Cover

~1~

„Vielleicht solltest du deinen faulen Arsch einfach mal in Bewegung setzen, anstatt in deinem Bett alleine zu versauern!“, genervt verdrehe ich die Augen, während ich versuche Lena  die Decke weg zu ziehen, unter der sie sich verkriecht. Mit einem Quieken versucht sie sich zu wehren und zieht dabei die Decke nur noch enger.

„Verdammt Joice, lass mich in Ruhe!“, höre ich sie durch die Decke durch murmeln. Lenas Problem ist, dass sie Single ist! Diesen Status verkraftet die Gute ja schon mal überhaupt nicht. „Wenn du so weiter machst, dann wirst du nie ‚Den Richtigen‘ finden! Oder glaubst du im Ernst, dass dein Traumprinz plötzlich an eurer Haustüre klopfen wird?!“ Als ich mir diesen Gedanken mal kurz durch den Kopf gehen lasse, breitet sich ein Grinsen auf meinem Gesicht aus. Anscheinend hört sich das auch für Lena logisch an, da nun endlich ihre roten Locken zum Vorschein kommen. Lena setzt sich nun aufrecht auf ihr Bett und lehnt sich mit dem Rücken gegen die Wand. Die Knie hat sie dabei angezogen, damit sie ihr Kinn darauf legen kann. Mit einem tiefen Seufzer setze ich mich neben sie und lehne dabei meinen Kopf ebenfalls gegen die Wand.

„Hast du gar kein Problem damit Single zu sein? Mich macht diese ewige Einsamkeit total fertig!“, fragt sie mich etwas misstrauisch während sie aus dem Fenster starrt. Kaum merklich zucke ich mit den Schultern, „Wenn du es genau wissen willst, Nein! Ich bin echt gerne Single, immerhin bin ich so an nichts und niemanden gebunden.“ Und das sage ich nicht nur, sondern meine es auch so. Ich bin nicht so das Mädchen, welches immer einen Mann seiner Seite braucht. Ganz im Gegenteil. Ich bin sogar ein glücklicher Single. Ich weiß, dass ich jeden haben könnte. Immerhin schaue ich nicht gerade schlecht aus. Meine blauen Augen harmonieren super mit meinen langen blonden Haaren, die beinahe bis zum Hintern reichen. Meine Figur ist schön schlank, wobei ich zugeben muss, dass ich meine Haut etwas zu blass finde. Sie ist schon beinahe weiß!

„Aber wenn du willst können wir am letzten Ferienwochenende in die 10er Bar gehen! Wer weiß, vielleicht läufst du ja deinem Traummann über den Weg! Wer weiß, vielleicht ist sogar der niedliche Typ von letztens dort!“ lächle ich sie aufmunternd an und streiche mir dabei eine Strähne aus dem Gesicht. Ich bin eigentlich keine, die gerne fortgeht und sich bis zum Umfallen ansauft, aber was soll ich denn machen? Immerhin ist Lena meine beste Freundin und so eine kleine Abwechslung vom Alltag wird mir auch nicht schaden.

„Joice Prentiss?! Das ist die beste Idee, die du seit Ewigkeiten hattest! Am besten wir gehen am Samstagvormittag shoppen, damit wir am Abend was Tolles zum Anziehen haben!“, schreit sie vergnügt und fällt mir gleich in die Arme. „So können wir die Sommerferien schön ausklingen lassen!“, meint sie noch, als sie aufsteht, zum Kleiderschrank geht und sich ihre Reithose herausfischt. Das hätte ich ja beinahe vergessen, ich war eigentlich nur hier, um mit Lena in den Stall zu fahren, wo wir uns vor sieben Jahren kennen gelernt haben. Wie immer habe ich meine Reitklamotten in einem Rucksack mitgenommen, um das Auto meines Vaters nicht zu beschmutzen. Sein Wagen ist für ihn, wie glaube ich für jeden anderen Mann auch, das Baby.  Schnell kraxle ich aus dem Bett, krame meine Sachen aus dem Rucksack und ziehe mich schnell um. Über meine dunkelbraune Reithose mit dem schwarzen Vollbesatz ziehe ich mir noch meine Stutzen an, während ich mir obenrum ein hellblaues ‚HV Polo‘ Shirt anziehe. Meine Eltern legen sehr viel Wert auf Markenkleidung, mir hingegen war es relativ egal, solange ich mich wohl fühle. Meine langen Haare binde ich mir zum Schluss noch mit einem Haargummi zusammen und betrachte das Endresultat etwas gelangweilt im Spiegel. „Fertig?“, Lena stellt sich aufgeregt neben mich an den Spiegel und mustert uns beide. Kaum merklich nicke ich und ziehe mir noch mal meine Hose hoch, da sie etwas locker war.

„Fertig!“, bestätige ich lächelnd. 

 

„Danke Mr. O’Conner!“, bedanke ich mich höflich, als ich die Autotür des schwarzen Geländewagens zu schmeiße. Lenas Vater hatte uns freundlicherweise angeboten zu fahren, nachdem wir den Bus nur knapp verpasst hatten.

Mit Lena an meiner Seite stiefle ich hinüber zum Stallgebäude, wo bereits Nicolas Thomson auf uns wartet. Nico ist wie ein großer Bruder für mich, den ich nie hatte. Nebenbei ist er auch noch unser Reitlehrer. Zur Begrüßung boxe ich ihm spielerisch in die Seite. „Alles klar?!“, lache ich fröhlich. Ich weiß auch nicht warum, aber in seiner Nähe hatte ich immer gute Laune. „Natürlich! Aber es wäre noch besser, wenn ihr beide endlich mal pünktlich zur Reitstunde kommen würdet! Ihr zwei seid schon wieder zu spät!“, tadelt er uns mit einer hochgezogenen Augenbraue und fuchtelt dabei langsam mit dem Finger auf und ab.

„Wir können doch nichts-!“, doch weiter kommt Lena nicht, da Nico sie mitten im Satz abbricht, „Jajaja! Ihr habt ja immer eine Ausrede parat!“ Er ist nicht wirklich angefressen, er tut wie immer nur so, kann sich aber nie das Grinsen verkneifen. „Macht einfach schnell eure Pferde fertig und kommt dann auf den Reitplatz, ich werde euch inzwischen ein paar Sprünge aufstellen!“ Bei dem Wort ‚Sprünge‘ schauen sich Lena und ich mit großen Augen an. Das Springreiten war einfach unsere Leidenschaft. Unser Motto ist – Je höher, desto besser. Mit schnellen Schritten gehe ich ins Stallgebäude, in dem alle Boxen, inklusive die meines Pferds Flying Cloud, waren. Wie jedes Mal stecke ich mir zwei Finger rechts und links in die Mundwinkel und lasse einen schrillen Pfiff ertönen. Keine Sekunde später streckt ein hübscher schwarzer Hengst seinen Kopf aus der vorletzten Box. Mit einem Lächeln im Gesicht hole ich den Schwarzen aus der Box und hänge ihn in der Stallgasse an zwei Stricken links und rechts am Halfter an. Aus meiner Putzbox schnappe ich mir zwei Bürsten und beginne das weiche Fell von Cloud zu striegeln. In dem Moment geht quietschend das große Tor des Gebäudes auf und ein Typ in meinem Alter kommt herein. Ich kann erst nur seine Silhouette erkennen. Er scheint ziemlich breite Schultern zu haben und auch seine Arme wirken ziemlich muskulös. Erst als er näher kommt erkenne ich seine vielen Tattoos auf beiden Armen, die mich im ersten Moment etwas abschrecken. Seine Sonnenbrille schiebt er sich langsame auf den Kopf, während er direkt auf mich zu zukommen scheint.  „Kann ich dir helfen?“, frage ich ihn höflich, als er genau vor mir steht. Sogar Cloud findet den Jungen anscheinend interessant, da er neugierig an ihm schnuppert. Ich muss mir ein leichtes Grinsen verkneifen, als der Typ ein paar Schritte von dem Pferd weg geht. Es scheint ihm nicht ganz geheuer zu sein. Ich schaue ihn immer noch mit einem fragenden Blick an, immerhin will ich wissen was ein fremder Mann in ‚meinem‘ Stall will. „Ich suche Caroline Setters!“, erklärt er dann, während er sich suchend umschaut. „Schau mal in der Halle nach!“, meine ich nach kurzem überlegen und streiche mir verschwitzt eine Strähne aus dem Gesicht. „Darf ich fragen wer du bist?!“, ich muss zugeben, dass er mir etwas suspekt vorkommt. „Natürlich, tut mir leid! Ich bin ihr Bruder, Marc! Eigentlich wollte ich sie nur abholen, aber anscheinend ist sie noch nicht fertig. Ist ja immer das Selbe mit ihr!“ – „Wie gesagt, am besten du schaust in der Halle mal nach!“, lächle ich freundlich und deute zur Tür, welche zur Tribüne führt. „Danke!“, dankend nickt er kurz und folgt dann meiner Beschreibung. Kurz schaue ich ihm nach, bis er durch die Tür verschwindet, schüttle dann kaum merklich meinen Kopf und mache meinen Hengst für die Reitstunde fertig. Als auch ich meine Ausrüstung anhabe führe ich ihn an den Zügeln aus dem Stall, wo ich wieder auf Lena treffe, die ihren Chesterfield an der frischen Luft fertig gemacht hatte. Ich muss zugeben, dass es mir dafür eindeutig zu heiß war. Gleichzeitig steigen wir auf und machen uns dann auf den Weg zum Reitplatz. Ich habe keine Ahnung warum, aber aus irgendeinem Grund drehe ich mich nochmal kurz um. Als ich Marc entdecke, der mich von seinem Auto aus regelrecht mit seinen strahlend Blauen Augen anstarrt, steigt mir die Gänsehaut auf. Ich weiß nicht warum, oder wieso, aber in diesem Moment überkommt mich ein Gefühl von Unbehagen.    

