Spock betrat seine karg eingerichtete Unterkunft in der Militärakademie von Star Fleet. Sorgfältig schloss er die Tür und legte den großen Kunststoffumschlag auf den Tisch. Akribisch räumte er dann die Unterlagen des Seminars in die dazugehörigen Fächer. Er weigerte sich, auch nur auf den Umschlag zu sehen, obwohl seine Gedanken nicht davon loskamen. Die Pflicht ging vor. Und in diesem Falle war seine Pflicht das Aufräumen seiner Studiumsunterlagen und die Aufarbeitung des Stoffes.
Der Umschlag trug keinen Absender. Seine Mutter? Wenn sie nicht den Kommunikator benutzte, sondern diesen Weg gewählt hatte, bedeutete dies, dass sie wieder zu Sarek zurückgekehrt war. Spock wusste nicht, ob er darauf hoffen sollte oder nicht. Wobei Hoffnung für ihn ohnehin nicht in Frage kam: Ein Vulkanier hoffte nicht. Er hielt sich an Tatsachen.
Und Amanda Grayson hatte Sarek verlassen. Spock verstand ihre Reaktion – war doch die Kluft, die ihn von seinem Vater trennte, seit dem furchtbaren Vorfall vor einigen Wochen noch viel tiefer geworden. Doch der junge Vulkanier wusste auch, wie eng Sarek und Amanda miteinander verbunden waren. Würde Sareks Tat dies endgültig beenden? So sehr Spock das Vorgefallene immer noch entsetzte, auf irgendeine Weise hoffte er dennoch, dass seine Eltern wieder zusammenkommen würden.
Noch nie hatte er in den Augen seiner Mutter eine solche Kälte gesehen, wie an dem Tag, als sie nach Vulkan zurückgekehrt war. Erschüttert hatte sie erkennen müssen, dass Sarek sie gezielt fortgeschickt hatte, um das Ling Poor an ihrer gemeinsamen Tochter durchführen zu können. Das Ling Poor, das Amanda strikt ablehnte.
Jedes vulkanische Mädchen wurde diesem Ritual mit fünfzehn, höchstens sechzehn Jahren unterworfen und keines würde sich dagegen zur Wehr setzen oder es ablehnen. Es war normal und notwendig. Doch Sa-Roon war kein normales, vulkanisches Mädchen. Sie betrachtete sich als Mensch, doch Sarek akzeptierte diese Haltung nicht. Sie war seine Tochter – und seine Tochter war eine Vulkanierin!
Als Spock davon erfahren hatte, war er sofort nach Vulkan zurückgekehrt. Sa-Roon war verschwunden gewesen. Niemand hatte erklären können, was im Tempel des Schweigens vorgefallen war. Der Junge war bewusstlos gefunden worden und hatte keine Erinnerung an diese Nacht. Und der Wächter war schwer verletzt gewesen. Auch er hatte nicht sagen können, was im Einzelnen geschehen war.
Spock hatte geahnt, wohin seine Schwester geflohen war und sie auch gefunden. Noch immer spürte er das Entsetzen in sich, wenn er an das Blut und ihre Verletzungen dachte. Sie hatte sich geweigert zurückzukehren, und er hatte sie, so gut er konnte, versorgt. Heimlich. Obwohl er sich sicher war, dass seine Mutter geahnt hatte, weshalb sowohl Verbandszeug wie Medikamente aus dem Haus verschwanden.
Spock hatte seiner jungen Schwester auch geholfen, heimlich Vulkan zu verlassen. Er wusste, wie sie dachte – dass sie nicht vulkanisch empfand, sondern wie ein Mensch. Und für ein Menschenmädchen war das Ling Poor grauenhaft.
Er zog unmutig die Stirn zusammen und starrte auf seine Unterlagen. Heute brauchte er länger als sonst, um den Unterrichtsstoff noch einmal durchzugehen. Er müsste seine Gedanken zusammenhalten können. Doch vielleicht war die Nachricht auch von Sa-Roon. War sie gesund? Er zwang sich weiterzuarbeiten. Endlich war die Pflicht erledigt und er griff hastig nach dem Umschlag.
Das erste Wort bestätigte seine Vermutung: Tikorveen. Der liebevolle Name, den nur Sa-Roon für ihn benutzte, so wie nur er seine kleine Schwester oftmals Riorwan nannte. Eine Welle von Wärme und Freude durchströmte Spock. Er verhinderte es nicht, obwohl es menschliche Emotionen waren. Seine Schwester war ein Mensch und fühlte als Mensch. Und ihr gegenüber erlaubte der junge Spock sich menschliche Gefühle, auch wenn er sie niemals zeigen oder aussprechen würde.
Doch mit jedem Wort und jeder Zeile, die er las, verschwand die Freude. Immer ernster wurde sein Gesicht:
Tikorveen, wenn du dies liest, bin ich nicht mehr auf der Erde. Doch der Reihe nach. Ich bin gut angekommen. Ich habe auch Hilfe bekommen – auch ärztliche, obwohl ich diese nicht mehr benötigte. Doch die Behörden hier lassen keinen Zweifel daran, dass sie mich nach Vulkan zurückschicken werden. Ich bin minderjährig. Und sobald Sarek verlangt, dass ich zurückkehre, werden sie es durchsetzen. Ich habe nicht gewartet, bis sie mich in irgendeine Unterkunft bringen, aus der ich nicht entfliehen kann. Jetzt bin ich froh, dass ich geschwiegen und keine Andeutung gemacht habe, welche Fähigkeiten in mir sind. Damit ist dies ein Geheimnis, das außer mir nur du kennst.
Ich werde dir nicht sagen, wohin ich gegangen bin. Du sollst Sarek und Amanda gegenüber nicht lügen müssen. Und ich werde mich nicht mehr melden. Meine Fähigkeiten werden mir die Möglichkeit geben, mich zu beschützen und zurechtzukommen, auch wenn ich noch jung bin. Deshalb mache dir keine Sorgen um mich. Eines verspreche ich dir: Ich baue mir ein Leben auf, das schön sein wird. Du wirst dir keine Sorgen um mich machen müssen. Ich werde meinen Weg finden und gehen. Ich möchte frei sein und tun, was richtig ist. Doch niemals werde ich noch einmal zulassen, dass jemand anderes über mich entscheidet.
Ich wünsche dir alles Gute, Tikorveen. Ich liebe dich und ich bin dankbar für alles, was uns verbindet. Finde auch du deinen Weg, ich hoffe und wünsche es dir. In Liebe, Riorwan – in Freundschaft, deine Schwester Sa-Roon.
Spock legte die Nachricht auf den Tisch und sah minutenlang ins Leere. Er wusste, dass sie ihn nicht hören konnte – seine Gedanken nicht fühlen, spüren und erkennen konnte, obwohl ihre Verbindung zueinander sehr eng war. Im Gegensatz zu den meisten Vulkaniern brauchten sie keinen körperlichen Kontakt, um telepathische Signale zu empfangen. Doch sie mussten räumlich sehr nah sein, um zumindest Empfindungen oder gefühlsmäßige Signale empfangen und spüren zu können. Und wo immer Sa-Roon jetzt auch war, es waren Lichtjahre zwischen ihnen. Er konnte nur hoffen, dass sie Recht hatte – dass es ihr gut ging, und dass sie einen Weg für sich finden würde.
Captain James Kirk sah missmutig auf den großen Hauptschirm. Nur das leichte Flimmern deutete die riesige Entfernung zwischen der Enterprise und Admiral Bunting an.
„Ich bedaure das auch, Captain, aber es ist nur ein geringfügiger Umweg.“
Jim Kirk runzelte die Stirn. „Die Mannschaft benötigt dringend Landeurlaub. Die letzten Einsätze waren schwer, die Leute haben eine gründliche Erholung nötig.“
Er hatte absolut keine Lust, noch irgendeinen albernen Milchkannenauftrag zu erfüllen. Vermutlich sollte er einen aufgeblasenen Diplomaten abholen. Was bedeuten würde, dass er sich drei Wochen lang dessen Geschwätz anhören müsste, bis sie endlich Base One und damit die Erde erreichten.
„Auf Siron fünf gibt es nur eine kleine Minenkolonie. Der dortige Geschäftsführer hat uns kontaktiert. Er hat eine Gefangene. Und diese ist niemand anderes als „The Phantom“. Die Frau muss so rasch wie möglich zur Erde gebracht werden. Sie wird seit Jahren gesucht. Holen Sie die Gefangene ab, Captain. Und wenden Sie jede nur mögliche Vorsichtsmaßnahme an. Die Frau ist teuflisch schlau und gerissen.“
Kirk zog die Augenbrauen hoch. „The Phantom“ war eine der bekanntesten und berüchtigtsten Kriminellen der Galaxie – zumindest in dem Teil, der von der Vereinten Föderation der Planeten besiedelt wurde. Überfälle, Raub, Piraterie, Kidnapping – die Liste der Vorwürfe gegen diese Frau war lang.
„The Phantom wurde gefasst? In einer Minenkolonie?“
Aus den Augenwinkeln sah er eine Bewegung. Sein erster Offizier, Spock, hatte sich umgewandt und sah aufmerksam zum Hauptbildschirm.
„Holen Sie sie dort ab, sperren Sie sie ein, und bringen Sie sie zur Erde. Und falls Sie es mit Ihrem sprichwörtlichem Charme schaffen, die Frau zum Reden zu bringen, oder zumindest dazu, in irgendeiner Weise mit uns zu kooperieren …“ Der Admiral seufzte kurz, ehe er weitersprach. „Eine Menge Leute würden Ihnen sehr dankbar sein. Es sind inzwischen mehr als ein Dutzend Personen verschollen. Und wir wissen genau, dass diese Frau hinter Ihrem Verschwinden steckt.“
Immer noch etwas widerstrebend nickte Kirk.
Drei Tage später betrat Jim Kirk zusammen mit Spock den Transporterraum. Scotty hantierte an den Kontrollen. Nur wenige Sekunden später flackerten die Lichter über den ringförmigen Transportsensoren und mehrere Personen erschienen.
Ein untersetzter Mann mittleren Alters, der einen schmucklosen Anzug trug, trat mit einem säuerlichen Lächeln auf den Captain zu: „Captain Kirk nehme ich an. Ich bin Herlon Lecher. Ich habe die Frau gefangengenommen.“
Der nickte ihm jedoch nur kurz zu und richtete sein Augenmerk auf die anderen drei Personen. Zwei kräftige Männer hielten in ihrer Mitte eine dritte, etwas kleinere und schmächtigere Person fest. Diese schien sich kaum auf den Füßen halten zu können. Die Männer trugen sie fast die wenigen Stufen hinunter.
„Was soll das denn bedeuten?“, entfuhr es Jim.
Lecher hob nur kurz die Hand, und die beiden Wächter ließen die Frau in ihrer Mitte los. Ohne einen Laut von sich zu geben, brach sie zusammen.
„Was ist mit der Frau geschehen?“
Aus den Augenwinkeln bemerkte Jim etwas, das ihn verwunderte. Spock, der steif und aufrecht wie immer neben der Steuerkonsole stand, hatte eine Bewegung gemacht – als ob er zu dem am Boden liegenden Körper stürzen wollte. Doch als Jim ihm einen Blick zuwarf, stand er wieder ruhig da. Dennoch war der Captain irritiert. Spocks Körperhaltung erschien ihm seltsam angespannt zu sein.
„Dieser Abschaum? Captain, das spielt doch überhaupt keine Rolle. Ich habe natürlich versucht, Informationen aus ihr herauszuholen. Aber dieses Stück Dreck ist es nicht wert, dass Sie sich überhaupt mit ihr beschäftigen.“ Herlon Lecher klang hochmütig und gleichzeitig geradezu widerlich schmeichlerisch.
Er war Jim vom ersten Wort an unsympathisch. Wortlos wandte er sich um, trat an die Konsole und stellte eine Verbindung zum Lazarett her: „Dr. McCoy, sofort in den Transporterraum. Notfall!“
Wieder warf er einen irritierten Blick zu Spock. Obwohl dieser ruhig dastand, war irgendetwas an seinem Verhalten – oder an seinen fast unmerklichen Körperbewegungen – ungewöhnlich.
Jeder Muskel in Spock war angespannt. Nur mit äußerster Selbstbeherrschung behielt er seine ruhige Körperhaltung bei. Entsetzt blickte er auf den am Boden liegenden Körper der jungen Frau, und die verächtlichen Worte des Fremden lösten eine unbändige Wut in ihm aus. Mühsam unterdrückte er die Emotion. Er war Vulkanier! Wut war eine menschliche Eigenschaft.
Spock zuckte fast zusammen, als er plötzlich telepathische Ströme empfing. Nur einen winzigen Moment lang schloss er die Augen. Er kannte diese telepathische ‚Stimme‘, sie kam von der Frau. Bereitwillig lauschte er. Wie erwartet, konnte er keine direkten Gedanken ‚hören‘, doch sie versuchte, ihn zu beruhigen. Und – er machte keinen Versuch, seine grenzenlose Erleichterung vor ihr zu verbergen – er spürte ihre Zuneigung. So wie früher. Was immer auch in den Jahren geschehen war, die enge Verbindung zwischen ihnen war davon nicht betroffen. Sie war noch immer seine kleine Schwester, die ihm näher stand als jedes andere Wesen!
The Phantom ließ sich, ohne einen Muskel zu regen, fallen. Der Aufprall war hart, aber auch das ließ sie sich nicht anmerken. Ein einziger, kleiner Blick hatte ihr genügt. Sie hatte nichts anderes erwartet. Spock wusste genau, wer sich hinter dem albernen Namen verbarg, den die Medien ihr gegeben hatten. Vorsichtig tastete sie mental nach ihm. Es war so viel Zeit vergangen.
Sie hatte ihn nie aus den Augen verloren, hatte immer gewusst, wo er war und was er machte. Aber sie hatte nicht gewagt, direkten Kontakt mit ihm aufzunehmen. Zum einen war er Offizier. Spock durfte überhaupt nichts über sie wissen. Und zum anderen – sie hatte Angst davor. Angst, dass der so sehr geliebte, große Bruder sie verachtete, sie ablehnte. Doch dieses Mal hatte sie das Zusammentreffen nicht verhindern können.
Jetzt musste sie sich der Wahrheit stellen und ihrem Bruder gegenübertreten. Sie konzentrierte sich und stieß behutsam in seine telepathische Sphäre vor. Wenn er sie auch nur ein wenig abblocken würde, würde sie sich sofort zurückziehen, das schwor sie sich. Sie würde es akzeptieren müssen, wenn Spock sie abwies. Fast hätte sie aufgeseufzt, als sie seine Erleichterung – und seine Zuneigung – spürte. Oh ja, das war ihr Bruder! Auch seine Sorge spürte sie und versuchte sofort, ihn zu beruhigen. Ihr fehlte ja nichts, doch dieser Dummkopf Lecher durfte das nicht merken.
Sie hörte eine tiefe Stimme nach dem Arzt rufen: Der Captain – und Spocks bester Freund, wie sie genau wusste. Sie war gespannt auf den Mann. Natürlich hatte sie sich ausführlich über ihn informiert, sie musste doch Bescheid wissen über jemanden, der ihrem Bruder so nahe stand. Doch sie hatte sich gehütet, ihm jemals direkt zu begegnen.
Dass aber auch ausgerechnet die Enterprise in der Nähe sein musste, um sie zu übernehmen. Jedes anderes Schiff wäre überhaupt kein Problem gewesen. Sie hätte es unter ihre Kontrolle gebracht, um dann wie üblich spurlos zu verschwinden.
Natürlich war es ohnehin ein Risiko gewesen, auf die Minenkolonie zu gehen. Siron fünf lag in einem dicht besiedelten Gebiet der Föderation. Aber sie hatte Informationen gebraucht, die dieser aufgeblasene Kommandant der Station besaß. Wie stolz er gewesen war, das berüchtigte Phantom gefangen zu haben. Und wie er ihr gegenüber geprahlt hatte, als er sie folterte – oder zumindest glaubte, sie zu foltern. Ihre Fähigkeiten hatten sie wie immer gut geschützt. Auch wenn das ziemlich anstrengend gewesen war, da sie die dementsprechenden Geräte tagelang hatte manipulieren müssen. Aber sie hatte alle Informationen bekommen, die sie brauchte, und nur das zählte.
Nur eines hatte sie nicht beeinflussen können – welches Schiff sie von der Minenkolonie abholte. Und so lag sie nun angeblich bewusstlos auf dem harten Boden in ausgerechnet dem Schiff, dem sie in den vielen Jahren sorgfältig aus dem Weg gegangen war.
Dr. McCoy betrat eilig den Transporterraum und sah fragend zu Jim Kirk. Der wies stumm mit den Kopf auf die Frau. Vorsichtig untersuchte der Arzt sie. „Bewusstlos, ziemlich entkräftet. Was ist mit ihr geschehen?“
Der Captain sah auffordernd zu dem Fremden.
„Gar nichts“, wiegelte der ab und wandte sich wieder an Kirk. „Captain, Sie sind doch ein vernünftiger Mann. Wegen diesem Miststück werden Sie doch keinen Ärger machen. Ich habe nur versucht, etwas von ihr zu erfahren. Herrjeh, es ist ein absoluter Glücksfall, dass sie mir in die Hände fiel. Mit Informationen über ihre Raubzüge könnte ich den Leitern der Minengesellschaft endlich beweisen, dass ich mehr kann, als eine dämliche Mine beaufsichtigen.“
Kirk ließ sich seine Abscheu nicht anmerken. „Und – haben Sie etwas erfahren?“
Lecher schüttelte wütend den Kopf: „Dieses verdammte Biest hat kein Wort gesagt. Und dann hat einer meiner Leute dämlicherweise weitergegeben, dass das Weibsstück bei uns ist. Wenn ich mehr Zeit gehabt hätte … ich hätte mit Sicherheit irgendwann etwas aus ihr herausbekommen.“
Jetzt zeigte Kirk seine Verachtung offen: „Nun, Ihre Gesellschaft wird es sicher interessieren, dass Sie eine gesuchte Kriminelle bei sich verborgen haben, anstatt sie sofort den Gerichten zu übergeben. – Scotty, beame Mr. Lecher auf die Kolonie zurück, wir werden weiterfliegen. Auf Wiedersehen Mr. Lecher.“
Ohne ihn weiter zu beachten, wandte er sich dem Arzt zu. Der bettete die Frau gerade behutsam auf eine Trage.
„Finde heraus, was mit ihr passiert ist. Ich möchte einen ausführlichen Bericht haben.“
Leonard McCoy nickte grimmig.
Mit ihren besonderen Sinnen tastete Sa-Roon die Geräte ab. Energie – und zwar Energie in jeglicher Form – war für sie nicht nur sichtbar, sie konnte Energie auch spüren und umformen. So machte es keine große Mühe, die Geräte genau das anzeigen zu lassen, was sie wollte.
Dr. McCoy brummelte wütend vor sich hin, als er die Werte ablas. „Schwester, achten Sie in den nächsten Stunden auf die Werte der Nozizeptoren. Die Patientin ist im Heilkoma, aber wenn die Schmerzen stärker werden sollten, geben Sie ihr drei Einheiten Analgetikum.“
Sa-Roon hörte das Öffnen der Türe, gleichzeitig erreichte sie mental das Empfinden von großer Sorge. Innerlich lächelnd sandte sie Spock beruhigende Signale.
Der Arzt wandte sich den beiden Ankömmlingen zu. „Sie wurde gefoltert, Jim.“
„Verdammt! Wie schlimm?“
„Sie scheint zäh zu sein. Da sie Vulkanierin ist, liegt sie im Heilkoma. Es wird vermutlich ein paar Tage dauern, bis sie wieder zu sich kommt.“
„Doktor, das sollten Sie besser nicht aussprechen, wenn sie bei Bewusstsein ist.“
Auf den erstaunten Blick des Arztes, bequemte sich Spock zu einer Erklärung. „The Phantom bezeichnet sich als Mensch. Die unleugbare Tatsache, dass sie auch vulkanische Gene hat, wird von ihr ignoriert. Oder vielmehr – sie lehnt alles Vulkanische kategorisch ab.“
Jim nickte dazu. Er hatte sich über die Frau informiert. „Sie hat anscheinend sogar eine sehr ausgeprägte Abneigung gegen Vulkanier.“
„Hoppla. Nun, zumindest hat sie anscheinend die Möglichkeit des Heilkomas akzeptiert.“
Spock überflog die Anzeigen, sie bestätigten die Worte des Arztes. Doch dann könnte er Sa-Roons Gedanken nicht derart deutlich spüren. Das waren nicht die schwachen, unwillkürlichen Gefühle einer Bewusstlosen. Unauffällig, als wolle er nach ihrem Puls fühlen, ergriff er leicht das Handgelenk. Sofort ‚hörte‘ er sie: ‚Tikorveen. Es ist so schön, dich wiederzusehen. Nein, mach dir nicht so schreckliche Sorgen. Mir ist nichts geschehen. Es sieht nur so aus.‘
Wieder flogen Spocks Augen über die Monitore. Diese hatten sich nicht verändert. Die Messwerte waren also manipuliert. Sie hatte ihre Fähigkeiten anscheinend sehr trainiert. Und er ahnte, dass sie diese auch für ihre Überfälle einsetzte. Warum hatte sie einen derartigen Weg gewählt? Er zog sich von der Liege zurück, alles andere würde seine Begleiter wundern. Es würde sich Gelegenheit für ein ausführlicheres Gespräch ergeben.
Alle drei Männer sahen überrascht, wie sich die Anzeigen änderten. Dann öffnete The Phantom die Augen. Nur einen Moment blickte sie in Spocks schwarze Pupillen. Nur er sah – und ‚hörte‘ – das Lächeln. Dann glitt ihr Blick weiter zum Captain und dem Arzt. Sie wollte die Hand heben, was durch die Fesseln jedoch verhindert wurde. Ganz kurz runzelte sie die Stirn.
„Sie sind ein erstaunlicher Arzt.“
McCoy hob die Augenbrauen. „Warum?“
Sa-Roon streckte sich etwas bequemer auf der Liege aus. „Nicht jeder Arzt würde sich so viel Mühe geben, mir zu helfen.“
„Ich bin Arzt, kein Richter. Meine Aufgabe ist es, zu heilen.“
„Nur, dass es genügend Ärzte gibt, die nicht so denken“, murmelte die Frau.
Dann blickte sie zum Captain. Der nickte ihr zu. „Sie waren mehr oder weniger bewusstlos. Sie befinden sich im Moment im Lazarett der USS Enterprise. Ich bin Captain James Kirk.“
Ein kleines Lächeln flog über ihr Gesicht. „Ich weiß.“ Sie hatte längst Spocks Zweifel gespürt und konnte sich denken, wie er sich entscheiden würde. Ihr Bruder war viel zu ehrlich, um nicht offenzulegen, dass sie keine Fremden waren.
„Mir ist bekannt, dass man Sie beauftragt hat, mich abzuholen. Die Reise geht vermutlich zur Erde.“ Fragend sah sie zu ihm auf. Jim nickte.
Sa-Roon seufzte leise. „Können Sie die albernen Fesseln nicht entfernen? Unter den gegebenen Umständen werde ich bestimmt keine – Dummheiten – machen.“
Sie sah das ungläubige Stirnrunzeln. Ihr Blick flog kurz zu Spock, ehe sie leise lachend zusicherte: „Captain, ich versichere Ihnen, ich werde eine sehr brave Gefangene sein.“
Spock ‚fühlte‘ ihre Zusicherung, ihr Verständnis und wusste plötzlich mit absoluter Gewissheit – ganz egal, wie groß die Kluft in der Art ihrer beiden Lebenswege war, die enge Vertrautheit ihrer Kindheit und Jugend war immer noch vorhanden. Und würde auch weiterhin bestehen bleiben. Er brauchte sich keine Gedanken zu machen. Wie immer würde sie seine Entscheidungen verstehen und akzeptieren. So wie er ihre Entscheidungen akzeptierte, auch wenn er sie nicht verstand.
„Ich bedaure“, begann Jim, wurde jedoch von seinem Ersten Offizier unterbrochen: „Captain, kann ich Sie einen Moment sprechen? Unter vier Augen.“
Erstaunt folgte Jim ihm in den Nebenraum.
„Captain, Sie sollten etwas erfahren.“ Spock legte die Hände an den Fingerspitzen zusammen. Jim sah ihn auffordernd an. Dann hatte sein Gefühl ihn doch nicht getrogen. Irgendetwas war mit Spock los.
„The Phantom, ihr Name ist Sa-Roon, ist mir nicht unbekannt. Genauer gesagt, wir kennen uns seit vielen Jahren.“
„Sie erstaunen mich, Spock. Woher?“
„Wir sind zusammen aufgewachsen – auf Vulkan.“
„Über die Frau ist nicht viel bekannt. Dann wissen Sie, wer sie ist und woher sie kommt?“
Spock nickte. „Sie lebte auf Vulkan. Wie ich ist sie zur Hälfte Mensch. Jedoch ist bei ihr die menschliche Mentalität die Stärkere, obwohl sie physisch überwiegend Vulkanierin ist. Sie hat sich auf Vulkan nie wohlgefühlt, konnte sich der vulkanischen Lebensart nicht anpassen.“
„Das ist für ein Kind mit Sicherheit nicht leicht gewesen“, überlegte Jim.
„Dann …“ Spock zögerte. Sa-Roon hatte niemals über das Geschehen während des Rituals gesprochen. „Sie wurde einem vulkanischen Ritual unterworfen. Für eine junge Vulkanierin etwas völlig Selbstverständliches. Für ein menschliches Mädchen jedoch – es muss entsetzlich für sie gewesen sein.“
Er sah den fragenden Blick und biss sich kurz auf die Lippen. „Ich weiß nicht genau, was damals geschehen ist. Sie floh. Ich – ich suchte sie danach und fand sie auch. Sie war verletzt.“ Noch immer schmerzte die Erinnerung. „Ich half ihr damals, von Vulkan zu verschwinden und zur Erde zu gelangen. Das war vor dreizehn Jahren.“
„Und danach?“
Spock schüttelte den Kopf. „Die letzte Nachricht, die ich von ihr bekam, besagte, dass sie die Erde verlassen würde. Da sie noch minderjährig war, hätten die Behörden sie nach Vulkan zurückgeschickt.“
„Sie haben nie wieder Kontakt zu ihr gehabt?“
Spock verneinte. „Obwohl ich natürlich schnell erkannte, wer The Phantom ist.“
Jim überlegte. Spock hatte sich sehr ausweichend ausgedrückt. Was immer mit dem Mädchen damals geschehen war, er war anscheinend darin involviert gewesen. Und sie mussten sich sehr gut gekannt haben.
„Hat diese erstaunliche Versicherung von ihr, gerade eben, etwas damit zu tun?“
Spock nickte. „Selbstverständlich, Captain. Sa-Roon würde sich niemals gegen mich stellen.“
„Sie lässt sich widerstandslos zur Erde bringen? Ihr sollte bewusst sein, dass sie dort verurteilt wird.“
Spock nickte bekümmert. Bei dem, was ihr alles vorgeworfen wurde, würde sie auf einen Strafplaneten deportiert werden. Natürlich würde er versuchen, ihr zu helfen. Die Frage war eher, ob sie diese Hilfe annahm.
Die beiden Männer betraten wieder den Lazarettraum. Jim sah forschend auf die Gefangene und bemerkte den Blickaustausch zwischen ihr und Spock. Es war ein sehr intensiver Blick! Er überlegte noch einen Moment, ehe er sich entschied.
„Sie geben mir Ihr Ehrenwort, dass Sie sich unseren Anordnungen fügen werden?“
„Ich gebe Ihnen mein Wort“, die Frau lächelte dabei fast schelmisch. „Ich werde keine Dummheiten machen, was auch einen Fluchtversuch beinhaltet.“
Noch immer zögerte Jim. „Ihnen ist klar, was Sie auf der Erde erwartet?“
Jetzt lachte Sa-Roon auf. „Oh ja, Captain. Ein äußerst albernes Gerichtsverfahren, dessen Ende schon jetzt völlig klar ist. Das macht mir ganz gewiss keine Sorge.“ Sie kicherte über seinen verblüfften Gesichtsausdruck. „Captain, es ist mir völlig gleichgültig, ob ich auf einen Strafplaneten gebracht werde. Damit das Ganze nicht allzu langweilig wird, hoffe ich, dass es sich um Portras handelt. Das wäre wenigstens eine gewisse Herausforderung.“
Alle drei Männer sahen sie fassungslos an. Portras war der berüchtigste und gefürchtetste Strafplanet.
Die Frau lächelte: „Es gibt keine Welt, die mich gegen meinen Willen halten kann. Ich brauche vermutlich nicht länger als einige Wochen, um von dort zu entkommen.“
„Sie sind ganz schön selbstbewusst.“ Jim seufzte, dann nickte er Pille zu, die Fesseln zu lösen. Leise murmelte er: „Ich erkläre es dir später.“
Sa-Roon richtete sich auf.
„Hinlegen! Lassen Sie diesen Unsinn.“
Überrascht sah sie in die zornigen Augen des Arztes. Zögernd und langsam, sorgsam darauf bedacht, keine rasche oder missverständliche Bewegung zu machen, ließ sie sich zurücksinken.
„Ich habe nicht vor, Sie anzugreifen“, beteuerte sie. „Ich habe es versprochen. Und was immer Sie von mir gehört haben – ich habe noch nie im Leben mein Wort gebrochen.“
Sie sah, wie Spocks Kopf hochzuckte, und spürte seine Verwirrung. Konzentriert sandte sie ihm die Zusicherung, dass sie die Wahrheit sagte. Spock war irritiert. Wie konnte das sein? Sie hatte ihm damals, als halbes Kind noch, ein Versprechen gegeben. Sie hatte ihren Brief an ihn mit Sicherheit nicht vergessen. Er hatte angenommen, dass sie es nicht hatte halten können. Dass irgendetwas sie in dieses gesetzlose Leben getrieben hatte. Wie vereinbarte sich ihr Leben mit ihrem damaligen Versprechen?
Dr. McCoy schnaubte: „Dazu wären Sie auch gar nicht in der Lage. Verdammt! Sie wurden gefoltert. Sie werden so lange liegenbleiben, bis Sie sich absolut erholt haben.“
Mit großen Augen starrte Sa-Roon ihn einen Moment lang an, dann unterdrückte sie rasch das Lachen, das in ihr aufstieg. Der Mann wurde ihr mit jedem Wort sympathischer. Kein Wunder, dass er ein Freund Spocks war – obwohl der vermutlich mit den offenen Emotionen dieses Menschen so seine Probleme hatte.
„Zu Befehl, Herr Doktor“, murmelte sie. „Obwohl ich ein miserabler Befehlsempfänger bin. Aber ich werde üben.“
Zwei Tage blieb sie noch im Lazarett, bis Dr. McCoy sein OK zu ihrer Entlassung gab. Bereitwillig folgte sie dem Captain und Spock zu den Arrestzellen. Interessiert fixierte sie die Sensoren für die Energiefelder, die die Zelle verschlossen.
„Miss Sa-Roon, ich mache Sie darauf aufmerksam, dass die Energie hoch genug ist, auch einen Vulkanier aufzuhalten.“
Sie knurrte nur zur Antwort. Kirk konnte ja nicht wissen, dass sie das schon längst mit ihren Sinnen abgetastet hatte. Ebenso, wie sie die gesamte technische Einrichtung des Schiffes überprüft hatte. Es war einfach zu langweilig gewesen im Lazarett. Sie kannte jeden einzelnen Energieleiter, war den kräftigen, energetischen Strömen des Antriebs ebenso gefolgt, wie denen – im Ruhezustand allerdings kaum spürbaren – der Waffensysteme. Sie hatte nichts verändert. Sie hatte versprochen, keine Dummheiten zu machen.
Am nächsten Tag betrat Kirk mit Spock zusammen die Zelle. Sa-Roon blieb auf der Pritsche sitzen und sah den Männern ruhig entgegen. Ihre Augenbraue hob sich amüsiert, als sie die dünne, fast unsichtbare Energiebarriere bemerkte, die plötzlich zwischen ihr und den Männern lag.
„Das ist unnötig, Captain“, bemerkte sie, zuckte dabei jedoch mit den Schultern. „Aber wenn es Sie beruhigt …“
Kirk blickte sie nachdenklich an. „Ich bin mir nicht sicher, wie weit ich Ihnen tatsächlich trauen kann. Ihr Verhalten hier an Bord ist …“ er suchte nach einem passenden Begriff.
Sie grinste: „Untypisch?“ Sie nickte. „Das stimmt wohl. Ich kenne die Berichte über mich.“
„Sie stimmen nicht?“
„Oh, doch. Aber es gibt hier einen Faktor, der dafür sorgt, dass ich mich benehmen werde.“
Kirk warf einen Blick auf seinen ersten Offizier. Spock saß aufrecht und steif – seine übliche Haltung – und ließ die Frau nicht aus den Augen.
Die lächelte: „Captain, ich versichere Ihnen, bei jedem anderen Schiff würde ich anders handeln. Niemand hätte auch nur die Chance, mich tatsächlich zur Erde zu bringen.“ Wieder zuckte sie mit den Schultern. „Auf dieses Schiff zu kommen, hatte ich nicht geplant. Aber es stört mich auch nicht besonders.“
„Was hatten Sie geplant?“, hakte Jim sofort nach.
„Ein anderes Schiff hätte ich in meine Gewalt gebracht und es benutzt, um wieder zu verschwinden.“
Er war verblüfft über ihre Offenheit. „Und die Tatsache, dass Sie Spock als Kind kannten, reicht aus, damit Sie plötzlich ein Gewissen bekommen?“
Langsam schüttelte Sa-Roon den Kopf. „Ein Gewissen, wie Sie es verstehen, habe ich nicht, Captain. Ich lehne jede Form von Autorität ab. Regeln und Gesetze interessieren mich nicht. Ich handle ausschließlich nach meinen eigenen Ansichten. Aber Spock ist einer der wenigen Personen, die ich achte.“ Ihr Blick wanderte zu ihm, ihre Augen lächelten, ehe sie sich wieder Jim Kirk zuwandte. „Ich werde Spock niemals Schaden zufügen. Und damit sind mir im Moment die Hände gebunden. Auch wenn es Ihnen schwerfällt, dies zu glauben. Was übrigens nicht mein Problem ist, sondern Ihres.“
„Gut, lassen wir es erst einmal dabei. Was wollten Sie auf der Minenkolonie?“
„Kein Kommentar.“
Jim brummte in sich hinein. Ihre verblüffende Offenheit beschränkte sich anscheinend auf ihr seltsames Verhältnis zu Spock.
„Wie konnte Lecher Sie gefangen nehmen? Sie sind ihm weit überlegen.“ Spock fixierte sie mit seinem Blick. Er spürte ihr Lächeln, noch bevor er es sah.
„Ich bedaure, aber ich kann darauf keine Antwort geben. Ich bin mit einem bestimmten Ziel nach Siron fünf gegangen. Aber ich werde auch Ihnen nicht sagen, weshalb.“
Wenn Spock darauf bestand, sie zu siezen, würde sie das ebenfalls machen. Sie konnte seine Befangenheit deshalb fühlen und sendete sofort ihre Zustimmung. Es machte ihr nichts aus. Und sie verstand, dass es ihm so lieber war.
„Haben Sie dieses Ziel erreicht?“ Spocks Stimme war völlig neutral.
„Kein Kommentar.“ Wieder lächelte sie, doch diesmal voller Wärme.
Spock zog die Brauen zusammen, einen Moment lang hatte er eine triumphierende Zufriedenheit gespürt. Er überlegte, anscheinend hatte sie ihr Ziel erreicht. Aber er glaubte nicht, dass ihre Gefangenschaft dazugehörte. Obwohl … die Messgeräte im Lazarett hatten falsche Werte angezeigt, es war nur logisch, dass Sa-Roon auf die gleiche Weise auch den Minenkommandanten getäuscht hatte. Sie war nicht wirklich gefoltert worden. Ihre Fähigkeiten, Energie zu manipulieren, dürfte ihr diese Irreführung leicht gemacht haben. Konnte es sein, dass sie das Alles in Kauf genommen hatte, um irgendetwas zu erreichen?
„Was wird dort geschehen? Es sind fast dreihundert Menschen in der Kolonie. Sind diese Menschen in Gefahr?“ Er konzentrierte sich, doch zu seiner Überraschung machte sie keinen Versuch, ihn abzublocken.
