachte ein wenig.
„Bist du verrückt?“, wollte Alec wissen.
Ich hörte einen dumpfen Aufschlag und irgendwas runter fallen.
„Verdammt.“, fluchte Alec leise.
„Fluchen ist schlecht fürs Karma.“, erinnerte ich.
„Halt die Klappe.“
Ich schmunzelte. „Was ist passiert?“
„Wenn du so von mir redest kann man ja nur von der Stange fallen.“
Ich lachte ein wenig. „Luca, Alec ist von der Trainingsstange gefallen.“
„Wie hat er das denn geschafft?“, wollte dieser sofort wissen und grinste amüsiert.
„Nadia.“
Er lachte ein wenig. „Du bist ein Biest.“
„Miau.“
„Ich wusste gar nicht das Raubkatzen sich so anhören.“
„Die Kleinen bestimmt.“
„Du bist sicher nicht klein.“
„Nur wenn ich gut gelaunt bin.“
„Na, das stimmt auch wieder.“
„Alec?“
„Anwesend.“, meinte dieser.
„Ich glaube wir sind jetzt nahe genug am Anwesen.“
David fuhr gerade auf die kleine Straße die dort hin führte. Nur wenige Sekunden, dann kam der Zaun in Sicht.
„Wegen Vater?“, hakte Alec nach.
„Genau. Schieß los.“
„Er hat einen neuen Weg gefunden dich zu quälen.“
„Was hat er sich diesmal ausgedacht?“
Ich lehnte mich vor und hielt das Handy so, dass Luca mithören konnte.
„Tja. Paps hat ein kleines Gerät vom Schwarzmarkt gekauft. Einen Dream walker 1000. Ich habs mir eben angesehen.“
„Was kann das Teil?“, wollte Luca automatisch wissen.
„ Daddy kann uns jetzt in unseren Träumen besuchen und, jetzt kommt der Knackpunkt, er kann uns Schaden zufügen. Wenn er uns im Traum verletzt, sind wir auch in Realität verletzt. Natürlich muss man erst mal schlafen bevor er in die Träume gehen kann. Und dann muss er selbst noch den richtigen Augenblick abpassen. Das Gerät funktioniert nämlich erst sobald das Opfer bereits 2 Stunden schläft.“
„Verdammt.“, entfuhr es Luca und mir wie aus einem Munde.
„Kann man ihn nicht aufhängen oder so?“, wollte Luca wissen. „Und dann ein bisschen Folter...“
„Luca!“, meinte ich tadelnd. „Wenn jemand schon sterben soll dann schon schnell, findest du nicht?“
„Er nicht. Er hats verdient.“
„Und wenn schon. Sag mal, Alec, gibt’s noch mehr von ihm?“
„Oh. Das wird dir sicher nicht gefallen.“
Ich zögerte kurz. „Sag es einfach.“
Er räusperte sich. David hielt gerade den Wagen an.
„Mom hat vor drei Stunden ein wenig geschlafen. Vier Stunden lang. Er äh... Er hat es an ihr getestet.“
Bevor ich irgendwas Unüberlegtes tat, ließ ich das Handy in Lucas Schoß fallen, stieg aus und ging zum Anwesen. Luca holte erst die Taschen, während David und Theo ausstiegen und langsamer folgten. Ich bekam es kaum mit. Ich öffnete kurz die Tür und ging direkt zu den Trainingsräumen. Dort reagierte ich mich dann erst mal so weit ab wie möglich. Luca tat es mir gleich, während David und Theo zusahen. Das Schlimmste war das mein Vater das Gerät an meiner Mutter nur ausprobiert hat.
Der nächste Schlag setzte ein Loch in den Sandsack. Luca schien sich abreagiert zu haben und atmete kurz tief durch. Sein T-shirt war total verschwitzt.
„Warum trägst du immer noch die Jacke?“, wollte er wissen als er sich setzte.
Ich zog die Hand aus dem Sand. „Ich hab vergessen sie auszuziehen.“
Er seufzte und schüttelte ein wenig den Kopf. Ich zog mir kurz die Jacke aus und warf sie auf einen freien Stuhl.
„Und du trägst immer noch diese Handschuhe.“, beschwerte Luca sich dann.
Ich seufzte und sah ihn an. „Zwing mich nicht dazu, zu zeigen warum.“
Damit drehte ich mich wieder um und trainierte weiter. Er seufzte nur wieder.
„Ich hab nie gesagt das ich es sehen möchte.“, meinte er dann.
„Gut, ich hätte es dir auch nie gezeigt.“
Er erwiderte nichts. Nur die Geräusche meiner Schläge waren zu hören. Aber selbst die waren nicht sehr laut. Das war eines der Dinge die ich geübt hatte. Lautlos zu sein, egal was man tat.
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Etwa eine Stunde später hörte ich auf zu trainieren und sah mir den Sandsack an. Er hatte mehrere Löcher. Große, sowie kleine.
„Fertig?“, wollte Luca wissen.
„Seht wohl so aus.“, stimmte ich zu. „Am liebsten hätte ich hier ja jetzt einen der dämlichen Kläffer.“
Er grunzte belustigt. „Du meinst wie diese Spinne vor drei Jahren?“
„Igitt, erinnere mich bloß nicht daran. Aber jetzt muss ich erst mal etwas trinken und ich hab Hunger.“
„Das glaube ich dir. Du hast seit... vorgestern nichts mehr gegessen.“
„Sehr groß ist der Hunger deshalb noch lange nicht.“
Ich nahm meine Jacke vom Stuhl und ging aus dem Raum raus. Luca und die anderen beiden folgten natürlich.
„Bevor ich jedoch zu Abend esse...“, meinte ich. „Geht schon mal vor, ich gehe noch Baden.“
Luca rollte mit den Augen. Ich dagegen ging in mein Zimmer, wo ich mich auszog und dann direkt ins angrenzende Bad ging. Ich ließ Wasser ins die Wanne laufen und gab noch diverse Öle hinzu. Als ich mich hinein sinken ließ, seufzte ich und begann langsam mich zu entspannen. Die Handschuhe hatte ich noch an. Ich nahm sie nicht gern ab. Sie verdeckten schreckliche Narben aus der Vergangenheit.
Ich blieb etwa zwanzig Minuten in der Wanne. Dann stieg ich wieder heraus und trocknete mich kurz ab. Ich hatte die Handschuhe nur etwa drei Minuten abgelegt. Zwei am Ende, bevor ich aus der Wanne stieg und die letzte während ich mich abtrocknete. Als ich trocken war, ging ich wieder in mein Zimmer und zog mich an. Mein Haar ließ ich diesmal offen, sodass es bis zu den Knien fiel. Es war so schwarz wie ein Loch ohne Boden. Das hatte ich von meinem Vater. Ebenso wie Luca. Er hatte jedoch noch die braunen Strähnen meiner Mutter darin.
Fertig angezogen ging ich nun in die Küche. Bevor ich sie jedoch betrat hielt ich nochmal inne. Die drei redeten zufälligerweise über mich.
„Sylvia ist enttäuschter auf unseren Vater als ich.“, erklärte Luca gerade als wäre es eine Antwort auf eine Frage. „Sie hasst ihn abgrundtief. Ich kannte ihn nicht gut genug um ihn genauso sehr zu hassen, aber er hasst sie mindestens genauso sehr wie sie ihn. Also, er hat verschiedene Methoden ihr weh zu tun ohne sich in ihre Nähe zu begeben. Das würde nämlich seinen Tod bedeuten.“
„Hasst sie ihn so sehr?“, wollte David wissen.
„Als sie sieben war hat er versucht sie zu ertränken. Damals hat sie das noch nicht richtig kapiert. Als sie dann 13 war hätte er sie fast erschossen. Die Kugel traf nahe am Herzen, beschädigte aber weder das Herz, noch die Lunge. Sie ist an einem Rippenknochen abgeprallt und somit an der Seite wieder raus gekommen. Zwei Tage danach hätte er Mom und Alec fast umgebracht. Alec war damals 19. Sein Sicherheitssystem war damals noch nicht mal annähernd so gut wie heute.“
Ich lächelte schief. Das war sogar untertrieben.
„Felicy wäre beinahe drauf gegangen als sie 17 war. Als Sylvia dann 18 wurde... Wie soll man das erklären. Er hat eine Art Dämon auf sie gehetzt. Brennende Hände. Er hat sie drei Minuten lang an den Armen festhalten können bevor ich und Alec auftauchten.“, er seufzte. „Ich hab mir ihre Arme nur ein einziges mal ansehen können.“
Ich ging langsam einige Schritte zurück. Dann ging ich zurück in mein Zimmer und zog mir ausnahmsweise andere Handschuhe an. Dunkelgrüne. Ich liebte Grün. Es machte mich immer fröhlich. Als sie richtig saßen ging ich in den Flur zu meiner Tasche und brachte sie in mein Zimmer. Dort holte ich den Laptop heraus und nahm ihn mit in die Küche.
„Da bin ich wieder.“, meinte ich und stellte den Laptop neben Luca auf. „Ich glaube jetzt wird es langsam mal Zeit Alec zu sehen statt ihn nur zu hören.“
Er lächelte schief. „Du siehst alles viel lieber als es zu hören.“
„Natürlich. Du musst nur aufpassen das man bei dir nicht zu viel sehen kann.“
„Zum Beispiel?“
„Na, das kleine Fettpölsterchen da zum Beispiel.“
Ich knuffte ihm in die Seite und er zuckte zur Seite. „Ich habe keine Fettpolster.“
Ich dagegen grinste ihn nur an und startete den Laptop, während ich ihn noch anschloss. Was für ein Glück das man über Funk ins Internet kam.
„Ist er überhaupt online?“, fragte Luca als ich mein Passwort eingab.
„Luca, Alec ist immer online. Das musst du doch langsam mal wissen. Er ist sogar online wenn er schläft.“
Er lachte leise und sah mir zu wie ich die Verbindung herstellte. Kurz darauf war Alec zu sehen wie sein Oberkörper sich hob und senkte. Er trainierte.
„Fünfzig.“, meinte er gerade.
„Schaffst du noch die einundfünfzig?“, wollte ich von ihm wissen. „Ich würde dir ja gerne helfen, falls nicht, aber ich bin ganz auf der anderen Seite der Erde.“
Überrascht sah er zum Bildschirm und lächelte dann. „Gut angekommen?“, wollte er wissen.
„Sehr gut. Trägst du eigentlich auch mal T-shirts oder läufst du immer öfter oben ohne herum?“
„Warum sollte ich es dir verraten?“
„Es war nur eine Frage.“
„Wenn du es sagst.“
„Ich sage es nicht nur, ich weiß es auch.“
Er machte etwas mit den Schultern.
„War das ein Schulterzucken? Kopfüber ist es schwer zu erkennen.“
Er seufzte und ließ sich auf den Drehstuhl gleiten. „Besser?“
„Viel besser. Wie geht’s Mom?“
„Bestens. Sie wird ein oder zwei Narben haben aber die verblassen schnell. Schon was neues?“
„Es wird von Jahr zu Jahr langweiliger hier in Amerika. Ich möchte mal wieder nach Russland.“
„Zu Anton?“
„Nein. Wenn schon dann zu Ivan, aber das meine ich nicht.“
„Ich dachte Ivan wäre nicht dein Fall?“, meinte Luca leicht verwirrt.
„Ist er auch nicht. Aber er ist ein ganz guter Freund. Anton ist nicht so sehr.“
„Und was willst du dann in Russland, wenn nicht zu Anton oder Ivan?“, wollte Alec weiter wissen.
„Sibirische Wölfe. Richtige Wölfe, nicht diese dämlichen Kläffer die auch auf zwei Beinen laufen können.“
David lachte ein wenig. „Die Wölfe hier in Amerika sind doch auch ganz niedlich.“
„Ja, aber sibirische Wölfe hab ich schon lange nicht mehr gesehen. Drei oder Vier Jahre. Oder Ich gehe mal wieder zur Antarktis. Polarwölfe sind wirklich niedlich.“
Luca seufzte. „Jetzt wird sie wieder kuschelig.“
Alec brach in Gelächter aus. Ich dagegen schubste Luca von seinem Stuhl.
„Wenn ich eins nicht bin dann kuschelig.“, meinte ich dann.
„Dann wirst du eben süß.“
„Nein Danke. Da schubse ich dich lieber vom Stuhl.“
„Ach wie gut das ich auf der anderen Seite des Tisches sitze.“, meinte David. „Wann gibt’s Abendessen?“
Ich schürzte die Lippen. „Fünf Minuten.“
„Was gibt es denn?“, wollte Alec wissen.
„Du bekommst sowieso nichts ab.“
„Ich hab dir auch gesagt was es bei uns gab.“
Ich schwieg für ein paar Sekunden. „Es nennt sich petto di pollo al forno con formaggio.“
Er zog die Brauen zusammen und dachte kurz nach. „Mein Italienisch ist nicht so gut.“, meinte er dann.
„Du kannst es ja googeln.“
Luca lachte ein bisschen. „Was heißt das, Sylvia? Ich kann kein Italienisch.“
„Hast du irgendeine Allergie gegen Lebensmittel?“, wollte ich von Theo wissen.
Er schüttelte den Kopf. „Ich kann essen was ich möchte.“
Ich nickte. „Gut.“
Damit stand ich auf und ging hinter die Theke um die Sachen hervor zu holen. Das gute war, die Theke auf der ich arbeitete war etwas niedriger als die hinter mir, sodass die anderen nicht sehen konnten was ich machten, ohne aufzustehen.
„Ach so!“, meinte Alec als er es raus hatte. „Warum machst du das wenn du nicht hier bist?“
„Ich koche es gerne wenn du nicht da bist weil es dich ärgert dann nicht mitgekommen zu sein.“
„Biest.“
„Ich weiß.“
Ich stand recht lange an der Theke und machte das Essen, während ich summte und mit einem Ohr zuhörte was die Männer so redeten. Alec redete natürlich mit. Irgendwann erklang sogar Felicys Stimme.
„Alec! Mom möchte das du die Küche sauber machst.“, meinte sie.
„Die Küche? Ich? Jetzt? Warum nicht du?“, wollte Alec von ihr wissen.
„Ich muss noch die Zinsen verrechnen.“
„Wer hatte die Idee mit den Zinsen?“, wollte ich wissen. „Also, ich wars nicht. Ich hatte keine Idee, was das Finanzielle angeht.“
Luca nickte. „Ich weiß auch nichts von Zinsen.“
„Ich habe keine Ahnung.“, stimmte Alec zu. „Hast du die eingeführt?“
Ich wusste, dass die Frage an Felicy ging.
„Wenn schon denn schon.“
„Ich mache diesen Job um den Leuten zu helfen, nicht sie in den Ruin zu treiben.“, meinte ich darauf.
„Sehe ich genauso.“, stimmte Luca zu.
„Wer hatte überhaupt die Idee, dass Sylvia bezahlt wird?“, wollte nun Alec wissen.
Alle schwiegen.
„Felicy!“, riefen dann ich, Luca und Alec zugleich.
„Ich glaube ich mach die Küche sauber.“, meinte diese.
„Ihr seid eine seltsame Familie.“, meinte Theo.
„Sylvia!“
Als ich die Frau mit dem Französischen Akzent von der Küchentür hörte, sah ich abrupt auf.
„Felicita!“, meinte ich lächelnd und ging zu ihr.
Luca seufzte. „Na super. Ich kann kein Französisch.“
David und Alec lachten darüber.
„Du hättest in der Schule besser aufpassen sollen.“, meinte ich zu Luca und wand mich dann wieder an Felicita. „Wie geht’s dir?“, wollte ich von ihr auf Französisch wissen, da sie keine anderen Sprach beherrschte.
„Mir geht’s wunderbar.“, gab sie zurück. „Wer sind die drei? Alec kenne ich ja.“
„Oh ja, und wie du ihn kennst.“, stimmte ich zu und schmunzelte etwas. „Das bei meinem Laptop ist Luca. Er ist mein Bruder. Die anderen beiden sind David und Theo. David müsstest du aber noch kennen. Er war vor ein paar Monaten mal hier.“
Sie zog die Brauen zusammen und dachte kurz nach. Dann nickte sie. „Stimmt. Der Mann der deine Vase vom Sockel geholt hat. Das werde ich nie vergessen.“
Ich brach in Gelächter aus.
„Ach, bevor ich es noch vergesse.“, meinte sie dann. „André hat dir eine Geisel mitgebracht. Er ist aber schon wieder weg. Ich gehe für ein paar Wochen auch weg. Ab in die Heimat und zu meiner Familie.“
„Ich freue mich sehr für dich... Sagtest du eben Geisel? Was ist es?“
„Es erinnert an einen Vampir.“
„Oh, Vampire machen Spaß. Naja, außer er. Der verdirbt mir immer den Spaß. Und außerdem ist er ein Freund.“
Sie lachte ein wenig. „Und er sieht gut aus.“
„Felicita!“
Sie lachte nur herzlich. „Ich muss jetzt packen. Die Geisel ist im dritten Zimmer. Viel Spaß noch.“
„Den werde ich haben.“
Damit ging sie wieder raus. Ich ging in die andere Richtung, nämlich zur Theke, und kochte weiter. Nachdem ich das Essen dann in den Ofen geschoben hatte, verließ ich die Küche und ging zu den Räumen in denen die Geisel eingesperrt wurden. Zimmer Nummer 3. Gefunden! Als ich die Tür öffnete, sah ich einen Vampir auf einem Stuhl sitzen. Er war angekettet. An den Boden. Ich wusste nicht wie viele Ketten es waren, aber es sah schwer aus. Er hob den Kopf und sah mich misstrauisch an als ich herein kam und die Tür hinter mir schloss. Ich nahm mir einen Stuhl, stellte ihn vor ihn hin und setzte mich.
„Wie heißt du?“, wollte ich wissen und sah ihn wartend an.
Er zog nur die Brauen zusammen und sah etwas irritiert aus.
„Also, ich bin Sylvia. Du kannst mich auch ruhig duzen wenn du möchtest. Darf ich wissen wie du heißt?“
Langsam wich der Irritierung Verwirrung. Er sagte jedoch nichts.
„Bist du stumm?“
„Nein.“ Es hörte sich ziemlich trotzig an. Seine Stimme war dunkel und angenehm weich.
„Gut, dann sag mir doch bitte wie du heißt.“
„Warum?“
„Ich hab dir auch meinen Namen verraten.“
„Ich hab nie gesagt, dass ich ihn wissen möchte.“
„Hmmm...“, ich schürzte die Lippen. „Warum sagst du ihn mir nicht einfach.“
„Ich kenne dich nicht mal.“
„Ich hab mich doch vorgestellt.“
„Nur weil ich deinen Namen kenne heißt es noch lange nicht, dass ich dich kenne. Ich kenne eben nur deinen Namen. Ein Wort auf dem du hörst. Genauso gut könnte ich dich Kitti nennen.“
„Nun, wenn du mir so kommst nenne ich dich halt...“
Ich tippte mir ans Kinn während ich nachdachte. Nach einer Weile zog ich sogar nachdenklich die Brauen zusammen. Der Vampir vor mir seufzte gelangweilt und legte den Kopf in den Nacken, wobei die Ketten rasselten.
„Ich habs. Ich nenne dich Viper.“, meinte ich.
„Viper?“, hakte er mit leichter Demütigung nach und sah mich unverständlich an. „Du willst mich Viper nennen, habe ich das richtig verstanden?“
Ich nickte. „Richtig. Viper.“
„Wo bin ich nur gelandet?“, fragte er sich dann selber und legte den Kopf wieder in den Nacken.
„In einem der Danson Manor.“
„Danson Manor?“
„Nummer sieben um genau zu sein.“
Er sah so aus als würde er sofort nach etwas horchen. Er spitzte seine Ohren.
„Hast du irgendwelche Probleme mit anderen?“, fragte ich ihn.
„Ich hab mit meiner ganzen Spezies ein Problem. Die wollen mich killen!“
„Wow. Sowas ist mir neu. Er wird zwar gejagt, aber umbringen wollen sie ihn nicht.“
„Wen?“
„Er ändert seinen Namen so oft das ich seinen richtigen gar nicht mehr kenne. Er ist auch ein Vampir. Ein Vampir mit vielen Fähigkeiten. Warum jagen dich die anderen Vampire?“
Er schwieg. Daraufhin seufzte ich kurz und sah an ihm vorbei, während ich nachdachte. Kurz darauf sah ich ihn wieder an.
„Warum hat André dich mitgenommen?“
„Woher soll ich das wissen? Der hat mich einfach angefallen und KO geschlagen. Ich bin hier wieder aufgewacht, inmitten dieser ganzen Ketten.“
„Sind sie sehr schwer?“
„Nein, aber sie nerven. Sie rasseln bei jeder Bewegung. Ich kann mich nicht mal kratzen ohne das sie rasseln.“
Ich schmunzelte ein wenig. „Ich weiß wie nervtötend das ist.“
Ich stand auf und ging zu ihm um ein paar Ketten zu lösen. Aber nur ein paar. Ich merkte sofort, dass sein Hunger größer wurde als ich ihm zu nahe war.
„Tut mir Leid das ich dir nichts zu essen anbieten kann.“, meinte ich als ich fertig war.
„Ich halte es schon aus.“
Er zuckte mit den Schultern. Daraufhin sah er etwas überrascht dort hin wo ein paar Ketten waren. Dann atmete er erleichtert auf.
„Wenigstens rasselt es nicht mehr so viel.“
Ich setzte mich wieder auf den Stuhl und dachte kurz nach.
„Wo kommst du her?“, wollte ich wissen.
„Brasilien. Mir wurde es etwas zu heiß.“
„Und wo bist du geboren?“
„Alaska. Ich bin als Vampir geboren worden.“
Er begann langsam die Ketten zu begutachten die an seinen Handgelenken befestigt waren.
„Du kannst sie nicht kaputt machen.“, informierte ich ihn. „Sie wurden extra auf Vampire spezialisiert. Sie könnten zweihundert Lkws halten ohne zu reißen. Man könnte sogar noch Fracht dazurechnen. Und Fahrer. Oder zweite Anhänger. Sie sind sehr widerstandsfähig.“
„Verstehe. Und was passiert wenn ich mir die Hand abreiße?“
„Nachwachsen wird sie nicht. Ich glaube nicht das du ohne Hände zurechtkommst.“
Er hörte auf die Ketten zu begutachten und hob eine Hand an die Kette die an seinem Hals befestigt wurde. Es sah aus als hätte er ein Halsband um. Ein Halsband aus Metall das mit Ketten befestigt wurde.
„Und warum hab ich dann die hier?“, wollte er wissen.
Ich schürzte die Lippen. „Es gibt das eine oder andere Gerücht. Sicher ist sicher, nicht wahr?“
„Stimmt auch wieder. Warum bist du eigentlich so... nett zu mir?“
„Soll ich dich foltern?“
„Nein.“
„Ich finde, wenn man nett ist dann hat man nicht gleich zwanzig Feinde mehr.“ Ich gähnte kurz. „Man kann mich dann nicht so einfach einschätzen. Das ist einer der Vorteile. Und was noch hinzu kommt, wenn man nett ist, wird man beim Ausbruch nicht als erstes umgebracht.“ Ich schmunzelte ein wenig.
Als es an der Tür klopfte, hob ich den Kopf und drehte mich um.
„Ja?“, meldete ich mich dann.
Luca sah herein. „Ich will ja nichts gegen deine Kochkünste sagen, aber ich glaube da brennt gleich etwas an.“
„Ich komme gleich. Eine Minute.“
„Ich kann mir ja im Notfall eine Pizza bestellen.“
„Halt die Klappe!“
Er lachte ein wenig und zog die Tür wieder zu. Ich dagegen stand auf.
„Er kann so ein Idiot sein.“, murmelte ich zu mir selbst, „Ich gehe dann mal wieder.“, meinte ich dann an Viper, „Morgen früh, denke ich, sehen wir uns wieder. Vielleicht hast du ja Glück und du schaffst es die Ketten zu zerbrechen. Aber das wird dir nicht viel nützen. Einbrechen ist in diesem Haus genauso unmöglich wie ausbrechen.“
„Unmöglich?“, hakte er nach.
„Sehr gutes Sicherheitssystem.“, erwiderte ich nur und wandte mich zum gehen. „Bis morgen.“
Damit verließ ich das Zimmer und ging wieder in die Küche. Dort holte ich kurz das Essen aus dem Ofen und servierte es. Der Laptop war bereits wieder abgeschaltet und nach dem Essen ging ich in mein Zimmer, während Luca David und Theo die Gästezimmer zeigten.
In meinem Zimmer begann ich dann mich umzuziehen und legte mich ins Bett. Es wurde langsam mal Zeit das ich mich mit ihm unterhalte. Binnen weniger Sekunden war ich eingeschlafen.
„Du brauchst lange um ins Bett zu kommen.“, meinte er hinter mir im Bett.
Ich drehte mich überrascht um, fiel dabei aus dem Bett und stieß mir zusätzlich den Kopf am Nachtschrank. Er brauchte nicht lange, da war er schon bei mir.
„Tut mir Leid.“, meinte er. „Ich hätte dich vorwarnen sollen. Lass mich sehen.“
Er hielt meinen Kopf fest und tastete vorsichtig an meinem Hinterkopf entlang. Als er dann eine Verletzung berührte, hob ich vor Schmerz den Kopf. Da sein Kopf zu dem Zeitpunkt in einer sehr ungünstigen Position war, traf meiner sein Gesicht und ich brach ihm die Nase.
„Verdammt!“, meinte er.
„'tschuldige.“, meinte ich, während er sich die Nase hielt.
Er atmete kurz durch und schüttelte den Kopf. „Du hast mir die Nase gebrochen.“
„Das wollte ich nicht. Tut mir Leid.“
Er schüttelte erneut den Kopf. „Okay, vergessen wir das besser, bevor wir noch mehr Schaden anrichten. Warum suchst du mich?“
„Es lässt sich besser erklären wenn Luca und Alec dabei sind. Kannst du zu mir kommen?“
„Zu dir?“, hakte er nach und zog die Brauen zusammen.
„Außerhalb des Traumes.“, gab ich zurück.