~2~

„Mom? Dad?“, ich schlage dir Tür laut hier mir zu, ziehe meine dreckigen Reitstiefel aus und stelle sie wie immer auf die Kellerstiegen. Kurz halte ich inne, als ich die Kellertür hinter mir wieder geschlossen habe und es plötzlich still war. Normalerweise kommt mir meine Mutter immer schon mit ausgebreiteten Arme aus der Küche entgegen. „Ich bin wieder da! Wo seid ihr denn alle?“ rufe ich noch einmal, doch wieder keine Antwort. Wo sind denn bloß alle? Etwas misstrauisch gehe ich durchs Vorzimmer in die Küche, von wo aus mir gleich der leckere Duft von Mom’s hausgemachter Hühnersuppe in die Nase steigt. Mein Blick fällt durch das Küchenfenster, welches den Blick in den Garten preisgibt. Im letzten Winkel des Gartens erkenne ich Mom, die in der Erde herum zu graben scheint. Mit gerunzelter Stirn nehme ich mir aus dem Eiskasten eine Flasche ‚Coca Cola‘, mit der ich dann hinaus in den Garten gehe.

„Mom? Was um Himmels Willen machst du denn da?“, rufe ich nach hinten, bleibe aber auf der Terrasse stehen, da ich nur Socken an habe. Durstig mache ich einen Schluck von meinem Cola, dabei spüre ich richtig, wie das kalte Getränk meine Speiseröhre hinunter rinnt. Ohne mir eine Antwort zu geben steht sie auf, wischt sich den Dreck von ihrer schwarzen Hose und kommt zu mir. Ihre langen blonden Haare hat sie mit einer Spange hoch gesteckt und auf dem Shirt, genauso wie auf der Hose, waren Grasflecken. Ich mustere sie etwas misstrauisch und muss mir dann das Grinsen verkneifen. Meine Mom war bei der Gartenarbeit genau so geschickt wie ein Hund beim Tanzen.

„Murmel hat uns vorher eine tote Maus ins Haus geschleppt und du kennst mich, ich kann ein totes Tier nicht einfach irgendwo hinschmeißen. Also habe ich sie einfach da hinten begraben.“, erklärt sie mir und deutet dabei auf die Stelle, wo anscheinend die Maus begraben liegt. Murmel ist mein kleiner Kater, der normalerweise nicht dazu neigt zu Jagen, da er eindeutig zu dick ist. Man trifft ihn meistens beim Schlafen an, und wenn er doch mal munter ist, schlägt er sich den Bauch voll.  Schmunzelnd verdrehte ich die Augen. Meine Mutter hat einfach ein viel zu gutes Herz für diese Welt, das habe ich wohl auch von ihr, da ich genau so wie sie reagiert hätte.

„Na gut! Wenn du mich suchst, ich bin in der Dusche.“, murmle ich dann und gehe wieder ins Haus zurück, da die Fliesen schon ziemlich kalt sind. Meine Flasche lasse ich auf dem kleinen gläsernen Tisch im Wohnzimmer stehen.

„Beeil dich aber! Gleich gibt’s Essen!“, fordert sie mich auf und verschwindet wieder zurück in die Küche. Ich kann nur hoffen, dass sie nicht vergisst sich die Hände zu waschen.

Erschöpft stapfe ich die Treppen zum Obergeschoß hinauf, verschwinde durch die erste Tür, hinter der sich mein Zimmer befindet und ziehe mir meine schmutzigen Kleider aus. Nur mit meiner Unterwäsche bekleidet hopse ich schnell hinüber ins Badezimmer, welches sich meinem Zimmer genau gegenüber befindet. Ohne lange darüber nach zu denken reiße ich die Türe nach innen auf!

"Was zum..?", ertönt eine tiefe männliche Stimme von innen. 

„Meine Güte, Mike!“, schreie ich erschrocken auf, als mein großer Bruder mitten im Bad steht.

„Mach dass du verschwindest!“ knurrt er gereizt, während er versucht mich wieder aus dem Bad zu schieben.

„Nimm deine Pfoten von mir! Du bist doch so und so schon fertig. Kannst du dich nicht in deinem Zimmer umziehen?“, fauche ich zurück, wurschtle mich unter seinen Armen durch, um nicht gleich wieder mitten auf dem Gang zu stehen. Michael, mein 18-jähriger Bruder, und ich verstehen uns nicht sonderlich gut. Wir sind einfach viel zu verschieden. Er ist im Gegensatz zu mir groß und muskulös, hat beinahe keine Haare am Kopf und ist der arroganteste Mensch den ich kenne. Er weiß ganz genau, dass er heiß ist und mit der richtigen Taktik jede Frau um den Finger wickeln kann. Er lässt auch keine Situation aus es sich selber und allen anderen zu beweisen.

„Verschwinde jetzt endlich aus dem Badezimmer!“ schreie ich ihn nun wütend an und schiebe nun IHN Richtung Tür. „Na los, raus!“

Mit einem lauten Knall schmeiße ich die Tür hinter ihm zu und hoffe, dass ihm dabei das Trommelfell platzt. Ich höre ihn noch irgendwas schreien, ignoriere es allerdings gekonnt.

Wütend stütze ich mich am Waschbecken ab und betrachte nachdenklich mein Spiegelbild. In dem Moment schießt mir das Gesicht des Typen vom Reitstall in den Kopf und ich spüre wie mir kurz das Herz stehen bleibt. Ich kann seine strahlenden blauen Augen einfach nicht vergessen. Ich schließe kurz die Augen und versuche so den Gedanken aus meinem Kopf zu verbannen, was allerdings nicht ganz funktioniert. Da mir langsam kalt wird ziehe ich mich komplett aus und stelle mich dann schnell unter die Dusche. Die Gänsehaut steigt mir auf, als das heiße Wasser meinen nackten Körper berührt. Wie jedes Mal, wenn ich unter der Dusche stehe beginne ich ein paar Lieder zu summen. Nach nur kurzer Zeit wird aus leisem Summen, lautes Singen. Mir geht gerade der Song ‚Forgive me‘ von Nataly durch den Kopf, bei dem sich meine Stimmung jedes Mal zusehends verschlechtert. 

Nach nur zehn Minuten komme ich, nur mit einem Handtuch um den Körper gewickelt, aus dem Badezimmer und verschwinde gleich in meinem.

„Joice. Essen ist fertig!“, höre Ich Mom auch schon rufen, krame schnell frische Unterwäsche aus der Lade, hole mir ein Top und eine kurze Hose aus dem Kleiderschrank und gehe angezogen, aber mit einem Handtuch um die Haare gewickelt, hinunter. Mike und meine Mutter sitzen bereits am Tisch, nur von meinem Vater war immer noch nichts zu sehen.

Nachdem ich mich ebenfalls gesetzt habe und mir einen Teller Suppe genommen habe, schaue ich meine Mutter fragend an. „Wo ist eigentlich Dad?“

„Der muss heute länger in der Arbeit bleiben!“ – „Einer muss ja das Geld nachhause bringen!“ Ich schaue Mike erschrocken an, wie konnte er nur sowas sagen.

„Du kannst dich wohl am wenigstens beklagen, oder?“ meint Mom mit kalter Stimme und funkelt ihn genau so eisig an.

„Du bekommst doch eh alles was du willst, ist es nicht so? Du hast einen Wagen, du trägst nur Markenklamotten und dir wird jeder Wunsch von den Lippen abgelesen. Jetzt frag ich dich, was willst du mehr?“ mit diesen Worten beendet sie die Diskussion, in dem sie aufsteht, ihren noch halbvollen Teller in die Abwasch stellt und aus der Küche verschwindet.

Traurig schaue ich ihr nach. Mike war schon immer eher ein ‚Papakind‘ gewesen, aber in letzter Zeit verstehen er und meine Mutter sich noch weniger als sonst.

„Was sollte das denn?“ fauche ich ihn an. „Du weißt ganz genau, dass Mom aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten gehen kann.“ Wütend stehe ich auf und gehe ohne meinen Teller weg zu räumen mit lauten Schritten zurück in mein Zimmer, knalle die Tür hinter mir zu und schmeiße mich mit einem lauten Seufzer aufs Bett. Gedankenverloren vergrabe ich mein Gesicht in meinem Polster und schließe müde die Augen. Ich kann nur hoffen, dass sich die Stimmung in dem Haus bald bessern würde.

~3~

Zufrieden lasse ich meine vielen neuen Sachen auf mein Bett fallen, sinke dann selber auf die Matratze und lege mich erschöpft nach hinten. Heute war endlich Samstag und ich bin gerade mit Lena vom Schoppen zurückgekommen. Wie jedes Mal machen wir uns gemeinsam bei mir zuhause fertig.

Es ist bereits 19 Uhr, wir müssen uns wirklich beeilen um nicht in der Schlange stehen zu müssen um hinein zu kommen. Schnell gehe ich mich duschen, komme nach zehn Minuten nur mit einem Handtuch bekleidet aus dem Badezimmer und föhne mir als erstes die Haare während Lena bereits dabei ist sich zu schminken. Als meine Haare nach einer gefühlten Ewigkeit endlich trocken sind, mache ich das Radio an und aus den Boxen ertönt „Please Don’t Stop The Music“ von Rihanna. Wie abgemacht fangen Lena und ich gleichzeitig an mitzusingen, grinsen uns dabei an und ich hole mir dann meine Schminksachen aus dem Täschchen. Wie immer schminke ich mich nur dezent, so das die Natürlichkeit nicht verloren geht. Meine Haare glätte ich mir noch zum Schluss und stehe dann etwas unschlüssig vor meinem Bett auf dem die neuen Kleider liegen, die ich mir heute gekauft habe. Ich muss mich entscheiden zwischen einem blauen hautengen Kleid, oder doch eher etwas einfacherem. Nachdenklich raufe ich mir durch die Haare, entscheide mich dann aber für eine gewöhnliche schwarze Leggings mit einem weißen trägerlosen Top. Darüber ziehe ich eine blaue Jeansjacke und die dazu passenden schwarzen Ballerinas. Zufrieden betrachte ich das Endresultat im Spiegel wobei ich mir noch mal durch die Haare kämme. Lena stellt sich nun auch neben mich. Im Gegensatz zu mir ist sie richtig elegant angezogen mit ihrem pinken, trägerlosen Kleid. Ihre Haare hat sie mit dem Lockenstab bearbeitet und jetzt fallen sie ihr elegant über die Schultern.

