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Der etwas andere Muttertag

 


       Er beobachtete sie aus den Augenwinkeln, jedoch ohne den Straßenverkehr aus den Augen zu verlieren. Innerlich schüttelte er bereits einige Male den Kopf über ihr Verhalten, da er noch immer nicht verstand, warum sie immer schweigsamer wurde, je näher sie dem Gestüt ihres Vaters kamen. Mittlerweile rutschte sie unruhig hin und her, die innere Unruhe und Nervosität war ihr nur zu deutlich anzusehen, allerdings konnte er sich einfach keinen Reim darauf machen. Immerhin fuhren sie nicht zum ersten Mal auf den Hof ihres Vaters. Als sie schließlich vor sich hin seufzte, fuhr er an den Straßenrand und blickte sie erwartungsvoll an.

 

„Alex, rede einfach mit mir. Seit wir hier im Auto sitzen, bist du so still, und ich verstehe absolut nicht, warum du immer mehr in deinen Sessel versinkst, je näher wir dem Hof deines Vaters kommen“, stellte Michael leise fest, „bisher war ich nämlich immer der Meinung, dass ihr euch ausgezeichnet versteht. Habt ihr euch vielleicht gestritten?“ Vergeblich wartete er auf irgendeine Reaktion ihrerseits, sie fand es nicht einmal der Mühe wert, ihn bei seinen Worten in die Augen zu schauen. Es kam ihm fast so vor, als ob sie ihm irgendetwas verheimlichte. Michael schüttelte über ihr Verhalten den Kopf, mehr fiel ihm im Moment nicht ein und Alex machte keine Anstalten ihn darüber aufzuklären, was sie wirklich bedrückte. Vielleicht würde er in den nächsten Tagen herausfinden, was die Ursache für dieses eigenartige Verhalten war, sagte er sich und beließ es fürs erste dabei, mit ihr reden zu wollen. Mit quietschenden Reifen fuhr  wieder  er los, wohl wissend, dass ihr Ziel nicht mehr weit entfernt war.

 

Erfreut nahm er zur Kenntnis, dass Jürgen am Hof stand und auf sie gewartet zu haben schien. Mit einem breiten Grinsen kam der ältere Mann auf den Wagen zu, als er dessen Insassen erkannt hatte. „Alex ... Michael ...“, rief er gut gelaunt aus, kaum dass Michael die Autotür geöffnet hatte, „da seid ihr ja endlich.“ Mit einem strahlenden Gesicht kam er auf Michael zugelaufen, streckte ihm die Hand entgegen und schüttelte sie überschwänglicher, als er es vielleicht gemusst hätte. Erstaunt musterte er seine Tochter und ihr Verhalten. Seit sie aus dem Auto gekrochen war, schien sie noch mehr in sich zusammen gesunken zu sein, wenn das überhaupt noch möglich war. Jürgens fragender Blick wanderte zu Michael. Dieser zuckte nur mit den Schultern, wusste er doch auch nicht, was die starke Veränderung seiner Kollegin hervorgerufen hatte.

 

Schweigend folgten sie Jürgen ins Haus. Michael nahm am Rande eine Person wahr, die er noch nie hier am Hof gesehen hatte und vermutete aus diesem Grund, dass es einer der unzähligen Stallburschen war, die Jürgen beschäftigte, seit er den Vater seiner Kollegin kannte, hatte er einige davon kommen und gehen sehen. Seine Aufmerksamkeit wurde sofort wieder auf die Menschen im Raum gelenkt, kaum dass er diesen betreten hatte, auch wenn er nur wenige Worte verstehen konnte, die gesprochen wurden. Erschrocken hielten Jürgen und seine Tochter inne, kaum dass sie Michael bemerkt hatten. Irritiert blickte er von einem zum anderen, nicht wissend, was er von dieser Heimlichtuerei halten sollte. Also schluckte er die Antwort, die ihm bereits über die Lippen hatte kommen wollen, wieder runter, verlor kein Wort über seine Beobachtungen.

 

Langsam ging er auf beide zu, ohne Alex dabei aus den Augen zu lassen. Insgeheim war er dann doch neugierig genug, worum es sich bei dem Gespräch gehandelt hatte, nur zugeben wollte er es auf keinen Fall! Michael hatte jedoch das Gefühl, dass er es in den nächsten Tagen herausfinden würde.

 

„Du willst doch sicherlich Kaffee!“, riss Jürgen ihn aus seinen Gedanken. Michael nickte nur rasch, ohne wirklich zu wissen, was sein Gastgeber überhaupt von ihm wollte. Erst Alex' leises Kichern ließ ihn völlig aus seinen Träumereien erwachen. „Auch wieder hier ...?“, wollte sie belustigt wissen, was ihm nur ein ungehaltenes Schnauben entlockte. Er tat also ihre Aussage mit einer wegwerfenden Handbewegung einfach nur ab. Immerhin wollte er sich nicht eingestehen, dass sie ihn bei seinen Träumereien erwischt hatte. „Kann man dein hektisches Kopfnicken so verstehen, dass du Kaffee möchtest?“, wiederholte Alex sicherheitshalber die Frage ihres Vaters. „Natürlich trinke ich Kaffee. Als ob ich den je ablehnen würde ... Alex, soweit solltest du mich doch schon kennen“, stellte Michael entrüstet fest. Sie nickte nur begütigend, ohne noch ein weiteres Wort zu  sagen. Ehe die begonnene Unterhaltung wieder in Schwung kommen konnte, öffnete sich die Tür der großen Wohnküche und der junge Mann, den Michael vor wenigen Augenblicken mit einem der vielen Tiere gesehen hatte, trat ein.

 

Mit einem erfreuten Lächeln kam er auf Alex zu, während es in seinen Augen funkelte. Das war etwas, dass er  bisher nur von der blonden Frau neben sich kannte, aber es nun in den Augen diesen jungen Menschen zu sehen, irritierte ihn dann doch sehr. Es erstaunte Michael nur, dass der Neuankömmling Alex einfach kurz in den Arm nahm und sie kurz zur Begrüßung küsste. Hörbar zog er die Luft ein, je länger er die offensichtliche Vertrautheit dieser zwei Menschen beobachtete. Nur Jürgens lautstarkes Räuspern hielt Michael davon ab, dass er Alex und diesen jungen Mann weiterhin im Auge behalten konnte.

 

„Maximilian ist mein Enkel, Michael …“, meinte Jürgen nur, verschwieg jedoch, welche seiner beiden Töchter die Mutter ist. Michael nahm deshalb an, dass es nicht Alex sein konnte. Zu gut kannte er sie, fand er. Dennoch schaute er seiner Kollegin in die Augen, beobachtete sie prüfend, fand jedoch nicht heraus, was er eigentlich wollte. So brachte er nur ein schüchternes Lächeln zustande, als er ihren Blick bewusst wahrnahm. Auch Alex hatte ihn gemustert, ein wissendes Grinsen schlich sich auf ihre Lippen.

 

„Schön, dich zu sehen ...“, meinte Maximilian mit einer angenehm warmen, aber dennoch erstaunlich tiefen Stimme, schmunzelte auf Alex herab und zwinkerte ihr leicht zu, „wie lange wirst du dieses Mal bleiben, wieder nur bis Sonntagabend?“ Sein Blick wurde fragend. Alex schüttelte leicht den Kopf. „Nein ...“, murmelte sie vor sich hin, wieder suchten ihre Augen Michaels, „vielleicht auch ein, zwei Tage länger. Ich weiß nicht, wie lange Michael Zeit findet!“ Maximilian warf ihrem Begleiter einen raschen Blick zu, ohne tatsächlich zu wissen, was er von Michael halten sollte. In  Max' Augen schlich sich  so etwas  Misstrauen, denn er schien die Begleitung seiner Mutter nicht akzeptieren zu wollen.

 

Sein Interesse an Michael abschüttelnd wandte er sich wieder Alex zu, lächelte strahlend auf sie herab. „Kommst du mit? Luna hat vor wenigen Tagen ein Fohlen bekommen. Ich schätze, dass du es sehen möchtest!“, stellte er belustigt fest. Begeistert nickte Alex, löste sich aus seiner Umarmung und lief aus dem Haus, die Türen hinter sich offen lassend. Daher konnte man das Klackern ihrer Stöckelschuhe noch im Haus hören.

 

„So, und nun bleiben wir beide hier allein zurück und wissen nicht, was wir mit uns anfangen sollen“, bemerkte Jürgen belustigt, während er sich zu Michael umdrehte. Der nickte nur, während er in die Richtung starrte, in der sie eben verschwunden war, und hielt es nicht für notwendig, ihrem Vater überhaupt zu antworten. So merkte er auch nicht, dass Jürgen kurzfristig verschwand. Erst ein leises Klirren ließ Michael wieder aus seiner Erstarrung erwachen. Dankbar lächelte er dem Älteren zu, als dieser ihm eine Flasche Bier entgegen hielt. „Eine gute Idee ...“, murmelte Michael kaum hörbar vor sich hin, ehe er einen ersten großen Schluck nahm und ein glückliches „Ah“ hören ließ. Genüsslich leckte er über seine Lippen und setzte ein strahlendes Lächeln auf. „Das hab ich jetzt gebraucht ...“, stellte er erleichtert fest. „Das hab ich gemerkt“, schmunzelte Jürgen zufrieden, „du solltest vielleicht auf dem Weg hierher eine kleine Rast einlegen.“ Die Worte waren ihm noch nicht ganz über die Lippen gekommen, als Michael auch schon seinen Kopf schüttelte, nur um anschließend wieder einen heftigen Zug aus der Flasche zu nehmen. „Dass du auch nicht auf den Rat Älterer hören möchtest ...“, schüttelte Jürgen den Kopf, wohl wissend, dass diese Worte auf keine fruchtbaren Boden fallen würden. Michael zuckte nur mit den Schultern, eine bessere Antwort fiel ihm bei Gott nicht ein, wieder wanderte sein Blick zur Tür, durch die Alex mit Maximilian vor Minuten verschwunden war. Jürgen beobachtete den gern gesehenen Gast einige Sekunden schweigend, ehe er meinte: „Lass ihnen einfach einige Minuten, sie haben sich eine Weile nicht mehr gesehen …“

 

Äußerst erstaunt wandte Michael seinen Kopf wieder Jürgen zu, starrte diesen einen kurzen Moment wortlos an, nicht wissend, was er von diesem Satz halten sollte. Ehe er jedoch die Gedanken aussprechen konnte, schüttelte der Ältere das bereits ergraute Haupt. „Das ist ein Punkt, den dir Alex selbst erzählen sollte“, meinte Jürgen entschuldigend und konnte sich ein leichtes Lächeln nicht verkneifen, denn das Gesicht seines Gastes war eine Studie.

 

**

 

 Die Welt völlig vergessend stand Alex in der Koppel, in der Luna mit ihrem vor wenigen Tagen geborenem Fohlen stand und den seltenen Besucher misstrauisch beäugte. Ab und zu schnaubte das Tier sogar. Beruhigend redete Alex auf das scheue Geschöpf ein, versuchte sogar, es zu streicheln und war erstaunt, dass Luna es sogar zuließ, eine leichte Nervosität war jedoch bemerkbar. Nur das Fohlen war neugierig genug, auf wackeligen Beinen bei Alex zu bleiben und an ihr zu schnuppern. Behutsam streichelte sie über den Kopf des Tieres und freute sich, dass Luna für Augenblicke still hielt, sich nicht zwischen ihr Fohlen und Alex drängte.

 

Erst ein leises Kichern lenkte Alex ab. Irritiert wandte sie sich zu ihrem Sohn um, musterte ihn kurz und lächelte ihm schließlich verschmitzt zu. „Was ist los, Max …?“, wollte sie endlich wissen, während sie ihre Hand im weichen Fell des noch so jungen Pferdes versenkte. „Genau kann ich dir das gar nicht sagen, vermutlich lache ich deshalb, weil unser neuestes Fohlen noch so drollig ist“, antwortete Maximilian, mit schief gelegtem Kopf erwiderte er den Blick seiner Mutter, „aber ich frage mich in den letzten Minuten, wer dieser Typ eigentlich ist, mit dem du gekommen bist – ein Liebhaber vielleicht?“ Mit weit aufgerissenen Augen starrte Alex den Sprecher an, vorerst nicht wissend, was sie antworten sollte. Sie merkte selbst, wie sich ihre Gedanken überschlugen. Krampfhaft überlegte sie sich, was sie sagen sollte.

 

„Es ist eine Ewigkeit her, dass wir eine kurze Affäre hatten …“, brachte sie endlich mühsam hervor, ohne Maximilian anzusehen. In Gedanken konnte sie sehen, wie er kurz vergaß, Luft zu holen und seine ohnehin schon großen Augen noch eine Spur größer wurden. „Was verstehst du unter einer Ewigkeit?“, hinterfragte Max. Er bemerkte, wie sich seine Mutter wand und ihm eindeutig nicht antworten wollte. „Mum ...“, brachte er sich aus diesem Grund  wieder in Erinnerung. Alex entschloss sich mit einer wegwerfenden Handbewegung, dieses für sie so unerfreuliche Thema zu beenden. Immerhin wollte sie nicht mehr an die wenigen Wochen erinnert werden, die sie in Michaels Armen verbracht hatte und dessen Ergebnis Maximilian gewesen war. Sie wusste noch genau, wie entsetzt sie darüber war, als sie festgestellt hatte, dass Michael und sie im selben Kommissariat ihren Dienst versehen mussten, und es traf sie wie ein Schlag, als sie merkte, dass er eine gescheiterte Ehe hinter sich hatte, aus der auch ein Junge resultierte, der nur wenige Monate jünger war als Maximilian.

 

Rasch merkte sie, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten, deshalb versteckte sie ihr Gesicht in der blonden Mähne der Haflingerstute, die sich während des Gespräches neben sie gestellt hatte. Maximilian sollte seine Mutter nicht so sehen, denn bisher hatte sie ihm über einige Dinge ihrer Vergangenheit im Unklaren gelassen. Das war auch der Grund, warum er bisher noch nichts über seinen Vater wusste, auch wenn sie keine Ahnung mehr hatte, wie sie es geschafft hatte, genau diesem Thema auszuweichen. Und irgendwann hatte es Maximilian einfach nicht mehr angeschnitten.