„Ach so. In welchem Danson Manor seid ihr?“
„Nummer sieben. In New York.“
Er nickte. „Kein Problem. Um 14 Uhr bin ich da.“
„Tut es sehr weh?“
Er nickte ziemlich lange. „Und wie. Und dein Kopf?“
„Es würde mich nicht wundern wenn ich die nächsten fünf Wochen Kopfschmerzen habe.“
„Dann sind wir wohl quitt.“
„Ich wollte dir nicht die Nase brechen.“
„Und ich wollte dich nicht aus dem Bett schrecken.“
Ich seufzte. „Wie heißt du eigentlich?“
„Vayl. Und ich habe erst mal vor so eine Zeit lang zu heißen.“
„Okay.“
„Wie geht’s den anderen?“
„Ganz gut. Und dir?“
„Abgesehen von der gebrochenen Nase? Prima.“
Ich seufzte und tastete vorsichtig an meinen Hinterkopf. Ich verzog das Gesicht als es fürchterlich brannte.
„Wundert mich das ich nicht aufgewacht bin.“, meinte ich dann.
„Ich glaube, ich sag mal bis später.“, murmelte er.
„Okay. Bis später.“
Er nickte. Dann drehte er sich um und verließ mein Zimmer. Ich wusste nicht wohin er gegangen war. Ich war immerhin in einem Traum. Die Tür hätte nach Paris führen können. Ich schüttelte den Kopf und legte mich wieder hin um den richtigen Traum zu träumen. Ich lag noch etwa drei Minuten so im Bett. Dann schlief ich in meinem Traum ein.
Als ich aufwachte, fühlte sich mein Kopf an als wäre da jemand mit einem Presslufthammer am Werk. Ich söhnte schmerzhaft und tastete vorsichtig nach der Verletzung. Sie blutete immer noch.
„Verdammt.“, fluchte ich leise.
Als ich dann bemerkte, dass mein Kissen nass war, hob ich den Kopf. Nun hatte ich ein rotes Kissen, statt ein weißes. Ich seufzte und stand auf um unter die Dusche zu gehen. Danach trocknete ich mich ab, zog mich an und ging mit dem Kissen aus meinem Zimmer. Während der Dusche hatte die Verletzung glücklicherweise aufgehört zu bluten. Nun brachte ich das Kissen in die Wäschekammer und sah auf die Uhr. Drei Sekunden danach, exakt um 14 Uhr, klingelte es. Ich schmunzelte ein wenig und ging zur Tür um sie zu öffnen. Vayl betastete gerade sein Nasenbein.
„Das dauert sicher zwei Tage bis das verheilt ist.“, beschwerte er sich.
Ich rollte mit den Augen. „Hast du mal mein Kissen gesehen? Es ist ganz rot.“
Er schmunzelte. „Der Tisch hat wohl richtig getroffen.“
„Ärger mich nicht. Ich hab schon genug Kopfschmerzen.“
„Ach, und ich nicht?“
„Nein.“ Ich ließ ihn rein.
„Okay, da gebe ich dir recht, aber meine Nase tut weh.“
„Nun stell dich mal nicht so an. So hart ist mein Kopf noch nicht mal.“
„In Realität ist er viel härter, das stimmt, aber du hattest ziemlich viel Wucht drauf.“
„Ziemlich viel?“
„Du hast mir die Nase gebrochen.“, erinnerte er.
Ich seufzte, verdrehte die Augen und ging voraus ins Wohnzimmer. „Du übertreibst. Es ist ja immerhin nur...“
„Eine gebrochene Nase! Ich kann wegen dir nichts mehr riechen.“
„Wie schlimm. Ich kann nicht klar denken ohne dabei Schmerzen zu haben.“
Als ich während dem Satz das Wohnzimmer betrat, sahen die drei Männer sofort auf.
„Klar denken.“, spottete Vayl, „Ich kann nichts riechen! Ein Vampir der nicht riechen kann, hast du das mal erlebt?“
„Ja, jetzt.“
„Ich kann ja nicht mal mich selbst riechen.“
„Dann hast du eben Pech gehabt.“
„Du bist doch dran schuld.“
„Wieso ich? Du wolltest dir doch meinen Kopf ansehen.“
„Du bist aus dem Bett gefallen.“
„Du hast mich eben erschreckt.“
„Du bist halt so schreckhaft.“
„Und was kann ich dafür?“
„Das fragst du noch?“
„Ja, tue ich.“
„Du bist eben du. Bei dir ist es normal das du schreckhaft bist.“
„Warst du es nicht der gesagt hat das du mich hättest vorwarnen sollen?“
„Das war eine Ausnahme. Ich habe geschlafen und konnte nicht klar denken.“
„Ich hab auch geschlafen.“
„Das erklärt, dass du dich entschuldigt hast weil du mir die Nase gebrochen hast.“
„Da kann ich doch nichts für!“
„Es ist dein Kopf gewesen.“
Luca brach in Gelächter aus.
Ich seufzte. „Jetzt werde ich auch noch ausgelacht.“
Ich setzte mich mit Vayl auf die Couch und bemerkte, dass er wieder seine Nase betastete.
„Zwei Tage.“, seufzte er.
„Du bist ein Vampir. Das dürfte in ein paar Stunden wieder okay sein.“
„Nicht wenn der Knochen zerschmettert ist.“
„So doll war das doch gar nicht.“
„Überhaupt nicht.“, gab er ironisch zurück, „Es war nur ein kleiner Klaps. Ein Klaps der mein Nasenbein zertrümmert hat. Sehr schwach.“
„Du übertreibst schon wieder.“
Luca beruhigte sich langsam und schüttelte den Kopf. „Hattet ihr ein Date, oder was?“
„Nein! Er hat nur hinter mir im Bett gelegen, hat mich erschreckt und ich bin aus dem Bett gefallen. Naja... Den Rest müsstest du ja jetzt schon wissen.“
„Er hat hinter dir im Bett gelegen?“, hakte David nach.
„Im Traum.“, fügte ich hinzu.
Vayl musste grinse. „Hört sich so an als würdest du von mir träumen.“
Ich biss die Zähne aufeinander.
„Heiße Träume.“, stimmte Luca zu. „Sehr heiße Träume.“
„Gleich gibt es eine weitere gebrochene Nase und eine Nase die mehr als nur zertrümmert ist.“, gab ich zurück.
Die Männer mussten lachen. Sogar Theo. Als Lucas Handy klingelte, beruhigten sie sich langsam wieder alle. Luca holte sein Handy hervor und nahm ab.
„Was gibt’s?“, wollte er amüsiert wissen und hörte kurz zu. „Warum das? Ich meine...“
Er wurde unterbrochen und hörte wieder zu. Diesmal dauerte es etwas länger und ich sah wie seine gute Laune langsam verschwand. Ich zog leicht verwirrt die Brauen zusammen und registrierte jede Regung in seinem Gesicht. Dann wurde er schlagartig blass.
„Ja, ich... ich hol euch zwei dann ab. Eine halbe Stunde.“ Er horchte kurz. „Nein. Ich lass sie hier. Wir sehen uns dann gleich.“
Er legte auf und steckte das Handy wieder ein, während er aufstand.
„War das Alec?“, wollte ich wissen.
„Ja.“, gab er zurück.
„Und er kommt her?“
„Ja.“
„Und er lässt Felicy und Mom allein?“
Er hielt auf dem Weg zur Tür inne. „Nein.“
Mehr sagte er nicht. Er verließ das Wohnzimmer und ging. Ich sah Vayl fragend an, der mehr als blass neben mir saß. Er hatte jedes Wort verstanden, das wusste ich.
„Was hat Alec ihm erzählt?“, wollte ich leise wissen.
Er rieb sich übers Gesicht und schloss die Augen. „Das sollte er dir selber sagen. Also... Warum hast du mich her bestellt?“
Ich holte kurz Luft und begann zu erzählen. Von den Werwölfen die bei uns zu hause waren und Jagd auf mich machten. David und Theo hörten ebenfalls zu. Als ich dann begann ihm von dem Gerät und meinem Vater zu erzählen, sprach ich leiser, damit weder David noch Theo etwas davon verstanden. David wusste das es nur sehr wenige gab denen ich von meinem Vater erzählte. Diese waren nur eingeweiht weil sie mit mir kämpften. Es gab genau vier die außerhalb der Familie von ihm wussten. Vayl, Ivan, Valec und William. Alle vier kannte ich schon sehr lange. Alle außer William waren dabei als der Dämon mich angegriffen hatte. William hatte von meinem Vater erfahren als ich diesem mit William getroffen hatte. Da es mitten unter Menschen gewesen ist, hatte keiner von uns Schaden bezogen.
Als ich fertig war Vayl alles zu erzählen nickte er langsam. „Wissen die anderen drei schon Bescheid?“, wollte er wissen.
„Noch nicht. Ich kam nicht dazu sie zu kontaktieren. Bei Ivan und William wird es nicht so leicht sein. Braucht deine Nase wirklich zwei Tage um zu verheilen?“
„Wenn ich mich auf das Genesen konzentriere dauert es eine Stunde, aber so lange kann ich mich, glaub ich, nicht konzentrieren.“
„Außer natürlich, du kämpfst.“
„Natürlich. Da geht es um mein Leben. Deine Kopfverletzung dürfte in einer halben Stunde bereits weg sein.“
„Halbe Stunde?“, hakte ich nach.
„Die Konzentration brauche ich dafür. Sonst hätte ich bereits eine gesunde Nase. Du warst nur so weit weg.“
„Warum hast du das nicht früher gesagt?“
„Es macht Spaß dich zu ärgern.“
Ich sah ihn leicht beleidigt an.
„Sieht Felicy dir eigentlich immer noch so ähnlich?“, fragte er eine Weile später.
„Nein. Sie hat aufgehört sich die Haare zu färben. Jetzt sind sie von Natur aus blond und repräsentieren ihre Intelligenz.“
Er grunzte belustigt. „Mathematik ist auch das einzige das sie fehlerfrei beherrscht. Wenn es so schwer ist Ivan und William zu erreichen, warum fängst du nicht schon damit an?“
„Stimmt.“
Ich zog die Brauen zusammen. Dann stand ich auf, holte mein Laptop und startete ihn. Vayl machte es sich etwas gemütlicher und schloss die Augen. Er sah so aus als würde er schlafen.
„Wann hast du das letzte Mal geschlafen?“, wollte ich von ihm wissen.
„Du warst dabei.“, meinte er darauf. „Als ich dein Zimmer verlassen habe bin ich aufgewacht und hab mich auf den Weg gemacht. Davor hat ich eine halbe Stunde geschlafen.“
„Und das willst du jetzt nachholen.“
„So ungefähr.“
„Dann geh in eines der freien Gästezimmer. Du schnarchst.“
„Vampire schnarchen nicht. Und Vampire mit gebrochenen Nasen erst recht nicht.“
Ich seufzte nur und versuchte William zu erreichen. Eine Weile war es still. Dann, endlich, ertönte Williams Englische Stimme.
„Sylvia, wie geht’s dir?“, wollte er wissen und lächelte mich auf dem Bildschirm an.
„Mir geht’s ganz gut.“
„Freut mich. Mir ebenfalls. Hallo Vayl. Hast wohl zu wenig Schlaf bekommen.“
„Man tut was man kann.“, gab dieser zurück, „Was macht Elenoir?“
Er schnalzte mit der Zunge. „Sie ist bei Anna. Kindergeburtstag. Du kennst sie ja. Hat ein Kind im Umkreis von fünfzehn Meilen Geburtstag muss sie unbedingt dort hin.“
Vayl grunzte belustigt.
„Was gibt’s neues?“
„Matte.“, meinte Vayl nur.
William verzog angewidert das Gesicht. „Muss der ständig nerven? Ich hatte meine Wut gerade erst unter Kontrolle bekommen.“
Ich schürzte die Lippen und begann den Bericht zu schreiben.
„Wie ist das Wetter bei euch?“, wollte Vayl nebenbei wissen.
„So ätzend wie Säure auf Haut. Es gießt ununterbrochen ohne Sicht auf besseres Wetter. Seit Tagen.“
Er begann noch weiterer Erklärungen über das furchtbare Wetter zu machen. Als er fertig war, schickte ich den Bericht ab. Fast direkt danach begann er ihn zu lesen.
„Verdammt.“, fluchte er. „Wie kann er Sowas machen?“
„Was weiß ich.“, gab ich zurück. „Er ist verrückt, das weißt du ja.“
„Soll ich Valec Bescheid sagen?“
„Wäre nicht schlecht. Ich hab schon lange nicht mehr mit Ivan gesprochen.“
„Dein Lover.“, neckte er mich.
„Spinnst du?“
Er lachte noch. Dann verschwand das Fenster indem er zu sehen war. Die Verbindung war unterbrochen. Nun begann ich die Verbindung zu Ivan zu bekommen. Bei ihm war es wesentlich schwerer. Nach zehn Minuten hatte ich es dann aber doch.
„Ivan!“, rief ich freudig aus.
Er hob den Kopf und lächelte. „Wie geht’s dir, Liebes?“, wollte er wissen.
Er sah schon immer sehr attraktiv aus, aber mit diesem Akzent war es wesentlich deutlicher. Ich lächelte etwas mehr.
„Mir geht es beinahe prächtig.“
„Beinahe?“
„Erstens: Es wäre viel besser wenn du auch hier wärst.“
„Zweitens: Es gibt Neuigkeiten über Matte.“, fügte Vayl hinzu.
„Ach, du bist wach?“, hakte Ivan nach.
„Sylvias Gekreische nach dir ist schwer zu überhören.“
„Ich hab nicht gekreischt.“, gab ich zurück.
Ivan lächelte unwillkürlich. „Sie hat gerufen.“, korrigierte er Vayl. „Liebes, sag mir wann ich da sein soll und ich mache mich auf den Weg zu dir.“, meinte er dann an mich.
Ich schmunzelte. „Du musst nicht her kommen. Ich hab hier einen kleinen Bericht.“
Ich verschickte die Datei und er begann es sich durchzulesen. Als er damit durch war, sah man, dass er wütend war.
„Was für ein...“
Ich verstand nicht was er danach sagte. Er sprach sein Russisch zu schnell. Noch dazu war ich nicht darauf eingestellt, dass er nun russisch sprach. Als er dann jedoch fertig war, sprach er wieder englisch.
„Ich glaube nicht das ich wissen will was du gesagt hast.“, meinte ich.
„Das ist auch gut so.“, gab er zurück und zog die Brauen zusammen. „Ich kann den nächsten Flieger nehmen. Das bei dir zuhause scheint auch nicht gerade harmlos zu sein.“
„Vayl wollte mir und Luca helfen.“
„Wenn ich es richtig gelesen habe sind Alec und noch jemand doch auf den Weg zu dir.“
Ich nickte.
„Dann werden die Kläffer es aufgeben und ihnen folgen. Und Viola, schon hast du das eine Rudel und noch zwei amerikanische am Hals.“
Ich brummte als Antwort. „Dann werden William und Valec aber auch kommen müssen.“
„Kein Problem, Schätzchen. Ich hab die Nummern.“
„Wie kommt es das du mit William so schnell in Kontakt kommen kannst, während ich zehn Minuten brauche um mit dir sprechen zu können.“
„Sicherheitssystem, Liebes. Das kann ich nicht beeinflussen. Ich hab es dir schon so einfach gemacht wie ich kann indem ich mein System eigenen für deines zugänglich gemacht habe. Der Schutz der die Computer hier bei mir schützt hängt an einem anderen System das du erst umgehen musst. Das sind die zehn Minuten.“
„Verstehe. Wann kannst du hier sein?“
„Fünf Stunden. Mit dem Jet drei.“
„Okay. Bis dann.“
Er lächelte mich noch kurz an. „Bis dann.“
Schon verschwand das Bild. Ich seufzte und schaltete den Laptop aus. Kurz darauf fiel die Haustür zu. Vayl stand auf, streckte sich und half mir auf. David und Theo standen ebenfalls auf und folgten uns aus dem Wohnzimmer. Luca stand mit Alec und Felicy am Eingang und stellte ihre Koffer an die Seite.
„Was ist mit Mom?“, wollte ich wissen und ging zu ihnen.
Alec sah zu mir und dann von Luca zu Felicy. Diese sahen ihn an. Ich ging mit Vayl, David und Theo zu den drei. Dort angekommen war das erste das Alec machte, mich in die Arme nehmen. Ich war etwas verwirrt darüber, während er mich an sich zog als wäre er sich nicht sicher das ich es war.
„Was ist?“, wollte ich wissen. „Und was ist mit Mom?“
„Das Problem ist, wir wissen nicht wie du reagieren wirst.“, meinte Felicy.
„Wenn ihr es mir sagt hättet ihr die Antwort.“
Luca am zu uns und flüsterte Alec etwas zu. Ich verstand es jedoch nicht. Ich verstand kein Wort. Als Luca fertig war mit erzählen, sah Alec etwas unschlüssig aus und sah mich an. In seinen Augen sah ich eindeutige Sorge. Was war nun wieder passiert?
„Okay.“, meinte er an Luca.
Alec nahm mich sanft an der Hand und zog mich hinter sich her. Ich verstand nur Bahnhof. Bis ich merkte wohin er mich brachte. Es war eine Art Vorrichtung für Wahnsinnige, könnte man sagen.
„Warte, was willst du da?“, wollte ich von Alec wissen und zog leicht an meiner Hand.
Er hielt sie nur fester. „Wir sorgen dafür das du sicher bist.“, meinte er leise. „Wir glauben, du könntest die Nachricht nicht verkraften.“
„Nicht verkraften? Was ist los? Wovon sprichst du?“
Er antwortete nicht. Er betrat mit mir den Kontrollraum der Vorrichtung, brachte mich noch in den Raum und ließ mich dort drinnen allein. Ich wollte sofort folgen, stellte dann aber fest, dass er mich eingesperrt hatte.
„Alec, mach die Tür auf.“, verlangte ich. „Was soll das?“
Ich hörte wie er die Systeme hoch fuhr und ein paar Einstellungen machte. Das Zimmer in dem ich war, war ganz einfach eingerichtet. In einer Ecke waren Trainingsgeräte um sich abzureagieren. In einer anderen war ein Bett, falls man müde wurde. Dann gab es noch eine kaum sichtbare Tür die zu einem kleinen Bad führte.
„Beruhigte dich erst mal.“, meinte Alec an einem Mikrofon. „Glaub nicht das mir, dass alles leicht fällt. Aber du bist nun mal die Gefährlichste von uns vier. Und du... hängst am meisten an Mom. Deine Wut auf Matte ist am größten.“ Er machte eine kurze Pause. „Beruhige dich erst mal.“
Misstrauisch und verunsichert begann ich in dem Raum hin und her zu tigern. Ich machte nicht ein Geräusch. Ich konnte die anderen durch ein großes Beobachtungsfenster sehen, sowie sie mich sehen konnten. Die Blicke meiner Geschwister waren voller Sorge und Aufmerksamkeit auf mich gerichtet. Ich hörte nicht was gesagt wurde wenn das Mikrofon nicht an war, sah aber das Alec und Vayl sich halbwegs unterhielten, während mich alle beobachteten. Nach einer Weile schien Alec sich zu überwinden, setzte sich mit dem Mikrofon soweit wie möglich von den anderen weg und atmete tief durch. Dann sprach er wieder zu mir. Ich wusste, dass sie mich perfekt hören konnten.
„Sylvia, du hast dich doch gefragt was mit Mom ist.“, begann er.
„Ja. Eigentlich würdest du sie nie allein zu hause lassen. Erst recht nicht bei den ganzen Kötern die da sind.“
Ich sah das er es schwer hatte darüber zu sprechen, gerade weil er versuchte es mir so sanft wie möglich bei zu bringen. Was auch immer er mir beibringen wollte.
Er atmete tief durch. „Matte... Er hat das Gerät wieder ausprobiert.“
Da kam noch etwas. Das wusste ich einfach.
Was ist los?
„Er hat es übertrieben. Er... Verdammt.“ Er ließ das Mikro los und machte eine Pause. Dann riss er sich zusammen und schaltete es wieder ein. „Also... Mom ist an den Verletzungen verblutet. Ich hab sie vor ein paar Stunden gefunden, weil sie noch nicht aufgestanden ist.“
Ich war starr. Ich konnte mich einfach nicht mehr bewegen. Ich stand einfach nur da und starrte ihn durch die Scheibe hindurch an. Ich sah die Träne die ihm über die Wange lief als er das Mikrofon zurück stellte und begann sich um meine Sicherheit zu kümmern. Jetzt verstand ich warum er mich hier eingesperrt hatte. Sekunden später brachen meine Nerven zusammen. Ich konnte einfach nicht glauben, dass es Mom nicht mehr gab. Das sie... tot war.
3
David
Wir alle sahen zu Sylvia als sie begann zu schreien. Der Schrei war so hoch das ich mir die Ohren zuhalten musste. Ein Glas auf dem Schreibtisch zersprang. Die Stifte die darin waren verteilten sich auf dem Boden und auf dem Tisch. Die zweite Frau, Felicy, starrte sie völlig fassungslos an. Luca ging zu Alec und half ihm das die Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. Vayl begann auf und ab zu laufen und Theo hielt sich ebenfalls die Ohren zu. Was auch immer Alec ihr erzählt hatte. Es schien sie innerlich zu zerreißen. Sie weinte und sah so aus als wollte sie sich die Haare ausreißen, während sie die Hände an ihre Schläfen presste und in der hintersten Ecke des Raumes saß. Sie hatte die Knie unters Kinn gezogen und drückte sie mit den Ellenbogen fest an sich heran. Langsam wollte ich wirklich wissen was für sie so schlimm war das sie aus Kummer schrie. Ich hatte sie nie weinen sehen. Nun liefen ihr die Tränen ohne Pause über die Wangen. Ich hatte sie schon in vielen Situationen erlebt. Ich hatte sie schon traurig gesehen. So traurig das sogar der härteste Mann angefangen hätte zu heulen wie ein Baby. Sie hatte noch nie geweint, wie ich das Gefühl hatte. Als hätte sie nie gewusst wie das ging. Und nun...
Der Schrei hielt ganze zwei Minuten an. Dann holte sie Luft und schreite erneut. Sie schrie immer weiter sodass es einem vorkam als wäre sie eine Maschine die fürs Schreien gebaut wurde. Nach einer Weile konnten Theo und ich sogar wieder die Hände runter nehmen, weil wir uns an den hellen Ton gewöhnt hatten.
Alec hatte alle Hände voll damit zu tun das System einzustellen. Es war ziemlich wunderlich wie schnell seine Hände waren. Und er betätigte nicht einmal eine Taste um etwas rückgängig zu machen weil er etwas falsch eingestellt hatte. Er schien alles sofort richtig zu machen. Nach einer Stunde ging Luca mit Felicy nach oben. Eine Viertelstunde später kamen sie mit einem Teller voll belegten Brötchen und Getränken wieder. Alec schien kaum zu merken wie er sich eines der Brötchen nahm. Er schien entweder völlig in seiner Tätigkeit versunken zu sein, oder er war wie betäubt von der Nachricht die er Sylvia überbracht hatte.
Serbio
Ein weiterer Schrei ertönte. Es war ganz in der Nähe, wie es mir vor kam. Irgendwo in diesem Haus schrie eine Frau. Aus Kummer, wie es schien. Erneut sah ich auf die Ketten die mich festhielten. Vor etwa dreieinhalb Stunden hatte ich einen weiteren Vampir gewittert. Und Blut.
Ich zog ein wenig an den Ketten. Sie rasselten wieder als ich sie bewegte. Frustriert verzog ich das Gesicht als ich feststellte, dass die Frau, Sylvia, wohl recht gehabt hatte. Dass ich die Ketten nicht zerstören konnte. Ätzende Ketten. Ätzender Durst.
Ich knurrte leise als ich feststellte, dass mein Hunger größer geworden war. Dann fiel mir wieder ein wie Sylvia gerochen hatte. Süß und verführerisch. Zum anbeißen. Ich verdammte mich dafür, dass ich sie nicht gebissen hatte als sie nahe genug war. Dann würde mein Hals jetzt nicht mehr so weh tun. Oder der Rest meines Körpers.
Der Schrei brach ab und ein neuer ertönte. Schlagartig wurde mir klar das Sylvia es war die schrie. Ich wusste nicht warum ich mir so sicher war, aber ich wusste einfach das sie es war. Aber... Warum schrie sie?
Als ich hörte wie ein Auto vor irgendwo vorm Haus hielt, horchte ich auf. Wie viele Leute wollten noch her kommen? Wenn ich es richtig mitbekommen hatte waren sieben Leute hier. Nun kamen noch... drei dazu.
Will sie eine Party feiern?
Ich schüttelte den Kopf und konzentrierte mich auf die Ketten. Diese wurde jedoch drastisch unterbrochen als ich hörte wie jemand zur Tür ging um die drei anderen herein zu holen.
„Was ist mit Sylvia?“, hörte ich jemanden fragen.
Ich bemerkte einen russischen Akzent in der Stimme.
„Ihr könnt es noch gar nicht wissen.“, antwortete eine Frau.
„Was können wir noch nicht wissen?“, wollte eine weitere Frau wissen.
„Das erzähle ich euch gleich.“
Als die Gerüche der drei neuen zu mir hindurch drangen, stellte ich fest, dass es ebenfalls Vampire waren. Nein. Zwei waren Vampire. Die Dritte war eine Dryade. Ich verzog angewidert das Gesicht. Dryaden waren Sowas von ätzend. Sie waren zwar wunderschön, aber jeder dritte Mann dem sie begegneten, landete neben ihr im Bett. Es gab nicht viele Dryaden die sich zusammen reißen konnten. Aber sie waren gute Kämpferinnen. Sehr gute sogar. Fast so gut wie Vampire und Werwölfe. Aber niemand war so gut wie die Dansons. Obwohl die Familie aus Menschen bestand. Es war nicht sehr schlecht bei ihnen gelandet zu sein. Die Frage wäre nur, ist Sylvia auch eine der Dansons oder ist sie nur ein Gast?
Felicy
Ich führte Ivan, William und Valec zu den anderen und setzte mich wieder auf die Bank. Valec war schon seltsam. Eine Frau mit dem Namen eines Jungen.
Als Ivan Sylvia sah, sah man nur noch wie er zur Tür gehen wollte. Vayl und Luca hielten ihn fest.
„Was macht ihr mit ihr?“, wollte er wissen.
Wieder lief mir ein Schauer über dem Rücken. Er sah schrecklich sexy aus und hatte eine sexy Stimme. Wie geriet Sylvia nur immer an solche Männer, wo sie doch genauso gut Nonne sein könnte? Die Einzigen die sie liebte war ihre Familie. Mom war ganz oben.
„Wir machen gar nichts mit ihr.“, meinte Alec geistesabwesend. „Sie verkraftet die Nachricht einfach nicht.“
„Nachricht? Was habt ihr ihr erzählt?“
Ich sah wie Luca ein wenig Schwäche zeigte, sie dann jedoch weg schob und Ivan weiter festhielt. Vayl erzählte ihm kurz alles. Ivan starrte von ihm zu Sylvia.