„Ich denke so können wir uns sehen lassen, oder?“, entschlossen mustere ich sie von oben bis unten und schaue dann hinter ihr auf die Uhr, die an der Wand hängt. „Wir müssen uns jetzt eh beeilen, immerhin ist es bereits halb neun!“

„Das Taxi sollte eh gleich da sein! Zumindest habe ich es für halb neun bestellt!“, erklärt Lena mir, während wir die Treppen hinunter gehen. Unten angekommen verabschieden wir uns noch von meinen Eltern, ich ziehe mir eine dünne Weste über, gehe aus der Tür, und entdecke gleich das gelbe Taxi vor unserer Haustür.  

Draußen lockt mir der Wind ein Zittern aus dem Körper, daher nehme ich schnell Lenas Hand und schleife sie regelrecht zum Auto. Lena stolpert in ihren High Heels hinter mir her, das Lachen muss ich mir dabei allerdings verkneifen. Nacheinander quetschen wir uns durch die linke, hintere Autotür und machen es uns auf der Rückbank bequem. Schnell sage ich dem Taxifahrer die Adresse des Clubs an und schon setzt sich der Wagen in Bewegung.

 

Nach nicht einmal 20 Minuten hält der Wagen vor dem ‚Luna‘ und schnell steigen wir beide aus. Wir haben echt Glück, da die Schlange noch nicht alt zu lang war. Immerhin waren wir nach nicht einmal fünf Minuten bereits bei den beiden Securities, die uns von oben herab misstrauisch mustern. Beide verlangen nach dem Ausweis, eh wie jedes Mal, lassen uns dann allerdings doch, ohne Wenn und Aber hinein.  Meine Augen müssen sich erst an die Dunkelheit, und meine Ohren an die laute Musik gewöhnen. Im Laden tummeln sich schon überall die Gruppen von Leuten und von überall wird man angestarrt. Mit einem Gefühl von Unbehagen mache ich mich, mit Lena im Schlepptau, auf den Weg zur Bar und setze mich dort auf einen der Hocker.

„Sex on the Beach?“, frage ich Lena mit lauter Stimme, um den lauten Bass zu übertönen. Anstatt mir eine Antwort zu geben nickt sie nur, dreht sich dann um, um die anderen Jugendlichen ab zu checken. Mit einer lässigen Handbewegung rufe ich den Kellner zu mir, der mir von hinten wahnsinnig bekannt vorkommt, allerdings weiß ich nicht woher ich ihn kennen sollte. Angestrengt denke ich nach, während ich ihn von hinten regelrecht anstarre. Ich weiß einfach, dass ich diesen Hinterkopf mit den dunkelbraunen Haaren bereits gesehen habe. Aber wo? Endlich schaut er her und mir klappt sogleich die Kinnlade hinunter.

Marc!

Seine blauen Augen funkeln mich, genau wie letztens Stall, eiskalt an. Nachdem ich mich endlich aus meiner Starre gelöst habe deutete ich mich noch einmal zu mir.

„Hallo ihr Zwei! Was kann ich euch denn bringen?“, schreit er mich regelrecht an, um die Musik zu übertönen.

„Machst du uns bitte zwei ‚Sex on the Beach‘?“, schreie ich über den Tresen, Marc nickt nur und macht sich schon daran meine Bestellung zuzubereiten.

Was war das denn? Entweder er hat mich wirklich nicht erkannt, oder er hat mich einfach gekonnt ignoriert. Auch wenn wir nur kurz miteinander geredet haben muss ich zugeben, dass es mich stört, dass er sich nicht mehr an mich erinnert.

Nach nur kurzer Zeit stellt er uns unsere beiden Getränke lächelnd auf den Tresen und es scheint mir fast so, als würde er mich kurz mustern und überlegen, wo er mich einordnen soll. Doch noch bevor ich irgendwas zu ihm sagen kann, wird er bereits wo anders benötig. Etwas beleidigt schaue ich ihm kurz nach, dreh mich dann aber um und reiche Lena ihren Cocktail. Lächelnd stoßen wir an und machen dann einen Schluck. Eins muss man ihm ja wirklich lassen, mixen kann er! Nachdem ich mein Glas wieder auf die Bar gestellt habe stehe ich auf und streiche mir mein Top gerade.

„Lust zu tanzen?“, verwundert drehe ich mich zu dem Typen um, von dem die Frage gekommen ist.

Etwas baff schaue ich direkt in  Nicos Augen, welche mich amüsiert von oben bis unten mustern.

„Was machst du denn hier?“, überrascht gebe ich ihm links und rechts einen Kuss auf die Wange, so wie ich es immer mache, wenn ich jemanden beim Fortgehen treffe, denn ich kenne.

„Ich bin mit ein paar Kumpels da. Ich habe euch beide bereits gesehen, wie ihr die Treppen hinunter gekommen seid, wollte euch aber nicht gleich überrumpeln!“, erklärt er mir mit lauter Stimme und deutet auf die Gruppe Jungs, die auf der anderen Seite der Tanzfläche stehen. Auch Lena dreht sich jetzt zu uns um und begrüßt Nico freundlich. Sie scheint genau so verwundert wie ich zu sein.

„Wow, chic siehst du aus!“ staunt sie und reißt dabei die Augen verblüfft auf. Sie hat recht, Nico sieht klasse aus. So bin ich es gar nicht gewohnt. Obwohl er nur eine normale blaue Jeans an hat, in die er sein weißes Hemd gestreckt hat, macht es wirklich einen komplett anderen Menschen aus ihm. Da fällt mir gleich ein Sprichwort ein, - ‚Kleider machen Leute! ‘

„Also, Lust zu Tanzen?“ – „Gerne doch!“, nehme ich das Angebot, nachdem er mich noch mal gefragt hat, lächelnd an, und reiche ihm meine Hand. Lena zwinkert mir verschmitzt zu und besetzt dann meinen Hocker während ich auf der Tanzfläche die Hüften schwinge.

Da Nico und ich gemeinsam in der Tanzschule waren, harmonieren wir gemeinsam zu ‚Yeah‘ von Usher. Während er mich an der Hüfte hält, die ich elegant kreise, merke ich wie der Kreis um uns beiden immer größer wird. Nach nur kurzer Zeit bin ich mit ihm zu einer Einheit geschmolzen und bekomme die Leute, die sich um uns gereiht haben, kaum mehr mit. Gemeinsam zeigen wir verschiedene Moves, die von den anderen gierig aufgenommen werden.

Als das Lied vorbei ist, gehe ich mit Nico total erledigt wieder zu unseren Platz zurück. Als ich noch nicht ganz am Tresen angekommen bin, entdecke ich hinter Lena, Marc, der mich neugierig zu mustern scheint. Hat er mich etwa die ganze Zeit schon beobachtet? Etwas verlegen streiche ich mir eine verschwitzte Strähne meiner Haare aus dem Gesicht und setze mich dann mit dem Gesicht zu Marc auf einen Hocker. Ohne auch nur einmal zu Blinzeln starrt er mich immer noch an. Ein kalter Schauer rinnt mir über den Rücken, ich versuche aber so gut es geht seinen Blick zu erwidern.

„Damon! Lös mich doch bitte mal ab!“, ruft Marc plötzlich in den kleinen Raum hinter der Bar und ein Typ, der ihm zum verwechseln ähnlich sieht taucht auf. „Ich bin gleich wieder da!“ Mit diesen Worten übergibt er Damon die Verantwortung und verschwindet in die Menschenmenge.

Kaum merkliche schüttle ich meinen Kopf und widme mich dann wieder meinen eigentlichen Freunden.

„Ihr habt echt toll ausgesehen!“, lobt Lena uns beide und bestellt sich dann noch einen Drink. „Ich glaube ich muss auch endlich mal so tanzen lernen, sonst gehe ich neben euch noch total unter!“, lacht sie dann, scheint es aber doch ernst zu meinen.

„Du kannst uns doch einfach mal begleiten, dann lernst du nämlich von den Meistern!“, schmunzle ich und mache noch einen Schluck meines Cocktails.

Plötzlich macht der DJ die Musik aus, gefolgt von einem Raunen der Menge.

„Es scheint als hätten wir heute Abend Glück!“, ertönt es aus den Lautsprechern – „Wir werden jetzt einen Song von unserem Lieblingssänger hören! Hört zu und genießt!“

Gespannt schaue ich auf die Bühne, die komplett im Dunkeln liegt. Ich meine aus den ersten Takten des Songs, das Lied ‚When You Say Nothing At All‘ von Ronan Keating, heraus zu hören und staune nicht schlecht, als plötzlich eine mit bekannte Stimme anfängt, den Text des Songs zu singen. Es hört sich wunderschön an, und als das Licht angeht, erkenn ich Marc, der auf der Bühne steht und singt. Ich bin echt baff und überrascht. Seine Augen schweifen durch die Menge, als würde er jemanden suchen. Die Menge, die im Moment hauptsächlich aus Frauen zu bestehen scheint, schreit hysterisch, als ob auf der Bühne Bruno Mars stehen würde.

 

THE SMILE ON YOUR FACE

LET’S ME KNOW THAT YOU NEED ME.

THERE’S A TRUTH IN YOUR EYES

SAYING YOU’LL NEVER LEAVE ME.

THE TOUCH OF YOUR HAND SAYS YOU’LL CATCH ME WHEREVER I FALL.

THE TOUCH OF YOUR HAND SAYS YOU’LL CATCH ME WHENEVER I FALL.

YOU SAY IT BEST WHEN YOU SAY NOTHING AT ALL.

 

Als er den Refrain singt bleibt sein Blick an mir hängen und mir scheint das Herz stehen zu bleiben. Wie sehr ich es mir auch vornehme, ich schaffe es einfach nicht meinen Blick von ihm zu wenden und erwidere seinen Blick genau so innig, wie er ihn mir zuwirft. Seine Stimme erwärmt mein Herz, wie es bis jetzt noch kein anderer jemals geschafft hat. Der Text scheint bei ihm aus der Tiefe seiner Seele zu kommen, was den Song noch glaubwürdiger rüberbringt.