„Nein.“ Sie sah ihn an, leise sprach sie weiter: „Ich versichere Ihnen, dort wird gar nichts geschehen.“
Jim saß völlig bewegungslos, sein Blick irrte von Spock zu Sa-Roon. Sie sprachen miteinander, als wären sie Fremde, jedenfalls wenn man nur den Wortlaut nahm. Doch ihre Blicke sagten etwas völlig anderes. Es war, als sprächen sie stumm miteinander, wie Personen, die so eng verbunden waren, dass sie keine Worte brauchten. Und die beiden hatten sich seit über dreizehn Jahren nicht mehr gesehen?
Jim Kirk stand auf. „Ich muss zur Brücke zurück. Nein, Spock, Sie bleiben bitte hier.“ Er wandte sich an die Gefangene. „Miss Sa-Roon, ich nehme an, dass Sie sich über Ihre Situation im Klaren sind. Es wäre nur vorteilhaft für Sie, wenn Sie ein wenig kooperativer wären. Vielleicht sind Sie bereit, mit Mr. Spock zu sprechen.“
Er gab einen Befehl in das Multifunktionsarmband ein und die Energiebarriere innerhalb der Zelle verschwand. Sa-Roons Augen leuchteten dankbar auf und Jim musste kurz schlucken. Verdammt, dieses Leuchten galt nicht ihm, sondern der Tatsache, dass er ihr Gelegenheit gab, ohne Zeugen mit Spock zu sprechen.
Sobald Kirks Schritte leiser wurden, fiel die starre Maske von Spocks Gesicht. Er trat auf Sa-Roon zu, zart strich er ihr über die Wange. „Riorwan.“
Sie lehnte sich an ihn. „Es ist so schön, dich wiederzusehen. Und ich hatte solche Angst davor.“
Er runzelte die Stirn.
„Ich wusste nicht, ob du mich inzwischen – ablehnst.“
„Gab es für dich keinen anderen Weg?“
Sa-Roon lächelte. „Keinen, den ich hätte gehen wollen. Tikorveen, ich habe mir meinen Weg gezielt ausgesucht. Ich möchte kein anderes Leben führen. Ich kann dir keine Erklärung geben, zumindest keine, die dich zufriedenstellen würde. Ich weiß, dass dieser Weg für mich der richtige ist.“
Er spürte es. Sie sagte die Wahrheit und sie fühlte auch so. Nein, verstehen konnte er es nicht. Aber wie konnte er sie ablehnen, wenn dieses ungesetzliche Leben für sie richtig war? Er umschloss ihre Hände, er brauchte nicht zu antworten. Sie spürte seine Gedanken, seine Zweifel, aber auch, dass ihre Verbundenheit füreinander alles andere aufwog.
„Wirst du unsere Fragen beantworten?“
Sie lächelte: „Nein.“ Dann lachte sie auf. „Spock, zieh nicht so ein Gesicht. Natürlich wirst du mich ebenso verhören, wie dein Captain. Das sollst du auch.“ Sie wurde schlagartig ernst. „Spock, ich möchte nicht, dass du wegen mir irgendetwas tust, das nicht mit deinem Leben und deinen Werten vereinbar ist. Ich kenne den Eid, den du geschworen hast, und ich weiß genau, wie ernst du ihn nimmst. Du wirst deinen Eid niemals brechen, nicht wegen mir.“
Jim Kirk sprach bzw. verhörte sie jeden Tag. Mal mit, mal ohne Spock. Sa-Roon beantwortete manche Fragen bereitwillig, bei anderen lächelte sie nur stumm. Spocks Versuche, Informationen zu bekommen, konnte sie gut parieren. Seine Art zu denken war logisch und geradlinig.
Bei Jim Kirk jedoch wurde es schwieriger. Nachdem es ihm gelungen war, zweimal Informationen zu erhalten, die sie eigentlich nicht geben wollte, wurde sie weitaus vorsichtiger. Der Mann war raffiniert, und er besaß eine geistige Flexibilität, die Sa-Roon verblüffte. Die Verhöre wurden rasch zu einer Herausforderung – ein faszinierendes, psychologisches Spiel. Manchmal lachte sie den Captain bei seinen raffinierten Fangfragen offen aus. Es amüsierte sie, wenn er dann frustriert knurrte. Sie mochte den Mann von Tag zu Tag mehr.
Immer wieder erkannte sie das kurze Aufblitzen in Jims Augen. Die Momente, in denen er sich nur mit Mühe das Lächeln verkniff. Sie bemerkte auch, wie seine Augen manchmal dunkler wurden und sein Atem sich unwillkürlich beschleunigte; wie seine Stimme wärmer wurde und er sich zu ihr vorbeugte. Doch jedes Mal lehnte er sich dann rasch wieder zurück und behandelte sie kühl und formell. Sie konnte nicht ergründen, woran es lag: Weil sie Spocks Schwester oder weil sie eine Kriminelle war?
Ersteres hätte sie amüsiert, letzteres verletzte sie, obwohl sie sich zwang, auch dies zu akzeptieren. Er war Captain bei Star Fleet. Wenn er eine berüchtigte Kriminelle ablehnte, war das sein gutes Recht. Egal, ob ihr das passte oder nicht.
Nach einigen Tagen bat sie darum, ihr einen Computer zuzugestehen. Spock zog sofort die Brauen zusammen. „Wozu?“
Sie seufzte: „Spock, ich halte mein Versprechen. Mir ist nur langweilig und so kann ich mich ein wenig beschäftigen.“
Mehr als ihre Worte beruhigten ihn ihre gefühlsmäßigen Signale. Sa-Roon lächelte. Oh nein, natürlich würde sie Spock niemals hintergehen. Jedenfalls nicht im negativen Sinn. Ihr war wirklich langweilig, auch wenn dies nur ein Grund für ihre Bitte war.
Nach kurzem Zögern gab Kirk seine Zustimmung, sorgte jedoch dafür, dass es keine Möglichkeit gab, damit in irgendeines der Schiffssysteme zu gelangen. Sa-Roon lächelte innerlich. Sie brauchte keine technische Verbindung. Immer wieder tastete sie die Energien der neuen, zu Testzwecken eingebauten Dual-Magnet-Generatoren ab.
Sie war gar nicht begeistert gewesen, als sie erfahren hatte, dass diese in die Enterprise eingebaut werden sollten. Deshalb hatte sie sich falsche Papiere besorgt und als Mechanikerin in die Mannschaft eingeschleust, die für den Einbau verantwortlich gewesen war. Diese Generatoren waren ihrer Meinung nach viel zu fehleranfällig, um schon eingesetzt zu werden. Sie wollte wenigstens dafür Sorge tragen, dass der Einbau so sicher wie möglich durchgeführt wurde.
Jetzt hatte sie die Gelegenheit, die Dinger sorgfältig durchzutesten. Niemand würde davon etwas bemerken. Sie brach damit auch ihr Versprechen nicht, sie veränderte ja nichts und schadete auch niemandem. Ihre Erkenntnisse speicherte sie gewissenhaft auf dem Computer ab. Sie würde dafür sorgen, dass Spock sie irgendwie bekam und verwerten konnte.
Jim betrat das Lazarett. „Was ist los, Pille?“
„Mach die Tür zu, Jim. Was ich dir sage, ist absolut vertraulich.“
„Spock soll es also nicht erfahren?“
Pille schüttelte den Kopf. „Ich fürchte, es geht um Spock. Ich habe versucht, Informationen über Sa-Roon zu bekommen. Es gibt auf Vulkan eine Vereinigung, die seit Jahren die Opfer des Phantoms entschädigt.“
„Wie bitte?“
Der Arzt nickte grimmig. „Sieht so aus, als fühlten sich da einige sehr schuldig, Jim. Und ich habe auch erfahren, weshalb. Hat dir Spock gesagt, was damals mit dem Mädchen geschehen ist?“
Jim schüttelte den Kopf. „Nichts Genaues. Es muss sich um eines der vulkanischen Rituale handeln. Du weißt, dass sie da sehr zugeknöpft sind, was Auskünfte angeht.“
Pille seufzte: „Die sind teilweise immer noch sehr barbarisch. Dieses spezielle Ritual nennt sich Ling Poor. Jedes junge Mädchen muss das ertragen. Sie werden in einem sogenannten Tempel mit einem Jungen zusammengebracht – einem Jungen im Pon Farr.“
„Um Himmels willen! Selbst erwachsene Vulkanier rasten dabei aus. Ein Jugendlicher, der das womöglich zum ersten Mal durchmacht … für die Mädchen muss das doch grauenvoll sein.“
„Vulkanier scheinen zu glauben, dass heranwachsende Mädchen dies erfahren müssen. Sa-Roon wurde gegen ihren Willen dazu gezwungen. Und es ging entsetzlich schief. Es gibt immer einen Wächter, einen erwachsenen Vulkanier, der darauf achten soll, dass die Mädchen nicht verletzt werden. Dieser Wächter wurde schwer verletzt gefunden, der betreffende Junge war bewusstlos. Keiner von beiden konnte Auskünfte darüber geben, was in dieser Nacht geschehen war. Sa-Roon selbst war verschwunden und tauchte auch nie wieder auf. Wie wir beide inzwischen wissen, weil Spock ihr geholfen hat.“
Jim wurde blass. „Spock sagte, dass sie verletzt war. Mein Gott, er muss der Junge gewesen sein.“
Pille nickte, das war auch seine Vermutung, obwohl die Informationen, die er erhalten hatte, keine Namen nannten.
„Und diese Vereinigung?“
„Auch hier werden keine Namen preisgegeben. Nach den Erklärungen, die ich erhalten habe, fühlen sich mehrere Vulkanier dafür verantwortlich, dass das Mädchen gesetzlos geworden ist. Sie führen es auf dieses erzwungene Ritual zurück.“
Jim fuhr sich bedrückt durch die Haare. „Verdammt. Warum trifft es eigentlich immer Spock so hart? Er muss sich entsetzlich gefühlt haben, damals.“
„Du wirst ihn nicht darauf ansprechen?“, bat Pille.
„Natürlich nicht. Himmel, Pille, du weißt doch selbst, wie die beiden sich ansehen. Sie müssen viel mehr als Freunde gewesen sein.“
Jim sorgte unauffällig dafür, dass Spock jederzeit ohne Zeugen mit der Gefangenen sprechen konnte. Wenn er auch sonst nichts für die beiden tun konnte, wenigstens etwas Zeit miteinander sollten sie haben. Und er selbst rief sich innerlich immer wieder zur Ordnung, wenn er mit Sa-Roon sprach. So sehr ihn ihre kleinen, verbalen Geplänkel faszinierten, er achtete tunlichst darauf, nicht zu zeigen, wie stark er sich von ihr angezogen fühlte.
Das Schiff schien sich aufzubäumen. Die Wucht der Erschütterung schleuderte Sa-Roon quer durch die Zelle. Einen Moment blieb sie benommen liegen. Dann versuchte sie in rasender Hast herauszufinden, was geschehen war. Ihre besonderen Sinne jagten durch das Schiff. Sie fand unzählige Schäden: Der Antrieb funktionierte nur noch bedingt. Die Generatoren für die Schutzschirme waren schwer beschädigt, sie konnten auf keinen Fall mehr die nötige Energie für die Schirme erbringen. Die Lebenshaltungssysteme hingegen funktionierten. Bei den Waffen sah es böse aus, die würden in der nächsten Zeit garantiert nicht mehr benutzt werden können.
Doch sie konnte keine Ursache entdecken. Erst als sie ihre Sinne weiter ausstreckte, entdeckte sie das zweite Schiff. Ein Klingonkreuzer. Sa-Roon fluchte unterdrückt. Das konnte doch nicht wahr sein. Sie waren mitten im Gebiet der Föderation. Welcher Klingone war so verrückt, hier einen Angriff zu wagen? Sie konzentrierte sich auf die Funksysteme. Im Schiff herrschte Chaos, von überall wurden Schäden und Verletzte gemeldet. Sie ‚sah‘ die Funksignale, die die Enterprise erreichten und ‚hörte‘ das Gespräch zwischen dem Klingonen und James Kirk mit.
„Ich glaube, Sie verkennen die Situation etwas, Captain. Ein einziger weiterer Treffer von uns und die Enterprise ist Geschichte.“
Das selbstgefällige Lächeln des Klingonen trieb Kirks Adrenalinspiegel nach oben. Mühsam beherrschte er sich. „Und was lässt Sie dann zögern?“, fauchte er.
„Aber, aber. Ich bin mir völlig sicher, dass Sie durchaus Interesse haben, genau dies zu verhindern.“
Jim Kirk kniff die Augen zusammen. „Was wollen Sie?“
Wieder lächelte der Klingone. „Sie haben einen speziellen, etwas unfreiwilligen Gast an Bord. Ich bin mir sicher, die junge Dame wartet nur darauf, das Schiff zu wechseln.“
Kirk glaubte, sich zu verhören. Spock sog laut die Luft ein.
Sa-Roon in ihrer Zelle sprang auf die Füße. Dieser Dreckskerl. Sie überblickte den Gang, der junge Wachtposten lag bewusstlos am Boden. Erstaunlicherweise hatten die Energiesperren der Arrestzelle noch Energie. Sie konzentrierte sich und legte die Sensoren lahm. Mit Sicherheit würde jeder den Ausfall auf den Angriff schieben. Sie lief durch den Gang, nur kurz blieb Sa-Roon an einem der vielen Kommunikatoren stehen: „An Lazarett. Verletzter im Zellenbereich. Ende.“
Dann rannte sie los, die Sinne hochkonzentriert. Auch Menschen erzeugten Energie, wenn auch schwach. Aber so konnte sie der Mannschaft ausweichen. Sie öffnete einen Wartungsschacht und kletterte in Windeseile mehrere Stockwerke höher. Wie gut, dass sie sich immer wieder mit dem Schiff beschäftigt hatte. Sie kannte es in- und auswendig. Binnen Minuten erreichte sie keuchend den Aufzug zur Brücke. Wenn das verdammte Ding nicht mehr funktionierte, müsste sie mühsam den Ersatzeingang nehmen, eine ziemliche Kletterei. Doch der Aufzug hatte Energie.
Sa-Roon stolperte aus dem Aufzug, wandte sich zurück und fauchte, als stünde dort jemand: „Ja, ja, ich geh ja schon. Verdammt, Captain, können Sie Ihren Leuten nicht ein Minimum an …“, sie stockte, starrte zum Bildschirm, „… Manieren beibringen“, leise, fast abwesend beendete sie den Satz. „Kerlog! Zum Teufel, was machen Sie denn hier?“
Der Klingone grinste selbstgefällig. „Wäre nicht eine etwas erfreutere Begrüßung angebracht, Phantom?“
„Wieso?“
„Weil Sie doch sicher kaum den Rest Ihres Lebens auf einem Strafplaneten verbringen wollen. Ich biete Ihnen die Freiheit an.“
Sa-Roon legte den Kopf schief. „Ach nein. Wie überaus großzügig von Ihnen. Und vermutlich völlig uneigennützig, oder?“
„Nun, nicht ganz. Aber darüber können wir uns sicher einig werden. Wir werden Sie an Bord beamen.“
„Nicht so eilig“, fauchte die Frau. Vorsichtshalber schuf sie ein schwaches Schutzfeld, es konnte durchaus glaubhaft sein, dass die angeschlagene Enterprise noch genug Energie dafür hatte. Wie gut, dass noch einige Maschinen funktionierten. So konnte sie deren Energie dafür benutzen, ohne sich übermäßig anstrengen zu müssen. Sie überlegte hastig.
„Und was sollte Sie daran hindern, dieses Schiff sofort zu verlassen? Gibt es vielleicht etwas, das Sie hält?“, hakte der Klingone sofort nach.
Jetzt grinste Sa-Roon: „Kerlog, glauben Sie im Ernst, ich lasse mich einfach so zur Erde bringen? Ich habe meine eigenen Pläne. Und ich werde diese nicht einfach so aufgeben, nur weil Sie hier plötzlich auftauchen.“
Kirk war dem Wortwechsel bisher stumm gefolgt. „Wie kommen Sie darauf, dass wir einfach so zusehen, wie Sie zu den Klingonen überlaufen?“
Ein bellendes Gelächter erscholl, der Klingone amüsierte sich köstlich: „Ist es Ihnen lieber, wir zerstören Ihr Schiff, Captain?“
Zähneknirschend blieb Kirk ihm die Antwort schuldig. Sa-Roon nutzte die Zeit, um mit Spock einen Blick zu wechseln. Er nickte ihr unmerklich zu, ja, er hatte verstanden, was sie ihm übermittelt hatte. Und er vertraute ihr. Dieser Überfall war von ihr weder geplant noch erwünscht gewesen.
Sie wandte sich wieder dem großen Bildschirm zu. „Ich brauche eine halbe Stunde, dann bin ich bereit, zu Ihnen überzuwechseln.“
„Wozu?“, misstrauisch blickte der Kommandant sie an.
Sa-Roon fletschte die Zähne. „Das ist meine Sache, Kerlog. Sie werden diese halbe Stunde abwarten.“
„Und wenn nicht?“
Jetzt lachte die Frau auf. „Kerlog, tun Sie nicht so großspurig. Sie handeln nicht auf eigene Faust. Einen Angriff derart tief im Gebiet der Föderation wagen Sie nicht. So viel Mut besitzen Sie nicht. Man hat Sie wohl eher dazu gezwungen. Und deshalb wäre es für Sie vermutlich sehr fatal, ohne mich zurückzukommen. In dreißig Minuten melde ich mich wieder.“
Sie wandte sich ab. Spock machte Lt. Uhura ein Zeichen, die Verbindung zu beenden. Kirk wandte sich der Frau zu. Er wusste nicht so recht, was er von der Situation halten sollte. Doch sie kam ihm zuvor, hastig sprach sie auf ihn ein: „Captain, lassen Sie mich in Ihren Maschinenraum. Kerlog wird die Enterprise in dem Moment vernichten, in dem ich drüben ankomme. Sie haben keine Schutzschilde mehr. Ich kann dafür sorgen, dass Sie genug Energie haben, um einen Treffer auszuhalten. Mehr ist nicht notwendig.“
„Nicht notwendig wofür?“
Sie seufzte kurz auf: „Ich brauche nur wenige Minuten, um das Schiff in meine Gewalt zu bekommen. Kerlog ist mir kein Unbekannter. Ich kenne das Schiff und vor allem seine Schwachstelle.“
„Woher …“
„Captain, bitte, mir läuft die Zeit davon. Ich bin eine Kriminelle, von mir aus auch eine gewissenlose Kriminelle. Aber ich versichere Ihnen, ich bin keine Verräterin. Lassen Sie mich in Ihren Maschinenraum. Bitte! Oder wollen Sie sterben?“ Ihre Stimme war eindringlich.
Kirk begriff schlagartig. Sie fürchtete um Spock. Um seinetwillen war sie dazu bereit, ihnen zu helfen. Er warf seinem Ersten Offizier einen Blick zu, der nickte.
Kirk zögerte jedoch noch immer. „Unter einer Bedingung. Sie werden sich dort nicht umschauen.“
Die Frau starrte ihn an, dann stöhnte sie genervt: „Captain! Ich weiß, dass Sie die neuen Dual-Magnet-Generatoren an Bord haben. Zufällig habe ich geholfen, sie einzubauen. Aber wenn es Sie beruhigt – ich werde keinen Blick darauf werfen.“
Kirk war geschockt. Dass die Enterprise diese Geräte ausprobierte, war geheim gehalten worden. Woher wusste diese Frau davon? Er riss sich zusammen, es gab jetzt Dringenderes.
„In Ordnung. Spock, Sie gehen mit ihr. Kontrollieren Sie sie.“
Sa-Roon stürzte in den Maschinenraum. Scott erwartete sie misstrauisch. „Wie wollen Sie das schaffen? Die Generatoren sind hinüber.“
„Ich kann sie auch nicht reparieren, zumindest nicht in dieser kurzen Zeit. Aber ich schaffe es, dass sie einen Treffer aushalten. Mehr brauchen Sie nicht.“
Damit öffnete sie einen der Maschinenschächte und schob sich hinein.
„Heh, sind Sie wahnsinnig? Was Sie machen ist lebensgefährlich!“
„Ich weiß“, kam es dumpf zurück. „Geben Sie mir eine Isolierzange und drei Neutronenspulen.“
Sie verlangte hastig nach mehreren hochkomplizierten Komponenten. Scott staunte. Anscheinend besaß die Frau ein verblüffendes Fachwissen. Doch er konnte nicht erkennen, was sie mit den Teilen installieren wollte. Es ergab für ihn keinen Sinn.
Schließlich kroch sie wieder aus dem Schacht. „Halten Sie ihre Leute hiervon fern. Das Ganze ist höchst instabil. Es wird ausreichen, um einen, eventuell auch zwei Treffer zu assimilieren. Dann wird es explodieren.“
Das sollte seine Neugier im Zaum halten. Denn der Mann erkannte mit Sicherheit sofort, dass das Ganze nur eine sinnlose Bastelei war. Eine Tarnung. Dadurch würde niemand bemerken, dass sie selbst ein Energiefeld schaffen würde, das das Schiff hundertprozentig schützte. Die Energie würde sie von dem Klingonen erhalten. Sein eigener Angriff würde dieses Schutzfeld erzeugen.
Spock sah sie forschend an. „Sie glauben, das genügt?“
Sa-Roon wich seinem Blick aus. „Ja. Sorgen Sie dafür, dass sich niemand daran zu schaffen macht. Es ist eine gewagte Bastelei. Und zügeln Sie um Himmels willen Ihre Neugier. Das Zeug ist hochexplosiv.“
„Die Zeit wird knapp, ich bringe Sie zur Brücke zurück. Mr. Scott, versuchen Sie dennoch, Energie auf die Schutzschirmgeneratoren zu bekommen.“
Scotty kratzte sich den Haarschopf. „Wird nicht viel bringen. Sie glauben wirklich, das da“, er zeigte auf den Schacht, „wird helfen?“
Spock nickte. „Lassen Sie den Schacht zu. Sa-Roon ist bekannt für ihre erstaunlichen, technischen Möglichkeiten. Ebenso, dass sie dafür sorgt, dass ihre Geheimnisse nicht ausgespäht werden können. Wenn sie sagt, die „Bastelei“ wird explodieren, wenn jemand daran geht, dann dürfte das stimmen.“
Erst im Aufzug ergriff Spock ihren Arm. „Riorwan, was ist das in Wirklichkeit? Das kann niemals funktionieren.“
Nur einen Moment zögerte sie: „Es wird nach wenigen Minuten explodieren. Mehr nicht, doch das Schiff wird geschützt sein. Bitte glaube mir.“
Spock starrte sie an, dann nickte er. „Du hast viel erreicht in den Jahren.“
Sie nickte. Er strich ihr leicht über den Arm. „Von mir wird niemand etwas erfahren.“
„Kannst du das tatsächlich für dich behalten? Ich möchte nicht, dass du in Schwierigkeiten kommst.“
Spock nickte. „Ich weiß offiziell nichts und ich möchte auch keine Auskünfte von dir.“
Sie lächelte verständnisvoll.
„Wie kommst du dort wieder heraus?“
Ihre völlige innerliche Sicherheit beruhigte ihn jedoch sofort, noch ehe sie antwortete: „Der Kerl hat keine Chance. Ich habe nur Angst um dich. Spock, du musst meine Zelle durchsuchen. Es ist wichtig. Und suche gründlich.“
Er sah sie fragend an. Sie lächelte trotz ihre Anspannung. „Es ist durchaus glaubhaft, dass ich unter diesen Umständen etwas vergesse. Es wird euch helfen.“ Sie umarmte Spock, der kurz ihre Schultern drückte. „Pass auf dich auf, Tikorveen.“
Sie traten auf die Brücke. „Captain. Ich habe versprochen, brav zu sein. Doch unter diesen Umständen werden Sie verstehen, dass ich mich nicht zur Erde bringen lassen kann. Ich sorge dafür, dass der Klingone verschwindet. Ihr Antrieb ist beschädigt, aber Sie werden die Erde erreichen können.“
James Kirk nickte.
„Noch eine Minute“, warf Spock ein.
„Lieutenant Uhura, stellen Sie die Verbindung zu Kerlog her.“
Der Kommandant wartete schon ungeduldig. „Nun, sind Sie endlich bereit?“
The Phantom nickte. Kirk beobachtete, wie sie zu flackern begann, dann war sie verschwunden. Gleichzeitig wurde der Bildschirm dunkel.
The Phantom materialisierte. Ihre Sinne erkannten die Energien der Laserkanonen und formten sie zu einem starken Schutzschirm für die Enterprise um. Einen kleinen Teil Energie zog sie jedoch an sich und richtete sie auf die Wachposten, die sie umstanden. Die Männer sanken zu Boden. Dann rannte sie zur Zentrale, immer darauf bedacht, den Schutzschirm aufrecht zu halten. Wie ein Wirbelwind brach sie dort ein. Der klingonische Kommandant starrte sie verblüfft an. Die Wachen hatten Befehl erhalten, die Frau sofort einzusperren. Wie kam sie hierher?
The Phantom machte eine schleudernde Bewegung mit der Hand, fast gleichzeitig explodierte ein Teil der Kontrollen. Die Männer und Frauen davor schrien auf und warfen sich zu Boden.
Auf der Enterprise blickten alle gespannt auf den Bildschirm. Sie hatten die blasse Lichterscheinung gesehen, die bei einem Laserbeschuss auftrat. Doch das Schiff hatte sich kaum geschüttelt. Die Schirme hielten tatsächlich. Ungläubig sah Kirk, wie der Kreuzer sich langsam drehte, Fahrt aufnahm und von der Enterprise entfernte.
Spock blickte dem Schiff hinterher, das Gesicht unergründlich. ‚Pass auf dich auf, Riorwan‘. Sein vulkanisches Erbe revoltierte fast bei dem Gedanken. Es war völlig unlogisch, die Entfernung war viel zu groß, als dass sie ihn empfangen konnte. Doch irgendwie spielte es auch gar keine Rolle, es war nur wichtig, diesen Gedanken zu denken und ihr hinterher zu schicken.
Am nächsten Tag betrat Spock Jims Kabine. „Captain. Ich habe Sa-Roons Zelle überprüft. Und dies hier gefunden.“ Er legte einen Speicherkristall auf den Tisch.
„Was ist das?“
„Es war noch in dem Computer.“ Spock zögerte, dann entschloss er sich, die Wahrheit zu sagen: „Sie sagte mir, ich solle die Zelle gut durchsuchen. Sie wollte, dass wir dies finden. Sie meinte, es sei glaubhaft, dass sie es vergessen hätte.“
Langsam griff Jim danach und wog es in der Hand. „Haben sie es sich schon angesehen?“
Spock verneinte.
„Nun, dann wollen wir mal sehen.“
Obwohl Jim schon bald überfordert war, sah er fassungslos auf die Messwerte und Gleichungen. Spock dagegen war fasziniert. Mit diesen Daten würden die Ingenieure die neuen Generatoren weiterentwickeln können.
„Wie zum Teufel ist sie an die Messwerte gekommen? Der Computer war völlig von den Schiffssystemen abgekoppelt.“
Spock zog es vor, darauf nicht zu antworten. Gleichgültig, wem er Loyalität schuldete, das Geheimnis seiner Schwester würde er niemals aussprechen. Ganz egal, was daraus wurde.
Jim Kirk stieß die Tür auf und trat tief einatmend hinaus in die Nacht. Die frische Luft tat gut. Hinter ihm folgten Leonard McCoy und Spock. Der Arzt lachte immer noch leise. „Sie war tief enttäuscht, Jim.“
„Kann ich etwas dafür, dass sie Spock nicht als Vulkanier erkannt hat?“, verteidigte der sich grinsend. „Spock, Sie hätten auch etwas zuvorkommender sein können.“
Der zog nur die Augenbraue empor. „Das wäre völlig unlogisch gewesen, Captain. Und Sie wissen, dass ich in diesen emotionalen Dingen anders reagiere als Sie.“
„Anders ist gut“, brummte Pille, „überhaupt nicht, wäre richtiger.“
Gut gelaunt schlenderten die drei die Straße hinunter. Oder vielmehr, Jim und Pille schlenderten. Spock marschierte wie immer aufrecht und korrekt.
„Herrje, Spock, haben Sie keinen Freizeitmodus? Wir sind hier in Dogarem, einem Vergnügungsviertel. Entspannen Sie sich doch mal.“
Das einzige Ergebnis auf McCoys Beschwerde war, dass Spock seine Schritte etwas verlangsamte.
„Wohin?“
„Gehen wir am Fluss entlang zurück. Die Gegend hat mir gefallen.“ Jim wartete nicht auf eine Zustimmung, sondern wandte sich in die Richtung. Nach eine Weile gab es keine Beleuchtung mehr. Die Männer gingen langsamer, der Weg war in der Dunkelheit kaum noch zu erkennen.
„Blödsinnige Idee, Jim. Wir werden noch im Wasser landen“, murrte Pille.
Jim nickte, am Tag war es hier richtig idyllisch gewesen, doch jetzt musste er dem Freund recht geben. Er seufzte: „Gehen wir den nächsten Weg wieder zurück zur Stadt.“
Eine Gestalt trat aus den Büschen, der Mann lachte leise: „Was haben wir denn hier? Fremde, die dumm genug sind, hier spazieren zu gehen.“ Er hob eine Waffe. Die drei erstarrten. Schlagartig erinnerten sie sich an die Warnung des Stadtführers. Die Innenstadt mit den Vergnügungsvierteln war sicher. Doch sie sollten es vermeiden, nachts in die Außenbezirke zu gehen. Seit einiger Zeit hatten sich dort kriminelle Banden gebildet, derer man noch nicht Herr geworden war.
Verdammt, keiner von ihnen hatte noch daran gedacht!
Kirk knurrte: „Sie sind zu spät dran, Mister. Ihre Kollegen in den Lokalen haben uns schon unser Geld abgenommen.“
„Wer sagt, dass ich Ihr Geld will – Captain James T. Kirk. Es gibt Leute, die einen hübschen Preis für Ihren Kopf bezahlen. Sie müssen jemanden gewaltig geärgert haben, bei dem Kopfgeld. Und ich kann es gut gebrauchen.“
Spock und McCoy traten vor Kirk, doch der Fremde lachte nur hämisch auf. „Ob ich einen oder drei umlege, ist mir völlig gleichgültig, Herrschaften.“
In diesem Moment zischte etwas und der Fremde sackte zusammen. Ehe die Männer reagieren konnten, trat ein weiterer dunkler Schatten aus dem Gebüsch. Die Person bückte sich und nahm die Waffe an sich. Der Fremde stöhnte auf und versuchte mühsam, wieder auf die Beine zu kommen. Als er aufsah, weiteten sich seine Augen vor Schreck.
„Phantom!“
Der Schatten lachte leise. „Wie schön, dass du mich erkennst, Michel. Ich habe eine Botschaft für Llorgass.“
„Ich kenne keinen Llorgass“, beteuerte der Mann.
„Lüg nicht“, ihre Stimme klang drohend und der Fremde zuckte zusammen. „Sag ihm, die Offiziere der Enterprise sind für ihn tabu. Sonst werde ich ihm einen Besuch abstatten. Verstanden?“
Verschüchtert nickte der Mann.
„Und jetzt verschwinde, bevor ich es mir anders überlege und es ihm selbst sage. Dann bräuchte ich dich nämlich nicht mehr.“
„Nein! Ich sags ihm.“
The Phantom machte eine winzige Bewegung und der Mann stöhnte vor Schmerz auf. „Hau ab!“ Stolpernd rannte er davon.
Kopfschüttelnd wandte sie sich dann den Dreien zu. „Sagen Sie mal, sind Sie wahnsinnig, hier nachts einfach so herumzulaufen? Hat man Sie nicht gewarnt, dass diese Gegenden nicht sicher sind?“
„Hat man“, gab Kirk zu. „Wir haben nicht daran gedacht. Danke für die Hilfe. Aber was machen Sie hier? Sind Sie vielleicht der Grund, warum es hier nicht mehr sicher ist?“
Die Frau lachte leise. „Einer der Gründe, wie ich zugeben muss. Kommen Sie, ich bringe Sie zur Stadt zurück.“
Verwundert folgten sie ihr.
„Warum helfen Sie uns?“
„Können Sie noch ein wenig dämlicher fragen, Doktor? Was glauben Sie wohl?“
Spock schwieg. Er war noch viel zu erschrocken. In Sa-Roons Gedanken konnte er eine unglaubliche Gewaltbereitschaft spüren. Einen Moment lang hatte er befürchtet, sie würde den Mann töten. Erst jetzt wurden ihre Gefühle wieder ruhiger.
„Was machen Sie hier auf Dogar?“
„Captain, glauben Sie tatsächlich, ich gebe Ihnen darauf eine Antwort?“ Sie wandte sich um und lächelte die Männer an. „Gehen Sie weiter in diese Richtung. Es wird nichts mehr passieren. In wenigen Minuten haben Sie die Innenstadt wieder erreicht. Seien Sie nicht mehr so leichtsinnig. Wenn ich nicht zufällig erfahren hätte, dass Llorgass einen Kopfgeldjäger ausgeschickt hat, wären Sie jetzt tot.“
„Wer ist Llorgass?“
Sa-Roon lachte auf. „Sie wissen nicht einmal, was Sie getan haben? Captain, Sie haben vor drei Wochen ein Piratennest ausgehoben.“
Kirk nickte. „Moment mal. Das waren, nach unseren Informationen, Ihre Leute, ‚Phantom‘.“ Er betonte den Namen, unter dem sie der Öffentlichkeit bekannt war.
Die Frau sah ihn verwundert an. „Meine Leute? Ich versichere Ihnen, ich ziehe es vor, alleine zu arbeiten. Nein, Llorgass hatte dieses Pack beauftragt, die Frachterlinie zwischen Zomal und Trioran abzugreifen.“
Noch ehe sie fertiggesprochen hatte, warf sie sich ohne Vorwarnung auf die Männer. Alle vier stürzten zu Boden. Jim spürte eine Hitzewelle über sich, erst danach hörte er das typische Zischen einer Phasorwaffe. Die Männer rollten sich instinktiv weiter unter die Büsche.
Nur Sa-Roon blieb einfach liegen und sah auf die andere Seite. Jim konnte keine Waffe erkennen, doch in etwa fünfzehn Metern fingen die Pflanzen plötzlich an zu brennen. Ein ersticktes Röcheln brach abrupt ab. Dann konnte man rennende Schritte hören, mehrere Personen flohen offensichtlich.
Sa-Roon hob die Hand und blasse Lichtfinger zuckten durch die Dunkelheit. Drei Schreie erklangen. Jim Kirk starrte entsetzt nach vorne. „Verdammt, hören Sie auf! Die Leute fliehen doch.“
„Jetzt nicht mehr. Sie sind tot. Niemand greift mich einfach so an.“
Spock versuchte, ihre Augen zu erkennen und trat vor.
„Stehenbleiben!“
Noch immer klang ihre Stimme anders als sonst, gepresst und seltsam drohend. Eine entsetzliche Furcht erwachte in Spock. Konnte diese schreckliche Vermutung seines Vaters stimmen? Er musste ihre Augen sehen!
Doch Sa-Roon wich zurück in die Dunkelheit. „Geht jetzt! Los!“ Dann war sie verschwunden.
Jim Kirk sah den Freund gespannt an. Pille schob ihm eine Schreibfolie hinüber. Der Captain las die Zeilen und seufzte: „Spock erfährt das bestimmt auch. Pille, kann das wirklich sein?“
Der nickte bekümmert. Seit zwanzig Monaten – seit Sa-Roon auf derart spektakuläre Weise aus der Enterprise verschwunden war – sorgte er dafür, dass er jeden Bericht über The Phantom erhielt. In letzter Zeit wurden die Übergriffe der Frau immer gewalttätiger.
Vor wenigen Tagen hatte sie erneut zugeschlagen. Der Bericht, den Dr. McCoy erhalten hatte, enthielt alle Einzelheiten. Vermutlich hatte es zwei Tote gegeben. Man hatte deren Blut gefunden, aber keine Leichen. Inzwischen befürchtete man, dass alle Personen, die im Laufe der Jahre bei Überfällen durch ‚The Phantom‘ verschwanden, in Wirklichkeit ermordet worden waren. Es schien ein Markenzeichen von ihr zu sein, dass niemals Leichen gefunden wurden.
