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AUF ZUM SONGCONTEST

Sprachlos starrte sie auf die Eintrittskarte in ihren Händen, schien vorerst nicht zu wissen, was sie davon halten sollte. Ruckartig hob sie den Kopf, sah mir in die Augen – ausgesprochen zornig, wie ich zu meinen glaubte. Der Blick erschreckte mich mehr, als ich zugeben wollte, wusste außerdem mit dem eigentümlichen Ausdruck darin nichts anzufangen.

 

„Hast du wieder einmal niemanden gefunden, der mit dir nach Düsseldorf fährt?“, wollte sie ungehalten wissen. Ein wenig aus der Fassung geraten schaute ich zu ihr, mich zurücklehnend. Mit ihrer Reaktion und vor allem mit dieser Frage hatte ich absolut nicht gerechnet, dementsprechend irritiert saß ich vor meinem Schreibtisch, sie einen kurzen Augenblick fixierend. „Natürlich wusste ich, wer mich begleitet. Mein einziger Fehler war nur, dieser Person davon nichts zu sagen“, stellte ich bedauernd fest. „Ach nein …“, rief sie, noch immer sehr aufgebracht, aus, „und du nimmst einfach an, dass ich nichts weiter vor habe!“ Milde lächelnd schaute ich sie an, mit leiser Stimme meinte ich nur: „Ich nehme es nicht nur an, ich weiß es sogar, Alex. Dieses Wochenende habe ich doch schon vor Wochen für dich geplant.“ Ich erreichte damit fürs Erste nur, dass sie einen kurzen Augenblick nichts sagte, was mich ein klein wenig erstaunte, doch hatte ich nicht mehr die Möglichkeit, darauf überhaupt zu reagieren.

 

Denn sie sprang auf und kam mit erhobener Hand auf mich zugelaufen. Ehe sie mir die Karte um die Ohren schlagen konnte, hielt ich sie am Arm fest und zog sie kurzerhand auf meinen Schoß. Sie war so erstaunt über mein Handeln, dass sie völlig darauf zu vergessen schien, überhaupt ein Wort darüber fallen zu lassen. Ehe ich in ihren Augen versinken konnte, küsste ich sie sanfter und zärtlicher, als ich es ursprünglich vorgehabt hatte. Es überraschte mich, dass sie diesen Kuss sogar erwiderte und genauso hineinzukippen schien wie ich selbst.

 

Erst als wir vor der Tür einige Stimmen hörten, lösten wir uns voneinander. Entsetzt sah sie mich an, etwas in ihrem Blick sagte mir, dass sie etwas sagen wollte. Behutsam legte ich meinen Finger auf ihre Lippen, schüttelte nur den Kopf. „Sag jetzt einfach nichts“, drängte ich leise. Sie entsprach tatsächlich meiner Bitte, wand sich jedoch einfach aus meinen Armen und erhob sich. Unverwandt starrte sie für Augenblicke auf mich herab, holte aus und schlug einfach zu. Ohne noch irgendetwas zu sagen, rauschte sie aus dem Büro und ließ mich ziemlich irritiert zurück. Während sie die Tür hinter sich in Schloss zog, rieb ich meine schmerzhafte Wange, ihr Schlag war nicht ohne gewesen.

 

Ich wunderte mich noch immer, dass sie neben mir im Flugzeug saß, das uns nach Düsseldorf bringen sollte. Die kurze Zeit, die wir an diesem Samstag bereits miteinander verbracht hatten, war schweigend verlaufen, und ich merkte sehr wohl, dass sie noch immer ausgesprochen wütend auf mich war, obwohl ich den tatsächlichen Grund dafür noch immer nicht wusste. Wenn ich ehrlich zu mir selbst war, wollte ich es auch gar nicht, jedenfalls im Augenblick nicht, immerhin war ich froh darüber, dass Alex überhaupt mitgekommen war. Im Geiste rieb ich mir die Hände, da ich so glücklich war, sie neben mir zu wissen.