Er hat seinen Blick bis zum Ende des Songs kein einziges Mal von mir abgewendet, was mich hoffen lässt, dass er sich doch noch an mich erinnern kann.

Nachdem er die letzte Zeile zu Ende gesungen hat, schenkt er mir ein Lächeln, welches ich bis jetzt noch kein einziges bei ihm gesehen habe.

Als die Menschenmasse anfängt wie wild zu klatschen löst er seinen Blick von mir und verlässt die Bühne, ohne ein weiteres Wort zu sagen. Immer noch in seinem Bann gefesselt, schaue ich ihm nach und werde erst von Lena wieder in die Realität zurückgeholt.

„Das nenne ich mal ein Gesangstalent. Was würde ich nur dafür geben, genau so singen zu können!“, murmelt sie verträumt, während sie an ihrem Strohhalm nuckelt.

Ein Grinsen huscht mir übers Gesicht, als ich in ihr verträumtes Gesicht schaue und verdrehte dabei schmunzelnd die Augen.

Hinter mir höre ich ein Räuspern. Nein, bitte lass es nicht schon wieder irgendein Typ sein, der versucht mich an zu graben! Mit einem passenden Spruch auf der Zunge drehte ich mich um, bereit  jedem der hinter mir steht einen Korb zu geben.

„Versuch es –!“, abrupt breche ich meinen Satz ab, als Marc vor mir steht.  Normalerweise passiert mir sowas nie, daher war ich von mir selber etwas überrascht. Er schaut aber auch gut aus in seiner hellblauen Jeans, die ein paar Risse hatte, und seinem weißen Shirt mit V-Ausschnitt.

„Hey, ich bin mir nicht ganz sicher ob du dich an mich erinnern kannst, aber ich denke mal, dass man so einen wie mich nicht so schnell vergisst, oder?“, zwinkert er mich mit einem leichten Lächeln im Gesicht zu und verschränkt seine Arme vor der Brust. Habe ich das gerade richtig verstanden? Ist er wirklich so sehr von sich überzeugt?

„Natürlich, du bist Marc, der Bruder von Caroline!“, erwidere ich so locker wie möglich und streiche mir streng eine Haarsträhne hinter mein Ohr.

„Wow, du hast dir sogar meinen Namen gemerkt, ich bin beeindruckt! Da hast du mir echt einiges voraus, da du mir deinen Namen noch nicht verraten hast!“

„Sich Namen zu merken ist eines meiner vielen Talente, mach dir daher bloß keine Gedanken!“, zwinkere ich ihm verschmitzt zu. „Ich bin übrigens Joice!“

Bei den Worten funkeln seine Augen auf und wie von der Tarantel gestochen scheint er plötzlich nervös zu werden.

„Hat mich echt gefreut dich kennen zu lernen, aber ich muss jetzt wieder weiter arbeiten!“, meint er schnell, mit einer seltsamen kalten Stimme und verschwindet, ohne das ich noch was sagen konnte, hinter der Bar. Verwirrt schaue ich ihm nach. Was sollte das denn?

 

 

~4~

Mit einem Gähnen schlage ich die Spinttür laut zu, nachdem ich meine Sachen nach den Sommerferien wieder eingeordnet habe. Der Montag nach den Ferien ist immer der schlimmste Tag von allen, daher bin ich echt überrascht, als Lena mit einem breiten Grinsen im Gesicht auf mich zu gelaufen kommt.

„Du wirst nicht glauben wem ich grade über den Weg gelaufen bin!“, sprudelt es aus ihr heraus als sich vor mir zum stehen gekommen ist. Allerdings gibt sie mir nicht einmal die Chance ihre eine Antwort zu geben. „Marc Setters!“

Mein Herz macht bei seinem Namen einen kleinen Sprung. Ich hatte ja keine Ahnung, dass er mit uns in die Schule geht.

„Hast du mit ihm geredet?“, frage ich neugierig nach und muss zugeben, dass der Gedanke mir nicht wirklich gefällt.

„Nein, er war irgendwie komisch!“, kurz hält sie inne, bevor sie weiter redet – „Er wirkte so abwesend. Als ob er immer noch von Samstag total fertig wäre.“

Gedankenverloren denke ich an den Abend zurück! Er hatte ja gesagt, dass er wieder arbeiten gehen musste, allerdings habe ich ihn den ganzen restlichen Abend nicht mehr gesehen. Bis jetzt habe ich mir dabei eigentlich nichts gedacht, allerdings kommt es mir jetzt schon komisch vor. Vielleicht hat Lena auch einfach übertrieben.

„Wer weiß wie viel er getrunken hat!“, murmle ich nur und gehe den Gang zum nächsten Klassenzimmer entlang. Lena folgt mir auf Schritt zu Tritt, da wir die selben Kurse besuchen.

Ich setze mich in die letzte Reihe, schlage gelangweilt den Unterrichtsplan auf, um zu sehen, wo ich heute noch hin muss. In dem Moment geht die Tür auf und Mr. Thomson, unser Mathelehrer, komm herein.

„Guten Morgen, meine Damen und Herren! Ich hoffe Sie haben sich in den letzten zwei Monaten wieder gut erholt und startet mit neuer Energie in das bevorstehende Schuljahr.“, begrüßt er uns mit tiefer aber warmer Stimme. Was würde ich nur dafür geben, um genau so motiviert zu sein wie er. Während er die Anwesenheitsliste durchgeht hole ich mein Mathebuch aus meiner Tasche und schlage die erste Seite auf.

Als die Tür plötzlich aufgeht, beginnt die ganze Klasse zu tuscheln. Verwirrt schaue ich auf und staune nicht schlecht, als Mac plötzlich im Türrahmen steht. Er schaut wieder wahnsinnig gut aus mit seiner Jeans und dem weißen Hemd. Seinen Rucksack hat er elegant über eine Schulter gehängt.

„Schön, dass sie sich doch noch dazu entschieden haben den Unterricht zu besuchen, Herr Setters!“, begrüßt Mr. Thomson ihn kalt und deutet ihm sich zu setzen.

Ohne mich auch nur eines Blickes zu würdigen setzt er sich in die zweite Reihe und lässt seinen Rucksack dabei laut auf den Sessel neben sich fallen. Lena hatte recht, es scheint wirklich so, als wäre er mit den Gedanken wo komplett anders.

Nur mühsam kann ich mich auf den Unterricht konzentrieren und bin erleichtert, als es endlich zur Pause läutet. Etwas erschrocken schaue ich Marc nach, der beinahe fluchtartig den Raum verlässt.

Ich weiß nicht warum, aber er macht mich echt neugierig. Normalerweise lässt mich sowas kalt, aber er hat etwas an sich, was mich einfach dazu zwingt mehr über ihn zu erfahren.

„Ich bin gleich wieder da!“, murmle ich kaum verständlich und drücke Lena meine Bücher in die Hand. Mit meiner Tasche um die Schulten eile ich hinter Marc her, der geradewegs aus dem Schulgebäude hinaus stürmt. Ich muss laufen, um ihn ein zu holen.

„Hey! Warte doch bitte mal!“, hör ich mich plötzlich schreien und bereue es gleich wieder ihm gefolgt zu sein, als er sich abrupt umdreht und mich mit kalter Miene von oben herab anstarrt.

„Was gibt’s?“, seine kalte Stimme lässt mich innerlich erzittern, macht mich gleichzeitig aber auch wütend.

„Was es gibt? Du ignorierst mich! Du sagst nicht einmal ‚Hallo‘, wenn wir uns über den Weg laufen!“, knurre ich ihn regelrecht an. Ich mache erschrocken einen Schritt zurück, als er näher kommt und mich mit seinen rotunterlaufenen Augen anschaut. Es scheint fast so, als hätte er was genommen.

„Mädchen! Nur weil ich kurz mit dir geredet habe, heißt dass noch lange nicht, dass wir befreundet sind!“, grinst er mich mit einem eisigen Lächeln an, kramt dabei in seiner Jackentasche herum und holt eine Zigarettenpackung heraus. Ohne auf mich Rücksicht zu nehmen zündet er sich eine an und pustet mir den Rauch direkt ins Gesicht, was mich kurz zum Husten bringt. Als ich mich wieder gefangen habe starre ich ihn genau so kalt an, wie er mich.

„Das habe ich auch niemals behauptet, aber ich wusste nicht, dass man sich nicht mal unterhalten kann!“ – „Bitte mach jetzt keine große Sache draus! Wir haben uns kurz unterhalten, und das war’s auch schon. Nicht mehr und nicht weniger!“, er macht wieder einen Zug von seiner Zigarette, pustet den Rauch jetzt allerdings von mir weg. „Sonst noch was?“

Kaum merklich schüttle ich den Kopf und schaue ihn etwas verletzt an. Wie kann er nur so kalt sein. Es kommt mir fast vor, als hätte ich am Samstag mit einem komplett anderen Typen geredet.

Ohne ein weiteres Wort zu sagen, dreht Marc sich um und stiefelt vom Schulhof. Anscheinend hat er nicht vor den Unterricht heute zu Ende zu führen.

Ich schaue ihm noch kurz nach und mache mich dann wieder auf den Weg zurück ins Gebäude.

„Entschuldigung!“, überrascht drehe ich mich um, als ein mir bekannter Typ hinter mir steht.

„Ja?“, ich weiß, dass ich dieses Gesicht schon mal wo gesehen habe, kann aber nicht herausfinden woher ich ihn kenne.

„Ich hab gesehen, wie du gerade mit meinem Bruder, Marc, geredet hast!“, fängt er gleich an.

„Dein Bruder?“, ich mustere den Jungen von oben bis unten und muss zugeben, dass er ihm wirklich ähnlich schaut.