„Und dann lasst ihr sie allein?! Man kann sie doch nicht einfach so weg sperren!“
Ivan wurde richtig wütend und wehrte sich mit allen Mitteln gegen die beiden. Als William und Valec dabei halfen ihn zurück zu zerren, biss er sogar zu. William, den es erwischte, knurrte ihn an, bevor er den Arm vor Schmerz weg zog.
„Verdammt!“, rief er dabei aus und drückte seine Hand auf die Bisswunde.
„Lasst mich zu ihr rein.“, forderte Ivan und kam einige Meter vor.
„Spinnst du?“, wollte Luca wissen. „Sie verarbeitet dich zu Sägespäne.“
„Das ist mir doch egal.“
Langsam begann ich mich zu fragen ob er sich in sie verliebt hatte.
„Ivan, du bist verrückt.“, meinte Valec. „Was willst du schon groß machen? Du kannst es nicht rückgängig machen und das wäre sicher das Einzige das sie jetzt noch zurück holen könnte. Das oder die Zeit die sie braucht um es zu verarbeiten.“
„Lasst mich los, verdammt!“, gab er nur zurück.
„Es ist doch seine Schuld wenn er zu Kleinholz verarbeitet wird.“, meinte Alec halblaut. „Lasst ihn rein und seht nach was er macht.“
„Er wird wahnsinnig.“, meinte ich und schüttelte den Kopf. „Alec bist du noch klar bei Verstand?“
„Klar genug, danke. Vielleicht hilft es ja was er vor hat. Die zwei kennen sich sehr gut, wie du weißt.“
„Da ist was dran.“, meinte Vayl.
Es dauerte nur noch Sekunden bis Ivan bei Sylvia war. Ihre Schreie brachen ab und sie sah langsam auf. Zwei Sekunden später war sie dabei ihn anzugreifen. Ivan wich ihr geschickt aus und nahm sie in sie fest Arme. Sie wehrte sich und schlug auf ihn ein, aber er ignorierte es einfach und hielt sie fest. Irgendwann gab sie dann nach und ließ den Kopf gegen seine Brust fallen.
„So hab ich mir unser Wiedersehen sicher nicht vorgestellt.“, meinte er leicht belustigt und legte die Wange auf ihren Scheitel.
Es dauerte sehr lange bis sie sich beruhigte. Die Uhr sagte 20 Uhr. Dann dauerte es noch eine halbe Stunde bis sie sich komplett beruhigt hatte. Kaum das sie leise geworden war, schlief sie auch schon. Ivan hob sie vorsichtig hoch und kam aus dem Raum raus. Ich bemerkte den Blick von einem der beiden Männer die ich nicht kannte. Alec seufzte schwer und fuhr sich mit der Hand durchs blonde Haar. Das Haar unserer Mutter. Ivan ignorierte uns einfach und ging weiter.
„Und was machen wir jetzt?“, wollte ich wissen.
Valec hob die Schultern. „Karten spielen?“
William rollte mit den Augen. „Kannst du auch an etwas anderes denken, statt immer nur an Karten?“
Wie eine Antwort auf die Frage, hörten wir ein Knurren das einer Raubkatze sehr nahe kam. Es war etwas leise, aber wir hörten es draußen dennoch. Sogar die beiden anderen Männer hatten es gehört. Wir alle eilten aus dem Zimmer. Und alle außer Alec gingen in die Eingangshalle. Alec ging in sein Lieblingszimmer. Dort wo der Computer stand und für die Sicherheit des Hauses sorgte.
„Jetzt ist er in seinem Element.“, meinte Valec und schmunzelte etwas.
„Was kann er besser?“, wollte ich wissen.
„Schlafen.“, antwortete Luca belustigt. „Hoffentlich haben wir jetzt ein bisschen zu tun. Wann war der letzte Kampf mit euch?“
„Vor drei Monaten.“, antwortete William.
Luca sah die beiden, mir fremden, Männer an. „Am besten ihr geht ins Wohnzimmer. Sylvia wird sicher sehr wütend wenn ihr verletzt werdet.“
„Sie wird schon wütend genug sein weil sie nicht mitmachen konnte.“ Valec lachte leicht als sie das sagte.
Als wir in die Eingangshalle kamen, kam Ivan noch dazu.
„Seht mal was ich nettes gefunden habe.“, meinte er und hielt ein kleines Gerät hoch.
„Wie ich diese Teile liebe.“, meinte Valec und nahm sich eins.
Ich schüttelte ein wenig den Kopf als Luca das zweite ergriff. Es war ein sehr kleines Headset. Das Mikrofon war sehr Geräusch empfindlich, sodass es nicht mal nahe am Mund sein musste damit man die Worte verstand.
„Ich gehe besser zu dem brillanten Erfinder.“, meinte ich und machte mich auf den Weg zu Alec.
„Viel Spaß, Schwesterchen.“
Serbio
Das Knurren war ziemlich laut gewesen. Und es waren keine normalen Raubkatzen gewesen. Eher etwas wie Werkatzen. Sehr gefährlich. Gefährlicher als Werwölfe. Zwei Minuten später, nach einer kleinen Unterhaltung in der Eingangshalle, hörte ich draußen Kampfgeräusche.
„Es sind viel zu viele!“, rief jemand.
„So viele sind es doch auch wieder nicht!“, gab jemand zurück.
„Da hinten sind noch mehr!“, meinte eine Dritte Person.
„Hier auch!“ Nummer Vier.
Ich zog an den Ketten und konzentrierte mich auf sie. Als sie einfach nicht nachgaben, untersuchte ich den Metallring um meinen Hals. Vier Ketten waren an ihm befestigt. Vorn, hinten, links und rechts. Als ich erneut an einer einzigen Kette zog, stellte ich fest das sie einfach zu stabil waren.
Die Ketten sind stabil genug. Vielleicht ist es der Boden nicht.
Ich sah mir die Ringe am Boden an, an denen die Ketten befestigt wurden und schätzte grob die Stabilität des Bodens drum herum. Leider wusste ich nicht ob unter dem Boden mehr von diesem Metall war, der den Ringen an Stabilität gab. Den Ringen und dem Boden drum herum.
„William, hinter dir!“, rief gerade eine Frau.
Daraufhin hörte ich einen harten dumpfen Schlag.
„Danke.“, gab eine Männerstimme zurück.
„Nicht der Rede wert.“, antwortete ein anderer Mann.
„Es sind einfach zu viele!“, rief nun jemand anderes.
Ich blendete die Stimmen aus und konzentrierte mich auf einen der Ringe im Boden, während ich an der dazugehörigen Kette zog. Nichts. Es regte sich gar nichts. Langsam bekam ich das Gefühl so schwach zu sein wie ein Mensch. Ich stand, begleitet von Kettengerassel, auf und begann hin und her zu gehen. Lang genug waren die Ketten ja. Ich konnte zwei Meter vom Stuhl weg. Vier Meter waren für mich genug um hin und her zu gehen. Das Tat ich etwa zehn Minuten, bevor ich wieder den Stimmen draußen horchte.
„..sofort rein!“, hörte ich noch von jemandem.
Die Stimmte darauf wurde unterbrochen bevor die Person das Wort ganz aussprechen konnte. Dann hörte ich wie die Tür aufging. Sechs Personen kamen herein.
„So hab ich mir das ganze nicht vorgestellt.“, meinte einer von ihnen.
„Ich auch nicht.“, stimmte eine Frau zu.
Nur wenige Sekunden später witterte ich Sylvia.
„Wo wart ihr denn?“, wollte sie etwas verwirrt wissen.
Eine kurze Pause. „Geht es dir besser?“
Ich erkannte die Stimme. Es war derselbe der sie am vorigen Tag an das Essen erinnert hatte.
„Schon etwas.“, antwortete Sylvia auf die Frage. „Wo ward ihr? Ihr seit ja voller Blut.“
„Äh... Wir... haben eben gegen... Werkatzen. Draußen sind Werkatzen.“, gab jemand zurück.
„Viele Werkatzen.“, fügte ein anderer Hinzu.
„Wir dachten uns das du sicher mitmachen würdest, also haben wir aufgehört damit du auch noch etwas hast.“, meinte dann jemand anderes.
Die Frau kicherte ein wenig.
„Später vielleicht.“, erwiderte Sylvia. „Hat jemand Lust auf eine Runde Karten?“
„Ich!“, rief die Frau.
„Warum nicht?“, meinte einer der Männer.
„Wenn es dir dann besser geht.“, stimmte der Mann von vorigen Tag zu.
Ich begann wieder die Stimmen auszublenden und zog so fest ich konnte an den Ketten. Nach einer Weile gab ich es auf und zog nur an einer einzelnen. Ich hasste es angekettet zu sein. Angekettet oder eingesperrt wie ein Vampir der sich nicht unter Kontrolle hat.
Nachdem ich etwa durchgehend fünf Minuten an der einen Kette gezogen hatte, rutschte ich mit den Händen weg und fiel nach hinten weg. Dabei stolperte ich etwas unsanft über den Stuhl und landete mit ihm am Boden. Vor Wut trat ich dagegen, wodurch er blöderweise außerhalb meiner Reichweite landete. Ich söhnte gedemütigt und begann dann mit den Versuchen an ihn heran zu kommen. Ich streckte den Arm so weit wie möglich danach aus und schaffte es so weit bis meiner Fingerspitzen zwei Zentimeter davon entfernt waren. Nach einer Weile gab ich dann auch das auf.
Das hast du davon. Es wäre besser wenn du erst denkst und dann handelst.
Ich schlug mir mit der Hand gegen die Stirn und rückte in die Mitte meiner Reichweite. Jetzt hatte ich nicht mal einen Stuhl auf dem ich sitzen konnte. Während ich da so saß betrachtete ich die acht Ketten mit denen ich fest gekettet war. Eine jeweils an einem Knöchel, an den Handgelenken und vier am Hals. Ich hatte schon zahlreiche Versuche gemacht hier raus zu kommen. Aber ich kam nicht mal von den Ketten los. Als jemand ins Zimmer kam, sah ich abrupt auf. Sylvia sah etwas überrascht aus als sie mich sah.
„Kein Stuhl?“, wollte sie wissen und zog die Tür wieder zu.
Ich sah nur zu dem Stuhl der außerhalb meiner Reichweite war, während sie sich wieder auf den Stuhl setzte auf dem sie schon am Tag zuvor gesessen hatte.
„Ich war etwas aufgebracht.“, erklärte ich nur. „Wäre nett wenn ich ihn wieder haben könnte.“
Sie schmunzelte ein wenig, stand auf und brachte den Stuhl zu mir. Als sie so nahe kam, sah ich automatisch auf ihren Hals. Sie hatte ihr Haar hoch gesteckt, sodass er sehr gut zu sehen war.
Möchte sie mich foltern?
Ich nahm den Stuhl entgegen, stellte ihn zurück und ließ mich darauf nieder. Ich seufzte sogar.
„Du scheinst ja eine Menge an den Ketten gezerrt zu haben.“, meinte sie als sie sich wieder setzte.
Ich sah sie etwas überrascht an.
„Die Ringe an deinen Handgelenken haben abdrücke hinterlassen.“, erklärte sie. „Und an deinem Hals. Ich weiß, es ist ätzend wenn man irgendwo gefangen gehalten wird.“
„Ich konnte es noch nie leiden angekettet zu sein. Man kommt sich vor wie ein blutrünstiger Vampir der sich nicht unter Kontrolle hat.“
„Und genau das bist du nicht?“
„Ich habe nie jemanden angefallen ohne mich unter Kontrolle zu haben. Und ich bin sicher nicht blutrünstig. Wie war das Kartenspiel?“
„Ich hab gewonnen. Jetzt warte ich auf das Finale. Dauert ein bisschen.“
„Kann ich mir vorstellen.“
„Ist das nicht ein bisschen... wenig das du an Platz hast?“
„Ich würde mich nicht beschweren wenn es mehr wird.“
Sie nickte. „Sicher nicht. Wie wäre es mit... zwei Metern am Radius dazu?“
Überrascht zog ich die Brauen hoch.
„Ich glaube wir haben noch acht Meter Ketten.“ Sie murmelte eher als es zu sagen.
Dann stand sie auf und ging zu einem Schrank neben der Tür. Dort holte sie acht Ketten und einen Schlüssel heraus. Ich zog die Brauen zusammen, während sie wieder zu mir kam. Sie scheint nicht mal Angst davor zu haben was passieren würde wenn ich sie angreife. Weniger sogar. Sie scheint sich sogar sicher zu sein das sie in Sicherheit ist.
Als sie vor mir stand streckte sie die Hand aus. Ich sah sie fragend an.
„Deine Hand.“, bat sie dann.
Ich streckte die Arme aus, sodass sie an die Ringe kam. Erst jetzt sah ich das kleine Schlüsselloch. Es war kaum zu erkennen.
„Wie hast du die Ketten von gestern abbekommen wenn du für die hier einen Schlüssel brauchst?“, fragte ich etwas verwirrt.
„Das waren andere Ringe. Die hatten einen anderen Verschluss. Da braucht man keinen Schlüssel. Die hättest du eigentlich allein abmachen können, aber du scheinst sie dir wohl nicht so genau angesehen zu haben.“
„Ich hab nicht daran gedacht, dass es andere Verschlüsse sein könnten.“
Ich betrachtete wieder ihren Hals, während sie damit beschäftigt war die Ringe an meinen Handgelenken zu öffnen. Als meine Arme frei waren, rieb ich mir über die Handgelenke, während sie die Ketten an den Ringen austauschte. Als sie mir die Ringe wieder an den Handgelenken befestigte, merkte ich wie ich sie am liebsten zu mir gezogen hätte um wenigstens ein Schlückchen von ihrem Blut zu bekommen. Meine Eckzähne stachen mir in die Lippe. Als die Ringe fest waren, nahm sie die Enden der Ketten und ging damit zu den Ringen, wo sie sie austauschte. Als sie damit fertig war, tauschte sie die Ketten an den Ringen für die Ringe an meinen Knöcheln aus und kam dann wieder zu mir, wobei sie sich vor mir zu meinen Füßen setzte um die Ringe zu lösen.
„Das ist ja sogar auf gescheuert.“, bemerkte sie als sie einen Ring abgenommen hatte. „Bist du so versessen darauf hier raus zu kommen?“
„Ich bin so versessen darauf die Ketten loszuwerden.“
„Ich könnte dich in eine Zelle sperren, aber das mache ich nicht, weil du da noch weniger Platz hast. Außerdem sind die Zellen nur für die die Sonne nicht ab können.“
„Ich dachte immer das in Büchern steht Vampire würden in Flammen aufgehen, sobald sie in die Sonne kommen.“
Sie sah zu mir auf. „Ich hab schon genug mit Vampiren zu tun gehabt um zu wissen das es nicht so ist. Ich habe drei davon als Freunde.“
„Ich dachte schon meine Sinne würden mich täuschen.“
„Du konntest sie wittern?“
„Warum nicht?“
„Dich haben sie nicht bemerkt. Nicht mal ansatzweise.“
Ich zuckte mit den Schultern. Daraufhin löste sie den anderen Ring von meinem Knöchel und tauschte auch dort die Ketten aus.
„Machst du Sowas öfter?“, fragte ich nebenbei.
„Was?“
„Ketten austauschen.“
„Eher selten. Oft wurde ich am Ende damit belohnt das die Vampire versuchten mich zu beißen. Okay, einer hat mich mal am Handgelenk erwischt, aber der Rest ist nie dazu gekommen. Deshalb mache ich es seltener. Man kommt sich vor wie ein Mittagessen wenn man gebissen wird. Nicht gerade angenehm. Dazu kommt das ich selber das Gefühl habe das man mich ausnutzt wenn man erst die Ketten austauschen lässt und mich dann noch beißt. Oder versucht mich zu beißen.“
Ich biss die Zähne zusammen. „Das liegt vielleicht daran das du so gut riechst.“, entfuhr es mir dann. „Es ist schwer sich bei dem Geruch zurückzuhalten.“
Nun sah sie ehrlich überrascht zu mir auf. Dann sah sie mich etwa fünf Sekunden lang an und legte mir dann wieder die Ringe an.
„Das hat man mir noch nie gesagt.“, meinte sie dabei. „Danke. Sag mal, warum jagen dich die anderen Vampire eigentlich?“
„Das hat mehr mit meinem Alter zu tun, als mit Tätigkeiten.“
„Dein Alter?“
„Wenn man auf jemanden trifft, der mehr als 50.000 Jahre alt ist, ist es natürlich sehr verlockend zu sehen ob man stärker ist.“
Sie hielt inne und sah wieder zu mir auf. „Über 50.000 Jahre?“
„51.384 um genau zu sein.“
„Und ihr werdet mit den Jahren stärker?“
„Ja. Dann wäre da noch die Tatsache, dass die Vampire der heutigen Zeit schwächer sind als die von früher. Bei ihnen ist mehr Menschenblut vorhanden.“
„Also, sie sind weniger Vampir als du?“
„So kann man es auch sagen.“
Sie zog die Brauen zusammen. „Müsste es dann nicht für dich schwerer sein die Kontrolle zu behalten als für die Vampire heute?“
„Nein. Mit der Zeit wird die Widerstandskraft der Vampire schwächer. Durch dem menschlichen Blut.“
Sie verarbeitete kurz die Informationen und machte dann weiter. Als sie damit fertig war, holte sie sich ihren Stuhl zu mir, damit sie sich setzen konnte, während sie den Ring um meinen Hals löste. Als sie den Ring abnahm, beugte sie sich ein wenig vor um darauf zu achten mir nicht wehzutun, oder ähnliches. Ich biss die Zähne fester zusammen. Als der Ring dann an meinem Hemdkragen fest hing, seufzte sie ein wenig. Sie beugte sich weiter vor und fummelte mit den Händen daran herum um den Ring von meinem Hemd zu lösen.
„Wie ich diese Widerhaken hasse.“, murmelte sie dabei ziemlich leise.
Ihr Hals war nur wenige Zentimeter entfernt. Ich fixierte ihn, während sie sich an meinem Hemdkragen zu schaffen machte.
So nahe und so delikat. Süß und verführerisch.
„Könntest du mich bitte loslassen?“
Bei diesem Satz stellte ich fest, dass ich sie so fest hielt, dass ihr Hals genau so blieb. Ich schüttelte den Kopf und ließ sie sofort los.
„Entschuldige. Es ist nur etwas länger her seit ich etwas zu mir genommen habe.“
„Wie lange genau?“
„Mindestens zwei Wochen.“
Erneut hielt sie inne und sah mich an. „Zwei Wochen?“
Es war schwer den Blickkontakt zu halten wenn wenige Zentimeter vor mir ein Hals war. „Ja.“
„Nicht schlecht.“
„Was muss ich eigentlich machen damit ich hier etwas zu essen bekomme?“
Sie verzog leicht das Gesicht. „Tut mir Leid. Es ist nicht gerade so, dass wir hier eine Blutbank haben, oder auf den Besuch eines Vampirs vorbereitet waren. Ich würde dir ja gerne irgendetwas anbieten, aber es gibt’s nichts was ich dir geben könnte.“ Während dem letzten Satz wand sie sich wieder an mein Hemdkragen. „Ich könnte ein Tier jagen, aber ich glaube nicht, dass du von bereits toten Tieren trinken würdest.“
„Nicht wirklich.“
„Wann verlierst du eigentlich die Beherrschung?“
„Es wäre eigentlich schon passiert. Vielleicht dauert es ein paar Stunden, nur noch Minuten oder Sekunden. Ich weiß es nicht.“
Nun erstarrte sie. Das erste mal das ich bei ihr Angst roch. „Aber... Du beißt mich doch nicht, oder?“
„Wenn ein Vampir die Beherrschung verliert, merkt er nicht mehr wen oder was er beißt. Hauptsache es hat warmes Blut.“
Als sie schluckte fiel mein Blick auf ihren Hals. Ihr Puls wurde langsam schneller. Ich konnte ihr Herz deutlich hören. Ich hörte auch wie ihr Blut floss. Das Rauschen des Blutest hörte sich so gut an. Ich hörte nicht mal was Sylvia sagte, obwohl ihre Stimme direkt neben meinem Ohr war. Ich war zu sehr fixiert auf das Rauschen ihres Blutes. Mir lief das Wasser im Mund zusammen. Erst als sie plötzlich von mir weg trat sah ich ihr wieder ins Gesicht.
„Wie bitte?“, wollte ich wissen.
Ich realisierte nur langsam das sie mich ängstlich ansah. Sie trat vorsichtig weitere Schritte zurück, zog ihren Stuhl mit sich und setzte sich.
„Was ist?“, fragte ich weiter.
„Du hast einfach zu viel Durst.“, murmelte sie. „Du hättest mich beinahe gebissen.“
Ich zog die Brauen zusammen. Ich hatte doch nur dem Rauschen ihres Blutes zugehört.
„Deine Augen färben sich dunkelrot und deine Fangzähne sind schon lang. Und ich könnte schwören, ich hätte gemerkt, wie du dich angespannt hast. Und zwar nicht um dich zurück zu halten.“
Als ich mir aus Angewohnheit den Nacken reiben wollte, stellte ich fest, dass sie die Kette noch nicht ausgetauscht hatte.
„Ach ja... ähm.“ Ich riss kurz den Ring von meinem Hemdkragen ab. „Willst du den noch fest machen?“
Sie schüttelte den Kopf. „Lass nur. Ich mach die Ketten nur noch kurz los.“
Damit stand sie wieder auf, ging zu den Ringen am Boden und löste die Ketten. Daraufhin zog sie alle lockeren Ketten zu sich und kam mir nicht näher. Als sie alles beisammen hatte, verstaute sie wieder alles im Schrank. Dann setzte sie sich wieder auf den Stuhl und leckte sich nervös über die Lippen.
„Wie heißt du jetzt eigentlich?“, wollte sie dann wieder wissen.
Unwillkürlich spannte ich mich etwas an. „Warum möchtest du es so unbedingt wissen?“
„Ich komme mir blöd vor wenn ich dich mit einem Namen anspreche der nicht dir gehört.“
Ich schwieg. Als sie dann verstand, dass ich meinen Namen nicht preisgeben würde, seufzte sie und fuhr sich mit den Händen übers Gesicht. Als der Blutdurst dann an meinem Versand rüttelte, schloss ich die Augen und biss die Zähne zusammen.
„Du solltest besser wieder gehen.“, brachte ich hervor und spürte wie sich mein Körper anspannte.
Bereit um zu jagen.
„Warum? Ich habe noch ein paar Fragen.“
„Dann stell sie schon.“
„Hast du schon mal die Beherrschung verloren.“
Ich atmete tief durch die Nase ein. „Ja. Siebzehn mal.“
„Großer oder kleiner Abstand?“
„Groß.“
„Wie hat es sich angefühlt?“
„Je mehr Hunger man hat, umso mehr tut es weh. Wenn man die Beherrschung verliert ist der Schmerz so stark das man das Gefühl hat man würde überall mit Messer durchbohrt werden, während man auf den Scheiterhaufen verbrannt wird und man einem die Eingeweide ausreißt.“
„Oh. Also hast du im Moment Schmerzen.“
„Dasselbe wie das, das ich eben gesagt habe, nur mit dem Unterschied, dass ich zusätzlich das Gefühl habe das man mir mit einer stumpfen Säge versucht den Hals abzusägen. Und das an jeder Stelle meines Halses.“
Ich roch langsam Schweiß. Und ihre Angst stieg ein wenig. „Also bist du sehr nahe daran die Beherrschung zu verlieren.“
„Wie ich schon sagte. Eigentlich hätte ich sie schon verloren.“
Als ich aus Versehen die Armlehne abbrach, hörte ich sie erschrocken nach Luft schnappen, während ich gleichzeitig hörte wie sie zusammen zuckte. Ich öffnete die Augen und sah sie an, woraufhin sie erschrocken aufsprang und sich schnell hinter den Stuhl stellte. Ich hörte jedes einzelne Geräusch das sie machte und bemerkte jede noch so kleine Bewegung. Ich hörte auch wie jemand den Flur hinauf ging und vor der Tür stehen blieb.
„Wir haben Besuch.“, meinte ich.
Unmittelbar darauf klopfte es an der Tür und jemand sah hinein.
„Wir haben deinen Gegner.“, meinte ein Mann.
Er war definitiv ein Vampir und am Akzent erkannte ich schnell, dass er ein Russe war. Dieser sah zu mir und kniff leicht die Augen zusammen.
„Willst du dich als Opferlamm darstellen?“, neckte er dann Sylvia und kam in den Raum.
„Was? Ich... Nein.“
„Du hast Angst. Seit wann hast du Angst?“
„Seit die Wahrscheinlichkeit besteht das dieser Vampir dort drüben die Ketten brechen könnte. Du sagtest mir mal Vampire sind stärker wenn sie die Beherrschung verlieren.“
„Schätzchen, nicht mal ich konnte sie brechen.“
Er nahm sie sanft an der Hand und zog sich Richtung Tür.
„Du bist auch keine 50.000 Jahre alt.“, meinte sie dann.
Abrupt blieb er stehen und drehte sich um. „Was sagtest du da eben?“
„Er ich über 50.000 Jahre alt.“
Als er nun die Augen zusammen zog und mich ansah, erkannte ich ihn.
„Ivan?“, hakte ich nach.
Dieser riss die Augen auf und erstarrte.
4
Sylvia
„Ihr kennt euch?“, hakte ich unsicher nach.
„So ähnlich.“, gab Ivan zurück. „Du weißt das alle Jagt auf dich machen?“
Diese frage war an den Vampir gerichtet.
„Das weiß ich. Ich komme erst aus einem Gefängnis und werde gleich ins nächste gesteckt.“ Er schnaubte und verzog schmerzhaft das Gesicht.
„Ivan, woher...“, hob ich an, doch er unterbrach mich mit einer Handbewegung.
„Was machst du hier in den USA?“
„Frag mal deine Cousine.“, gab der Vampir gereizt zurück.
„Was hat Jolie damit zu tun?“
„Na was wohl. Sie hat mich in ihrer kleinen Arena eingesperrt und mich als Attraktion gegen andere Kämpfen lassen. Verdammt, bring die Frau hier raus!“
Er begann bereits zu hyperventilieren. Ich wollte der Forderung nachkommen, doch Ivan hielt mich bei sich. Der Vampir verzog wieder das Gesicht und spannte sich weiter an.
„Was willst du, Ivan?“, wollte er dann wissen.