 

Erst jetzt fragte sie sich, warum sie darauf bestanden hatte, sich von Michael begleiten zu lassen. Vermutlich hatte es daran gelegen, dass Jürgen ständig nach ihm gefragt hatte. Mit einem Mal bereute sie ihre Nachgiebigkeit, seufzte in das Tierhaar und wurde nur durch das Fohlen abgelenkt, das sich einfach zwischen Alex und das Muttertier drängte. Das entlockte Alex dann doch ein leichtes Lächeln. Rasch wischte sie sich über die Augen, ehe sie sich zu Max umdrehte. Mit Schrecken bemerkte sie, dass er sie mit einem wissenden Blick neugierig musterte, aus dem sie nicht wirklich schlau wurde. Alex versuchte, es deshalb zu ignorieren, was ihr nicht gelingen wollte. Leise vor sich hin seufzend schob sie sich an dem jungen Mann vorbei, um ihren Standort fast fluchtartig zu verlassen. Maximilian hielt sie jedoch zurück.

 

„Du hast mir meine Frage noch nicht beantwortet“, erinnerte er seine Mutter. Ratlos schweifte ihr Blick durch die Weite des Anwesens, darauf hoffend, dass endlich jemand vorbeikommen würde und Max von diesem Thema ablenken würde. Natürlich war keine derartige Hilfe zu erwarten, da außer ihnen beiden niemand  in der Nähe war. Kurz aufseufzend wandte sie sich wieder dem jungen Mann an ihrer Seite zu und überlegte sich die nächsten Worte gut. Immerhin wusste sie nicht, wie er darauf reagieren würde. Alex holte tief Luft, ehe sie leise antwortete: „Diese Wochen waren die schönsten in meinem Leben, auch wenn sie schon zweiundzwanzig Jahre her sind ...!“ Sie ließ Maximilian nicht die Möglichkeit, auf diesen Satz zu antworten, denn sie verließ ihn ohne ein weiteres Wort zu verlieren.

 

**

 

Michael ging mit seiner Bierflasche nervös in der großen Küche auf und ab und blieb schließlich vor dem Fenster stehen. Gedankenverloren starrte er hinaus, ohne vorerst etwas wahrzunehmen. Erst als er am Rande Alex wahrnahm, die rasch auf das Wohnhaus zugelaufen kam, erwachte er aus seiner Erstarrung. Interessiert beobachtete er seine Kollegin dabei, wie sie mit großen Schritten und einem verbissenen Gesicht in seine Richtung lief, ohne auf die Umgebung zu achten. Erschrocken sah er, wie Jürgens Enkel ihr folgte, sie festhielt und wieder zu sich zurück riss. Entsetzt bemerkte er eine heftige Diskussion zwischen den beiden. Mit einem Anflug von Verärgerung nahm er zur Kenntnis, dass er von dieser Unterhaltung kein Wort mitbekam, zu gerne hätte er gewusst, worum es dabei ging. Michael wandte sich widerwillig von dem ihm gebotenem Bild ab, als er neben sich eine Bewegung wahrnahm – Jürgen war neben ihn getreten.

 

„Ich würde so gerne wissen, worüber sie sich unterhalten ...“, murmelte Michael vor sich hin. Ahnungslos zuckte Jürgen mit den Schultern. „Das weiß ich doch auch nicht, aber es ist selten, dass sie streiten“, stellte er fest, „denn danach sieht es aus.“ Bestätigend nickte Michael, ohne zu bemerken, dass der andere nach wie vor zum Fenster hinaus sah. Es wunderte ihn, dass Jürgen nichts weiter sagte, aus diesem Grund warf er Alex' Vater einen raschen Blick zu. „Warum sollten sie streiten?“, wunderte sich Michael, wieder beobachtete er seine Kollegin. „Das kann ich dir auch nicht genau sagen. Ich kann mir aber denken, dass es um dich geht“, bemerkte Jürgen, mit einem feinen Lächeln musterte er seinen Gast. „Schau mich nicht so an, Michael ...“, fuhr er endlich fort, „wenn sie alleine kommt, gibt es solche Streitgespräche nicht! Aber da ihr noch ein paar Tage hier seid, wirst du den tatsächlichen Grund sicherlich erfahren.“ Etwas in Jürgens Blick erzählte Michael davon, dass dem Älteren noch einiges auf der Seele brannte, das er noch nicht wirklich zur Sprache bringen wollte. Also ging er nicht näher darauf ein, beobachtete weiterhin durch das Fenster die Personen im weitläufigen Hof, ohne wirklich herausfinden zu können, worum es bei diesem Gespräch ging.

 

Wie lange er ruhig stehen blieb und gedankenverloren nichts mehr um sich herum wahrnahm, konnte er in dem Augenblick nicht mehr sagen, als Schritte neben ihm verklangen. Erst ein zaghaftes Räuspern ließ ihn aus seiner Erstarrung erwachen. Irritiert und wie aus einem Traum erwachend schaute er in genau die braunen Augen, die ihm seit Jahrzehnten schon nicht mehr aus dem Sinn gingen. Die wenigen Wochen, während der er wenige Vorträge in ihrer Ausbildung gehalten hatte, waren die schönsten in seinem Leben gewesen. Warum er dann doch eine andere geheiratet hatte, wusste er nach all den Jahren nicht mehr zu sagen. Nur Mike – sein Sohn – entschädigte ihn für alles. Aber warum war er nie wieder weiter gegangen, als eine gute Freundschaft aufzubauen, konnte er sich nicht sagen. Manches Mal war er versucht zu glauben, dass sie darauf wartete.

 

Ihr zaghaftes Lächeln riss ihn aus seinen Gedanken. Michael erwiderte es zögerlich, ehe er interessiert und mit dem Kopf nach draußen deutend fragte: „Wer war der junge Mann, ein Arbeiter deines Vaters? Wenn ja, verstehe ich nicht, warum ihr gestritten habt, denn danach hat es ausgesehen.“ Ihr Lächeln erstarb schlagartig, ihr Blick wurde ängstlich, dennoch schüttelte sie den Kopf. „Das ist Maximilian, und er arbeitet zwar auf dem Hof meines Vaters, aber er hat dir doch schon gesagt, dass Max sein Enkel ist ...“ Mehr wollte Alex in diesem Augenblick nicht verraten, zu sehr fürchtete sie sich vor seiner Reaktion. „Stimmt, das hab ich mir gemerkt“, brummte Michael ungehalten vor sich hin, „aber irgendetwas stimmt mit diesem Jungen nicht, warum stellt mir dein Vater seinen Enkel vor und du sagst gar nichts dazu? Wäre es nicht deine Aufgabe gewesen und miteinander bekannt zu machen? Du verheimlichst mir etwas und ich verstehe nicht warum.“

 

Alarmiert schaute sie zu ihm auf und erschrak über den Ausdruck seiner Augen. Sie konnte diesen Blick einfach nicht deuten oder einordnen. Deshalb antwortete Alex darauf erst gar nicht, sondern beobachtete Michael weiterhin, auch wenn sie nicht schlau aus seinem Gesichtsausdruck wurde. „Das tue ich doch gar nicht ...“, murmelte sie kaum verständlich vor sich hin, schüttelte bei diesen Worten leicht den Kopf. „Das möchte ich nicht so stehen lassen, Alex, in den nächsten Tagen werde ich das noch einmal zur Sprache bringen ...“, versprach er in einem Ton, der sie leicht zusammen zucken ließ, es aber nicht schaffte, ihrem Blick abzuwenden, seine Augen hielten ihre einfach gefangen. Trotz ihres so ernsthaften Gespräches kam wieder die Nähe auf, die sie vor über zwanzig Jahren bereits gekannt hatten. Doch nur ihr Schweigen stand zwischen ihnen, eine Ahnung vor seiner Reaktion hinderte sie daran, es zu brechen.

 

Eine sich öffnende Tür zerstörte die knisternde Stimmung zwischen ihnen. Sie wandten sich um, sahen sich Maximilian und Jürgen gegenüber. Erst jetzt bemerkte Michael die große Ähnlichkeit zwischen den Männern, bisher war sie ihm noch nicht aufgefallen. Er wusste sehr wohl, dass es daran lag, dass er den wesentlich Jüngeren bisher nicht wirklich beachtet hatte. Michael merkte, dass Maximilian ihn misstrauisch musterte und sich mit einem Lächeln Alex zuwandte, um mit wenigen Schritten auf sie zu zukommen. 

 

An Michael gewandt fuhr sie fort:„Was hältst du davon, Alex, wenn du und dein …“, hastig brach Jürgen ab, nachdem sich Alex energisch räusperte und ihr Vater nach kurzem Überlegen endlich weitersprach: „Du und Max, wollt ihr nicht ausreiten?“ Michael, der genau zuhörte, hatte den Eindruck, als würden die Beiden etwas verschweigen wollen. Begeistert nickte Alex, ehe sie antwortete: „Natürlich … du weißt doch genau, dass ich für mein Leben gerne reite …!“ „Es stört dich doch hoffentlich nicht, dass du dich wieder mit meinem Vater beschäftigen musst? Ich weiß doch, dass ihr euch ausgezeichnet versteht ...“ Bestätigend nickte Michael nur, wohl wissend, dass Jürgen für ihn vermutlich keine Zeit haben würde, seine unzähligen Tiere würden ihn den restlichen Tag wieder in Beschlag nehmen, und eigentlich hatte er absolut keine Lust, alleine herum zu hängen. Warum er diese Tatsache nicht erwähnte, konnte er Sekunden später schon nicht mehr sagen.

 

**

 

„Du könntest öfter hierher kommen, Mum, ich sehe dich selten genug“, stellte Max bedauernd fest. Diese Worte zauberten seiner Mutter ein leichtes Lächeln auf die Lippen. „Das weiß ich doch, Junge, aber irgendwie schaffe ich es nie, hierher zu fahren. Es kommt immer wieder etwas dazwischen, oder ich komme und du bist nicht da. Jedenfalls freue ich mich, dass wir wieder ein bisschen Zeit miteinander verbringen“, erwiderte Alex mit einem noch breiterem Grinsen als noch kurz zuvor. Langsam schlenderte sie neben Maximilian zum Stall, je weiter sie sich vom Haus entfernte, umso schneller vergaß sie ihre Begleitung, zu sehr freute sie sich darauf, mit Max durch die Landschaft ihrer Jugend zu preschen und das auf dem Rücken eines Pferdes – sie konnte nicht mehr sagen, wann das zuletzt der Fall gewesen war. Lag es wirklich schon etliche Monate zurück?, fragte sie sich. Betrübt nickte sie vor sich hin, ohne sich bewusst zu werden, dass es einen komischen Eindruck auf Maximilian machen könnte. Dieser unterließ aber jeden Kommentar dazu.

 

In rasendem Galopp verließen sie Jürgens Hof, erst als den Tieren der Schweiß in Strömen von den Körpern rann, ließen sie die Pferde in langsamen Trab zurückfallen. Auch Alex und Maximilian waren außer Atem, aber an diesem Nachmittag störte es keinen der Zwei. Mit einem breiten Grinsen glitt sie geschafft vom Pferd, tätschelte der erschöpften Stute sanft den Hals und begann abzusatteln. „Das war einfach toll, Max, das sollten wir öfter machen …“, stellte Alex währenddessen fest, „der Ausritt hat mir sichtlich gut getan.“ Erstaunt wandte sie ihren Kopf ihrem lachenden Sohn zu und blickte ihn aus großen Augen an. Noch verstand sie seinen Heiterkeitsausbruch nicht und hoffte darauf, dass er ihn ihr erklären würde. Diesen Gefallen tat er ihr jedoch nicht, sondern befreite sein Tier nun ebenfalls von seinem Sattel und rieb ihm den Schweiß vom Körper. Während sie ihrer Tätigkeit nachging, schweiften ihre Gedanken weit genug ab, um ein verzaubertes Lächeln auf ihre Lippen  zu zaubern. Alex hielt bei ihrer Arbeit inne, ihre Erinnerungen ließen es zu, dass ihr Blick in die Ferne schweifte und auf ihre Umgebung vergessen ließ, auf Maximilians Anwesenheit vergaß sie vollkommen, bis dieser sich energisch wieder in Erinnerung rief.

 

„Warte mal kurz, Mum … ich möchte noch mit dir reden“, begann er, nachdenklich blickte er Alex in die Augen, „weißt du, der Streit von vorhin geht mir einfach nicht aus dem Kopf.“ Erwartungsvoll schaute seine Mutter zu ihm auf, wartete einige Augenblicke darauf, dass er vielleicht weitersprechen würde. Als nichts dergleichen passierte, munterte sie ihn mit den Worten: „Also, Max, was hast du auf dem Herzen?“ auf. Sie erreichte vorerst nur, dass er ein wenig unbeholfen von einem Fuß auf den anderen trat, nicht zu wissen schien, wie er das Gespräch fortsetzen sollte. „Ich hab über unser Gespräch vorhin bei Luna nachgedacht, Mum, du sagtest, dass du vor über zwanzig Jahren etwas mit dem Kerl bei Großvater am Laufen hattest …“, begann Maximilian endlich zu reden. Alex nickte bestätigend, ihr Blick wurde fragend, während sie versuchte, in seinem Gesicht zu lesen. In diesen Minuten war es verschlossener als es bei ihm üblich war.

 

„Du weißt doch, dass ich ein guter Rechner bin, Mum, nicht wahr? Kann es sein, dass dieser Kerl mein Vater ist?“, fragte Max nun direkt heraus und sah bei diesen Worten seiner Mutter fest in die Augen. Alex hielt erschrocken die Luft an, in ihrem Kopf arbeitete es fieberhaft, als sie krampfhaft nach den richtigen Worten suchte. Jetzt war etwas Fingerspitzengefühl gefragt, aber konnte sie das in diesem Moment auch aufbringen. Ihre größte Angst war die, dass sie dieses Gefühl in diesen Augenblicken verlassen konnte.

