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Über dieses Buch

Marius Muun ist eine Hexe! Allerdings, mit knapp 1,90 m, seinem starken-bärigen Körper und dem säuberlich gestutzten Bart nicht unbedingt das, was man bei dieser Bezeichnung erwartet.

 

Mit seiner ererbten Gabe des Sehens kann er in die Zukunft Anderer blicken. Doch oft ist diese Gabe mehr Fluch als Segen, denn wer will schon wissen, was der neue Traummann in der Zukunft so treibt?

 

Aber dies rückt plötzlich in den Hintergrund, denn Marius ist auch Teil der Mystischen Welt, die vor der unseren verborgen, von Wesen bevölkert ist, deren Existenz normale Menschen nur aus Märchen oder Kino kennt.

 

Doch das Böse erwacht und eine unbekannte Finsternis zieht herauf, die am Ende beide Welten ins Chaos stürzen könnte.

 

Eine homo-erotische Gay-Romance mit einem Schuss Mystik. Es geht teilweise ziemlich heiß her, daher nur für volljährige Leser geeignet.

 

Alle Rechte liegen beim Autor.

Die vorliegende Fassung ist eine XXL-Leseprobe und beinhaltet die ersten Kapitel der Geschichte.

Prolog

Von “Letzter Ruhe”, so wie es der Name des über die Jahre sehr heruntergekommenen Altenheims versprach, war in dieser Nacht einmal wieder nicht besonders viel zu spüren.

Husten, keuchendes Stöhnen und das ständige über den Flur rennen vor seiner Zimmertür trieben Piedro Vandini fast an den Rand des Wahnsinns. Der steinalte Italiener mit dem zerfurchten Gesicht und der markanten, sichelförmigen Narbe auf der rechten Gesichtshälfte hatte sich hier vor vielen Jahren zur Ruhe gesetzt, um seinen, zugegebenermaßen sehr langen Lebensabend, hier in Frieden vor dem Fernseher und mit einigen Patienten Bridge und Rommé spielend zu verbringen. Doch die Schwestern und Pfleger waren unfreundlich und nervtötend, und die anderen Bewohner der letzten Ruhe waren einfach nur alt und gingen Piedro ebenso auf die Nerven. Das hatte man davon, wenn der Körper verging, aber der Geist so scharf blieb wie bei einem Vierzigjährigen.

 

Piedro war kein gewöhnlicher Mensch und das wurde ihm jedes Mal bewusst, wenn sie wieder eine der nicht sonderlich eleganten Holzkisten aus dem Haus trugen, in der sich jemand befand, den Piedro zumindest flüchtig gekannt hatte. Über die Jahre waren viele gekommen und dann in der Horizontalen auch wieder gegangen. Immer sorgsam verpackt in 15mm dicken Sperrholzkisten.

 

Piedro drehte sich erneut von rechts nach links in seinem zum Glück doch ziemlich bequemen Bett, doch es wollte sich kein Schlaf einstellen. Wie bei vielen alten Menschen und davon konnte sich der gebürtige Italiener nicht ausnehmen, begannen seine Gedanken der weit entfernten Vergangenheit nachzuhängen. Tagen, an denen er noch jung war und es einen Sinn in seinem Leben gab. Tage, die vor knapp 115 Jahren stattfanden, der Zeit, als Piedro ungefähr Zwanzig war.

 

Damals gab es noch reichlich zu tun für die Hexenjäger. Überall in Europa gab es altehrwürdige Hexenfamilien und Zirkel, die es auszulöschen galt. Und Piedro und sein deutscher Kamerad Alois waren regelrecht besessen davon, die dunklen Wesen zu jagen und ihnen den Gar aus zu machen.

 

Das Jagen hielt im wahrsten Sinne des Wortes jung und so konnten die beiden Jäger viele Jahrzehnte wüten und die Welt von den vermeintlich dämonischen Dienern säubern. Nicht, dass sie dabei allein gewesen wären. Ganze Gruppierungen von Jägern dezimierten die unvorsichtigen Hexen und Alois und Piedro gehörten mit zu den Besten ihrer Zunft.

 

Doch das war viele Jahre her. Seit sie die letzte und wohl auch mächtigste der Hexen vernichtet hatten, war es ruhig geworden. Die Reihen der Jäger lichteten sich. Ohne dunkle Kreaturen, die es zu jagen und töten galt, erhielten die Jäger auch keine neuen Kräfte und so wurden sie alt. Die Meisten wählten den Freitod, da sie durch normale Einflüsse nicht sterben konnten. Und weil viele sich mehr dem Jagen verschrieben hatten, als sich um Jägernachwuchs zu kümmern, gingen die Kräfte der Jäger im Laufe der Jahrzehnte verloren. Denn wer brauchte schon Jäger, wenn der Feind, den es zu bekämpfen galt, nicht mehr existent war?