„Erinnerst du dich an den Gefallen um den ich dich vor hundert Jahren gebeten habe? Du hast ihn einfach ignoriert.“
„Ich war nicht im Stande mich darum zu kümmern! Bring jetzt die Frau hier raus!“
Ivan hielt mich daraufhin vor sich, als wäre ich ein Schutzschild. Aus Panik drückte ich mich an ihn, da er eben mein zweitbester Freund war.
„Wegen dir wurde Savence getötet.“, knurrte Ivan.
Savence? Wer zur Hölle war Savence? „Ivan?“
„Ich konnte ihr nicht helfen! Ich war in einem verfluchten Kerker! Im Kerker deiner verdammten Schwester!“
Ivan hatte Schwestern?
„Du warst stark genug um auszubrechen!“
„Hätte ich sie dabei töten sollen? Dann hättest du einen anderen Grund gehabt mich zu hassen!“
Langsam wich der Angst und der Verwirrung eine Art Faszination. Der bluthungrige Vampir auf dem Stuhl hatte bereits so viel erlebt. Mit den leuchtenden roten Augen sah er zwar gefährlich aus, aber gleichzeitig auch stark und irgendwie... schützend? Beschützerisch? Trotz der Fänge sah er aus wie jemand der schützen würde, statt zu töten.
„Serbio, weil du nicht ausgebrochen bist, musste ich zusehen wie man meine Frau vergewaltigte, bis sie starb!“
Serbio hieß er also. Irgendwie passte der Name. Es hörte sich gefährlich an... aber auch... schön.
„Gib nicht mir die Schuld, für das was deine Feinde getan haben! Jetzt bring die Frau raus, bevor ich mich vergesse!“
Was Ivan daraufhin tat, ließ für mich eine halbe Welt zusammenbrechen. Er schubste mich einfach in den Raum, auf Serbio zu, drehte sich um und ging hinaus. Ich hörte das Schloss einschnappen und im selben Moment fiel ich auf Serbios Schoß. Sein Kopf fiel in den Nacken. Ich dagegen sprang auf und eilte zur Tür.
„Ivan, lass mich hier raus!“, rief ich panisch. „Ivan!“
Ivan
„Wo ist Sylvia?“, fragte Luca verwundert als ich allein wieder kam.
Ich sah auf und zuckte mit den Schultern. „Ich hab alle Räume in dem Flur abgeklappert, aber sie war da nirgendwo. Ich dachte sie wäre wieder zurück gekommen.“
Er zog die Brauen zusammen. „Nein. Ich sehe mal in ihrem Zimmer nach.“
„Ich sehe in der Küche nach.“, meine Vayl, während die beiden aufstanden und den Raum verließen.
„Ich sehe mal ob sie im Bad ist.“ Damit ging Valec hinaus.
William zog die Brauen zusammen und grübelte. „Hast du schon bei Alec nachgesehen?“
„Nein. Ich gehe mal nachsehen.“
„Ja, mach mal. Ich sehe im Kellergewölbe nach.“
Damit verließen wir beide das Wohnzimmer. Als ich bei Alec war, sagte ich ihm kurz was los sei. Daraufhin ließ er das Haus scannen. Ihren Chip würde er jedoch nicht finden. Dafür hatte ich gesorgt als ich sie bei mir gehalten hatte.
Sylvia
Es war nun etwa zwei Stunden her, dass Ivan mich hier mit Serbio eingesperrt hatte. Ich saß in einer Ecke und hatte die Knie angezogen, während Serbio sich mit dem Stuhl so weit wie möglich von mir weg hingesetzt hatte.
„Dein Name ist Serbio, richtig?“, hakte ich nach. „So hat Ivan dich zumindest genannt.“
Er antwortete nicht.
„Woher kennt ihr euch eigentlich?
Wieder keine Antwort.
„Du bist wohl nicht besonders gesprächig wenn es um dich geht, oder?“
Schweigen. Ich seufzte und legte mein Kinn auf meine Knie. So verharrte ich eine Weile und wartete einfach. Als Serbio dann irgendwann ruckartig den Kopf hob und an die Decke sah, sah ich zu ihm und zog die Brauen zusammen.
„Was ist?“, wollte ich dann wissen.
Er horchte. Dann sah er wieder auf den Boden.
„Kannst du mir nicht wenigstens auf eine Frage antworten?“
Wieder antwortete er nicht. Stattdessen sah er sich wieder die Ketten an. Nach einer Weile kam er ein wenig näher. Ich beobachtete ihn wachsam, während er die abgebrochene Armlehne aufhob und sich damit auf dem Stuhl sinken ließ. Er brach ein Stück ab, legte den Rest neben den Stuhl ab und begann dann... zu schnitzen. Mit seinen Fingernägeln. Nach einer Weile knurrte er genervt, brach von dem großen Stück Holz einen Splitter ab und verwendete ihn dann als Dietrich. Nach einer Weile gab er es dann auf und zerrte an der Kette an seinem Arm. Das Ergebnis ließ mich schauernd. Er riss sie tatsächlich ab, als wäre es ein lästiges Haar an der Kleidung. Dasselbe tat er am anderen Arm. Dann begann er weiter zu schnitzen und setzte sich dabei gereizt auf den Stuhl.
Irgendwann wurde es kälter im Zimmer. Es wurde wohl dunkel. Und die Heizungen waren abstellt, da es eigentlich auch nachts warm sein musste. Als ich dann das leise Prasseln von Regen hörte, wusste ich, dass es nur kalt war, weil es regnete. Ich rieb mir über die Oberarme und fröstelte wegen der Kälte. Ehe ich mich versah, landete Serbios Jacke vor meinen Füßen. Ich sah überrascht auf, nur um dann jedoch festzustellen, das er mit dem Schnitzen sehr weit gekommen war. Er hielt eine perfekte Kopie des Schlüssels in der Hand, mit dem man die Ringe aufschließen konnte. Und den benutzte er auch. Jedoch nur an den Armen. Die Ketten an den Fußknöcheln ließ er an Ort und Stelle. Er steckte den Holzschlüssel ein und stand auf. Er kam auf mich zu, wobei er seine Handgelenke massierte. Zwei Meter vor mir blieb er stehen, da er nicht näher kommen konnte. Dann hockte er sich hin und sah mich zum ersten Mal an, seit ich hier eingesperrt bin.
„Komm her.“
Ich sah ihn mit großen Augen an. „Spinnst du?“
Er streckte den Arm aus und hielt mir die Hand hin. „Komm her.“
Ich sah auf seine Hand als wäre es ein ekelhaftes Insekt. Daraufhin seufzte er, streckte sich weiter zu mir und griff nach mir. Da ich meinen Arm jedoch weg zog, zogen seine Krallen einen Schnitt in meinen Handschuh und in meine Haut. Ich schnappte erschrocken nach Luft und sah auf das Blut das hervorquoll. Als ich zu Serbio sah, stellte ich fest das er meine Verletzung mit zusammengezogenen Brauen fixierte. Er sah aber nicht so aus als würde er die Kontrolle verlieren. Im Gegenteil. Er schien locker und entspannt.
„Lass mich deine Verletzung ansehen.“
„Was?!“
Er sah zu mir auf. Viel zu spät bemerkte ich, dass er wieder nach mir griff, sodass er mich am Handgelenk zu fassen bekam. Mit einem Ruck landete ich in seinen Armen, sodass mir etwas schwindelig wurde. Es brachte mir nicht das ich mich wehrte. Er hielt mich mit eisernem Griff fest an sich gedrückt und sah zu mir herab. In dem Moment hatte ich so viel Angst wie in meinem ganzen Leben noch nicht. Als ich dann jedoch zu ihm auf sah, direkt in seine Augen, wusste ich, dass er mir nichts tun würde und das es um mich geschehen war. In seinem Blick lag Besorgnis und der Wille zu beschützen.
„Was für Augenblicke waren es, in denen du die Beherrschung verloren hast?“ Was war das für eine Frage?
Er schien sich dasselbe zu fragen, denn er zog die Brauen zusammen. Vielleicht tat er das auch nur weil ich so plötzlich aufgehört hatte mich zu wehren, aber er antwortete. „Einmal war ich allein im Wald gewesen. Einmal in einer Höhle. Das Dritte mal war ich im Dschungel gewesen. Immer, wenn niemand bei mir war... abgesehen von Tieren.“
„Also... hast du noch nie getötet weil du die Kontrolle verloren hast?“
„Das habe ich nicht gesagt.“
„Es war eine Frage, keine Feststellung. Hast du?“
„Einmal.“ Mir lief ein Schauer über den Rücken. „Aus Notwehr.“, fügte er hinzu. „Wenn ich dich loslasse, verschwindest du dann in deiner Ecke oder darf ich mir deine Verletzung ansehen?“
Ich schluckte kurz. Dann nickte ich einfach nur, woraufhin er mich langsam losließ, bereit mich sofort wieder einzufangen. Das musste er jedoch nicht. Er rückte vorsichtig ein wenig ab, ohne mich aus den Augen zu lassen und griff nach meinem verletzen Arm. Als er darauf hinab sah, durchzuckte eine Art roter Blitz seine Augen, um dann wieder zu verschwinden.
„Hast du die Beherrschung schon einmal aus Absicht verloren?“, wollte ich von ihm wissen, während er sich die Verletzung genau ansah.
„Das tue ich ständig wenn ich kämpfe und niemanden am Leben lassen möchte. Personen die mir Nahe stehen waren nie in meiner Nähe. Dafür habe ich immer gesorgt.“
Ein feiner Stich in die Brust. „Personen die dir Nahe stehen?“
„Meine Eltern, bevor sie starben. Meine Schwester. Mein Schwager. Und diverse Freunde. Divinus zum Beispiel?“
„Divinus?“
„Meine beste Freundin.“
„Ist das Latein?“
„Es bedeutet so viel wie 'göttlich'.“
„Dann muss sie ja ziemlich hübsch sein.“
Er zuckte mit den Schultern. „Für jeden anderen Mann bestimmt.“
Er war doch nicht schwul, oder?
„Wie erlangst du deine Beherrschung zurück?“
„Du stellst zu viele Fragen.“
„Liegt in meiner Natur.“
Ich zuckte zusammen als er sich plötzlich hinunter beugte und seine Lippen geöffnet auf die Verletzung legte. Daraufhin spürte ich seine Zunge, wie sie daran leckte... und er schloss die Augen. Als alles Blut beseitigt war – bis auf das Blut auf dem Handschuh –, wie es schien, ließ er wieder von mir ab, statt zu saugen, wie ich es vermutet hatte. Als ich auf die Verletzung sah, war nur noch eine rosafarbene Narbe übrig. Als er wieder zu mir auf sah, entdeckte ich ein wenig Blut an seinem Mundwinkel. Ohne nachzudenken hob ich die Hand und wischte es weg. Jedenfalls versuchte ich es. Kaum das ich ihn berührte, breitete sich eine Wärme in mir aus. Dann nahm er jedoch mein Handgelenk und zog sie langsam hinab.
„Gegen Berührungen habe ich nichts, aber wenn ich Blutdurst verspüre, sollte man es wirklich sehr langsam angehen.“, erklärte er und stand auf. Er sah sich um und blieb mit dem Blick am Fenster hängen. „Ist die Alarmanlage an?“
„Ja.“
„Und ich gehe mal davon aus, dass sie sich meldet wenn ich das Fenster einschlage.“
Ich nickte.
„Und die Tür?“
„Äh... Die Tür nicht. Sie ist nur wesentlich stärker als die Ketten.“
Er ging zur Tür und drückte ein paar Sekunden lang dagegen. Dann hockte er sich hin und sah sich das Schloss an. „Hast du eine Haarklammer? Irgendwas aus Draht.“
„Nein, tut mir Leid.“
Er stand wieder auf und ging zum Stuhl, wo er ein Stück Holz aufhob. „Erinnerst du dich daran wie der Schlüssel für die Tür aussieht?“
Ich überlegte kurz. Dann nickte ich. Daraufhin ging er zu mir und setzte sich zu mir.
„Ich fange jetzt an einen weiteren Schlüssel zu machen. Du musst mir ganz genau sagen wie er an den einzelnen Stellen aussieht. Schaffst du das?“
Ich nickte. „Ich glaube schon.“
„Gut.“
Er fing an. Als er eine grobe Form hatte, erklärte ich ihm als erstes wie der Kopf des Schlüssels aussah. Dann ganz langsam gingen wir in die Details, bis hin zum Bart hinab. Das Ergebnis war verblüffend. So verblüffend, das ich ihm den Schlüssel aus der Hand nahm und ihn mir ansah.
„Wow.“
Er stand auf und wischte sich das Holz von der Kleidung und half mir dann auf. Dann nahm er mir sanft den Schlüssel ab und ging zur Tür um sie vorsichtig aufzuschließen. Als die Tür dann offen war, blieb eine stehen und horchte. Als ich näher kam, stellte ich sogar fest, dass er in der Luft schnupperte. Dann schloss er wieder die Tür, schloss sie jedoch nicht ab.
„Wie lange kannst du die Luft anhalten?“, wollte er von mir wissen.
„Äh... eine Minute. Wenn nötig ein paar Sekunden länger.“
„Okay. Wenn ich jetzt sage, hältst du sie an und folgst mir raus.“
„Warum muss ich die Luft anhalten?“
„Im Flur hängt ein giftiges Gas in der Luft. Ansonsten ist auch keiner im Haus, also besteht nur Gefahr für uns beide.“
Ich trat zu ihm und nickte dann langsam. „Okay.“
„Fertig?“
„Ja.“
Er zögerte kurz. „Jetzt.“
Ich hielt die Luft an, er öffnete und wir eilten beide den Flur hinab. Ich ging voran, da er den Weg nicht kannte. Dann gingen wir beide in die Eingangshalle und verließen das Anwesen. Draußen an der Luft atmete er tief ein, ebenso wie ich. Bei ihm schien es jedoch noch einen anderen Grund zu geben.
„Was meintest du im Gespräch mit Ivan eigentlich damit als du sagtest du wärst aus einem Gefängnis raus gekommen und direkt in das nächste gekommen?“
„Ich war für ein paar Jahrzehnte lang im Kerker seiner Schwester.“
Ich zog die Brauen zusammen. „Er hat nie erwähnt, dass er Familie hat.“
„Ist du mir ihm befreundet gewesen?“
Ich nickte. „Er war mein zweitbester Freund.“
„Dann scheinst du ihm wohl nicht ganz gekannt zu haben. Ivan hat eine große Familie. Und er ist sehr gefährlich. Es gibt zwar allein in dieser Umgebung hier etwa zwanzig Vampire die älter sind als er, aber dennoch ist er sehr gefährlich. Besonders für Menschen.“
„Ich bin nicht nur ein Mensch.“, murrte ich beleidigt.
„Dann sollte ich wohl sagen, besonders für Frauen. Männliche Vampire haben eine gewisse Anziehung auf Frauen. Nur wirklich sehr alte Vampire wissen wie man das kontrollieren kann.“
Ob er es wohl auch konnte? „Und du?“
„Ich?“
„Kannst du es auch?“
„Bei mir passiert das schon automatisch. Mein Instinkt wartet auf die Richtige. Fertig.“
„Die Richtige?“
Er sah sich um und seufzte. „Die Richtige. Meine Seelenverwandte. In den meisten Fällen sind es Vampirinnen. Nur selten ist es etwas anderes. Wenn es keine Vampirinnen sind, sind es oft Menschen. Dann kann man all die anderen Geschöpfe aufzählen.“
„Oh.“
„Gibt es hier eine Garage in der Autos stehen könnten?“
„Ähm...“ Ich sah mich kurz um. „Nein. Sie werden eigentlich immer hier geparkt.“
„Dann werden wir wohl zu Fuß gehen.“
„Was? Warte mal. Wir?“
„Willst du etwa hier bleiben?“
„Nein, aber... Ich könnte doch Alec, meinen Bruder anrufen. Der könnte uns hier weg holen?“
„Wenn du nochmal da rein gehst, besteht die Gefahr, dass du dich selbst vergiftest.“
„Ich könnte sonst hier warten, bis meine Brüder wieder da sind.“
Er seufzte und schüttelte den Kopf. Dann kam er zu mir, packte mich und warf mich einfach über seine Schulter.
„Hey! Was wird das denn jetzt?“
„Ob es die gefällt, oder nicht, aber ich bringe dich jetzt hier weg. Wir werden eine Weile wir Wald bleiben um Verfolger abzuhängen.“
„Es sieht nach regen aus, also können wir auch die Straße nehmen. Und vielleicht können wir irgendwo übernachten.“
Er ging los. „Du hast doch meine Jacke.“
Seine Jacke? Genau. Die hielt ich noch in der Hand. Hatte ich sie aufgehoben? Das hatte ich gar nicht bemerkt.
„Ich kann auch selber laufen, außerdem will ich gar nicht weg.“
„Das ist mir herzlich egal.“
„Ich dachte du hast zu viel Durst um mich so nahe an dich zu lassen.“
„Nicht wenn ich den Atem anhalte.“
Da mir langsam die Argumente ausgingen, begann ich zu zappelte. „Lass mich runter!“
„Sei still, oder willst du das die Katzen uns verfolgen? Ganz zu schweigen von den Vampiren die es auf mich abgesehen haben.“
„Das ist mir im Moment völlig egal! Lass mich einfach runter!“
„Sei leise und hör auf zu zappeln.“
„Dann lass mich, verdammt nochmal, runter!“
„Wenn du nicht leise bist, bin ich gezwungen dich dazu zu bringen?“
„Und wie bitteschön? Willst du mich vielleicht knebeln?“
„Nein. Wenn nötig schlage ich dich einfach KO.“
Ich zog die Brauen zusammen. „Du kommst mir nicht vor wie ein Frauenschläger.“
„Außerhalb von Kämpfen habe ich auch noch nie eine geschlagen. Und ich will nicht damit anfangen müssen, also sei leise.“
„Dann lass mich runter. Ich kann alleine gehen.“ Ich zögerte kurz. „Außerdem will ich wieder zurück.“
Mittlerweile waren wir im Wald der an dem Grundstück des Anwesens grenzte. Blöder Weise hatte ich nicht genau aufgepasst, weshalb ich nicht wusste ob wir nun dahinter oder davor waren. Wenn wir dahinter waren, würden wir nach ein paar hundert Kilometern auf das Meer treffen. In die andere Richtung wäre die Zivilisation. Das schien Serbio jedoch nicht sonderlich zu interessieren.
„Lass! Mich! Runter!“
„Halt die Klappe!“ Um seinen Worten Druck zu verleihen, wie es mir schien, sprang er irgendwo ein Stück runter, weshalb ich beinahe einen Infarkt erlitten hätte.
„Spinnst du?“
„Du bist ja nicht runter gefallen und hast dich auch nicht verletzt.“
„Aber ich habe das Gefühl als wäre ich einem Infarkt nur knapp entkommen.“
„Dann warne ich dich bevor ich das nächste mal irgendwo runter springe.“
„Du sollst mich einfach runter lassen!“
Er stöhnte genervt. „Warum schreien Frauen nur immer so viel?“
„Warum glauben Männer immer sie müssten Frauen ständig unterwerfen? Lass mich endlich runter!“
Plötzlich blieb er stehen.
„Was ist denn jetzt schon wieder?“
„Sei leise.“
„Das sagst du schon die ganze Zeit.“
Er knurrte gereizt, setzte mich vor sich ab und legte mir die Hand auf den Mund. Ich sah ihn daraufhin böse an, was er jedoch gepflegt ignorierte und horchte. Er zog konzentriert die Brauen zusammen und sah nach links. „Bewege dich nicht von der Stelle. Und sei gefälligst leise. Ich bin gleich wieder da.“
Damit verschwand er irgendwo zwischen den Bäumen. Er ließ mich tatsächlich allein im Wald. In der Kälte. Mir fiel wieder ein, dass ich ja seine Jacke hatte und spielte mit dem Gedanken sie anzuziehen. Dann prägte mein Kopf mir ein, dass es seine Jacke war, was mich dazu brachte sie nicht anzuziehen. Dann begann es zu regnen. Ich wartete gute zehn Minuten im Regen auf Serbio. Dann kam er endlich wieder zurück. Noch bevor ich irgendwas sagen konnte, warf er mich über seine Schulter und rannte weiter.
„Sag nicht ein Wort, oder du bist Vampirfutter.“, ermahnte er mich.
„Wie...“
„Leise.“
Ich wollte bereits wieder einen Satz beginnen, als er mich davor warnte, dass er irgendwo runter sprang und das auch sofort passierte. Ich hätte beinahe seine Jacke fallen gelassen, da ich mich an sein Hemd krallte. Als ich dann fragen wollte ob es ihm noch gut ginge, sprang er irgendwo rüber. Für eine halbe Sekunde lang sah ich einen kleinen Fluss. Dann war er bereits wieder weg. Ich kam nicht mal dazu auch nur ein Buchstabe von mir zu geben. Das Einzige das von mir kam, war ein Ächzen, wenn er wieder sprang. Irgendwann blieb er stehen und stellte mich hin. Gerade rechtzeitig, denn ich war mir sicher das mein Magen das nicht mehr länger mitgemacht hätte.
„Darf ich wieder sprechen?“, bat ich.
Er nickte.
„Okay. Als erstes, trage mich bitte nie wieder über deiner Schulter.“ Ich war vom Regen völlig durchnässt und seufzte als ich mich umsah. „Wo sind wir?“
„Irgendwo in Kanada.“
„Kein Wunder das es so kalt ist.“
Er nahm mir seine Jacke ab und legte sie mir über die Schultern. Er zwang mich geradezu sie anzuziehen und zog dann den Reißverschluss zu. Sie war etwas groß, ansonsten aber schön warm, wie ich Sekunden später feststellte.
„Ich sehe mal nach ob ich etwas wie ein trockenes Plätzchen finde.“, erklärte er und sah sich bereits um. „Du wartest so lange hier. Ich dürfte nicht so lange brauchen.“
Damit verschwand er wieder. Ich sah mich ein wenig um und setzte mich dann auf eine riesige Baumwurzel. Er brauchte auch tatsächlich nicht lange. Drei Minuten später kam er bereits zurück und sah etwas verwundert aus als er mich beim ersten Blick nicht sah.
„Hier bin ich.“, meinte ich.
Er drehte sich zu mir um und atmete erleichtert aus. „Ich hab etwas gefunden, aber es wird dir sicher nicht gefallen.“
„Solange es trocken ist.“
Er ging voran, woraufhin ich aufstand und ihm folgte. Als er wenige Minuten später stehen blieb, zog ich die Brauen zusammen.
„Dort oben.“ Er deutete hinauf ins Baumgeäst, woraufhin ich seinem Blick folgte und ihn überrascht ansah.
„In einem Baum?“
„Kannst du klettern?“
„Nicht so gut.“
Als er mich zu sich zog, hatte ich schon Angst er würde mich über die Schulter werfen. Stattdessen zog er mich einfach auf seinen Rücken und begann hoch zu klettern, weshalb ich mich sofort an ihn fest krallte um nicht zu fallen. Nur wenige Sekunden später kletterte er auf einen Ast der gefühlte fünf Meter breit war. Wir konnten nebeneinander darauf stehen ohne hinunter zu rutschen. Und es war tatsächlich trocken. Ich atmete auf und ließ mich auf den Ast nieder, woraufhin ich mich direkt hinlegte.
„Bist du müde?“, fragte Serbio nebenbei.
„Und wie ich das bin.“
Er hockte sich neben mich und ich sah zu ihm. „Ich werde eine Weile jagen gehen, damit ich nicht ständig befürchten muss dich anzugreifen.“
„Befürchten?“
„Ich habe nicht vor unabsichtlich einen Menschen zu töten. Frauen schon gar nicht. Und dich erst recht nicht.“
Ich sah ihn überrascht an.
„Wärst du nicht, wäre ich noch in eurem Haus. Dann wäre ich voll mir Ketten und hätte mich kaum bewegen können.“
„Oh.“
„Ich bin in drei Stunden wieder da.“
„Drei Stunden?“
„Warum nicht?“
Ich sah mich um. „Ich weiß nicht wo wir sind, es wird dunkel und kalt, hier gibt es Insekten und höchstwahrscheinlich noch andere kleine Tiere. Und es kann doch auch sein das zufällig ein Vampir vorbeikommt, der wie du am jagen ist.“
Er zog die Brauen zusammen und schien über das, was ich gesagt habe nachzudenken. Dann seufzte er. „Dann bin ich eben in einer Stunde wieder da. Du kannst ja schreien wenn dich ein Vampir überfällt. Dann bin ich sofort hier.“ Er zog die Brauen wieder zusammen. „Du schreist doch nicht wenn du kleine Tierchen oder Insekten siehst, oder?“
„Nein. Ich habe nichts gegen die, aber sie tauchen immer so plötzlich auf und dann erschrecke ich mich immer. Dann kann ich nicht schlafen.“
„Und meine Anwesenheit ändert etwas daran?“
„Ja. Du bist ein Mann.“
Er schüttelte belustigt den Kopf und stand wieder auf. „Wie gesagt. In einer Stunde bin ich wieder da. Und wage es ja nicht wegen einer Kleinigkeit wie eine Eule oder ein Eichhörnchen zu schreien.“
Damit verschwand er wieder. Ich seufzte und kugelte mich zusammen um mich warm zu halten. Ich zuckte zusammen als sich eine Eule meldete und sah mich unsicher um. Es war so still. Ich versicherte mich kurz das alles in Ordnung war und versuchte dann zu schlafen. Darauf wartete ich etwa eine halbe Stunde. Dann sprang Serbio plötzlich neben mich auf den Ast und jagte mir einen riesigen Schrecken ein, was mich wirklich dazu brachte kurz aufzuschreien.
„Hast du sie noch alle?“, wollte ich von ihm wissen als ich auf sah. „Man, du hast mir einen riesigen Schrecken eingejagt.“
„Tut mir Leid. Ich dachte du hättest mich gehört.“
„Ich habe versucht zu schlafen.“
Er hockte sich wieder neben mich. „Aber mit dir ist alles okay, oder?“
„Bis auf Herzrasen, ist bei mir alles okay. Ich dachte du würdest eine Stunde lang jagen. Du warst nur eine halbe Stunde weg.“
„Ich habe nichts gefunden das sich lohnen würde zu jagen.“
„Keine Rehe?“
„Nein. Keine großen Tiere. Rückst du ein bisschen rüber?“
Ich tat worum er bat, woraufhin er sich neben mir hinlegte und entspannt ausatmete, wobei er müde die Augen schloss. Er hat einen anstrengenden Tag hinter sich. Einen Tag, der für mich nicht so anstrengend war.
„Bist du sehr müde?“, wollte ich von ihm wissen.