 

Alex holte tief Luft, ehe sie sich zu einem leichten Kopfnicken hinreißen ließ. „Ja, Max, Michael ist dein Vater …“, brachte sie endlich über ihre Lippen, begütigend legte sie eine Hand auf seinen Arm. Sofort schüttelte er sie wieder ab, mit Entsetzen nahm sie zur Kenntnis, dass er wieder wütend zu werden begann. „Tu mir einen Gefallen, Max, fange jetzt nicht an, hier herumzutoben. Ich weiß schon, dass es nicht allzu einfach für dich ist, erst in deinem Alter zu erfahren, wer der Vater ist …“, mit einer herrischen Handbewegung brachte Max seine Mutter zum Schweigen. „Da sagst du was … ich erinnere mich daran, dass ich oft genug versucht habe, es zu erfahren. Wie du es geschafft hast, mir nichts von meinem Erzeuger zu erzählen, weiß ich bis heute noch nicht …“, erwiderte er einen Tick zu laut, noch konnte er seine Wut in Zaum halten, aber wie lange noch, fragte sich Alex mit einem Anflug von Bestürzung. Mit einem zornigen Max konnte sie gerade nicht viel anfangen, stellte sie fest, auch wenn sie sich einzureden versuchte, nicht daran schuld zu sein.   War er kurz nach ihrer Ankunft nur etwas aus der Fassung geraten wegen dieser Geschichte, so schien sein Leben jetzt völlig Kopf zu stehen.

 

Mit der ganzen Fassungslosigkeit und Betroffenheit, die er im Augenblick empfinden musste, starrte er auf die wesentlich kleinere Alex hinab. „Mir ist auch schleierhaft, warum du ihn gerade an Muttertag hierherbringen musstest …“, knurrte Max, „immerhin wollten wir wie jedes Jahr diesen einen besonderen Tag gemeinsam verbringen.“ Während dieser Worte hatte er Alex an den Schultern gepackt und sie leicht geschüttelt, bis es ihr endlich zu bunt wurde und sie ihre Arme nach oben riss, um seine damit wegzuschlagen. „Jetzt reicht es mir, junger Mann. Deine Wut in allen Ehren, aber das brauche ich mir nicht gefallen zulassen“, erwiderte sie gefährlich leise, verärgert funkelten ihre Augen ihn an, ohne dass er sich besonders davor schreckte, und er hielt ihrem Blick stand.

 

Sekundenlang starrten sie sich böse an – schweigend, da keiner wusste, wie der andere reagieren würde, sollte einer von ihnen etwas sagen wollen. Maximilian löste den Blickkontakt als erster, schwenkte zu den Pferden ab, die noch immer in ihrer Nähe angebunden waren. Mit wenigen Schritten war er bei ihnen und machte sich an Seilen zu schaffen, mit denen sie fixiert waren. 

 

Alex folgte ihm langsam, beobachtete aufmerksam sein Tun und fand nicht die richtigen Worte, um das Gespräch dort weiterzuführen, wo sie noch vor Sekunden aufgehört hatten. Deshalb überschlugen sich ihre Gedanken, versuchte sie eifrig, diese wieder in geordnete Bahnen zu bringen – ohne dabei großen Erfolgt zu haben. „Lass die Tiere noch eine Weile hier stehen, wir sollten uns überlegen, wie wir unsere kleine Diskussion zu Ende bringen“, schlug Alex endlich vor und war sichtlich entsetzt, als Maximilian den Kopf so heftig schüttelte, dass sein Haar nur so flog. „Wenn ich ehrlich bin, hab ich dazu absolut keine Lust mehr, Mum. Mach mit diesem Kerl, was dir gerade in den Sinn kommt, ich will ihn auf keinen Fall näher kennenlernen“, grummelte er ausgesprochen unwirsch vor sich hin, schaute ihr böse in die Augen. Ziemlich erschrocken erwiderte sie diesen Blick, hielt ihm sogar stand, ohne zu wissen, warum sie diese Antwort derart aus der Fassung brachte. Es stimmte zwar, dass sie den Muttertag immer nur zu zweit verbrachten, aber warum Maximilian mit Michael an diesem Samstagnachmittag ein Problem hatte, wollte sie einfach nicht begreifen. Wie von alleine zogen sich ihre Brauen zusammen, ungehalten schüttelte sie den Kopf, im Moment konnte sie ihren Max einfach nicht verstehen. Außerdem wollte sie auf keinen Fall zugeben müssen, dass sie die Autofahrt hierher an diesem Tag nicht hatte alleine unternehmen wollen.

 

„Nicht?“, wunderte sich Alex, mit einem Anflug von Enttäuschung nahm sie seine Worte zur Kenntnis, hatte sie doch gehofft, dass sich die beiden Männer zumindest ein wenig unterhalten würden. Wie es im Moment aussah, war Maximilian zu einem solchen Schritt nicht bereit, nicht an diesem Wochenende, denn wieder schüttelte er energischer, als es eigentlich notwendig wäre, seinen Kopf. „Nein ...“, erwiderte er nur, die Kälte in seiner Stimme erschreckte Alex mehr, als sie zugeben wollte, „ich habe dich nicht gebeten, ihn hierher zu bringen, Mum. Weißt du, ich habe über zwanzig Jahren auf einen Vater verzichten müssen, warum sollte ich jetzt bereit sein, den ersten Schritt zu machen und ihn mit offenen Armen aufnehmen?“ Ohne noch auf ein Wort von seiner Mutter zu warten, machte er auf dem Absatz kehrt, stapfte mit einer nie dagewesenen Wut davon und ließ eine ziemlich zerknirschte Alexandra zurück.

 

**

 

 „Setze dich jetzt endlich zu mir, Jürgen ... du machst mich noch ganz nervös, wenn du in der Küche hin und her flitzt, so, als würde dir die Zeit davon laufen“, brummte Michael ungehalten, als es ihm absolut nicht mehr gefiel, das der Ältere unnötig herum wuselte und Dinge erledigte, die eigentlich gar nicht notwendig waren. Unschlüssig blieb der mitten im Raum stehen, starrte seinen Gast sekundenlang an, ohne zu wissen, was er von Michaels Vorschlag halten sollte.

 

Langsam kam Jürgen zum Tisch, setzte sich und schien dabei zu überlegen, ob er auch das Richtige tat. Etwassagte Michael, dass Jürgen davon nicht überzeugt war, und so schob er seinem Gastgeber die angebrochene Flasche Bier mit einem feinen Lächeln entgegen, sodass er nichts mehr anderes tun konnte, als sie mit einem kurzen Nicken entgegen zu nehmen. 

 

Auch wenn beide wussten,  dass ein stilles Einvernehmen zwischen ihnen herrschte, fand keiner ein  Thema, um ein passendes Gespräch beginnen zu können.  Deshalb nahmen sie  einen langen Schluck von dem bereits warm gewordenen Bier. „Es ist zwar toll, dass du dich hier wieder blicken lässt, aber du hättest dir doch denken können, dass sie die meiste Zeit mit Max verbringt, sie sehen sich doch so wenig“, brachte Jürgen seine Gedanken plötzlich auf den Punkt. Michael erschrak, als ihr Vater zu sprechen begonnen hatte, zu sehr  hatte er sich auf die Ruhe um sich herum gewöhnt, aber er war über diese Worte mehr als nur erstaunt, wusste er doch nicht, wovon sein Gegenüber eigentlich sprach. „Du machst mir Spaß, Jürgen, ich wusste doch bis vorhin noch nicht einmal, dass es diesen Max überhaupt gibt. Bisher weiß ich immer noch nicht viel über ihn, außer, dass er bei dir lebt und Maximilian heißt. Woher kommt dieser Bursche und warum möchte Alex gerne so viel Zeit mit ihm verbringen?“, kam es ihm endlich über die Lippen und wunderte sich über das erstaunte Gesicht seines Gesprächspartners. „Oh! Ich dachte, sie hätte dir schon einmal von Max erzählt“, rief Jürgen äußerst befremdet aus. Langsam schüttelte Michael den Kopf, Alex’  Vater nicht aus den Augen lassend. 

 

**

 

Im Schneckentempo schälte sie sich aus ihrer Kleidung, ließ sie mitten im Raum liegen und schlurfte gemächlich zur Dusche. Lange ließ sie warmes, fast schon zu heißes Wasser auf sich herabrinnen, der Ausritt mit Max hatte sie doch mehr angestrengt, als sie es sich eingestehen wollte. Alex merkte selbst, wie ihre Muskeln bereits anfingen sich zu lockern.  Erst als sie zum Shampoo griff, drehte sie den Wasserhahn zu und erschrak über die plötzlich eintretende Stille.

 

In diesem Moment merkte sie, dass sie nicht mehr alleine in dem kleinen Bad war. Erschrocken hielt sie kurz den Atem an und stellte erfreut fest, dass nichts mehr zu hören war. Erleichtert atmete sie aus, wollte sie doch wenigstens beim Duschen keine Gäste. Alex drehte sich erst dann langsam um, als sie einen kühlen Luftzug auf der nassen Haut spürte. Ihre Augen weiteten sich, als sie den Verursacher erkannte. 

 

„Du?! Was willst du denn hier …?“, fragte sie mit einem leichten Anflug von Entsetzen. Mit dem süßesten Lächeln, das sie je an ihm gesehen hatte, schaute er auf sie herab, während er drohte, in dem Braun ihrer Augen zu versinken. Ohne wirklich auf ihre Worte näher einzugehen zog er sie einfach an sich und küsste sie auf das tropfnasse Haar, das bereits leicht nach Shampoo duftete. „Bist du dir sicher, dass wir beide das wollen …?“, hörte er sie leise fragen. Michael konnte sich ein leises Kichern einfach nicht verkneifen. „Glaub mir, Alex, ich kenne dich gut genug, du wärst schon längst verschwunden, wenn es nicht so wäre“, nuschelte er. Verwirrt nahm er ihr kurzes Auflachen zur Kenntnis, auch wenn er nicht ganz wusste, warum sie lachte. Noch erstaunter war er, als sie ihren Kopf hob und ihm ihre Lippen zu einem Kuss bot. 

 

Ein wenig zaghaft senkte er seinen, noch war er sich nicht ganz sicher, ob er dieser Aufforderung, wenn man es so nennen wollte, auch nachkommen sollte. Doch Alex nahm ihm die Entscheidung einfach ab, denn sie begann sachte mit seinen Lippen zu spielen. Fordernd stieß sie mit der Zunge dagegen, verlangte Einlass. Diesen gewährte Michael rascher als sie es gedacht hatte.

 

Ungeachtet dessen, dass das Wasser noch immer auf sie herunter prasselte schmusten sie weiter, ihre Küsse wurden ständig leidenschaftlicher, und Alex intensivierte sie dennoch immer wieder, während sie ihren Körper an seinem rieb. Irgendwann bemerkte sie seine Erregung.  Behutsam löste sie den Kuss und schaute ihm grinsend in die Augen. „Das  ging aber rasch ...“, nuschelte sie. Michael hielt es nicht der Mühe wert, darauf irgendetwas zu sagen, sondern  presste sie noch enger an sich, begann sie sanft zu liebkosen. Sein Blick wanderte über ihr Gesicht, dessen Strahlen ihn noch  mehr faszinierte als noch bei ihrer kurzen Affäre. „Du bringst mich völlig um den Verstand, sodass ich mich frage, warum ich nicht schon so viel früher an dieser Stelle stehe, mit dir im Arm ...“, murmelte er in ihr Haar, „du verzauberst mich ja nicht nur heute ...“

 

Beschämt über seinen plötzlichen Ausbruch schaute er in ihre Augen, schien krampfhaft zu überlegen, wie er sie am Sprechen hindern konnte. Alex bemerkte das Krausen seiner Stirn und hatte große Lust von seinen Gedanken zu erfahren, wusste aber nicht, wie sie ihn ansprechen sollte. Ehe sie jedoch weiter darüber nachdenken konnte, begann er erneut, mit ihren Lippen zu  spielen. Erfreut  über diese Tatsache ging sie sofort auf sein Spiel ein, öffnete ihren Mund und ließ somit einen wunderbaren Kuss zu.

 

Wie lange sie unter dem Wasserstrahl standen und sich nur auf den jeweils anderen konzentrierten, konnten beide im Nachhinein nicht mehr sagen. Irgendwann war ihre Erregung derart hoch, dass es nicht schnell genug gehen konnte. Eilig hob Michael Alex hoch, um leichter in sie eindringen zu können.

 

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Alarmiert fuhren sie auseinander, als es an der Tür klopfte, Alex und Michael schauten sich mit angehaltenem Atem in die Augen. Doch ehe einer der beiden in irgendeiner Form reagieren konnten, war Maximilians Stimme zu hören.

 

„Mama, beeile’ dich doch bitte, das Abendessen ist schon fertig …“, rief er ungeduldig, pochte gereizt gegen das Holz, „Großvater wartet schon auf dich!“  Erschrocken blickte Alex zu Michael auf, darauf hoffend, dass er die Aufforderung ihres Sohnes nicht allzu gut verstanden hatte. Aber es wäre nicht Michael gewesen, wenn er nicht genau zugehört hätte. Sekundenlang starrte er auf sie herab, nicht wissend, wie er auf das eben Gehörte  reagieren sollte. Das Erste, das ihm einfiel, war, die Duschkabine endlich zu verlassen und ignorierte völlig, dass Alex ihm sofort folgte. Bewusst vermied er es, sie beim Abtrocknen zu beobachten, auch wenn er es in einer für ihn normalen Situation gemacht hätte.

 

Erst als er ihre tapsenden Schritte hörte, die sich auf die Tür zu bewegten, wandte er sich zu ihr um. „Warte mal kurz, Alex …du solltest mir vielleicht erklären, was dieser Maximilian genau gemeint hat“, hielt Michael sie zurück. Mit einem schüchternen Blick sah sie zu ihm auf und überlegte, wie sie sich gut herausreden konnte, denn immerhin wollte sie nicht jetzt die Wahrheit sagen. Es würde schwierig werden, ihm zu  erklären, warum sie es in den letzten Jahren, in denen sie bereits zusammenarbeiteten, nicht getan hatte.

 

Alex blickte zu Boden, in seine Augen konnte sie nicht mehr schauen, denn sie hatte das Gefühl, von ihnen durchbohrt zu werden. Dabei war es ihr nie schwer gefallen, mit ihm über so viele Dinge zu reden, doch an diesem  späten Nachmittag fiel es ihr unheimlich schwer, ihm auch nur annähernd die Wahrheit zu sagen. Immerhin konnte sie seine Reaktion nicht wirklich vorhersehen, und das machte Alex Angst. Diese veranlasste sie sogar, das geräumige Bad zu verlassen. Aber sie hatte völlig vergessen, wie reaktionsschnell Michael war.