„Ja, ich bin Damon!“ – „Du warst doch am Samstag auch hinter der Bar, oder?“, plötzlich geht mir ein Licht auf. Er war der Typ, der Marc am Samstag hinter der Bar abgelöst hat.

„Ja genau! Ich habe euch am Samstag miteinander reden gesehen und jetzt auch!“, kurz hält er inne, als müsste er überlegen, wie er weiter reden sollte –„Ich wollte dich eigentlich nur warnen! Am Samstag schien er vielleicht total charmant und freundlich. Aber er kann auch anders!“

„Wie meinst du das?“, frage ich vorsichtig nach und streiche mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

„Er hat so Phasen, da weiß er nicht mehr was er tut!“, versucht er mir zu erklären. „Ich will einfach nur nicht, dass du auf ihn hereinfällst. Ich hatte am Samstag nicht so das Gefühl, dass du wie die anderen Mädchen bist, die so dumm sind und sich von ihm verführen zu lassen.“

„Danke, dass ist echt total lieb von dir, aber mach dir da keine Sorgen! Da ist absolut gar nichts zwischen uns!“, erkläre ich ihm und war selbst davon überrascht wie erst ich das meine. – „Ich muss dann auch mal wieder zurück in den Unterricht!“, verabschiede ich mich von ihm, lächle ihm noch kurz zu und verschwinde dann wieder im Gebäude.

Ich habe das Gefühl, dass ich die Warnung von Damon ernst nehmen sollte. Wenn ich Glück habe laufen wir uns eh nicht mehr so oft über den Weg. Allerdings hatte ich noch nie wirkliche Glück gehabt. Wieso also jetzt?

~5~

Wie jedes Jahr am ersten Schultag, konnten wir bereits nach fünf Unterrichtsstunden gehen. Daheim ziehe ich mich schnell um, da ich um 14 Uhr mit Lena im Stall verabredet bin. Ich konnte Mike gestern noch überreden, mich heute in den Stall zu fahren, da unsere Eltern wieder arbeiten sind und ich ansonsten mit dem Rad fahren müsste.

„Pass bloß auf das du mein Auto nicht komplett ansaust!“, knurrt er genervt, als ich mich neben ihn auf den Sitz fallen lasse.

„Boa ey! Jetzt mach kein großes Drama draus!“, fauch ich ihn an und verdrehe dabei wütend die Augen. Mit quietschenden Reifen fährt Mike, mit seinem Audi A3, die Auffahrt hinunter und ordnet sich im fließenden Verkehr ein.

Nach nicht einmal zehn Minuten sind wir endlich da, ohne ein weiteres Wort zu sagen steige ich aus und schlage die Autotür laut hinter mir zu. Auf dem Weg zu den Stallungen entdecke ich Lenas Fahrrad, welches sie an die Wand gelehnt hat.

„Lena?“, rufe ich laut. – „In Chesterfields Box!“, höre ich sie laut antworten, schiebe die dritte Boxentür auf und lehne mich dann gegen die Wand. Lena ist bereits dabei ihr Pferd zu putzen, welches genüsslich die Augen schließt.

„Ich habe mir gedacht wir gehen ausreiten!“, erklärt sie mir und deutet auf den kühlen Wald, welcher genau neben dem Stallgelände anfängt.

„Hört sich gut an. Ich muss nur noch schnell Cloud fertig machen!“, lächle ich, gehe aus der Box, schnappe mir einen langen Strick und hole mein Pferd aus der Box. Wie jedes Mal binde ich den Hengst in der Stallgasse an und putze ihn. Anschließend hole ich seine Ausrüstung aus der Sattelkammer und mache ihn fertig.

„Wirst du wohl aufhören zu zwicken!“, warne ich ihn, als er beim Nachgurten nach mit zwickt. Das macht er immer, da er an Gurtzwang leidet. Zum Schluss kontrolliere ich noch mal alles, bevor ich ihn aus dem Stall auf den Hof führe und aufsteige. Hinter mir kommt auch Lena aus dem Stall, steigt auf und gurtet, genau wie ich, nochmal nach.

„Können wir los?“ frage ich voller Vorfreude, da ich schon eine Ewigkeit  nicht mehr ausreiten war. – „Natürlich! Lass es uns aber langsam angehen! Ich habe das Gefühl, dass Chester heute lustig sein wird. Er hat mich regelrecht aus der Box gezogen!“, erklärt sich mir, während sie ihm beruhigend den Hals klopft. Ich nicke nur kaum merklich, drücke Cloud sanft die Fersen in die Seite, der sich willig in Bewegung setzt. Beim wegreiten gehen beim Springplatz vorbei, wo gerade Caroline, Marcs Schwester, trainiert. Sie ist wahrscheinlich die beste Reiterin bei uns im Stall und genau so verhält sie sich auch. Hochnäsig galoppiert sie bei uns vorbei, ohne uns eines Blickes zu würdigen. Das liegt wohl in der Familie.

Lena und ich reiten nebeneinander den Weg in den Wald entlang. Im Augenwinkel erkenne ich, dass Chesterfield wie sie es schon vorhergesagt hat, nervös herumtänzelt. Um dem Wallach die Energie zu nehmen, schlage ich vor an zu traben. Und das tun wir dann auch. Gemeinsam traben wir durch den Wald und Chester schnaubt zufrieden ab. Nachdem wir nach einer Weile wieder zum Schritt durchpariert haben scheint Lenas Pferd sichtlich entspannter.

„Bevor ich’s vergesse! Hast du heute Morgen eigentlich noch mit Marc reden können?“, fragt Lena mich nach einer Weile und ich nicke nur kaum merklich.

„Ja, aber es hat sich nicht wirklich was gebracht. Er hat mich bloß angeschnauzt und beleidigt. Wie gesagt, im Moment habe ich echt die Schnauze voll von Männern“, murmle ich genervt und zupfe leicht am linken Zügel, um Cloud davon ab zu halten an einem Baum zu knabbern.

„Ach quatsch! Das wird schon werden!“, versucht sie mich aufzumuntern, was sie allerdings nicht wirklich schafft.

„Was läuft da eigentlich zwischen dir und Nico?“, versuche ich das Thema zu wechseln. „Glaub bloß nicht, dass ich am Samstag nicht mitbekommen habe wie du ihn anhimmelst!“

Als ich ihr ins Gesicht schaue merke ich wie sie rot wird und muss schmunzeln. Ich habe also Recht. Da läuft etwas zwischen den beiden.

„Ja, wir haben uns als mehr unterhalten als sonst!“, winkt sie mit einer lässigen Handbewegung ab und ein Grinsen huscht über ihr Gesicht.

„Also so wie ich das gesehen habe, gefällst du ihm!“, necke ich sie und trabe dann wieder an. Ohne mir eine Antwort zu geben folgt sie mir und galoppiert dann an. Schnell folge ich ihr und Cloud macht einen Freudensprung beim Angaloppieren. Lachend nehme ich die Zügel auf und galoppiere gesittet hinter ihr her.

Nach circa einer Stunde kommen wir verschwitzt im Stall an und das erste was mir auffällt ist Marcs schwarzer BMW, welcher in der Hofeinfahrt steht. Na toll! Nicht einmal hier bleibe ich von ihm verschont. Allerdings erinnere ich mich dann wieder. Er ist wahrscheinlich nur hier um seine Schwester ab zu holen. 

Etwas erleichtert steige ich ab, versorge die Bügel und mache anschließend noch die Schnallen des Zaumzeuges auf. Nach kurzem Überlegen beschließe ich, Cloud noch etwas auf die Koppel zu bringen, damit er sich wälzen konnte. Schnell mache ich den Sattelgurt auf, nehme ihn hinunter und hänge ihn erst einmal vor dem Stall auf einen Pfosten. Nun führe ich den Schwarzen mit dem Zaumzeug zu  den Koppel, die direkt hinter den Stallungen liegen. Vorsichtig führe ich ihn hinein, zäume ihn ab und gebe im einen Liebevollen Klapps auf die Kruppe, als er sich umdreht und mit gesenktem Kopf von mir wegtrottet. Ich schließe das Tor hinter mir, hänge das Zaumzeug an einen Pfosten, setze ich dann auf den Zaun und beobachte Little Cloud, der gerade den Boden nach einen passenden Wälzplatz absucht.

„Joice! Ich muss kurz mit dir reden!“, erschrocken klammer ich mich mit beiden Händen links und rechts von mir im Zaun fest. Ich weiß ganz genau wer hinter mir steht, daher drehe ich mich gar nicht erst um.

„Was gibt’s Marc?“, ich versuche meine Stimme so kalt wie möglich klingen zu lassen, was mir allerdings nicht ganz gelingt.

„Ich will mich für mein Verhalten heute Morgen entschuldigen! Du hast mich einfach zu einem blöden Zeitpunkt erwischt!“, Marc lehnt sich neben mich an den Zaun und folgt meinen Blick zu dem Pferd.

„Okay!“, ich halte kurz inne. – „Und wie denkst soll es jetzt weiter gehen?“, frage ich gereizt nach und schaue ihn von oben herab mit kalter Miene an.

„Wie wäre es, wenn wir von vorne Anfangen und du morgen Abend mit mir Essen gehst?“, fragt er mich mit einem charmanten Lächeln im Gesicht, welchem ich nur schwer widerstehen kann.

Nach kurzem Nachdenken nicke ich kaum merklich. – „Na schön. Hol mich um sieben ab!“

„Ich werde da sein!“, er drückt sich mit beiden Händen vom Balken ab, dreht sich um und geht weg. – „ Ach ja! Zieh dir was Schickes an.“, zwinkert er mir noch mal kurz zu, bevor er in den Stallungen verschwinden.

Hat er mich gerade wirklich nach einem Date gefragt? Ich merke, wie sich ein grinsen über meine Lippen verbreitet und mein Herz ungewollter Weise einen Sprung macht.

Nachdem sich Cloud ausgiebig gewälzt hat, habe ich ihn wieder in die Box gebracht. Meine Sachen habe ich auch schon alle weggeräumt, als Lena auch endlich fertig ist.