Diese Entwicklung passte leider sehr gut zu den Informationen, die Dr. McCoy vor einiger Zeit erhalten hatte. Unbekannte hatten ihm einen bisher geheimen Bericht zugespielt. Einige Zeilen waren dabei gelegen, die erklärten, man sei zu dem Schluss gekommen, dass er über gewisse vulkanische Eigenheiten informiert werden müsse.
Pille erfuhr, dass es bei Vulkaniern eine bestimmte Form geistiger Erkrankung gab: Es wurde Sirtuang genannt. Das vulkanische Gehirn war empfindlich. War jemand einer Situation ausgesetzt, die die geistige Aufnahmefähigkeit überstieg, konnte das Gehirn geschädigt werden. Insbesondere seelische Qualen konnten der Auslöser dafür sein. Die Schädigung begann langsam und unmerklich, führte im Lauf mehrerer Jahre jedoch zu immer stärkerer Unbeherrschtheit und Gewalttätigkeit. Der Kranke konnte die ruhige Gefühllosigkeit der Vulkanier nicht mehr aufrechthalten und fiel in die vorgeschichtliche Mentalität zurück. Und die frühen Vulkanier waren entsetzlich gewesen. Es hatte nicht viel gefehlt und sie hätten sich durch ihre Gewaltbereitschaft selbst vernichtet. Die Krankheit führte zum Wahnsinn und schließlich zum Tod. Und es gab keine Heilung!
Die geheimnisvolle, vulkanische Vereinigung, die seit Jahren versuchte, die Opfer des Phantoms zu entschädigen, war davon überzeugt, dass Sa-Roon an dieser Krankheit litt – ausgelöst durch das erzwungene Ritual Ling Poor. Zu spät sei erkannt worden, dass man das junge Mädchen niemals diesem Ritual hätte aussetzen dürfen.
„Wie wird es weitergehen?“
„Das weiß niemand. Sie ist keine Vollvulkanierin. Ein Vulkanier wäre schon vor Jahren wahnsinnig geworden. Bei ihr scheint die Krankheit langsamer zu verlaufen. Aber die Berichte über sie sind eindeutig. Immer wieder kommt es zu unglaublichen Gewaltausbrüchen. Die Villa dieses Geschäftsmannes hat sie zum Beispiel völlig zerstört.“
„Sie ist krank. Sie ist dafür nicht verantwortlich. Pille, gibt es keine Möglichkeit, sie in Gewahrsam zu nehmen und ihr zu helfen?“
Der Arzt schüttelte bedauernd den Kopf. „Ich habe alles nachgeschlagen, was es über diese Schädigung zu erfahren gibt. Es gibt keine Heilung, keine Hilfe. Und ob Sa-Roon verantwortlich für ihre Taten ist, wird derzeit noch überprüft. Die Gerichte sind nicht davon überzeugt, dass die Vermutung der Vereinigung stimmt.“
Der Captain legte die Schreibfolie zurück. „Spock wird sich nichts anmerken lassen. Wir können nichts tun, wie?“
„Nein, Jim. Ich fürchte nicht.“
Die Enterprise war ein Staubkorn im Nichts. Weit von jedem Sonnensystem entfernt glitt das Schiff durch die Unendlichkeit. Auf der Brücke herrschte Ruhe. Fast gelangweilt betrachtete Jim den großen Hauptbildschirm. Es würde noch mehrere Tage dauern, bis sie das Lovenus-System erreichten. Er ließ die Schultern kreisen und wollte gerade aufstehen, als ihn eine unsichtbare, gewaltige Faust traf. Fast wäre er aus dem Kommandosessel gefallen. Nur die automatischen Schutzfelder hielten ihn fest. Schreie erklangen, gleichzeitig fiel das Licht aus. Misstönend und schrill gellte der Alarm durch die Zentrale. Nur wenige Sekunden später flackerte die Notbeleuchtung. Noch immer schrillte der Alarm.
„Was ist passiert? Statusbericht!“, verlangte Kirk.
„Irgendetwas hat uns getroffen.“
„Geht es genauer?“
„Nein, Captain. Die Sensoren haben nichts erfasst.“
Das normale Licht ging wieder an, der Alarm verstummte. Jim rieb sich die schmerzende Schulter. Dann sah er Spocks starren Blick.
„Captain!“ Der Vulkanier nickte in Richtung der erhöhten Galerie hinter dem Kommandosessel.
Lt. Uhura stieß einen kurzen, erschrockenen Schrei aus. Jim wandte sich um und riss die Augen auf. Auf der Galerie stand eine Frau: Sa-Roon.
„Wie sind Sie …“, er verstummte, als er die Waffe in ihrer Hand erblickte.
„Stehen Sie auf! Los!“
Langsam erhob Kirk sich. Die Waffe bedeutete ihm, beiseite zu gehen. Er schnappte nach Luft, als die Bedienkonsole in den Armlehnen seines Sessels durch einen gezielten Schuss in Flammen aufging.
„Stehenbleiben!“
Spock stoppte mitten im Schritt. Forschend sah er Sa-Roon an. Doch so sehr er es versuchte, er konnte nichts von ihr empfangen. Kein Gefühl, kein Gedanke erreichte ihn. Blockte sie sich ab oder gab es die vertraute Verbindung zwischen ihnen nicht mehr? Was war in den vergangenen Monaten mit ihr, mit ihrem Gehirn, geschehen? Aber ihr Blick war noch immer genauso offen und warm wie früher.
„Die Waffe ist so eingestellt, dass sie einen Vulkanier stoppen kann, ohne ihn zu verletzten. Und ich werde abdrücken.“
Gleichzeitig empfing Spock – endlich – etwas von ihr. Beinahe hätte er die Stirn gerunzelt. Es war fast, als würde sie ihn um Entschuldigung bitten. Spock warf einen Blick zu seinem Captain.
„Machen Sie keine Dummheiten, Spock. Bleiben Sie, wo Sie sind. Sa-Roon, was zum Teufel soll das hier bedeuten?“
Die Frau blickte ruhig und gelassen zu Kirk. „Captain, ich möchte mit Ihnen sprechen. In zehn Minuten im kleinen Konferenzraum. Bringen Sie mit, wen immer Sie möchten. Ach ja, zu Ihrer Information: Ihr Funksystem funktioniert nicht mehr. Auch die Auswurfschächte sind blockiert. Nur falls es Ihnen in den Sinn kommen sollte, eine Nachrichtenboje abschicken zu wollen. Die Zeit sollte reichen, um Ihnen zu beweisen, dass das Schiff lahmgelegt ist.“
Mit wenigen Schritten rückwärts erreichte sie den Aufzug und verschwand darin. Sprachlos sah Jim ihr hinterher. Kopfschüttelnd sah er dann auf die noch immer rauchende Konsole an seinem Sessel.
„Lieutenant Uhura?“
Diese beugte sich schon über ihre Kontrollen. Eilig glitten ihre Finger über die Tasten. Dann wandte sie sich ratlos um. „Es tut mir leid, Captain. Aber sie hat recht. Ich kann keine Funkverbindung aufbauen. Nur die schiffsinterne Kommunikation funktioniert noch.“
Jim nickte grimmig. „Fragen Sie im Maschinenraum nach, was dort noch läuft. Spock, was ist mit Ihren Geräten?“
Der schüttelte den Kopf. „Die Sensoren sind tot, Captain. Wir sind sozusagen blind.“
„Captain! Mr. Scott meldet, dass im Maschinenraum schlagartig alle Generatoren ausgefallen sind.“
„Blind, bewegungslos und stumm. Verdammt! Hat Scotty eine Ahnung, was geschehen ist? Oder, wie er den Antrieb wieder in Gang bekommt?“
Uhura schüttelte den Kopf. „Er ist völlig ratlos, Sir. Wie kann sie das gemacht haben? Energie muss doch noch da sein. Die Lebenserhaltungssysteme funktionieren wieder einwandfrei.“
„Fragen Sie mich nicht“, brummte Kirk.
„Captain, die zehn Minuten sind bald um. Vielleicht …“, Spock beendete den Satz nicht. Jim nickte und wandte sich wieder an Uhura.
„Rufen Sie Mr. Scott in den kleinen Konferenzraum, ebenfalls Dr. McCoy. Spock, Sie kommen natürlich ebenfalls mit. Lieutenant Zulu, Sie übernehmen so lange das Kommando.“
„Ja, Sir.“
Die vier Männer betraten den kleinen Raum. Die Frau stand an der gegenüberliegenden Wand und nickte kurz. Ihre Hände lagen an einem seltsamen Gürtel. Jim war sich sicher, dass dort Geräte verborgen waren, die sie vor einem eventuellen Angriff schützen würden. Sie setzten sich schweigend an den Tisch.
Jim ergriff das Wort: „Was soll dieser Überfall? Was wollen Sie damit erreichen?“
„Sie haben sich davon überzeugt, dass das Schiff sozusagen stillgelegt ist?“
Jim nickte wütend. Einen Moment blickte die Frau ihn stumm an, dann seufzte sie auf. „Captain, ich versichere Ihnen, mir macht diese Situation keinen Spaß. Wenn es eine andere Möglichkeit gäbe, mein Vorhaben durchzuführen, wäre ich nicht hier.“
„Und was wollen Sie durchführen?“
„Ich benötige Ihr Schiff.“
Kirk runzelte die Stirn. Sa-Roon sprach rasch weiter: „Oh, ich kenne Ihre Befehle, Captain. Auch den Paragraph dreihundertdreizehn. Ich werde nicht zulassen, dass Sie das Schiff vernichten.“
Kirk verstand plötzlich, weshalb sie die Konsole am Kommandosessel zerstört hatte. Dort war eine der beiden Selbstvernichtungsanlagen des Schiffes installiert. Er presste die Zähne aufeinander. Wusste sie, wo die zweite Anlage war?
„Was wollen Sie genau?“
„Es gibt meines Erachtens zwei Möglichkeiten, Captain.“
„Ich höre.“
Ein klein wenig lächelte sie, fast als würde sie um Verzeihung bitten. „Ich übernehme das Kommando. Ich benötige zehn Tage, um ein bestimmtes System zu erreichen. Dort werde ich Ihre Mannschaft und Sie aussetzen. Keine Sorge, es ist nicht schwierig, dort zu überleben. Das Klima ist warm, es gibt keine Gefahren und ausreichend essbare Pflanzen und Tiere. Sie werden dort einige Wochen ausharren müssen. Dann werde ich Ihnen das Schiff wieder übergeben. Möglichkeit eins: Sie leisten Widerstand oder versuchen es zumindest. Dafür hätten Sie zehn Tage Zeit.“
Sie runzelte leicht die Stirn. „Allerdings muss ich zugeben, dass ich des Öfteren die Beherrschung verliere, wenn ich wütend werde. Und wenn ich feststelle, dass Sie oder irgendjemand hier an Bord versucht, mich zu behindern oder gar anzugreifen, werde ich einige Ihrer Leute töten. Jedes Mal. Sagen wir zehn oder zwanzig. Wahllos. Was glauben Sie, wie viele Ihrer Leute dann noch in zehn Tagen leben werden?“
Jim Kirk war bleich geworden. Diese Frau sprach völlig gefühllos davon, Massenmord zu begehen. „Sie müssen verrückt sein“, stieß er hervor.
Ganz kurz zuckte es in ihren Augen auf, Sa-Roon ballte die Fäuste, entspannte sie jedoch sofort wieder. Sie schluckte, dann sprach sie leise weiter: „Ich versichere Ihnen, dass ich vollkommen klar denke. Ihnen sollte jedoch bekannt sein, dass ich ziemlich skrupellos bin. Allerdings, Captain, aus – gewissen – Gründen würde ich gerne verhindern, dass ich Ihre Mannschaft umbringe. Deshalb biete ich Ihnen eine zweite Möglichkeit an. Vielleicht ist es Ihnen möglich, darüber nachzudenken.“
„Welche?“
„Nun, das Verfahren bleibt eigentlich gleich. Sie verzichten jedoch auf Widerstand. Bleiben Sie einfach passiv und sorgen Sie dafür, dass auch Ihre Mannschaft sich ruhig verhält. Dann braucht niemand zu sterben. Ihre Mannschaft wird in zehn Tagen ausgesetzt. Sie und einige Ihrer Offiziere, die Auswahl überlasse ich Ihnen, können an Bord bleiben. Natürlich unter der Voraussetzung, dass Sie sich weiterhin nicht gegen mich stellen. Damit hätten Sie eine gewisse Kontrolle über das Schiff. Und Sie erfahren, wohin ich will und was ich vorhabe.“
Nachdenklich sah der Captain sie an, sah die Anspannung in ihrem Gesicht. Immer wieder ballten sich ihre Hände zusammen.
„Geben Sie uns Bedenkzeit.“
Sa-Roon nickte langsam. „Zwei Stunden, Captain. In zwei Stunden finden sie mich wieder hier. Dann möchte ich Ihre Entscheidung hören.“
Mit raschen Schritten strebte sie zur Tür. Als sie hinausging, sah Jim gerade noch, wie sie die Hand zum Mund führte.
„Scotty, können Sie versuchen, das Schiff in zwei Stunden wieder flott zu machen?“
Der wiegte den Kopf zweifelnd hin und her. „Captain, wenn ich irgendeine Ahnung hätte, weshalb die Maschinen nicht reagieren, würde ich sagen, ja. Aber so? Ich habe alles überprüft. Die Maschinen arbeiten fehlerfrei, geben aber keine Energie ab. Ich habe keine Ahnung, was diese Frau da ausgeheckt hat. Aber ich versuche es natürlich.“
Jim nickte und Scott verließ eilig den Raum. Jim blickte von Pille zu Spock.
„Ich werde versuchen, mit ihr zu sprechen“, Spock sprach stockend.
„Spock, das …“
„Ich muss wissen, was sie gerade geschluckt hat.“
„Was befürchten Sie?“
Spock schluckte. „Es gibt eine Art Medikament. Es ermöglicht eine gewisse Beherrschung von Emotionen.“
Pille sah ihn erschrocken an. „Relomanitiv. Aber das hat verheerende Nebenwirkungen.“
Spock nickte. Jim sah beide fragend an. Der Vulkanier senkte leicht den Kopf. „Sie wissen, was mit ihr ...“
Jim nickte hastig. „Was ist das für ein Zeug?“
„Es wurde entwickelt, um starke Emotionen einzudämmen. Es wirkt, allerdings darf es nur sehr kurzzeitig eingenommen werden. Ansonsten werden Herz und Nieren dauerhaft geschädigt.“ Pille kam Spock zuvor.
„Sie versucht, nicht die Beherrschung zu verlieren“, murmelte Jim. „Glauben Sie tatsächlich, dass sie ihre Drohung wahrmacht?“
„Wenn sie die Kontrolle über sich verliert … ja“, bestätigte Spock heiser.
Zwei Stunden später tauchte Sa-Roon wie aus dem Nichts heraus wieder auf. Niemand wusste, wo sie gewesen war. Spock trat auf sie zu. Eine Kopfbewegung brachte ihn jedoch sofort zum Stehen. Ihre Gedanken baten ihn, sie nicht anzusprechen. Doch mehr konnte er nicht von ihr empfangen.
Jim Kirk blickte die Frau durchdringend an, versuchte in ihrem Gesicht zu lesen. Zu seiner Erleichterung wirkte Sa-Roon weitaus gelassener als vorher. Ihre Hände waren ruhig. Sie sah Kirk fragend an.
„Ich nehme Ihr Angebot an.“
Er wartete einen Moment ab. Sie lächelte leicht und nickte.
Jim sprach leise weiter: „Sa-Roon. Niemand von uns ist Ihr Feind. Sie brauchen …“
„Es ist besser, wenn Sie jetzt nicht weitersprechen.“ Ihre Stimme war eiskalt.
Spock trat einen Schritt vor. „Gibst du mir eine Antwort?“
Sie starrte ihn an. Es war das erste Mal, dass Spock sie vor anderen duzte. Sie schluckte. Es zerriss sie fast, in seine dunklen Augen zu sehen – die verzweifelte Sorge darin zu erkennen. Sie senkte den Blick. Sie durfte ihm die Wahrheit nicht sagen. Doch es schmerzte fürchterlich, ihn so zu sehen. Gab es denn keine Möglichkeit, gar keine, ihm irgendwie einen Fingerzeig zu geben?
Jim beobachtete sie gespannt. Sie schien mit sich zu kämpfen. Mehrmals schien es, als wolle sie sprechen. Dann hob sie plötzlich den Kopf. Mit großen Augen sah sie Spock an.
„Erinnerst du dich noch an unsere Rätselspiele früher?“
Irritiert nickte der Vulkanier.
„Dann hör gut zu und versuche, es zu lösen: Zwei und Zwei – ergibt Fünf.“
Spock runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf.
„Löse es, Spock. Und glaube daran“, flüsterte sie eindringlich. Dann straffte sie sich. „Captain, begleiten Sie mich zur Brücke. Ich gebe Ihnen den Kurs für die nächsten Tage.“
Sechs Tage lang ging alles gut. Sa-Roon wirkte meist ruhig, doch manchmal begannen ihre Augen zu flackern. Spock beobachtete sie dann immer mit Argusaugen und Jim sah, wie der Freund immer unruhiger wurde. Der Vulkanier war frustriert. Sa-Roon versuchte zwar, sich ihm gegenüber ruhig und wie früher zu geben, doch er erkannte immer wieder die Anzeichen, dass sie schwere, innere Kämpfe auszufechten hatte. Immer wieder nahm er telepathischen Kontakt mit ihr auf. Sie bemühte sich sichtlich, ihn davon zu überzeugen, dass sie in Ordnung sei. Jeden Versuch, mit ihr über die Krankheit – das Sirtuang – zu sprechen, blockte sie jedoch rigoros ab.
„Captain!“
Kirk lauschte stirnrunzelnd auf die leise Stimme im Lautsprecher. „Lieutenant Firgon, was ist los?“
„Können sie zum Fitnessraum kommen, Sir? Sofort?“
„Was ist los?“
„Bitte, Sir. Niemand wagt sich hinein. Diese Frau – vielleicht wäre es besser, wenn auch Dr. McCoy käme. Sie sieht schrecklich aus.“
Ein Blick in das Gesicht seines Ersten Offiziers genügte Jim. „Wir kommen.“ Er drückte einen anderen Knopf. „Pille, komm bitte sofort zum Fitnessraum.“
Sie kamen gleichzeitig an. Lieutenant Firgon zeigte in den Raum. Sa-Roon befand sich vor dem größten Sandsack. Sie schlug und trat in einer geradezu wahnwitzigen Geschwindigkeit darauf ein. Der Schweiß floss ihr in Strömen über den Körper.
„Seit wann treibt sie das?“
„Seit über einer Stunde, Sir. Und sie knurrt jeden an, der sich in den Raum wagt.“
„Danke, Lieutenant. Gehen Sie jetzt bitte.“
Als der Arzt den Raum betreten wollte, wurde er von Spock zurückgehalten. „Nein, Doktor. Sie wird nicht auf Sie hören. Sie riskieren, dass sie angegriffen werden. Ich werde mit ihr reden.“
Pille sah ihn zweifelnd an. „Sie hat sich bisher sehr friedlich verhalten.“
Spock nickte, er hatte Mühe, seine Sorge zu verbergen. „Sie hat keine Kontrolle mehr über sich, fürchte ich.“
Langsam trat er in den Raum hinein. Ein bösartiges Knurren erklang: „Raus!“
„Riorwan! Willst du dich umbringen? Hör auf!“ Spock versuchte, sie telepathisch zu erreichen, konnte jedoch nichts spüren. Langsam ging er näher.
„Geh weg!“
„Riorwan. Sieh mich an.“ Er legte ihr eine Hand auf die Schulter, spürte das Zucken der Muskeln und wartete.
Sie atmete keuchend, hörte aber wenigstens auf, auf den Sandsack einzuschlagen. Ganz langsam hob sie den Kopf und sah ihn an. Spock erschrak vor dem Glimmen in ihren Augen, wandte den Blick jedoch nicht ab. Dann ‚hörte‘ er sie endlich. ‚Tikorveen. Du hättest nicht kommen sollen.‘
‚Du brauchst Hilfe.‘ Zu seinem Erstaunen spürte er ein Lächeln in ihr.
‚Aber nein. Ich bin in Ordnung.‘
Erleichtert bemerkte er, wie das Glimmen in ihren Pupillen erlosch. Sie lehnte sich an die Wand, immer noch schwer atmend. Aber sie lächelte. Leise, fast flüsternd kamen die Worte: „Schon gut. Es ist nichts passiert. Ich gehe duschen und alles ist gut.“
Sie legte eine Hand auf seine Brust und er konnte tatsächlich ihre innerliche Ruhe spüren. Obwohl er wusste, dass jede seiner Bewegungen gesehen wurde, hob er die Hand, mit zwei Fingern strich er seiner Schwester leicht über die Wange. Sie zögerte nicht, hob ihre eigene Hand und ihre Finger verwoben sich – wie als Kinder, wenn sie sich gegenseitig Hilfe und Trost gegeben hatten, weil die Forderungen, die an sie gestellt worden waren, oftmals so schwer zu erfüllen gewesen waren.
Am nächsten Tag strebte Jim Kirk eilig und sorgenvoll den Gang zum Fitnessraum entlang. Sa-Roon war seit geraumer Zeit nicht mehr gesehen worden und er befürchtete, dass sie sich wieder dort aufhielt. Plötzlich trat Pille aus einem Nebengang. Er legte den Finger auf den Mund und winkte ihn heran. Dann deutete der Arzt nach rechts. Jim sah vorsichtig um die Ecke. Spock stand dort, die Hände auf Sa-Roons Schultern.
„Ich will dir helfen.“
Ganz langsam hob sie die Hand, seine Finger woben sich automatisch um die ihren. Sie lächelte, lehnte sich kurz an ihn und genoss seine Nähe. Dann hob sie den Kopf. „Du kannst mir nicht helfen, Spock. Und es ist auch nicht nötig. Bitte, lass die Logik aus dem Spiel und glaube einfach daran. Bitte, Spock. Ich liebe dich und ich werde dich immer lieben, egal was geschieht.“
Ihre Worte lösten einen kleinen, gemeinen Stich in Jim Kirks Brust aus. Auf sich selbst wütend biss er sich auf die Lippen. Er hatte es doch gewusst, hatte sich immer gegen die Faszination, die diese Frau auf ihn ausübte, gewehrt. Sehr vorsichtig zog sich Jim zurück und blickte Pille an. Leise wandten sie sich um und gingen zurück. Spock würde mit Sicherheit nicht wollen, dass es für diese liebevolle Szene Zeugen gab.
Keine Stunde später rastete Sa-Roon aus. Jim Kirk kam gerade noch rechtzeitig dazu, um zu sehen, wie sie einen jungen Fähnrich angriff. Mit unvorstellbarer Wucht schleuderte sie ihn gegen die Wand. Der Junge brach zusammen und Sa-Roon richtete den Laser auf ihn.
„Nein!“ Jim sprang dazwischen „Nicht! Hören Sie auf! Niemand greift Sie an!“
Ungläubig sah er, wie sich ihre Augen veränderten. In den schwarzen Pupillen schien ein Feuer aufzuglimmen. Das Gesicht, gerade noch rot vor Wut, wurde starr, wirkte jetzt aber unheimlich verzerrt.
„Krepieren Sie!“, zischte sie und hob die Waffe.
Mit einem schnellen Schritt trat Spock vor Jim.
„Spock. Nein.“
„Schweigen Sie“, stieß Spock hastig hervor. „Riorwan! Sieh mich an!“, beschwörend sah er seine Schwester an. „Riorwan, kämpfe dagegen an. Das bist du nicht. Werde wieder du selbst.“
Niemand wagte zu sprechen oder sich zu bewegen. Die Waffe war aufgeladen und entsichert. Die leiseste Bewegung ihrer Hand würde Spock töten. Sa-Roon blickte ihn an, als sähe sie einen völlig Fremden.
„Geh beiseite“, selbst ihre Stimme klang starr und fremd.
„Riorwan. Du brauchst nicht zu töten. Sieh mich an.“
Sekundenlang starrte sie in Spocks Augen, dann erlosch das seltsame Glimmen in ihren Pupillen. Ihr Gesicht verlor die Starrheit, sie begann keuchend zu atmen. Sie blinzelte, dann schien sie Spock endlich zu erkennen. Sie senkte die Waffe.
„Tikorveen. Bist du wahnsinnig? Willst du, dass ich dich angreife?“, flüsterte sie.
„Nein. Das hättest du nicht.“ Langsam trat Spock auf sie zu. Sie ließ die Waffe fallen und lehnte sich an ihn.
Einen Moment durchzuckte Jim der Gedanke, dass dies endlich eine Möglichkeit wäre, sie zu überwältigen. Doch er bewegte sich nicht.
Dann hob die Frau den Kopf wieder und sah Spock liebevoll an. „Nein, ich hätte dich nicht angegriffen. Das werde ich niemals. Jeden anderen, aber nicht dich.“
Sie wandte sich Jim Kirk zu. Ihre Augen wurden wieder kalt. „Schaffen Sie mir diesen Idioten aus den Augen. Sonst töte ich ihn doch noch.“
Damit drehte sie sich um und ging eilig weg. Jim merkte erst jetzt, dass er die Luft angehalten hatte und stieß sie geräuschvoll aus. Er sah auf den Fähnrich, der noch immer totenbleich am Boden lag.
„Was ist geschehen?“
„Sir, es war eine Gelegenheit. Sie konnte mich nicht kommen sehen. Ich wollte sie betäuben. Aber die Strahlung wurde von irgendetwas abgelenkt.“
„Sie Trottel. Sind Sie vielleicht schon mal auf die Idee gekommen, dass die Frau einen Schutz um sich hat? Ist Ihnen der Gürtel an ihr nicht aufgefallen? Sehen Sie zu, dass sie ihr ja nicht noch einmal begegnen. Und jetzt gehen Sie ins Lazarett und lassen sich untersuchen. Vermutlich haben sie einige Prellungen.“
Er sah kurz dem humpelnden Fähnrich hinterher, ehe er sich dem Vulkanier zuwandte.
„Sie sind ein verdammtes Risiko eingegangen.“
„Nein, Captain. Ich wusste, dass ich sie zurückholen konnte.“
„Zurück?“
„Aus dem – Wahnsinn.“
Vier Tage später war die Enterprise ein Geisterschiff. Nur noch fünf Personen hielten sich dort auf: Captain James Kirk, Spock, Dr. McCoy und Commodore Scott. Und natürlich Sa-Roon. Kirk hatte widerspruchslos die Notschaltung aktiviert, die es ermöglichte, das Schiff mit derart wenigen Personen zu steuern. Zur Not hätte sogar eine einzige Person genügt, und Jim war sich bewusst, dass Sa-Roon diese Möglichkeit auch kannte.
Erstaunt bemerkten die Männer, dass Sa-Roon seit dem Absetzen der Mannschaft wesentlich ruhiger geworden war. Ihre Anspannung schien völlig verflogen zu sein. Sie sprach lächelnd, fast freundschaftlich mit den Männern. Jim kam die Situation manchmal geradezu unwirklich vor. Die Enterprise war geentert worden, sie selbst im Grunde genommen Gefangene dieser Frau. Dennoch saßen sie plaudernd zusammen in der Kantine und tranken Kaffee.
„Können Sie uns vielleicht jetzt endlich sagen, wohin wir eigentlich fliegen?“
„Haben Sie noch ein paar Tage Geduld, Captain.“ Sa-Roons Mundwinkel zuckten amüsiert. „Ich weiß, dass Geduld nicht zu Ihren größten Tugenden zählt. Aber im Moment ist es noch zu früh.“ Sie lächelte wieder. „Captain, ich weiß, dass Sie mir Passivität zugesichert haben. Ich glaube Ihnen. Aber gleichzeitig sind Sie Offizier, ich kenne Ihre Befehle – und den Offizierseid, den Sie geschworen haben. Und ich bin die Letzte, die von Ihnen oder Ihren Leuten verlangen wird, Ihren Eid zu brechen. Ich werde Ihnen erst dann genauere Auskünfte geben, wenn Sie absolut nichts mehr dagegen unternehmen können.“
Kirk war verblüfft. Dr. McCoy sah die Frau forschend an. Sie war eine seltsame Mischung aus gewissenloser Gesetzlosigkeit, erschreckender Gewaltbereitschaft und einem verblüffenden Verständnis für Loyalität und Ehrenhaftigkeit. Was davon war ihr eigener Charakter und was kam von dieser furchtbaren Krankheit?
Spock schwieg dazu. Er kämpfte noch immer mit dem Entsetzen über den Vorfall vor einigen Tagen. Bisher hatte er trotz aller Warnzeichen immer noch die leise Hoffnung aufrechtgehalten – auch wenn es nicht logisch war –, dass es eine andere Erklärung geben könne. Doch der Angriff auf den Fähnrich und der Beinahe-Angriff auf den Captain ließen keine Ausflüchte mehr zu. Es waren eindeutige Beweise für das Sirtuang – dieser gefürchteten Gehirnschädigung.
Im Moment war Sa-Roon wieder seine Schwester und geistig völlig klar. Doch diese Phasen, in denen sie sich veränderte und wahnsinnig wurde, würden immer öfter auftreten und immer länger andauern. Und irgendwann … Aber sie weigerte sich strikt, darüber zu reden. Bei diesem Gedanken angekommen, stellte Spock seine Tasse hart auf den Tisch.
Sa-Roon blickte zu ihm. Leise sprach sie ihn an: „Spock, mir geht es gut. Ich habe es dir versichert. Ich – brauche keine Hilfe. Bitte, Spock, glaube einfach daran. Egal, was deine Logik dir sagt.“
Sie machte keinen Versuch mehr, ihn wie einen Fremden zu behandeln. Die Männer wussten ohnehin Bescheid. Auch Spock hatte die scheinbare Reserviertheit ihr gegenüber vor den anderen abgelegt. Er würde die Vertrautheit und Verbundenheit mit ihr nie wieder leugnen. Seine dunklen Augen waren voller Wärme – und Sorge. „Sa-Roon.“
„Bitte, Spock. Mach dir keine Sorgen um mich. Löse mein kleines Rätsel und glaube einfach daran.“
Ihre mysteriösen Worte machten ihn verrückt. Wie sollte er ein derart unlogisches Rätsel lösen? Zwei und Zwei war eine absolut logische Gleichung und ergab nun einmal Vier – und nicht Fünf. Er brauchte Hilfe, diese Art Denken lag ihm nicht. Doch er kannte jemanden, der das Um-die-Ecke-Denken sehr gut beherrschte. Spock klopfte an die Tür des Captains.
„Herein.“
„Captain.“
„Spock. Kommen Sie herein. Was gibt es?“
„Captain. Jim, ich brauche Ihre Hilfe.“
Kirk zeigte auf einen Sessel. Wenn Spock seinen Vornamen benutzte, war es erstens sehr wichtig und zweitens sehr privat.
„Sie haben Sa-Roons Worte vor einigen Tagen gehört. Das Rätsel, das sie mir gab. Jim, ich beherrsche diese Art zu Denken nicht. Können Sie herausfinden, was sie damit meint?“
„Zwei und Zwei ist Fünf“, wiederholte Jim leise. „Ich kenne diesen Satz. Er hat eigentlich nur eine Bedeutung.“
Spock sah ihn erstaunt an. Für einen Menschen war dieses Rätsel so einfach? Jim schmunzelte. Spock würde ihn kaum verstehen, wenn er jetzt kurz und bündig diese Bedeutung nannte. Er würde es genauer erklären müssen.
„Eine Gleichung besteht aus mehreren Komponenten. In diesen Falle zwei Zahlen. Dass es gleiche Zahlen sind, ist irrelevant. Sie stehen einfach für Tatsachen, bestimmte Tatsachen, die bekannt sind. Können Sie mir folgen?“
Spock runzelte die Stirn, nickte aber.
„Nun, bekannte Tatsachen ergeben im Allgemeinen eine logische Folgerung, das ist das Ergebnis. Zwei und Zwei würde damit Vier ergeben. Wenn jedoch das Ergebnis Fünf ist, heißt das nichts anderes, als dass die logische Folgerung aus den Tatsachen nicht stimmt.“
Er sah Spocks Verwirrung und suchte ein Beispiel.
„Nehmen Sie als Tatsache Eins zum Beispiel die Strahlung eines Sterns. Sie breitet sich aus. Nehmen Sie als Tatsache Zwei einen Planeten, der in geringer Entfernung diesen Stern umkreist. Die logische Folgerung würde sein, dass die Strahlung des Sterns den Planeten erreicht.“
Spock nickte. Das war selbstverständlich. Jim schmunzelte. „Im Falle der Sonne des Systems Marim stimmt diese Folgerung aber nicht.“
Spock widersprach sofort: „Dort existiert eine energetische Abnormalität, die einen Großteil der Sonnenstrahlung verschluckt.“
„Ja, aber wenn jemand das nicht weiß, wird er automatisch zu dem ersten Ergebnis kommen. Dem Ergebnis Vier. Obwohl in Wirklichkeit das Ergebnis Fünf ist. Die Strahlung erreicht den Planeten nicht bzw. nur in geringem Maße.“
Spock überlegte. „Das würde bedeuten, wir kennen nicht alle relevanten Tatsachen. Aber worauf bezieht sich dieses Rätsel? Was meint sie damit?“
Jim beugte sich vor. „Spock, was will Sa-Roon Ihnen immer wieder mitteilen? Sie hat mehrmals beteuert, dass Sie sich keine Sorgen um sie machen sollen. Gehen Sie logisch vor. Weshalb machen Sie sich Sorgen?“
„Das wissen sie, Captain.“ Spock konnte den Schmerz in seiner Stimme nicht ganz verbergen.
„Wenn dieses Rätsel ernst gemeint ist, bedeutet dies nichts anderes, als dass es noch irgendetwas gibt, das Sie nicht wissen. Etwas, das ihr helfen kann. Pille sucht intensiv nach einer Lösung. Wenn das Rätsel tatsächlich bedeutet, dass es Hilfe für Sa-Roon gibt, wird er etwas finden.“
Spock senkte den Kopf. „Auf Vulkan wird seit langer Zeit nach einer Heilung für das Sirtuang gesucht. Es gibt keine.“
Jim nickte bekümmert. Er wusste, was das Rätsel bedeutete, aber eine tatsächliche Lösung fand er auch nicht. „Ich kann Ihnen nur empfehlen, Sa-Roons Worte einfach zu glauben. So wie sie es von Ihnen erbeten hat.“
„Glauben.“
„Ich weiß, wie schwer es Ihnen fällt, etwas völlig Unlogisches anzuerkennen. Das ist etwas, das Menschen Hoffnung nennen.“
„Vulkanier hoffen nicht.“
„Lernen Sie es, Spock. Das ist der einzige Ratschlag, den ich Ihnen im Moment geben kann.“ Auch er selbst würde hoffen müssen, denn helfen konnten sie beide der jungen Frau nicht.
Die Enterprise näherte sich einem Sonnensystem. Die vier Männer studierten die Daten darüber. Auf dem zweiten Planeten existierte eine Forschungsstation. Eine streng geheime Forschungsstation! Sie war jedoch unglaublich gut abgesichert und geschützt. Es erschien unmöglich, dass Sa-Roon hier etwas stehlen könnte. Das würde selbst ihr nicht gelingen.
Jim Kirk wandte sich um, als die Frau die Brücke betrat. Verwundert sah er den Karren, den sie hinter sich her zog. Er war voller Geräte.
„Was um Himmels Willen wollen Sie in diesem System? Und was soll das werden?“ Er zeigte auf die Geräte.
Sa-Roon grinste. „Das sind Spielsachen von mir. Ich bastele gerne. Und diese hübschen Sächelchen werden mir helfen, mein Vorhaben durchzuführen.“
„Welches?“
„Auf Funro hält sich derzeit ein Wissenschaftler auf. Kern Torrenvart. Er arbeitet an einem Projekt, das es ermöglichen soll, Energien aus Sonnenprotuberanzen zu ziehen und nutzbar zu machen.“
„Sie wollen die Daten über dieses Projekt stehlen?“
Sie grinste: „Die sind mir weniger wichtig. Ich will den Mann.“
„Kidnapping?“
„Nicht ganz, aber so etwas in der Art.“
„Das schaffen Sie nie. Nicht hier. Wissen Sie, wie gut diese Station abgesichert ist?“
„Aber ja“, lachte die Frau. „Sie werden es erleben. Und jetzt muss ich Sie bitten, die Brücke zu verlassen, bis ich alles installiert habe.“
Sie zeigte auffordernd zum Aufzug. Grummelnd gehorchten die Männer.