 

Mit einem breiten Grinsen auf den Lippen wandte ich ihr meinen Kopf zu, langsam, beinahe schon unbewusst, schob sich meine Hand der ihren zu, meine Finger verknoteten sich in ihren. Ich hörte, wie sie hastig ein und auch wieder ausatmete. Vergebens versuchte sie, mir ihre Hand wieder zu entziehen, ich schüttelte nur leicht den Kopf, da ich nur zu genau wusste, dass sie mir hier nicht entkommen konnte. Ihr vernichtender Blick sagte mir, dass sie es am liebsten tun würde. Ich lächelte nur verträumt vor mich hin, sah ich mich doch bereits am Ziel meiner Wünsche und Träume, unbewusst streichelte ich über ihren Handrücken, begann ihre Nähe noch mehr zu genießen, als ich es ohnehin schon tat.

 

Das Kribbeln in meinem Bauch und das Flattern meiner Nerven ließ auch nicht nach, als wir auf unser Gebäck warteten, wieder nahm ich ihre Hand und zog Alex näher an mich heran. Auch wenn ich nicht direkt in ihr Gesicht sehen konnte, so nahm ich dennoch ihr Schmunzeln wahr. In mir schlich sich das Gefühl des Siegens ein, meinte sogar auf dem richtigen Weg zu sein, auch wenn ich noch nicht wusste, wie ich sie tatsächlich erobern sollte. Aber dieses verschmitzte Lächeln machte mir etwas Mut.

 

„Endlich …!“, hörte ich sie sagen, nahm mit Schrecken zur Kenntnis, dass sie mir ihre Hand entzog und auf ihre Reisetasche zusteuerte, die natürlich wieder um einiges schwerer war als meine. Ehe sie das Gepäckstück vom Förderband nehmen konnte, tat ich es für sie und hielt gleichzeitig Ausschau nach meinem. Bald hatte ich meinen auch gefunden. Gemeinsam strebten wir dem Ausgang zu, um dort nach einem Taxi zu suchen. Denn ursprünglich hatte uns Mike, mein Sohn, abholen sollen, doch sein Auto war am Vormittag einfach nicht angesprungen, so musste wir mit einem Taxi vorlieb nehmen, ein nicht allzu leichtes Unterfangen, wenn man bedachte, dass in der letzten Stunde mehrere Maschinen gelandet waren.

 

Ich war darüber erstaunt, dass wir an einem Samstagvormittag rascher vorwärts kamen, als ich ursprünglich angenommen hatte. Ganz Düsseldorf schien noch im Bett zu liegen, stellte ich erfreut fest, und das kam mir sehr gelegen, hatten wir doch die Gelegenheit, uns beim Umziehen nicht unbedingt beeilen zu müssen. Außerdem wollte ich herausfinden, ob meine überaus charmante Begleitung noch immer so wütend war wie am Tag zuvor, denn geredet hatte sie ausgesprochen wenig, sodass ich mich nicht hatte vom Gegenteil überzeugen können. Aber sie schaute sich interessiert um, war sie doch noch nie in Düsseldorf gewesen, wie ich aus einer früheren Erzählung her wusste. Aber allzu viel konnte ich ihr in den wenigen Tagen, die wir hier waren, nicht von der Stadt zeigen.

 

„Ist das dein Haus?“, fragte Alex mit der ihr eigenen Neugier. Bedauernd schüttelte ich den Kopf. „Leider nein, das ist das Haus meiner Schwester. Immer wenn ich nach Düsseldorf komme, übernachte ich im Gästezimmer …“, erzählte ich und wunderte mich über ihren irritierten Blick. „Weiß sie, dass wir nur Kollegen sind?“, fragte sie interessiert, sah mich fragend an. Ich nickte. „Natürlich weiß meine Schwester, dass ich keine Freundin habe, aber du wirst trotzdem damit rechnen müssen, dass wir im selben Bett schlafen werden“, meinte ich langsam, mit einem schiefen Lächeln schaute ich ihr in die Augen und zuckte hilflos mit den Schultern. „Mach dir deswegen keine unnötigen Gedanken … wir schlafen doch nicht zum ersten Mal im gleichen Bett“, bemerkte sie trocken. „Aber inzwischen hat sich etwas zwischen uns geändert“, murmelte ich vor mich hin und spielte auf den Kuss vom Vortag an.