„Dann sehen wir uns morgen in der Schule, oder?“, Lena gibt mir noch schnell ein Bussi, setzt sich dann auf ihr Rad und radelt vom Hof. Als ich gerade meinen Vater anrufen will, damit er mich abholt, zwickt Nico mir grinsend in die Seite.

„Was machst du denn hier? Ich dachte du hast heute frei?“, lachte ich als er mich kitzelt und packe mein Handy wieder weg.

„Ich bin gerade am Vorbeifahren gewesen und habe dich gesehen, da wollte ich einfach mal nach dir sehen!“, erklärt er mich mit einem schüchternen Lächeln.

„Total lieb von dir, aber ich wollte gerade meinen Vater anrufen, damit er mich holt!“ – „Ach Quatsch! Du musst doch deinen Vater nicht extra her holen. Ich bring dich nachhause!“, bietet er mir an und deutet auf seinen blauen Geländewagen.

„Danke, das wäre total nett von dir!“, mit einem Grinsen drücke ich ihm einen Kuss auf die Wange und laufe dann voller Übermut zu seinem Auto. Ich nehme auf dem Beifahrersitz platz und mache es mir bequem. Die ganze Autofahrt wechseln wir kein Wort miteinander. Das stört mich aber nicht sonderlich, da ich die Autofahrt lieber schweigend genieße.

Nach kurzer Zeit hält der Wagen vor meinem Haus, ich krame meine Sachen zusammen und lächle Nico dankend an.

„Danke, dass du mich gefahren hast. Ich werde mich auf alle Fälle dafür revanchieren!“, schmunzle ich, gebe ihm wieder einen Kuss auf die Wange und greife dann zu der Türschnalle.

„Joice, warte kurze!“, Nico hält mich sanft am Unterarm fest und zieht mich langsam zurück. Etwas verwirrt mustere ich, da ich nicht weiß, was er will.

„Ja?“, doch ohne mir eine Antwort zu geben, drückt er mir einen sanften Kuss auf die Lippen. Im ersten Moment weiß ich nicht wie ich reagieren soll und lasse es zu. Dann klären sich allerdings meine Gedanken und ich schiebe ihn sanft, aber bestimmt von mir weg.

„Nico! Nicht!“, flüstere ich und schaue beschämt zu Boden. Wieso hat er das gerade gemacht? Er hatte nie irgendwelche Andeutungen mir gegenüber gemacht.

„Joice! Ich muss einfach ständig an dich denken. Am Samstag ist einfach irgendwas passiert, wie wir…!“ – „Stopp! Nein, hör auf! Ich kann das nicht!“, breche ich ihn mitten im Satz ab, reiße die Autotür auf und flüchte regelrecht aus dem Auto. Ohne mich noch einmal umzudrehen verschwinde ich im Haus und knalle hinter mir die Tür zu. Was war denn heute nur mit allen los? Und wie soll ich das nur Lena erklären?

~6~

„Was ist denn heute bloß los mit dir?“, Lena schaut mich misstrauisch an, als wir den Gang zum nächsten Klassenzimmer entlang gehen.

„Mit mir ist gar nichts los! Es ist alles okay!“, entgegne ich etwas genervt, halte meinen Blick aber zu Boden gerichtet. Ich habe Lena nichts von dem Kuss erzählt, ich wüsste nicht wie ich es ihr sagen soll. Ich merke ja immerhin dass sie Gefühle für Nico hat, auch wenn sie es niemals zugeben würde.

„Joice! Ich kenne dich jetzt schon seit sieben Jahren. Glaub mir, ich weiß ganz genau wenn etwas nicht mit dir stimmt!“, erklärt sie mir mit ernster Stimme, als wir uns auf unsere Plätze setzen.

„Mein Gott Lena! Kann man nicht EINMAL schlechte Laune haben, ohne dass du ständig nachhacken musst?“, fauche ich sie an und bereue es gleich wieder. Es ist echt nicht fair meine schlechte Laune an ihr aus zu lassen. – „Tut…Tut mir leid! Ist im Moment alles nur etwas stressig!“ ich werfe ihr einen entschuldigenden Blick zu und sie lächelt mich dann verständnisvoll an.

„Schon okay! Für was hat man denn eine beste Freundin?“ Wie gerne hätte ich ihr jetzt den Zwischenfall, zwischen Nico und mir erzählt, aber ich wusste, dass sie dann total gekränkt wäre. Zum Glück kommt endlich Mrs. McGee, die Geschichtslehrerin, herein und fordert uns alle auf leise zu sein. Ich gehorche ihr in diesem Moment nur zu gerne, schlage meine Mappe auf und versuche mich so gut es geht auf den Unterricht zu konzentrieren. Meine Gedanken schweifen immer wieder zu Nico und Marc ab. Was ist denn in letzter Zeit nur los mit mir?

Als es nach 50 Minuten endlich zur Pause läutet, packe ich schnell meine Sachen zusammen und verschwinde so schnell es geht aus dem Klassenzimmer. Den restlichen Schultag hat Lena zum Glück aufgehört nach zu fragen was denn nun mein Problem sei.

 

Etwas nervös betrachte ich mich am Abend im Spiegel. Eine meiner gelockten Haarsträhnen ringle ich gedankenverloren um meinen linken Zeigefinger. Mein Blick fällt ungeduldig auf die Uhr, die über meiner Tür an der Wand hängt. Es ist kurz vor 19 Uhr, als ich einen Wagen höre, der vor unserem Haus stehen bleibt. Mit klopfenden Herzen laufe ich die Treppen hinunter, als ich höre wie mein Vater die Haustür aufmacht, nachdem Marc geläutet hat.

„Guten Abend Mr. Prentiss! Ich bin hier, um ihr Tochter ab zu holen!“, höre ich Marc sagen und tauche dann ebenfalls im Vorzimmer auf. Aufgeregt stelle ich mich neben meinen Vater, der Marc nicht hinein gebeten hat.

„Dad? Das ist Marc Setters! Wir gehen nur was Essen, ich bleib nicht lange weg!“, beruhige ich meinen Vater, als ich seinen besorgten Gesichtsausdruck mitbekomme.

„Okay, wenn was ist, dann ruf einfach an!“, lächelt Dad schwach und drückt mir einen Kuss auf die Wange.

„Ja klar Dad!“, schmunzle ich, umarme ihn kurz, ziehe dann meine etwas höheren Schuhe an und  gehe mit Marc zu seinem Wagen.

Nachdem ich eingestiegen bin, mich angeschnallt habe und es mir so gut es geht gemütlich gemacht habe, schaue ich Marc neugierig an. Er hat sich, genau so wie ich, chic gemacht, indem er eine schwarze Jeans, mit einem weißen Hemd trägt und darüber noch ein  schwarzes Gilet an hat. Er sieht wirklich verdammt gut aus. Ebenfalls fällt mir auf, dass er ein Parfum trägt. Ein wages Grinsen umspielt mein Gesicht, als ich den Geruch nur zu gut erkenne. One Million, wie ich es liebe!

„Also? Wohin fahren wir?“, frage ich nach einer Weile, als wir die Autobahn entlang fahren. Unauffällig beobachte ich den Zeiger des Tachos, der sich langsam immer mehr nach rechts bewegt. 150km/h! Das ist eindeutig zu schnell, allerdings will ich nicht als Spaßbremse da stehen und halte einfach meinen Mund. 

„Ich lade dich zum Essen ein!“ – „Und wo?“, schmunzle ich, da wir die Großstadt ansteuern. Ich habe eigentlich gedacht, dass wir in unserem Ort wo hin gehen werden.

„Lass dich überraschen!“, grinst er, als er endlich von der Autobahn abfährt. „Du siehst übrigens echt toll aus!“

„Danke sehr! Du aber auch!“, lächle ich schüchtern und spiele nervös mit meinen Fingern. Es scheint fast, als hätte er zwei Gesichter. Einmal ist er der total charmante, nette Kerl von nebenan und am nächsten Tag ist er beleidigend, unfreundlich, einfach nur ein Arsch.

Nach einer halbstündigen Fahrt, parken wir in einer ziemlich Reichen Gegend ein. Ob wir hier wirklich richtig sind? Anscheinend ja! Marc steigt aus und hält mir wie ein Gentleman die Tür auf, damit ich aussteigen kann. Dankend lächle ich ihn an, nehme seine Hand, die er mir hinhält und steige aus. Genau dort, wo er mich berührt beginnt meine Haut zu kribbeln. 

„Das Restaurant ist gleich hier um die Ecke!“, er deutet die Straße entlang und zieht mich am Anfang sanft hinter sich nach, da ich zu nervös bin um alleine zu gehen. – „Entspann dich mein Mädchen!“, lacht er. Es ist ein warmes lachen, welches mir wirkliche die Nervosität nehmen konnte. 

Als wir in das gewünschte Restaurant gehen, staune ich nicht schlecht! Es ist kein 08/15 Restaurant, sondern ganz im Gegenteil. Es ist ein Nobelrestaurant, welches sicher nicht billig ist. Am Ende des Gangs, welcher hinein führt, teilt sich der große Raum in zwei Teile, die nur von einem riesigen Aquarium getrennt werden. Der Boden ist aus Marmor und die Wände zum Garten hin sind komplett verglast. Das Licht ist leicht gedämmt was die Stimmung um einiges romantischer macht. Es war einfach traumhaft schön. 

Noch bevor wir uns einen Tisch suchen müssen kommt der Oberkellner zu uns. Marc sagt ihm seinen Nachnamen! Anscheinend musste man hier reservieren, was er auch getan hat.

„Hier entlang bitte!“, weißt uns der Ober an und führt uns zu unseren Tisch, der direkt am Fenster steht, sodass man eine wunderbare Aussicht in den beleuchteten Garten hat, indem ebenfalls ein Teich ist. 

Marc zieht meinen Sessel etwas zurück und deutet mir mich zu setzen. Ohne lange zu überlegen lasse ich mich auf den Stuhl sinken. Er setzt sich mich gegenüber und mustert mich wieder von oben bis unten.