 

Eilig folgte er ihr, ungeachtet dessen, dass er völlig unbekleidet war, und hielt sie am Arm zurück. Hart zog er sie zu sich zurück, sein Blick wurde eisig. „Alexandra Rietz, was um alles in der Welt soll das werden?“, zischte er, „ist es zuviel verlangt, wenn ich dich frage, warum dieser Kerl ‚Mama’ zu dir sagt?“ Sehr zögerlich schüttelte Alex den Kopf, schwieg aber beharrlich. Allein die Wahrheit wollte und konnte sie ihm nicht sagen, schaute ihm nur stumm in die Augen.

 

Mit einem kurzen Aufseufzen wandte sie sich endlich von ihm ab, um in das Zimmer zu geben, in dem sie immer an den Wochenenden schlief, die sie bei ihrem Vater verbrachte. Wieder hielt Michael sie äußerst unsanft zurück, seine Finger bohrten sich hart in den Oberarm, sodass Alex leise aufschrie. „Du tust mir weh …“, zischte sie. Freudlos lachte er vor sich hin. „Im Augenblick bringe ich nicht einmal ein ‚tut mir leid’ über die Lippen, weil ich so wütend bin, Alex. Was hältst du davon, wenn du einfach den Mund aufmachst“, entgegnete er hart. An ihrem Blick meinte  er zu sehen, dass seine Stimme vielleicht sogar zu hart gewesen war, doch um ihr Wohlbefinden wollte er sich einfach nicht kümmern, nicht in diesem Augenblick – zu aufgewühlt war er gerade.

 

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„Mama!“, hallte es erneut, lautstark und sehr ungeduldig inzwischen, durch das ganze Haus. „Jetzt komm doch endlich und sieh zu, ob du deinen Typen findest, ich habe es  nämlich nicht getan.“ „Interessant, scheinbar lässt du auch deinen Sohn gerne im Unklaren. Aber ich lasse mich nicht so abspeisen. Dein Typ möchte jetzt endlich wissen, was Sache ist!“, zischte er ihr leise entgegen, aber die Aufforderung war nicht zu überhören.

 

Allerdings hatte sein Griff an ihrem Oberarm sich etwas gelockert, so dass sie einen Überraschungsmoment nutze, um sich wegzudrehen und den Raum vor sich zu betreten. Dass die Türe hinter lauter als notwendig ins Schloss fiel, war ihr egal, genauso, dass er wahrscheinlich wie ein begossener Pudel noch immer im Flur stand. Tief einatmend stand sie hinter der Tür und versuchte selber erst einmal wieder klar im Kopf zu werden. Sie wusste, dass sie Michael nicht aus dem Weg gehen konnte und ihm irgendwann die Antworten geben musste, die sie ihm soeben verweigert hatte. Aber sie hatte keine Ahnung, wie sie es machen sollte.

 

Erschrocken wich sie einen Schritt nach vorne aus, als sie bemerkte, dass sich die Türe hinter ihr bewegte. An seinem Gesicht war abzulesen, wie wütend er war. Irritiert beobachtete sie sein Gesicht  und merkte, dass sie rasch noch weiter nach hinten auswich, den Abstand zwischen ihnen noch weiter vergrößerte.

 

„OK, versuchen wir es noch einmal von vorne. Du hast einen Sohn, den du aus irgendeinem Grund verheimlichst. Nachdem du regelrecht vor mir flüchtest, um mir bloß keine Antworten zu geben, komme ich nicht umhin, davon auszugehen, dass du einen bestimmten Grund hast, warum du ihn mir verheimlichst. Und das, obwohl es eigentlich inzwischen nichts mehr zu verheimlichen gibt. Warum also kannst du es nicht aussprechen?“

 

Hastig wandte er sich ab, ging aufs Fenster zu und starrte hinaus. Scheinbar versuchte er wieder zur Ruhe zu kommen. Seine ganze Körperhaltung war sehr angespannt, was Alex vermuten ließ, dass er sehr zornig war. Warum konnte sie nicht so genau sagen. Sie hatte zwar nie etwas von Max erzählt, aber das war doch kein Grund so aus der Haut zu fahren.

 

„Weißt du, Alex, ich habe geglaubt, dass aus uns beiden doch noch etwas werden könnte, aber ich sehe dafür schwarz, wenn Dinge zwischen uns stehen, die nicht ausgesprochen werden“, murmelte er leise vor sich hin, während er noch immer aus dem Fenster starrte. Aber dennoch konnte Alex ihn ohne große Mühe verstehen. „Ich wusste gar nicht, dass du dir über solche Sachen überhaupt Gedanken machst. Nur verstehe ich dich jetzt noch weniger, warum ist es so wichtig, ob es Max gibt oder nicht?“, erwiderte Alex erst nach einigen Minuten der Stille. Nur kurz darauf sah sie, wie Michael wild den Kopf schüttelte, bevor er sich ruckartig und mit wütendem Gesicht ihr zuwendete. „Du verstehst es einfach nicht, oder? Schon damals war ich von dir fasziniert und als wir uns dann wieder sahen, wurde mir klar, dass es nicht nur Faszination war. Alex, ich habe dich damals schon geliebt und liebe dich noch immer. Allerdings konnte ich nicht verstehen, als du so entsetzt warst, als du von Mike erfahren hast, aber so langsam verstehe ich warum.“ Betroffen starrte Alex ihn nun an, seine Worte zeigten ihr, dass er, so wie es sich anhörte, von alleine, scheinbar die richtigen Schlussfolgerungen gezogen hatte.

 

„Nachdem du mir eine Antwort noch immer schuldig bist, werde ich einfach mal einige Dinge in den Raum stellen. Ich würde mal schätzen, Max ist in etwa einundzwanzig Jahre alt.“ Auch wenn es keine Frage im eigentlichen Sinne war, seine Augen blickten sie fragend an und er wartete auf eine Reaktion von ihr. Michael sprach einfach nicht weiter und schließlich nickte Alex ergeben zur Bestätigung. Was sollte sie auch machen? Ihn jetzt anzulügen, wäre noch schlimmer als ihr Schweigen.

 

„OK, das hätten wir geklärt. Ich bin zwar kein Mathegenie, aber rechnen kann ich dann doch noch ein wenig und dein penetrantes Schweigen, die Tatsache, dass du ihn niemals erwähnt hast, lässt bei mir nur eine Schlussfolgerung zu, nämlich die, dass ich sein Vater bin.“ Mit großen Augen starrte ihn Alex an. Auch wenn sie es bereits geahnt hatte, aber nun, wo Michael es ausgesprochen hatte, stand diese Aussage im Raum.

 

Im Hintergrund war wieder eine Stimme zu hören, die nach ihnen rief. Aber keiner von ihnen machte sich die Mühe darauf zu reagieren. Einige Zeit standen sie sich noch schweigend gegenüber, den Blick jeweils fest auf den anderen gerichtet. Plötzlich brach Alex diesen Blickkontakt ab, nachdem ihre Gedanken wild in ihrem Kopf herum gespukt hatten. Sie hatte eine Entscheidung getroffen. Sie war es ihm einfach schuldig, dass er endlich die Wahrheit erfuhr, aber dabei konnte sie ihm nicht in die Augen sehen. Eilig wandte sie sich dem Schrank zu, zog die nächstbeste Hose heraus und schlüpfte hinein. „Ja es stimmt, er ist dein Sohn und genau deswegen habe ich nie etwas über ihn erzählt. Jeder Volksschüler hätte das ausrechnen können!“, gab sie gereizt von sich, er hatte sie in die Ecke gedrängt und so etwas konnte sie einfach nicht leiden. Aber die Möglichkeit einer Antwort von ihm wartete sie gar nicht erst ab, schnell verließ sie das Zimmer, die Tür lautstark hinter sich ins Schloss ziehend, kaum dass sie ein altes, ausgewaschenes Leibchen über den Kopf gezogen hatte.

 

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Alex hatte Michaels Fehlen am Esstisch damit erklärt, dass er sich noch umziehen wollte. Mit großen Augen hatten die beiden Männer sie angesehen, aber nichts darauf erwidert. Ihr Tonfall musste wohl doch mehr verraten haben, als sie ursprünglich wollte. Von dem Streit wollte sie einfach nichts erzählen, es reichte ihr schon, dass sie Michael die Wahrheit sagen hatte müssen, aber nun auch noch ihrem Vater Rede und Antwort zu stehen, dazu hatte sie keine Lust. Es reichte ihr schon, dass sie bereits zweimal heute darüber reden müssen. Verwundert nahm sie wahr, dass keiner der Beiden sich die Mühe machte, genauer nachzufragen, selbst als sie bereits mit dem Essen fertig waren und von Michael noch immer keine Spur war.

 

Es war still am Tisch, keiner sprach auch nur ein Wort, jeder war mit sich selbst beschäftigt. Erst das Aufheulen eines Motors und quietschende Reifen rissen sie aus ihren Gedanken. Erschrocken starrte Alex kurz aus dem Fenster, neben dem sie gerade saß und welches einen Blick auf den Hof hatte. Sie sah gerade noch, wie Michaels Wagen um die Ecke schoss, bevor er den Hof schließlich rasant verließ. „Scheiße...“, stieß sie laut hervor. Rasch sprang sie auf, so dass der Stuhl, auf dem sie eben noch saß, krachend gegen die Wand stieß. „Ich nehm' deinen Wagen, Paps!“, rief sie in den Raum, bevor sie diesen auf dem schnellsten Weg verließ.

 

Noch während sie aus dem Haus raste und so schnell es ging auf das Fahrzeug zulief, war ihr schon klar, dass sie ihn nicht mehr einholen könnte. Immerhin wusste sie, wie er rasen konnte. Sie konnte nur hoffen, dass er durch seine Wut sich vielleicht nicht so gut zurecht fand und ihr Vorteil lag darin, dass sie die Gegend deutlich besser kannte.

 

Entsetzen machte sich in Alex Gesicht bemerkbar, als sie in nicht allzu großer Entfernung ein ohrenbetäubendes Quietschen hörte, das so unnatürlich laut die abendliche Ruhe durchbrach, nur um kurz darauf einer gespenstische Stille zu weichen. Beinahe so, als ob die Welt die Luft anhalten würde. Auch Alex stockte der Atem, zwangsläufig wanderten ihre Gedanken zu  Michael und dem Streit, den sie hatten. Sie hatte ihn eiskalt stehen lassen, alleine mit seiner Wut zurückgelassen, bevor er verbittert genug davon gerast war, ohne ihr überhaupt noch einmal unter die Augen zu treten. Die Angst machte sich in ihr breit, dass dieses Quietschen ein Hinweis auf einen Unfall war, den Michael gehabt haben könnte. Auch wenn ihr Kopf sich weigerte, genau das zu akzeptieren, ihr Herz sagte etwas anderes.

 

Alex trat noch fester auf das Gaspedal, so dass sie nun diese Allee entlang raste. Es war eine schöne gerade Straße, eingerahmt von jungen Bäumen, aber genau diese gradlinige Fahrbahn verleitete immer wieder die jungen Leute zum Rasen, so dass es hier viele Unfälle gab. Geschockt sah sie mitten in dieser langen Reihe Birken den Wagen von Michael. Die Motorhaube zeigte direkt auf die Fahrbahn, so als ob er gerade auf die Straße einbiegen wollte, nur dass keine Straße auf diese einbog. Genau in der Mitte zweier jungen Bäume stand der Wagen.

 

Scharf bremste sie ab, kam unmittelbar vor dem Fahrzeug zum stehen und sprang beinahe aus dem Auto heraus. In der ganzen Hektik im Vorfeld hatte sie vergessen sich anzuschnallen, war aber in diesem Moment froh, weil sie so schneller den Wagen verlassen konnte. Schnell rannte sie um das Fahrzeug herum, direkt zu Michael. Im Vorbeilaufen sah sie, wie der Wagen von Michael tatsächlich aussah. Die Fahrerseite war eingedrückt, es hatte den Anschein, als hätte dieser schmale Baum regelrecht seinen Stempel in das Fahrzeug gedrückt. An den Radspuren konnte sie erkennen, dass sich Michael mit dem Wagen scheinbar um den Baum herum gedreht hatte, anschließen noch einmal um sich selbst, bis er an dieser Stelle stehenblieb. Erfreut stellte sie fest, dass das Auto sich nicht überschlagen hatte, obwohl Michael sehr schnell gefahren sein musste.

 

Dennoch war die Frontscheibe in Millionen kleine Glassplitter zersprungen, selbst die Folie, die verhindern sollte, dass die Scheibe derart zerspringen konnte, hatte versagt. Nur noch scharfe Kanten waren am oberen und unteren Rand zu sehen. Der Rest war im Inneren des Wagens und Michael hatte wohl auch einiges abbekommen. Sie erkannte die diversen Kratzer und einige blutige Spuren, die sich in seinem Gesicht und auf seinem Kopf abzeichneten. Alex sah, wie plötzlich seine Augen ein wenig flackerten und er sich kurz darauf verwirrt umsah. Scheinbar war er einen Moment bewusstlos gewesen, immerhin würde es erklären, warum er noch immer so im Auto saß.

 

Sie war mittlerweile an der Tür angekommen und versuchte mit aller Macht, diese aufzuziehen. Aus den Augenwinkeln heraus bemerkte sie, wie Michael nach dem Zündschlüssel griff, diesen so drehte, als wollte er das Auto abstellen. Irritiert schüttelte er den Kopf, als ihm scheinbar klar wurde, dass das der Wagen bereits aus war. In diesem Moment wurde ihr bewusst, dass er auf jeden Fall eine Kopfverletzung haben musste. Sie hatte er noch immer nicht wahrgenommen und versuchte nun seinerseits die Tür von innen zu öffnen. Mit einem Schulterzucken ließ er wenig später davon ab, kletterte auf den Sitz und quetschte sich durch das Fenster auf seiner Seite hinaus.

 

In diesem Moment löste sich die Starre von Alex, und sie fischte ihr Handy aus der Hosentasche, um den Notruf abzusetzen. Sie hatte bereits den Hörer am Ohr und wartete auf den Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung, als sie sah, wie Michael auf einmal zu spucken anfing – zahllose Glassplitter, die sich in seinem Mund gesammelt hatten. Aus großen Augen beobachtete sie ihn dabei, so dass sie fast darauf vergaß, dass sie telefonieren wollte. Erst als eine männliche Stimme sie ungeduldig aufforderte, doch endlich zu reden, kam sie dieser Bitte rasch nach.