„Ja. Ist dir sehr kalt?“
Ich zögerte kurz. „Ja.“
Ohne auf irgendwas zu warten, drehte er sich mit weiterhin geschlossenen Augen zu mir und zog mich an sich. Er war warm, wie mir sofort auffiel.
„Versuch möglichst gut zu schlafen.“, meinte er verschlafen. „Morgen wird es wohl noch anstrengender. Uns hängen ein paar Vampire im Nacken und wir müssen noch ein ganzes Stück weiter.“
„Wohin bringst du mich denn?“
Er machte es sich etwas gemütlicher, zog mich dabei etwas näher zu sich heran und seufzte. „Zu meiner Schwester und ihrem Ehemann. Sie wohnen in Alaska.“
„Und da gehen wir zu Fuß hin?“
„Dein toller Freund, ich weiß nicht wie er heißt, hat mir meine persönlichen Sachen ebenso wie mein Geld abgenommen als er mich bei euch eingesperrt hat.“
„André. Er ist ein angestellter und ein guter Freund einer Angestellten.“ Ich seufzte und lehnte mich an ihm um mich aufzuwärmen. „Tut mir Leid, dass er dich eingesperrt hat. Ich hätte dich ja davor bewahrt, aber ich war nicht da.“
„Du hättest mich davor bewahrt, ja?“
Ich öffnete die Augen – ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich sie geschlossen hatte – und sah zu ihm auf. „Du hast Recht. Da ich dich nicht kannte, wäre ich als Erstes wohl auf dich losgegangen. Ebenso wie Luca.“
Er sah gar nicht das ich zu ihm auf sah. Er hatte es sicher bemerkt, aber er sah es nicht. „Schlaf jetzt.“
Ich seufzte, lehnte mich wieder an ihn und versuchte zu schlafen. Das gelang mir sogar, aber mein Traum war nicht gerade ein Traum zu nennen.
Als ich in meinem Traum aufwachte, wusste ich sofort, dass ich bereits zwei Stunden geschlafen hatte. Wenige Meter von mir entfernt saß mein Vater auf einem Stuhl und beobachtete mich. Als ich ihn ansah, lächelte er mich auf eine Art an, die mir das Blut in den Adern gefrieren ließ.
„Ausgeschlafen? Oder würdest du gerne noch ein wenig schlafen?“
Gerade als ich etwas sagen wollte, bemerkte ich wo ich lag. Es schien ein auf die Seite gelegter Gefrierschrank zu sein. Ich rollte mich heraus und stellte fest, dass mir furchtbar kalt war. Aber ich war noch nicht blau, was gut war, da Serbio sonst sicher etwas gemerkt hätte. Ehe ich mich jedoch versah, war der Gefrierschrank weg und an seiner Stelle erschien der Dämon der mir die Arme verbrannt hatte. Ich stand langsam auf und fixierte ihn. Meine Handschuhe trug ich noch. Es wunderte mich nicht, dass der Dämon sofort nach meinen Armen griff. Das Schlimme daran war nur, darauf war ich nicht vorbereitet.
Serbio
Ich öffnete schlagartig die Augen als Sylvia begann zu schreien. Sie wand sich aus irgendeinem Grund. Und wie ich feststellen musste schwitzte sie. Auf ihrem Gesicht zeichnete sich Schock, Panik und Schmerz. Ich schüttelte sie um sie wach zu bekommen, was mir jedoch erst gelang als ich ihr eine Ohrfeige gab. Sie war sofort hellwach und rang nach Atem, während sie langsam realisierte was los war. Dann setzte sie sich ruckartig auf und zog sie hektisch meine Jacke aus. Was ich sah verschlug mir die Sprache und ließ mich die Luft anhalten. Die dunkelgrünen Handschuhe die sie getragen hatte, waren verbrannt. Verbrannt erkannte ich daran, dass ihre Haut ebenfalls verbrannt war. Aber nicht alles war mir frisch verbrannter Haut übersät. Es gab bereits Stellen die verbrannt waren, nur dann wieder verheilt waren und Narben zurückgelassen hatten.
„Sylvia?“
Sie zuckte zusammen als sie mich hörte und sah mich an. Als sie mich erkannte, beruhigte sie sich allmählich und versuchte ihre Arme zu verstecken. Daraufhin setzte ich mich nur ebenfalls auf und streckte die Hand aus.
„Darf ich mal sehen?“
„Ich zeigte meine Arme nicht gerne. Gerade nun, da sie erneut verbrannt sind.“
„Erneut?“
Sie zuckte wieder zusammen. „Vergiss was ich gesagt habe.“
„Lass mich deine Arme ansehen, Via.“
Nun sah sie zu mir. „Via?“
Ich zuckte mit den Schultern. „Ist es schlimm wenn ich dich so nenne?“
Sie senkte den Blick und schüttelte dann den Kopf. „Nein, mach nur. Es ist nur so, dass... Ich hatte noch nie einen Spitznamen.“
„Du bist auch die Erste die ich mit einem Spitznamen anspreche. Und das nicht, weil ich noch nie eine Person mit Spitznamen begegnet bin. Lass mich deine Arme sehen.“
Sie zögerte kurz, reichte sie mir dann aber dennoch und sah dabei verlegen auf ihre Beine. Die Haut wies starke Verbrennungen aus, als hätte sie eine Zeit lang direkt im Feuer gelegen.
„Ich habe noch nie versucht Verbrennungen zu... heilen. Darf ich es versuchen?“
Sie nickte nur ganz langsam und hob wieder den Kopf. Ich dagegen senkte vorsichtig den Kopf und begann bei ihrer Hand. Ich versuchte so gut es ging ihr nicht weh zu tun. Und es funktionierte sogar. Sie hatte keinerlei Schmerzen und von den Verbrennungen blieben nur blasse Schattierungen übrig. Es sah aus als hätte man sie angemalt. Ihre Haut war ganz weich.
5
Sylvia
Ich sah Serbio fasziniert zu wie er meine Arme heilte und staunte über das Ergebnis. Es sah aus als hätte es diese Verbrennungen nie gegeben. Er wanderte an meinem Arm hinauf, bis knapp unter dem Ärmel meines T-shirts. Dasselbe tat er bei meinem anderen Arm. Als er fertig war, richtete er sich wieder auf und sah sich meine Arme erneut an. Seine Augen blitzen für einen Augenblick lang auf.
„Ist dein Name eigentlich Serbio oder hat Ivan dich aus einem anderen Grund, so genannt?“, fragte ich unwillkürlich.
Er sah überrascht auf und nickte, was so aussah als täte er es unbewusst. Als er es bemerkte hielt er inne und zog die Brauen zusammen. „Ja.“, meinte er dann kurz darauf. „Das ist mein Name. Warum wolltest du ihn so unbedingt wissen?“
„Unter Anderem habe ich festgestellt, dass Viper wirklich nicht zu dir passt.“
Er... lächelte schräg... Er tat es tatsächlich. Er lächelte mich an. Dann sah er wieder auf meine Arme. „Hast du sehr schlecht geträumt?“
Ich nickte langsam. Daraufhin nahm er langsam meinen Arm und zog mich vorsichtig zu sich. Er schien damit zu rechnen, dass ich mich wehren würde, aber ich tat das Gegenteil. Ich kam ihm sogar entgegen. Er zog mich in seine Arme und streichelte mir tröstend über den Schopf, während ich meinen Kopf an seine Brust lehnte. Irgendwann wurde das Trösten zu einem kuscheln, was sich mehr als angenehm anfühlte. Er war sanft und vorsichtig mit mir. Er hielt mich einfach nur bei sich und ließ seinen Kopf auf meinem Schopf ruhen. Dann wurde mit jedoch plötzlich deutlich bewusst wer er war. Mir wurde unglaublich warm und es fühlte sich an als hätte ich Schmetterlinge im Bauch. Mein Herz klopfte wie verrückt.
„Alles okay?“, fragte er besorgt.
„Alles in Ordnung.“, gab ich zurück, wobei ich mir vorkam wie ein liebeskranker Teenager der seinem Schwarm gegenüber stand.
Serbio rieb daraufhin sein Kinn an meinem Haar. „Bist du müde?“
„Ein bisschen.“
Es breitete sich Schweigen aus, was gar nicht so unangenehm war. Irgendwann entließ er mich jedoch wieder aus seiner Umarmung und brachte sich ein wenig auf Abstand, woraufhin ich ihn verwundert ansah.
„Ich habe immer noch Durst, Via.“, erklärte er als Antwort auf meinen Blick.
„Oh.“ Stimmt. Daran hatte ich nicht mehr gedacht. „Wie fühlt es sich eigentlich an gebissen zu werden?“
Er zuckte mit den Schultern. „Den Frauen gefällt es wenn männliche Vampire sie beißen. Ein Freund von mir erzählte mir mal, es würde nur kurz weh tun. Wenn die Frau... erregt ist, tut es nur kurz weh. Dann soll es wundervoll sein, wie er es sagt.“
„Ein Freund?“
Er nickte langsam. „Seine Frau hat es ihm erzählt, nachdem er sie das erste Mal gebissen hat. Der Biss ist auch die übliche Art und weise eines Vampirs sich zu verlieben. Es passiert immer während dem Biss. Nicht jedes Mal, sondern nur bei der Richtigen.“
„Und wie erkennt man sie?“
„Das ist verschieden. Für Salvador war es ganz einfach.“
Er sah aus als wolle er noch etwas sagen, hielt dann jedoch inne und starrte mich mit leicht zusammengekniffenen Augen an.
„Was ist?“, wollte ich wissen.
„Warum hast du gefragt wie sich ein Biss anfühlt?“
„Ich äh... Ich... Ich dachte...“
Nun sah er mich verblüfft an. „Du... hattest vor dich anzubieten?“
Ich schluckte, senkte den Blick und nickte langsam. Da es still wurde, sah ich wieder auf und stellte fest, dass er mich eingehend musterte.
„Es ist üblich das es nicht bei einem Biss bleibt.“, mahnte er. „Würdest du es trotzdem tun?“
Ich zögerte kurz und nickte dann wieder. Daraufhin rückte er vorsichtig wieder zu mir und sah auf meinen Hals. Ganz langsam wurden seine Augen rot.
„Ich werde versuchen mich zurück zu halten und dir nicht weh zu tun oder zu viel zu nehmen.“, versprach er mit sanfter Stimme.
Ich brachte es gerade noch zu Stande zu nicken. Daraufhin zog er mich langsam wieder an sich und lehnte meinen Kopf sanft zur Seite. Er schob mein Haar nach hinten und entblößte somit meinen Hals und meine Vene. Seine Hand lag für einen Augenblick an meinem Hals, als wolle er meinen Puls fühlen. Dann fuhr er mit den Fingerspitzen zärtlich über meine Haut, zu meiner Schulter, bevor er langsam den Kopf senkte. Seine Augen waren bereits dunkelrot. Er küsste sanft meinen Hals, dort wo die Vene war und leckte ein wenig darüber. Gerade als ich dann die Spitzen seiner Fänge an meiner Haut spürte, hielt er inne. Er hob plötzlich den Kopf und horchte konzentriert. Wenige Sekunden später hörte man unten das Laub rascheln. Er hielt den Atem an und legte mir vorsichtig eine Hand auf dem Mund, wobei er nach seiner Jacke griff und sie mir hinhielt.
Als ich sie angezogen hatte, beugte er sich zu meinem Ohr hinab. „Drei Vampire haben uns gefunden. Du wirst hier oben bleiben und auf keinem Fall runter kommen. Es kommen langsam welche dazu. Bleib ganz still.“
Ich nickte und beruhigte meinen Atem. Daraufhin stand er lautlos auf und verschwand nach unten. Ich legte mich leise wieder hin und horchte. Ich hörte wie Serbio sich unterhielt.
„Du drückst dich nie vor einem Kampf.“, sagte eine Fremde Stimme. „Habe ich zumindest gehört.“
„Warum sich drücken wenn man gewinnen kann?“, gab Serbio zurück.
„Gewinnen, ja. Wie willst du es mit sieben Vampiren aufnehmen die nur ein Drittel jünger sind als du.“
„Ich habe so eine Ahnung.“
Ein Knurren ertönte. Sekunden später hörte ich ein Geräusch, das mir sagte, dass jemand gegen einen Baum geworfen wurde. Kurz darauf hörte ich mehrere Kampfgeräusche, unter denen ständig Knurren zu hören war. Als plötzlich jemand bei mir auf den Ast sprang sah ich überrascht auf.
„Na, was haben wir denn hier?“ Er lächelte und kam langsam näher.
Ich dagegen schätze sein Gewicht ab und drehte mich auf den Rücken. Dann tat ich so als würde ich ängstlich vor ihm zurück weichen, bis ich den Stamm an meinem Rücken spürte. Er grinste mittlerweile und war ekelhaft nahe. Dann lächelte ich ihn an und trat ihm mit Wucht in den Magen, woraufhin er nach hinten taumelte, das Gleichgewicht verlor und nach unten fiel. Ich war nicht laut gewesen, wie Serbio es wollte.
„Was zum...“
Wieder landete ein Vampir bei mir auf dem Ast und betrachtete mich. Dieser sah jedoch nicht so aggressiv aus wie der Letzte. Er kam langsam und vorsichtig auf mich zu. Die Hände erhoben, als wolle er zeigen, dass er mir nichts tun würde.
„Ich gehe mal davon aus das du zu einem Vampir gehörst.“, meinte er vorsichtig und ließ sich langsam vor mir nieder.
Ich dagegen sah einen kurzen Augenblick nach unten und dann wieder zu dem Vampir vor mir. Daraufhin sah er vom Ast hinab zu den kämpfenden Vampiren, wobei er seltsame Geräusche machte, als wäre er überrascht und ein wenig wütend. Dann sprang er hinunter, woraufhin ich mich auf den Ast legte um hinunter zu sehen ohne zu fallen. Was ich sah ließ mich nach Luft schnappen.
Serbio hatte helle glühend rote Augen und zerfetzte die Vampire regelrecht. Der Vampir der bei mir war stand an einem Baum und beobachtete ihn ruhig. Das Blut klebte überall und ich könnte schwören sogar welches an Serbios Lippen zu sehen. Als alle Vampire, bis auf der Vampir von eben tot waren, sah Serbio sich um und ließ den Blick bei dem Fremden hängen. Er ging in Angriffsstellung.
„Du willst mich nicht angreifen, alter Freund.“, meinte dieser jedoch seelenruhig und beugte sich etwas vor.
Serbio knurrte daraufhin nur. Und das so aggressiv das ich wieder nach Luft schnappte. Das wiederum schien er zu hören, denn er sah sofort zu mir. Im nächsten Augenblick stand er neben mir und war kurz davor mich anzugreifen, hielt dann aber inne und schnupperte. Er betrachtete mich sichtbar verwirrt und zog die Brauen weit zusammen. Er sah aus als wäre jemand anderes in Serbio und würde ihn lenken. Serbio war aber noch in ihm.
Er beugte sich wieder zu mir hinab und schnupperte. Dann schnaubte er und sagte etwas, in einer Sprache die ich nicht kannte.
„Narvidera Baskret Dallertras
.“
Ich sah ihn etwas verwirrt zu ihm auf, was er scheinbar ignorierte und sich einfach auf meinen Geruch konzentrierte. Dann brach er einfach zusammen, wobei er auf mich rauf fiel. Ich fing ihn auf und kämpfte damit nicht vom Ast zu rutschen. Er wurde von mir runter gehoben, woraufhin ich überrascht auf sah. Es war der Vampir der Serbio als alten Freund angesprochen hatte.
„Ich denke, du gehörst zu ihm, richtig?“, meinte er, während er sich Serbio über die Schulter warf.
Ich nickte. Bevor ich jedoch noch etwas sagen konnte, warf er mich über seine andere Schulter und rannte los. Bei ihm schien es schlimmer zu sein als bei Serbio, da seine Schulter direkt in meinen Magen drückte. Ich übergab mich fast, versuchte es jedoch so gut es ging zu unterdrücken. Als er endlich stehen blieb, setzte er mich ab, woraufhin ich nach Luft rang und mir den schmerzenden Magen rieb. Wir waren immer noch im Wald, diesmal jedoch bei einer kleinen Hütte, in die der fremde Vampir mich hinein schob. Serbio legte er auf einem Bett ab und ging zu einer kleinen Küche, wo er ein Glas mit kaltem Wasser füllte. Damit ging er wieder zu Serbio und schüttete es ihm ohne zu zögern ins Gesicht.
„Was?!“, rief dieser erschrocken auf und setzte sich sofort auf.
„Beruhige dich.“, meinte der Fremde.
Serbio atmete auf, sah sich dann jedoch hektisch um, bis er mich sah. Er musterte mich, suchte anscheint irgendwas, atmete dann wieder auf und ließ sich müde ins Kissen fallen.
„Ehrlich gesagt, wundert mich das sie noch lebt.“, meinte der Fremde. „Du hast genau vor ihr gestanden.“
Nun sprang Serbio auf, kam zu mir und sah sich meinen Hals an. „Bist du verletzt? Hast du Schmerzen oder ähnliches? Irgendwelche Beschwerden?“
„Nein.“, gab ich zurück, während er meinen Hals untersuchte.
„Bist du dir ganz sicher?“
„Ja.“
„Ich habe dir...“
„Nein, hast du nicht. Du hast aufgehört als du mich beißen wolltest. Zum zweiten Mal.“
Er zog kurz die Brauen zusammen, nickte dann aber wissend. „Du hast doch sicher Hunger, oder?“
Ich nickte langsam. „Und wehe ich werde noch einmal über die Schulter genommen. Ich schwöre, wer auch immer das ist, ich reiße ihm den Kopf ab.“
Serbio seufzte tief. „Okay, du bist definitiv gesund. Nico, hast du was zu Essen für sie?“
Der Angesprochene sah ihn völlig überrumpelt und verwirrt an. Etwa genauso, als wenn ich Luca irgendwas auf Italienisch erklären würde.
„Ja, im Rechten Schrank hab ich etwas. Was wolltest du von mir?“
„Weißt du wo Theo sich herumtreibt?“ Serbio ging zu der kleinen Küche Und sah in den ganz Rechten Schrank. „Man könnte glatt meinen du würdest mit einem Menschen zusammenleben.“
„Ich bekomme täglich Besuch von einer Frau aus der Stadt. Und Theo macht Urlaub in Australien.“
„Wie sieht's mit Diego aus? Hast du eine Vorliebe für Kakao entwickelt?“
„Er ist in Italien und der Kakao ist für meinen Besuch.“
„Sylvia, was hältst du von Kakao?“
„Warm oder kalt?“, fragte ich zurück.
„Es geht beides?“
„Du solltest mal ein bisschen modern werden.“, antwortete ihm Nico.
„Am liebsten trinke ich Kakao warm. Und ich trinke ihn gerne.“, meinte ich erklärend.
Nun richtete Serbio sich etwas auf und sah uns an. „Also... Theo ist in Australien, Diego in Italien und du, Sylvia, möchtest einen warmen Kakao. Habe ich noch etwas vergessen?“
„Nein, das war alles.“, gab ich zurück.
Er seufzte kurz und wand sich wieder an den Schrankinhalt. Kurz darauf stellte er eine Dose Kakaopulver auf die Theke und stellte einen kleinen Topf auf den Herd, wo er Milch hinein tat um es zu erhitzen. Nach einer Weile verließ Nico kopfschüttelnd die Hütte, woraufhin ich zu Serbio ging und mich neben den Herd auf die Theke setzte.
„Hast du Hunger?“, wollte er nebenbei wissen.
„Nicht wirklich.“
Er sah zu mir. „Wann hast du das letzte Mal etwas gegessen?“
„Ich glaube... vor zwei Tagen. Als ich am Danson Manor ankam.“
Er begann die Milch zu rühren, damit sie nicht überschäumte oder anbrannte. „Wie ist dein Nachname? Bist du auch eine Danson?“
Ich nickte, woraufhin er abrupt mit dem Rühren inne hielt. Dann wand er sich langsam wieder der Milch zu und rührte weiter.
„Warum fragst du?“, wollte ich von ihm wissen.
Er sah kurz zu mir auf und sah dann wieder auf die Milch hinab. „Vor etwa zweiundzwanzig Jahren bekam meine Mutter ein weiteres Kind. Ein Junge. Wie du dir sicher denken kannst, wäre er nun zweiundzwanzig. Aber... vor zwei Jahren wurde er umgebracht. Seine Verlobte fand ihn mitten im Wohnzimmer auf dem Boden. Tot. Genickbruch.“
Ich zog die Brauen leicht zusammen. „Tut mir Leid.“
„Tut es das? In seiner Tasche war ein Brief. Unterschrieben von einem Danson.“
„Was? Halt warte... Nein. Das kann nicht stimmen. Wir töten nicht einfach irgendwelche Vampire oder andere Kreaturen. Wir...“
„Wir? Wie viele gibt es denn?“
Ich schluckte, angesichts des wütenden Tonfalls. „Also... Eigentlich sind wir nur noch vier.“
„Nur noch. Es gab also noch mehr.“
„Mein Vater...“
„Ich will gar nicht wissen wie viele wer umgebracht hat.“
„Lass mich doch mal ausreden! Mein Vater ist für mich kein Vater. Ich zähle ihn nicht zu meiner Familie. Er hat meine Mutter vor fast zwei Tagen umgebracht. Deshalb sind wir nur vier. Meine Schwester kämpft nicht und mein Bruder Alec ebenso wenig. Die Einzigen in der Familie die kämpfen, sind ich und mein Zwillingsbruder Luca. Und keiner von uns würde einfach Vampire töten ohne einen wirklich guten Grund zu haben. Wir töten entweder aus Notwehr oder weil es nicht anders geht. Als letzten Ausweg. Nur weil du ein Brief, einfach ein Stück Papier findest, auf dem mein Name steht, heißt es noch lange nicht, dass wir auch damit zu tun haben! Wie war der Vorname?“
„Der ist nicht...“
„Sag mir den verdammten Vornamen!“
Er stutzte einen Augenblick und sah mich verständnislos an. „Matte.“
Ich sprang von der Theke und raufte mir die Haare, während ich begann auf und ab zu laufen. Irgendwann blieb ich stehen. „Hast du ein Handy?“
„Das hat André mir abgenommen, schon vergessen?“
Im nächsten Moment kam Nico herein. Ich wand mich direkt an ihn. „Hast du ein Handy? Oder ein Telefon?“
Er sah leicht verwirrt von mir zu Serbio und wieder zurück. Dann deutete er auf ein Telefon hinter mir auf einer Kommode. Ich ging direkt dort hin, nahm den Hörer und wählte aus dem Kopf Alecs Handynummer. Er nahm sofort ab, kam jedoch nicht dazu zu sprechen.
„Ich sage dir, ich bring ihn um!“, schrie ich direkt ins Telefon.
Bevor er auch nur reagieren konnte, warf ich ihm all die Details an den Kopf, was Matte getan hatte. Nicht gerade leise. Serbio sah mir verwundert zu, wobei er blasser wurde, je wütender ich wurde. Nico war wieder raus gegangen, sobald ich das Telefon genommen hatte. Als ich endlich eine Pause machte, meldete sich Alec vorsichtig.
„Ich hoffe ich muss dich jetzt nicht in die Irrenanstalt schicken.“
Ich lachte ironisch, während ich mir die Tränen von den Wangen wischte. „Du bist ein Idiot. Ich hatte gerade einen ausgewachsenen Wutanfall.“
„Ist was kaputt gegangen?“
„Wenn dein Trommelfell noch in Ordnung ist, dann nicht.“
„Mit mir ist alles in Ordnung. Ich mache mir mehr Sorgen um unseren Seelischen Zustand. Du hast uns einen Schock fürs Leben beschert. Wo bist du?“
„Das ist egal. Geht es den anderen gut? Wie sieht's mit Felicy aus?“
„Wir sind alle in Ordnung. Was ist mit... dir?“
Ich sah auf meine Arme, die nicht eine einzige Narbe aufwiesen. „Vor einer Stunde ist mein größter Wunsch in Erfüllung gegangen.“ Ich begriff langsam was Serbio mir geschenkt hatte.
„Der schwarze Ferrari?“
Ich rollte mit den Augen. „Kein Ferrari. Meine Arme, du Idiot.“
Ich hörte wie abrupt auf eine Bremse getreten wurde. „Was sagtest du gerade?! Was ist mit deinen Armen?“
„Sie sind... heil. Einfach... Das musst du mit eigenen Augen sehen, Alec! Die Narben... weg.“
„Was? Wie... WAS? Wie meinst du das, weg?“
„Ich meine...“ Ich sah zu Serbio auf, der mich weiterhin beobachtete. Seine Miene war schwer zu deuten, aber als er sah wie glücklich ich über den Zustand meiner Arme war, blinzelte er überrascht. „Alec, das glaubst du mir nie!“ Ich wand mich ein wenig von Serbio ab. „Das ist einfach... fantastisch. Es sieht genauso aus wie vorher. Ich meine, nicht wie damals, mit den anderen Narben. Sondern... als hätte es nie welche gegeben. Es ist einfach...“
„Unglaublich.“
„Ja. Wir haben ja schon so einiges gesehen, aber Sowas... Es ist als... als hätte man ein Heilmittel gefunden das alles heilen kann. Ich... Ach, warte mal kurz. Ich muss mal schnell etwas erledigen, bevor ich das noch ganz vergesse.“
Ich legte kurz das Telefon hin und eilte zu Serbio um ihm in die Arme zu fallen und fest an mich zu drücken. Er war so überrascht, dass er nicht mal reagieren konnte. Meine Arme waren um seinen Hals geschlungen, während ich meinen Kopf an seinen lehnte.
„Du glaubst gar nicht was du mir damit geschenkt hast.“, flüsterte ich. „Was du mir gegeben hast... ich weiß gar nicht wie ich mich bedanken soll.“
Ich sah ihm ins Gesicht und lächelte. So nahe bei ihm... wurde mir ganz warm. Ich stellte mich ganz von selbst auf die Zehen. Er hatte gerade nach meinen Oberarmen gegriffen, als ich ihn küsste. Sein Griff wurde einen Augenblick fester, sodass sich seine Finger in meine Arme gruben. Gleichzeitig war sein Mund hart und abweisend. Dann wurde er jedoch weicher und erwiderte den Kuss. Seine Hände wanderten von meinen Armen hinab zu meiner Tallie, wo er die Arme um mich schlang und an sich zog. Mir fielen die Augen zu, während er begann meinen Mund zu erkunden. Ich seufzte und vergrub meine Hände in seinen Haaren, während ich feststellte, dass seine Fänge hervor kamen. Er zog mich enger an sich, küsste mich hungriger und war so vorsichtig als wäre ich leicht zerbrechlich.