 

Wieder einmal stürzten seine Grübeleien Piedro in die tiefe Sinnkrise, die ihn schon seit Jahren quälte. Was nützte ihm seine Unsterblichkeit, wenn sie sinnlos und unerfüllt war und nur aus Altern und Gebrechlichkeit bestand?

 

“Wer braucht schon noch Jäger?”, fragte Piedro in die Dunkelheit und erschrak, als die Dunkelheit ihm antwortete.

 

“Ohhh Piedro, sei doch nicht so niedergeschlagen. Du bist einer der mächtigsten Jäger, den die Welt je gesehen hat.”

 

Ein eiskalter Schauer lief Piedro über den Rücken. Diese Stimme. Irgendwie kam sie ihm seltsam vertraut vor, als ob er sie schon einmal gehört hätte. Der alte Mann setzte sich in seinem Bett auf. Die merkwürdigen Schlafmittel ließen ihm schwindelig werden und er starrte in die Schatten, die sein Zimmer erfüllten. Kurz war er versucht dem Impuls nachzugeben und die kleine Lampe neben seinem Bett anzuschalten, doch er ließ sie aus.

 

“Wer bist du?”, fragte Piedro in die, für seine gealterten Augen undurchdringliche Schwärze hinein.

 

„Ich bin ein Freund. Ein Freund, der dir sagen will, dass die Dunkelheit wieder in die Stadt zurückgekehrt ist und die Hexen wieder am Werk sind. Die Jäger werden wieder gebraucht. Du wirst wieder gebraucht.“

 

„Aber wir haben sie alle vernichtet und wir sind alt. Ohne die Jagd sind wir nun nur noch alte, unbrauchbare Säcke, die von jeder Hexe mit auch nur einem Fünkchen Macht vernichtet werden können.”

 

Piedro wusste, dass sein momentaner Zustand eine richtige Hexenjagd nicht zulassen würde. Er kam noch nicht einmal ohne seinen Rollator von hier zum Abendessen in den Speisesaal. Doch die Worte des Schattens über die Rückkehr der Hexen hatten ihn aufhorchen lassen, und irgendwie gab ihm allein der Glaube an das Gesagte schon neue Kraft.

 

“Der Fluch ist Vergangenheit. Die letzte der Hexen war nur ein Mythos und dieser Mythos ist nun mit ihr gestorben. Ihr seid wieder frei und könnt erneut der guten Sache dienen. Ihr habt viel zu lange in der Dunkelheit und Unwissenheit vegetiert. Ich, der Urjäger kann den Schleier von euch heben, den die Elende Dämonenhure über euch verhängt hat. Den elenden Fluch, der eure Sinne betrogen hat.”

 

“Fluch? Was für ein Fluch?”, wollte Piedro jetzt ganz genau wissen.

 

“Die letzte ihrer Art hat euch in die Irre geführt und euch mit Blindheit geschlagen. Blindheit für die Hexen und ihr Werk. Der Sieg, den ihr errungen habt, gab es nie!”

 

Piedro war vollkommen erschüttert. Alles, woran er in den letzten dreißig Jahren festgehalten hatte, sollte nur eine Illusion gewesen sein, ein fauler Hexenzauber? Eine erschreckende Erkenntnis keimte in ihm auf. Nicht die Jäger hatten in jener Nacht gesiegt, sondern die Hexen. Er und alle anderen Hexenjäger hatten versagt.

 

“Ihr habt nun eine zweite Chance. Du und Alois.”

 

“Alois Steiner? Was willst du denn von ihm?”

 

“Er ist ebenso ein Jäger wie du. Auch seine Macht wird gebraucht. Du wirst mein Herold sein. Meine ausführende Hand. Wenn ich erst das Blut einer mächtigen Hexe bekommen habe, werde ich wieder in dem Licht erstrahlen, welches dereinst die Jäger geleitet hat, und du wirst mein Diener sein, Piedro Vandini.”

 

Piedro fühlte sich, als ob sein Körper von neuer Kraft erfasst wurde. Seine steifen Finger ließen sich wieder bewegen und auch sein Kreuz, das ihm in den letzten Jahren so viele Beschwerden beschert hatte, richtete sich langsam wieder auf.

 

“Schlage Alois Steiner vor, sich auf dem Südfriedhof umzusehen. Er kann für dich die Drecksarbeit machen. Ich habe andere, wichtigere Pläne für dich Piedro.”

 

Der alte Mann nickte und schwang vorsichtig seine Beine aus dem Bett. Auch diese fühlten sich längst nicht mehr so schwach an, wie sie es noch am Abend zuvor getan hatten.