In der Kantine tigerte Jim nervös hin und her. Sie hatten alles versucht. In den Maschinenraum kamen sie nicht. Selbst die Not- und Wartungsschächte hatten sie blockiert vorgefunden. Die Ersatzbrücke war ohne jede Energie. Sie hatten nicht ein Gerät aktivieren können. Natürlich waren sie sehr vorsichtig vorgegangen. Sie hatten Passivität zugesichert. Bei der geistigen Labilität der Frau – obwohl sie derzeit völlig stabil erschien – wollten sie kein Risiko eingehen.
Als sie die Brücke wieder betraten, bedeutete Sa-Roon ihnen, auf der Galerie zu bleiben. „Ich habe einen Bereich isoliert. Sie werden hören und sehen können, was geschieht. Jedoch wird es Ihnen nicht möglich sein, sich bemerkbar zu machen oder den Bereich zu verlassen.“
Die Männer erblickten mehrere kleine Geräte, die ein Rechteck von circa zwei mal vier Metern bildeten. Als sie hineintraten, erschien ein schwaches Flimmern. Sie waren in einem Energiekäfig. Spock suchte mit den Augen die Instrumentenwand ab. Er konnte mehrere Geräte erkennen, deren Funktion sich ihm jedoch nicht erschloss. Auch an der Kommunikationskonsole und dem Steuerpult waren zusätzliche Geräte angeschlossen.
Jim beobachtete derweil Sa-Roon. Die Frau schien noch nicht ganz fertig zu sein. Sie kniete auf dem Boden vor dem Kommandosessel. Akribisch richtete sie mehrere Geräte auf dem Boden aus. Schließlich war sie zufrieden und warf einen Blick auf die Galerie: „Sie werden eine Weile warten müssen, ich habe noch etwas zu erledigen.“
Damit verließ sie die Brücke. Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis sie wiederkam. Sie nickte den Männern zu und setzte sich gelassen in den Sessel.
„Wir werden warten müssen. Irgendwann demnächst wird das Schiff angerufen werden.“
„Was haben Sie gemacht?“
„Oh, ich hatte auch im Schiff selbst ein paar Vorbereitungen zu treffen.“ Sie lächelte geheimnisvoll.
Ein feiner Piepston kündete eine Funknachricht an. Sa-Roon hantierte an ihrem Gürtel, dann erhellte sich der Hauptbildschirm. Das Gesicht einer Frau erschien.
Monoton begann Sa-Roon zu sprechen: „Hier spricht Captain James Kirk von der USS Enterprise. Wir melden uns …“, sie stockte, ihre Stimme wurde lebhafter, überraschter: „Na so was, Carlotta! Das nenne ich eine Überraschung.“
Jim glaubte seinen Augen nicht zu trauen, als die Frau auf dem Bildschirm zu lächeln anfing. Sie musste doch erkennen, dass nicht er dort saß.
„Jim. Ich grüße dich. Es ist lange her.“
Sa-Roon lächelte. „Allerdings. Du bist jetzt auf Funro? Wie geht es dir?“
„Sehr gut, die Arbeit ist interessant. Sie drehte leicht ihre Hände und Sa-Roons Augenbrauen zuckten hoch. „Ist das etwa ein Ring? Carlotta? Das kann doch nicht wahr sein. Du bist verheiratet?“
Die Frau nickte und Sa-Roon lächelte breit. „Dann meinen ganz herzlichen Glückwunsch.“
Dr. McCoy hatte seine Überraschung überwunden und studierte jede Bewegung der Frau. „Sie ahmt dich perfekt nach. Nur, weshalb funktioniert es? Wieso glaubt diese Frau, dich zu sehen?“
Spock sagte nur ein Wort: „Pinal.“
„Was?“
„Der Überfall auf Pinal. Die Codes am Eingang des Regierungsbankhauses können nur von zwei Personen gleichzeitig eingegeben werden. Der Vizechef hat unter Eid ausgesagt, dass er und der Vorsitzende persönlich vor Ort waren. Niemand anderes. Doch der Vorsitzende wurde nach dem Überfall gefangen im Keller seines Hauses entdeckt. Es wurde eindeutig festgestellt, dass er zum Zeitpunkt des Überfalls schon eingesperrt war. Er konnte nicht dort gewesen sein. Eine Erklärung wurde nicht gefunden.“
„Sie meinen“, Scott sah den Vulkanier ungläubig an. „Diese Frau hat sich als den Vorsitzenden ausgegeben, und der Vize hat es nicht gemerkt, obwohl er direkt neben ihr stand?“
Spock nickte.
„Wie soll das denn gehen?“
„Wieso bemerkt diese Carlotta nicht, dass sie mit einer Frau spricht und nicht mit James Kirk?“
Keiner der Männer wusste darauf eine Antwort. Fasziniert verfolgten sie das Gespräch. Jim schluckte. Er hatte Carlotta vor einigen Jahren sehr gut gekannt. Sie machte mehrere Bemerkungen dazu und Sa-Roon antwortete völlig richtig darauf. Woher wusste sie diese Dinge? Auch McCoy fiel dies auf.
„Sie hat sich sehr gut vorbereitet. Sie muss alles Mögliche über dich in Erfahrung gebracht haben.“
Sa-Roon legte auch eine Nachricht vor, die eindeutig bewies, dass die Enterprise den Auftrag hatte, sich auf Funro zu melden. In frustriertem Tonfall fuhr sie fort: „Erfahren wir jetzt vielleicht endlich, warum wir hier sind? Diese Geheimniskrämerei ist nervtötend.“
Carlotta Rieb nickte und verkniff sich mühsam das Lachen. Das war mal wieder typisch für ihn, Jim Kirk mochte es überhaupt nicht, im Unklaren gelassen zu werden.
„Es geht um Kern Torrenvart. Du kennst den Namen?“
Sa-Roon nickte: „Sicher. Er hat vor einigen Jahren die Interdimensionschirme für den Warpflug revolutioniert. Der Mann ist berühmt.“
„Ja, und jetzt arbeitet er an einem neuen Projekt. Streng geheim. Es steht kurz vor dem Abschluss. Doch vor einigen Monaten wurden wir gewarnt. Anscheinend will ‚The Phantom‘ versuchen, die Unterlagen zu stehlen und Torrenvart zu entführen.“
Sa-Roon hob überrascht den Kopf und warf einen kurzen Blick nach oben – an die Stelle, an der normalerweise Spock stand. „The Phantom“, brummte sie dann.
„Genau. Du hast ja schon selbst deine Erfahrung mit ihr gemacht.“
Sa-Roon verzog das Gesicht, während Carlotta weitersprach. „Deshalb wurden weitreichende Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Die Unterlagen des Projekts sind schon vor einigen Tagen unauffällig fortgeschafft worden. Professor Torrenvart soll mit der Enterprise zur Militärbasis nach Markovon gebracht werden. Dort werden dann die praktischen Versuche durchgeführt. Nähert euch weiter mit gleichbleibender Geschwindigkeit. Ihr werdet abgetastet, bevor der Professor an Bord kommt. Die Station wird euch dann anrufen.“
Sa-Roon nickte. „Warum der getrennte Transport? Verdoppelt sich damit nicht das Risiko?“
Carlotta schüttelte den Kopf. „Nein. Falls die Unterlagen dem Phantom in die Hände fallen, ist das tragisch, aber sie kann nichts damit anfangen. Nur der Professor kann sie entschlüsseln. Und ohne die Unterlagen ist eine Entführung des Professors unrentabel. Es würde Jahre dauern, bis er alle Einzelheiten neu definiert hat.“
„Wir sollen dabei nicht zufälligerweise auch noch als Köder fungieren?“ erkundigte sich Sa-Roon sarkastisch.
„Im Gegenteil. Star Fleet hat berechtigte Hoffnung, dass ‚The Phantom‘ davor zurückschrecken wird, die Enterprise anzugreifen. Es ist inzwischen bekannt, dass sie eine gewisse – nennen wir es Affinität – zur Enterprise hat.“
„Hm“, brummte Sa-Roon und warf wieder einen kurzen Blick zu Spocks Platz. „In Ordnung. Ich lasse eine Kabine bereitmachen und erwarte den Professor.“
Der Bildschirm wurde schwarz und Sa-Roon stand auf. „Es wird einige Zeit dauern, bis wir wieder angerufen werden. Wenn Sie wollen, können Sie die Galerie verlassen. Allerdings bestehe ich darauf, dass Sie sich nur hier oder im Bereich der Kantine aufhalten. Nirgends sonst. Und wenn Sie die Brücke verlassen, dann nur in meiner Begleitung.“
„Wie haben Sie das gemacht?“ Jim war frustriert. Es war kein angenehmes Gefühl, zu wissen, dass diese Frau sein Leben durchleuchtet hatte. Und das musste sie, um derart viel über ihn zu wissen.
Sa-Roon lächelte Spock an und bestätigte seine Worte von vorher. „Ich habe das Verfahren auf Pinal ausprobiert. Es hat ausgezeichnet funktioniert.“
Spock ließ seinen Blick über die Geräte wandern, die auf der Brücke überall von ihr installiert worden waren. Er hätte sie zu gerne untersucht, doch er war sich völlig sicher, dass nur sie diese Geräte sinnvoll benutzen konnte. Garantiert waren sie ohne Sa-Roons Fähigkeiten nicht zu gebrauchen.
„Du kannst damit also das Aussehen jeder Person vortäuschen.“
Es war keine Frage und Sa-Roon nickte bestätigend.
„Dennoch schwierig. Jeder bewegt sich anders, reagiert anders. Wie reproduzieren Sie das?“ Pille war wider Willen fasziniert.
„Das ist der Grund, weshalb ich die Enterprise benötige. Ich hätte die Möglichkeit gehabt, die Auftragserteilung zu beeinflussen. Damit ein anderes Schiff den Auftrag erhalten hätte. Aber ich hätte nicht die Zeit gehabt, mir über dessen Kapitän die nötigen Details anzueignen. Über Sie“, sie blickte Jim direkt an. „weiß ich seit Jahren gut Bescheid Es war somit nicht schwierig, mir die dementsprechenden Reaktionen anzutrainieren.“
„Woher haben Sie diese ganzen Informationen über mich?
Sa-Roon zog eine Braue hoch. „Ich wollte wissen, wer Sie sind. Ebenso, wie ich mich immer über den technischen Stand des Schiffes informiert halte.“
Jim starrte sie fassungslos an, Pille begann zu grinsen. Scott staunte nur noch. Der Einzige, der sich völlig ungerührt gab, war Spock. Er wusste, dass sie das seinetwegen tat. Die widerstreitenden Empfindungen in ihm unterdrückte er rigoros. Nur den seltsamen Stolz, dass nichts Sa-Roon davon abbringen konnte, auf irgendeine Weise mit seinem Leben verbunden zu sein, konnte er nicht so einfach ignorieren.
Sie traten aus dem Aufzug, Jim blieb verblüfft stehen. An der Wand waren Markierungen angebracht. „Was bedeutet das denn jetzt schon wieder?“
„Deshalb werden Sie im Moment nicht alleine unterwegs sein. Die Markierungen und einiges andere sind notwendig. Keine Sorge, ich entferne dann schon wieder alles. Sie erhalten Ihr Schiff ordentlich zurück.“
Sa-Roon gab ihnen nicht allzu viel Zeit und scheuchte sie schon nach einer knappen Stunde wieder zur Brücke zurück. Schließlich erfolgte der erwartete nächste Funkanruf.
„Hallo Jim, alter Betrüger. Du bist mir noch eine Revanche schuldig.“ Die tiefe Stimme dröhnte aus den Lautsprechern.
Sa-Roons Gesicht verzog sich zu einem breiten Grinsen. „Ranjib! Alter Schwerenöter! Die kannst du bekommen. Haben wir Zeit für eine kleine Pokerrunde?“
Der breitschultrige Mann auf dem Bildschirm lachte. „Ich fürchte, nein. Jim, ich muss dich bitten, mir ein paar Fragen zu beantworten.“
Sa-Roons Brauen rutschten nach oben, gleichzeitig zuckte sie mit den Schultern.
„Du erinnerst dich an Minten drei? Wir waren im Lichterpalast. Welche Wette haben wir abgeschlossen?“
Völlig verblüfft sah Sa-Roon den Mann an. „Was soll …“
„Bitte Jim, antworte!“
Jetzt runzelte sie die Stirn, ungehalten stieß sie heraus: „Wer von uns Glück bei dem kleinen Barmädchen haben würde. Ranjib, was soll dieser Unsinn?“
„Tut mir leid, Jim. Aber wir müssen sichergehen, dass du wirklich der bist, den wir erwarten.“
Konsterniert blickte Sa-Roon auf den Bildschirm.
Ranjib Hossen seufzte: „Weißt du über Pinal und ‚The Phantom‘ Bescheid?“
Wieder runzelte Sa-Roon die Stirn. Eine weitere Stimme erklang. Diesmal war es Spocks. Die Männer auf der Galerie blickten verblüfft zur Wissenschaftsstation. Die Stimme kam eindeutig von dort.
„The Phantom hat dort überzeugend eine andere Person dargestellt. Es gibt derzeit keine Erklärung, wie sie das geschafft hat.“
Sa-Roon blickte hinauf, dann presste sie kurz die Lippen zusammen. „Es ist kein Zufall gewesen, dass Carlotta hier ist. Das Ganze ist geplant, um mich zu testen.“
„Genauso ist es, Jim. Sorry, ich weiß, dass das unangenehm für dich ist, aber ich muss dir noch weitere Fragen stellen.“
„Verdammt. Wäre es nicht einfacher, wir beamen uns zu euch? Dann kann unsere Identität doch eindeutig erwiesen werden.“
„Genau dies ist nicht möglich. Wenn wir berücksichtigen, was auf Pinal geschehen ist, können wir das nicht riskieren. The Phantom kann anscheinend selbst eine Körperanalyse austricksen. Es ist jedoch nicht wahrscheinlich, dass sie ausreichend private Dinge von dir wissen kann. Deshalb …“
Sa-Roon stöhnte genervt: „Na schön. Stell deine dämlichen Fragen. Aber das eine sage ich dir. Das kostet dich etwas, die nächste Pokerrunde wird hart für dich werden.“
Ranjib Hossen grinste. Er war schon jetzt überzeugt, dass es niemand anderes als Jim war, der mit ihm sprach. Seine Reaktionen waren eindeutig. Dennoch stellte er noch einige weitere Fragen, die eigentlich nur Jim selbst beantworten konnte.
Die Männer auf der Galerie staunten fassungslos. „Sie hat dich perfekt studiert.“ Pille schüttelte den Kopf. Jim nickte wütend, gleichzeitig war er jedoch fasziniert. Die Vorstellung, die die Frau gab, war einfach zu gut. Jede kleinste Reaktion, ihre Mimik, ihre Worte, selbst ihr Zögern manchmal, bevor sie antwortete, passte. Einzig ihre Hände hätten sie verraten können. Sie lagen in ihrem Schoß, ihre Finger spielten in erstaunlicher Schnelligkeit auf dem breiten Gürtel. Dort mussten die Kontrollen für die seltsamen Geräte sein. Jim lächelte grimmig, mit Sicherheit wurden ihre Hände nicht übertragen, auf den Bildschirmen der Station war vermutlich nur der Oberkörper sichtbar.
Schließlich war die „Fragestunde“ zu Ende. „Da wir das jetzt endlich hinter uns haben – wie geht es weiter?“
„Wir beamen Professor Torrenvart zu euch hoch. Bring ihn nach Markovon. Und Jim, seid bitte sehr wachsam. Obwohl Star Fleet hofft, dass ‚The Phantom‘ aufgibt, wenn der Professor auf der Enterprise ist.“
„Das ist unwahrscheinlich, Kommandant.“ Es war wieder Spocks Stimme. „Wenn ‚The Phantom‘ tatsächlich vorhat, den Professor zu entführen, wird sie sich nicht davon abhalten lassen.“
„Naja …“, Ranjib Hossen zögerte etwas. „Es ist bekannt, dass diese Frau – nun …“
„Dass es eine – gewisse – Verbindung – zwischen ihr und mir gibt. Doch das dürfte inzwischen Vergangenheit sein. Ihnen sind mit Sicherheit die – Erkenntnisse – mitgeteilt worden, die man über ‚The Phantom‘ hat.“
Hossen nickte.
„Die Wahrscheinlichkeit, dass diese – Verbindung – von ihr noch bewusst wahrgenommen wird, liegt bei unter fünf Prozent.“ Spocks Stimme – die nicht die seine war – klang kühl und modulationslos.
„Dann passt bitte noch besser auf euch auf, Jim.“
Sa-Roon nickte. Sie drückte einige Knöpfe auf der – zerstörten – Konsole des Kommandosessels. Jim fragte sich, wie sie die Zerstörungen vor der Kamera verbarg.
„Maschinenraum, bitte kommen.“
Keiner der Männer wunderte sich noch darüber, dass sofort Scotts Stimme aus den Lautsprechern klang.
„Maschinenraum hier. Ja, Captain?“
„Bitte machen Sie den Transporterraum klar, Scotty. Wir bekommen Besuch.“
„Ay, Captain.“
„Deshalb die Markierungen. Der Professor kennt sich an Bord nicht aus“, brummte Pille.
„Verdammt, wie soll das funktionieren? Er wird doch sofort Verdacht schöpfen, wenn niemand im Transporterraum ist und ihn dort abholt?“
Spock interessierte sich wenig für dieses Problem. Sa-Roon machte keine so läppischen Fehler. Doch weshalb hatte sie diese gestellte Unterhaltung geführt, in der sie sich selbst als fast unzurechnungsfähig dargestellt hatte? Er fand keinen logischen Grund.
Sa-Roon tastete inzwischen nach den Transportersignalen. Ja, der Professor war an Bord. Nun kam die riskanteste Phase. Vor allem eine, in der sie nicht eingreifen konnte. Während sie sich harmlos und freundschaftlich mit dem Kommandanten unterhielt, immer darauf bedacht, sich exakt wie Jim Kirk zu verhalten, ging sie in Gedanken durch, was jetzt im Transporterraum geschehen sollte.
Kern Torrenvart würde sofort die große Hinweistafel sehen. Dort erhielt er ausführliche Anweisungen, wie er sich weiter verhalten sollte. Er würde den Markierungen folgen, die ihn zum Aufzug zur Brücke führten. Soweit sollte es keine Schwierigkeiten geben. Doch wäre er in der Lage, sich dann, wenn er die Brücke betrat, überzeugend zu verhalten?
Sa-Roon spürte die Energie des Aufzugs und machte sich bereit. Die Tür öffnete sich, sie ließ das vorbereitete Band abspielen: „Captain. Professor Torrenvart ist da.“
Halb drehte sie den Sessel herum und lächelte den hochgewachsenen Mann freundlich an. Ganz kurz musterte sie ihn: die sandfarbenen, kurzen Haare waren zurückgekämmt. Er trug einen langen, anscheinend sehr dicken Umhang, darunter dunkle, weit geschnittene Hosen und kurze Stiefel.
Der Mann zuckte leicht zusammen, als hinter ihm die Stimme erklang, nickte dann jedoch in Richtung Aufzug und murmelte: „Danke schön.“
Ein verwunderter Blick traf die Männer auf der Galerie, dann richtete der Ankömmling seine Aufmerksamkeit auf die Person im Kommandosessel. Sa-Roon sah, wie er kurz schluckte und fluchte stumm. Würde er sich verraten?
„Willkommen an Bord der Enterprise, Professor. Ich bin Captain James Kirk.“
„Oh, ja, äh. Danke, Captain.“
„Nur nicht so nervös, Professor. Sie sind hier in Sicherheit. Wir werden Sie heil nach Markovon bringen, keine Sorge.“
Der Mann schien ruhiger zu werden. Er lächelte, jedoch immer noch leicht gezwungen. „Tja, ich fürchte, ich bin derartige Aufregungen nicht gewohnt. Die Aussicht, vielleicht entführt zu werden, ist etwas beunruhigend.“
„Professor. Es ist alles in Ordnung bei Ihnen?“ Kommandant Hossen sah ihn aufmerksam an.
Dieser sah zum Bildschirm: „Oh ja, danke, Mr. Hossen. Der junge Mann hat mich geradewegs zur Brücke gebracht.“ Der Satz klang sehr auswendig gelernt und Sa-Roon grinste innerlich. Man hatte wohl Codesätze eingesetzt, die der Besatzung der Station unauffällig mitteilen sollten, ob wirklich alles in Ordnung war. Sie überprüfte den Energieausstoß der Forschungsstation. Es gab keine Anzeichen, dass die Waffensysteme hochgefahren wurden. Dann hatte der Mann wohl den richtigen Satz von sich gegeben.
„Tja, Jim, dann drücke ich euch die Daumen, dass alles gut geht. War schön, dich zu sehen.“
Sa-Roon lächelte, verabschiedete sich und trennte die Verbindung. Ganz kurz erlaubte sie sich ein erleichtertes Aufatmen. Es war anstrengend gewesen, diese Täuschung die ganze Zeit aufrecht zu erhalten.
Dann wandte sie sich wieder dem Fremden zu.
„Professor, das war sehr gut. Hossen dürfte überzeugt sein. Ich werde ‚The Phantom‘ genannt, wie Sie wohl wissen.“
Der Mann nickte nervös. „Wer sind diese Männer dort? Ich habe verlangt, dass meine Entführung absolut sicher durchgeführt wird.“
Sa-Roon lächelte sarkastisch. „Darf ich vorstellen? Der echte Captain Kirk und seine Offiziere, Mr. Spock, Mr. Scott und Dr. McCoy.“
„Sind Sie wahnsinnig? Dann wissen sie doch jetzt, dass die Entführung nicht echt ist.“
Die Frau nickte gleichmütig. „Es gab eine kleine Programmänderung, Professor. Vielleicht lassen Sie mich erklären. Sie glauben, dass ich von den Klingonen beauftragt wurde, sie zu ‚entführen‘. Das stimmt allerdings nicht.“
Der Mann sah sie völlig bestürzt an. „Aber … aber ich habe doch mit Manq alles abgesprochen“, stotterte er.
„Sie dachten, dass Sie mit Manq verhandelt hätten. Anfangs haben Sie das auch. Dann wurde eine gewisse Organisation auf Sie aufmerksam. Diese Leute sind nicht daran interessiert, zuzulassen, dass Sie als Verräter zu den Klingonen gehen. Obwohl Sie natürlich niemals vorhatten, den Klingonen brauchbare Informationen zu übergeben. Dennoch hat man dafür gesorgt, dass Manq glaubte, sie hätten ihr Vorhaben fallengelassen. Stattdessen übernahm diese Organisation Ihre Entführung und bat mich um Hilfe dabei.“
Sie lächelte über den entsetzten Blick des Mannes. „Keine Sorge, ich habe nicht den Auftrag, Sie der Föderation auszuliefern. Jedenfalls nicht, wenn Sie es nicht wünschen.“
„Wünschen?“ Es war offensichtlich, dass der Mann nichts mehr verstand.
Den vier Männern auf der Galerie ging es allerdings ähnlich. Erstaunt bemerkten sie, wie der Energiekäfig verschwand. Sie traten vor. Eine Handbewegung der Frau ließ sie jedoch innehalten. „Bitte, Captain. Wenn Sie darauf achten würden, einen gewissen Abstand zu halten. Ich möchte den Professor nicht beunruhigen. Er ist mit Sicherheit nicht begeistert über Ihre Anwesenheit.“
„Ich möchte wissen, was das alles zu bedeuten hat. Ich habe eindeutige Bedingungen gestellt.“ Wütend und angstvoll zugleich sah Kern Torrenvart die Frau an.
„Bevor wir weitersprechen, Professor, darf ich um die Daten bitten.“ Auffordernd hielt Sa-Roon ihm die Hand entgegen.
„Die trage ich selbstverständlich nicht bei mir. Sie dürften vom Kommandanten erfahren haben, dass die Daten längst auf Markovon sind.“
Sa-Roon lachte sarkastisch. „Also bitte, Professor, keine Spielchen. Die Daten, die dorthin gebracht wurden, sind falsch. Geben Sie mir die Unterlagen, oder diese Entführung ist beendet.“
„Was meinen Sie damit?“
„Ich werde dann das Schiff sofort Captain Kirk wieder übergeben. Ich selbst verschwinde natürlich.“
„Und ich?“
„Sie?“ Sa-Roon lächelte zuckersüß. „Die Föderation wird sicherlich einige Fragen an Sie haben, nehme ich an. Es dürfte Ihnen etwas schwerfallen, das hier Vorgefallene zu erklären.“
„Das … das können Sie nicht machen!“
„Das wird nur an Ihnen selbst liegen, Professor. Geben Sie mir die Unterlagen.“
Mit zusammengepressten Lippen zog der Mann eine dicke Mappe unter seinem Umhang hervor. Sa-Roon nahm sie entgegen – und warf sie Spock zu. Der hatte Mühe, schnell genug zu reagieren und sie aufzufangen.
„Was machen Sie da?“
„Die Unterlagen sind wertlos.“
„Das stimmt nicht“, widersprach Torrenvart. „Das sind meine Unterlagen, meine Erfindung.“
Sa-Roon lächelte kalt, ihre Stimme wurde eisig, fast feindselig: „Ich kenne sowohl diese Unterlagen als auch Ihren Plan, Professor. Ihren wirklichen Plan wohlgemerkt. Sie hatten vor, sich von den Klingonen entführen zu lassen. Dass auf Markovon die falschen Unterlagen ankommen, mit denen niemand etwas anfangen kann, sollte auch mit der Entführung erklärt werden. Was Sie allerdings den Klingonen erzählen wollten, würde mich interessieren. Die mögen es gar nicht, betrogen zu werden. Vermutlich hatten Sie vor, noch bevor jemand die Pläne genauer studieren konnte, wieder zu verschwinden und sich „retten“ zu lassen. Dass Ihre Unterlagen dabei verloren gehen, würde Ihnen niemand zum Vorwurf machen. Allerdings ist das ein reichlich riskantes Vorhaben. Ich glaube nicht, dass es Ihnen gelungen wäre. So viel Raffinesse traue ich Ihnen ehrlich gesagt nicht zu. Vermutlich hätten Sie ihren Plan teuer bezahlt, eventuell sogar mit Ihrem Leben.“
Der Professor schüttelte vehement den Kopf. „Das stimmt doch alles nicht. Wie kommen Sie dazu, etwas Derartiges zu behaupten? Warum sollte ich so etwas machen? Das ist doch völlig absurd.“
„Oh nein. Nicht, wenn Sie genau wissen, dass Ihre ganze Erfindung nur Humbug ist. Sie sind jedoch nicht fähig, zuzugeben, dass diese Art der Energiegewinnung nicht funktioniert. Sie wollten den Ruhm nicht verlieren.“ Sa-Roon streifte Spock mit einem kurzen Blick. „Sie können die Unterlagen gerne durchsehen, Mr. Spock. Sie werden vermutlich rasch erkennen, dass das Ganze unsinnig ist. Ich vermute, es wird Ihnen auch auffallen, dass es einen Bruch in den Aufzeichnungen gibt.“
Sie wandte sich wieder dem Professor zu. „Nämlich dort, wo Sie angefangen haben, die Aufzeichnungen selbst weiterzubearbeiten. Sie haben diese gestohlen. Obwohl Sie zu diesem Zeitpunkt längst wussten, dass das Projekt gescheitert war. Doch das wollten Sie nicht wahrhaben. Sie nahmen die Unterlagen an sich und haben sie oberflächlich beendet.“
„Nein. Das ist gelogen.“ Der Mann keuchte. „Das ist alles nicht wahr.“
Sa-Roon sah ihn verächtlich an. „Ich weiß, von wem die Originalaufzeichnungen gemacht wurden. Ich kannte Marin Vollkner.“
Bei der Nennung dieses Namens wurde Torrenvart bleich, er starrte die Frau ungläubig an. „Nein, nein, das ist unmöglich“, flüsterte er.
„Marin Vollkner war einer der wenigen Personen, die ich achte. Er war ein absolut ehrlicher, ehrenhafter Mensch – und ein Genie. Doch er fürchtete die Öffentlichkeit. Deshalb suchte er sich einen Wissenschaftler, dem er seine eigenen Arbeiten übergeben konnte. Das waren Sie. Ihre angebliche Erfindung damals war Marins. Er hat Ihnen alles erklärt und Sie haben es für Ihr eigenes Werk ausgegeben.“
Krampfhaft schüttelte der Mann den Kopf, brachte jedoch keinen Ton mehr hervor. Gnadenlos sprach Sa-Roon weiter: „Marin war damit einverstanden, dass Sie den Ruhm für sich in Anspruch nahmen. Obwohl es wesentlich anständiger gewesen wäre, zuzugeben, dass es nicht Ihre eigene Arbeit war. Doch diesmal lief es anders. Sie wussten, woran Marin arbeitete und Sie konnten nicht abwarten. Sie haben mit einer neuen Erfindung geprahlt, haben den Ruhm schon im Voraus genossen. Doch Marin erkannte irgendwann, dass er in einer Sackgasse war, dass sein Vorhaben nicht funktionierte.“
„Es ist möglich, er hätte doch nur weitermachen müssen“, Torrenvart bemerkte nicht mehr, was er damit zugab.
Sa-Roon schüttelte den Kopf: „Nein, ist es nicht. Ich habe lange mit ihm zusammen versucht, die Probleme zu lösen. Es geht nicht.“
„Sie lügen. Er hat niemals jemanden zu sich gelassen. Er hat alleine gearbeitet.“
„Das stimmt. Marin hatte gute Gründe, völlig zurückgezogen zu leben. Er war krank und seine Krankheit hatte ihn entsetzlich entstellt. Doch ich kannte ihn schon lange und mir gegenüber schämte er sich seines Aussehens nicht.“
In ihrem Gesicht spiegelte sich plötzlich Schmerz: „Und dann starb er. Und als ich wenige Tage später ankam, waren seine Unterlagen verschwunden. Es war nicht schwer, herauszufinden, dass Sie die Gelegenheit genutzt haben, diese an sich zu nehmen. Vielleicht haben Sie wirklich geglaubt, die Sache beenden zu können. Doch Sie mussten feststellen, dass es nicht möglich war. Dann haben Sie sich einen Plan ausgedacht, wie sie weiterhin das große Genie bleiben könnten. Dazu mussten diese Unterlagen verschwinden, doch so, dass Sie als Opfer dastehen.“
Verzweifelt blickte der Mann umher. „Was – was haben Sie jetzt mit mir vor?“
„Das wird Ihre Entscheidung sein. Ich wurde gebeten, diese alberne Entführung durchzuführen. Die von mir erwähnte Organisation ist sehr an Ihnen interessiert. Sie sind ein guter Wissenschaftler, nicht überragend, wie Sie es gerne wären, aber gut. Man wird Ihnen eine entsprechende Arbeit geben. Wenn Sie damit einverstanden sind, werde ich diese Entführung durchziehen und Sie dorthin bringen. Wenn nicht – nun, Funra wird sich mit Sicherheit noch einmal melden, bevor wir das System endgültig verlassen. Ich vermute, dass Sie dann mit einem Codewort oder -satz übermitteln sollen, ob hier alles in Ordnung ist. Ich möchte von Ihnen gar nicht wissen, wie dieses Wort oder dieser Satz lautet.“
Wieder lächelte die Frau zynisch: „Verraten Sie mich und ich verschwinde. Der Captain wird froh sein, wenn er sein Schiff wiederbekommt. Oder Sie geben das Codewort weiter und ich bringe Sie zu dieser Organisation. Ihre Entscheidung, Professor.“
„Aber – Captain Kirk weiß doch jetzt – wie wollen Sie verhindern, dass die Föderation erfährt, dass die Entführung nicht echt ist?“
„Gar nicht“, war die lakonische Antwort. „Wenn Sie jemals zurückkehren wollen, werden Sie zu dem stehen müssen, was Sie getan haben.“
Der Mann schlug die Hände vor das Gesicht. Jim Kirk schluckte, was er gerade gehört hatte, machte aus dem Professor einen erbärmlichen Hochstapler. Dennoch fühlte er etwas Mitleid mit ihm. Er sah zu Spock, der die Unterlagen in seinen Händen hin und her drehte. Leise fragte er: „Sie glauben ihr?“
Spock nickte leicht: „Sie sagt die Wahrheit.“
Völlig gebrochen hob Torrenvart den Kopf. „Sie sind ein Teufel, Phantom. Warum zerstören Sie mein Leben?“
Die junge Frau zuckte gleichmütig mit den Schultern. „Das haben Sie selbst getan. Ich bin der Meinung, dass jeder selbst für sein Leben verantwortlich ist. Und Ihre Betrügereien und Lügen haben Sie genau hierhin geführt.“
„Und Sie? Sind Sie denn besser?“
Sie schüttelte den Kopf. „Das behaupte ich aber von mir auch nicht. Ich habe noch niemals irgendetwas, das ich getan habe, verleugnet.“
„Sie lassen mir absolut keine Wahl, als zu tun, was Sie wollen. Was bleibt mir anderes übrig, als mich dieser Organisation, für die Sie arbeiten, auszuliefern?“
„Man hat immer eine Wahl“, widersprach Sa-Roon, „nur kann es sein, dass die Möglichkeiten einem überhaupt nicht gefallen.“
Wenige Stunden später wurde die Enterprise wieder angerufen. Professor Torrenvart bestätigte, dass alles in Ordnung sei und das Schiff verließ das System unbehelligt. Sa-Roon brachte den Professor in einer Kabine unter und ging langsam zur Kantine. Wie erwartet waren die vier Männer der Enterprise schon dort. Sie setzte sich an den Tisch, lehnte sich mit geschlossenen Augen zurück und seufzte: „Von mir aus, legen Sie los. Sie haben Fragen, Vorwürfe, oder was weiß ich.“
„Marin Vollkner.“ Spock wusste, er brauchte keine spezielle Frage zu stellen.
„Ich war nicht damit einverstanden, dass er sich derartig vergrub; dass er alles diesem aufgeblasenen Wichtigtuer überließ. Die Verbesserung der Schirme damals war seine Arbeit, seine Erfindung gewesen.“ Sie fuhr sich mit den Händen übers Gesicht. „Er wollte es so. Er hatte furchtbare Angst, angestarrt zu werden, den Abscheu bei seinem Anblick zu sehen und das Mitleid. Er war der bescheidenste, ehrlichste Mensch, der mir je begegnet ist. Und er war ein absolutes Genie. Ich habe gerne mit ihm zusammengearbeitet. Er war fasziniert von der Möglichkeit, Sonnenprotuberanzen als Energielieferanten zu nutzen. Aber irgendwann kam er an einen toten Punkt. Vor fast einem Jahr schickte er mir eine Nachricht. Er habe das Projekt fallengelassen und würde sich anderen Ideen zuwenden. Ich habe dann noch einige Wochen mit ihm zusammen versucht, irgendeinen Weg zu finden, die zwei Hauptschwierigkeiten zu lösen. Es war hoffnungslos.“
„Wusste er, wer Sie sind?“
„Eine Kriminelle, meinen Sie?“ Sa-Roon lächelte Captain Kirk an. „Ja, sicher. Natürlich kann ich mich perfekt verstellen, aber das mache ich nur, wenn ich etwas plane. Ich mache mich nicht besser als ich bin. Marvin war das völlig egal. Es gab mehrere Gründe, weshalb er alleine arbeitete. Schon vor seiner Krankheit sonderte er sich viel ab. Seine Art zu denken war zu extrem, es konnte ihm kaum jemand folgen. Nun, ich konnte es, unsere Ideen und Gedankenansätze haben sich sehr gut ergänzt. Als die Krankheit ihn dann immer mehr entstellte, wurde er endgültig zum Einsiedler.“
„Für wen arbeiten Sie? Was ist das für eine Organisation? Wer steckt dahinter?“
„Drei Fragen auf einmal“, seufzte sie. „Eigentlich arbeite ich für niemanden. Ich verlasse mich nicht gerne auf andere. Aber mit dieser Organisation hatte ich schon hin und wieder Kontakt. Diesen Auftrag habe ich angenommen, weil er meinen eigenen Interessen entgegenkam. Außerdem bin ich diesen Leuten einen Gefallen schuldig und ich bezahle meine Schulden, wenn irgend möglich.“ Sie hob die Schultern. „Nein, ich kann Ihnen keine weiteren Auskünfte geben. Oder sagen wir ehrlicher, ich bin nicht bereit dazu.“
„Und die Frage nach der Funktionsweise dieser erstaunlichen Geräte kann ich mir wohl auch sparen“, brummte Kirk.