 

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Mit wachsendem Entsetzen hörte Jürgen seiner aufgeregten Tochter zu, versuchte vorerst vergeblich sie zu beruhigen. „Alex … komm erst mal runter, deine Aufregung hilft Michael auch nicht weiter“, versuchte er auf Alex einzureden, hatte aber das Gefühl, auf taube Ohren zu stoßen. Mit einem leisen Seufzer nahm er ihre Ruhelosigkeit zur Kenntnis. „Hör mir mal zu, Alex … ich höre gerade, dass der Krankenwagen kommt. Fahr du nur mit Michael mit, um den Rest kümmere ich mich, versprochen“, sagte Jürgen zu, am Rande bekam er noch mit, wie Alex ein hastiges „Danke, Paps“ ins Telefon hauchte, ehe er selbst das Gespräch beendete und sich auf die Suche nach seinem Enkel machte.

 

Er fand Maximilian bei Luna und ihrem Fohlen, eine kurze Zeit beobachtete er den jungen Mann, ehe sich Jürgen kurz räusperte. Erschrocken wandte Max sich um, starrte seinen Großvater sekundenlang in die Augen, ohne irgendetwas zu sagen.

 

„Deine Mutter braucht Hilfe …“, meinte Jürgen endlich. „Ach, braucht sie die …“, brummte Max, seine Stimme troff nur so vor Sarkasmus, „was ist eigentlich, wenn ich absolut keine Lust habe, heute noch irgendjemandem zu helfen?“ Der Blick, mit dem er Jürgen musterte, wurde um einiges kühler, obwohl Max genau wusste, dass sein Großvater absolut nichts für den kleinen Streit zwischen ihm und Alex konnte, davon auch nichts mitbekommen haben konnte, da er auf dem Hof beschäftigt gewesen war.

 

„Max, jetzt stell dich mal nicht so an, ich weiß nicht, was zwischen dir und deiner Mutter in den letzten Stunden vorgefallen ist, aber ich halte es für sinnlos, jetzt darüber nachzudenken. Lass die Tiere mal für ein paar Stunden in Frieden, wir schnappen uns die alte Kreidler und machen uns damit auf den Weg zu unserem Auto“, schlug Jürgen in einem Ton vor, der Maximilians Widerstand im Voraus schon im Keim erstickte. Ergeben nickte der junge Mann. Kurz fuhr er Luna über die helle Mähne, ehe er seinem Großvater folgte.

 

Ein verstohlenes Lächeln schlich sich auf Jürgens Lippen, während er Maximilian einen raschen Blick zuwarf. Auch wenn das Gesicht  seines Enkels noch immer verschlossen wirkte, etwas daran zeigte Jürgen, dass alles nur  eine zur Schau getragene Maske war, zu gut kannte er Max.

 

„Ich wusste doch, dass es für dich kein Ding ist, deiner Mutter zu helfen“, konnte Jürgen sich nicht verkneifen zu sagen, in seiner Stimme schwang so etwas wie Lob mit. „Sie ist doch meine Mutter …“, murmelte Maximilian vor sich hin, nicht wissend, wie er richtig reagieren sollte. „Das wollte ich doch hören …“, lachte Jürgen, hastig klopfte er dem jungen Mann auf die Schulter und verschwand eilig in der Scheune, um nach kurzer Zeit mit einem uralten, völlig verstaubten Moped wieder zum Vorschein zu kommen. Mit wachsendem Entsetzen beobachtete Max seinen Großvater dabei, wie er mit einem mitgebrachten verstaubtem wie verdreckten Lappen über die Sitzflächen fuhr. „Damit wollen wir fahren?“, rief Maximilian entgeistert aus. „Natürlich, als ich das letzte Mal damit gefahren bin, hat es noch einwandfrei funktioniert, Benzin müsste auch noch ein wenig im Tank sein. Außerdem sind es nur einige hundert Meter, die wir zu fahren haben. Also komm … du wirst sehen, dass wir rascher dort sind, als du „puh“ sagen kannst“, erklärte Jürgen ernst, ehe er sich selbst auf den vorderen der beiden Sitze schwang und mit ohrenbetäubendem  Getöse startete.

 

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Mitleidig beobachtete Alex  die Person neben sich, die sich mit ihrer Hilfe auf den Boden niedergelassen hatte und noch aus einigen wenigen Kratzern blutete. Auf sie machte Michael  nach wie vor  den  Eindruck, als habe er absolut keine Ahnung, was vorgefallen war, zu abwesend war der Blick, mit  dem er sie hin und wieder  musterte.  Seine Augen nahmen einen erstaunten Ausdruck an, als das Getöse des Folgetonhorns zu hören war, welches das Kommen des Rettungswagens  ankündete. „Was ist denn passiert, Alex?“, fragte er irritiert, „es ist  braucht doch  niemand einen Krankenwagen!“ Diese Feststellung raubte  Alex vorerst einmal nur den Atem, die Antwort,  die sich ihr aufdrängen wollte, schluckte sie einfach wieder hinunter, wusste sie nur zu genau, dass es der Zustand Michaels nicht zuließ, sie auch zu begreifen.  Deshalb seufzte sie nur kurz auf und streichelte über seinen Handrücken, erstaunt darüber, dass er es nach ihrem heftigen Streit es sogar zuließ. Es war für Alex eine gegebene Tatsache dafür, dass er sich bei dem Unfall den Kopf ausgesprochen heftig angeschlagen haben musste.

 

Sie konnte keinem sagen, wie froh sie über das Auftauchen der Rettung war. Michaels schmerzverzerrtes Gesichtsausdruck  zeigte ihr, dass ihm etwas weh tun musste, auch wenn er  sich noch nicht dazu geäußert hatte, und allzu sehr in ihn dringen wollte sie dann doch wieder nicht. Fast automatisch machte sie den Sanitätern  Platz, wollte sie doch unbedingt wissen, was mit Michael los war, denn zum Reden hatte sie ihn noch immer nicht bewegen  können. Erstaunt nahm sie zur Kenntnis, dass er hilfesuchend zu ihr hinüber schaute, seine Hand wanderte von selbst in ihre Richtung, suchte nach ihrer. Irritiert nahm Alex zur Kenntnis, dass der Macho an ihrer Seite  einen so hilflosen Eindruck auf sie machte, dass er ihr nur noch leidtun konnte.  Zaghaft lächelte sie ihm zu, versuchte ihn mit ihren Augen ein wenig aufzumuntern, hatte aber gleichzeitig den Eindruck, dass es ihr nicht gelang.

 

Alex wurde durch den mitgekommenen Arzt durch eine Frage abgelenkt, sie brauchte einige Sekunden, um sie auch beantworten zu können, zu sehr hatte sie sich bisher auf Michael konzentriert. Mit Entsetzen stellte sie jedoch fest, dass sie eigentlich absolut keine Informationen geben konnte, da sie nur den extremen Krach, den die Kollision verursacht haben musste, wahrgenommen hatte. Entschuldigend hob sie ihre Schultern. „Ich war doch erst auf dem Weg hierher und konnte nur den Aufprall hören!“,  rechtfertigte sich Alex, ihr Blick wanderte wieder zu Michael, nicht wissend, wie sie sich ihm gegenüber richtig verhalten sollte. Auf der einen Seite brauchte er ihre Hilfe, auf der anderen stand dieser hässliche Streit noch immer zwischen ihnen. Diesen verdrängte sie in dem Moment, als sie den Ausdruck seiner Augen bemerkte.

 

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Erstaunt und ein wenig irritiert wandten sie den Kopf, als ein überlautes, aber auch stotterndes Knattern zu hören war. Es dauerte einige Zeit, bis die alte Maschine zu sehen war, auf der Jürgen und Maximilian saßen.

 

Aus großen Augen starrten ihnen Alex und Michael sowie die Mannschaft des Rettungswagens entgegen. „Was ist denn das?“, fragte Michael verwundert und sprach das aus, was sich alle anderen dachten. Ohne Rücksicht darauf zu nehmen, dass der Arzt noch immer mit ihm beschäftigt war und sein Kopf noch beharrlich brummte, versuchte er sich am Fahrzeug, an dem er lehnte, noch oben zu schieben. Diese ungewohnte und viel zu rasche Bewegung tat seinem angeschlagenen Kopf nicht gut. Mit einem lauten Aufstöhnen ließ er sich im Zeitlupentempo wieder auf den Boden zurücksinken.

 

„Was soll der Unsinn, Michael …“, begann Alex ungehalten, wurde durch den Arzt abgelenkt.  „Lassen Sie ihn, er merkt doch selbst, was ihm gut tut und was nicht. Ich werde ihn mitnehmen, denn ich vermute, dass er eine Gehirnerschütterung hat, das sollte im Krankenhaus abgeklärt werden!“, erläuterte der Notarzt, mit Entsetzen nahm Alex diese Aussage zur Kenntnis. „Ich werde mitkommen …“, erklärte sie plötzlich entschieden, nicht darauf achtend, dass sie es eigentlich gar nicht durfte, schließlich war sie ja nicht mit ihm verwandt.

 

Michael schaute nur mit großen Augen zu ihr auf, öffnete den Mund und schloss ihn sofort wieder, etwas in ihrem Blick sagte ihm, dass er das tun sollte. Der Arzt hinterfragte an diesem späten Nachmittag die Begleitung nicht, ihm schien eine Einlieferung ins nächste Krankenhaus wesentlich wichtiger zu sein als jede Diskussion. Er half Michael aufzustehen, mit langsamen Schritten gingen sie auf das wartende Fahrzeug zu. Aus den Augenwinkeln beobachtete Alex die beiden Männer dabei, während sie auf Maximilian und ihren Vater zuging. „Geht schon in Ordnung, Alex, steig ein, Max wird mit dem Auto nachkommen“, sagte Jürgen nur, ehe sie irgendetwas sagen konnte, „schau mich nicht so entsetzt an, Maximilian Rietz, ich sagte doch, dass deine Mutter ausnahmsweise Hilfe braucht. Und heute dränge ich mich jedenfalls nicht auf!“ Der Ton, mit dem Jürgen sprach, hinderte seinen Enkel daran, etwas zu erwidern. Alex händigte automatisch den Schlüssel aus und wandte sich endlich dem Krankenwagen zu.

 

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Wie ein Häufchen Elend saß er auf der Trage der Rettung, wirklich wohl fühlte er sich noch immer nicht. Außerdem passte es ihm nicht, eine Nacht im Krankenhaus verbringen zu müssen. „Jetzt schau doch nicht so, diese eine Nacht wirst du überleben“, stellte Alex fest, als sie ihn einige Minuten schweigend beobachtet hat. Mit einem missmutigen Blick musterte er sie von oben bis unten, plötzlich lächelte er sie zaghaft an.

 

„Alex …“, begann er zu reden, schwieg gleich wieder, als er mit einem Mal nicht wusste, wie er das formulieren sollte, was ihm auf der Zunge lag. Er merkte, dass ihre Augen ihn aufmerksam und prüfend musterten, ihr Lächeln sollte ihn zum Weitersprechen animieren. „Du hast dir dieses Wochenende nicht so vorgestellt, nicht wahr?“, brachte er mühsam über die Lippen, während er sein Gesicht ein wenig verzog, als das Fahrzeug über ein Schlagloch holperte, diese Nebenstraßen wurden eben schlecht in Stand gehalten. „Das auf alle Fälle …“, gab sie ihm  recht, ihr Blick wurde unsicher, da sie, verlegen geworden, nicht zu wissen schien, was sie weiterhin sagen sollte.

 

Ehe Michael sich über eine Antwort Gedanken machen konnte, bog der Rettungswagen zu einem kleinen Kreiskrankenhaus ein. Mit Hilfe eines Sanitäters verließ er das Fahrzeug, nach wenigen Schritten drehte er sich wieder um, schaute flehentlich zu Alex, die noch unschlüssig im Wagen stand,  und streckte ihr die Hand entgegen, so, als   wollte er sich an ihr  festhalten. Mit einem leichten Lächeln folgte sie seiner stummen Aufforderung, wie automatisch umschlossen ihre Finger seine. Erleichtert drückte Michael sanft ihre, ein erleichtertes Schmunzeln schlich sich auf seine Lippen. „Der große Macho braucht also doch seelischen Beistand ...“, konnte sie sich nicht verkneifen zu sagen, auch  nach diesem hässlichen Streit konnte er diesen Worten nichts Boshaftes abgewinnen, auch wenn ihr unschönes Wortgefecht Auslöser für diesen blöden Unfall gewesen war.

 

Abgelenkt wurden sie, als  Maximilian mit raschen Schritten auf sie zugelaufen kam. Seiner Mutter schenkte er in diesen Minuten  nur ein flüchtiges Lächeln, Michael hingegen musterte er interessiert Seine Schnittwunden waren nur unzulänglich gereinigt und desinfiziert worden, das Desinfektionsmittel war noch deutlich sichtbar. „Und ich dachte,  in Ihrem Alter beherrscht man das Autofahren schon  besser“, konnte Maximilian sich nicht verkneifen zu sagen und übersah geflissentlich den fassungslosen Blick seiner Mutter und ihr empörtes Räuspern überhörte er gekonnt. „Auch in meinem Alter geschehen nun mal solch unsinnigen Fehler …“, brummte Michael ungehalten, nicht wissend, was er von dem übellaunigen jungen Mann halten sollte, der noch immer ein wenig außer Atem neben Alex stand und ihn nach wie vor mit unbeweglicher Miene musterte. Michael musste sich eingestehen, dass er aus seinem Gegenüber absolut nicht schlau wurde, seine Menschenkenntnis schien ihn im Stich gelassen zu haben.

 

Erst ungehaltenes Schnauben lenkte sie voneinander ab, und sie wandten sich dem Arzt zu, der inzwischen vor ihnen stand. „Kommen Sie, Herr Naseband, wir wollen doch mal schauen, was uns fehlt“, schlug der Mann in Michaels Alter vor und schaute ihn über den Rand seiner Brille ein wenig fragend an. Michael nickte zaghaft, hielt aber gleich wieder still, da diese Bewegung ihm wieder stärkere Kopfschmerzen bereitete, eine leichte Übelkeit stieg in ihm auf, die er bald wieder von alleine in Griff bekam. Aus diesem Grund folgte er langsam dem Mediziner in das Untersuchungszimmer, an dessen Tür er sich zu Alex umdrehte. Sie kicherte leise vor sich hin, als sie seinen fragenden Blick auffing. „Du bist doch schon ein großer Junge, glaub mir, da kannst du doch selbst reingehen. Ich bin mir sicher, dass dir nichts passieren wird“, erklärte sie belustigt und schenkte ihm ihr schönstes Lächeln. Mit diesen Worten schaffte sie es, dass er mit dem Arzt  dann doch  mitging und die Tür hinter sich ins Schloss zog.