Als die Milch überkochte, lösten wir uns voneinander und sahen zum Herd. Er schob den Topf neben die eingeschaltete Fläche und schaltete den Herd aus, wobei er sich von mir löste. Ich biss mir leicht auf die Unterlippe und ging dann wieder zum Telefon um das Gespräch wieder aufzunehmen.
„Da bin ich wieder.“, meldete ich mich etwas heiser.
„Hast du geschrien oder bist du plötzlich krank geworden?“, wollte Alec wissen.
„Du... Nein. Ich... Vergiss es. Wo seid ihr eigentlich?“
„Danson Manor Nummer acht.“
„Kalifornien also.“
„Korrekt.“
Ich seufzte tief. Im selben Moment drehte sich Serbio um und deutete mit dem Kopf auf eine Tasse heißen Kakao. Ich lächelte ihn an.
„Naja. Ich muss dann jetzt wieder auflegen. Viel zu tun und wenig Zeit. Man sieht sich.“
„Sylvia, warte...“
Ich legte auf und legte das Telefon zurück. Dann ging ich zu Serbio und wurde von ihm sofort wieder in seine Arme gezogen.
„Eine Frage, bevor du ihn trinkst.“
Ich sah ihn fragend an.
„Du... würdest mich immer noch an deine Vene lassen und der Kuss war ernst gemeint?“
„Wenn ich einmal meine Vene anbieten, dann gilt es auch für immer.“
„Und der Kuss?“
Als Antwort legte ich ihm die Hand in den Nacken und zog ihn zu mir hinunter um ihn erneut zu küssen. Diesmal war es aber ein kurzer Kuss, was ihn scheinbar enttäuschte. Ich dagegen lächelte ihn an.
„Der Kuss war ernst gemeint.“
Er ließ mich wieder gehen, woraufhin ich meinen Kakao nahm und vorsichtig einen Schluck probierte. Ich schloss genießend die Augen als die Flüssigkeit auf meiner Zunge lag.
„Das schmeckt fantastisch.“
Als ich ihn ansah, lächelte er etwas und klemmte mir eine Strähne hinters Ohr. Ich dagegen trank die Tasse langsam leer und stellte sie dann beiseite.
„Ich nehme an du hast sehr viel Durst.“, meinte ich dann und setzte mich auf eine Couch, die an einer Wand stand.
„Mehr als letzte Nacht.“, stimmte er zu.
Ich wartete, woraufhin er langsam zu mir kam und sich zu mir setzte. Ich nahm meine Haare beiseite, woraufhin sich sein Blick auf meine Vene heftete. In seinen Augen trat ein roter Schimmer. Er zwang sich den Blick anzuwenden und sah mir ins Gesicht, während er langsam näher kam. Er sah mir in die Augen, während er sich langsam etwas beugte um an meinen Hals zu kommen. Als er tief genug war, drückte er einen sanften Kuss auf meine Vene und leckte ein wenig darüber.
Gerade als er beißen wollte, kam Nico mit jemanden herein, woraufhin sich Serbio mit einem Seufzer von mir löste und sich mit einem Knurren abwandte. Es musste ihn verrückt machen so nahe bei mir zu sein, direkt an meiner Vene, und sich dann wieder entfernen zu müssen, weil uns irgendwas unterbrach. Ich konnte trotz dem halben Meter zwischen uns hören wie er mit den Zähnen knirschte. Das Rot verschwand aus seinen Augen und er sah zu Nico und dem Neuankömmling. Ich folgte seinem Blick.
Nico sah uns mit einer hochgezogenen Braue an, während eine Frau ihn mit zusammengezogenen Brauen anstarrte. Ich sah sofort, dass sie ein Vampir war. Serbio schien sie zu kennen, da er sie wütend anfunkelte.
„Was machst du denn hier?“, wollte er verärgert wissen.
„Seltsam. Dasselbe wollte ich gerade dich fragen.“, gab sie giftig zurück.
„Ich schwöre dir, ich habe versucht sie fern zu halten.“, meinte Nico.
Serbio schwieg eine Weile, während er und die Frau sich wütend anstarrten. Dann stand er auf und zog mich sanft hinter sich her aus der Hütte. „Wir gehen wieder.“, meinte er zu Nico. „Mit ihr verbringe ich keine zwei Minuten im selben Gebäude.“
Die gemeinte Person verzog leicht verletzt das Gesicht. „Vor einem Jahrtausend hast du das Gegenteil gesagt.“
Er hielt kurz inne. „Da habe ich dich scheinbar nicht gekannt.“
Er ging weiter und warf die Tür hinter sich zu, während er mich sanft hinter sich her in den Wald zog. Als wir eine Zeit lang so geradeaus gegangen waren, hielt er an und drehte sich zu mir um.
„Diese Frau die du eben gesehen hast. Wenn du sie nochmal siehst, glaube ihr kein Wort.“, warnte er mich. „Sie lügt sobald sie den Mund aufmacht. Du darfst ihr niemals vertrauen.“
Ich zog die Brauen zusammen. „Wie bist du dir da so sicher?“
„Ich kenne sie gut genug.“
Nun zog ich sie hoch. „Wie bitte?“
Er machte ein Geräusch das sich wie eine Mischung aus Ächzen und Fauchen anhörte, wobei er sich abwandte und die Umgebung musterte. „Ich war mal ein paar Jahre mit ihr zusammen.“, murrte er dann verstimmt. „Sie hat mich bei allem angelogen was die Gelegenheit bot. Sie war verheiratet, hatte Kinder, liebte mich definitiv nicht und hatte eine riesige Familie. Dazu war sie wesentlich jünger als sie gesagt hat und hatte behauptet sie wäre eine Drakscha
. Sie hat mir einen falschen Namen aufgetischt und mich sogar belogen, als sie mir sagte das Haus in dem sie wohnt, gehöre ihr. Sie log was ihre Herkunft betraf, was ihren Charakter anging und was ihre Heimat betraf. Sie log einfach bei allem.“
„Was sagtest du, für was hat sie sich ausgegeben?“
„Als eine Drakscha
.“
Ich sah ihn begriffsstutzig an. „Was ist das? Und wie spricht man das überhaupt aus ohne sich zu blamieren?“
Er lächelte amüsiert über meinen Gesichtsausdruck und hob mich auf seinen Rücken um zu rennen. „Eine Drakscha
ist eine Vampirin die nur einer einzigen Person in ihrem Leben ihren Körper schenkt.“
„Wie meinst du das?“
„Eine Drakscha
liebt nur einmal. Sie hat in ihrem ganzen Leben nur einen einzigen Partner. Stirbt er, bleibt sie entweder allein, oder sie begeht Selbstmord. Dafür bekommen sie aber sehr schnell Kinder. Und ihre Sterberate bei der Geburt ist auch sehr gering. Dafür verlieben sie sich nicht sehr schnell. In der Regel verliebt sie sich eine Drakscha
nur etwa einmal im Jahr. Anders gesagt, jedes Jahr gibt es nur eine Einzige die sich verliebt. Die anderen warten sehnsüchtig auf ihre Liebe. Ihnen bleibt nichts anderes übrig.“
„Und... woher wissen sie das es der Richtige Mann ist?“
„Jede dieser Frauen hat irgendwo ein Mal auf dem Körper. Ihr Mann trägt dasselbe Mal an derselben Stelle. Aber er verliebt sich nicht immer in sie. Manchmal passiert es, das er bereits eine Frau hat, sich nicht für Frauen interessiert, oder die Drakscha
einfach nicht attraktiv findet, oder ähnliches.“
„Hast du auch so ein Mal?“
Er schwieg eine Weile, schüttelte dann aber den Kopf. „Nein. Die haben meistens nur Drakscher
.“
„Sind das nicht dieselben?“
Er fing an zu lachen. „Nein. Es wird zwar gleich ausgesprochen, aber es wird anders geschrieben. Drakscha
, die weiblichen, haben ein A am Ende. Drakscher
, die männlichen, haben ein ER am Ende.“
„Und wie spricht man das nun aus?“
„Drak-scha
. In deiner Sprache heißt es etwa... Ich gehöre nur einem
.“
„Das ist ja ein ganzer Satz.“
„Ja. Meine Sprache hat mehrere Wörter die einen ganzen Satz bilden. Einige Wörter bilden nur eine Silbe oder ein Wort.“
„Hört sich kompliziert an.“
„Wenn man sie alle kennt, ist es ganz einfach. Aber es gibt auch Wörter die beinahe identisch sind, jedoch ganz andere Bedeutungen haben.“
„Zum Beispiel?“
„Da wäre das Wort Meldano
. Es heißt Wenn unsere Wege sich kreuzen
. Wie du sicher bemerkt hast, ist es nur ein Teil eines Satzes, da man es meist noch mit anderen Wörtern verbindet. Meldano Krawick
. Wenn unsere Wege sich kreuzen, lasse ich dich nicht mehr gehen
.“
„Ist das als Drohung oder als Versprechen gemeint?“
„Das ist relativ. Aber zurück zu dem Beispiel. Das eine war Meldano
. Das andere Wort wäre Meldamo
. Mit einem M statt einem N.“
„Und was bedeutet das?“
„Es ist ein halbes Gedicht.“ Er lachte leise. „Für meine schöne Frau, wird sogar der Himmel blau. Auf das die Sonne scheint und das Kind nicht weint, so sage ich mir, ich bleibe immer bei dir. Ich liebe dich so sehr, wie ein Fisch das Meer. Ich lasse dich nie allein. Tagaus und Tagein.
“
„Ein Liebesgedicht?“
„Ja. Aber das Wort reicht nur bis zu dem Satzteil und das Kind nicht weint
. Was ich gerade gesagt habe, heißt in meiner Sprache Meldamo Livitis
.“
„Hört sich schön an.“
„Ja. Aber das Wort Livitis
allein, hat auch wieder eine ganz andere Bedeutung. Es heißt schlicht und einfach Liebe
.“
„Ein schönes Wort für ein schönes Gefühl. Was heißt Ich liebe dich
?“
„Dalivitiser
. Ein ganzes Wort. Da
steht für Ich
und er
steht für dich
. Aber nur in diesem Wort.“
„Was heißt dann nur Ich
?“
„Ein einfaches D.“
„Und Dich
?“
„Da reicht ein R aus.“
„Was für eine schwierige Sprache.“
Er lachte leise.
„Serbio?“
„Ja?“
„Bevor du ohnmächtig geworden bist, hast du auch etwas gesagt. Ich würde gerne die Bedeutung der Wörter wissen.“
„Nenn mir das erste.“
„Ich weiß nicht wie man es ausspricht.“
„Versuch es.“
Ich zögerte nur kurz. „Navidea
, glaube ich.“
„Du meinst, Narvidera
?“
„Ja, genau. Wie sprichst du das aus?“
„Nar-vi-de-ra
. Das R wird in meiner Sprache immer gerollt.“
Ich seufzte. „Und was heißt das nun?“
Er schwieg eine Weile und schien nachzudenken. Ich wollte meine Frage schon wiederholen, als er antwortete.
„Es ist ein Satz und heißt etwa so viel wie: Meine Blutgier ist sehr groß
. Ich habe dich damit wohl gewarnt. Was war das nächste Wort?“
„Es hörte sich an wie Basret
.“
Er wurde plötzlich etwas langsamer. „Baskret
. Ebenfalls ein Satz. Wenn man es mit Narvidera
verbindet, heißt es in etwa: Aber ich kann mich deiner gegenüber beherrschen
. Ich warne dich und dann beruhige ich dich. Was war das nächste Wort?“
„Es ist das Letzte. Ich glaube es war... Dallertras
.“
Er hielt an.
„Was ist? Ist es schlecht?“
„Ich weiß es nicht. Es ist ein Kosename.“
„Kannst du es übersetzen?“
„Es heißt meine Geliebte
. Narvidera Baskret Dallertras
. Meine Blutgier ist sehr groß, aber ich habe mich deiner gegenüber unter Kontrolle, meine Geliebte
. Das ist einer von vielen Schwüren die wir Vampire ihren Frauen gegenüber aussprechen. Dieser Schwur sagt der Frau das der Vampir sie nie angreifen wird, wenn er im Blutrausch ist.“
„Wie kann er sich da so sicher sein?“
„Gar nicht. Wenn man im Blutrausch ist...“ Er ging weiter. „... dann ist es als würde man von jemandem gelenkt werden. Die Instinkte übernehmen und kümmern sich darum das man in Sicherheit ist. Wenn die eigene Frau dabei ist... Kommt darauf an wie es um den Vampir steht. Hat er Hunger, besorgt er sich Blut. Fühlt er sich bedroht, greift er alles Lebendige an was er sieht. Fliehen ist nutzlos. Ist er dem Tode nahe, versucht er alles um sich zu retten.“
„Und das lenkt alles der Instinkt?“
„Ja. Er ist das selbstsüchtigste das ich kenne. Es denkt immer nur an den Vampir. Sich für jemanden opfern... Nahezu unmöglich wenn der Instinkt die Kontrolle übernimmt.“
„Wie sieht man aus wenn er die Kontrolle übernimmt?“
„Kommt drauf an was für eine Situation. Blutdurst steht in Verbindung mit dunkelroten Augen, wie du bereits sicher weißt. Im Kampf sind sie hellrot. Leuchtend. Man sieht sie sogar wenn es stockdunkel ist. Wenn man gerade dem Tode nahe ist, sind die Augen... Naja... kommt eigentlich ganz darauf an was für eine Art Tot es ist. Wurde man getötet, sind sie schwarz, weil Gewalt eine Rolle spielte. Bei einem Unfall sind sie meistens weiß. Weil es eben keine Absicht war. Aus Altersschwäche kann man nicht sterben. Es dürfte noch einige Generationen dauern, bis die Vampire schwach genug sind um zu altern.“
Ich lachte leise. „Höre ich da Selbstgefälligkeit? Du bist doch nicht arrogant, oder?“
„Ein bisschen, vielleicht. Aber nicht viel.“
„Hmmm... Erzähl weiter. Bitte.“
„Mal überlegen... Was willst du noch wissen?“
„Was tut der Instinkt, wenn der Vampir aussichtslos gefangen ist?“
Es wurde still, während Serbio sehr lange überlegte. „Er versucht auf irgendeine Art sich zu befreien. Was ist es für ein Gefängnis?“
„Eine Höhle, tief unter der Erde. Der Ausgang ist sehr dick verschüttet.“
„Das ist einfach. Der Vampir fängt an zu graben.“
„Und wenn in der Höhle giftige Gase sind?“
„Er hält die Luft an.“
„Wie lange kann ein Vampir denn die Luft anhalten?“
„Kommt ganz darauf an wie alt er ist.“ Ich hörte ein Lächeln in seiner Stimme.
„Wie lange kannst du die Luft anhalten?“
„Wenn ich ausgeruht bin, einen ganzen Tag. Wenn ich müde und erschöpft bin, zwei Stunden. Wenn ich todmüde und ausgelaugt bin, gerade Mal so lange wie ein Mensch, der in Topform ist.“
„Also maximal anderthalb Minuten?“
„Ja, kommt hin. Aber sogar das ist etwas lang. Kannst du die Luft anderthalb Minuten lang anhalten?“
„Wenn ich ausgeruht bin, ganze drei Minuten. Müde und erschöpft, zwei Minuten. Todmüde und ausgelaugt, eine Minute.“
„Nicht schlecht, für ein Mensch.“
„Zurück zum Thema. Verändert sich, abgesehen von der Augenfarbe, noch etwas wenn der Instinkt übernimmt?“
„Die Fänge werden länger, man bekommt Krallen, man sieht alles viel schärfer, hört detaillierter, fühlt genauer und kann zwanzig Gerüche auf einmal unterscheiden. Aber auch ohne den Instinkt kann ein Vampir ein Geruch von anderen absondern. Kann jemanden wittern. Deren Spur verfolgen. Je besser man die Person kennt, umso einfacher ist es.“
„Vampire sind sehr interessant.“
„Ich finde Menschen interessant.“
„Warum? Wir sind doch nichts Besonderes.“
„Oh doch. Ihr kommt trotz des schwachen Instinktes klar. Euer Instinkt ist nicht sehr ausgeprägt, aber dennoch überlebt ihr. Ihr könnt krank werden, habt sonderliche Ideen... Manchmal fragt man sich was in euren Köpfen so vor sich geht. Einige Vampire können Gedanken lesen. Es ist eine Kunst die man erlernen kann, aber es ist sehr schwer. Und es kann gefährlich werden.“
„Gefährlich?“
„Ja. Wenn man es erlernt hat, muss man es sofort kontrollieren können. Um es zu erlernen, muss man mental einiges in seinem Kopf anrichten. Man muss die richtigen Türen finden und öffnen, kann man sagen. Öffnet man die falsche Tür, kann es sein das man plötzlich... nur noch in einer Farbe sieht. Oder man hört nur noch bestimmte Dinge. Kann nur noch ganz bestimmte Gerüche wahrnehmen. Nur noch spezielle Dinge schmecken. Wenn man Pech hat, löst man mehrere dieser Dinge aus. Wir nennen es Radven
. In deiner Sprache, falsch ausgeprägter Sinn
. Nur sehr selten kann man das rückgängig machen.“
„Warum muss man das Gedanken lesen sofort beherrschen können?“
„Stell dir vor du bist in einem Saal voller Leute. Was hörst du?“
„Alle reden und es ist sehr laut. Man muss dicht beieinander stehen um einander zu verstehen.“
„Ja. Jetzt stell dir vor es ist bei einem Konzert.“
„Man muss schreien um sich zu verstehen. Manchmal ist sogar das zu leise.“
„Genau. Wenn du das Gedankenlesen nicht sofort beherrschen kannst, wirst du mit dem doppelten leben müssen. Doppelt so laut wie auf einem Konzert. Meist werden die Vampire dann als taub
bezeichnet. Sie können dann deine Stimme nicht von den anderen unterscheiden. Und unter den vielen Anderen... wird es noch schwerer.“
Ich seufzte müde und lehnte mein Kopf an seinen Rücken. „Kann ein Gedanken lesender Vampir nur einen einzigen Gedanken lesen, wenn er will?“
„Eigentlich ist der begriff lesen
falsch. Man hört sie ja. Und ja, wenn er will, kann er einen einzigen Gedanken hören. Ich werde das aber nie wollen.“
„Warum?“
„Ich bin zwar stark genug um es beherrschen zu können, aber es wird lästig sein ständig darauf zu achten dass man nicht den Gedanken hört, statt des Gesprochenen. Immerhin kann ich ja nicht einfach auf eine Frage in deinen Gedanken antworten, wenn du mich etwas ganz anderes fragst.“
„Hmmm...“
„Bist du müde?“
„Ein bisschen.“
„Es ist spät. Bleib noch ein bisschen wach. Ich suche uns einen Ort zum schlafen.“
„Okay.“
Er wurde etwas langsamer. An seinen Haaren im Nacken die an meinem Haar hin und her strichen, bemerkte ich, dass er sich umsah. Nach einer Weile kletterte er wieder einen Baum hinauf und ließ mich dann vorsichtig von seinem Rücken auf den Ast rutschen. Ich legte mich beinahe sofort hin, woraufhin er ein wenig lächelte und es sich neben mir gemütlich machte. Sein Blick wanderte von meinem Mund zu meiner Vene und wieder zurück. Hin und her.
„Du hast Hunger.“, stellte ich fest.
„Du bist müde.“
„Ich habe gesagt ein bisschen.“ Ich verkniff mir ein Gähnen und zwang mich dazu es mir nicht anmerken zu lassen.
„Du bist trotzdem müde. Du brauchst deinen Schlaf.“
„Und du brauchst Blut.“
„Ich werde jagen gehen wenn du...“
„Du hast selbst gesagt das du nichts findest.“, unterbrach ich ihn. „Also wirst du jetzt...“
„Jetzt sind wir woanders. Ich werde...“
„Wir werden sicher noch von Vampiren verfolgt, oder?“
Er hielt inne.
„Und dann willst du mich schlafend zurück lassen. Ich werde nicht mal schreien können. Und wenn ich einen normalen Albtraum habe, schlafe ich nicht wirklich leise.“
„Dann werde ich eben morgen...“
„Du brauchst es aber jetzt und nicht...“
„Ich werde schon klar kommen. Die Schmerzen sind...“
„Sicherlich unerträglich. Und morgen werden sie noch schlimmer sein. Ich...“
„Du bist müde und völlig ausgelaugt. Du brauchst Schlaf und ich werde es nicht besser machen, wenn ich von dir trinke und dich höchstwahrscheinlich noch auf andere Art erschöpfe.“
„Ich habe schon fünf Tage hintereinander ohne Schlaf einen Berg hinauf und wieder hinunter geklettert, also sag mir nicht wann ich völlig ausgelaugt bin.“
Er seufzte tief als ich mich aufsetzte und meinen Hals entblößte, indem ich mein Haar zurück strich. Er starrte ihn an, während seine Augen unglaublich langsam dunkelrot wurden. Dann rieb er sich den Hals und setzte sich ebenfalls auf.
„Aber ich werde nicht viel nehmen.“, meinte er.
„Nimm so viel wie du brauchst.“, gab ich zurück.
„Die Menge würde dich umbringen.“
„Dann trink so viel wie du kannst, ohne mich umzubringen.“
Er schluckte hart und näher sich wieder langsam. Ich wusste, wenn wir diesmal unterbrochen werden würden, würde er es nicht ertragen. Er zog mich diesmal sehr dicht an sich und küsste mich als erstes. Ich seufzte und schlang die Arme um seinen Hals, während er mit den Händen über meine Tallie zu meinem Rücken wanderte und mich näher an sich zog. Er hielt mich einfach nur bei sich, während er mich so leidenschaftlich küsste. Irgendwann löste ich mich jedoch von ihm, woraufhin er mich verwundert ansah.
Ich dagegen seufzte. „Du sollst trinken. Nicht küssen.“
Er lächelte ein wenig. „Ich soll dich beißen.“, stellte er dann fest. „Dann musst du noch ein bisschen Geduld haben.“
Er küsste mich wieder. Diesmal war es sanfter. Vorsichtiger. Seine Fänge drückten kurz darauf gegen seine Lippen, woraufhin er frustriert seufzte und eine Spur von küssten zu meinem Ohr führte. Er knabberte ein wenig daran und schob die Haare von meinem Hals, während er mit der anderen Hand meinen Kopf ein wenig schräg legte. Dann wanderte sein Mund langsam hinab zu meiner Vene, wo er über die Haut leckte und sie sorgfältig küsste.
„Du bist dir ganz sicher?“, hakte er nach, während seine Hände mich vorsichtig in eine liegende Position brachten, ohne dass er von mir abließ.
„Ja.“, gab ich zurück. „Ich bin mir sehr sicher.“
Er setzte seine Fänge ganz genau an und zögerte ein wenig bevor er schließlich zu biss. Er stöhnte als mein Blut auf seine Zunge traf, während ich stöhnte da es ein unglaubliches Gefühl war. Ich zerrte sein Hemd aus der Hose, während seine Hände meine Bluse aufknöpfte. Oh, Gott sei dank trug ich eine Bluse, kein T-shirt! Er zog sie mir jedoch nicht ganz aus. Eröffnete sie nur, woraufhin er meinen BH öffnete, der den Verschluss vorn hatte. Er umfing meine Brüste mit seinen Händen, während ich mit meinen Händen über seine Brust fuhr und stöhnte. In dem Moment hätte ich ihn wirklich gern geküsst, aber er saugte genussvoll an meiner Vene, was erklärte, dass sein Mund besetzt war. Seine Hände waren bereits damit beschäftigt mir die Hose auszuziehen, was meine zum Ausgleich mit seiner taten. Als diese dann irgendwo bei unseren Füßen landeten, fiel mir auf das er den Slip gleich mit ausgezogen hatte. Er spreizte meine Beine sehr weit und machte es sie bequem, ohne in mir einzudringen. Stattdessen rieb er sich an mir und löste seinen Mund vorsichtig von meinem Hals. Er begann an den kleinen Verletzungen zu lecken, während ich stöhnte und meine Beine um ihn schlang. Kurz darauf küsste er mich wieder und zog mich dicht an sich, bevor er in mir eindrang. Ich stöhnte tief und krallte mich unter seinem Hemd in seine Schultern.
Als wir an den Höhepunkt kamen, ritzte er sich aus versehen mit einem seiner Fänge die Lippen auf. Er versuchte zwar sich rechtzeitig vor mir zu lösen, aber sein Blut lag bereits auf meiner Zunge. Und es schmeckte gut, wie mir auffiel.
„Sylvia, spuck das aus!“, meinte er etwas panisch, wobei er mich hoch zog.
„Warum? Ich meine... warum?“
„Du musst mein Blut ausspucken! Sofort!“
„Warum denn? Ich finde es gar nicht so schlimm.“
„Du weißt nicht was du sagst! Bitte. Tu es einfach.“
Aber wir wussten beide, dass es zu spät war. Und das schien er nun auch zu begreifen. Ein Blutaustausch stellte eine Verbindung her, die nicht gebrochen werden konnte. Außer der Tot. Und eine Ohnmacht, aber sobald die vorbei war, stand die Verbindung wieder. Nun konnte ich ganz genau fühlen, wie Serbio sich fühlte. Und er fühlte sich schrecklich.
„Bin ich denn so schlimm?“, wollte ich von ihm wissen und zog leicht verletzt die Brauen zusammen. „Wäre Sowas so furchtbar für dich?“
„Nein! Um Gottes Willen, das bist du nicht!“
Aber das schreckliche Gefühl von ihm verschwand nicht. Hinzu kam nur das Gefühl das er sich furchtbar fühlte. Er fühlte sich... Daran wollte ich nicht mal denken. Aber er fühlte sich definitiv schlecht genug und das verletzte mich.
„Via?“
Er wollte mich berühren, aber ich griff einfach um ihn herum, nahm mir meine Hose und meinen Slip und zog mich wieder an. Ich musste keinen Blick auf seine Gefühle werfen um zu wissen das ihm der Anblick – nämlich der, dass ich nicht mehr nackt vor ihm war – sicherlich erleichterte.
„Sylvia?“
Ich ignorierte ihn einfach und ging zum Stamm des Baumes. Er sprang auf, wollte zu mir eilen, ging dann aber zurück um sich wieder anzuziehen, während ich so schnell ich konnte hinunter kletterte. Okay, er wollte mich nicht bei sich haben. Damit konnte ich leben. Aber er musste mich doch nicht trotzdem mit sich herum schleppen. Er musste mich doch nicht benutzen damit er gleicht zwei Dinge bekommen konnte. Blut und Befriedigung.