Sa-Roon nickte und verbiss sich das Lächeln über seinen frustrierten Ausdruck. „Elektronik und energetische Technik faszinieren mich, und ich bastele gern.“
„Basteln!“ Dr. McCoy schnaubte. „Ist Ihnen eigentlich nicht klar, welche Möglichkeiten Sie hätten, wenn Sie sich der Föderation zur Verfügung stellen? Star Fleet würde Ihnen ebenso wie jede andere wissenschaftliche Fakultät einen roten Teppich ausrollen.“
„Genau das will ich nicht“, kam die gepresste Antwort. „Ja, ich weiß, wenn man große Fähigkeiten hat, wird einem viel nachgesehen. Ich würde vermutlich sogar Straffreiheit bekommen, wenn ich es verlangen würde. Das ist verlogen. Und außerdem würde man mich wie ein Werkzeug benutzen. Ich werde niemals jemandem gestatten, über mich zu entscheiden.“
Entsetzt sah Jim Kirk, wie sich ihre Hände zu Fäusten ballten, so fest, dass die Handgelenke weiß wurden. Ihr Gesicht wurde eigentümlich starr. Unwillkürlich hielt er die Luft an. Würde sie in diese schreckliche Gewalttätigkeit verfallen?
„Riorwan!“ Die tiefe Stimme klang bei aller Eindringlichkeit warm und freundlich. Spocks langgliedrige Finger legten sich leicht auf ihre Hand. Ganz langsam bewegten sich ihre dunklen Pupillen in Spocks Richtung, einen Moment blieb Sa-Roons Blick kalt und starr auf seinem Gesicht hängen. Dann entspannten sich ihre Gesichtszüge. Sie schloss kurz die Augen. Ihre Finger bewegten sich, kurz drückten sie seine Hände. Ihre Gedanken flossen zu ihm, sie spürte seine fast schmerzhafte Sorge und versuchte, diese zu mindern. ‚Ich bin in Ordnung. Tikorveen, bitte, glaube es einfach, egal was du siehst und hörst. Stell mir keine Fragen, ich kann sie nicht beantworten.‘
Sein Blick schien sie zu durchbohren. Wie sollte er etwas glauben, wenn er das Gegenteil sah? Eine gefühlte Ewigkeit hielt er diesen intensiven Blickkontakt aufrecht. Spock fand keine Unsicherheit in Sa-Roon, aber auch keine eindeutige Antwort auf seine drängenden Fragen.
Die anderen drei Männer wagten kaum zu atmen, die beiden Vulkanier – der eine auch mental vulkanisch, die Frau dagegen mit einer menschlichen Psyche – schienen in einem eigenen Universum zu sein. Jim überlegte, ob er schon jemals erlebt hatte, dass Spock vor Zeugen so offen ein Gefühl gezeigt hatte. Fast kam er sich wie ein Voyeur vor.
Dann schien der Bann gebrochen zu sein. Spocks Gesicht wurde wieder undurchdringlich, seine Hände zogen sich zurück. Sa-Roon jedoch lächelte leicht. Sie wandte sich den Männern zu, übersah geflissentlich deren Verlegenheit und meinte leichthin: „In drei Tagen bekommen Sie Ihre Mannschaft und damit auch Ihr Schiff zurück. Ich werde dann verschwinden.“
„Und der Professor?“
Sie zuckte mit den Schultern. „Es ist seine Entscheidung, ob er mit mir kommt oder sich lieber den Gerichten stellt.“
„Wohin bringen Sie ihn?“
Sie schmunzelte. Kirk ließ keine Gelegenheit aus, um irgendwie an Informationen zu gelangen. „Kein Kommentar, Captain.“
Jim brummte: „Einen Versuch war es wert.“ So ernst die Lage eigentlich war, er bemerkte immer wieder, dass die Frau dem Ganzen einen spielerischen Charakter gab. Irgendwie faszinierte ihn dies. Err musste sich sehr zusammenreißen, um dieses ‚Spiel‘ nicht anzunehmen. Da Sa-Roon ihn verblüffend gut kannte, wusste sie dies vermutlich auch.
Auf ihre Bitte begleitete Jim sie zu ihrer Kabine. Sie gab ihm eine Speicherkassette. Auf seinen fragenden Blick, zuckte sie kurz mit den Schultern: „Ich wollte es eigentlich Spock überlassen, aber er ist dafür zu ehrlich. Er könnte sich nicht gut genug verstellen. Sie hatten damals versuchsweise die neuartigen Dual-Magnet-Generatoren an Bord. Ich weiß, dass sie noch immer nicht zufriedenstellend funktionieren. Sie finden auf der Kassette einige Hinweise dazu."
Jim sah sie verblüfft an. „Sie haben uns schon einmal Hinweise dafür gegeben.“
Sie grinste: „Ja, aber Ihre Wissenschaftler sind damit nicht so weit gekommen, wie ich dachte. Ich werde die Kassette ‚vergessen'. Ich nehme doch an, Sie können sich eine Erklärung ausdenken, die es Ihnen möglich macht, das Zeug vorzulegen, ohne in Verdacht zu kommen, mit mir gemeinsame Sache gemacht zu haben. Nehmen Sie es als eine Art Entschädigung."
„Warum?"
Sie seufzte ein wenig: „Muss ich das wirklich erklären? Captain, Sie haben sich die ganze Zeit sehr fair verhalten. Und Sie wissen genauso gut wie ich, dass Sie bei jedem anderen, der es wagen würde, Ihr Schiff zu kapern, viel mehr Widerstand geleistet hätten. Es gab Möglichkeiten, mich zu überwältigen, oder vielmehr, es schien diese Möglichkeiten zu geben. Sie hätten es nicht geschafft, aber ich habe es mehrmals darauf ankommen lassen."
„Sie", Kirk sah sie aufgebracht an, „wollten testen, ob wir unser Wort halten? Oder was haben Sie sonst damit bezwecken wollen?"
Sa-Roon sah ein wenig verlegen aus. „Darauf ist eine ehrliche Antwort schwierig. Ich weiß, dass Sie ein sehr guter Freund für Spock sind. Aber andererseits – nun, ich war mir überhaupt nicht so sicher, ob das für Sie tatsächlich ein ausreichender Grund ist, mir derart entgegenzukommen. Captain, Sie haben nicht ein einziges Mal ernsthaft versucht, mich auszutricksen und sich Ihr Schiff zurückzuholen. Das passt nicht zu Ihnen. Ich war ..." sie brach ab, zögerte, sprach dann etwas leiser und unsicher weiter: „Ich wollte wissen, weshalb."
Jim schluckte. Ihr eindringlicher Blick ließ sein Blut schneller fließen. Er ergriff ihren Arm, ohne nachzudenken zog er sie zu sich heran. Sie bewegte sich nicht, sah ihn nur stumm und fragend an mit diesen großen, dunklen Augen. Diesen Augen, die denen von Spock so sehr ähnelten. In Jim Kirks Kopf schrillte eine Alarmglocke: „Spock!" Abrupt ließ er sie los und trat zurück. Noch immer atmete er rasch, doch er riss sich zusammen und schaffte es, einigermaßen ruhig zu sprechen: „Sie sind eine ungewöhnliche Frau. Und Sie haben Recht, Spock ist mein Freund.“
Ihre Lider senkten sich, einige Atemzüge lang kämpfte Sa-Roon gegen die Enttäuschung an. Was konnte sie denn anderes erwarten? Er war ein erfolgreicher Offizier von Star Fleet. Und sie eine gewissenlose Kriminelle. Dennoch schmerzte es, derart zurückgewiesen zu werden, aber das würde sie ihm garantiert nicht zeigen. Sie hob den Blick wieder, ruhig und gelassen sah sie ihn an: „Dann lassen Sie sich etwas einfallen, wie Sie die Kassette unverfänglich erklären können. Spock weiß, dass ich mich gerne mit energetischer Technik beschäftige. Er wird die Hinweise darauf mit Sicherheit verstehen.“
Drei Tage später stand Sa-Roon im Transporterraum. „Sie werden keine Probleme haben, den Planeten zu erreichen und Ihre Mannschaft wieder aufzunehmen, Captain.“ Dann blickte sie zu Spock. Sie lächelte ihm liebevoll zu. „Pass gut auf dich auf, Tikorveen. Und bitte, mach dir um mich nicht so viele Sorgen. Bitte, denk an mein kleines Rätsel. Glaube daran.“
Spock presste kurz die Lippen aufeinander, dann nickte er jedoch. „Ich werde es auf jeden Fall versuchen. Riorwan …“. Er wusste nicht weiter, doch seine Gedanken sagten ihr genug.
Sie war versucht, ihn zu berühren, zog die Hand jedoch sofort zurück, als sich die Tür öffnete. Kern Torrenvart kam herein.
„Sie haben sich also entschieden, mit mir zu kommen?“ War ihre Stimme eben noch freundlich und warm gewesen, klang sie nun förmlich kühl.
Der Mann nickte nur stumm. Er vermied es, die Offiziere anzusehen.
„Nun, dann bringen wir es hinter uns.“ Sa-Roon bedeutete dem Professor, sich neben sie zu stellen und nickte den Männern der Enterprise noch einmal zu. Dann zog sie mit ihren Sinnen genug Energie zu sich, um einen Transportstrahl zu schaffen, der sie beide zu ihrem Schiff transportieren würde.
„Können Sie den Notruf lokalisieren?“
Kirk sah gespannt zu Lieutenant Uhura hinauf. Deren Finger huschten über die Tasten. Vor wenigen Minuten hatte sie die schwachen Funksignale auf den Hauptbildschirm gelegt. Doch die Stimme war kaum zu verstehen gewesen, das Bild stark verzerrt. Endlich gelang es ihr, die Störungen etwas besser herauszufiltern.
„Mayday, mayday. Hier Kommandant Lynn, Frachter Steres auf dem Weg von Sillon fünf nach Muran. Wir werden angegriffen. Können uns nicht mehr lange halten. The Phantom …“ Die Stimme brach mitten im Satz ab.
Jim blickte blass zum Bildschirm, dann fragte er heiser: „Wie weit weg ist der Frachter?“
„Vier Quadranten. Mit Warp fünf können wir in vier Komma eins drei neun Stunden dort sein.“
Spock klang nicht ganz so kühl und gleichmütig wie immer, doch niemand auf der Brücke machte eine Bemerkung dazu. Jeder von ihnen wusste, wie viel die Frau, die allgemein nur als ‚The Phantom‘ bezeichnet wurde, dem Vulkanier bedeutete. Ebenso wie jeder wusste, dass die Überfälle dieser Frau in den letzten Monaten von äußerster Brutalität gewesen waren. Die Geschehnisse bewiesen eindeutig, dass ‚The Phantom‘ tatsächlich unter der vulkanischen Gehirnschädigung Sirtuang litt. Eine Krankheit, die zu unkontrollierbarer Gewalttätigkeit und schließlich zum Wahnsinn und Tod führte.
„Lieutenant Zulu, berechnen Sie den Kurs dorthin. Alarmstufe Gelb. Wir wissen nicht, was uns dort erwartet.“
Mit äußerster Vorsicht näherte sich die Enterprise den Zielkoordinaten. Die Ortung konnte jedoch kein Schiff ausmachen. Was nicht bedeutete, dass sie alleine waren. Schon einmal hatte ‚The Phantom‘ sie überfallen, ohne dass vorher ein Schiff geortet worden war.
Spock überprüfte den Raumsektor so genau wie irgend möglich. „Captain, die Sensoren zeigen hohe Metallkonzentrationen an. Achtzig Komma vier acht sieben Prozent entsprechen den Legierungen von Frachterschiffen.“
Kirk schluckte, das bedeutete, dass der Frachter zerstört worden war. „Und die anderen zwanzig Prozent?“
„Eine ungebräuchliche Legierung, Captain. Keinem Schiffstyp zuzuordnen.“
„Also ist ein Schiff da draußen, wir können es nur nicht richtig orten?“
„Nein, Captain. Auch dies sind Überreste eines Schiffes.“
Jim starrte auf den Bildschirm. Wenn beide Schiffe zerstört worden waren … Hieß das, dass auch Sa-Roon den Tod gefunden hatte? Er musste schlucken. Doch sie befanden sich innerhalb eines unbewohnten Sonnensystems. Die drei Planeten waren nicht lebensfeindlich, jedoch nie besiedelt worden.
„Tasten Sie die Planeten ab. Vielleicht gab es Überlebende, die sich dorthin retten konnten.“
Es dauerte nur wenige Minuten.
„Captain“, Spock räusperte sich hastig, konnte dennoch die Heiserkeit seiner Stimme nicht ganz verhindern. „Auf dem zweiten Planeten wird eine Lebensform angezeigt.“ Er zögerte, zwang sich dann weiterzusprechen. „Vermutlich nicht menschlich.“
„Vulkanisch?“
„Das ist nicht auszuschließen, die Daten sind nicht eindeutig. Es scheint Störungen zu geben.“ Was auf Sa-Roon hindeutete. Wenn sie noch dazu in der Lage war, würde sie bestimmt versuchen, nicht geortet zu werden.
Jim öffnete die Schiffskommunikation: „Sicherheitsdienst. Fünf Mann in den Transporterraum, wir beamen uns auf den Planeten. Dr. McCoy, bitte ebenfalls in den Transporterraum.“ Er sah zu Spock und nickte ihm zu. Er sprach weiter, während er aufstand: „Lieutenant Zulu, Sie übernehmen das Kommando. Bleiben Sie ständig auf Empfang.“
„Ay, Captain.“
Im Transporterraum kontrollierte Jim, ob alle Männer bewaffnet waren und ordnete an, die Phaser auf Betäubung zu stellen. Spock widersprach sofort: „Captain, ich würde vorschlagen, die Waffen auf höchste Stufe zu stellen.“
Pille sah ihn entsetzt an, doch der Vulkanier sprach scheinbar ungerührt weiter: „Sa-Roon ist inzwischen in einer Verfassung, in der sie jeden sofort und ohne Warnung angreifen wird. Und sie ist weitaus schneller und kräftiger als ein Mensch, selbst als ein Vulkanier.“
Kirk runzelte die Stirn. „Wieso schneller als Sie?“
„Die – Krankheit“, Spock hatte Mühe, das Wort auszusprechen, „verändert auch die physischen Komponenten. Die Phaser werden keine oder kaum Auswirkungen auf sie haben, wenn sie auf Betäubung gestellt sind. Sa-Roon wird Zeit genug haben, um jeden zu töten, selbst wenn sie getroffen wird.“
Jim Kirk biss die Zähne zusammen. Er trat beiseite, und bedeutete Spock zu ihm zu kommen. Leise, so dass die Männer nicht mithören konnten, fragte er: „Spock, gibt es denn keine Möglichkeit Sa-Roon zu überwältigen? Verdammt, Sie können doch nicht wollen, dass sie getötet wird.“
Spocks Wangenmuskeln zuckten. Er antwortete ebenso leise, dennoch konnte Jim hören, wie schwer ihm die Worte fielen: „Nein, sie würde bei jeder anderen Einstellung Zeit haben, ihren Angreifer zu töten. Jim, sie ist wahnsinnig. Selbst wenn es eine Möglichkeit gäbe, es wäre ein Gnade für sie, auf diese Weise zu sterben.“
Sie materialisierten in unebenem Gelände. Fremdartige, buschähnliche Pflanzen bildeten immer wieder dichte, fast undurchdringliche Hindernisse. Felsbrocken, teilweise fast mannshoch lagen verstreut herum.
Spock und McCoy scannten mit den Tricordern die nähere Umgebung. Pille schüttelte den Kopf, doch Spocks Gerät zeigte immer wieder flackernd irgendetwas an. Er studierte die Signale, dann fiel ihm auf, dass sie sehr regelmäßig waren. Beeinflusste Sa-Roon die Anzeigen? Hatten diese Signale eine bestimmte Bedeutung? Er deutete in die betreffende Richtung.
Jim Kirk überlegte kurz und wandte sich dann an das Landekommando: „Sie gehen in südlicher Richtung, bleiben Sie soweit zusammen, dass zwischen Ihnen immer Blickkontakt besteht.“ Ganz kurz zögerte er, aber er konnte nicht riskieren, dass die Männer getötet würden. „Schussbefehl sofort bei Kontaktaufnahme, ohne Warnung. Die Frau ist nicht zurechnungsfähig, doch zu gefährlich. Wenn Sie zögern, wird sie Sie töten. Wir übernehmen die nördliche Umgebung.“
Die Männer nickten und entsicherten ihre Waffen, die auf tödliche Stärke eingestellt waren. Jim nickte Pille und Spock zu und sie gingen in Richtung der seltsamen Signale. Einige Minuten marschierten sie schweigend über die wellige Ebene, umgingen immer wieder die Buschinseln und Felsbrocken. Rasch verloren sie die anderen Männer aus den Augen.
„Nicht schießen. Ich bin unbewaffnet.“
Die drei Männer rissen die Köpfe hoch. Die leise, aber deutliche Stimme kam von vorne, doch sie konnten die Frau nicht sehen. Mehrere Felsen versperrten ihnen die Sicht.
„Kommen Sie mit erhobenen Händen heraus.“ Automatisch hob Jim die Waffe.
Sa-Roon trat hinter den Felsen hervor, langsam und mit deutlich erhobenen Armen. „Ich werde Sie nicht angreifen.“ Sie blieb gute zwanzig Meter von ihnen entfernt stehen. „Captain, bitte geben Sie mir einige Minuten. Ich möchte mit Ihnen sprechen, bevor Sie Ihre Leute benachrichtigen.“
Spock starrte sie an, sie schien völlig ruhig zu sein – und er konnte sie telepathisch empfangen. Auch ihre Gedanken waren ruhig. „Riorwan! Was ist Zwei und Zwei?“
Er konnte nicht warten, auch wenn er damit Gefühle zugab. Er musste es wissen. Er hatte sich an diesen Satz geklammert in den letzten Monaten, hatte – gegen jede vulkanische Art – ersehnt, dass dieser Satz Hoffnung bedeuten konnte. Irgendeine Art von Hoffnung, dass Sa-Roon nicht wahnsinnig werden würde.
Sie blickte ihn an, lächelnd: „Zwei und Zwei ist Fünf, Tikorveen. Bei mir ist das Ergebnis Fünf und es wird so bleiben.“
Fragend sah sie zu Kirk, der nickte. „Reden Sie.“
„Wenn Sie einverstanden sind, setze ich mich dazu. Auch das zu Ihrer Sicherheit. Spock wird Ihnen bestätigen, dass es mehr Zeit kosten würde, Sie anzugreifen, als aus dem Stand heraus.“
Spock nickte dazu. Langsam und vorsichtig, die Hände für die Männer immer sichtbar, setzte Sa-Roon sich auf einen der kleineren Felsen.
„Captain, ich möchte Sie um etwas bitten. Ich möchte von Ihnen zur Erde gebracht werden, aber unter ganz bestimmten Umständen.“
Kirk runzelte die Stirn. „Was meinen Sie damit?“
Sa-Roon zeigte auf einen Felsen seitlich von ihnen. „Dahinter finden Sie eine Waffe, sie wurde abgefeuert. Eine Untersuchung wird bestätigen, dass ich diese Waffe bei mir getragen und benutzt habe. Ebenso finden Sie dort auch drei Speicherkristalle. Ich möchte Sie bitten, diese an sich zu nehmen und sehr gut zu verstecken. Diese Kristalle müssen zur Erde gebracht werden, doch so, dass niemand etwas davon ahnt.“
„Warum? Was ist darauf?“
„Etwas, worüber ich Ihnen nichts sagen kann.“ Sie schüttelte den Kopf. „Nicht, weil ich Ihnen die Information vorenthalten möchte, Captain. Doch diese Informationen sind mehr als brisant. Ich weiß, dass Sie sehr gut bluffen können, doch ich glaube nicht, dass Sie es schaffen, sich so zu verhalten, dass gewisse Leute keinen Verdacht schöpfen werden.“
„Welche Leute, wovon reden Sie?“
„Wenn Sie mich zur Erde bringen, wird man mich vor Gericht stellen. Dort werde ich eine Möglichkeit schaffen, die es erlauben wird, diese Kristalle abzuspielen. Ich versichere Ihnen“, sie verbesserte sich, „nein, ich verspreche Ihnen, ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, dass es äußerst wichtig ist, diese Informationen offiziellen Stellen zu übergeben. Allerdings gibt es Personen, die genau das verhindern wollen. Und zwar unter allen Umständen. Diese Personen sind sich nicht sicher, ob ich die Informationen habe. Doch wenn ich zur Erde gebracht werde, werden sie alles nur erdenklich Mögliche unternehmen, um zu verhindern, dass ich irgendetwas dorthin bringe. Deshalb kann ich die Dinger nicht bei mir tragen. Auch Sie müssen sehr vorsichtig sein. Verstecken Sie die Kristalle an einem Platz, an dem keiner suchen würde. Ich weiß, dass Sie seit einiger Zeit zwei Personen an Bord haben, die angewiesen sind, Sie drei zu überwachen.“
Kirk verschlug es die Sprache. Spock runzelte die Stirn. „Wozu sollen wir überwacht werden?“
Sa-Roon lächelte sarkastisch: „Nun, es ist inzwischen in größeren Kreisen von Star Fleet bekannt, dass wir uns gut kennen. Man will sichergehen, dass ich dich nicht überrede, mir behilflich zu sein.“
„Auf meinem Schiff sind Verräter? Wer?“
„Keine Verräter, Captain. Ich bin sicher, denjenigen wurde eine überzeugende Geschichte erzählt. Sie dürften eher davon ausgehen, Sie vor mir zu beschützen. Oder vor sich selbst. Es dürfte nicht schwer gewesen sein, denjenigen glaubhaft zu machen, dass Sie aufgrund Spocks Beziehung zu mir, in die Lage kommen könnten, sich selbst zu schaden, indem Sie mir in irgendeiner Weise helfen.“
Kirk nickte grimmig. Das war natürlich möglich.
„Aus diesem Grund ist es auch notwendig, dass Sie mich unter ganz bestimmten Bedingungen auf das Schiff und dann zur Erde bringen.“ Sa-Roon grinste inzwischen sogar ein wenig. „Wenn Sie sich einverstanden erklären, werde ich Sie angreifen. Sie überwältigen mich. Die Waffe wird beweisen, dass ich zuerst geschossen habe. Somit komme ich bewusstlos an Bord. Und damit wird ebenso eindeutig sein, dass es keine Verständigung zwischen Ihnen und mir gab. Im Lazarett stellen Sie eine Wache ab. Sorgen Sie aber dafür, dass dieser Mann sehr aufmerksam ist. Das ist zwingend notwendig. Captain, wenn ich aufwache – und ich werde früher aufwachen, als es nach einem Beschuss normal ist – werde ich zu rasen beginnen. Und glauben Sie nicht, dass Ihre Fesseln mich halten werden. Wenn die Wache nicht aufpasst, werde ich ihn töten, ohne es verhindern zu können. Der Mann muss sofort auf mich schießen. Danach haben Sie eine gute Begründung, um mich in Stasis zu legen. Damit bin ich unschädlich gemacht. Und ich habe keine Möglichkeit, mich mit Ihnen in Verbindung zu setzen.“
Die drei Männer sahen sie fassungslos an. Dann irrten ihre Blicke zu den Felsen. Was waren das für Informationen? Kirk überlegte. Sa-Roon wartete geduldig ab. Ihre Gedanken tasteten nach Spock, zeigten ihm, dass ihre Gedanken völlig klar waren. Doch Spock kannte die Geschehnisse der letzten zehn Monate – seit Sa-Roon mit Kern Torrenvart verschwunden war. Es konnte sich nur um eine vorübergehende Klarheit handeln. Sie hatte selbst zugegeben, dass Sie wahnsinnig sein würde. Wieder stritten sich Logik und Hoffnung in ihm.
„Und dann?“, hakte Jim Kirk nach. „Was soll dann auf der Erde geschehen?“
„Wenn man mich vor Gericht stellt, werden Sie zwangsläufig als Zeugen geladen. Das kann nicht verhindert werden. Schmuggeln Sie die Speicher mit hinein. Aber machen Sie sich darauf gefasst, dass es heimliche Durchsuchungen geben wird. Im Gericht werden Sie erkennen, wann der Zeitpunkt gekommen ist, die Speicher vorzulegen. Es wird offensichtlich sein. Warten Sie dort einfach ab.“
„Sie wollen also, dass wir jetzt einfach so auf Sie schießen und dann bewusstlos zur Enterprise bringen?“
„Nicht ganz. Es muss eindeutig sein, dass ich Sie angegriffen habe. Und deshalb werde ich genau das machen.“ Sa-Roon grinste und nickte in Richtung ihrer Waffen. „Allerdings sollten Sie die Dinger vorher stärker stellen. Sonst werden Sie mich nicht überwältigen können.“
Alle drei fingerten verlegen an den Waffen herum. Jeder von ihnen hatte heimlich die Stärke heruntergeregelt.
„Nehmen Sie die zweitstärkste Regelung. Alles andere ist zu schwach. Dass Sie keine tödliche Einstellung gewählt haben, wird niemanden verwundern. Allerdings müssen Sie alle drei sofort schießen. Doktor, das gilt vor allem für Sie. Ich kenne Sie inzwischen gut genug, um zu wissen, dass es Ihnen nicht leicht fallen wird, auf mich zu schießen. Sie müssen es tun. Wenn ich angreife, wird es kein Scheinangriff sein. Wenn Sie mich nicht sofort erwischen, können Sie froh sein, wenn Sie nur verletzt werden. Ich kann mich dann nicht mehr kontrollieren. Um mich zu überwältigen, reicht eine Waffe nicht aus. Ich muss mehrmals getroffen werden.“ Sie sprach ernst und eindringlich.
Jim Kirk sah sie forschend an. „Noch eine Frage: Warum haben Sie den Frachter angegriffen und vernichtet?“
Verblüfft sah er, dass die Frau zu lächeln begann. „Den Frachter hat es nie gegeben.“
Spock riss den Kopf hoch. „Die Materiereste waren messbar.“
„Und du hast genau die Menge messen können, die nach einer atomaren Vernichtung wahrscheinlich war. Hast du die exakten Daten parat? Überleg einmal und rechne nach, wie viel Materie nach der theoretischen Berechnungsformel von einem üblichen Frachter kurz nach der Vernichtung noch messbar ist.“
Spock runzelte die Stirn. Er benötigte keine drei Minuten, dann starrte er Sa-Roon an: „Die von uns angemessene Menge stimmt auf fünf Kommastellen mit der theoretischen Berechnung überein. Das ist praktisch unmöglich.“
Dr. McCoy sah von einem zum anderen. „Und was bedeutet das bitte im Klartext?“
Sa-Roon sah ihn an. „Es gab keinen Frachter. Ich wusste, wo Ihr Schiff ist. Ich habe dafür gesorgt, dass genau diese Menge Materie im Raum um diesen Planeten von Ihnen angemessen werden kann. Ebenso habe ich dafür gesorgt, dass Sie zu dem Schluss kommen mussten, dass ein weiteres Schiff – logischerweise meines – zerstört worden wäre. Der fingierte Notruf wurde von mir selbst abgesetzt. Möchten Sie den Wortlaut hören? Damit würden Sie mit Sicherheit hier nach mir suchen. Und niemand könnte Verdacht schöpfen, dass diese Angelegenheit nicht echt ist.“
Leonard McCoy schnaufte kurz auf. „Das ist …“ Er warf einen Blick zu Spock und Jim Kirk.
„Wenn es den Frachter nicht gibt, wird das festgestellt werden.“ Spock war irritiert, ein solcher Fehler war untypisch für Sa-Roon.
Sie schüttelte den Kopf. „Nicht zwischen Sillon und Muran. Es ist bekannt, dass dort immer wieder Schmuggler Waren transportieren, die nicht registriert sind.“
„Sie haben an alles gedacht. Kompliment. Ein ziemlicher Aufwand, um uns hierher zu locken.“
Sa-Roon nickte. „Ich brauche jemanden, dem ich vertrauen kann. Diese Informationen sind zu wichtig.“
Sie wartete, schließlich nickte Kirk nach einem Blick zu seinen Freunden. „In Ordnung, wir sind mit Ihrem Plan einverstanden.“
Sa-Roon schloss die Augen. Einen Moment später warf sie sich auf die Männer. Spock sah in wahnsinnig glühende Augen und schoss. Pille riss entsetzt die Waffe hoch und drückte ab, doch da hatte die Frau Jim schon erreicht. Jim Kirk feuerte, gleichzeitig spürte er einen glühenden Schmerz in der Schulter. Ein furchtbarer Schlag schleuderte ihn mehrere Schritte weit nach hinten. Schreiend fiel Sa-Roon auf ihn. Spock schoss noch einmal und stürzte sich auf sie. Er riss sie von Jim Kirk herunter und wunderte sich, dass sie sich nicht wehrte. Doch ihr Körper zuckte nur noch kurz zusammen und lag dann still. Spock warf einen forschenden Blick zu seinem Captain, der stöhnte schmerzhaft: „Bin in Ordnung. Sehen Sie nach ihr.“
Pille beugte sich über ihn. „Halt still.“ Er untersuchte ihn rasch. „Die Schulter ist ausgerenkt. Himmel. Sie war zwanzig Meter entfernt. Wie konnte sie so schnell über dir sein?“
Er half Jim, sich aufzusetzen. Spock griff ebenfalls zu. „Sa-Roon ist bewusstlos.“
„Spock, halten Sie ihn mal fest. Jim, beiß die Zähne zusammen, das wird jetzt verdammt schmerzen.“ Mit einem raschen Griff renkte Pille die Schulter wieder ein. Kirk knirschte mit den Zähnen. „Du musst aufs Schiff. Sa-Roon ebenfalls. Ich will sie untersuchen, sie wird innere Verletzungen haben. Sie wurde mehrmals getroffen. Ein Beschuss dieser Stärke würde jeden anderen Menschen töten.“
„Warte.“ Jim hielt ihn zurück, als McCoy zum Kommunikator griff. „Spock, holen Sie die Waffe, legen Sie sie zu Sa-Roon. Und nehmen Sie auch die Speicherkristalle. Verstecken Sie die Dinger.“
Dann rief Spock das Landekommando an und beorderte sie zurück, während Pille die Enterprise anrief. „Zulu, lassen Sie uns sofort hochbeamen. Wir haben zwei Verletzte.“
Jim Kirk betrat zusammen mit Spock den kleinen Lazarettraum, in dem Sa-Roon lag. Die Wache sprang auf. „Sir.“
Kirk nickte ihm zu. „Sorten, irgendwelche Vorkommnisse?“
„Nein, Sir.“
Jim überflog die Monitore. Sa-Roon schien in tiefer Bewusstlosigkeit zu liegen. Dr. McCoy hatte sie untersucht und überrascht festgestellt, dass der Beschuss keinerlei Verletzungen verursacht hatte. Sa-Roons Konstitution schien tatsächlich der der frühen Vulkanier sehr ähnlich zu sein. Geschichtliche Unterlagen erklärten übereinstimmend, dass diese selbst starkem Strahlenbeschuss widerstanden hatten. Jetzt blickte er zu Jim hinüber, sein Blick streifte ebenfalls über Spock, der etwas bleich auf den stillen Körper sah. „Sie ist in Ordnung, Spock. Was macht die Schulter, Jim?“
Jim bewegte sie leicht. „Der Verband stört, sonst nichts.“
„Sei froh, dass nicht mehr passiert ist.“
Kirk wandte sich an den jungen Wachmann. „Lassen Sie sich auf keinen Fall ablenken, Mr. Sorten. Es kann sein, dass Sa-Roon ohne Übergang zu sich kommt. Sie ist zwar gefesselt, aber ich möchte kein Risiko eingehen. Also passen Sie auf.“
„Ich werde die Gefangene jede Stunde kontrollieren.“
Jim konnte die stumme Bitte in Spocks Augen erkennen. Er nickte. „In Ordnung. Pille, du beobachtest sie ebenfalls?“, wandte er sich noch an den Arzt.
„Natürlich, ich werde immer in der Nähe sein. Ich habe ohnehin im Labor zu tun.“ Der Arzt nickte den beiden zu und ging in die angrenzenden Räume. Auf ihn wartete noch Arbeit.
Kirk sah Spock an, der noch immer auf die Bewusstlose sah. „Kommen Sie, Sa-Roon wird es überstehen. Sie haben McCoy gehört. Sie hat keine Verletzungen.“
Endlich nickte der Vulkanier und verließ mit Jim zusammen das Lazarett. Sie mussten die Erde benachrichtigen, dass The Phantom gefangen genommen wurde.
Spock betrat den Raum und nickte dem Wachmann zu. „Keine Änderung, Sir“, beteuerte der zum siebten Mal. Der Vulkanier studierte die Anzeigen. Sie zeigten immer noch die gleichen Werte. Dennoch hatte er vor der Tür Sa-Roons Gedanken gespürt. Schwach nur, aber immerhin.
Ein Keuchen riss ihn aus seinen Gedanken. Sorten starrte zur Liege. Etwas knirschte, dann bäumte sich Sa-Roon plötzlich auf. Die starken Metallfesseln, die sie an die Liege fesselten, verbogen sich, dann warf sich die Frau herum und kam auf die Beine. Spock schleuderte den Wachmann gerade noch rechtzeitig zur Seite. Sa-Roon griff daneben, ein Knurren kam aus ihrer Kehle. Sorten hatte inzwischen seine Waffe herausgerissen und schoss, die Frau wurde nach hinten geworfen. Das genügte Spock, um sie mit einem gekonnten Griff zu überwältigen. Langsam sank sie zu Boden.
„Rufen Sie den Arzt. Sie wird nicht lange bewusstlos sein.“ Spock griff seinerseits zum Kommunikator. „Captain. Sa-Roon ist wach geworden. Sie hat den Wachhabenden angegriffen.“
Kirk brauchte nur wenige Minuten, um das Lazarett zu erreichen. „Was ist genau geschehen?“ Er hörte sich den Bericht des Sicherheitsmannes an. Pille hatte Sa-Roon derweil ein Beruhigungsmittel gespritzt. „Keine Ahnung, wie lange es bei ihr wirken wird.“
Die Männer sahen sich in dem Raum um. Die Krankenliege war völlig zerstört, ein Stuhl zertrümmert.
„Pille, mach eine Stasiskammer fertig. Sa-Roon wird in Stasis zur Erde gebracht.“
Der Arzt schluckte, doch Kirk ließ keinen Widerspruch zu. „Egal, was du sagen willst, ich gehe das Risiko nicht ein. Wir können sie nicht ständig mit Beruhigungsmitteln vollpumpen und ich lasse mir nicht das Schiff von ihr demolieren.“
Die drei Männer trafen sich in Jims Kabine. Spock hantierte mit seinem Tricorder. „Sauber. Es gibt keine Abhörgeräte hier, Captain.“
„Gut. Was ist mit euren Kabinen?“
„Meine wurde durchsucht. Sehr vorsichtig, aber ich habe es dennoch bemerkt.“ Pille sah von einem zum anderen. Spock und Jim nickten.
„Also hatte sie Recht.“ Jim war froh, dass er Sa-Roons Warnung ernst genommen hatte. Die Speicherkristalle waren gut versteckt, er war sicher, dass niemand sie finden würde. Wut schüttelte ihn. Wer hatte seine Leute mit Lügen so weit gebracht, dass sie ihn bespitzelten?
„Wir machen weiter, wie besprochen. Sa-Roon ist in der Stasiskammer. Pille, du achtest darauf, dass sich niemand daran zu schaffen machen kann.“
„Niemand kommt an die Kontrollen. Ich habe sie zusammen mit Scotty programmiert. Sa-Roon wird nichts geschehen.“
„Dann sehen wir zu, dass wir zur Erde kommen. Langsam werde ich sehr neugierig darauf, was auf diesen Kristallen ist.“
Jim Kirk sah sich aufmerksam um. Der Gerichtssaal war nicht sehr groß. Vier Männer saßen an dem langen Richtertisch. Er kannte sie alle. Hochverdiente Persönlichkeiten, die schon lange einflussreiche Positionen in der Föderation innehatten.
Links völlig isoliert war ein bequemer Sessel. Dort würde Sa-Roon sitzen. Sie hatten sie nicht mehr gesehen, nachdem sie die Erde erreicht hatten. Der in Stasis liegende Körper war unter großen Sicherheitsmaßnahmen in ein Militärkrankenhaus gebracht worden. Spock hatte man auf Anfrage mitgeteilt, dass es Sa-Roon gut ginge und sie ansprechbar sei.