 

Ehe sie antworten konnte, wurde die Haustür aufgerissen und meine Schwester kam auf mich zugelaufen. „Micha … schön dich zu sehen“, rief sie schon von weitem, ihre Stimme klang aufgeregt. Vor Freude fiel meine Schwester mir um den Hals, erst dann wandte sie sich Alex zu. Ehe eine der beiden Frauen etwas sagen konnte, machte ich sie miteinander bekannt. Erfreut begrüßte Monika Alex und nahm ihr so eine mir vollkommen unbekannte Scheu. Trotzdem schlich sich ein nur sehr zaghaftes Lächeln auf ihre Lippen. „Kommt ins Haus …“, bat Monika, ehe ich reagieren konnte, schnappte sie unsere Reisetaschen und ging damit zum Haus, ließ es jedoch nicht zu, dass ich ihr die Taschen wieder abnahm. Also beließ ich es dabei, denn es tat auch einmal gut, verwöhnt zu werden, und ich kam ja nicht alle Tage nach Düsseldorf!

 

Erst als wir im Gästezimmer standen, stellte sie unser Gepäck wieder ab. „Es stört doch nicht, wenn ihr hier schlaft“, meinte Monika an Alex gewandt und deutete mit der Hand auf das nicht allzu breite Bett, „ich weiß doch von Michael, dass ihr nur Kollegen seid!“ Alex lächelte vor sich hin, rasch sah sie zu mir auf, ich erwiderte diesen Blick, versuchte ihn sogar festzuhalten, was mir zu meinem Leidwesen nur wenige Augenblicke gelang. Meine Schwester zerstörte diesen Moment, indem sie sich durch ein lautes Räuspern bemerkbar machte.

 

„Ihr solltet euch vielleicht schon frisch machen, Mike wollte nach dem Essen vorbeikommen!“, erklärte Monika nach einem kurzen Blick auf ihre Uhr. Erschrocken schaute ich abwechselnd zu Alex und meiner Schwester, das war mir dann doch zu zeitig, immerhin hatte ich gehofft, dass ich mich nicht allzu sehr beeilen musste. „Schau nicht so entsetzt, du siehst den Jungen doch sowieso selten genug, da schadet es nichts, wenn ihr ein wenig redet“, erwiderte Monika. Ich schluckte eine Antwort wieder hinunter, denn ich hatte eigentlich vorgehabt, mich noch einen Augenblick mit Alex unterhalten zu können, ohne von jemandem gestört zu werden. Immerhin spürte ich, dass sich zwischen uns etwas geändert hatte, auch wenn ich noch keine konkrete Vorstellung von dieser Veränderung hatte.

 

Ergeben nickte ich, widerstand der Versuchung, Monika aus dem Raum zu schieben. Ein wissendes Lächeln schlich sich auf ihre Lippen, ich ignorierte es einfach. „Michael, lass gut sein … mach dich rasch frisch, ich werde mit deiner Schwester einfach hinunter gehen und ein klein wenig plaudern, immerhin sollten wir uns ein wenig kennenlernen …“, zerstörte Alex einfach mein Pläne. Mit einem Anflug von Entsetzen starrte ich sie kurz an, ohne zu wissen, was ich von ihrem Vorschlag halten sollte. „Das ist eine ausgezeichnete Idee …“, hakte Monika nach, „…kommen Sie, Frau Rietz!“ Mit diesen Worten zog sie Alex einfach mit sich, ohne mir noch die Möglichkeit zu geben, dagegen zu protestieren.

 

Ich konnte Sekunden später schon nicht mehr sagen, warum ich so enttäuscht war, als sie die Tür hinter sich schloss, denn im Grunde genommen hatten die Frauen recht. Was sprach eigentlich dagegen, wenn sie sich besser kennenlernten. Sollte aus Alex und mir je ein Paar werden, war das auf alle Fälle ganz gut. Dennoch fiel es mir schwer, mich auf das zu konzentrieren, was ich gerade vorhatte, deshalb brauchte ich für die längst fällige Rasur an diesem Vormittag auch länger, als es sonst bei mir üblich war, zu sehr sehnte ich mir Alex herbei. Warum das so war, konnte ich beim besten Willen nicht sagen. Erst ein schrilles Läuten riss mich wieder aus meinen Gedanken.

 

Ich konnte leise Stimmen hören, doch da mein Rasierapparat noch immer eingeschaltet war, konnte ich sie niemandem zuordnen. Doch ich vermutete, dass Mike bereits früher als geplant gekommen war. Ich dachte darüber jedoch nicht länger nach, erst als ich einen leichten Luftzug spürte, wandte ich mich der Tür zu. Vor mir stand sie. Erschrocken hielt ich den Atem an, denn ich hatte mir nach den Duschen noch immer nichts über gezogen.