„Sylvia!“
Ich ignorierte seinen Ruf einfach als ich einfach in den Wald rannte. Ich rannte so schnell ich konnte. Und das war, wie Alec einmal gemessen hatte, etwa so schnell wie ein Vampir. Ich konnte etwa vier Stunden so schnell rennen. Dann würde ich langsam langsamer werden. Die vier Stunden mitgezählt, wäre ich nach etwa zehn Stunden ausgepowert. Und das dürfte reichen um von Serbio weg zu kommen.
Wer hätte das gedacht? Ich begegne einem Vampir, ein Angehöriger der Rasse, die ich nicht besonders leiden konnte, abgesehen von sehr wenigen. Ich verliebte mich dummerweise in diesen Vampir, ließ es zu das er mich entführte und ließ ihn von mir trinken. Ich ließ mich bereitwillig von ihm entjungfern und was bekam ich? Die Gabe seine Gefühle zu spüren, um dann zu erfahren, dass er mich gar nicht wollte.
Ich rannte einfach weiter. Ohne Pause. Nach etwa drei Stunden kam ich an dem Baum vorbei an dem wir kurz Rast gemacht hatten. Gut, ich war auf dem richtigen Weg. Sehr weit konnte es nun nicht mehr sein. Und ich hatte Recht. Gerade als ich acht Stunden unterwegs war, erreichte ich das Danson Manor. Ich eilte zur Tür und gab das Passwort ein, das nicht nur die Alarmanlage ausschaltet, sondern auch die Tür öffnete, da ich meinen Schlüssel nicht dabei hatte.
Die Tür ging auf und ich ging hinein. Das Gas war weg, da das abschalten der Alarmanlage jegliche Art von Gasen entfernt hatte. Ich schloss die Tür hinter mir, vergaß jedoch abzuschließen und eilte direkt in mein Schlafzimmer. Dort nahm ich meinen Laptop und setzte mich damit aufs Bett, während ich mir die Tränen von den Wangen wischte. Kaum das der Laptop hochgefahren war, begann ich mit Alec Verbindung herzustellen. Er sprach gerade mit jemandem, aber als er das Geräusch hörte, das sein PC machte, sobald jemand Verbindung zu ihm hatte, drehte er sich um und erstarrte.
„Mein Gott, Sylvia. Was ist passiert?“
Kaum das mein Name fiel, eilte auch schon Luca an seine Seite. „Was ist los? Warum hast du geweint?“
„Und warum bist du außer Atem?“
Ich ignorierte die Fragen einfach. „Ich möchte zu euch.“
Alec begann sofort sich darum zu kümmern, während Luca mich auf den Bildschirm musterte. Ich hatte mir die Decke umgelegt, sodass sie meine Arme nicht sehen konnten.
„Okay, hör zu.“, meinte Alec. „In einer halben Stunde trifft dein heiß geliebter Ferrari ein. Damit fährst du direkt zum Flughafen. Die Tickets sind auf deinem Namen zurückgelegt. Der Flug geht in anderthalb Stunden. Schaffst du das?“
Ich nickte.
„Gut. Ich sehe mal, dass du etwas zu essen bekommst, sobald du hier bist. Und etwas zu trinken. Felicy!“
Er stand auf und verschwand vom Bildschirm. Luca sah mich weiterhin unfassbar an. Er fuhr sich abwesend mit der Hand durchs Haar und blinzelte, als könne er nicht glauben was er da sah. Als Alec sich wieder setzte, seufzte er.
„Du solltest anfangen zu packen.“
Ich nickte. „Dann bis später.“
„Bis später, meine Kleine.“
Ich schaltete den Laptop aus und stand auf. Ich beeilte mich damit zu packen und war in einer Viertelstunde fertig. Ich zog mich vollständig um. Einen knielangen schwarzen Rock, ein schwarzes T-shirt, schwarze Handschuhe und schwarze Stiefel. Ich kämmte mir die Haare gründlich durch und entschied mich noch zu duschen. Dann zog ich mich erneut an, föhnte mir schnell die Haare, kämmte sie mir und steckte sie hoch. Dann nahm ich mein Gepäck und brachte es in die Eingangshalle. Als ich aus dem Fenster neben der Tür sah, sah ich den Ferrari. Ich wusste, der Schlüssel würde stecken.
Ich seufzte tief, nahm ein paar Sachen und verließ das Gebäude um die Sachen ins Auto zu bringen. Ich wusste nicht warum, aber als ich wieder ins Haus ging, um die letzten Sachen zu holen, sah ich in Gedanken nach wo Serbio war. Er war ziemlich nahe. Er betrat das Grundstück in dem Augenblick, in dem ich in den Wagen stieg und mich anschnallte. Ich startete den Motor, während Serbio zu mir eilte. Gerade als ich Gas geben wollte, blieb er vor mir stehen, sodass ich abrupt wieder auf die Bremse trat. Er war mehr als außer Atem und sah mich verloren an. Er ging zu mir auf die Fahrerseite und öffnete die Tür.
„Steig aus.“, bat er mich.
Aber ich regte mich nicht. Stattdessen rutschte mein Fuß wieder aufs Gaspedal.
„Sylvia, steig bitte aus.“, bat er erneut.
„Ich verpasse ein Flugzeug.“, gab ich heiser zurück und wollte die Tür zuziehen.
Er dagegen griff danach, sodass ich sie nicht zuziehen konnte. „Bitte. Steig aus.“
Ich reagierte ganz anders. Ich zog die Tür einfach zu, wobei es mir einfach egal war, dass ich seine Finger einklemmte. Er fluchte und zog die Hand zurück. Er blutete. Gut so, vielleicht hatte er ja Glück und wurde mein Blut wieder los.
Ich wollte bereits wieder aufs Gas treten, als er die Beifahrertür auf riss und sich setzte. Mein Handy klingelte. Er schnallte sich an, während ich es heraus holte und auf den Display sah, was völlig unnötig war, da ich den Anrufer an dem Klingelton erkannte. Alec.
„Ja?“, meldete ich mich.
„Hey, Kleines. Bist du schon auf dem Weg? Das GPS Gerät zeigt nämlich keine Veränderungen.“
„Nein, ich stehe hier noch. Da will mich jemand begleiten.“
Serbio beobachtete mich, während er seine Verletzung versorgte.
„Dann nimm ihn mit. Ich buche eben das zweite Ticket. Aber du solltest dich langsam beeilen, Süße.“
Ich atmete lange aus. „Du weißt, dass Zeit kein Problem für mich ist wenn ich den Ferrari fahre.“
Er lachte ein wenig. „Natürlich weiß ich das. Wir sehen uns dann später.“
„Ja. Bis später.“
Ich legte wieder auf, steckte das Handy ein und fuhr los. Serbio war sichtlich geschockt von meinem Fahrstil, aber das störte mich nicht sonderlich. Ich ignorierte es auch das er sich in jeder Kurve fest klammerte, als würde ich jeden Augenblick einen Unfall bauen. Ich dagegen nahm es ganz gelassen. Als ich am Flughafen ankam, nahm Serbio mir höflich das schwere Gepäck ab und folgte mir. Um den Wagen kümmerte man sich bereits, das wusste ich. Alec dachte immer an alles. Und so war es diesmal auch. Ich kam ohne Probleme durch und konnte direkt ins Flugzeug, da es in wenigen Minuten startete. Serbio saß neben mir. Auch dafür hatte Alec gesorgt. Statt jedoch wie Serbio das Flugzeug zu begutachten – ich war mir sicher, er flog zum ersten Mal mit einem Flugzeug – lehnte ich mich zurück und versuchte zu schlafen.
6
Ich hatte Glück. Ich wachte von allein auf. Das bedeutete, Serbio musste mich nicht wecken. Und das Flugzeug landete gerade. Der Wagen wartete vor dem Eingang. Und als ich los fuhr, wappnete Serbio sich für die Fahrt, indem er seufzte, den Kopf in den Nacken legte und die Augen schloss. Ich fuhr mit Vollgas durch Kalifornien und brauchte nur eine Viertelstunde zum Danson Manor. Dieses Exemplar besaß eine Garage, in der ich Alecs Wagen und Lucas Wagen, sowie die Wagen von Ivan, William, Valec und Vayl ausmachen konnte. Ich stieg aus und ging direkt ins Gebäude. Kaum dass ich in der Einganghalle war, kam auch schon Luca und riss mich in seine Arme.
„Ich sage dir, wenn du noch einmal einfach so verschwindest, dann mache ich dir die Hölle heiß!“, meinte er, während er mich an sich drückte. „Weißt du eigentlich was das für eine Folter ist, hier zu sitzen und warten zu müssen, bis du endlich auftauchst, während man nichts tun kann? Und Valec will ständig nur Karten spielen.“
Ich seufzte tief. „Ich hab dich auch vermisst.“
„Ich habe dich mehr als nur vermisst, Schwester. Abgesehen von Alec habe ich mir die größten Sorgen um dich gemacht.“
Dieser betrat nun auch die Eingangshalle und nahm mich statt Luca in Beschlag. Serbio stand hinter mir an der Tür und beobachtete die Begrüßung schweigend.
„Du bist ja so verrückt.“, meinte Alec tadelnd. „Wir machen hier die Hölle durch und du machst dir schöne Tage! Verdammt, sogar Felicy kam aus ihrer Traumwelt heraus! Und drei Mal darfst du raten wie er hieß. Das errätst du nie.“
„Mathematik? Finanzen? Steuern?“
„Nein, nein und nein.“
Ich sah ihn verdutzt an.
„Ausnahmsweise war es mal Nicolai.“
„Oh wow.“
„Okay, stellst du uns auch deine Begleitung vor?“, wollte Luca wissen.
Alec ließ mich los und sah zu Serbio, der nun neben mich trat. Ich nickte.
„Also... Das hier ist Serbio. Mit ihm habe ich auch die letzten Tage verbracht. Ähm... Serbio, das sind Luca und Alec. Mein Zwilling und mein älterer Bruder.“
„Halt warte, jetzt bin ich erst mal geschockt.“, meinte Luca. „Ist das nicht der Vampir den André eingefangen hat?“
„Ja. Aber... ich bin nicht einfach abgehauen.“
„Bist du nicht?“ Alec sah mich besorgt an. Dann glitt sein Blick zu Serbio, woraufhin ich schnell den Kopf schüttelte.
„Es war Ivan. Er hat mir wohl den Chip abgenommen und hat mich bei Serbio eingesperrt. Er dachte wohl, Serbio würde mich umbringen, aber stattdessen haben wir das Danson Manor verlassen. Wegen den Gasen und so.“
„Apropos Ivan. Wo ist er überhaupt?“, wollte Luca von Alec wissen.
Dieser zog die Brauen zusammen. „Ich dachte er wäre im Wohnzimmer, bei dir und den anderen.“, gab Alec an Luca zurück.
„Er sagte er ist kurz bei dir.“
„Ich habe ihn nicht gesehen.“
„Er kann doch gut mit Computern umgehen, richtig?“, warf ich ein. „Und deiner ist der Beste in ganz Kalifornien.“
Ohne zu zögern rannte Alec los. Wir warteten eine Weile. Dann hörten wir lautes fluchen seinerseits, woraufhin wir zu ihm eilten. Er saß an seinem PC und tippte aufgeregt auf der Tastatur.
„Er hat mein ganzes System lahm gelegt und ein paar Dateien gelöscht. Ich muss sie neu erstellen und das ganze wieder hochfahren.“ Er hielt inne. „Sylvia, sag mal... hat sich jemand um deinen Gast im Keller gekümmert? In den zwei Jahren.“
„Ähm... Nicht das ich wüsste. Warum?“
Er tippte weiter, woraufhin auf einem anderen Bildschirm das Bild einer Überwachungskamera angezeigt wurde. „Dann haben wir jetzt wohl ein Problem. Er nahm einen Kugelschreiber und beschrieb damit einen Kreis auf dem Monitor. Im Bild war darauf die Zellentür zu sehen. „Vorher.“ Er gab etwas ein und das Bild veränderte sich. „Nachher.“ Die Tür war entfernt worden. Mit Gewalt, wie man sehen konnte. „Ich glaube er ist hier noch irgendwo im Haus.“
„Wie lange brauchst du für das System?“
„Gib mir fünf Minuten, Schätzchen. Dann steht wieder alles.“
Ich nickte, woraufhin er sich mit den Drehstuhl wieder vor die Tastatur rollte. Serbio sah sich langsam bewundert um. Wer würde das nicht tun? In diesem Raum standen sieben Monitore, etliche externe Festplatten und vier PCs. Hin und wieder rollte Alec zu einem anderen rüber, während ich ihm zusah. Als Luca sich ein Gerät näher ansah, sah Alec ihn warnend an.
„Wenn du das kaputt machst, schuldest du mir eine halbe Million.“, mahnte er.
Luca zog sofort die Hände zurück und begnügte sich damit es nur anzusehen. „Was ist das?“
„Augenblick... ich erkläre es dir.“ Er stellte kurz etwas ein und nahm dann das Gerät. „Hast du schon mal versucht ohne Auto ein Vampir zu verfolgen?“
„Du meinst... mit Erfolg? Nein. Das hat Sylvia immer übernommen.“
Alec schmunzelte, ohne mit der Herstellung seines Systems inne zu halten. Nebenbei stellte er etwas an dem seltsamen Gerät ein. Sekunden später schrie Vayl oben erschrocken auf.
„Es ist noch nicht fertig.“, meinte Alec. „Eigentlich soll er ein bestimmtes Ziel schocken, aber das habe ich noch nicht eingestellt.“
„Du hast gerade Vayl geschockt?“
„50 Volt.“
Dieser kam gerade rein. „Bist du verrückt?“, wollte er von Alec wissen. „Ich bin nicht erpicht darauf gegrillt zu werden.“
Ich drehte mich zu ihm um und schmunzelte. Seine Haare standen zu berge, während er versuchte sie wieder in ihre ursprüngliche Form zu bringen. Als er mich sah, hielt er verdutzt inne. Dann blinzelte er und rümpfte die Nase.
„Sag mal... benutzt du neuerdings Parfum?“
„Nein.“
„Warm riechst du dann anders? Oder... warum riechst du nach ihm?“ Er deutete auf Serbio und zog die Brauen zusammen. „Ich habe dich mit dem Geruch gar nicht erkannt.“ Das erklärte seine verdutzte Miene.
„Ich tue was?“, hakte ich verwundert nach.
„Du riechst nach ihm.“ Vayl deutete erneut auf Serbio. Diesem war sichtbar unwohl.
Als ich zu ihm sah, stellte ich fest, dass er gelbe Augen bekam. „Serbio?“
„Hm?“ Er sah zu mir.
„Was meint Vayl?“
Er schwieg und sah von Einem zum Anderen. „Ich glaube das sollten wir unter vier Augen besprechen.“
Ich zog verwirrt die Brauen zusammen. Seine Augen dagegen wurden langsam ein wenig rot, wurden dann jedoch abrupt grau. Daraufhin seufzte ich und nickte. „Gehen wir in die Küche. Ich habe Hunger.“
„Dein Essen ist in der Mikrowelle.“, meinte Alec. „Ist gleich fertig.“
„Ach, bevor ich das noch vergesse.“, meinte Vayl als ich an ihm vorbei ging.
Ich sah zu ihm, woraufhin ich ein Moment später fast von ihm zerquetscht wurde.
„Ich bin wahnsinnig froh, dass du gesund bist.“
„Vayl. Ich bekomme gleich keine Luft mehr!“
Er lachte ein wenig, ließ mich los und tätschelte mir den Kopf. „Du kennst mich doch.“
Ich seufzte. „Soll ich dir Haarspray leihen?“
„Nein nein. Das schaffe ich auch ohne.“ Er begann wieder an seinen Haaren herum zu fummeln, während ich, gefolgt von Serbio, den Raum verließ und in die Küche ging. Gerade als ich an der Mikrowelle ankam, machte es ping
und ich konnte mein Essen heraus holen. Ich setzte mich damit an den Tisch, woraufhin Serbio sich neben mich setzte und mir zusah.
„Also, erzähl.“, meinte ich. „Rieche ich wirklich nach dir?“
„Ja.“
„Warum?“
Er zögerte. „Wegen dem Blutaustausch.“
„Aha.“ Ich aß weiter. Und er sprach weiter.
„Es hat einen bestimmten Grund, dass ich das verhindern wollte.“
„Weil ich Mattes Tochter bin? Die Tochter von dem Mann, der deinen Bruder umgebracht hat?“
„Es geht nicht um dich. Es ist ganz allein meine Schuld.“
„Deine Schuld. Verstehe. Also bereust du alles was passiert ist.“
„Das habe ich nie gesagt.“
„Warum fühlst du dich seit gestern Abend dann so schlecht? So furchtbar?“
„Weil ich dich damit zum Tode verurteilt habe. Ich meine, nahezu alle Vampire machen Jagd auf mich. Sie könnten stattdessen dich nehmen und mich erpressen. Mein Leben gegen deines. Es wäre ein hervorragender Tausch. Du hast noch Familie, hast ein Leben vor dir, kannst noch so viel erleben. Besonders mit Vampirblut in dir. Ich dagegen habe bereits viele Leben gelebt. Meine Familie würde sich nichts daraus machen, wenn ich sterben würde. Ich könnte zwar noch etlich viele Dinge erleben, aber du bist noch jung. Es wäre nur ein Vorteil wenn ich sterben würde. Nicht nur ein Vorteil für dich, sondern für die ganze Welt.“
„Was redest du da?“
„Via, du verstehst es wohl nicht. Ich bin wahrscheinlich der gefährlichste Vampir des Planeten. Höchstwahrscheinlich sogar der Älteste. Ich werde von fast jedem Vampir gejagt. Der Blutaustausch bewirkt, dass du nach mir riechst und sie folgen meinem Geruch. Sie könnten dich statt mich finden und wer weiß was sie dir antun werden. Deshalb fühlte ich mich furchtbar. Weil dein Leben wegen mir in Gefahr ist.“
Als ich hörte wie im Trainingsraum nebenan etwas schweres metallenes zu Boden fiel, sah ich abrupt auf und blickte die Tür an, die die Küche und den Trainingsraum verband. Alle Gewichte waren fest angebracht. Man musste erst einen festen Verschluss öffnen, bevor man sie benutzen konnte.
Als erneut etwas zu Boden fiel, diesmal etwas schwereres, stand ich auf und ging zur Tür. Als ich sie öffnete, fand ich den Raum leer vor und trat ein. Ich sah mich verwirrt um und entdeckte, dass es zwei Zusatzgewichte waren die zu Boden gefallen waren. Irgendjemand hatte sie wohl schlampig befestigt.
Ich seufzte, sammelte sie ein und schob sie an einer Stange auf um sie dann wieder zu befestigen. Als ich wieder zurück gehen wollte, entdeckte ich Ivan an einem Trainingsgerät sitzen. Die Tür war wieder zu.
„Tut mir Leid das ich dich eingesperrt habe.“, meinte er gedankenverloren. „Ich wusste nicht was ich tat. Ich war einfach rasend vor Wut auf ihn. Ich habe einfach vergessen, dass du es warst, den ich bei mir hatte.“ Er hob den Kopf und sah an den Schrank der ihm gegenüber stand. Darin wurden kleine Gewichte aufbewahrt. „Ich schwöre dir, wenn mir klar gewesen wäre das du bei mir warst, hätte ich dich bei seiner ersten Ermahnung raus gebracht. Ich weiß wirklich nicht warum ich dich eingesperrt habe.“ Er schien wirklich Schuldgefühle zu haben. Er schien sich tatsächlich richtig dreckig zu fühlen. „Du musst mir glauben. Ich hätte dich doch nie da eingesperrt.“ Er sah mich an. „Du kennst mich. Du weißt das ich dir nie so etwas antun würde.“
Ich stand nur wie versteinert da und hörte ihm zu.
„Verzeihst du mir?“
Ich atmete langsam und zittrig ein, während ich mich ein wenig im Raum umsah. „Hast du Alecs System lahm gelegt?“
„Verzeihst du mir?“
„Hast du den Gefangenen aus dem Keller befreit?“
„Verzeihst du mir?“
„Hast du... Was hast du vor Ivan?“
Er breitete die Arme aus und winkte mich zu sich. „Komm her. Bitte, Sylvia. Komm her.“
Ich zögerte und sah ihn unschlüssig an. „Ivan?“
„Komm bitte her. Ich möchte dich nur in den Armen halten.“
Mit weiterem Zögern trat ich auf ihn zu und ergriff die Hand die er nach mir ausstreckte. Er zog mich sanft auf seinen Schoß und schlang die Arme um mich.
„Ja.“, flüsterte er und begann langsam zu zittern. „Und ich bereue es.“
„Was bereust du?“
„Ich hab... Ich habe einen Fehler gemacht. Sylvia, du kennst mich doch, oder?“
„Ich denke schon.“
„Sag mir... So wie du mich kennst... würde ich euch in Gefahr bringen, wenn ich euch damit beschützen kann?“
„Was? Nein. Du würdest uns nie mit Absicht in Gefahr bringen. Warum fragst du?“
„Es tut mir so Leid. Ich wollte dich nicht einsperren.“
„Ivan?“
„Bitte, verzeih mir. Ich habe dich in Gefahr gebracht. Ich habe nicht nachgedacht als ich gehandelt habe.“
„Was hast du getan?“
„Habe ich dir schon mal von meiner Familie erzählt?“ Er zog einen Arm von mir weg und griff hinter sich.
„Nein.“
„Weißt du... Ich habe noch einen Bruder. Einen Zwilling.“
Ich sah überrascht auf als die Tür aufgerissen wurde. Serbio stand wieder erstarrt im Rahmen und sah von Ivan zu mir und wieder zurück. Dann hob er langsam die Hände und kam vorsichtig näher.
„Traver. Lass sie los.“, meinte er ruhig. „Sie hat nichts damit zu tun. Lass sie gehen.“
Plötzlich fing Ivan an zu lächeln. „Hörst du Sylvia? Er sagt ich bin nicht Ivan.“ Er seufzte. „Traver, hm? Dad hat den Namen ausgesucht, weißt du?“ Er sah zu mir auf und spielte gedankenverloren mit einem Messer. Woher hatte er das? „Aber er lügt. Ich bin nicht Traver.“ Er zog die Brauen zusammen und sah zu Serbio. „Ich heiße nicht Traver, du Idiot.“
Ich sah etwas verwirrt zu Serbio, der sich ganz langsam näher schob. Dann sah ich wieder zu dem Mann, der für mich immer noch Ivan war. Oder war es sein Zwilling?
„Wie heißt du dann?“, wollte ich von ihm wissen.
Sofort sah er wieder zu mir und schlang die Arme um mich. „Du sagtest doch du kennst mich.“
„Ivan?“
Er lächelte mich an. „Weißt du. Ich verstehe wirklich warum mein Bruder dich so mag.“ Das Lächeln wurde etwas schwächer und er senkte ganz leicht den Blick. „Blöd nur, dass du jetzt wohl vergeben bist.“
„Vergeben?“
„An ihn.“ Er nickte zu Serbio und zog die Brauen zusammen, als er bemerkte, dass dieser näher gekommen war.
„Ivan?“
Er sah sofort wieder zu mir. „Er hatte Recht. Bei dir zu sein ist einfach wunderbar. Weißt du...“ Er hielt das Messer senkrecht auf meinen Oberschenkel und drehte es ein wenig. „Ich beneide ihn richtig. Meinen Bruder. Er hat immer alles bekommen was er wollte. Nur weil er drei Minuten vor mir zur Welt kam.“ Er warf einen Blick zu Serbio. „Bleib dahinten.“
Sofort ging Serbio ein paar Schritte zurück. „Lass sie gehen, Traver. Du weißt genauso gut wie ich, dass sie mit der Sache nichts zu tun hat.“
„Ich habe doch gesagt, ich heiße nicht Traver.“
„Wie heißt du dann?“
„Na, Demitri, wie sonst.“
Ich zog die Brauen zusammen. „Demitri?“
„Ja?“ Er sah fragend zu mir auf. Dann sah er auf das Messer hinab. „Ich habe dir doch nicht weh getan, oder? Entschuldige.“ Er nahm das Messer weg und rieb über die Stelle.
„Demitri!“
Wir sahen alle zur Tür als Ivans Stimme von dort ertönte.
„Hallo, Bruder.“, erwiderte der Angesprochene.
„Was hast du schon wieder gemacht? Hat Mom dir nicht gesagt du sollst Zuhause bleiben?“
Demitri schien sich nun plötzlich schuldig zu fühlen, senkte den Blick und spielte wieder mit dem Messer herum.
„Sie ist sicher krank vor Sorge. Weiß sie das du hier bist?“ Er warf Serbio einen kurzen Blick zu, woraufhin dieser zur Seite trat, damit Ivan herein kommen konnte.
„Das ist unfair.“, gab Demitri zur Antwort. „Du darfst raus, nur ich muss Zuhause bleiben.“
„Demitri, Mom macht sich Sorgen um dich.“ Nun schwang Sanftheit in Ivans Stimme mit, woraufhin Demitri wieder Schuldgefühle bekam. „Sie möchte das du nach hause kommst.“
„Ich will aber nicht.“
„Demi, Mama hat sich weh getan.“
Demitri verzog das Gesicht.
„Sie möchte, dass du sie tröstest, Demi. Sie mag mich nicht, das weißt du, Demi. Sie möchte das du sie tröstest, Demi.“
„Sie mochte dich immer lieber.“
Ivan kam immer näher. „Sie hat sich in die Hand geschnitten, Demi. Sie hat sich verletzt, Demi. Sie kann sich kein Essen machen, Demi. Geh und hilf Mama.“
„In die Hand, sagst du?“
„Ja. Sie hat Schmerzen. Geh und hilf Mama, Demi.“
„Aber es verheilt doch, oder?“
„Das liegt an dir. Geh und hilf Mama, Demi. Sie wartet auf dich.“
„Mama wartet auf mich?“
„Ja. Sie wartet sehnsüchtig. Sie weiß das du ihr helfen kannst und ich nicht. Sie möchte, dass du ihre Verletzung behandelst. Sie hat sich in die Hand geschnitten. Geh und hilf Mama.“
„Mama helfen.“ Plötzlich sah Demitri zu mir auf. „Stehst du auf? Ich muss nach hause. Mama hat sich geschnitten und wartet auf mich.“
Ich stand auf, woraufhin er ebenfalls aufstand. Das Messer ließ er auf den Boden fallen, während er zu Ivan ging und ihn in die Arme nahm. Dieser führte ihn vorsichtig hinaus und flüsterte ihn leise etwas zu. Serbio sah verwundert hinterher und kam dann zu mir.