Auf der anderen Seite des Raumes befand sich ein großer Tisch, ebenfalls mit einem bequemen Sessel. Hier würden die Zeugen ihre Aussagen machen. Gleich daneben hatte der Staatsanwalt seinen Platz, der die Anklage vertrat. Ansonsten gab es noch mehrere Reihen mit Sitzen. Normalerweise konnten hier interessierte Zuschauer Platz nehmen, doch heute waren nur die geladenen Zeugen anwesend.
Jim erkannte Sarek und nickte ihm zu. Erstaunt bemerkte er, dass auch seine Gemahlin, Lady Amanda, erschienen war. Ein weiterer Vulkanier mit ernstem Gesicht hatte sich schon gesetzt. Vier menschliche Männer hatten sich in den hinteren Sitzen niedergelassen. Kirk kannte sie nicht. Zusammen mit Pille und Spock setzte er sich in die erste Reihe.
Außer dem fehlenden Publikum war nur noch eines auffällig: Es befanden sich weitaus mehr Sicherheitsroboter im Raum als üblich.
Nach kurzer Zeit wurde Sa-Roon hereingeführt. Völlig ruhig trat sie vor den Sessel, ihre Blicke schweiften ohne jede Regung über die Richter. Als sie Spock sah, flog ein leichtes Lächeln über ihr Gesicht. Dann runzelte sie die Stirn. Jim folgte ihrem Blick, sie schien nicht erfreut über Sareks Anwesenheit zu sein.
Der Vorsitzende der Richter, Samuel Gordon, eröffnete das Verfahren. Er erläuterte, dass die Angeklagte schon mehrmals in Abwesenheit verurteilt worden war und diese Klagepunkte nur noch formell mit aufgenommen worden waren. Dann erteilte er dem Staatsanwalt das Wort.
„Hohes Gericht, bevor ich die Anklagepunkte verlese, möchte ich jemand anderem das Wort erteilen.“
„Das ist äußerst unüblich, Mr. Aagden.“
Der Staatsanwalt nickte. „Ich weiß. Uns wurde jedoch ein Gutachten übergeben. Es ist notwendig, dies vor dem eigentlichen Verfahren zu klären. Es ist möglich, dass die Anklage daraufhin fallengelassen werden muss. Ich bitte, Mr. Sarek anzuhören.“
Der Vulkanier ging nach vorne. Sa-Roon runzelte wieder unwillig die Stirn, finster starrte sie ihn an.
„Hohes Gericht“, Sareks Stimme klang klar durch den Raum, niemand konnte erahnen, wie schwer es ihm fiel, hier zu sprechen. „Ich wurde ermächtigt, Ihnen die Beweise vorzulegen, dass Sa-Roon, bekannt als ‚The Phantom‘, nicht schuldfähig ist und auch niemals war.“
Ein Knurren erklang, dann fauchte Sa-Roon ihn an: „Wie kannst du es wagen?“
Im nächsten Moment wurde ihr Gesicht völlig starr, ihre Augen jedoch leuchteten bedrohlich. Ihre Muskeln spannten sich an und bevor noch irgendjemand reagieren oder auch nur sprechen konnte, warf sie sich quer durch den Raum auf den Vulkanier. Der Tisch zerbarst unter dem Aufprall, dann wälzten sich die beiden Körper miteinander kämpfend über den Boden. Ein Alarm übertönte die erschrockenen Rufe der Anwesenden. Die Sicherheitsroboter griffen ein und rissen die beiden auseinander. Heftig atmend blieb Sa-Roon bewegungslos liegen, links und rechts flankiert von einer Maschine, deren Waffen auf sie gerichtet waren.
Blass blickte der Vorsitzende auf das Durcheinander und atmete erleichtert auf, als Sarek wieder auf die Beine kam. Der zweite Richter, Lonel Rahabdien, hieb auf einen Schalter und endlich verstummte der schrille Alarm. „Mr. Gordon, es wäre wohl sinnvoll, die Sicherheitsschaltung wieder zu deaktivieren, damit wir weitermachen können.“
„Nein!“
Verblüfft blickte der Vorsitzende auf die Frau, die ihn – immer noch auf dem Boden liegend – eindringlich ansah. „Lassen Sie die Schaltung aktiviert. Diese kleine Einlage hatte keinen anderen Sinn, als die Sicherheitsschaltung auszulösen.“
„Stehen Sie auf, wenn Sie mit dem Gericht reden!“ Rahabdien war inzwischen hochrot vor Wut.
„Ganz bestimmt nicht“, lachte Sa-Roon, „auch wenn es Ihnen sehr gefallen würde, wenn die Roboter mich erschießen. Die Sicherheitsschaltung verhindert, dass die Maschinen andere Befehle annehmen. Sie werden nur noch ihrer Grundprogrammierung folgen. Ansonsten wäre ich jetzt vermutlich schon tot.“
„Was wollen Sie damit sagen?“ Der Vorsitzende blickte irritiert durch den Raum.
„Gar nichts“, der zweite Richter zeigte wutentbrannt auf Sa-Roon. „Sie ist wahnsinnig, was sie behauptet ist völliger Unsinn.“
Einige Sekunden blickte Samuel Gordon die Frau aufmerksam an. Sein Blick wurde offen erwidert. Er betätigte einen Schalter und sprach dann in das Mikrofon: „Identifikation Samuel Gordon, Vorsitzender des Gerichtshofes.“
Wenige Sekunden später ertönte eine maschinelle Stimme: „Identifikation positiv.“
„Sicherheitsschaltung bleibt aktiviert. Die Bewegungen der Angeklagten werden überwacht, der Schießbefehl wird eingeschränkt. Bei einem weiteren Angriff wird die Angeklagte betäubt.“
„Danke.“ Langsam und vorsichtig stand Sa-Roon auf.
„Ich verlange eine Erklärung. Warum haben Sie Mr. Sarek angegriffen?“
„Habe ich nicht“, widersprach Sa-Roon und fügte rasch hinzu: „Jedenfalls nicht ernsthaft.“
„Wie bitte? Was verstehen Sie dann unter ernsthaft?“
„Fragen Sie ihn, Euer Ehren. Wenn ich Sarek ernsthaft angegriffen hätte, wäre er jetzt tot. Du bist langsam geworden“, fügte sie in dessen Richtung hinzu.
Sarek blickte sie lange an, dann wandte er sich dem Richtertisch zu. „Es stimmt, sie hat gezögert. Ich weiß jedoch nicht, warum. Sie hätte die Möglichkeit gehabt, den Todesgriff anzuwenden.“
„Das ist doch alles Unsinn. Wir haben alle gesehen, dass diese Frau ohne jeden Grund gewalttätig geworden ist“, polterte Rahabdien wieder los.
Mr. Gordon warf ihm einen seltsamen Blick zu. „Ich möchte Miss Sa-Roons Erklärung hören.“
Der Mann presste die Lippen aufeinander. „Sie wird irgendeinen Unsinn zusammenfantasieren. Sie werden ihr doch nicht etwa Glauben schenken?“
Sa-Roon lächelte. „Mir vielleicht nicht. Aber ich hoffe, ich habe etwas, das Sie überzeugen kann.“
„Was wollen Sie schon haben? Sie wurden durchsucht, damit Sie nichts hereinschmuggeln können.“
„Das stimmt“, Sa-Roon sah den Mann durchdringend an. „Und das nicht nur einmal. Sie hatten große Bedenken, dass es mir vielleicht gelingen könnte, gewisse Beweise vorzulegen. Nun, wenn diese Beweise vorhanden sind …“ Sie sprach nicht weiter, wartete gespannt ab, ob ihr Plan gelungen war.
Jim Kirk stand auf. „Hohes Gericht, ich möchte hiermit einige Speicherkristalle übergeben.“
Rahabdien sprang auf. „Verräter! Das ist Hochverrat! Der Mann ist ein Verbündeter dieser Frau. Wir wissen doch alle, dass er ihr geholfen hat. Er und der Vulkanier stecken mit ihr unter einer Decke.“
„Ruhe! Mr. Rahabdien, mäßigen Sie sich!“ Samuel Gordon sah gespannt zu Kirk. „Dann wussten Sie, was hier geschehen würde?“
Jim schüttelte den Kopf. „Nein, doch ich wurde von Sa-Roon um Hilfe gebeten. In einem Punkt hat Mr. Rahabdien Recht. Ich habe ihr diese Hilfe zugesagt.“ Er trat nach vorne und gab die Kristalle dem Vorsitzenden.
„Was befindet sich darauf?“
„Ich weiß es nicht.“
„Sie haben diese Kristalle hier hereingeschmuggelt, ohne zu wissen, ob dies gerechtfertigt ist?“
Jim nickte. Gordon zog die Stirn zusammen. „Sie sind sicher, dass diese Dinger nicht zu einer Waffe gegen uns werden?“
Jetzt lächelte Jim Kirk. „Völlig sicher. Sie können keine Bombe oder etwas in dieser Art sein.“
„Woher wollen Sie das wissen?“
„Weil diese Frau“, Jim zeigte auf Sa-Roon, „niemals Spock in Gefahr bringen würde. Und er ist ebenfalls hier.“
Spock trat nach vorne. „Ich bin gerne bereit, die Kristalle in das Lesegerät zu legen. Falls sie explodieren sollten, kann es nur dann geschehen.“
„Dann lassen Sie uns doch mal sehen.“
Damit nahm Gordon den ersten der Speicher und ließ das Lesegerät anlaufen. Lonel Rahabdien sackte in seinem Sitz zusammen. Nach wenigen Minuten war nicht nur er bleich. Alle im Raum sahen fassungslos die Beweise für eine unglaubliche Verschwörung. Nicht nur auf der Erde, auf fast zwanzig der wichtigsten Planeten der Föderation hatten sich hochrangige und einflussreiche Persönlichkeiten zusammengetan, um die Regierung zu unterwandern. Seit fast fünfzehn Jahren arbeiteten sie daraufhin, auf unverfängliche Weise ihre Interessen durchzusetzen und so viel Einfluss zu erlangen, um irgendwann schließlich die Regierungsgeschäfte übernehmen zu können. Ziel des Ganzen war, einen Krieg mit den Klingonen auszulösen. Das daraus entstehende Chaos sollte genutzt werden, um bedeutende wirtschaftliche Gewinne für die Männer und Frauen zu ermöglichen. Die Beweise auf den Kristallen waren bedrückend und eindeutig. Und Lonel Rahabdien war einer dieser Verschwörer!
Nachdem die Kristalle abgespielt waren, war es eine ganze Weile still im Raum. Dann wandte sich Samuel Gordon an die Frau. „Miss Sa-Roon, wie sind Sie an diese Beweise gekommen?“
„Ich habe sie zusammengetragen. Mir ist seit Jahren bekannt, was diese Gruppe plant. Allerdings hätte ich es nie geschafft, diese Kristalle zur Erde zu bringen. Obwohl ich immer vorsichtig war, hatten die Leute längst einen gewissen Verdacht gegen mich. Da ich gesucht werde, hätten Sie es leicht gehabt, mir alles, was ich bei mir trage, abzunehmen. Selbst Captain Kirk, Spock und Dr. McCoy wurden unter Beobachtung gestellt, und ich bin mir sicher, dass sie auch heimlich durchsucht wurden.“
Samuel Gordon sah den Mann an, mit dem er seit vielen Jahren einen fast freundschaftlichen, kollegialen Kontakt hatte. „Mr. Rahabdien, Sie werden sich für dieses Verbrechen verantworten müssen. Ist Ihnen denn niemals bewusst geworden, wie viel Leid sie durch einen solchen Krieg verursachen würden?“
Der Mann presste die Lippen aufeinander und schwieg. Er wusste, das er verloren hatte – und mit ihm alle anderen, die auf Macht und Reichtum gesetzt hatten. Dabei war er so vorsichtig gewesen, sicherheitshalber hatte er die Maschinen in seinem Sinn programmiert. Er hätte sie heimlich steuern können und bei Gefahr diese Frau getötet. Genau wie jeden anderen, der sich ihm in den Weg gestellt hätte. Niemand hätte feststellen können, dass er hinter den Angriffen der Roboter stand. Diese verdammte Sicherheitsschaltung! Damit funktionierten seine Manipulationen nicht mehr. Und nur Samuel Gordon war befugt, sie zu deaktivieren oder mit Personen außerhalb des Saales Kontakt aufzunehmen, so lange diese Schaltung aktiv war.
Eine unglaubliche, nie vorher dagewesene Verhaftungswelle folgte. Die Verhandlung gegen Sa-Roon wurde aufgrund der notwendigen Schritte verschoben. Sie bekam jedoch die Erlaubnis, Besucher zu empfangen. Jim wunderte sich, als Spock ihn und Pille aufforderte, mit ihm zusammen zu ihr zu gehen.
„Spock, wollen Sie nicht zuerst alleine mit ihr sprechen?“
„Nein, Captain. Das ist nicht notwendig“, war die ruhige, kühle Antwort.
Jim schüttelte den Kopf, wieder einmal war es ihm nicht möglich, den Vulkanier zu verstehen. Sie betraten den Besucherraum. Sa-Roon lachte ihnen entgegen. „Danke, Captain. Ich muss zugeben, ich hatte doch reichlichen Bammel, ob Sie es geschafft hatten.“
„Sie haben hoch gepokert“, erwiderte er.
Spock blickte sie nur schweigend an. Sie begegnete seinem Blick. „Warum Fünf?“, fragte sie.
Er nickte.
„Dabei ist es doch so einfach – eigentlich.“ Sie sah die Männer an. „Ich kann ja begreifen, dass Vulkanier nicht auf die Erklärung kommen. Sie sind nicht in der Lage, anders als völlig geradlinig zu denken. Aber Sie, Doktor? Haben Sie tatsächlich die Wahrheit nicht erkannt?“
Dr. McCoy sah sie erstaunt an. Die Unterlagen von Vulkan waren umfangreich gewesen, und er hatte sich immer wieder den Kopf zerbrochen, wie eine Hilfe für Sa-Roon aussehen könnte. Doch auch er war immer wieder zu dem schrecklichen Ergebnis gekommen, dass es bei einer derartigen Schädigung keine Hilfe gab.
„Ich bin ein Mensch“, begann sie schließlich zu erklären. „Physisch bin ich – auch wenn ich das nur sehr ungern zugebe – überwiegend Vulkanierin. Das stimmt. Und deshalb ist mein Gehirn auch anfällig für das Sirtuang. Ich habe diese Schädigung tatsächlich. Aber sie ist unwirksam. Denn nur der Beginn des Sirtuang ist physisch. Die Auswirkungen sind rein psychisch. Und ich habe die Mentalität eines Menschen. Wenn Menschen geistig überfordert sind, greift das Gehirn zu einer Sicherheitsmaßnahme. Dinge, die man nicht verarbeiten kann, werden sozusagen vergessen. Jeder Mensch reagiert so.“
Langsam nickte der Arzt. Eine bekannte geistige Schutzmaßnahme. Die wenigen Sekunden, in denen man zum Beispiel bei einem Unfall in tödlicher Gefahr ist, werden ausgeblendet. Das Unfallopfer erinnert sich nicht mehr daran.
„Vulkanier können nicht vergessen. Sie sind gezwungen, sich allen Geschehnissen, allen Erinnerungen zu stellen, egal, ob sie sie verarbeiten können oder nicht. Ich bin anders. Da ich menschlich denke und fühle, brauchte ich gar nichts zu machen. Das Sirtuang ist bei mir unwirksam.“
Spock starrte sie an. „Aber … ich habe gesehen, dass du wahnsinnig warst.“
Sie nickte. „Ja. Spock, du weißt ebenso wie ich, dass wir Mischlinge sind. Wenn du dich anstrengen würdest, könntest du versuchen, wie ein Mensch zu denken. Du machst es nicht, du bist Vulkanier und willst auch so denken. Aber ich kann dies natürlich auch. Ich habe lange genug auf Vulkan gelebt. Wenn ich will, kann ich wie ein Vulkanier denken. Dann greift das Sirtuang.“
Sie schüttelte sich leicht. „Es ist ziemlich widerlich. Aber ich brauchte eine Tarnung, nachdem die Gruppe immer stärkeren Verdacht gegen mich schöpfte. Eine Krankheit, die zu Wahnsinn führt, war dafür perfekt. Ich habe also immer wieder Situationen zugelassen, in denen ich wie eine Vulkanierin dachte. Und dann natürlich dementsprechend ausrastete.“
Sie sah die drei Männer an. „Es tut mir leid, ich durfte niemandem die Wahrheit sagen. Auch dir nicht, Tikorveen. Das war das Schwerste dabei. Doch du wurdest beobachtet und irgendwann wäre aufgefallen, dass du dir wegen dieser Krankheit keine Gedanken machst. Das Risiko konnte ich nicht eingehen. Deshalb habe ich nach einem Ausweg gesucht. Ich habe gehofft, dass du das Gleichungsrätsel löst, und es schaffst, auch daran zu glauben.“
„Du bist nicht krank. Du wirst leben.“ Spocks Stimme war heiser.
Sie nickte. Spock schloss die Augen, die Erleichterung war zu groß. Sie trat auf ihn zu, lehnte sich wie früher an ihn. Er schloss sie in seine Arme, es war völlig egal, ob jemand zusah. Außerdem waren diese Männer seine Freunde. Er wusste, dass sie ihn verstanden.
Jim schluckte. Nun, irgendwie würden sie jetzt wohl einen Weg zueinander finden können. Er hoffte es. Obwohl er sich nicht darüber freuen konnte. Wenn er sah, wie liebevoll Sa-Roon sich an Spock lehnte, zuckte es in seinen Händen. Wie gern würde er sie halten! Doch er würde dies nicht zeigen. Spock war sein Freund! Das war er ihm schuldig.
Wochen später stand Sa-Roon wieder im Gerichtssaal. Samuel Gordon hatte auch dieses Mal den Vorsitz. Nachdenklich sah er die junge Frau an.
„Miss Sa-Roon, Sie kennen die Anklagepunkte. Was haben Sie dazu zu sagen?“
„Schuldig in allen Punkten.“
In Saal war es totenstill.
„Das kann ich so nicht akzeptieren. Bitte beantworten Sie mir eine Frage: Haben die Überfälle dazu gedient, Beweismaterial für die Verschwörung zu erhalten?“
Sa-Roon nickte. „Ja, sicher. Ein Teil der Überfälle diente dazu, die anderen waren meist Tarnung. Aber nichtsdestotrotz habe ich alles, was man mir vorwirft, getan.“
„Wollen Sie dann nicht wenigstens begründen, warum Sie das getan haben? Schließlich gab es gute Gründe dafür. Es gibt so etwas wie mildernde Umstände. So wie ich das sehe, haben Sie dieses ungesetzliche Leben geführt, um ein großes Ziel zu erreichen.“
„Genau da irren Sie sich. Ja, ich habe bisher alles unter dem Gesichtspunkt geplant, diese Verschwörung aufzudecken. Aber ich habe dieses Leben genossen. Wenn ich nicht zufällig Kenntnis von dieser Gruppe erhalten hätte, hätte ich vielleicht andere Dinge getan – aber mit Sicherheit hätte ich kein anderes Leben geführt.“
Selbst der Staatsanwalt war verblüfft. „Aber, Sie brauchen doch nur vorzubringen, dass diese ganzen Taten notwendig waren …“ Sa-Roon unterbrach ihn wütend. „Mr. Aagden, ich bin keine Heuchlerin. Ich werde mich nicht besser darstellen, als ich bin. Ich liebe mein Leben. Ich habe mehrmals vor Zeugen erklärt, dass mir dieses Gerichtsverfahren völlig egal ist, und dazu stehe ich auch jetzt. Ihre Gesetze interessieren mich nicht. Ich lebe nach meinen eigenen Regeln. Es ist mir auch völlig gleichgültig, ob ich verurteilt werde oder nicht. Ich kann Ihnen auch versichern, dass ich mein Leben jetzt nicht ändern werde. ‚The Phantom‘ wird nicht in der Versenkung verschwinden. Ich habe mich vor Jahren zu diesem Leben entschieden und ich habe meine Gründe dafür.“
Sarek stand auf: „Diese Gründe sind einem Verbrechen geschuldet, das auf Vulkan geschehen ist und dessen Opfer Sa-Roon war. Die wahren Täter sind diejenigen, die dieses Verbrechen verschuldet haben. Ohne dieses Geschehen wäre diese Frau nicht gesetzlos geworden.“
Sa-Roons Blick wurde immer finsterer, nur mit Mühe ließ sie den Vulkanier aussprechen. Dann hielt sie jedoch nichts mehr zurück: „Du arroganter Vulkanier. Glaubst du im Ernst, du könntest mich über Jahre hinweg manipulieren? Ein einziges Mal konntest du das und ich musste fliehen. Doch meine Entscheidung, wie und nach welchen Regeln ich lebe, habe ich selbst getroffen. Daran hast du keinen Anteil und wirst auch niemals einen haben.“
„Können Sie das näher erläutern, Mr. Sarek?“
„Das ist völlig irrelevant!“
Samuel Gordon sah die aufgebrachte Frau ernst an. „Miss Sa-Roon, ob etwas in diesem Verfahren irrelevant ist oder nicht, entscheiden nicht Sie. Also setzen Sie sich bitte.“
Sa-Roon ballte die Fäuste. Spock sah gespannt zu ihr, wenn sie tatsächlich nicht krank war, durfte sie jetzt die Beherrschung nicht verlieren. Die junge Frau knurrte frustriert, warf Sarek einen wütenden Blick zu – und setzte sich. Nicht nur Spock atmete heimlich auf.
Sarek erläuterte, dass Sa-Roon als Jugendliche zu einem Ritual gezwungen wurde, das für eine menschliche Psyche eine Grausamkeit bedeutete. Die Folgen seien katastrophal gewesen. Lange Zeit habe man geglaubt, Sa-Roon sei dadurch psychisch erkrankt. Inzwischen wüsste man zwar, dass dies glücklicherweise nicht der Fall war. Doch für einen Menschen sei die Entscheidung, zukünftig jede Autorität abzulehnen und gesetzlos zu leben, geradezu zwingend nach einem solchen Erlebnis.
„Miss Sa-Roon, was haben Sie dazu zu sagen? Wenn Ihre Entscheidung durch dieses traumatische Erlebnis beeinflusst wurde, wird das mit Sicherheit in die Beurteilung Ihrer Taten einfließen.“
„Nein. Meine Entscheidungen waren eine logische Schlussfolgerung und keine gefühlsmäßige Trotzreaktion. Ich kann Ihnen, wenn sie darauf bestehen, auch sagen warum. Es wird Ihnen jedoch nicht gefallen.“
Der Vorsitzende lächelte dünn: „Ich versichere Ihnen, Miss Sa-Roon, es gibt vieles, das mir nicht gefällt, und ich muss es mir dennoch anhören. Es würde mich sehr interessieren, weshalb ein hochintelligenter Mensch wie Sie, sich dazu entschließt, die menschliche Gemeinschaft zu verlassen.“
Sa-Roon schmunzelte, doch es war ein grimmiges Schmunzeln. „Weil Ihre menschliche Gemeinschaft reine Heuchelei ist. Ich kann Ihnen gerne ein Beispiel nennen. In Ihren Anklagepunkten haben Sie den Fall Roger Weinberg.“
Der Richter nickte: „Sie haben sein Haus dem Erdboden gleichgemacht.“
„Ja, allerdings war dies schon der zweite Einbruch, falls man es so nennen kann. Den ersten hat er nicht angezeigt. Der fehlt dementsprechend in Ihrer Anklageliste.“
„Und warum sollte Mr. Weinberg einen Einbruch nicht anzeigen?“
Jetzt grinste Sa-Roon sarkastisch: „Weil er gewisse Schwierigkeiten gehabt hätte, zu erklären, was ich gestohlen habe. Er besaß einen großen, unterirdischen Bereich, in dem eine sehr umfangreiche Kunstsammlung versteckt war. Weinberg kaufte mit Leidenschaft und sehr gezielt gestohlene Kunstwerke auf. Viele Diebstähle gab er selbst in Auftrag, wenn er sonst nicht an die Gegenstände herankam. Selbst wenn er jemals in Verdacht gekommen wäre, hätte er sich mit seinem Reichtum und seinem Einfluss herauswinden können. Er wäre in Ihrer Gesellschaft niemals zur Rechenschaft gezogen worden.“
„Sie haben diese Kunstgegenstände gestohlen? Und was wurde daraus?“
„Verschiedene Museen haben in den Monaten danach unauffällig neue Kunstwerke erhalten, deren Herkunft ungeklärt war“, erläuterte Sa-Roon grinsend. „Weinberg hat vor Wut geschäumt. Es war sehr befriedigend, ihn so zu sehen.“
Gordon war fassungslos. Roger Weinberg war ein bekannter Industrieller, sein Ruf galt als unantastbar. Konnte das stimmen?
„Und der zweite Einbruch? Weshalb diese Zerstörungswut?“
Jetzt war jedes Amüsement aus Sa-Roons Gesicht verschwunden, ihre Stimme klang gepresst: „Er hatte eine neue Sammelleidenschaft entdeckt. Junge Mädchen zwischen zwölf und fünfzehn Jahren. Mädchen, die niemand suchte und niemand vermisste. Sie waren ihm und seinen – Wünschen – hilflos ausgeliefert.“
„Um Himmel willen! Können Sie das beweisen?“
„Nein. Und da er genug Geld und Einfluss hat, um jeden Beweis zu entkräften und Gegenaussagen zu bezahlen, die ihn reinwaschen, wird er auch niemals angeklagt werden. Derartige Leute sind der Grund, weshalb ich mich für meinen Weg entschieden habe. Ich habe nicht vor, zu einer Gesellschaft zu gehören, die solche Verbrechen duldet.“
Der Richter sah die Frau durchdringend an. Sie klang ehrlich und doch konnte er kaum glauben, was er da hörte. „Was ist mit Ihren anderen Überfällen?“
„Ich habe keinen einzigen Unschuldigen überfallen.“
Der Staatsanwalt holte tief Luft. Was er da hörte, war absolut unglaublich. Und doch … die Frau war seit Jahren dafür bekannt, nicht zu lügen. Sie hatte niemals auch nur eine einzige ihrer Taten verleugnet. Konnte es sein, dass diese Vorwürfe Wahrheit waren?
„Was ist mit den Personen, die spurlos verschwanden? Niemand weiß, ob sie noch leben. Haben Sie die Leute ermordet?“
Sa-Roon schüttelte den Kopf. „Nein, ich stehle und überfalle, da habe ich kein Gewissen, das gebe ich zu. Aber ich bin keine kaltblütige Mörderin. Diese Personen leben. Sie wurden auf eine geheime Welt gebracht. Dort haben sie die Möglichkeit, je nach Fähigkeiten und Kenntnissen zu arbeiten und zu leben.“
„Sie sind dafür bekannt, alleine zu agieren. Doch eine derartige Welt zu versorgen und zu unterhalten, ist alleine wohl kaum machbar.“
Sa-Roon nickte. „Es gibt eine Organisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, gewisse Personen aus ihrem Umfeld zu entfernen. Personen, die es nicht wert sind, weiterhin ihr bisheriges Leben zu führen. Ich werde Ihnen jedoch keine Namen nennen. Ich stehe mit dieser Organisation in losem Kontakt und habe ihnen die von mir entführten Personen übergeben.“
„Und Sie entscheiden, wer sein Leben verdient und wer nicht? Mit welcher Berechtigung?“
„Mit keiner anderen als der, dass ich es kann. Denn Ihre Gesellschaft kann es nicht oder will es nicht können.“
„Sie wollen damit sagen, dass alle von Ihnen entführten Personen ihr Schicksal verdienen?“
„Ja.“
Samuel Gordon sah sie verblüfft an. „Dann erklären Sie doch bitte mal, was Sie zum Beispiel Horace Mikelson vorwerfen. Er ist bzw. war Leiter der Entwicklungsgesellschaft für bedürftige Welten. Und er hat vielen Welten geholfen, sich weiterzuentwickeln. Er hat große Auszeichnungen dafür bekommen.“
Sa-Roon nickte. „Oh ja, die hat er allerdings erhalten. Und durch seine Arbeit kam er auch immer ohne Probleme an Daten über neuentdeckte Welten. Und viele davon wurden rigoros ausgebeutet, bevor die Föderation eingreifen konnte. Woher hatten die betreffenden Firmen und Konzerne Ihrer Meinung nach die Informationen über diese Welten? Und ebenso, wann es an der Zeit war, zu verschwinden, um nicht von der Föderation entdeckt zu werden?“
Sie sah zu dem Staatsanwalt, der sich fassungslos setzte. „Und bevor Sie fragen. Die Beweise dafür können nicht vorgelegt werden, da Mikelson sorgfältig darauf geachtet hat, dass jeder, der ihn belasten könnte, dann selbst angeklagt werden würde. Und niemand riskiert die Verbannung auf einen Strafplaneten. Noch dazu, wenn er befürchten muss, dass Mikelson seinen Einfluss geltend macht und derjenige dann dort Repressalien ausgesetzt wäre.“
Samuel Gordon war bleich. „Ich unterbreche die Verhandlung auf unbestimmte Zeit. Miss Sa-Roon, ich verpflichte Sie, uns sämtliche Angaben schriftlich zu geben. Über alle Überfalle und Entführungen. Einschließlich Ihrer Begründungen.“
„Das ist sinnlos, Euer Ehren. Sie werden diese Leute nicht belangen können. Im Gegenteil. Nach Ihren Gesetzen sind Sie sogar verpflichtet, darauf zu achten, dass deren Ruf nicht unnötig Schaden zugefügt wird.“
„Ich möchte diese Aufzeichnungen dennoch.“
Doch schon nach wenigen Tagen wurde ersichtlich, dass Sa-Roons Skepsis berechtigt war. Selbst wenn man annahm, dass Sa-Roon die Wahrheit sagte, konnte niemand mit auch nur annähernder Sicherheit sagen, ob die Vorwürfe tatsächlich stimmten. Sa-Roon könnte sich ja auch irren.
Und da es in dem Verfahren nur um Sa-Roon ging, und diese die ihr zur Last gelegten Punkte nicht verleugnete, wurde sie schließlich verurteilt. Dazu kam, dass sie sich strikt weigerte, Informationen über die entführten Personen, oder der Welt, auf der sie gefangen gehalten wurden, zu geben. Samuel Gordon verlas das Urteil: lebenslängliche Verbannung nach Portras. Er blickte danach auf und fügte hinzu: „Ich persönlich bedaure dieses Urteil, Miss Sa-Roon. Wenn Sie je versuchen wollen, eine Begnadigung zu erhalten, werde ich mich dafür einsetzen.“
Doch Sa-Roon schüttelte den Kopf und meinte fast fröhlich: „Dazu wird es mit Sicherheit nicht kommen, Euer Ehren. Sie werden aber schon sehr bald wieder von mir hören. Ich habe nicht vor, lange auf Portras zu bleiben. Und es würde mich sehr wundern, wenn es mir nicht innerhalb von sechs Wochen gelingt, zu fliehen.“
Dem Staatsanwalt blieb der Mund offen stehen. Diese Frau kündigte eine Flucht auch noch an? Er beschloss, die Gefängnisverwaltung zu warnen.
Vor ihrem Abtransport durfte Sa-Roon noch einmal Besuch empfangen. Jim Kirk wusste nicht, ob er wütend oder beeindruckt war. Wenn sie sich anders verhalten hätte, wäre sie mit ziemlicher Sicherheit freigesprochen worden. Dennoch waren ihr Stolz und ihre Haltung irgendwie verständlich. Bedrückt betrat er den Besuchsraum. Spock war schon da. Er hielt ihre Hand und sprach leise auf sie ein.
Sa-Roon widersprach ihm gerade: „Du wirst gar nichts machen, Tikorveen. Ich verspreche, ich werde nicht spurlos verschwinden. Ich melde mich irgendwie bei dir.“
Sie wandte sich Jim zu: „Captain, bitte passen Sie ein wenig auf Spock auf. Er will mir unbedingt helfen. Doch das ist unnötig und er würde sich nur in Schwierigkeiten bringen. Halten Sie ihn davon ab.“
„Portras ist berüchtigt“, wandte Jim ein.
„Macht nichts“, wehrte sie ab. „Tikorveen, du weißt, dass mich niemand aufhalten kann. Mach dir um mich keine Sorgen.“
Spock nickte. „Du bist dir sicher?“
„Völlig sicher.“
Der Vulkanier gestattete sich ein leises Seufzen, Sa-Roon war schon immer ein Dickschädel gewesen. „Riorwan, gibt es keinen anderen Weg für dich?“
„Nein, ich bin einfach nicht fähig, hier zu leben. Ich würde zu viele Dinge erkennen, die mich anwidern. Tikorveen, ich weiß, dass du deinen Weg gefunden hast. Aber so etwas gibt es nicht für mich. Ich bin ein ziemlich schlechter Befehlsempfänger. Dazu hattest du sehr viel Glück.“
Spock zog die Braue hoch und sie musste lachen: „Komm mir jetzt nicht mit Logik, ich nenne es Glück. Du hast auf zwei Schiffen gedient, die beide einen sehr außergewöhnlichen Kommandanten hatten bzw. haben.“
Jim hatte sich bisher im Hintergrund gehalten, er wollte sich nicht einmischen. Doch jetzt murmelte er: „Muss ich jetzt rot werden?“
Sa-Roon wandte sich ihm zu: „Können Sie das überhaupt, Captain? Und nein, es ist nicht notwendig. Ich denke, Sie wissen selbst genau, dass sie nicht dem üblichen Schiffskommandanten entsprechen. Dazu sind sie zu stur und zu eigensinnig.“
Immer noch hielt Spock ihre Finger in den seinen und sie spürte seine Sorge.
„Spock, du kennst mich. Und die Gleichung bleibt immer noch gültig.“
Spock riss die Augen auf. „Zwei und Zwei ist Fünf?“ Seine Gedanken überschlugen sich. Was bedeutete dies nun wieder? Verdammt, wenn er diese Art zu Denken nur beherrschen würde!
Sa-Roon nickte und sah ihn forschend an, konnte er es verstehen? Kirk blickte ebenso überrascht zu ihr, auch er überlegte. „Was haben sie eigentlich vor? In wenigen Tagen werden Sie nach Portras gebracht. Sie haben angekündigt zu fliehen, und inzwischen glaube ich, dass es Ihnen gelingen wird. Und dann?“
Sie grinste. „Ich habe schon längst darüber nachgedacht. Es wird interessant werden.“
Spock nickte mehrmals. „Fünf. Nun, ich werde daran denken. Sa-Roon, etwas anderes. Du weißt, worum ich dich gebeten habe. Wirst du mit ihr sprechen? Sarek weiß, dass du ihn nicht sehen willst. Er wird nicht mitkommen. Doch ihr würde es sehr viel bedeuten.“
Sa-Roon seufzte. „Natürlich rede ich mit ihr. Und auch mit Sarek, wenn er möchte. Es wird Zeit, einige Dinge zum Abschluss zu bringen.“ Sie lächelte, als sie Spocks ungläubigen Blick sah. „Ach Spock, ich bin keine fünfzehn mehr. Natürlich ist Sarek ein Idiot. Aber er kann nichts dafür, er ist Vulkanier.“
Jim Kirk konnte nicht anders, er grinste. Spock zog es vor, die Beleidigung zu überhören.
Amanda Grayson kam hereingeeilt. „Sa-Roon.“ Fest umarmte sie die junge Frau. „Es ist so lange her. Ich habe dich immer vermisst.“
„Mom, ich habe dich auch vermisst. Wie geht es dir?“
„Gut, aber das ist doch jetzt unwichtig. Kleines, wie willst du von dieser schrecklichen Welt wieder wegkommen?“ Amanda sah fragend zu Spock.
„Sie gestattet mir nicht, ihr zu helfen.“
„Oh, du Sturschädel. Warum nicht?“
„Weil es nicht notwendig ist. Mom, mach dir keine Sorgen, ich werde schon sehr bald wieder frei sein. Auch Portras wird mich nicht halten können.“
„Bist du dir da sicher?“
Sa-Roon nickte und sah fragend zu Jim Kirk. Der blickte fassungslos von einer zur anderen. Er musste sich verhört haben. „Was ist?“
Lady Amanda folgte ihrem Blick und ergriff Jims Hand. „Captain, ich möchte mich bei Ihnen bedanken. Sie haben Sa-Roon so sehr geholfen. Vielen Dank.“
Jim nickte. „Ich verstehe nicht ganz. Wie … weshalb nennt Sa-Roon Sie Mom?“
„Wie soll ich meine Mutter denn sonst nennen?“, wunderte sich Sa-Roon.