„Bist du dir sicher, dass wir uns das leisten können?“, frage ich vorsichtig nach, als ich die Speisekarte durchgehe. Kein Schüler ist in der Lage sich hier auch nur eine Suppe zu leisen.

„Lass das mal meine Sorge sein!“, zwinkert er mir zu und winkt den Ober zu uns, der unsere Bestellung aufnimmt.

Nachdem wir uns eine Weile angeschwiegen haben mustere ich ihn und merke dabei, wie er mich die ganze Zeit anstarrt.

„Woher kommt eigentlich der Sinneswandel?“, frage ich ihn nach einer Weile.

„Was genau meinst du damit?“ –„ Einmal bist du der charmanteste Kerl den ich kenne und das nächste Mal kommt es so rüber, als würdest du mich hassen!“, sprudelt es plötzlich aus mir heraus.

„Wie schon gesagt, du hast mich einfach zu einem schlechten Zeitpunkt erwischt!“, winkt er ab, was ich ihm aber nicht wirklich abkaufe, merke aber, dass er nicht weiter auf das Thema eingehen wird. „Wie kommt es eigentlich dass ich dich und deinen Bruder, Damon, bis jetzt noch nie auf unserer Schule gesehen habe?“, schnell versuche ich das Thema zu wechseln.

„Zu aller erst musst du wissen, dass sich meine Eltern vor ein paar Jahren getrennt haben. Damals sind mein Bruder und ich mit unserem Vater mitgegangen, als er in eine andere Stadt gezogen ist. Caroline blieb hier, bei unserer Mutter.“, kurz hält er inne, bevor er weiter redet. – „Mein Vater starb vor der Sommerferien bei einem Autounfall. Damon und mir blieb nichts anderes übrig als wieder hier her zurück zu kommen.“

„Das mit deinem Vater tut mir leid!“, flüstere ich mit erstickter Stimme und weiß nicht genau was ich sagen soll. – „Bereust du es zurück gekommen zu sein?“ erst jetzt fällt mir auf, dass im Hintergrund das Lied ‚Stay‘ von Shakespear’s Sister läuft und ich fühle mich wie in einem kitschigen Liebesfilm. Ich merke, wie sein Blick über meinen Körper wandert und spüre, wie mir ein kalter Schauer über den Rücken huscht. Nach längerem Zögern antwortet er.

„Nein! Jetzt nicht mehr!“ murmelt er mit einem warmen Lächeln im Gesicht, als der Ober mit dem Essen kommt. Er stellt mir die Spagetti hin, die ich mir bestellt habe und Marc bekommt seine Grillspieße. Schweigend beginnen wir zu essen, als Marc plötzlich auf das Thema von vorhin zurückkommt.

„Woher kennst du eigentlich meinen Bruder?“ – „Lena! Lena hat mir erzählt, dass sie sich mal mit ihm unterhalten hat!“, ich weiß nicht wieso ich gelogen habe. Aber die Wahrheit zu erzählen erscheint mir im Moment als keine gute Idee. Ohne weiter nach zu fragen, isst er weiter und auch ich nehme erleichtert einen weiteren Bissen zu mir

Nachdem wir fertig gegessen haben, kommt der Ober, räumt das Geschirr ab und präsentiert uns die Rechnung. Ich schlucke, als ich höre wie teuer das gesamte Essen war. Wie versprochen lädt er mich ein.

"Dein Vater schien vorhin ja ganz schön besorgt zu sein!", lacht Marc nachdem er einen Schluck seines Colas gemacht hat. Auch ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen.

"Ja stimmt! Das liegt wohl daran, dass ich seine einzige Tochter bin und dazu noch die jüngste! Er denkt wohl, dass ich besonderen Schutz brauche."

"Ich pass schon auf dich auf, mein Mädchen!" lächelt er mich wieder warm an, was mich rot werden lässt. Beschämt schaue ich in mein Glas, in welches sich Eistee befindent. 

"Verstehst du dich eigentlich gut mit deiner Schwester? Immerhin holst du sie ja regelmäßig vom Stall ab!" -"Ja schon. Wir hatten jetzt zwar lange keinen Kontakt mehr, aber im Moment verstehen wir uns recht gut. Natürlich gibt es immer wieder mal so kleine Auseinandersetzungen. Aber ich denke das ist ganz normal!"

Oh ja, da hat er recht. Das ist wirklich ganz normal. Zustimmend nicke ich. 

"Ja, du hast recht! Mein Bruder und ich haben gerade so eine Phase, wo wir uns einfach wegen jeder Kleinigkeit in die Haare bekommen. Ist manchmal echt nervig. Vorallem weil ich sehe, wie es meiner Mutter weh tut uns so zu sehen!" seuftse ich und fahre mit meinem Finger gedankenverloren über den Rand meines Gals' 

 

„Danke für den schönen Abend!“, lächle ich freundlich und schaue ihn dann kurz an, bevor ich mich wieder der Straßenbeleuchtung widme. Nachdem wir uns noch angeregt unterhalten haben sitzen wir nun im Auto und machen uns auf den Heimweg. 

„Wie wäre es, wenn wir noch kurz zu mir fahren auf ein Glas Wein? Meine Familie ist heute Abend nicht da, also wären wir alleine!“ bietet er mir an, fährt aber anscheinend bereits dort hin, da wir ansonsten einen anderen Weg entlang gefahren währen. Nervös knete ich meine Finger, da ich nicht weiß was mich bei ihm daheim erwarten wird.

Anscheinend sind wir da! Marc fährt mit seinem Wagen die Einfahrt hinauf und stellt den Motor ab. Wie zuvor hält er mir die Autotür auf und zeigt mir dann den Weg zur Haustür. Nachdem er die diese aufgeschlossen hatte verstehe ich, warum es kein Thema war dieses Restaurant zu bezahlen. Es scheint fast so, als kommt er aus einer reichen Familie. Überall standen irgendwelche Statuen und teuer aussehende Vasen. Der Boden war genau wie in dem Restaurant komplett aus Marmor. 

„Wow, ich habe es mir ganz anders vorgestellt!“, murmle ich dann erstaunt, als ich mich umschaue.

„Wie denn leicht?“, lacht er, geht in die Küche und holt den Wein aus dem Kühlschrank, gießt diesen in zwei Gläser und kommt dann wieder zu mir.

„Ich weiß auch nicht! Anders eben!“, ich wollte nicht sagen, dass ich es mir heruntergekommener vorgestellt habe. Wir setzen uns gemeinsam auf die Couch, das Glas stelle ich auf den Glastisch ab und mustere ihn.

„Lust auf einen Film?“, schlägt er nach kurzer Zeit vor, steht auf und geht zum Regal, in dem etliche DVDs stehen. Ich nicke nur schnell.

„Welchen willst du dir denn anschauen?“ – „Überrasche mich!“, lächle ich verschmitzt und trinke meinen Wein aus um etwas lockerer zu werden. 

„Okay, dann nehmen wie diesen hier!“, lächelt er und reicht mir die Hülle von ‚The Fast and the Furious‘. Es kommt mir vor, als könnte er meine Gedanken lesen. Immerhin ist das einer meiner Lieblingsfilme.

Bevor er sich neben mich setzt, holt er aus der Küche die Weinflasche und schenkt mir noch mal nach. Allerdings habe ich nur ein Problem. Ich vertrage nicht sonderlich viel. Das gebe ich schlauerweise natürlich nicht zu und lasse ihn nur machen. Marc setzt sich dann neben mich und gemeinsam widmen wir unsere Aufmerksamkeit ganz dem Film. Nervös trinke ich ein Glas nach dem anderen und schon nach kurzer Zeit spüre ich, dass ich nicht mehr ganz nüchtern bin. Marc hingegen ist erst beim zweiten Glas, was die nächste Anktion nur verwirrender für mich macht. 

Als ich plötzlich Marcs Hand auf meinem nackten Oberschenkel spüre atme ich scharf die Luft ein. Ich weiß ganz genau, dass wenn ich nüchtern wäre, ich bereits jetzt schon einen Schlussstrich ziehen würde. Im Moment hingegen, gefällt es mir. Mein Blick wandert seinen Körper entlang bis zu seinen Augen. Mir steigt die Gänsehaut auf, als seine Finger über meine Wange streichen und diese regelrecht eine Feuerspur hinterlassen, dabei schließe ich genussvoll die Augen. Kurz darauf spüre ich seine weichen warmen Lippen auf den meinen. Als ich zurückweichen will spüre ich seine Hand in meinem Nacken, die mich sanft zu sich hinunter drückt Als ich seine Zunge an meinen Lippen spüre öffne ich automatisch meinen Mund und begrüße seine Zunge mit der meinen.  Mir entfährt ein quieken als er mich an sich zieht, ich ein Bein über ihn schlinge und nun auf seiner Schoß sitze. Ich spüre wie sich um mich herum alles dreht. Allerdings mache ich keinerlei Anstalten auf u hören. Nun spüre ich seine Hände an meinen Pobacken während meine beiden Hände sein Gilet aufknöpfen. Ohne unseren Kuss zu unterbrechen streiche ich ihm das Ding ab und fahre ihm dann zärtlich durch die Haare. Er fährt mit mir einer Hand unter das Kleid und streicht mir dabei über den Bauch. Schnell versuche ich diesen, mit meinen nicht vorhandenen Bauchmuskeln ein zu ziehen, da ich total kitzlig bin. Mit zittrigen Fingern knöpfe ich sein Hemd auf und fahre dann mit meinen Fingern langsam seine Bauchmuskeln entlang, die nun gut zu erkennen sind. Als ich nun seine warmen Lippen an meinem Hals spüre lege ich meinen Kopf in den Nacken und mein Blick fällt genau auf ein Foto von seinem Bruder. In dem Moment schießt mir die Warnung von ihm wie ein Blitz durch den Kopf. 

„Marc!“, keuche ich, allerdings ohne Gegenreaktion. Er drückt mich nur noch fester an sich. Sanft versuche ich ihn weg zu drücken. –„ Marc! Hör auf!“ meine ich dann bestimmt und kraxle von ihm hinunter. „Ich kann das nicht tut mir leid!“ keuche ich wieder außer Atem.