 

„Lass es bleiben …“, lachte Alex, „ich weiß, wie Männer aussehen. Mike ist übrigens schon jetzt gekommen!“ Meine Vermutung hatte sich also bestätigt. Mit einem spitzbübischen Grinsen steuerte sie zielstrebig auf mich zu und hielt meine Hand fest, mit der ich ein Handtuch um meine Hüften wickeln wollte. „Was soll das denn?“, wollte ich bestürzt wissen, auch wenn ich mir in den letzten Monaten nichts anderes gewünscht hatte. Warum mir die Situation im Moment zu brisant wurde, konnte ich beim besten Willen nicht sagen. Ich zuckte leicht zusammen, als mich ihre Hand ausgesprochen behutsam berührte und begann, mich zu liebkosen. Mit großen Augen starrte ich an mir hinunter und es ärgerte mich ein wenig, dass ich schneller darauf reagierte, als ich wollte. Ich widerstand dem Drang, ihre Hand festhalten zu wollen. „Ich wusste doch, dass es dir gefällt …“, flüsterte sie, kam noch näher an mich heran und schmiegte sich an meine Seite, ohne mit der Stimulation aufzuhören. Langsam senkte ich meinen Kopf, begann mit ihr zu schmusen. Endlich ließ sie einen wunderbaren Kuss zu.

 

Wann wir ihn gelöst hatten, konnte ich im Nachhinein nicht mehr sagen. Als wir es dann doch taten, hörte ich mich stöhnen und ihr gurrendes Lachen, spürte nach endlos scheinenden Sekunden ihre Zähne an meiner Schultern. Entsetzt stellte ich fest, dass sie behutsam an mir zu knabbern begann und es mir auch noch gefiel. Plötzlich hatte ich es unheimlich eilig, sie aus ihren Sachen zu schälen. Wie sie es weiterhin schaffte, meine inzwischen steinharte Männlichkeit zu streicheln, würde ich wohl nie herausfinden, doch es gefiel mir so sehr, dass ich das auch gar nicht wollte. Während eines atemberaubenden Kusses, schaffte ich es, sie auf die neben uns stehende Waschmaschine zu hieven und in sie einzudringen. Behutsam bewegte ich mich in ihr, merkte dabei, wie ihre Erregung ebenfalls stieg. Während ich mich nach wenigen Minuten in ihr ergoss, öffnete sich die Badezimmertür.

 

Ich hörte ein empörtes Schnauben, das ich keiner bestimmten Person zuordnen konnte. Alex starrte mich aus großen Augen an, ohne das Streicheln meiner Brust zu unterbrechen. Sie schien mit der Situation im Moment nicht klar zu kommen. Behutsam entzog ich mich ihr und wandte meinen Kopf dem ungebetenen Besucher zu, ohne mich jedoch zu ihm zu drehen. Mit einem erstaunten Blick bemerkte ich Mike, der uns ziemlich überrascht musterte. „Ich komme gleich, Mike, warte bitte bei Tante Monika auf mich …“, ersuchte ich meinen Sohn, ohne darauf einzugehen, was er eben gesehen hatte. Mit erstaunlicher Geschwindigkeit verließ er das geräumige Bad auch wieder, ohne noch ein Wort zu verlieren.

 

Mit einem Anflug von einem Lächeln schaute ich zu Alex hinunter, deren Wangen sich mit einem Hauch von Rot überzogen hatten, und ich wusste nicht, was genau der Auslöser dafür war, doch hauchte ich ihr noch einen raschen Kuss auf ihr Haar und musterte sie eingehender, als es der Situation angemessen gewesen wäre, leckte mir aber gierig über die Lippen. „Mach dich fertig … ich werde bei Mike und Monika auf dich warten …“, flüsterte ich mühsam, meine Lippen begannen mit den ihren zu spielen, ehe wir sie öffneten und uns zärtlich küssten.