 

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Zurück blieb Alex mit ihrem Sohn Maximilian. Ziemlich verlegen schauten sie sich in die Augen, nicht wissend, was sie sagen sollten. Keiner wollte den  ersten Schritt tun, kannten sie doch den Eigensinn des jeweils anderen. „Warum, um alles in der Welt, stehen wir nun hier?“, waren die ersten Worte, die Max  seit dem Streit  von  sich gab, in den letzten Stunden hatte er seine Mutter einfach ignoriert. Alex akzeptierte das zwar, sein Verhalten verletzte sie dann doch ein wenig, ohne dass sie es zugeben wollte. „Das fragst du noch?“, wunderte sie  sich über seine Frage, „immerhin war er wegen eines Streites dermaßen zornig, dass er diesen unsinnigen Unfall gebaut hat.“ Vorsichtshalber  verschwieg  sie, dass Max selbst der Auslöser für diesen Streit gewesen war und dessen Grund in der Vergangenheit lag.  Maximilian lachte kurz höhnisch auf. „Hat er sich so wenig unter Kontrolle, dieser Typ?“, wollte er wissen, seine Stimme klang ausgesprochen spöttisch, „im ersten Moment hat er nicht so auf mich gewirkt, Mum, weißt du das?“ Hilflos zuckte Alex mit den Schultern, vorerst wusste sie keine Antwort darauf.

 

Sie kannte Michael gut genug, um zu wissen, dass es eine Weile brauchte, um ihn so aus der Fassung zu bringen, dass er beim Lenken eines Autos Fahrfehler machen würde, und sie wunderte sich darüber, dass es an diesem Tag der Fall gewesen war. „Ist doch auch egal, Max, findest du nicht? Eigentlich sollten wir vielleicht über unsere Meinungsverschiedenheit sprechen, denn die möchte ich nicht so stehen lassen“, gestand Alex ein. Maximilian musterte sie eine kurze Zeit mit hochgezogener Braue, ohne vorerst irgendetwas zu sagen. „Was gibt es da noch zu reden, Mum, du hast mich mit diesem Typen einfach überfordert“, knurrte Maximilian, an seinem Blick konnte Alex sehen, dass er nach wie vor gekränkt darüber war, dass sie selbst ihm einiges einfach verschwiegen hatte. Aber jetzt war nicht der Zeitpunkt, diesen Teil auszudiskutieren, aber es bestand Nachholbedarf …

 

„Max, dieser Typ hat auch einen Namen, weißt du?“, konnte sich Alex plötzlich nicht mehr verkneifen, auch wenn ihr klar war, dass es vielleicht wieder zu einem Streit kommen könnte, allein schon wegen dem gereizten Ton, in dem sie sprach. Zu ihrem Erstaunten schaute Maximilian sie vorerst nur ziemlich irritiert, beinah schon erstaunt an, schien absolut keine Lust zu haben, auf ihre Stimmlage einzugehen, nicht jetzt. Irgendwann, nach einer kurzen Zeit, nannte Alex Michaels Namen, ohne von Max gebeten worden zu sein. Der junge Mann nahm es stillschweigend zur Kenntnis, und Alex war in diesem Augenblick sogar froh darüber.

 

Ehe sie sich weiterhin über ihr kurzes Gespräch Gedanken machen konnte, wurde die Tür zum Untersuchungszimmer geöffnet und Michael trat mit einem ziemlich betretenen Gesicht und hängenden Schultern auf den Gang heraus. Einen kurzen Augenblick hielt Alex den Atem an, denn sein Blick erschreckte sie dann doch ein wenig. „Was ist los?“, fragte sie aus diesem Grund besorgt, den erschrockenen Unterton konnte sie dennoch nicht aus ihrer Stimme verbannen. Hilflos zuckte Michael erst einmal mit den Achseln, es war ihm anzusehen, dass er nach den richtigen Worten suchte. „Stell dir vor, die wollen mich für eine Nacht hier behalten …“, brachte er endlich ein wenig mühsam über die Lippen, seine Stimme klang richtig bestürzt. In Alex’ Augen glomm so etwas wie Mitleid auf. „Warum nicht, so wie du dich im Auto verhalten hast, ehe du dich selber daraus befreien konntest, wundert es mich nicht, Michael. Außerdem ist es nur zu deinem Besten“, erwiderte sie, auch wenn sie wusste, dass es vielleicht nicht die richtigen Worte waren, aber Alex merkte selbst, dass er nicht allzu viel nachzudenken schien, er nahm nur den tröstenden Ton ihrer Stimme in sich auf, schien dadurch sogar etwas Kraft zu gewinnen.

 

Der behandelnde Arzt erklärte ihnen rasch den Weg zur Aufnahme und eilte rasch davon, zurück blieb Alex mit Michael und Maximilian. Unschlüssig blieben sie, wo sie waren, schauten sich zögernd um. „Kommt schon,  ich habe echt keine Lust, ewig hier herumzustehen …“, ließ Max sich plötzlich vernehmen, der die Zeit, die er bereits neben ihnen stand, schweigend verbracht hatte. Erstaunt schauten Alex und Michael zu ihm, musterten ihn einen kurzen Augenblick, ehe sie langsam in die angegebene Richtung gingen, darauf hoffend, dass der junge Mann ihnen auch folgen würde.

 

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Mit gemischten Gefühlen schaute er sich in dem kleinen Zweibettzimmer um, welches bis auf ihn und Maximilian leer war. Keiner wusste, wie er ein vernünftiges Gespräch in Gang bringen sollte. Immerhin hatten sie bisher kein ein normales Wort miteinander gewechselt. Und er, Michael, fürchtete sich davor, eines zu beginnen. Insgeheim verwünschte er Alex, warum musste sie gerade jetzt Getränke für sich und Maximilian holen gehen, obwohl sie wusste, dass er mit dem jungen Mann nicht klar zu kommen schien.

 

Erstaunt nahm Michael zur Kenntnis, dass der Jüngere in interessiert musterte, und entsetzt stellte er fest, dass er kein sehr gutes Bild abgeben musste. Dennoch erwiderte er den Blick seines Gegenübers fest, versuchte ein klägliches Lächeln und wusste selbst, dass es ihm misslingen musste. Es freute Michael insgeheim, dass auch Maximilian seine Lippen ein klein wenig verzog, jedoch vorerst nichts sagte. Die Männer fixierten sich weiterhin schweigend, keinem von ihnen fielen die richtigen Worte ein, auch wenn sie wussten, dass es die beste Gelegenheit zu einer ersten Aussprache war.

 

Michael merkte, dass  Max einige Male ansetzte, etwas zu sagen, den Mund jedoch sofort wieder schloss. Es schien, als wüsste er nicht, wie er anfangen sollte und blickte aus diesem Grund verlegen zu Boden. „Warum ...   warum haben Sie sich eigentlich nicht früher bei mir gemeldet?“, brachte Maximilian endlich mühsam über die Lippen, wieder fiel Michael die angenehm dunkle Stimme auf, mit der der junge Mann sprach. „Es reicht ein „du“, wenn es dich nicht stört, wenn ich dich auch so anspreche, ich bin Michael“, erwiderte   er belustigt. Während Maximilian den Kopf schüttelte, hob er wieder seinen Blick und starrte seinem Vater kurz in die Augen. „Ich weiß ...  Mum hat ihn mir bereits gesagt“, gestand Max, ohne den Grund dafür zu nennen, „ich möchte trotzdem wissen, warum ich erst in diesen Tagen erfahren habe, dass ich doch einen Vater habe, der auch noch  mit meiner Mutter zusammenarbeitet!“ „Weißt du, Junge, diese Frage kann ich dir nicht genau beantworten, immerhin wusste ich bis vor wenigen Stunden nicht einmal, dass es dich überhaupt gibt, geschweige denn, dass ich noch einen Sohn habe“, versuchte Michael seine Situation zu erklären, nicht ahnend, dass er damit vielleicht wieder eine Diskussion heraufbeschwören könnte.

 

Tatsächlich schaute Maximilian ihn aus großen Augen an, während er  über Michaels Antwort nachzudenken schien. „Was meinst du mit  „noch“?“, wollte Max ein wenig erstaunt, beinahe schon irritiert wissen. Erst jetzt wurde Michael bewusst, dass es ein Fehler sein konnte, Mike ins Spiel zu gebracht zu haben, immerhin ahnte er, dass es für Maximilian an diesem Tag nicht unbedingt einfach  sein konnte zu verstehen, dass  seine Familiensituation in wenigen Stunden völlig auf den Kopf gestellt worden war.   „Ich war einige Jahre verheiratet, Maximilian, weißt du, aus dieser Ehe hab ich einen Sohn“, gab Michael endlich zu, da ihm klar geworden war, dass Max seine Ehrlichkeit vielleicht irgendwann einmal zu schätzen wusste. „Erzähl mir mehr von ihm“, bat Maximilian plötzlich, nachdem  er eine kurze Zeit  über Michaels Worte nachgedacht hatte, „denn wenn du schon dein Leben vor mir ausbreitest, passt das doch auch  gleich dazu!“  Bestätigend nickte Michael und begann mit wenigen Worten, etwas über Mike zu  erzählen, ohne Maximilian spüren zu lassen, wie sehr er Mike schätzte und liebte.

 

Michael wunderte sich, dass der Jüngere so aufmerksam zuhörte und einen kurzen Augenblick schwieg, als er selbst zu Ende gesprochen hatte. „Ich hab’ auch noch einen Bruder?“, brachte er endlich leise über die Lippen, ließ sich auf das leer stehende Bett fallen, das unter der ungewohnten Belastung leicht quietschte, „davon hat Mum sicherlich auch gewusst, oder?“ Behutsam nickte Michael, nicht wissend, was er damit wieder anrichten konnte. Vorsichtshalber verschwieg er, dass Alex Mike sogar kannte. Inzwischen konnte er sich ausrechnen, wie Maximilian darauf reagieren könnte. In den letzten Stunden war schon zu viel Porzellan zerschlagen worden!

 

Ehe sich die beiden Männer weiter unterhalten konnten, wurde die Tür schwungvoll geöffnet und Alex stand mit einigen Flaschen Coca Cola vor ihnen. Ein breites Lächeln spaltete ihre Züge, als sie in die entspannten, aber auch erwartungsvollen Mienen von Maximilian und Michael bemerkte.

 

„Da bin ich wieder …“, stellte sie unnötigerweise fest und hielt beiden je eine Flasche des Getränkes entgegen. Michael verzog zwar das Gesicht, nahm es jedoch ergeben entgegen, immerhin war er selbst daran schuld, überhaupt hier zu sein, denn warum war er überhaupt noch in seinen Wagen gestiegen war, konnte er beim besten Willen nicht mehr sagen, in seinem aufgewühlten Zustand war das genau der verkehrte Weg. Aber es war nun mal nicht mehr zu ändern.

Michael trank in kleinen Schlucken, beobachtete schweigend die Umgebung und die wenigen Menschen um sich herum. Noch wusste er nicht sicher, wie er mit dieser Situation umgehen sollte. Plötzlich war da noch ein Sohn aufgetaucht, von dem er bis vor wenigen Stunden noch nichts gewusst hatte. Den fürchterlichen Streit, den er mit Alex deshalb gehabt hatte, verdrängte er einfach und auch die Tatsache, dass er sich nie dafür interessiert hatte, was sie in all den langen Jahren getrieben hatte, nachdem sie diese kurze Affäre beendet hatten. Vielleicht wären verschiedenste Gespräche für ihn aufklärend gewesen …

 

Erstaunt hob er seinen Blick, als er ein leises Räuspern hörte. „Maximilian und ich werden jetzt wieder fahren. Ich möchte seine Geduld nicht unnötig beanspruchen“, stellte Alex fest, warf ihrem Sohn einen raschen Blick zu. Bekräftigend nickte der nur und wandte sich auch schon der Tür zu. Für ihn war dieser Abend schon gelaufen, denn er fand, dass seine Pflicht, mit Michael einige Worte zu wechseln, an diesem Tag bereits mehr als erledigt worden war. „Passt schon, danke fürs Mitfahren …“, meinte Michael zum Abschied, hielt Alex plötzlich an der Hand fest. Behutsam strich er mit dem Daumen über den Handrücken. „Keine Ursache … ich hol dich morgen wieder ab“, brachte sie mühsam über die Lippen, nachdem sie kurz die Luft angehalten hatte. Der Blick in seine Augen hatte sie kurz um den Verstand gebracht. Mit aller Gewalt riss sie sich davon los, widmete ihre Aufmerksamkeit wieder ihrer Umgebung.

 

„Mum … komm schon …“, hörten sie Maximilian von der Tür her sagen, die schöne Stimmung wurde so plötzlich zerstört wie sie aufgekommen war. Alex nickte nur, trennte sich mit einem Anflug von Widerwillen von ihm. An der Tür wandte sie sich noch einmal zu ihm um und schenkte ihm ein bezauberndes Lächeln.

 

**

 

Tatsächlich stand sie am nächsten Morgen gegen zehn Uhr bei ihm im Krankenzimmer und amüsierte sich über sein enttäuschtes Gesicht, da sie es verabsäumt hatte, ihm frische Kleidung mitzubringen. „Meinst du im Ernst, ich stöbere in deiner Reisetasche. Wer weiß, was ich alles gefunden hätte …“, lachte Alex. Michael stimmte mit ein. „Nichts, was du nicht auch sehen könntest“, gab er endlich zu, kurz nachdem er sich beruhigt hatte, „ich nehm doch nichts Geheimnisvolles mit, wenn ich mit dir verreise.“ Alex hielt es für unnötig, überhaupt über eine Antwort nachzudenken, sie boxte ihn nur empört in den Bauch. Das nahm er mit einem Anflug von Erschütterung zur Kenntnis, schwieg jedoch, wollte er es sich mit ihr nicht verscherzen. Immerhin brauchte er sie in den nächsten Tagen noch.