„Das ist doch unmöglich.“ Jim verstand nichts mehr.
Spock sah ihn fragend an. „Selbstverständlich ist Sa-Roon meine Schwester, Captain.“
„Aber wie können sie dann … Sie waren damals in diesem Tempel. Aber das ist doch unmöglich, wenn sie Ihre Schwester ist“, brach es aus Jim heraus.
Sa-Roon schloss nur noch die Augen. Sie begriff plötzlich einiges. Dann brach sie in Lachen aus. Sie warf sich auf einen der Stühle und lachte, dass sie schier keine Luft mehr bekam. „Das kann nicht wahr sein“, ächzte sie schließlich. „Sie dachten die ganze Zeit, Spock wäre der Junge gewesen?“
Wieder schüttelte sie sich förmlich vor Lachen. „Spock, du Esel. Hast du eigentlich jemals gesagt, dass wir Geschwister sind? Oder hast du darüber höflich geschwiegen?“
Spock überlegte. „Ich weiß nicht, ob ich es wortwörtlich benannt habe. Aber was sollst du denn sonst sein?“ Verständnislos blickte er auf Sa-Roon, die sich inzwischen den Bauch hielt. Sie konnte schier nicht mehr aufhören zu lachen. Kirks Gesicht war aber auch zu himmlisch anzusehen.
„Captain, reißen Sie ihm bitte nicht den Kopf ab. Er ist manchmal einfach dämlich. Oh, Spock“, keuchte sie und versuchte verzweifelt, sich zu beruhigen.
Kirk verstand immer noch nicht. „Sie sagten doch, Sie hätten das Mädchen danach gesucht.“
„Das hat er ja auch.“ Sa-Roon kämpfte noch immer mit ihrer Lachlust. „Und da er mich sehr gut kannte, wusste er auch, wo ich mich versteckt hielt. Aber er war ganz gewiss nicht der arme Kerl im Tempel.“
Sie sah Jim an und der hielt ihren Blick gefangen. Jetzt wusste sie, weshalb er sie zurückgewiesen hatte. Er musste ja geglaubt haben, dass sie und Spock ein Paar waren. Sie lächelte und schließlich begann auch Jim Kirk zu schmunzeln. Da hatte er sich wohl schön zum Narren gemacht.
„Wie lange werden Sie weg sein?“
„Ich melde mich.“ Sie würde eine Möglichkeit finden, Spock und damit auch Jim Kirk zu treffen. Und dann gäbe es keine Missverständnisse mehr. „Können Sie das denn mit Ihrem Eid vereinbaren?“
Er lächelte und nickte. Da würde er schon eine Möglichkeit finden.
Amanda nahm ihre Hand. „Sa-Roon, kannst du nicht eine andere Möglichkeit finden, wie du leben möchtest? Willst du für immer auf der Flucht sein?“
Sie zuckte mit den Schultern: „Auf eine Art werde ich das wohl sein. Aber ich habe schon lange für diesen Fall vorgeplant. Ich kenne eine Welt, auf der mich ganz gewiss niemand sucht. Es lebt sich sehr angenehm dort.“
„Aber werden wir dich niemals sehen können? Verlieren wir dich wieder?“
„Ich denke mir etwas aus. Du wirst auf jeden Fall von mir hören. Ich verspreche es dir.“
Sie sah auf und ihre Augen gaben Jim stumm das gleiche Versprechen.
Nach einer Weile kam Sarek hinzu. Einen Moment blieb er an der Tür stehen. Dann trat er langsam auf seine Tochter zu. „Sa-Roon, was geschehen ist, kann nicht rückgängig gemacht werden. Doch ich bedaure es.“
Sie nickte. „Ich habe es irgendwann begriffen. Es muss wohl schwer sein, zu akzeptieren, dass ich keine Vulkanierin bin.“
„Ich habe es begriffen. Allerdings zu spät.“
Sa-Roon atmete tief ein. Sie hatte lange gebraucht, um ihrem Vater vergeben zu können. Doch es gab etwas, dass sie noch klären musste. „Du trägst nur für einen Teil die Verantwortung. Und es ist nicht der schlimmste Teil.“
Sarek sah sie fragend an. „Niemand hat je herausfinden können, was wirklich geschehen ist.“
Sa-Roon lachte bitter auf. „Ja, ich weiß. Ich habe es später erfahren. Der Wächter hat geschwiegen. Er ist so erbärmlich. Er lässt seinen Sohn noch heute in dem Glauben, er habe mir meine Verletzungen zugefügt.“
Beide Vulkanier starrten sie an. Was meinte sie damit? Sa-Roon zögerte nicht mehr. Es war endlich an der Zeit, die Wahrheit zu sagen. „Tpeck war viel zu jung und unerfahren, um mich zu überwältigen. Ich wusste, was auf mich zukam. Er hatte keine Chance. Ich hatte dafür gesorgt, dass er die ganze Nacht bewusstlos war. Nur mit der Reaktion seines Vaters hatte ich nicht gerechnet. Er hatte nicht vor, mir mein Verhalten durchgehen zu lassen. Er versuchte einige Minuten lang, Tpeck wieder wach zu bekommen, passte aber auf, dass ich nicht weglaufen konnte. Dann entschied er, anstelle seines Sohnes zu handeln. Und gegen einen Erwachsenen kam ich nicht an.“
Sarek starrte sie an. „Nein! Der Wächter betritt den Raum nur, um das Mädchen zu schützen.“
„Dieser nicht. Er vergewaltigte mich anstelle seines Sohnes. Ich habe versucht, mich zu wehren, doch das war ziemlich sinnlos. Er war wesentlich kräftiger als ich. Erst als die Schmerzen zu groß wurden, schaffte ich es, ihn zurückzustoßen. Er hatte eine Waffe, es gelang mir, sie zu nehmen und ihn damit anzugreifen. Dann bin ich weggelaufen.“
Nun, das war zwar nicht die ganze Wahrheit, aber es kam nahe daran. Sie hatte die Waffe nicht benötigt, doch damals hatte sie ihre Fähigkeiten noch längst nicht so gut beherrscht wie heute. Es hatte lange, viel zu lange, gedauert, bis sie überhaupt in der Lage gewesen war, sich auf ihre besonderen Sinne zu konzentrieren. Und dann waren die Angst, die Schmerzen und die Panik zu groß gewesen. Sie hatte einfach nur noch zugeschlagen. Die Wirkung war verheerend gewesen. Sa-Roon hatte nicht gewusst, ob er bewusstlos oder tot war. Panisch war sie geflohen.
„Die Wahrheit wird bekannt gemacht werden.“ Sarek war erschüttert. Alle auf Vulkan hatten das Mädchen für den schweren Angriff verurteilt. Er begann zu verstehen, weshalb sie kein Vertrauen mehr aufbringen konnte, nicht nur ihm gegenüber, sondern keinem Vulkanier. Außer zu Spock, der einzige, der damals zu ihr gehalten, ihr geholfen und geglaubt hatte.
Sa-Roon nickte. Vulkanier waren gründlich. Und sie konnten sehr hart sein, wenn jemand gegen ihre Werte handelte. Tpecks Vater hatte die grundlegenden Regeln seiner Welt missachtet. Er würde schwer dafür bezahlen müssen.
„Wirst du zurückkehren?“ Selbst mit seinem Sohn, der Vulkanier war, hatte Sarek Schwierigkeiten, zurechtzukommen. Ob es eine Chance gab, die Kluft zu seiner Tochter zu überbrücken? Es war so schwer, sich seinen eigenen Kindern gegenüber richtig zu verhalten.
„Du weißt, dass ich das gar nicht kann. Doch ich würde auch nicht kommen. Ich gehöre nicht nach Vulkan. Doch ihr werdet von mir hören. Ich weiß schon ziemlich genau, wie ich leben werde.“ Sie lächelte schon wieder.
Die Enterprise war auf Kurs zu einer Forschungsstation. Vor zwei Tagen, genau zweiundvierzig Tage nach Sa-Roons Deportation, war das Schiff angerufen worden. Admiral Bunting hatte wütend von Jim Kirk zu Spock geblickt. „Haben Sie etwas von Sa-Roon gehört?“
Spock zog die Braue hoch und sah forschend auf den Bildschirm. „Ich habe Antrag auf Besuchserlaubnis gestellt, Sir. Mit einer Antwort rechne ich jedoch nicht vor Ablauf von acht Tagen.“
„Die können Sie vergessen, Mr. Spock. Sa-Roon ist geflohen.“
Jim versuchte verzweifelt, sein Lachen als Husten zu tarnen. Es waren genau sechs Wochen. Die Frau war aber auch durchtrieben.
„Reißen Sie sich gefälligst zusammen, Captain.“
„Ja, Sir. Sind Einzelheiten bekannt?“
Der Admiral lachte grimmig auf. „Außer, dass sie spurlos verschwunden ist? Nein, wie sie das gemacht hat, ist ein Rätsel. Sie wurde streng bewacht. Sie hat sich nicht gemeldet? Captain, Mr. Spock, ich erwarte, dass Sie mir die Wahrheit sagen.“
Spock stand steif und aufrecht da. „Ich versichere Ihnen, Admiral, dass ich keinen Kontakt mit Sa-Roon habe. Ihre Flucht war mir bis zu diesem Augenblick nicht bekannt.“
Auch Jim schüttelte den Kopf.
Admiral Bunting presste kurz die Lippen aufeinander, dann blickte er die beiden Männer eindringlich an: „Es gab Drohungen gegen die Frau. Sie kennen die Vorwürfe, die sie in der Verhandlung vorgebracht hat. Trotz aller Vorbehalte gibt es hierzu Untersuchungen. Natürlich unter Verschluss, ein Bekanntwerden wäre fatal. Und es gibt Hinweise, dass zumindest in einigen Fällen diese Vorwürfe stimmen. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, dass die Betroffenen sehr viel Einfluss haben. Es ist möglich, dass versucht wird, Sa-Roon zu töten. Warnen Sie sie! Es ist mir egal, wie. Im Übrigen sind Sie natürlich verpflichtet, alles zu tun, um die Flüchtige zu fassen. Soweit Sie dazu die Möglichkeit haben.“
„Selbstverständlich, Admiral“, versicherte Kirk.
Seit diesem Anruf wartete Spock. Immer wieder zog er sich in seine Kabine zurück und dachte über Sa-Roons Worte nach. Es war so widersprüchlich. Er schrieb die Worte, die ihn so irritierten auf:
Schuldig in allen Punkten
Ich verspreche dir: Ich möchte frei sein und tun, was richtig ist
Ich habe noch nie ein Versprechen gebrochen
Wie konnte sie sich schuldig bekennen, wenn sie ihr Versprechen nicht gebrochen hatte? Er griff noch einmal zum Schreibstift. Ganz langsam, als wenn es ihn unglaublich anstrengen würde, schrieb er noch einen Satz: Zwei und Zwei ist Fünf!
Wie auf der Flucht vor sich selbst ging er zur Kantine. Hier fand er Ablenkung vor seinen Gedanken. Als er nach Stunden in seine Kabine zurückkehrte, sah er jemanden an seinem Schreibtisch sitzen. Fast hätte er gelächelt. „Riorwan. Ich hätte mir denken können, dass du einfach hier auftauchst.“
„Niemand weiß, dass ich hier bin. Musst du Meldung machen?“
„Meldung, ja. Wir sind verpflichtet worden, dich nach Möglichkeit zu fassen. Ich fürchte jedoch, du wirst uns diese Möglichkeit nicht geben.“
Sie grinste. So ehrlich ihr Bruder war, wenn es darauf ankam, konnte er durchaus sehr gerissen sein. Sie unterhielten sich lange. Dann stand sie auf. Spock blickte sie nachdenklich an: „Du wirst zum Captain gehen?“
Sie nickte.
Einen Moment zögerte er, es ging ihn nichts an. Aber sie war seine Schwester. „Du wirst ihn nicht halten können, Riorwan. Keine Frau kann ihn halten.“
Sie schmunzelte. „Spock, du wirst dich doch nicht etwa in derartig private Dinge einmischen wollen? Das gehört sich für einen Vulkanier aber gar nicht.“
„Du bist meine Schwester“, verteidigte er sich.
Sie stutzte plötzlich. „Spock! Hast du ihm etwa mit Absicht nicht gesagt, dass ich deine Schwester bin?“
Spocks Gesicht blieb ungerührt. „Da du den Namen unseres Hauses abgelegt hast, war es völlig logisch, diese Tatsache nicht zu erwähnen.“
„Du Biest!“ Sie lachte. „Oh Spock, wann hörst du auf, mich zu beschützen?“
Er wiederholte sich: „Du bist meine Schwester.“
„Also nie“, murmelte sie. Er war einfach lieb, ganz egal wie sehr er sich hinter seiner Logik versteckte. Sie lächelte: „Mach dir keine Sorgen um mich, großer Bruder. Dein Captain wird mir nicht das Herz brechen.“ Sie öffnete die Tür zum Gang. „Denn wer behauptet, dass ich ihn halten will?“
Spock sah ihr einen Moment nach und schüttelte verständnislos den Kopf. Dann sah er die Folie auf dem Schreibtisch. Er biss die Zähne zusammen. Hatte sie die Sätze gelesen? Er stutzte, unter den Sätzen standen jetzt weitere Worte: Glaube daran. Minutenlang starrte er auf die beiden Worte.
Ja, er würde daran glauben – entgegen jeder Logik.
Sa-Roon trat aus dem Gebäude in den hellen Sonnenschein. Mit einem großen Becher Kaffee in der Hand spazierte sie Richtung Fluss. Sie genoss die Wärme und friedliche Stimmung. Die Ebene war fruchtbar, unzählige Pflanzen verliehen ihr eine herrliche, grüne Farbe, die von tausenden, in allen Farbtönen leuchtenden Blüten gesprenkelt war. Kleine Vögel – obwohl sie nicht wusste, ob man die Tierchen wirklich als Vögel bezeichnen konnte – schwirrten in der Luft. Sie übernahmen auf dieser Welt die Arbeit der Insekten und bestäubten die Blüten.
Die junge Frau lehnte sich an den schmalen Stamm eines Baumes und lauschte auf das hohe Tschilpen der Vögel. Schon vor Jahren hatte sie diese Welt gefunden. Sie war unbewohnt, wenn man von einer vielfältigen Fauna und Flora absah. Sa-Roon hatte sich hier ein behagliches Domizil eingerichtet. Es war mehr als unwahrscheinlich, dass man sie hier jemals finden würde. In den Sternkarten war der Planet nicht einmal bezeichnet. Nur die Sonne war vermerkt und dass sie zwei Planeten besaß.
Seit einem halben Jahr war sie hier und hatte ihre kleine Welt nur zweimal verlassen. Und das auch nur, um notwendige Vorräte und Anschaffungen zu besorgen. Nicht ein kleiner Überfall! Es war seltsam, der Reiz der Planung, das Überlegen verschiedener Strategien – je nach Vorkommnissen – war verschwunden. Stattdessen hatte sie sich an die Ausarbeitung neuer Möglichkeiten der Nutzung von energetischen Komponenten gemacht. Würde ‚The Phantom‘ am Ende doch noch brav werden? Bisher hatte sie sich das nicht vorstellen können. Ihr Leben war aufregend und interessant gewesen.
Sie blickte auf die Meldung einer galaktischen Nachrichtenzentrale, die sie auf ihrem letzten Ausflug zu einer bewohnten Welt entdeckt hatte. Das Institut für Sonnenforschung auf Escatan suchte nach dem Unbekannten, der ihnen vor sechs Wochen ausführliche Unterlagen über die energetischen Prozesse in der Sonnenkorona der Erde hatte zukommen lassen. Derjenige möge sich melden, das Institut sei sehr interessiert an einer weiteren Zusammenarbeit. Zudem habe er schließlich auch das Recht auf die öffentliche Anerkennung seiner Arbeiten.
Sa-Roon schmunzelte. Zum ersten Mal verstand sie, weshalb es Marin Vollkner nicht gestört hatte, dass ein anderer den Ruhm einheimste, der ihm zustand. Sie hatte jetzt nämlich ebenfalls nicht das geringste Interesse an einer offiziellen Anerkennung. Viel wichtiger war es, dass ihre Forschungen und Erkenntnisse gelesen, weiterbearbeitet und genutzt wurden.
Als Marin noch lebte, hatte sie sich oftmals wochenlang bei ihm aufgehalten und zusammen hatten sie überlegt, geforscht und gerechnet. Das war immer faszinierend gewesen. Und es gab so viele Fragen, so viele Ansätze, die man verfolgen konnte. Vielleicht würde diese Art der Forschung ein neues Lebensziel sein. Da sie Energie sehen und spüren konnte, war sie jedem anderen Wissenschaftler überlegen, der nur auf Messwerte und rechnerische Daten angewiesen war.
Doch ihr Inkognito würde sie nicht aufgeben. Sa-Roon konnte sich zu gut vorstellen, was dann geschehen würde. Menschen mit derartigen Fähigkeiten wurde misstraut. Es war ja auch eine Waffe und die dementsprechenden Behörden – allen voran Star Fleet – würden verlangen, eine Kontrolle über sie zu erhalten. Immerhin hatte sie ihre Fähigkeiten jahrelang für zur Ausübung von Verbrechen genutzt. Sie war jedoch nicht bereit, sich irgendeiner Behörde oder Person auszuliefern. Sie gestattete niemandem, ihr Befehle zu erteilen oder über sie zu bestimmen!
„Ladies und Gentlemen!“ James Kirk übertönte das Stimmengewirr. „So kommen wir nicht weiter. Es bringt absolut nichts, wenn wir uns gegenseitig mit Theorien und Annahmen übertrumpfen wollen.“
In den großen Raum wurde es stiller. Der Captain wartete einen Moment, während er die Gesichter musterte. In der Enterprise waren die führenden Forscher, die Elite der Elite der Föderation versammelt. Achtzehn engagierte Männer und Frauen waren seit sieben Wochen fieberhaft mit einer einzigen Aufgabe beschäftigt.
„Können Sie mir in einfachen Worten eine Zusammenfassung geben, welche neuen Erkenntnisse wir haben? Oder ob wir überhaupt etwas haben?“
Schweigen antwortete ihm. Schließlich trat eine großgewachsene Frau einen Schritt vor.
„Ms. Lkarpa?“ Jim Kirk hatte sie in dieser Zeit als nüchterne, aber sehr sympathische Wissenschaftlerin kennen und schätzen gelernt. Im Gegensatz zu den meisten der anderen anwesenden Vulkanier, schaffte sie es ohne große Probleme, sowohl mit den irdischen Wissenschaftlern als auch mit den Laien an Bord zurechtzukommen.
„Ich bedaure, Captain Kirk. Es gibt keine neuen Erkenntnisse. Aufgrund der ständig ausgesandten Sonden wissen wir, wie groß das Energiefeld ist und wie es sich bewegt. Doch sonst …“ sie hob leicht die Schultern. „Es ist nicht gelungen, auch nur eine einzige Messung durchzuführen. Es gibt kein Messgerät, das dieses Energiefeld dort draußen erkennen kann. Es ist vorhanden – doch seine Natur bleibt uns verborgen.“
Damit waren seine schlimmsten Befürchtungen wahr geworden.
Vor acht Monaten hatten die Astronomen eine Sonnennova festgestellt, die es eigentlich nicht hätte geben dürfen. Der Stern war völlig stabil gewesen. Nähere Untersuchungen hatten dann etwas Unglaubliches ergeben: Durch die Galaxis bewegte sich ein riesiges Energiefeld. Doch welcher Art diese Energie war, konnte nicht festgestellt werden. Dieses Feld hatte den Stern berührt – mit dem Ergebnis, dass diese Sonne zur Nova wurde.
Seitdem wurde versucht, die Natur dieses geheimnisvollen Energiefeldes zu enträtseln. Doch die Ergebnisse waren mager: Es bewegte sich mit Überlichtgeschwindigkeit durch den Raum. Auch das war im Grunde genommen eine Unmöglichkeit, aber es war eindeutig. Und jede Materie, die mit diesem Feld in Berührung kam, wurde zerstört. Unzählige Sonden waren ausgeschickt worden. Die Daten ihrer Vernichtung zeigten den Umfang des Feldes an: Es hatte Kugelform und war halb so groß wie die irdische Sonne.
Die Zugbahn dieses Feldes war noch erschreckender: Es würde das irdische Sonnensystem berühren! Doch vorher traf es schon auf andere Systeme. Und das nächste war Talkon, das in fünf Wochen von dem Feld erreicht werden würde. Auf dessen Planeten lebten acht Milliarden Wesen! Sie zu evakuieren wäre ein ungeheuerlicher Kraftakt. Die wirtschaftlichen Schäden waren nicht einmal annähernd abzuschätzen. Von den persönlichen Verlusten für die Bewohner völlig abgesehen, die kaum etwas mitnehmen könnten.
Sie mussten eine Möglichkeit finden, dieses Feld zu stoppen oder zu vernichten! Doch es gab keine Fortschritte. Die politische Führung der Föderation zog in den nächsten Tagen die Wissenschaftler wieder von der Enterprise ab. Da es sinnlos war, sie weiter das Feld beobachten zu lassen, sollten sie versuchen, bei der Evakuierung zu helfen und die abertausend Probleme, die sich dadurch einstellten, lösen. Die Enterprise sollte das Energiefeld weiter beobachten – zumindest soweit dies möglich war.
Jim Kirk tigerte in seiner Kabine umher. Was konnte noch unternommen werden? Es musste eine Lösung geben! Ein Klopfen riss ihn aus seinem Grübeln.
„Herein.“
Erstaunt sah er auf. „Spock. Was ist passiert? Sie sehen verdammt ernst aus.“
„Captain. Ich überlege schon seit einiger Zeit. Jetzt, nachdem die Wissenschaftler keine Lösung finden können, erscheint es mir als einzige Möglichkeit, die wir noch haben.“
„Eine … Spock, wenn Sie eine Idee haben, dann heraus damit. Wieso sprechen Sie erst jetzt?“
„Weil ich nicht weiß, ob es tatsächlich eine Lösung ist. Eventuell gibt es jedoch jemanden, der hier helfen kann. Es gibt dabei jedoch – Schwierigkeiten.“
„Spock, hören Sie auf, in Rätseln zu sprechen! Welche Schwierigkeiten und von wem reden Sie?“
Der Vulkanier nickte. „Zum einen ist es nur eine Vermutung von mir, ob diese Personen helfen kann. Zum anderen wird diese Person gesucht.“
„Wer? Spock! Von wem reden Sie?“
„Sa-Roon.“
Verdutzt sah Jim Kirk ihn an. „Wie soll Ihre Schwester hierbei helfen können?“
„Ich bedaure, Captain. Ich bin nicht befugt, darüber Auskunft zu geben. Doch es gibt eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass sie eine Lösung finden kann.“
Jim sah ihn mit zusammengezogenen Brauen an. Vulkanier und ihre verdammte Geheimniskrämerei. „Wieso haben die vulkanischen Wissenschaftler dann nicht versucht, Sa-Roon zu finden?"
„Weil sie davon nichts wissen.“
„Sie wissen, wo Sa-Roon sich aufhält? Sie ist schließlich seit ihrer Flucht spurlos verschwunden.“ Zumindest nachdem sie die Enterprise verlassen hatte. Niemand außer ihm und Spock wusste, dass Sa-Roon an Bord gewesen war. Sie hatten ihren kurzen Aufenthalt verschwiegen. Sa-Roon war abends zu ihm gekommen und am nächsten Morgen verschwand sie. Jim Kirk hatte keine Ahnung, wie sie an Bord gekommen war oder das Schiff verlassen hatte. Sie hatte sich geweigert, ihm darüber Auskunft zu geben. Doch bei dem Gedanken an diese eine Nacht fühlte Jim Wärme in sich aufsteigen. Es wäre schön, diese faszinierende Frau wiederzusehen.
„Nein, doch ich weiß, wie ich sie erreichen kann.“
„Verdammt, Spock, dann machen Sie es. Holen Sie Ihre Schwester her. Ich garantiere ihr freien Abzug. Es ist mir völlig egal, ob das irgendwelchen Paragraphenreitern missfällt, das wissen Sie.“
Spock stand vor der Kommunikationskonsole. Lieutenant Uhura hatte ihm bereitwillig ihren Platz überlassen. Er stellte eine Verbindung her: „Tikorveen ruft Riorwan. Melde dich. Dringend.“ Diesen Ruf ließ er zehnmal wiederholen.
„Das soll alles sein? Sind Sie sicher, dass Sa-Roon sich daraufhin melden wird?“
„Völlig sicher, Sir.“
Es war sechs Uhr morgens, Schiffszeit. Die Nachtcrew war gerade schlafen gegangen. Nyota Uhura saß gähnend vor ihrer Konsole. Sie hatte bis weit nach Mitternacht auf eine Antwort Sa-Roons gehofft, dementsprechend wenig hatte sie geschlafen. Sie suchte die Aufzeichnungen der Nacht durch, doch natürlich war kein Anruf eingegangen. Man hätte sonst sofort den Captain und Mr. Spock geweckt.
Keine zehn Minuten später zuckte die schlanke Frau zusammen. Hastig legte sie den Funkspruch auf den Hauptbildschirm. „Captain! Mr. Spock!“
Beide Männer fuhren hoch. Gleichzeitig erscholl eine drängende Stimme: „Tikorveen! Was ist passiert? Wie ernst? Antworte! Bist du verletzt?“
Kirk warf seinem Ersten Offizier einen auffordernden Blick zu.
„Riorwan. Wir sind nicht in Gefahr, doch wir brauchen dich.“
„Was zum Teufel …? In welchem Schlamassel steckt ihr? Du rufst mich nicht, wenn es nicht wirklich ernst ist.“
Spock nannte ihre Koordinaten und legte in wenigen Sätzen die wichtigsten Fakten dar. Danach blieb es einige Sekunden lang still. Jim starrte auf den Bildschirm, der weiterhin nur den leeren Raum zeigte. Sa-Roon hatte keine Bildverbindung aktiviert. Dann erklang ein resigniertes Seufzen: „Du weißt, was du da von mir verlangst.“
„Ich weiß es. Ich kenne keine andere Möglichkeit mehr. Bis vor drei Tagen haben die fähigsten Wissenschaftler der Föderation hier an Bord nach einer Lösung gesucht. Vergeblich.“
„Verdammt!“, klang es leise aus den Lautsprechern. Dann wurde sie wieder lauter: „Moment mal. Soll das heißen, ihr habt eine Bande Forscher an Bord? Und dann vermutlich auch noch Vulkanier?“
„Nicht mehr. Weshalb wäre das ein Problem für dich?“ Spock furchte die Stirn. „Du hast deutlich erkennen lassen, dass du ihnen vergeben hast. Und der Captain garantiert dir freien Abzug. Somit spielt es keine Rolle, dass du gesucht wirst.“
„Das würde mich weniger stören. Ich kann jederzeit wieder verschwinden. Aber ich habe festgestellt, dass ich die fatale Angewohnheit entwickelt habe, mich in Gegenwart von Vulkaniern deren Art zu Denken anzupassen. Und das ist ziemlich ungesund für mich, wie du weißt.“
Spock stockte der Atem. Was bedeutete das? Würde sie ihn meiden müssen, um nicht dem Sirtuang zu verfallen? „Ich bin Vulkanier“, presste er hervor.
„Oh, nein. Bei dir natürlich nicht“, versicherte sie eilig.
„Warum?“
„Hört jemand zu?“, fragte sie zuckersüß.
„Selbstverständlich. Die Brückencrew. Würdest du mir antworten?“
Jetzt konnte man deutlich das Lachen in ihrer Stimmer erkennen: „Bei Vulkaniern, die ich liebe, ist das etwas völlig anderes.“
„Das ist beruhigend“, antwortete Spock ungerührt.
„Hm. Schade“, lachte Sa-Roon leise. „Bisher konnte ich dich mit derartigen Bemerkungen immer so schön in Verlegenheit bringen.“
Spock zog nun doch eine Braue hoch. Auf der Brücke war es absolut still. Jeder gab sich den Anschein, gar nicht zuzuhören. Dennoch ließ sich keiner auch nur ein Wort dieses hochinteressanten Gesprächs entgehen.
„Dass du eine äußerst menschliche, unlogische, emotionale Bindung an mich hast, dürfte für niemanden hier neu sein.“ Spocks Tonfall war völlig neutral.
„Touchè“, lachte seine Schwester.
Zu Spocks Erleichterung wurde sie jedoch rasch wieder ernst. „Ich brauche drei Tage, um zu euch zu kommen. Ich melde mich dann wieder. Stell mir derweil alles, was ihr habt, zusammen.“
„Ortung, Captain. Eine kleine Yacht nähert sich dem Schiff.“
Verblüfft blickte Jim auf den Schirm. Tatsächlich. Er musterte das Schiffchen, eindeutig ursprünglich ein Kurierschiff der Peregrine-Klasse. Es wies jedoch einige Veränderungen auf.
„Das ist das erste Mal, dass sie offen kommt“, murmelte er. „Lieutenant Uhura, stellen Sie eine Verbindung her.“
Sa-Roons ernstes Gesicht erschien auf dem Bildschirm. „Jim, sag mal, seid ihr lebensmüde? Zieh die Enterprise weiter zurück. Wollt ihr in die Ausläufer der Energiewolke geraten?“
„Was? Wir haben einen Abstand von 10000 km vom festgestellten Rand. Wir prüfen dies ständig mit den Sonden.“
„Der Rand ist nicht gleichmäßig. Es bilden sich immer wieder Ausbuchtungen. 50000 km ist das Mindeste, wenn ihr kein unnötiges Risiko eingehen wollt.“
Kirk wandte sich zur Steuerkonsole. „Mr. Zulu, korrigieren Sie unseren Kurs.“ Dann stutzte er plötzlich. Er sprang auf. „Heißt das, du kannst diese Wolke anmessen?“
„Ja. Allerdings muss ich zugeben, dass ich eine derartige Energieform noch nie gesehen habe. Es ist interessant.“
Jim Kirk schnappte nach Luft. Endlich. Sie würden eine Chance haben. „Dein Schiff passt in Hangar C. Ich lasse ihn öffnen. Du bist herzlich willkommen, Sa-Roon.“
Sie lehnte jedoch ab. „Nein, ich verankere die ‚Irrlicht‘ neben der Enterprise und komme durch die Personenschleuse. Das ist mir lieber. Keine Sorge, ich kann die Wolke auf eure Bildschirme projizieren.“
Kirk nickte. Ein Schiff exakt neben einem anderen zu verankern, war Präzisionsarbeit. Doch wenn er darüber nachdachte, musste Sa-Roon die Prozedur gut beherrschen. Als sie die Enterprise damals gekapert hatte, musste sie ihr Schiff die ganze Zeit dabei gehabt haben.
Sa-Roon kam mit einigen kleinen Gerätschaften an Bord. Ohne lange zu zögern, öffnete sie die Verblendung unter Spocks wissenschaftlicher Konsole und schloss die Geräte an. Spock legte seine Hand auf ihre Schulter, damit sie seine Gedanken erkennen konnte: ‚Du willst deine Tarnung weiter aufrechthalten? Schaffst du das unter diesen Umständen?‘
‚Ich möchte es wenigstens versuchen. Spock, wenn herauskommt was ich kann, werden mich die meisten Menschen entweder als gefährlich, als praktisches Werkzeug bzw. Waffe – oder als Monster ansehen.‘
Spock hätte ihr gerne widersprochen, doch sie hatte recht. Stattdessen blickte er auf den großen Hauptbildschirm. Zum ersten Mal konnten sie die Bedrohung, die auf sie zukam, erkennen. Eine ungefähr kugelförmige, riesige Wolke zeichnete sich dort ab. Der Rand waberte, es sah aus, als ob immer wieder etwas nach außen drückte, ehe es wieder in die Wolke zurückfloss.
„Was ist das?“
Sa-Roon blickte von Jim zu Spock. „In der Wolke ist Antimaterie. Aber in einer Form, wie ich sie noch niemals gesehen habe.“
„Das ist nicht möglich. Antimaterie würde sofort auf Materie reagieren, selbst im Leerraum. Schließlich gibt es auch hier Materie, wenn auch extrem wenig. Die Wolke würde sich selbst zerstören.“
„Ich sagte: In der Wolke. Der Rand ist eine Energieform, die ich nicht einmal genau definieren kann. Es ist auf jeden Fall ein Magnetfeld, aber in einer Stärke und Ausprägung, die schier unglaublich ist. Diese kugelförmige Umschließung hält die Antimaterie im Inneren und verhindert eine Reaktion mit der normalen Materie.“
„Hm, wir müssen noch einmal Sonden aussenden. Ich möchte wissen, ob die Sonden von dem Magnetfeld zerstört werden oder durch die Reaktion mit der Antimaterie.“
Es war letzteres. Die Sonden wurden durch das die Wolke umschließende Feld nicht im Geringsten abgebremst oder in ihrem Kurs beeinträchtigt.
Sa-Roon ging in den stillen Raum mit den großen Panoramafenstern. Hier studierte sie das eigentümliche Energiefeld, das die Antimateriewolke umschloss. Immer wieder forderte sie den Captain auf, weitere Sonden auszuschleusen und beobachtete stundenlang mit ihren besonderen Sinnen, wie dieses seltsame Magnetfeld reagierte.
Schließlich bat sie den Captain und Spock zu einer Besprechung: „Ich habe endlich eine gewisse Vorstellung, wie dieses Magnetfeld aufgebaut ist. Ich werde Spock die Unterlagen und Berechnungen darüber geben. Es gibt mit Sicherheit noch einiges nachzuarbeiten. Doch mit diesen Grunddaten müssten die Wissenschaftler der Föderation selbst weitermachen können. Um die dringendste Frage gleich zu beantworten: Nein, ich weiß nicht, wie man diese Wolke stoppen könnte. Aber ich habe vor, es herauszufinden.“
„Wie?“ Die knappe Frage kam von Spock.
„Indem ich hineinfliege. Meine …“ sie konnte nicht weitersprechen.
Spock hatte nur die Stirn zusammengezogen, Jim Kirk jedoch hielt es nicht mehr auf seinem Sessel: „Das kommt überhaupt nicht in Frage. Ich werde nicht erlauben, dass du ein derartiges Risiko eingehst. Niemand kann in eine Wolke aus Antimaterie eindringen.“
Mit jedem Wort wurde ihr Gesicht finsterer. Doch ehe sie antworten konnte, sprach Spock, der ihre unbändige Wut spürte: „Warte. Du solltest erkennen können, dass der Captain dir keine Befehle gibt, sondern aus Sorge um dich so spricht.“
Nur mühsam hielt Sa-Roon die wütenden Worte zurück, die ihr über die Lippen kommen wollten. Doch ihre Augen blitzten regelrecht.