„Bist du okay?“
Ich nickte abwesend. „Mir geht’s gut.“
Als er noch ein Schritt auf mich zu machte und Anstalt machte mich in die Arme zu nehmen, hob ich abwehrend die Hand.
„Warte, warte. Ich habe noch nicht gesagt das ich dir die Geschichte glaube die du mir erzählt hast.“
Schmerz mischte sich in seine Miene. „Ich möchte dich nur in den Armen halten. Eine einfache Umarmung, damit ich mir sicher sein kann, dass es dir gut geht.“
„Mir geht es bestens. Du musst mich nicht umarmen um mir zu glauben.“
„Ich fühle mich dann aber erheblich besser, wenn ich es auch fühlen kann.“
Als Ivan wieder herein kam, sah ich zu ihm und trat weitere Schritte zurück.
„Sylvia. Es tut mir Leid was mein Bruder dir angetan hat.“, meinte er und trat weiter auf mich zu. „Ich weiß, ich hätte dir von ihm erzählen sollen, aber... Ich dachte er würde nie von Zuhause weggehen und habe ihn deshalb nicht erwähnt. Seit dem Tot unserer Eltern ist er nicht mehr er selbst.“ Er trat weiter auf mich zu und streckte flehend die Arme nach mir aus. „Ich bin gar nicht in New York gewesen, Liebes. Demitri ist mit meinem Flieger geflogen, nicht ich. Ich war die ganze Zeit in Russland und habe versucht euch zu erreichen. Dann musste ich jedoch feststellen, dass es ein Problem mit dem System gab und musste ihn erst beheben, da ich sonst kein Kontakt zu euch aufnehmen konnte. Und als ich fertig war, ward ihr nicht mehr in New York.“ Er nahm mich sanft an den Schultern und zog mich langsam zu sich in seine Arme. „Ich habe bereits gedacht er würde dir etwas antun. Er weiß nicht mehr wann er jemandem weh tut und wann nicht, was zu weit geht und was akzeptabel ist.“
„I-Ivan.“
„Es tut mir Leid.“ Er lehnte seine Stirn an meine. „Verzeihst du mir?“ Er hob die Hand und strich mir mit dem Handrücken über die Wange. „Es wird nicht nochmal passieren. Das schwöre ich dir. Verzeihst du mir?“
Ich nickte langsam, woraufhin er aufatmete und mich ganz an sich zog. Als ich ihm über die Schulter blickte, fiel mein Blick auf Serbio, der das Geschehen mit ausdrucksloser Miene beobachtete.
„Wie geht’s deinen Armen?“, wollte Ivan wissen und löste sich langsam von mir. „Alec sagte mir, da wäre etwas gewesen?“ Er nahm mich bei den Ellenbogen und sah auf meine Arme, die mit den Handschuhen bedeckt waren. „Zeigst du sie mir? Wenn... es dir nichts ausmacht, meine ich.“
Ich zögerte kurz, löste mich dann aber von ihm um mir die Handschuhe auszuziehen. „Die Narben sind weg.“, erklärte ich ihm. „Meine Arme waren mit Brandnarben bedeckt. Von damals, als mein ach so toller Daddy die Idee mit dem Feuerdämon hatte.“
Er strich ehrfürchtig über meine Arme und betrachtete sie eingehend. „Es sieht gar nicht so aus als hättest du jemals auch nur einen Kratzer gehabt.“
Nun wurde ich wieder aufgeregt. „Dass muss ich unbedingt Luca und Alec zeigen. Und Felicy und...“ Ich biss mir auf die Zunge um das Wort 'Mom' nicht raus zu bringen. „Und Vayl.“, meinte ich stattdessen. „Und Valec und William. Luca wird Augen machen!“
„Warum?“, wollte dieser von der Tür aus wissen.
Ich sah lächelnd auf und eilte an Ivan und Serbio vorbei zu meinem Bruder. „Sieh dir das an!“, meinte ich und hielt meine Arme auf Brusthöhe. „Verheilt.“
Ihm blieb tatsächlich der Mund offen stehen. Dann begann er zu lächeln und zog mich in seine Arme. „Das ist fantastisch! Einfach... großartig!“ Er küsste mich auf die Schläfe, hob mich hoch und drehte sich um die eigene Achse. „Wer hätte gedacht, dass wir das erleben? Ich sag dir, unser Alter wird Augen machen wenn er dass sieht. Am liebsten würde ich ihm jetzt ins Gesicht lachen.“ Er stellte mich wieder hin und drückte mich wieder an sich. „Oh mein Gott, ich kann immer noch nicht glauben wie viele Sorgen ich mich um dich gemacht habe. Und dann kommst du mit gesunden Armen zurück! Wie, verdammt nochmal, hast du das geschafft?“
„Sagen wir, ich hatte Hilfe dabei.“ Ich lächelte matt. „Komm mit, wir zeigen es Alec!“ Ich nahm Luca an der Hand und zog ihn hinter mir her in Alecs Zimmer.
Dieser sah überrascht von seinem Bildschirm auf. „Habt ihr euch gerade dazu entschieden zu heiraten? Oder warum haltet ihr...“ Nun fiel sein Blick auf meine Arme und ihm fiel der Stift aus der Hand. „Sylvia, deine... Meintest du das, als du sagtest die Narben wären weg?“
Ich nickte, woraufhin er aufstand, zu mir ging und mich in seine Arme riss. Er drückte mich so fest an sich, dass ich kaum noch Luft bekam, aber es war mir egal. Was mich aber wunderte, war dass Alec Tränen vergoss.
„Weinst du?“, wollte ich von ihm wissen.
„Ich kann es kaum glauben.“, gab er zurück. „Wenn es irgendwo einen Gott gibt, was nicht heißt das ich an ihn glaube, dann danke ich ihm dafür, dass du ein solches Geschenk erhalten hast. Oh Gott, dass ist einfach... unglaublich. Ich wünschte, ich könnte dich jetzt für immer festhalten. Ich will dich einfach nur festhalten. Es ist einfach kaum zu glauben, dass tatsächlich so viel Glück auf unserer Seite ist.“ Er bedeckte meinen ganzen Kopf mit Küssen und hielt mich etwas fester bei sich. „Wer war das?“, wollte er dann wissen. „Wer hat deine Arme geheilt?“
Ich stockte kurz. „Es... Es war... Serbio.“
„Wie bitte?“
„Es war Serbio.“
„Serbio... Der Vampir mit dem du eingesperrt warst?“
„Ja.“
„Hat er dir weh getan? Vorher, meine ich.“
„Nein, mir geht’s gut.“
„Wo ist er jetzt? Ich würde mich gerne dafür bedanken.“
„Ich weiß nicht... Eben war er noch im Trainingsraum.“
Er löste sich langsam von mir und betrachtete meine Arme. Dann hob er meine Hände und drückte jeweils einen Kuss in meine Handflächen, bevor er mich sanft hinter mir herzog. Serbio war wieder im Esszimmer und unterhielt sich leise mit Ivan. Ein sehr großer Gegensatz, denn Ivan schien euphorisch, während Serbio aussah, als hätte man seine Frau vor seinen Augen ermordet. Als wir das Zimmer betraten, sahen beide auf.
„Serbio?“ Alec zog mich sanft vor sich, während der Angesprochene seinen Blick auf ihn wandte.
„Ja?“
„Ich möchte mich bei dir bedanken.“
„Bedanken?“
Alec sah zu mir hinab. „Sie hat einiges durchgemacht. Vor einigen Jahren hat unser eigener Vater einen Feuerdämon auf sie gehetzt. Er hat ihr die Arme völlig verbrannt. Die Ärzte konnten nichts tun um die Narben zu beseitigen und wir haben alle schon damit gerechnet, dass sie die niemals los wird. Aber du hast es geschafft. Und dafür möchte ich mich bedanken.“
Serbios Blick wanderte zwischen Alec und mir hin und her, während er zuhörte. Nun sah er auf meine Arme und schien sich an etwas zu erinnern. „Ich habe es gerne gemacht.“, meinte er dann schließlich und sah wieder zu Alec. „Du musst dich nicht bedanken.“
Ivan sah etwas nachdenklich zu Serbio und dann auf meine Arme.
„Wenn du jetzt noch einmal auf meine Arme guckst, dann ziehe ich wieder meine Handschuhe an.“, mahnte ich Vayl, der nun zum X-Mal auf meine Arme schielte.
„Es ist ungewohnt sie so zu sehen und keine verbrannte Haut zu riechen.“, gab er zurück und sah sie nun direkt an.
Wenige Sekunden später zog er sich meinen rechten Arm zu sich und betrachtete ihn näher, wobei er ihn ein wenig böse anstarrte.
„Vayl!“
Er sah auf. „Ja?“
„Was machst du da?“
„Ich versuche mich daran zu gewöhnen deinen Arm nackt zu sehen, statt mit Handschuhen bedeckt.“
Ich rollte mit den Augen und entzog ihm wieder meinen Arm. Dann wand ich mich wieder dem Laptop zu, der vor mir war. „Wie kann es sein, dass ein Rudel Wölfe von einer Stunde zur Anderen den Kontinent wechselt? Wie können sie jetzt in Europa sein?“
Ich war mit Vayl, Ivan, Luca und Serbio in einem Flugzeug auf dem Weg nach Norwegen. Da wir das Land so selten besuchten, musste Alec erst ein Haus organisieren, in dem wir leben konnten. Letzten Endes mussten wir nun in einer Blockhütte wohnen, die mitten im Wald stand. Sie war den Wölfen nun mal am nähsten. Aber die Blockhütte war nicht mal das Schlimmste. Ich musste mir ein Zimmer mit einem der Männer teilen. Die Idee war zu Anfangs, dass die Vampire in einem und ich mit Luca im anderen Zimmer schlafen. In dem einen waren drei Betten und in dem anderen ein Ehebett. Aber dann fiel Luca ein, dass ich immernoch die Verbindung mit Serbio hatte und schlug vor, dass ich mir mit ihm das Zimmer teilen konnte. Da ich demokratisch in der Unterzahl war, musste ich es eben ertragen, für eine Weile mit ihm das Bett zu teilen.
„Ich habe keine Ahnung, wie sie das geschafft haben.“, antwortete Alec mir über den Laptop. „Aber ich kann dir sagen, dass ich dir einen hübschen Wagen schicken ließ. Der Schlüssel steckt und das Auto wartet auf dem Parkplatz.“
„Ein neues Auto?“ Da ich wusste, dass er mich sah, wusste ich, dass er lachte, weil ich mit Sicherheit glitzernde Augen bekam.
„Ja.“, meinte er als er sich wieder beruhigt hatte. „Ein neuer Wagen. Einen Lamborghini Diablo in schwarz.“
„Sind das nicht Zweisitzer?“
Er schnalzte mit der Zunge. „Ich habe ihm zu deinem Lieblingstechniker geschickt.“
„Oh, zu dir?“
Als ich das Fenster mit der Videoübertragung in den Vordergrund zog, sah ich das er lächelte und lächelte zurück.
„Nein.“, meinte er dann. „Ich habe ihn zu Louigi geschickt.“
„Hast du ihn auch gegrüßt?“
„Ja.“
„Und ihm das Geschenk gegeben, dass ich ihm noch schulde?“
„Ja.“
„Und jetzt ist der Wagen ein Fünfsitzer?“
„Ja.“
„Und du hast Muskelkrämpfe?“
Er wollte gerade wieder ja sagen, als ihm auffiel was ich ihn gefragt hatte. „Wie kommst du darauf?“
Ich schmunzelte ein wenig. „Du hängst diesmal gar nicht an der Stange.“
„Ich bin gerade runter gekommen, als du mich angeklingelt hast.“
„Ah.“ Als das Zeichen zum Anschnallen aufleuchtet seufzte ich tief. „Offenbar landen wir jetzt. Ich melde mich später nochmal.“
Da wir ursprünglich vor hatten nach Asien zu fliegen, weil die Wölfe dort aufgetaucht sind, waren wir nicht sonderlich weit von Norwegen entfernt gewesen. Dann hatte ich jedoch festgestellt, dass die Wölfe offenbar plötzlich dort in Norwegen waren. Also hatten wir den nächsten Flug nach Norwegen genommen.
„Kann mir eigentlich mal jemand sagen, warum Vayl sich so an den Armlehnen festklammert?“, wollte Ivan wissen und beugte sich vor um an Vayl vorbei zu mir und Luca zu sehen.
„Er hat Flugangst.“, gab ich zurück. „Panische Flugangst.“
„Willst du noch ein Megafon?“, wollte Vayl mit zusammengebissenen Zähnen wissen.
Ich lächelte ihn nur amüsiert an. „Ich habe dir schon ein paar Duzend Mal gesagt, dass Flugzeuge sicher sind.“
„Du vergisst, die paar Duzend Mal hat er gegessen.“, meinte Luca und schmunzelte belustigt.
„Oh, du hast Recht. Naja, wie gesagt Vayl. Flugzeuge sind vollkommen sicher.“
„Oh ja. Sehr sicher. Deshalb sind auch schon mindestens ein Duzend davon abgestürzt.“
Ich rollte mit den Augen und sah aus dem Fenster als das Flugzeug landete.
Gute sieben Minuten später gingen wir mit unserem leichten Gepäck zum Wagen, den ich recht schnell auf dem Parkplatz fand. Ich lächelte als ich ihn betrachtete und überließ es Luca mein Gepäck in den Kofferraum zu verfrachten.
„Oh, der ist klasse!“, meinte ich begeistert und setzte mich ans Steuer um mich alles anzusehen. Dann stellte ich noch die Spiegel ein und lächelte vor mich hin, während die anderen einstiegen. Gerade als ich den Motor einschaltete, wurde die letzte Tür geschlossen und ich glitt aus der Parklücke.
„Man, der ist ja der Hammer.“, meinte ich begeistert und gab sofort Gas als ich freie Bahn hatte.
„Verdammt, Sylvia!“, rief Vayl aus. „Kannst du dir nicht einen anderen Fahrstil zulegen?“
Ich lachte nur darüber und fuhr auf die Autobahn, wo ich den anderen Autos einfach auswich.
Luca grinste vor sich hin. „Juhu.“, meinte er irgendwann in normalem Ton.
Ich dagegen fuhr zwischen zwei Autos, obwohl da eigentlich nicht genug Platz sein konnte. Die Polizei machte sich nicht die Mühe uns zu verfolgen. Eines der Gründe, weshalb wir in weniger als einer Stunde an der Blockhütte waren. Ich stieg leicht lachend aus dem Wagen, während Vayl hinaus sprang und genug Abstand zwischen sich und dem Auto brachte, dass man denken könnte, der Wagen wäre ein Gift, dass ihn sofort töten könnte.
Ich nahm mein Gepäck aus dem Kofferraum und trug ihn zu der Blockhütte, wo ich das Gepäck in den Flur stellte und mich umsah. In der Küche hielt ich abrupt inne.
„Luca, wir suchen auf der Stelle eine andere Hütte!“, rief ich dann entsetzt.
Er kam sofort an meine Seite um zu sehen was ich meinte und brach dann in Gelächter aus. Diese Küche bestand aus nicht mehr als einem Kühlschrank, einer kleinen Theke und einer Mikrowelle, einem Spülbecken und ein viel zu kleiner Ofen. Die Herdplatte war ebenfalls viel zu klein.
„Ach, Sylvia. So schlimm ist es doch auch nicht. Du musst ja eigentlich nur für zwei kochen.“ Er überlegte. „Nunja... genau genommen müsstest du nur für mich kochen... außer ich muss mir selbst etwas kochen.“
„Nur du?“ Ich sah ihn verwirrt an.“
„Ich hab gehört, dass die Gefährtin eines Vampirs nur mit deren Blut überleben kann.“
Ich sah ihn entsetzt an.
„Das bedeutet, theoretisch gesehen könntest du dich von Serbio ernähren.“
„Ich bin kein Vampir. Ich ernähre mich nicht von Blut.“ Ich biss die Zähne zusammen und holte mein Gepäck um es in das Schlafzimmer zu bringen.
Da Serbio gerade das Schlafzimmer verlassen wollte, lief ich gegen ihn, woraufhin er mich auffing, damit ich nicht hinfiel. Er spannte sich sofort an, während ich ihn anstarrte.
„Ihr habt ein Zimmer. Geht da rein.“, meinte Vayl als er mit seinem Gepäck an uns vorbei ging.
Ich schüttelte den Kopf und trat ein Schritt von Serbio ab, damit er das Schlafzimmer verlassen konnte. Stattdessen ging er hinein.
„Wir haben ein eigenes Badezimmer. Das müssen wir uns teilen.“
Ich seufzte tief, betrat das Schlafzimmer und stellte mein Gepäck weg. Dann ging ich ins Badezimmer und sah mich um.
Es war definitiv für Ehepaare eingerichtet worden. Die Dusche und die Badewanne waren groß genug für vier Personen, ebenso wie der Waschbecken. Der Spiegel nahm eine halbe Badezimmerwand ein und die Schränke waren mit allen möglichen Dingen gefüllt. Von Handtüchern und Waschlappen über Deos und Rasierer zu Shampoo und Duschgel. Sogar Haarfärbemittel waren zu finden. Tönungen, Perücken, unechte Strähnen, die man sich mit einer Klammer ins Haar stecken konnte, falsche Wimpern, Make-up, falsche Fingernägel... Hier war ein halber Kosmetiksalon vorhanden.
„Wer braucht denn im Urlaub Kerzen mit Aroma? Ich dachte, der Urlaub ist zum entspannen.“, meinte Serbio, als er in einer Schublade etliche Kerzen mit verschiedenen Düften fand, deren Zweck wohl zur Entspannung diente.
„Weißt du, es gibt etwas, dass sich Romantik nennt.“, gab ich zur Antwort. „Und es gibt auch Männer, die romantisch sein wollen. Einige kommen halt auf die Idee, der Ehefrau heißes Wasser in die Wanne laufen zu lassen, wohlriechende Badeöle hinzuzugeben und ein paar Kerzen anzuzünden. Das ist romantisch, falls du das noch nicht verstanden haben solltest.“
„Ich verstehe euch Frauen nicht. Ihr Macht Urlaub um euch zu entspannen, eventuell um euch auch zu bräunen und lasst euch von euren Männern am Abend ein Entspannungsbad einlassen und reibt euch mit Creme ein die euch braun werden lässt.“
„Wie kommst du auf die Creme?“
Prompt hielt er eine Tube Selbstbräuner hoch, die er offenbar im Schrank gefunden hatte. Ich sah sie verdutzt an.
„Ich glaube, die ist für die Personen, die in dieser Gegend Urlaub machen möchten und dennoch gerne Braun werden wollen.“
„Hmmm... Okay, da hast du wohl Recht. Aber ich verstehe nicht, warum man im Entspannungsurlaub ein Entspannungsbad nimmt, wenn man das auch Zuhause tun kann.“
Was sollte man dazu sagen? „Vielleicht ist das ja für Leute, die geschäftlich hier sind.“
„Wer wohnt bei einem Geschäftlichen Ausflug in einer Blockhütte mitten im Wald?“
Ich seufzte. „Serbio, ich habe keine Ahnung!“
Er hob den Kopf und lächelte mich ein wenig an. „Du bist süß, wenn du dich aufregst. Weißt du das eigentlich?“
Ich atmete kurz durch. „Ich bin nicht
süß.“
Er lächelte etwas mehr. „Rede dir das ruhig ein. Meine Meinung ist meine Meinung, nicht deine, richtig?“
Ich rollte mit den Augen. Eigentlich war ich doch böse auf ihn. Warum ließ ich es dann zu, dass er mich neckte? „Ich packe mein Gepäck aus.“
Damit ging ich an ihm vorbei ins Schlafzimmer und legte meinen Koffer aufs Bett, bevor ich zum Schrank sah. Es gab nur einen. Und als ich ihn öffnete, stellte ich fest, dass wir uns alles teilen mussten. Die Ablage für Oberteile und Hosen, die Stange zum Aufhängen der Kleidung, die Schubladen... Okay, davon konnten wir jeweils eine für sich beanspruchen.
Ich seufzte.
Plötzlich legte Serbio von hinten die Arme um mich. „Es tut mir Leid.“
Ich wurde ein wenig starr. „Was tut dir Leid?“
Er zog mich ein wenig enger an sich. „Du denkst völlig falsch, über die Verbindung. Es stimmt, ich möchte sie nicht, aber es liegt nicht an dir.“ Er seufzte. „Ich hab die erklärt, die Vampire die mich suchen, folgen meinem Geruch. Du riechst nach mir. Sie werden wissen, dass du zu mir gehörst und werden dich entführen um mich damit zu zwingen, sich zu stellen. Ich bin auf der Flucht, Via. Und du wärst- du bist
der perfekte Köder um mich aus einem Versteck zu locken. Vampire lassen ihre Frauen niemals der Gefahr ausgesetzt.“
„Ich bin nicht-“
„Du bist
meine Frau. Seit dem Augenblick, in dem mein Blut auf deiner Zunge war, warst du meine Frau. Weder ich, noch du, können etwas daran ändern. Niemand kann es ändern. Diese Verbindung ist tiefer als alles andere. Sie geht tiefer als die Ehe, tiefer als Gefährtenschaft. Du gehörst unwiderruflich zu mir. Und ich werde alles daran setzen, das du in Sicherheit bist. Ich wollte diese Verbindung zwischen uns nicht, weil ich dich damit in Gefahr bringe. Jetzt werde nicht nur ich gejagt, sondern auch du. Und das ist es, was mir so wahnsinnig Leid tut. Ich habe dich praktisch zum Tode verurteilt. Deshalb
fühle ich mich so schlecht, Via.“
Erst jetzt verstand ich, was er mir sagen wollte. Er hatte die Verbindung nicht gewollt um mich zu schützen. Als mir das klar wurde, kam lediglich ein Oh
über meine Lippen.
Ich seufzte leise und ließ meinen Kopf nach hinten auf seine Schulter sinken.
„Via, ich kann fühlen, wie du dich fühlst. Warum bist du plötzlich so... niedergeschlagen?“
„Weil ich so unfair dir gegenüber war. Du wolltest mich schützen und ich habe gedacht, du würdest mich nicht mögen.“
Er zog mich fester an sich. „Wenn ich dich nicht mögen würde, warum wohl sollte ich dir dann im Blutrausch einen Eid aussprechen, der sagt, dass ich dir selbst im Blutrausch keinen Schaden zufüge, hm? Ich habe mit einem Freund telefoniert. Er sagt, das passiert nur bei ganz bestimmten Paaren. Bei Paaren, die sich gegenseitig voll und ganz vertrauen, die aufeinander verlassen können und unter anderem einfach zusammen gehören. Es passiert nur bei Paaren, bei denen sogar die Instinkte in die Frau verliebt sind.“
Ich drehte mich zu ihm um und schlang die Arme fest um ihn.
„Via, sieh dir meine Gefühle an. Was siehst du?“
Ich tat worum er bat. „Du fühlst dich schuldig.“
„Sieh weiter.“
Seine Gefühle veränderten sich weiter. Immer und immer weiter. Erst fühlte er sich schuldig, dann schien er verwirrt und nachdenklich. Dann schien ihm etwas klar zu werden und als nächstes... Als nächstes war da Liebe. Unsterbliche Liebe.
„Serbio?“
„Ich habe dir doch gesagt, ein Vampir verliebt sich üblicherweise, beim ersten Biss. Nun... bei mir passierte es wohl im Blutrausch.“
Ich krallte meine Finger in sein T-shirt und vergrub mein Gesicht an seiner Brust.
„Ich störe ja nur ungern.“, ertönte plötzlich Ivans Stimme an der Tür. „Aber da ist ein gewisser Cassius an der Tür und möchte Serbio sprechen.“
„Sag ihm, ich bin gleich da.“, gab Serbio zurück.
Ich hörte wie Ivan wieder ging, woraufhin Serbio zu mir hinab sah. Aber ich löste mich nicht von ihm. Ich hielt ihn weiterhin fest umklammert.
„Du solltest schlafen.“, flüsterte er dann. „Ich komme auch gleich.“
Ich löste mich nur langsam von ihm und sah zu ihm hinauf. Daraufhin lächelte er mich warm an und küsste mich sanft. Ich bemerkte sofort die Begierde die in ihm aufwallte und lächelte ein wenig darüber. Er dagegen ließ mich langsam wieder los, hob mich hoch und legte mich ins Bett, wo er mich zudeckte und nochmal auf die Stirn küsste, als wäre ich ein Kind. Dann ging er hinaus, während ich nicht einschlafen konnte und auf ihn wartete.
Serbio
Es waren etwa 45 Minuten vergangen, seit ich Via allein gelassen hatte. Cassius war ein enger Freund und hatte mir im Auftrag eines Bekannten eine Nachricht überbracht. Nun seufzte ich und machte mich auf den Weg zurück. Ich war ein paar Meilen tief im Wald. Und diese Meilen legte ich nun so schnell wie möglich wieder zurück.
Als ich die Blockhütte erreichte, atmete ich erleichtert auf. Ich konnte Via bereits am Eingang riechen und wusste, dass sie auf mich wartete. Auch wenn sie bereits schlief. Und sie schlief tief und fest, wie ich feststellte als ich das Schlafzimmer betrat.
Ich zog mich kurzerhand aus und legte mich dann vorsichtig zu ihr. Sie seufzte im Schlaf und drehte sich zu mir um, um sich an mich zu schmiegen. Ich schlang daraufhin die Arme um sie und küsste sie sanft auf die nackte Schulter. Sie musste sich ausgezogen habe, nachdem ich gegangen war. Tatsächlich hatte sie wohl geduscht. Ihr Haar war noch ein wenig feucht. Sehr lange schlief sie noch nicht. Ich zog sie etwas enger an mich.
„Serbio?“, murmelte sie verschlafen und hob müde den Kopf.
„Ja, ich bin es. Schlaf weiter, Liebes. Du bist müde.“
„Hmmm... Ja, mach ich. Bleibst du bei mir?“
„Bis du wieder wach bist.“
„Und du weckst mich, wenn ich wieder einen schlechten Traum habe?“
„Ich werde dich sofort wecken.“
Sie seufzte. „Ich liebe dich.“
Mein Herz setzte ein paar Schläge aus. „Ich dich auch.“ Ich bemerkte, dass meine Stimme heiser und rau war. „Ich dich auch.“
Daraufhin kuschelte sie sich wie ein verschmustes Kätzchen an mich und schlief wieder ein. Ich lächelte ein wenig darüber und küsste sie auf den Schopf.
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Tag der Veröffentlichung: 21.04.2010
Alle Rechte vorbehalten
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Für Elvira ^.^
Du hast es dir redlich verdient