 

„Komm schon, Michael, Vater braucht das Auto heute Nachmittag …!“, drängte Alex, ein wenig unsanft nahm sie ihn am Arm und wollte ihn einfach zur Tür hinausschieben. Doch Michael blieb nach wenigen Schritten wieder ruckartig stehen. „Mein Kopf brummt zwar noch gewaltig, aber glaube mir, ich kann alleine gehen. Man hat darauf geachtet, dass es mir nicht schlechter geht als gestern Abend, und deshalb darf ich auch alleine gehen, ohne geführt zu werden“, erklärte Michael ernst, mit einem Anflug von leichter Ironie. Behutsam riss er sich von ihr los und stapfte ungeduldig aus dem Zimmer, das im plötzlich zu eng wurde, er hoffte einfach darauf, dass ihn sie ihm folgte.

 

Erst beim Wagen holte sie ihn ein. Sie funkelte ihn  nur wütend an, hielt es jedoch für besser, kein Wort über sein Verhalten zu verlieren. Von Streitereien hatte sie an diesem Tag eindeutig genug. So öffnete sie nur schweigend die Wagentür und stieg ein. Alex wartete gar nicht darauf, dass er neben ihr saß, sie startete schon, als er noch dabei war, die Autotür zu öffnen. Sie konnte sich ein leichtes Lächeln nicht verkneifen, als sie Michaels plötzliche Hektik bemerkte. „Geht’s noch …“, knurrte er ungehalten. „Jetzt hab dich doch nicht so, ich lass dich schon nicht hier“, brummte sie im gleichen Ton wie Michael, „immerhin hab ich dir doch zugesagt, dich abzuholen. Und ich habe nicht die geringste Lust, meine Versprechen wieder zu brechen. Ich würde das nämlich ewig  zu hören bekommen.“  Alex wusste sehr  wohl, was sie sagte, denn in der vergangenen Nacht hatte sie lange nachgedacht  und war zu der Erkenntnis gekommen, dass es für sie selbst am Besten war, den  gestrigen Tag aus ihrem Gedächtnis zu streichen, besonders  die Situation im Bad, auch wenn sie es  ihr ungemein gefallen hatte. Die Frage war nur, wie sie ihre Gedanken   Michael mitteilen sollte, schließlich schien der davon auszugehen, dass aus ihnen trotz des heftigen Streites vom gestrigen Tag doch  noch  etwas werden könnte.

 

Alex  bemerkte seinen Gesichtsausdruck, der das ausdrückte, was er genau in diesem Augenblick empfinden  musste, er  schien sich über ihren letzten Satz mehr zu ärgern, als sie es für  möglich gehalten hatte. Aber keiner wollte darüber reden,  diese Aussage vielleicht wieder mit anderen Worten aus der Welt schaffen. Erstaunt war sie, als sie merkte, dass  sein Kopf  dem ihren immer  näher  kam. Mit einem Mal wurde ihr klar, dass er sie zur Begrüßung küssen wollte,  und sie wandte den Kopf hastiger ab, als es vielleicht angebracht gewesen wäre. Michael schien tatsächlich noch anzunehmen, dass aus ihnen beiden etwas werden konnte, zu sehr hatte es am Vorabend zwischen ihnen geknistert. Doch Alex  hatte sich gegen eine Beziehung zwischen ihnen beiden entschieden.

 

Michael reagierte genauso, wie Alex es sich vorgestellt hatte. „Was soll das?“, fragte er erbost, nach einem raschen Blick zu ihm hinüber sah sie den Zorn in seinem Gesicht, „was um alles in der Welt ist heute los mit dir?“ „Was soll denn sein, Michael? Was hast du denn erwartet?“, erkundigte sich Alex, sichtlich bemüht, erstaunt zu klingen. Irgendwie konnte sie sich denken, was kommen würde, aber im Grunde hatte sie keine Lust auf diese Art von Gespräch, doch erkannte sie, dass sie nicht verhindern konnte es zu führen, solange sie im Auto saßen.

 

„Weißt du, Alex, eigentlich hatte ich erwartet, dass doch etwas mehr aus unserer Freundschaft werden wird, bevor du gestern Abend gefahren bist, hatte ich den Eindruck, dass du es willst …“, meinte Michael zaghaft und brach plötzlich ab, als ob er mit einem Mal nicht weiter wissen würde. „Nach unserer gemeinsamen Dusche hast du aber völlig anders geklungen, aber ich habe in der letzten Nacht nachgedacht, Michael, weißt du. Es hat gestern tatsächlich geknistert zwischen uns und es war schön, das muss ich zugeben. Aber die Zeiten sind vorbei, dass ich mir gewünscht hätte, dass aus uns etwas werden würde“, gestand Alex und begann ungeduldig mit den Fingern auf dem Lenkrad herumzutrommeln, da ein Traktor besonders langsam vor ihr herfuhr. Überholen war beinahe unmöglich, denn die nächsten Meter würde die Straße viel zu eng dafür sein, und ihr Gespräch würde doch länger dauern, als sie es selbst geplant gehabt hatte. Es tat ihr leid, dass sie sich auf die Straße konzentrieren musste und nicht in Michaels Gesicht sehen konnte, es wäre sicherlich eine Studie gewesen. So hörte sie nur sein Schnauben, das war für die nächsten Minuten die einzige Reaktion seinerseits.

 

„Was genau willst du mir damit sagen?“, brachte er endlich über die Lippen, sehr zaghaft, wie es Alex schien. „Fragst du mich das jetzt im Ernst?“, erkundigte sie sich, warf ihm jetzt doch einen raschen fragenden Blick zu und merkte, dass er verbissen zum Fenster hinaus starrte. Aus den Augenwinkeln konnte sie gerade noch sein Nicken ausmachen. „Dann will ich dir das sagen …“, fuhr Alex fort, „wenn du an die letzten Jahre zurück denkst, Michael, hast du dich eigentlich nie dafür interessiert, was ich in den Jahren nach unserer Affäre gemacht habe, du bist einfach zur Tagesordnung übergegangen, als wir beide unseren ersten Tag im K11 hatten. Wir haben nie darüber gesprochen, wie es uns ergangen ist in all den Jahren, unsere kurze Beziehung war ein Geheimnis. Bis heute weiß ich nicht, warum das so war!“ „Was geht es die Kollegen an, was wir früher gemacht haben?“, knurrte er ungehalten, „willst du nicht endlich überholen?“

 

Alex warf einen irritierten Blick zu ihm hinüber. „Geht’s noch, Michael? Solange ich fahre, entscheide schon noch ich, wann ich überhole und wann nicht“, grummelte sie, langsam wurde sie ein wenig zornig und hatte absolut keine Lust, das zu verstecken. Sie überlegte sich gerade, ob sie an den Straßenrand fahren sollte, um ihn zu bitten, das Fahrzeug zu verlassen, als sie merkte, dass der Traktor vor ihr den Blinker setzte und abbog. Erleichtert atmete sie auf, zumindest hatte sich dieses Thema von selbst erledigt, doch noch stand ein anderes an der Tagesordnung.

 

„Es mag wohl stimmen, dass es andere nichts angeht, was vor Jahren geschehen ist, Privatleben bleibt auch Privatleben, solange wir gut zusammenarbeiten, Michael. Aber wie oft bist du bei mir auf dem Sofa gesessen, mit einem Bier in der Hand, und es war dir nicht anzumerken, dass du so etwas wie Liebe für mich empfindest. Du kannst von mir nicht erwarten, dass ich genauso fühle, auch wenn wir gestern miteinander geschlafen haben …“, erwiderte Alex mit einer Härte, die sie so nicht an sich kannte, aber im Augenblick war ihr danach, wollte sie sich doch davor schützen, von Michael noch mehr verletzt zu werden. Langsam ließ sie den Wagen vor dem Wohnhaus ihres Vaters auslaufen und zog endlich den Schlüssel ab. Für ihre Begriffe war die Heimfahrt doch schneller vorüber gegangen als sie erwartet hatte. Alex machte sich nicht die Mühe auszusteigen, sondern starrte aufmerksam zu Michael hinüber.

 

„Was erwartest du nun von mir?“, brachte er endlich über die Lippen, hart presste er sie anschließend wieder zu einem dünnen Strich zusammen, die Situation schien ihm einfach zu überfordern. „Nichts mehr, Michael, absolut nichts. Es wäre vielleicht nicht schlecht, wenn der Funken Freundschaft, der vielleicht noch übrig geblieben ist, erhalten bleiben könnte, sofern es für dich in Ordnung geht, immerhin ist für dich in den letzten Stunden so einiges zusammengebrochen“, erwiderte Alex langsam, ohne ihn aus den Augen zu lassen. Sie merkte sehr wohl, wie sehr es in ihm arbeitete. Michael, der Macho, hatte zum ersten Mal in den letzten Jahren einen harten Dämpfer hinnehmen müssen, und Alex musste sich eingestehen, dass sie es mit Genugtuung zur Kenntnis nahm, sie fühlte sich nach den unzähligen Sätzen, die sie ihm in den letzten Minuten an den Kopf geworfen hatte, unheimlich gut.

 

Sein Blick wanderte langsam zu ihr, er musterte sie eingehender, als er es in den letzten Wochen und Monate schon getan hatte. In seinen Augen konnte sie an diesem Morgen nichts erkennen, sie waren ungewohnt stumpf, was sicherlich nicht nur auf seine Kopfschmerzen, die ihm die Gehirnerschütterung verursachte, zurückzuführen war. „Was ist mit Maximilian? Verhinderst du ein Kennenlernen?“, fragte er ein wenig verunsichert. Alex lachte kurz auf, auch wenn ihr im Moment nicht wirklich danach zumute war. „Max ist erwachsen, ich möchte nicht daran schuld sein, dass ich ihm den Rest seines Lebens seinen Vater vorenthalte. Es reicht doch, wenn ich es in den letzten einundzwanzig Jahren getan habe. Ab nun liegt es wohl in eurer Hand, daraus etwas aufzubauen“, erwiderte Alex. Mit diesen Worten stieg sie aus, lies Michael einfach im Auto zurück. Aber sie war nicht erstaunt, dass sie Sekunden später eine Tür schlagen hörte. Er folgte ihr genau so rasch, wie sie es erwartet hatte. Erst als er sie unsanft und hart am Arm zurückhielt, schaute sie erschrocken zu ihm auf. Etwas an seinen Augen sagte ihr, dass es besser wäre, im Moment nichts mehr zu sagen.

 

„Bist du schon fertig, Alex?“, erkundigte sich Michael ungehalten, seine Stimme bebte vor unterdrücktem Zorn. Sie schüttelte nur den Kopf, versuchte ihre Hand aus seiner Umklammerung zu befreien, ohne Erfolg. „Nicht wirklich …“, gab sie kühler zurück, als es vielleicht angebracht gewesen wäre. Sie wusste sehr wohl, aber an diesem Vormittag hatte sie sich so in ihre Wut hineingesteigert, dass sie einfach nur noch alles loswerden wollte, was sich in den letzten Jahren aufgestaut hatte. Mit schiefgelegtem Kopf schaute er ihr in die Augen, wich den ihren für einen Moment nicht aus, hielt ihnen für kurze Zeit sogar stand. „Was schwirrt heute noch in deinem Kopf herum, dass du mir um die Ohren schleudern möchtest …“, murrte er, noch immer beherrschte er sich ungemein. Das stechende Blau seiner Pupillen verdunkelten sich vor Wut zunehmend, Alex ignorierte es in diesen Minuten einfach, da sie wusste, dass sie in der nächsten Zeit nicht mehr den Mut aufbringen würde, ihm ihre Meinung zu sagen.

 

„Mir kommen da einige Gedanken, die ich noch los werden möchte …“, gestand Alex, nachdenklich fuhr sie mit sich der Hand einige Male über ihr Kinn, ohne zugeben zu wollen, dass sie nicht die richtigen Worte fand. „Dann sag es endlich, immerhin haben wir es dann beide hinter uns. Denn ich habe absolut keine Lust, mir irgendwelchen Unsinn anhören zu müssen …“, brummte Michael. An seiner Stimme merkte sie, dass es noch eine geraume Zeit dauern würde, bis sein Zorn sich gelegt haben würde. „Das wirst du dir gefallen lassen müssen, Michael Naseband …“, grummelte sie, wieder versuchte sie, ihren Arm freizubekommen, den er noch immer mit eisernem Griff festhielt. „Ach, muss ich das?“, wollte Michael wissen, seine Stimme klang derart spöttisch, dass es beinahe schon weh tat. Alex hielt es für besser, darauf nicht mehr einzugehen. Sie hatte keine Lust, sich noch mehr aus der Ruhe bringen zu lassen. „Ich frage mich die ganze Zeit, warum du unbedingt hast verschwinden müssen, als du die Wahrheit über Maximilian erfahren hast …“, kam Alex endlich auf den Punkt. Sie beobachtete Michael dabei, wie er kurz nach Luft schnappte und vorerst nicht zu wissen schien, was er mit ihrer Antwort anfangen sollte.

 

„Was erwartest du von mir, Alexandra Rietz?“, rief er aufgebracht aus, was schon alleine die Nennung ihres vollen Namens zeigte, wie sehr er es war. „Dass du dich wie ein vernünftiger Mensch verhältst. Du bist so zornig, dass du nicht mehr weißt, was du tust und sogar einen Unfall baust. Außerdem weißt du genau, dass es nicht unbedingt das Beste ist, wenn du in diesem Zustand Auto fährst!“, erwiderte Alex und wusste noch immer nicht, wie sie auf sein Verhalten richtig reagieren sollte. Sie merkte sehr wohl, dass sie sich durch seine Wut selbst auch hochschaukelte. „Unsinn, Alex, du weißt schon, dass ich mich selten etwas aus der Ruhe bringt …“, versuchte er abzuwiegeln. „Und ausgerechnet die Sache mit Max wirft dich derart aus der Bahn, dass du das Dienstfahrzeug um den erstbesten Baum wickelst. Du kannst froh sein, dass du nur eine Gehirnerschütterung hast. Aber darum geht es jetzt nicht, Michael, ich möchte endlich wissen, warum du gestern einfach verschwunden bist, bisher hast du mir das ja nicht erklären können …“, erinnerte Alex, in ihrer Stimme begann die Ungeduld mitzuschwingen, die sie zur Zeit empfand. Allmählich zerrte dieses Gespräch an ihren Nerven, im Grunde wollte sie es schon gar nicht mehr führen, aber sie hatten es nun mal begonnen.