 

Nackt wie ich war, lief ich in das gegenüber liegende Gästezimmer. Rascher, als ich es eigentlich wollte, schlüpfte ich in meine Sachen, einer ziemlich ausgeleierten Jogginghose und einem Leibchen, in denen ich mich hier immer wieder am wohlsten fühlte. Mit schlurfenden Schritten machte ich mich auf den Weg in die Küche, in der ich Monika und Mike wusste. Mit gemischten Gefühlen betrat ich sie, da ich noch immer nicht wusste, wie ich mich meinem Sohn gegenüber verhalten sollte.

 

Mike hob kurz den Kopf, als ich die geräumige Küche so leise wie nur irgend möglich betrat. Erwartungsvoll schaute er mich an, als er mich erkannte. „Du bist alleine?“, wunderte er sich. „Ja, Alex macht sich noch rasch ein wenig frisch“, bekannte ich, merkte sehr wohl, dass es vermutlich nicht das war, was er hören wollte. „Ist das danach immer so?“, wollte er neugierig wissen. Süffisant und anzüglich zugleich schmunzelte er zu mir auf, da ich mich noch immer nicht gesetzt hatte. Hilflos zuckte ich mit den Schultern, rasch hatte ich erkannt, worauf Mike anspielte. Mein erster Impuls war der, dass ich ihm darauf überhaupt keine Antwort geben wollte, da ich der Meinung war, dass dieser Punkt ihn eigentlich gar nicht zu interessieren hatte. Aber da er uns überrascht hatte, war es wohl auch sein gutes Recht, so vorwitzig danach zu fragen. „Manchmal schon …“, nuschelte ich in mich hinein, „habt ihr mir noch ein wenig Kaffee übrig gelassen?“ So rasch wie möglich wollte ich vom Thema ablenken, für meine Schwester war Alex noch immer nur meine Kollegin. Doch ich war mir selbst weiterhin nicht sicher, ob sie für mich schon mehr oder ob es nur ein Moment des Augenblicks gewesen war.

 

Ich war erstaunt darüber, dass mir Mike die größte Tasse Kaffee vor mich hinstellte, die er in den Küchenkästen seiner Tante gefunden hatte. Verlegen lächelte er mir zu, als er mir in die Augen schaute. „Tut mir leid …“, murmelte er kaum verständlich, „ich hatte keine Ahnung, dass sie bei dir ist!“ Scheu wandte er den Blick ab, traf auf den seiner Tante. „Wovon spricht der Junge?“, wollte Monika an mich gewandt wissen. „Das ist nicht so wichtig, zumindest noch nicht“, erwiderte ich, unerwartet kleinlaut, sodass mich Monika nur fragend anschaute. Die sich öffnende Tür ersparte mir jedoch eine Antwort.

 

Ein wenig zaghaft betrat Alex den Raum, blickte sich verunsichert um. Als sie mich entdeckte, steuerte sie direkt auf mich zu. Mit dem ausgesprochen süßesten Lächeln, das ich je an ihr gesehen hatte, setzte sie sich neben mich und, ohne lange zu fragen, zog sie sich meine Tasse mit bereits lauwarmen Kaffee zu sich, um einen großen Schluck daraus zu trinken. Mit einem entsetzten „He, das ist doch mein Kaffee“, wollte ich ihr mein Häferl wieder aus der Hand nehmen. Mit einem schallenden Lächeln schüttelte sie den Kopf. „Das war mal deiner …“, brachte sie nach endlos scheinenden Sekunden mühsam über die Lippen, „aber er hat mir geschmeckt, auch wenn er nicht mehr heiß war!“

 

Erschrocken sprang Monika auf, machte sich geschäftig an die Arbeit. Es dauerte nicht allzu lange und es duftete in der ganzen Küche nach frischem Kaffee. Alex versteckte Kritik schien meiner Schwester Flügel verliehen zu haben, was mir ein feines Lächeln auf die Lippen zauberte. Bald schon stand das frische Getränk vor uns auf den Tisch. Ich war nur darüber erstaunt, dass auch Mike bereits dem Kaffee zusprach, stellte mit Entsetzen fest, dass ich so einiges über ihn nicht mehr zu wissen schien.