Schwer atmend lehnt er sich nach hinten und starrt an die Decke. „Jetzt auf einmal?“, murmelt er plötzlich wieder mit kalter Stimme.

„Ich bin nicht so!“, ich merke, dass es keinen Sinn hat jetzt noch mit ihm zu reden, stehe auf und streiche mein verknittertes Kleid glatt.

„Das sah gerade eben noch ganz anders aus!“, knurrt er, steht ebenfalls auf und schaut mich mit seinen tiefblauen Augen an.

„Ich geh jetzt lieber!“, erkläre ich nervös und mache mich auf den Weg zur Tür.

„Wenn du mich jetzt einfach so stehen lässt, dann schwöre ich dir kannst du dich auf was gefasst machen!“ schreit er mir nach. Schnell schlüpfe ich in meine Schuhe und flüchte regelrecht aus dem Haus. Was war denn das jetzt? Wollte er mich etwa wirklich nur flachlegen? Verwirrt fahre ich mir durch die Haare und trete erschöpft den Heimweg an. Das beweist wieder mal, was Alkohol mit mir anstellt.

 

~7~

Müde betrachte ich mich im Spiegel. Es ist Samstag, für alle anderen bedeutet das Wochenende. Für mich hingegen heißt das arbeiten. Neben der Schule helfe ich noch im Café ‚Trauma‘ aus, um mir nebenbei ein bisschen was dazu zu verdienen. Wie alle anderen Mitarbeiter auch muss ich eine Uniform tragen, die aus einem schwarzen Rock und einer hautengen weißen Bluse besteht. Meine Haare habe ich zu einem Zopf zusammen gebunden, damit sie mir nicht ständig ins Gesicht hängen. Das Wochenende war schneller da als ich dachte. Die letzten beiden Schultage sind ungewohnt schnell vergangen. Lena habe ich von dem Zwischenfall mit Nico immer noch nichts erzählt, und auch von meinem Treffen mit Marc weiß sie nichts. Normalerweise weiß sie über alles bescheid, was mich davon abhält ihr diese beiden wichtigen Ereignisse zu erzählen weiß ich selber nicht.

„Schatz? Kommst endlich!“, höre ich meine Mutter von unten rufen, die sich bereit erklärt hat mich jeden Samstag zu fahren. Ich war ihr wirklich dankbar, da ich sonst noch früher aufstehen müsste und ich bin mir nicht sicher, ob ich das schaffen würde. Schnell stolpere ich die Stufen hinunter, ziehe mir meine bequemen Ballerinas an und setze mich in Mom’s Volvo.

Als wir die leere Straße entlang fahren spielt es im Radio den Song, welchen es auch im Restaurant gespielt hat. Meine Gedanken schweifen zu dem Abend zurück, als ich mich mit Marc getroffen habe. Ich dachte, dass er nur zu betrunken war um sich zu beherrschen. Anscheinend hatte er seine Drohung ernst gemeint. Die letzten beiden Tage hat er mich nicht einmal angesehen, geschweige denn mit mir gesprochen. Es ist ihm anscheinend wirklich nur um Sex gegangen. Aber warum verletzt mich das denn so? Immerhin hat mich Damon gewarnt!

„Wie lang musst du heute denn arbeiten?“, reißt mich meine Mutter aus meinen unangenehmen Gedanken und mustert mich von der Seite.

„Um 19 Uhr habe ich Feierabend. Miranda ist auf Urlaub, das heißt ich muss ihre Schicht auch übernehmen!“, murmle ich, ohne Mom dabei an zu sehen.

„Dein Dad und ich gehen heute Abend aus, das heißt wir können dich nicht holen. Entweder du fragst Mike, oder du gehst zu Fuß!“, erklärt sie mir leise und ihre Augen funkeln dabei fröhlich auf. Ich bin froh, dass meine Eltern sich endlich wieder näher kommen. Ich habe schon befürchtet, dass sie sich scheiden lassen wollen.

Ohne sich einzuparken hält meine Mutter den Wagen genau vor dem Eingang, um mich aussteigen zu lassen.

„Danke Mom!“, ich gebe ihr als Dankeschön einen Kuss auf die Wange und steige dann schnell aus dem Wagen aus, da sich hinter uns bereits eine Schlange von Autos bildet.  Der Laden liegt genau auf neben der Hauptstraße. Draußen geht es sehr hektisch zu, drinnen hingegen ist es total gemütlich.

Der Laden war bereits seit einer Stunde geöffnet, daher sind schon ein paar Kunden da und auch meine Arbeitskollegin war bereits seit einer Stunde da.

„Guten Morgen Lisa!“, grüße ich sie freundlich und binde mir eine kurze schwarze Schürze um die Hüfte.

„Guten Morgen?“, lacht Lisa laut auf, wuschelt sich durch ihre kurzen wasserstoffblonden Haare und deutet auf die Wanduhr. – „Ist ist bereits 10 Uhr!“

„Du kennst mich! Für mich ist das noch früh!“ schmunzle ich, hole meinen Notizblock und einen Stift und nehme die Bestellung zweier Kunden auf, die vor ein paar Minuten hineingekommen sind. Hinter dem Tresen richtige ich die gewünschte Bestellung her, die aus zwei Cappuccinos besteht. Gekonnt trage ich diese quer durchs Café.

„Hier hätten wir zwei Cappuccinos!“ lächle ich freundlich als ich sie bei den beiden älteren Frauen abstelle. Mit einem ‚Dankeschön‘ drücken sie mir das Geld in die Hand und bei genauerem Hinschauen erkenne ich, dass sie mir 5€ Trinkgeld gegeben haben.

„Vielen Danke!“, mit einem freundlichen Lächeln entferne ich mich von dem runden Tisch und geselle mich wieder hinter die Bar.

Die Zeit vergeht nur schleppend. Da es draußen sehr heiß ist gehen die meisten Leute ins Freibad, anstatt sich in ein akklimatisiertes Café zu setzen. Einerseits bin ich richtig froh, dass so wenig los ist, andererseits langweile ich mich hier zu Tode. Zum Glück kann ich mir die Zeit mir Lisa vertreiben. Ich erzähle ihr von meiner ersten Schulwoche, von neuen Ereignissen bei uns im  Stall, auch wenn sie keine Reiterin ist und von meinen Problemen mit meinem Bruder. Hin und wieder wird unser Gespräch, durch neue Gäste unterbrochen.

„Joice? Übernimmst du die beiden Burschen auf Tisch 7?“ – „Ja klar!“, schnell krame ich wieder meinen Notizblock aus meiner Bluse, gehe dann mit flotten Schritten auf die beiden Typen zu und komme vor ihnen zu stehen.

„Was kann ich euch denn bringen?!“, murmle ich, ohne von meinem Block auf zu sehen.

„Joice?!“, fragt einer der Jungen nach und ich hebe neugierig meinen Kopf.

Damon!

„Hey, was machst du denn hier?“, lächle ich ihn freundlich an und erkenne dann auch Marc, der mit dem Rücken zu mir sitzt. Meine Stimmung verfinstert sich zusehend. Womit habe ich das nur verdient. Ohne meine Frage zu beantworten schlägt Damon die Speisekarte auf. – „Was könntest du mir denn empfehlen?“

„Die Bananenschnitte ist echt der Hammer!“, schlage ich ihm vor, ohne weiter auf Marc zu achten, der nur gelangweilt auf sein Handy schaut. Auch er ignoriert mich komplett. Kann mir nur Recht sein.

„Okay, dann nehme ich die und ein Cola bitte!“ – „ Für mich auch!“ wirft jetzt auch Marc ein, ohne seinen Blick zu heben. Wütend werfe ich Marc einen finsteren Blick zu bevor ich mich wieder auf den Rückweg mache. Genervt mache ich die Bestellung wieder fertig und bringe sie ihnen nach nur wenigen Minuten an den Tisch.

„Bitteschön!“, charmant lächle ich Damon an, der diesen Blick ebenfalls mit einem freundlichen Grinsen erwidert. – „Vielen Danke!“ Wie erwartet kommt von Marc keine Antwort. Auch wenn ich es wusste, tut es trotzdem weh zu wissen, dass ich ihm so egal bin. Als ich mich umdrehe um wieder zurück zum Tresen zu gehen erhasche ich noch kurz den Blick, den Marc mir zuwirft. Es war allerdings kein freundlicher Blick! Ganz im Gegenteil. Es war fast so, als würde er mich umbringen wollen.

„Die sehen ja mal heiß aus!“, flüstert Lisa mir zu, als sie wieder bei mir war.

„Ja, Damon ist nicht schlecht!“, von Marc will ich gar nicht erst anfangen zu reden.

„Kennst du die beiden etwa?!“ – „Kennen würde ich nicht grade behaupten. Sie gehen lediglich mit mir an dieselbe Schule.“, erkläre ich ihr, an muss grinsen als ich merke, dass wir beide die Burschen gleichzeitig anstarren. Ich bin froh, dass noch mehrere Leute kommen und wir somit keine Zeit zum Reden haben. Allerdings spüre ich immer wieder den Blick der beiden Jungs in meinem Nacken, was mich etwas nervös macht.

„Zahlen bitte!“ erleichtert hole ich die Rechnung der beiden Typen, bringe sie ihnen und kassiere das Geld.

„Danke!“, lächle ich als sie mir Trinkgeld geben. Das Lächeln geht allerdings eher an Damon, da er gezahlt hat.

„Bis Montag dann in der Schule!“, verabschiedet Damon sich, steht auf und klopft seinem Bruder auf die Schuter –„ Komm, Alter!“ fordert er ihn auf. Mürrisch erhebt Marc sich aus seinem Sessel, schaut mich kurz an und verschwindet dann, ohne ein weiteres Wort zu sagen, hinter seinem Bruder aus der Tür. Ich spüre richtig, wie ich mich entspanne als die beiden endlich außer Sicht waren. Zu wissen, dass ich ihn übermorgen schon wieder sehen werde erhellt meine Stimmung nicht sichtlich. 

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Tag der Veröffentlichung: 13.02.2014

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