 

„Herrgott noch mal … wie würdest du reagieren, wenn dir eröffnet wird, dass du Vater bist, dein Kind bereits über zwanzig ist? Ich war einfach wie vor den Kopf gestoßen …“ rief Michael aus, an einem Punkt angelangt, an dem er sich nicht mehr beherrschen konnte und wollte. Sie tat seine Worte einfach mit einer wegwerfenden Handbewegung ab. „Ich kann dir nicht sagen, wie ich in deinem Fall reagieren würde, aber stell dir mal vor, wie es mir gegangen ist, als ich damals gemerkt habe, dass ich schwanger bin. Und vom Vater meines Kindes hatte ich weder Telefonnummer noch Adresse, für den war ich doch damals nichts weiter als eine Affäre, ein Zeitvertreib … Michael, mir ging es damals auch nicht besonders gut, hast du dir in den letzten Stunden darüber mal Gedanken gemacht?“, erkundigte sich Alex ungehalten, starrte ihm bei ihren Worten unverwandt in die Augen und konnte dadurch all die Regungen in seinem Gesicht erkennen. Die Farbe wechselte von blass zu rot und wieder zurück, hin und wieder atmete er tief ein, verlor dabei nicht ein Wort. „Du hättest doch etwas sagen können, als wir vor Jahren zusammen angefangen hatten zu arbeiten, wenn du ehrlich bist, hast du aus Max ein Staatsgeheimnis gemacht …“, brachte er schließlich hervor.

 

Alex schüttelte langsam den Kopf. „Irrtum … das habe ich nicht, Michael, alle auf der Dienststelle wissen von ihm, nur du hast keinem wirklich zuhören wollen, als von Max gesprochen wurde, da du immer davon ausgegangen bist, dass es, weil ich keinen festen Partner habe, sonst auch niemanden geben kann. Als von Max gesprochen wurde, hast du gekonnt darüber hinweggehört“, stellte sie bedauernd fest. Er schüttelte heftig den Kopf, als wollte er all ihre Worte daraus verbannen. „Geht’s noch, Alex, du reimst dir schon wieder Dinge zusammen, die es gar nicht geben kann“, bemerkte Michael.  Sein Blick wurde hart, erwiderte ihren jedoch nicht, nach kurzer Zeit wendete er ihn wieder ab. Plötzlich lachte Alex freudlos auf. „Natürlich, ich hätte es wissen müssen, der große Michael Naseband steht wieder über den Dingen, hat absolut keinen Bock darauf, das ganze begreifen zu wollen. Weißt du was, Michael, hau einfach ab und vergiss mich einfach für eine Weile, sieh einfach zu, wie du wieder nach München zurück kommst, denn ich werde einige Tage länger hier bleiben …“, erklärte Alex in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete, sie gab sich jedoch nicht der Illusion hin, dass er sprachlos bleiben würde. Im ersten Moment war es Michael dennoch, er schien nicht damit gerechnet zu haben, von ihr hinausgeworfen zu werden. Mit offenem Mund starrte er ihr hinterher, als sie im Haus verschwand und blieb vorerst, wo er war.

 

**

 

„Mum …“, hielt Maximilian Alex zurück. Erstaunt wandte sie sich zu ihrem Sohn um, musterte ihn fragend und wartete darauf, dass er endlich weitersprach. „Ich habe euch eine Weile durchs Küchenfenster beobachtet, dich und Michael … Hattet ihr Streit?“, wollte Max neugierig wissen. Alex nickte nur, versuchte sich an ihm vorbeizustehlen. „Bleib hier, Mum, ich möchte wissen, warum ihr das getan habt, Großvater hat vorhin erzählt, dass ihr euch immer gut verstanden habt!“, erzählte Max. Ihr Blick wurde nachdenklich, über seinen letzten Satz grübelte sie eine kurze Zeit nach, endlich nickte sie. „Dein Großvater hat natürlich recht, bisher war das auch der Fall. Ich frage mich immer noch, wie ich auf die Idee kommen konnte, ihn hierher mitzunehmen. Mir hätte klar sein müssen, dass es Streit gibt, wenn ihr euch kennen lernt und vielleicht auch noch herausfindet, wie ihr zueinander steht“, brummte Alex, während sie in ihrer Hosentasche nach ihrem Handy suchte.

 

„Ruf Michael bitte ein Taxi, ich hole inzwischen seine Reisetasche herunter …“, erklärte sie ihrem verblüfften Sohn und drückte ihm ihr kleines Telefon in die Hand. Alex wartete gar nicht mehr seine Antwort ab, sie machte sich schon auf den Weg nach oben, immer eine Stufe auslassend. Plötzlich hatte sie es eilig, ihn wieder loszuwerden. Am Rande hörte sie Maximilians Stimme, verstand jedoch seine Worte nicht mehr, zu laut klackerten ihre Stöckel auf den Fliesen des Ganges.

 

Da sie wusste, dass Michael seine Sachen nicht in einen Kasten geräumt hatte, schnappte sie sich die kleine Reisetasche, die nach wie vor in einer Ecke des Gästezimmers stand, und machte sich damit wieder auf den Weg ins Erdgeschoß. Am Fuße der Treppe traf sie auf Michael. Erstaunt schaute er auf Alex herab. „Was willst du damit …?“, wollte er wissen und deutete auf das Gepäcksstück in ihrer Hand.  Alex ging nicht direkt auf seine Frage ein, sondern drückte ihm seine Tasche in die Hand und ging ohne ein weiteres Wort zur Eingangstür. Erst dort wandte sie sich wieder zu Michael um.

 

„Wir haben dir ein Taxi gerufen. Bis zum Bahnhof wirst du ja damit kommen, und ein Zug nach München fährt sicher bald …“, erklärte Alex kühl, „aber weil ich nicht so bin, werde ich von hier aus die Überstellung vom Auto organisieren.“ Mit diesen Worten verschwand sie endgültig, die Türe hinter sich ins Schloss ziehend, lauter, als es der Situation angemessen gewesen wäre. Dass sie einen verdutzten Michael im Vorraum zurückließ, war ihr in diesem Augenblick nicht bewusst.

 

**

 

Die wenigen Tage, die sie bei Maximilian und ihrem Vater verbrachte, vergingen rascher, als es Alex lieb war. Auch wenn sie über den Streit mit Michael oft genug nachgedacht hatte und zu keinem Ergebnis gekommen war, fragte sie sich, wie wohl das erste Zusammentreffen mit Michael verlaufen würde. Zu ihrem Entsetzen musste sie feststellen, dass sie sich davor sogar fürchtete.

 

Es kam ärger, als sie es befürchtet hatte. Michael ignorierte sie völlig, für ihn war sie einfach nicht vorhanden, auch sprach er sie nicht direkt an, sollte er dienstlich ein Anliegen haben. Robert sprach ihn zwar auf sein Verhalten an, wurde jedoch mit einem wütenden Blick wieder zum Schweigen gebracht. So blieb es ungewollt schweigsam im Büro, Gerrit und Robert verließen es fluchtartig, als ihnen der kalte Umgangston der Kollegen endlich zu bunt wurde.

 

„Wir sollten reden …!“, bemerkte Alex ernst, als sie neben der Kaffeemaschine stand und sich Kaffee in ihre Tasse leerte. „Meinst du, dass das noch Sinn macht?“, erkundigte sich Michael eisig. Er hielt es nicht einmal für notwendig, von seiner Arbeit aufzuschauen. Alex starrte ihn kurz an, ohne tatsächlich zu wissen, was sie antworten sollte. „Es wäre auf alle Fälle besser, Michael. Oder möchtest du, dass wir die nächsten Monate schweigend im Büro sitzen und dieses eisige Klima aufrecht erhalten?“, fragte sie nach kurzem Überlegen endlich. „Herrgott noch mal, Alex, was willst du von mir? Vor ein paar Tagen hast du mich noch eiskalt abserviert“, stellte Michael zornig fest, „meinst du, dass ich weitermachen soll, als wenn nichts gewesen wäre? Alex, dass schaffe ich nicht!“ Hilflos zuckte sie mit den Schultern, denn sie wusste mit seiner Aussage vorerst nichts anzufangen. „Das tut mir leid, wirklich! Aber ich möchte vorerst nur, dass unser Arbeitsklima wieder so wird, wie es mal war, Michael. Ob unsere Freundschaft je wieder so sein wird, kann ich dir bei Gott nicht sagen, wir könnten daran arbeiten …“, schlug Alex vor, an seinem Blick erkannte sie entsetzt, dass er gar nicht vor hatte, genau das zu tun. Resigniert seufzte sie auf, wandte sich ab und ging wieder zu ihrem Schreibtisch zurück. Während sie einen Schluck ihres Kaffees nahm, setzte sie sich, ließ ihn dabei aber nicht aus den Augen.

 

Mit Schrecken nahm sie zur Kenntnis, dass er sich wieder seiner Arbeit zugewandt hatte. Er schien keine Lust zu haben, das Gespräch weiterzuführen. Sie selbst wollte es auf alle Fälle geklärt haben. Egal was in den letzten Tagen vorgefallen war, die Zusammenarbeit mit Michael war bisher gut verlaufen, an diesem Montagmorgen zweifelte sie aber auch daran.

 

„Ich wusste gar nicht, dass du so empfindlich auf eine Abfuhr reagierst!“, sagte Alex plötzlich, ehe sie über diese Worte überhaupt nachdenken konnte. Ruckartig fuhr sein Kopf zu ihr hinüber. „Diese Abfuhr war nicht so wirklich von der feinen englischen Art, das stimmt schon, aber ich denke, dass mich die Erkenntnis mehr getroffen hat, dass es Max überhaupt gibt. Darüber hätten wir irgendwann einmal reden können, Alex. Aber noch ist es nicht zu spät …“, gab er zu, sie merkte sehr wohl, dass er sich bei diesen Worte wand und nicht zu wissen schien, wo er aus reiner Verlegenheit hinschauen sollte, sein Blick wanderte unstet durch den Raum. Alex nickte vorerst nur zu seinen Worten, beobachtete ihn einen kurzen Augenblick.  So konnte sie sein feines Lächeln sehen, das sich auf seine Lippen geschwindelt hatte, konnte es jedoch nicht zuordnen – noch nicht!

 

„Max hat mir erzählt, dass ihr in den letzten Tagen einige Male telefoniert habt“, erzählte Alex plötzlich, sie hatte das Bedürfnis weiterzusprechen. „Ja, die Gespräche waren aber nur ausgesprochen kurz, ich hatte den Eindruck, als wollte Max mit mir nichts zu tun haben“, erwiderte Michael bedauernd, sein Blick, den er ihr zuwarf, sagte ihr, dass ihn diese Tatsache zu schaffen machte. „Aber ich werde nicht locker lassen, Alex“, versprach er, „ich möchte ihn besser kennenlernen, auch wenn ich eine Bindung, wie ich sie zu Mike habe, nie mehr aufbauen kann. Einen Versuch ist es aber allemal wert!“ Während seiner Worte war er aufgestanden und neben ihren Schreibtisch getreten. Wenige Augenblicke schaute er schweigsam auf sie herab. „Das finde ich gut, Michael, immerhin hat Max die Chance verdient, seinen Vater kennenzulernen, auch wenn er dir gegenüber nie das Gleiche empfinden wird können wie Mike“, murmelte sie, ohne seinen Augen auszuweichen und hielt seinem Blick stand. „Ich werde Feierabend machen, Alex, und  bei einem Bier über unser Verhältnis zueinander nachdenken“, beteuerte er, denn dieses ernsthafte Gespräch wollte er keinesfalls im Büro weiterführen, wagte jedoch nicht, eine andere Umgebung vorzuschlagen. Stattdessen nahm er ihr einfach ihre Tasse aus der Hand, zog sie daran zu sich heran und küsste sie wilder als er es eigentlich beabsichtigt hatte. Viel zu rasch ließ er auch wieder von ihr ab, ging mit eiligen Schritten zur Tür und wandte er sich noch einmal ihr zu. Mit den Worten „Ich werde dich wohl immer lieben, solange ich lebe, auch wenn du mich eiskalt abserviert hast!“ verließ er schließlich fast fluchtartig das K11. Dass er eine fassungslose Alexandra zurückließ entging ihm an diesem Nachmittag völlig.

 

Wie erstarrt blieb sie einen kurzen Moment vor ihrem Schreibtisch stehen und starrte noch immer erschüttert auf die sich eben geschlossene Tür, ließ sich endlich wieder auf ihren Sessel sinken. Nachdenklich stierte sie vor sich hin, ohne wirklich einen klaren Gedanken fassen zu können. Den Einzigen, den sie zu fassen bekam, war der, dass sie mit Michael in den nächsten Tagen oder Wochen reden musste, ohne jetzt schon zu wissen, wie ein solches Gespräch ausschauen würde.

 

 

 

 

EPILOG

 

Seiner Hartnäckigkeit verdankte er es, dass Alex wieder in seinen Armen lag, sich darin sogar glücklich räkelte. Ein zufriedenes Grinsen schlich sich auf Michaels Lippen, als er den Kopf hob und ihr in die Augen schaute. Sie erwiderte seinen Blick, lächelte ihm sogar zu. Langsam näherte sich Michael ihrem Gesicht, seine Lippen begannen mit den ihren zu spielen und küsste sie überaus behutsam, als sie einen Kuss endlich zuließ.

 

Es dauerte an diesem Morgen unendlich lange, bis sie ihn auch wieder lösten. In Michaels Augen war die große Liebe zu sehen, die er für Alex empfinden musste. Seine tiefen Gefühle verziehen ihr sogar die Härte, mit der sie ihn vor Monaten einfach aus ihrem Herzen gestrichen hatte. Zärtlich liebkoste er ihre Wangen, während sein Blick in ihrem versank. „Mach das nie wieder mit mir, Kleines, noch einmal ertrage ich es nicht, wenn du mich vor die Tür setzt“, flüsterte er ihr ins Ohr. Vorerst war nur ihr gurrendes Lachen zu hören, endlich schüttelte sie sachte ihr Haupt. „Das hab ich doch gar nicht vor, Micha, ich frage mich noch heute, warum ich damals so reagiert habe. Heute weiß ich, dass es der größte Fehler war, der mir passieren konnte …“, nuschelte Alex in seinen Kuss, während sie sich ihm wieder völlig hingab.

 

 

-   E N D E   -

 

 

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 09.05.2016

Alle Rechte vorbehalten

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