 

Die Zeit verging mit gemütlichem Plaudern viel rascher, als mir lieb war, denn ich genoss es, Alex neben mir zu wissen. Hin und wieder fing ich ihren belustigten Blick auf, unsere Hände verknoteten sich unter dem Tisch immer wieder, und so schmunzelte ich versonnen vor mich hin, das heftige Herzrasen tat ich mit einem leichten Kopfschütteln ab, wollte ich doch den tatsächlichen Grund dafür nicht wahrhaben. Erst die forschenden Augen Monikas brachten mich wieder in die Wirklichkeit zurück. Verlegen senkte ich meine. Ich hatte absolut keine Lust, durchschaut zu werden, denn Monika kannte mich in- und auswendig, sie versuchte ihr wissendes Lächeln hinter ihrer Hand zu verstecken.

 

„Ich verstehe, ihr seid also nur Kollegen …“, bemerkte sie trocken. Ich bemühte mich, heftig zu nicken und bemerkte mit Entsetzen, dass Alex keine Anzeichen machte, mir irgendwie zu helfen, verträumt schmunzelte sie vor sich hin. Auch Mike tat mir nicht den Gefallen, für mich Partei zu ergreifen, er schwieg einfach zu dem Satz meiner Schwester. Und das wurmte mich ein klein wenig. „Als ihr hier angekommen seid, habt ihr euch anders verhalten. Etwas ist in den letzten Stunden vorgefallen, das ich noch nicht zuordnen kann“, stellte Monika fest, während sie Alex und mich abwechselnd musterte. Noch wusste ich nicht wirklich, was ich antworten sollte, Mike tat mir den Gefallen, dieses mir unliebsame Thema zu beenden. „Papa, ihr solltet euch vielleicht schon etwas anderes anziehen, es wird Zeit zu fahren“, stellte er fest, demonstrativ schaute er auf seine Armbanduhr, „ich denke, dass deine Jogginghose nicht unbedingt das Wahre ist!“ Ich wusste, dass er recht hatte, doch ehe ich in irgendeiner Form reagieren konnte, erhob sich Alex. Mit raschen Schritten verließ sie den Raum. Mit wehmütigem Blick schaute ich ihr nach, denn in den letzten Stunden hatten sich meine Gefühle ihr gegenüber sehr verändert. Noch wusste ich nicht, ob sie Bestand haben würden, wenn wir beide wieder in München waren.

 

Es kam kein Gespräch mehr in Gange, was darauf zurückzuführen war, dass ich mit meinen Gedanken viel zu weit weg war, da sie sich nur mit ihr befassten. Als ich zum wiederholten Male auf meine geistige Abwesenheit angesprochen worden war, hielt ich es für besser, die Küche Richtung Gästezimmer zu verlassen.

 

Sie stand am Fenster, blickte hinaus und machte auf mich den Eindruck, als hätte sie auf mich gewartet. Alex wandte sich auch nicht zu um, obwohl sie das Öffnen und Schließen der Türe hätte hören müssen. Ich flüsterte ihren Namen, doch sie reagierte noch immer nicht. Auf leisen Sohlen trat ich hinter sie, vorsichtig legte ich meine Arme um ihren Körper. Ich merkte, dass sie ein klein wenig zusammenzuckte, erst jetzt wandte sie mir ihr Gesicht zu. „Michi …“, hauchte sie, diese Koseform meines Namens verwendete sie nur in den seltenen Augenblicken, in denen wir uns besonders nah waren. Ihre Augen funkelten immer mehr, je länger wir uns ansahen. Ein leichtes Lächeln stahl sich auf meine Lippen, und ich zog sie sanft enger an mich heran.

 

„Hattest du schon Sehnsucht nach mir gehabt?“, wollte sie, plötzlich neugierig geworden, wissen. Ich nickte nur, denn ich war so sehr in ihrem Blick versunken, dass ich kein Wort hervor brachte. Anstatt zu antworten küsste ich sie sanft, legte all die Gefühle, die ich im Augenblick für sie empfand, in diesen Kuss. Ich merkte, dass sie völlig hinein kippte und ihn sogar intensivierte, hatte absolut keine Lust, ihn zu lösen. Irgendwann drehte sie sich in meinen Armen um, legte ihre um meinen Nacken und presste sich wieder an mich. Es gefiel mir immer mehr, sie so nah an mir zu wissen, ich genoss es mit jeder Sekunde mehr, auch wenn sie mich tags zuvor wegen eines Kusses geohrfeigt hatte. Noch wusste ich nicht, warum sie es getan hatte, nahm mir aber vor, es so rasch wie möglich herausfinden zu wollen.