„Sa-Roon“, Jim sah sie eindringlich an, „was du vorhast ist Selbstmord. Das kann ich nicht verantworten.“
Wieder blitzten ihre Augen wütend auf: „Was ist mache oder nicht mache, liegt nicht in deiner Verantwortung, James Kirk. Das ist einzig und alleine meine Sache.“ Sie atmete tief ein und sprach etwas ruhiger weiter: „Im Übrigen kannst du mir glauben, dass ich am Leben hänge. Ich habe ganz gewiss nicht vor, mich heldenhaft zu opfern. Ich kann mich vor der Antimaterie schützen. Auch deshalb habe ich dieses Magnetfeld so genau studiert. Ich kann diese Energieform jetzt um mein Schiff legen. Auf diese Art und Weise kann ich in die Wolke eindringen und schauen, was sich dort drinnen verbirgt.“
Jim kniff die Augen zu Schlitzen zusammen: „Selbst wenn ich das jetzt einfach mal glaube. Wie kommst du darauf, dass sich in der Wolke etwas verbirgt?“
„Weil dieses Gebilde künstlich ist.“
Spock hob den Kopf. „Woher weißt du das?“
„Was soll es denn bitte sonst sein? Wie soll sich in unserem Universum, mitten in einer Galaxie, eine Antimateriewolke bilden, die von einem Energiefeld umschlossen ist, das eine sofortige Reaktion und damit die Vernichtung dieser Wolke verhindert? Ich habe die Masse der Wolke beobachtet. Jedes Mal, wenn eine Sonde in die Wolke eingedrungen ist, hat die Antimaterie mit der Materie der Sonde reagiert. Die Explosion hat nicht nur die Sonde, sondern zwangsläufig auch einen Teil der Wolke vernichtet. Doch deren Masse ist nicht geringer geworden. Wäre die Antimaterie natürlichen Ursprungs, müsste sie bei jeder Reaktion mit Materie weniger werden und schließlich irgendwann verschwinden. Doch das ist nicht der Fall. Also entsteht da drinnen neue Antimaterie. Im Zentrum der Wolke muss etwas sein.“
Die Frau musterte die beiden Männer kopfschüttelnd. „Ihr könnt doch nicht ernsthaft annehmen, dass so ein Gebilde zufällig entstehen kann? Die einfachste Physik spricht dagegen. Abgesehen davon: Das Ding hat einen schnurgeraden Kurs auf das irdische Sonnensystem. Soll das etwa Zufall sein?“
Jim Kirk biss sich auf die Lippen. „Dennoch, ein Flug dort hinein ist viel zu gefährlich. Sa-Roon, egal wie du über Befehle denkst, das kann ich nicht zulassen. Außerdem – wie willst du ein derartiges Schutzfeld um dein Schiff legen können? Du sagst selbst, dass du gerade erst herausgefunden hast, wie dieses Feld aufgebaut ist. Das heißt, dass die Geräte dafür erst hergestellt werden müssen, oder zumindest müssen vorhandene Generatoren erst modifiziert werden.“
Sa-Roon senkte den Blick. Spock stand plötzlich auf, er hatte ihre Gefühle gespürt. „Captain, Sie finden mich in meiner Kabine. Ich werde die Daten durcharbeiten.“
Jim war verdutzt, doch Sa-Roon sah ihren Bruder dankbar an. Spock strich ihr über den Arm. „Du machst dir zu viele Sorgen, Riorwan. Ich würde sagen, du unterschätzt den Captain.“
Einen Moment starrte Jim auf die Tür, die sich leise zischend hinter Spock geschlossen hatte. „Was hat das jetzt zu bedeuten?“
Sa-Roon straffte die Schultern. „Es gibt etwas, das du von mir nicht weißt. Ich habe dies bisher noch niemals vor jemandem ausgesprochen. Spock ist der Einzige, der mein Geheimnis kennt und er hat immer darüber geschwiegen.“
Langsam ging Jim zu ihr, zog sie in die Arme. „So schlimm wird es wohl nicht sein.“ Er spürte ihr Zusammenzucken, doch gleichzeitig lehnte sie sich an ihn. Dann jedoch trat sie einige Schritte zurück und blickte zu ihm auf. „Es ist gut möglich, dass du gleich vor mir zurückschreckst.“
Jim Kirk wartete stumm. Er konnte sehen, wie schwer es ihr fiel, weiterzusprechen.
„Jim, ich brauche keine Geräte, um dieses Energiefeld aufzubauen. Ich bin kein normaler Mensch, nicht einmal ein normaler Halb-Mensch oder Halb-Vulkanier.“
Jim sah sie verblüfft an.
„Du hast meine Geräte gesehen. Du weißt auch, wie sehr ich darauf achte, dass sie niemals untersucht werden können. Die Lösung dafür ist einfach, die meisten sind pure Attrappe. Nur wenige haben überhaupt eine echte Funktion. Ich benutze sie, damit die Wahrheit nicht erkennbar ist: Ich habe sehr starke Esper-Fähigkeiten. Ich kann Energie sehen bzw. spüren. Nicht mit den Augen, es ist wie ein Bild im Gehirn. Wenn Energie reagiert, sich verändert oder bewegt, dann sehe ich das ebenfalls. Und ich kann Energie auch umformen.“
Sie sah ihn nicht an, während sie sprach, fast monoton kamen ihre Worte. „Ich habe dieses Energiefeld deshalb im Panoramaraum studiert, weil ich dort den direkten Sichtkontakt habe. Es ist dann einfacher, auch wenn ich die Energien auch so ‚sehen‘ kann – jetzt von hier aus. Ich habe in den letzten Tagen geübt, wie ich dieses Magnetfeld selbst bilden kann. Ich benötige nur ausreichend Energie, die ich dann mit meiner Fähigkeit umforme, um mein Schiff vor der Antimaterie zu schützen.“
Einen Moment war Jim einfach sprachlos. Das klang unglaublich. Dann begann er sich Sorgen zu machen: Mit einer derartigen Begabung war Sa-Roon jedem anderen Wesen weit überlegen. Was konnte geschehen, wenn sie größenwahnsinnig wurde? Er begriff, dass sie die Überfälle als ‚The Phantom‘ mit dieser Fähigkeit durchgeführt hatte. Das erklärte so manches. Er sah sie an, in ihre dunkklen Augen, die ihm inzwischen so vertraut waren – und lächelte plötzlich.
„Du besitzt diese Fähigkeiten schon zu lange, um deshalb durchzudrehen. Aber ich verstehe deine Bedenken. Und ich weiß, dass andere tatsächlich Schwierigkeiten haben werden, dies zu akzeptieren. Ich nehme an, du weißt, dass es hin und wieder Menschen gab, die verblüffende und sehr starke Esper-Fähigkeiten hatten. Und dass diese Menschen sehr gefährlich wurden.“
Skeptisch sah Sa-Roon ihn an. „Ich habe davon gehört, aber ich glaube es nicht. Weshalb sollte man deshalb zu einer Gefahr werden? Aber natürlich kann man damit begründen, weshalb man alles versucht, um Menschen wie mich zu kontrollieren und als Werkzeug zu benutzen. Ich kenne das Esper-Gesetz, und ich finde es unerhört.“
Jim schüttelte den Kopf. „Es ist umstritten und mit Sicherheit auch nicht wirklich gerecht. Aber leider notwendig. Und die Vorkommnisse sind nicht erfunden. Ich habe es selbst erlebt. Ich kannte jemanden, der durch bestimmte Vorfälle sehr starke Esper-Werte entwickelte. Gary Mitchell war ein guter Freund von mir, doch je stärker seine Fähigkeiten wurden, desto mehr veränderte sich sein Charakter. Er wurde größenwahnsinnig. Wir mussten ihn töten, bevor er zu einer Gefahr für die Menschheit wurde. Mir sind auch weitere Fälle bekannt. Es scheint, dass derartige Fähigkeiten nicht gesund für den Charakter eines Menschen sind.“
Sa-Roon dachte nach. „Nun, vielleicht gibt es tatsächlich Gründe, weshalb man Menschen wie mir etwas skeptisch gegenübersteht. Ich habe trotzdem nicht vor, mich überwachen zu lassen.“
„Ich denke, dass die Situation bei dir anders ist. Du hast deine Fähigkeiten schon seit vielen Jahren. Du hast sie für deine Überfälle genutzt, doch du bist niemals zu einer Gefahr für die Menschheit an sich geworden. Im Gegenteil.“
Sa-Roon war immer noch unsicher. Jim lächelte, zog sie in seine Arme und küsste sie. „Lass uns die Diskussion auf morgen verschieben. Es ist ohnehin schon Abend. Ich zeige dir gerne, dass ich dich absolut nicht abschreckend finde. Komm mit zu mir.“
Bereitwillig folgte sie ihm zu seiner Kabine. Konnte es so einfach sein? Leise seufzte sie auf, als sie seine Lippen auf ihren fühlte und schmiegte sich in seine Umarmung.
Als es klopfte, zog Jim missmutig die Stirn zusammen. Widerwillig brummte er: „Herein.“
Spock trat ein und blieb abrupt stehen, als er Sa-Roon sah. Er räusperte sich. „Ich bitte um Verzeihung. Ich wollte nicht stören. Ich wusste nicht, dass Sie nicht alleine sind.“
Jim wollte schon fragen, weshalb der Vulkanier gekommen war, als er die Flasche in dessen Hand sah. Er lächelte: „Hm, saurianischer Whiskey. Kamen Sie für eine Runde Schach?“ Sie spielten oft und gerne gegeneinander.
„Das auch. Eigentlich wollte ich mit Ihnen über die Daten der Antimateriewolke sprechen. Aber ich gehe davon aus, dass Sie im Moment weder daran noch an Schach Interesse haben.“ Spock wandte sich wieder dem Ausgang zu.
„Nanu“, lachte Sa-Roon, „keine Ermahnung? Spock, ich bin verblüfft. Du wirst jetzt nicht den großen Bruder herauskehren und mich beschützen wollen?“
„Nein“, Spock blickte von ihr zu seinem Captain. „Ich bin mir inzwischen nicht mehr sicher, wer von euch beiden eher Schutz benötigt.“
Sa-Roon starrte ihn derart verblüfft an, dass Jim sich das Lachen kaum verkneifen konnte. „Himmel, seit wann kannst du derartig spitzfindige Gemeinheiten von dir geben?“, brachte sie schließlich hervor.
Spock zog nur eine Braue hoch: „Ich lebe schon seit einigen Jahren unter Menschen.“ Er wandte sich wieder dem Ausgang zu, fügte jedoch noch einen Satz hinzu, bevor er hinausging: „Captain, falls Sie doch lieber eine ungefährlichere Beschäftigung vorziehen und sich für Schach entscheiden, finden sie mich in meiner Kabine.“
Sa-Roon wollte sich ausschütten vor Lachen. „Oh, ich liebe ihn. Hast du ihm beigebracht, so herrlich gemein zu sein?“
Jim schüttelte den Kopf. „Nicht dass ich wüsste. Aber hin und wieder kann er ganz schön spitzfindig werden.“
Sie umarmte ihn. „Und? Keine Lust auf Schach?“
„Heute nicht“, murmelte er und zog sie wieder an sich.
Am nächsten Morgen diskutierten sie weiter, doch Sa-Roon setzte sich durch. Sie brauchten weitere Daten, um eine Möglichkeiten zu finden, die Antimateriewolke zu vernichten.
Ganz vorsichtig näherte Sa-Roon sich der Energiebarriere und drang langsam in sie ein. Gleichzeitig nahm sie die Energie auf und legte sie als Schutz um ihr Schiff. Es funktionierte, allerdings war es anstrengender, als sie es sich gedacht hatte. Diese Energieform war ihr fremd, sie musste sich stark konzentrieren, um das Schutzfeld aufrechtzuhalten. Doch je weiter sie in die Antimateriewolke vordrang, desto leichter wurde es. Diese seltsame Energieform, teils magnetisch, teils hochfrequente Strahlung, wurde ihr vertrauter und damit konnte sie besser damit umgehen. Ein Effekt, den sie schon oft bemerkt hatte. Es war wie instinktives Lernen.
Die Antimaterie war damit unwichtig geworden. Sa-Roon konnte sich frei in der Wolke bewegen und nahm Kurs auf das Zentrum. Sie schaffte es sogar, die Funkverbindung zum Schiff aufrechtzuhalten und gab immer wieder Daten durch, die von Spock sofort gespeichert und für weitere Auswertungen aufbereitet wurden.
„Im Zentrum der Wolke ist etwas. Feste Materie. Wie ich es vermutet habe“, aufgeregt klang Sa-Roons Stimme aus den Lautsprechern.
„Materie oder Antimaterie?“, wollte Spock sofort wissen.
„Das kann ich noch nicht feststellen.“
Sa-Roon studierte das seltsame Gebilde, das einem riesigen Zylinder glich. An seiner Außenseite waren Gebilde angebaut. Sie wirkten wie Gebäude. Das Ganze war von dem Schutzfeld umgeben. Sa-Roon vermutete deshalb, dass dieses seltsame Gebäudekonglomerat normale Materie war. Und es gab eine Verbindung, die durch das Schutzfeld in die Antimateriewolke reichte. Sie versuchte, die energetischen Felder, die dort sein mussten, zu erkennen, brach dies jedoch ganz schnell wieder ab.
So ging es nicht. Sie brauchte ihre Konzentration, um ihr Schiff vor der Antimaterie zu schützen. Langsam steuerte Sa-Roon auf das Zentrum zu. Sie rechnete jeden Moment mit einem Angriff oder einer Abwehrreaktion. Doch nichts geschah. Sie gab ihre Beobachtungen an die Enterprise weiter. Schließlich hatte sie das innere Schutzfeld erreicht und durchflog es.
Sa-Roon begann zu grinsen. Jetzt war sie wieder in einem für sie normalen Umfeld. Allerdings stellte sie fest, dass sie nun keine Funksignale mehr von der Enterprise empfangen konnte. Sie wendete und flog wieder in die eigentliche Wolke zurück. Sofort hörte sie die erregte Stimme des Captains: „Sa-Roon, melde dich. Was ist passiert?“
„Alles in Ordnung. Ich bin durch das innere Schutzfeld geflogen, damit brach die Funkverbindung ab. Ich bin jetzt wieder in der Antimateriewolke, werde aber gleich wieder ins Zentrum steuern. Das bedeutet, dass ihr mich nicht mehr hören werdet.“
„Nein.“
„Jim. Lass es. Ihr benötigt Informationen. Und du weißt, dass ich mich sehr gut schützen kann.“
Sie konnte förmlich hören, wie er mit den Zähnen knirschte. „Zwei Stunden. Und keine Minute mehr.“
„Und was willst du dann machen? Jim, sei vernünftig. Ich passe auf mich auf. Wenn ich in acht Stunden nicht zurück bin, müsst ihr mit den vorhandenen Daten weiterarbeiten und selbst einen Weg finden, diese Wolke zu stoppen. Aber ich glaube nicht, dass mir etwas passieren wird. Ich werde vorsichtig sein. Versprochen!“
Sa-Roon umging jede Diskussion, indem sie wieder durch das Magnetfeld ins Zentrum flog. Dort konnte sie sich endlich völlig auf die Gebäude konzentrieren, da sie kein Schutzfeld mehr aufbauen musste. Sie tastete das riesige Gebilde ab. In den kleinen Außengebäuden konnte sie nur geringe energetische Aktivitäten feststellen. Der große Zylinder jedoch – Sa-Roon staunte, als sie ‚sah‘, was dort vor sich ging. Im Inneren des Zylinders wurde Antimaterie hergestellt. Diese wanderte durch eine Art Trichter – der ebenfalls aus diesem faszinierenden, magnetischen Schutzfeld bestand – bis in die eigentliche Antimateriewolke. So wurde also gewährleistet, dass diese nicht durch Kontakt mit normaler Materie vernichtet wurde.
Doch so sehr Sa-Roon auch suchte, sie fand keine Spur von Leben in den Gebäuden. Sie kannte die Energie von Lebenserhaltungsgeräten. Es gab nichts davon, auch keine Funkwellen oder ähnliches. Ebenso gab es auch jetzt keine Anzeichen, dass ihre Annäherung bemerkt worden wäre. Sa-Roon war verblüfft. Sollte dieses Gebilde automatisch funktionieren?
Schließlich fand sie etwas, das wie eine Schleuse aussah. Sa-Roon verankerte ihr Schiff direkt davor und suchte nach der Steuerung. Es dauerte eine Weile, doch dann fand sie einen Mechanismus, der auf Energie reagierte. Sie tastete mit ihren Sinnen weiter und entdeckte stillgelegte Generatoren, hütete sich jedoch, diese zu aktivieren. Rasch zog sie einen Raumanzug an, öffnete die Schleuse und betrat dann das fremdartige Gebäude.
Sie fand Räume, die eindeutig zur Überwachung der technischen Anlagen dienten. Weitere Räume schienen Laboratorien zu sein und bei anderen vermutete sie, dass sie Wohnzwecken gedient hatten. Doch es gab keine Lebewesen. Sa-Roon erkundete die Wohnräume und versuchte herauszubekommen, welche Art Wesen hier gelebt hatten. Alles deutete auf humanoide Wesen hin, doch mehr konnte sie nicht herausfinden.
Sie wandte sich den technischen Anlagen zu. Hier konnte sie wesentlich mehr erkennen. Die Überwachungsgeräte waren zwar stillgelegt, aber die energetischen Verbindungen waren natürlich vorhanden. Sa-Roon studierte die Anlage so gründlich, wie sie konnte. In dem mehrere Kilometer großen Zylinder wurde aus der normalen, energetischen Strahlung, die überall in der Galaxie vorhanden war, Antimaterie hergestellt. Begeistert speicherte sie die Daten ab. Fast hätte sie vergessen, welche Bedrohung diese Wolke darstellte; diese Technik und die Möglichkeiten, die sich daraus ergaben, waren faszinierend.
Erst nach Stunden erinnerte sie sich wieder an die Enterprise. Spock und Jim Kirk würden inzwischen dringend auf ein Lebenszeichen warten. Sa-Roon seufzte, am liebsten hätte sie diese Station so gelassen. Dann hätte sie später in Ruhe weiter forschen können. Doch das war unmöglich, die Wolke musste gestoppt werden. Also griff sie mit ihren Fähigkeiten nach den Energieströmen, die den Zylinder steuerten und brachte diese zum Erliegen. Systematisch unterband sie jegliche Energieaufnahme und zerstörte die Energieleiter. So konnte im Zylinder keine Antimaterie mehr gebildet werden.
Sa-Roon schrak auf. Eine Alarmanlage sprang an. Nur Sekunden später begannen mehrere Generatoren zu arbeiten. Hastig überprüfte sie deren Funktion und geriet fast in Panik: Eine Selbstvernichtungsanlage! Wenn die Station explodierte, würde das Schutzfeld mit vernichtet werden. Die Antimaterie würde schlagartig reagieren – das wäre das Ende der Enterprise. Sa-Roon tastete die Verbindungen ab, fieberhaft suchte sie nach einer Möglichkeit, den Vorgang zu stoppen. Endlich! Einen Moment stand sie nur still da und lehnte den Kopf an die kühle Metallwand. Das war knapp gewesen.
Sie kontrollierte noch einmal gewissenhaft die Veränderungen, die sie durchgeführt hatte. Es funktionierte. Es entstand keine Antimaterie mehr, aber der Schutzschirm war stabil. Damit kam es zu keiner unkontrollierten Reaktion. Sa-Roon blickte auf die Uhr. Es waren fast sieben Stunden vergangen! Eilig kehrte sie zu ihrem Schiff zurück und steuerte wieder in die eigentliche Wolke.
„Sa-Roon an Enterprise.“
„Sa-Roon! Endlich! Was ist da drinnen passiert?“
„Tut mir leid. Ich muss zugeben, dass ich die Zeit vergessen habe. Die Technik dort ist faszinierend. Ich würde zu gerne wissen, wer das gebaut hat, aber es gab keine Hinweise, woher das Ding stammt.“
So erleichtert wie er war, Jim Kirk verdrehte innerlich die Augen. Faszinierend! Das hätte von Spock kommen können. Er warf einen Blick zu dessen Konsole hinauf. Natürlich ließ der Kerl sich nichts anmerken, steif und aufrecht wie üblich saß er da und gab sich völlig ungerührt. Dabei hatte er sich garantiert ebenso viele Sorgen gemacht.
Spock sah zum Hauptbildschirm, obwohl dieser nur die Umrisse der Wolke zeigte. „Konntest du die Funktionsweise der Antimaterieherstellung herausfinden? Hast du ausreichend Daten, um damit arbeiten zu können?“
„Genug, um alle Wissenschaftler der Föderation auf Jahre hinaus zu beschäftigen. Spock, die Anlage ist fantastisch. Es gibt unzählige Möglichkeiten, wie man diese Technik nutzen könnte. Natürlich müsste man ausreichende Schutzmaßnahmen finden. Dazu der Schutzschirm! Ich habe die Strahlung genau definieren können. Es gibt einen Zusammenhang zwischen den hochenergetischen Gammawellen und …“
„Einen Moment, bitte!“ Kirk schüttelte den Kopf. „Bevor ihr beide anfangt, jetzt technische Einzelheiten zu erläutern, die außer euch kein Mensch mehr versteht, möchte ich doch auf das eigentliche Problem zurückkommen.“
Ganz kurz war es still, dann seufzte Sa-Roon: „Du hast ja Recht, Jim. Ich habe die Anlage stillgelegt. Damit kann die Antimaterie jetzt gezielt zerstört werden. Ich würde vorschlagen, veraltete Frachter mit möglichst viel Ladung in die Wolke zu steuern. So wird die Antimaterie langsam und kontrolliert zur Reaktion gebracht. Der Schutzschirm verhindert, dass es zu einer verheerenden Explosion durch eine vollständige, schlagartige Berührung mit der normalen Materie kommt. Es dauert noch vier Wochen, bis die Wolke in eine gefährliche Nähe zu Talkon kommt. Bis dahin sollte es möglich sein, sie zu vernichten.“
Sa-Roons Vorschlag wurde angenommen. Ihre Hoffnung, die fremde Station später weiter erforschen zu können, erfüllte sich jedoch nicht. Als etwa ein Drittel der Antimaterie vernichtet war, kam es zu einer Kettenreaktion in der verbliebenen Wolke. Die gesamte Antimaterie explodierte und zerstörte die im Zentrum liegende Station.
Sa-Roon wurde offiziell gebeten, auf der Enterprise zu bleiben und zur nächsten Base mitzukommen. Dass sie ein gesuchter Flüchtling war, wurde stillschweigend übergangen. Jim Kirk bekam die inoffizielle Versicherung, dass man die Frau nicht verhaften würde.
General Stummings blickte von den beiden Männern zu der jungen Frau. „Ich verstehe Sie nicht, Miss Sa-Roon. Sie haben eine unglaublich wertvolle Hilfe geleistet. Weshalb weigern Sie sich, Ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten weiterhin nutzbringend anzuwenden?“
Spock sah zu seiner Schwester. Würde sie diese unglückliche Formulierung hinnehmen können? Ihr Temperament war so sehr menschlich – so emotional und unlogisch. Es wunderte ihn schon, wie ruhig sie darauf reagiert hatte, dass ihre Fähigkeiten jetzt bekannt geworden waren. Aber es war einfach nicht mehr möglich gewesen, diese weiter geheim zu halten.
Sa-Roon blieb gelassen und entspannt in ihrem Sessel sitzen. „Weil ich nicht bereit bin, anderen die Entscheidung zu überlassen, was, wann und wie ich meine Möglichkeiten einsetze. Und genau das verlangen Sie von mir.“
„Ich kann Sie nur bitten, sich das noch einmal zu überlegen. Bedenken Sie, dass es darum geht, ob Ihre Verurteilung in Kraft bleibt oder nicht. Miss Sa-Roon, wir können einer Begnadigung nicht zustimmen, wenn Sie auf unsere Bedingungen nicht eingehen.“
Sie zuckte mit den Schultern. „Ich habe nicht um diese Begnadigung gebeten, General.“
Beinahe hätte er mit den Zähnen geknirscht. Sowohl Star Fleet wie auch die politische Führung der Erde – und der Föderation – suchten nach einer Möglichkeit, diese Frau juristisch und rechtlich zu rehabilitieren. Nur sie selbst schien dies nicht im Geringsten zu interessieren.
„Sie können nicht weiterhin in einem rechtlosen Raum agieren. Ihre Handlungen müssen mit den Gesetzen übereinstimmen.“
„Und warum soll das nicht gehen? Bisher hat es doch hervorragend funktioniert“, widersprach Sa-Roon. „Mich interessiert es nicht, ob ich offiziell als Verbrecherin gelte. Ich werde mich keiner Behörde, geschweige denn Star Fleet unterordnen. Meine Forschungen stelle ich jedoch gerne – sehr gerne sogar – den entsprechenden Instituten zur Verfügung. Und wenn etwas Dringendes ansteht, so kann mich die Enterprise immer erreichen.“
Wieder blickte der General zu den Männern. Spock und Jim Kirk hatten Einfluss auf die Frau. Deshalb waren sie gebeten worden, bei diesem Gespräch mit dabei zu sein. Aber bisher hatten sie sich jeder Äußerung enthalten.
Der Vulkanier zog nur die Augenbraue hoch, als er den auffordernden Blick des Generals auf sich ruhen sah. „Sa-Roons Entscheidungen werden von mir weder angezweifelt noch beeinflusst.“
„Mr. Spock, es kann Ihnen doch nicht egal sein, ob Ihre Schwester als flüchtige Verbrecherin angesehen wird, oder als angesehene Wissenschaftlerin.“
Langsam legte Spock die Fingerspitzen aneinander. Seine Augen sahen einen Moment zu Sa-Roon, die den Blick lächelnd erwiderte. Natürlich wäre es angemessener, wenn sie nicht als Flüchtling leben müsste. Die Vorstellung war – unästhetisch. Er weigerte sich, das Wort bedauerlich oder – noch schlimmer – schmerzlich, auch nur zu denken. Doch ihr Lächeln und vor allem ihre Gefühle, die er deutlich spürte, machten ihn nachdenklich. Er brauchte eine bestimmte Antwort, aber die Frage war zu privat, um sie hier stellen zu können. Wieder warf er Sa-Roon einen Blick zu. Sie würde ihn verstehen, er brauchte nicht die komplette Frage zu stellen. „Fünf?“
Er ignorierte den verblüfften Blick des Generals ebenso wie die schlagartige Aufmerksamkeit des Captains. Sa-Roons Lächeln wurde breiter. Sie nickte: „Fünf!“
Spock schob alle Bedenken beiseite: „General, es gibt keinen logischen Grund, weshalb es eine Rolle spielen sollte. Die temporären Auswirkungen sind selbstverständlich unterschiedlich, doch ob dies relevant ist, muss und wird Sa-Roon selbst entscheiden.“
General Stummings warf ihm einen wütenden Blick zu. Vulkanier und ihre verdammte Logik. Konnte Kirk nicht etwas sagen, dass diese Frau zum Einlenken bringen würde? Der Kerl verstand sich doch auf Frauen.
Jim seufzte auf: „General, nach meinen Erfahrungen mit Sa-Roon wird sie sich nicht beeinflussen lassen. Weder von mir, noch von sonst jemandem. Natürlich wäre es jedem, der sie kennt lieber, sie würde einen Weg finden, sich mit den Werten und Gesetzen unserer Gesellschaft zu identifizieren. Doch ich muss Mr. Spock Recht geben. Diese Entscheidung trifft Sa-Roon selbst.“
Sa-Roon blickte zu Spock, er blockte ihr telepathisches Tasten nicht ab, im Gegenteil. Leise seufzte sie. Es war egoistisch von ihr, jetzt noch ihr Geheimnis zu hüten. Sie stand auf. „General, ich muss ein Gespräch führen. Kann ich Ihren Kommunikator benutzen?“ Bevor dieser eine Frage stellen konnte, fügte sie hinzu: „Es ist notwendig, wenn diese Unterhaltung weitergeführt werden soll.“
Auf sein Nicken ging sie zu dem Gerät und stellte eine Verbindung her. Alle drei Männer sahen verdutzt auf den Mann, der auf dem Bildschirm erschien.
„General, Sie haben gewonnen. Ich akzeptiere.“ Obwohl ihr Tonfall immer noch eher widerwillig klang, lächelte sie dabei.
„Das wurde auch Zeit, Sie Dickschädel. Wo sind Sie?“
„Bei General Stummings. Er bietet mir die Begnadigung an.“
Der Mann lachte leise auf. „Die Sie natürlich ohne weitere Begründung abgelehnt haben, wie ich Sie kenne. Wie kommt es, dass Sie sich endlich besonnen haben?“
Sa-Roon zuckte mit den Schultern. „Es wird Zeit, denke ich. Und Sie haben Recht, es ist einfacher so. Außerdem“, sie zögerte, „ich habe auch private Gründe.“
„Hat ihr Bruder Ihnen ins Gewissen geredet und Sie endlich zur Vernunft gebracht?“, vermutete General Mousson.
Jetzt lachte Sa-Roon hell auf: „General, Spock redet mir niemals ins Gewissen, wie Sie es ausdrücken. Er zweifelt auch nicht an meiner Vernunft und meiner Fähigkeit, meine Entscheidungen selbst treffen zu können.“ Sie wurde wieder ernst: „Aber ich schätze, genau das ist einer Gründe, weshalb es Zeit wird, die Wahrheit zu sagen. Würden Sie so freundlich sein, mit General Stummings zu sprechen?“
Der stand auf und trat vor den Kommunikator. „General Mousson. Ich muss zugeben, ich begreife im Moment überhaupt nichts mehr.“
„Ich grüße Sie, General Stummings. Ihre Verwirrung ist verständlich. Nun, eine Begnadigung können Sie Sa-Roon nicht anbieten. Aus einem einfachen Grund. Die Verurteilung der Frau war niemals rechtmäßig. Sa-Roon ist seit fast zwanzig Jahren Agentin des Ministeriums zur Abwehr interstellarischer Gefahren. Eine ZBS-Agentin!“
Jetzt rissen alle drei Männer die Köpfe hoch. Sie kannten diese Bezeichnung. ZBS-Agenten hatten besondere Vollmachten und Befugnisse. Es gab nur wenige, denn sie mussten extrem vertrauenswürdig sein. Sie waren berechtigt, im Rahmen ihrer Aufträge jedes Gesetz zu missachten.
„Weshalb ist dies nicht berücksichtigt worden? Damit hätte Miss Sa-Roon doch niemals auch nur vor Gericht gestellt werden dürfen.“ General Stummings war fassungslos.
„Weil dieser Dickschädel darauf bestanden hat, dass wir uns zurückhalten und ihr Status absolut niemandem offenbart wird.“
„Ja, aber – du lieber Himmel – bis wir dieses Durcheinander wieder entwirrt bekommen …“ General Stummings schüttelte nur noch den Kopf.
„Das erledigen wir. Da Miss Sa-Roon endlich bereit ist, zuzugeben, dass sie für uns arbeitet, werden wir die Gerichte informieren. Sa-Roon wird damit rehabilitiert werden.“
„Ich habe noch eine Frage, General“, warf Sa-Roon ein. „Sie erinnern sich an meinen Vorschlag. Wie stehen Sie dazu?“
„Das sollten Sie eigentlich selbst wissen, Miss Sa-Roon. Wir sind natürlich einverstanden. Die dementsprechenden Forschungsinstitute werden informiert. Sie bekommen Zugang dort.“
Sa-Roon nickte und beendete das Gespräch. Dann wandte sie sich an General Stummings: „Ich muss mich entschuldigen. Ich habe dies weitaus länger geheim gehalten als es notwendig gewesen wäre.“
„Sie sind eine seltsame Frau.“
In den folgenden Wochen hatten verschiedene Ministerien, Juristen und Richter dann einiges zu tun. Sa-Roon kümmerte sich nicht darum. Sie setzte sich mit Spock und Jim Kirk zusammen. Dr. McCoy kam auf ihren Wunsch ebenso hinzu wie ihre Eltern. Dann legte sie eine umfassende Beichte ab.
Auf der Erde hatte sie damals als Fünfzehnjährige befürchten müssen, wieder nach Vulkan zurückgeschickt zu werden. Deshalb hatte sie beschlossen, vollends zu verschwinden und sich irgendwo ein neues Leben aufzubauen. Was sie nicht gewusst hatte – die Behörden der Erde hatten ihren Berichten durchaus Glauben geschenkt und wollten sichergehen, dass dem Mädchen auf Vulkan nichts geschehen würde. Deshalb ließen sie sich Berichte über das Geschehen geben. Da dies Zeit benötigte und die Verantwortlichen eine Kurzschlussreaktion des Mädchens befürchteten, wurde Sa-Roon überwacht. Und das junge Mädchen setzte seine Fähigkeiten, Energie zu nutzen und umzuformen ohne Bedenken ein, um dieser Bewachung zu entgehen.
Das waren Aktivitäten, die zufällig bemerkt wurden. Einem Agenten des Ministeriums zur Abwehr interstellarer Gefahren fielen die seltsamen Energieschwankungen auf. Er ging der Sache nach und kam zu dem Schluss, dass Sa-Roon starke Esper-Fähigkeiten besaß. Der Agent informierte seine Vorgesetzten und die nahmen Kontakt mit dem jungen Mädchen auf.
Sie waren über das Geschehen auf Vulkan informiert und verstanden, dass Sa-Roon ihnen ein starkes Misstrauen entgegenbrachte. Deshalb akzeptierten sie ihre Bedingungen. Sa-Roon würde für sie arbeiten, jedoch nur, wenn dies geheim gehalten wurde. Zudem bekam sie das Recht, selbst über ihre Aktivitäten zu bestimmen. Im Gegenzug war Sa-Roon bereit, sich einer Mentaluntersuchung zu unterziehen. Damit konnten die charakterlichen Grundwerte einer Person erkannt werden. Hier wurde deutlich, dass Sa-Roon eine geradezu erschreckende Gleichgültigkeit zeigte, was geltendes Recht anging. Jedoch besaß sie gleichzeitig ein instinktives, äußerst starkes Rechtsempfinden. Es wurde ersichtlich, dass Sa-Roon aufgrund ihrer charakterlichen Eigenschaften nicht fähig war, unmoralisch zu handeln, obwohl sie keine Bedenken hatte, sich über menschliche Gesetze hinwegzusetzen.
Im Laufe der nächsten zwei Jahre festigte sich das Vertrauen zwischen ihr und dem Ministerium. Ihr direkter Vorgesetzter, oder wie sie es lieber ausdrückte, Ansprechpartner, General Mousson hatte viel Verständnis für das temperamentvolle Mädchen. Sa-Roon lernte, Erwachsenen wieder zu vertrauen und sich verantwortungsvoll zu verhalten. Schließlich setzte sie sich zum Ziel, die vermutete Verschwörung hochrangiger Persönlichkeiten aufzudecken und baute sich eine fantasievolle Tarnung als ‚The Phantom‘ auf. Ein Leben, das sie sehr genoss und ihrem Drang nach Abenteuern entgegenkam.
Als sie endete, herrschte erst einmal Schweigen im Raum. Schließlich ergriff Lady Amanda das Wort: „Das ist fantastisch, Liebes. Aber warum hast du dann immer noch die Wahrheit verschwiegen, als du verurteilt wurdest? Das war doch nicht mehr nötig.“
„Weil ich mein Leben als ‚The Phantom‘ zu sehr mochte. Ich konnte mir nicht vorstellen, dieses Leben einfach so aufzugeben. Ich war sicher, dass ich es schaffen würde, andere Aufträge auch auf diese Weise zu erledigen.“ Sa-Roon zuckte mit den Schultern. „Dass ich dann plötzlich keine Lust mehr dazu hatte, wusste ich nicht. Inzwischen bin ich viel interessierter daran, meine Fähigkeiten für die Forschung zu nutzen. Ich hatte schon Gespräche mit General Mousson deshalb geführt und wir waren gerade dabei, die Möglichkeiten durchzusprechen, wie wir das umsetzen könnten. Da kam der Notruf von Spock und das ging natürlich vor.“
Sa-Roon blieb nur so lange auf der Erde, bis das juristische Durcheinander geklärt war. Sie nutzte die Zeit, um mit mehreren Forschungsinstituten Kontakt aufzunehmen. Es gab viele Projekte, die sie interessierten und bei denen sie mitarbeiten konnte und wollte. Dann kehrte sie auf ihre kleine, unbekannte Welt zurück. Von hier aus konnte sie ungestört ihre Forschungen betreiben und den Kontakt mit den Forschungsinstituten aufrechthalten. Gleichzeitig blieb sie weiterhin Agentin. Ihr Leben würde mit Sicherheit interessant und aufregend sein. Und – sie lächelte bei diesem Gedanken – man hatte ihr zugesagt, dass sie sowohl Forschungen wie Aufträge des Ministeriums, wann immer es notwendig oder sinnvoll war, zusammen mit der Mannschaft der Enterprise bearbeiten konnte. Sie würde ihren Bruder ab jetzt ganz offiziell immer wieder sehen.
Und damit natürlich auch Captain James Kirk. Sa-Roon grinste in sich hinein. Es würde eine seltsame Beziehung sein – für das allgemeine Verständnis anderer zumindest. Denn keiner von ihnen beiden war an einer engen, dauerhaften Partnerschaft interessiert. Doch waren sie voneinander derart fasziniert, dass sie mit Sicherheit nicht nur Freunde sein würden.
--- Ende ---
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Tag der Veröffentlichung: 03.06.2017
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Liebe Leser/Leserinnen,
ich wurde darauf aufmerksam gemacht, dass diese Gesichte gewisse Ähnlichkeiten mit der Star Treck-Serie Discovery aufweist.
Ich möchte deshalb betonen, dass meine FanFiktion Story frei erfunden ist - natürlich bis auf die bekannten Personen aus der Klassik Serie Enterprise.
Discovery habe ich nie gesehen und kenne deren Handlung somit auch nicht.
Anne Grasse