 

Es dauerte eine geraume Zeit, bis sich eine Stimme in mein Bewusstsein drängte. Doch hatte ich absolut keine Lust, mich von Alex zu lösen. Zu meiner Enttäuschung nahm sie mir eine Entscheidung ab. „Mach dich fertig, ich befürchte, dass wir schon sonst zu spät kommen werden“, hörte ich sie flüstern, widerwillig löste ich mich von ihr, hielt sie am Arm zurück, als sie aus dem Zimmer gehen wollte. „Bleib hier, ich möchte mit dir reden …“, gestand ich kleinlaut, Alex wandte sich erstaunt um und sah mir kurz in die Augen. „Keine Angst, ich werde so sachlich wie möglich bleiben und habe auch nicht vor, mich von dir ablenken zu lassen“, fuhr ich belustigt fort, „zumindest heute nicht mehr.“ Ein spöttisches Lächeln legte sich auf ihre Lippen, sie hatte rasch herausgefunden, worauf ich angespielt hatte.

 

Alex beobachtete mich genauer beim Anziehen als mir lieb war, doch ihre Blicke schmeichelten mir auch ein klein wenig, wie mit einem Anflug von Selbstgefälligkeit feststellte. Nach und nach wurden ihre Augen fragend, sofort wusste ich, dass sie darauf wartete, dass ich endlich mit dem angekündigten Gespräch beginnen würde.

 

„Weißt du, Alex, ich habe bis jetzt noch nicht verstanden, warum du gestern so zornig über die Karten für den Songcontest warst“, fing ich endlich die Unterhaltung an, die mir schon einige Zeit auf der Zunge brannte, während ich mir das Sakko über die Schultern schob und kontrollierte, ob ich auch alles Notwendige mitgenommen hatte. Nachdenklich schaute sie mich an, überlegte einige Augenblicke, was sie mir antworten sollte. „Michael, ich war deshalb so zornig auf dich, weil es nicht richtig von dir war, mich beim Kartenkauf einfach zu übergehen. Es hätte doch leicht sein können, dass ich etwas anderes vor habe“, meinte sie endlich etwas zaghaft, etwas zu zögernd, wie mir schien. Langsam schüttelte ich den Kopf. „Ich wusste, dass du nichts anderes vorhast, habe doch dafür gesorgt, dass all deine vielen Verabredungen auch gleich wieder abgesagt werden, kaum dass du dir etwas ausgemacht hast“, erklärte ich nicht ohne Stolz, „aber ich verstehe nur noch nicht, wofür dieser Hieb war. Der war echt nicht von schlechten Eltern.“

 

Erstaunt schaute ich auf sie hinab, als ich ihr leises Kichern hörte, ihre Augen blitzen zu mir auf. „Wie gesagt, ich mag solche Eigenmächtigkeiten einfach nicht. Und ich war so wütend, dass ich mir einfach nicht anders zu helfen wusste“, gestand sie schließlich treuherzig, langsam hob sie ihren Arm und grinste wieder vor sich hin, als sie sah, dass ich leicht zusammenzuckte. Aber Alex ließ sich von meiner Reaktion nicht wirklich beirren. Sie begann einfach überaus sanft und liebevoll über meine Wange zu streicheln. „Außerdem war der Kuss endlich das, auf das ich schon ewig gewartet habe, auch wenn ich noch nicht begreife, warum du so lange gewartet hast!“, meinte sie belustigt, boxte mir behutsam in den Bauch und streichelte anschließend zärtlich darüber. „Das ist ein Thema, das ich nicht heute mit dir diskutieren möchte, Alexandra Rietz …“, erwiderte ich, nahm sie an der Hand und zog sie hinter mir aus den Raum, „weißt du, jetzt machen wir uns einfach auf den Weg zum Songcontest, bevor Mike mit uns die Geduld verliert.“

 

Hand in Hand liefen wir die Treppe hinunter, ab und zu schauten wir uns kurz in die Augen, ein strahlendes Lächeln spaltete unsere Gesichter. Dass meine Schwester uns sehr irritiert hinterher schaute, bekamen wir schon gar nicht mehr mit. Eilig stiegen wir zu Mike in Monikas Auto, das sie ihm, an diesem Abend, ausnahmsweise mal geborgt hatte und brausten mit quietschenden Reifen in den Samstagabend.

 

 

 

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Tag der Veröffentlichung: 09.05.2016

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