 

- - -

 

Kühl wehte eine sanfte Frühsommerbrise durch das offene Fenster herein und strich über meine nackte und verschwitzte Haut. Nur ganz entfernt hörte man die hektischen Geräusche der Stadt, das Rauschen des Verkehrs noch weiter entferntes Stimmengewirr. Der Schein von unzähligen Kerzen erhellte das Zimmer und gab dem Raum etwas sehr einladendes und gemütliches. Wild und forderndglitten die Hände von Joe über meinen kräftigen Rücken und zogen dann mit den Fingernägeln feine rote Striemen über meine Haut. Je weiter ich meinen harten Schwanz in ihn hinein trieb, desto lauter stöhnte er unter mir. Joe versuchte seine Beine noch ein wenig weiter zu spreizen, um mir den Platz zu geben, den ich für meinen leidenschaftlichen Fick brauchte. Der dunkelblonde Mann unter mir verdrehte die Augen, als ich mit meiner harten Eichel diesen ganz besonderen Punkt in ihm passierte. Den Punkt, der seine Leidenschaft ins Unermessliche steigen ließ, und seinen Arsch dazu brachte, wie wild zu zucken. Diese zusätzliche Stimulation meiner prallen Männlichkeit entlockte auch mir ein tiefes Stöhnen und gab mir die Kraft, auch noch die restlichen Zentimeter in ihn hinein zu schieben.

 

Da mein Schwanz zur Wurzel hin noch einmal an Umfang zunahm, wusste ich, dass ich Joe an seine Grenzen brachte. Doch ich liebte es. Sein glasiger Blick, seine leicht in Falten gelegte Stirn, wenn er versuchte, den bittersüßen Schmerz zu ignorieren, den die Dicke meines Riemens jedesmalin ihm auslöste. Auch wenn ich längenmäßig mit Sicherheit eher durchschnittlich war, so konnte ich doch von der Dicke her punkten. Die Männer die ich bisher genommen hatte, beschwerten sich immer nur gespielt, wenn ich ihre Hintereingänge heftig dehnte.

 

Ich gab meinem Liebsten ein paar Augenblicke Zeit, sich wieder an meinen Schwanz zu gewöhnen. Irgendwie brauchte er das immer wieder, denn auch wenn ich Joe mit sehr großer Regelmäßigkeit an den Freuden meines Schwanzes teilhaben ließ, so war er doch fast jedes Mal eng wie beim ersten Mal. Das konnte daran liegen, dass er, ganz im Gegensatz zu mir, große Teile seiner Freizeit im Fitnessstudio verbrachte und zu dem gut definierten Körper auch einen entsprechend knackigen Hintern vorzuweisen hatte.

 

Nachdem Joe sich auf meinem Rücken verewigt hatte, legte er Hand an meine haarige Brust und begann sich an meinen harten Nippeln zu schaffen zu machen. Er wusste genau, dass ich darauf stand, während des Fickens meine Brustwarzen bearbeitet zu bekommen. Also nutzte er eine Hand um meine linke gepiercte Warze zu malträtieren, mit der anderen kraulte er durch mein dunkles Brustfell und streichelte sanft über das schwarze Triskelen-Tattoo.

 

“Uuunghhh Marius, bitte, lass mich nicht so lange zappeln und fick mich endlich!”, krächzte er heiser und voller Gier in der Stimme.

 

Ich lächelte Joe von oben herab an und zog meine Hüfte etwas nach hinten, was auch meinen Schwanz ein wenig aus ihm herausgleiten ließ. Erwartungsvoll schloss er die Augen, biss die Zähne zusammen und erwartete meinen ersten harten Stoß.

 

Mit aller Kraft, die ich hatte, ließ ich mein Becken nach vorne schnellen und rammte mich tief in den knackigen, engen Arsch. Er bäumte sich auf und ich legte meine Hand auf seine Brust, um ihn auf dem Bett zu halten, dann setzte es den nächsten harten Stoß, der wieder seinen gesamten Körper erbeben ließ und ihm die Luft aus den Lungen presste.

 

Außer einem dumpfen “Unnngh” aus Joes Kehle und dem klatschenden Geräusch unserer aufeinander treffenden Körper war zunächst nichts zu hören. Joe versuchte mit aller Macht leise zu sein, doch das gelang ihm nicht lange. Mein Rhythmus wurde immer schneller und ich verlor im Laufe der Minuten nichts von meiner Schwungkraft. Immer wieder und wieder dehnte mein dicker Schwanz sein Loch bis aufs äußerste und ich hatte manches Mal das Gefühl, dass die kleine Sau ihren Arsch absichtlich etwas zusammenzog, um es noch geiler für mich zu machen.

 

Ich liebte Joe und das wurde mir in diesem Moment mal wieder mit jeder Faser meines Körpers bewusst. Auch wenn wir schon ein Jahr zusammen waren, so hatte sich zumindest unser Sexleben kaum verändert. Es war noch immer so intensiv und ekstatisch wie zu Beginn unserer Beziehung. Nur der Alltag hatte uns nach Monaten nun doch eingeholt und wir sahen uns leider weniger als wir beide es gerne gehabt hätten.

 

Aber in diesen Momenten, in den Momenten, in denen er ganz mir und ich ganz ihm gehörte, da wusste ich, dass zwischen uns noch alles in Ordnung war. Wenn Joe sich unter mir ins Laken krallte und ich ihn mit den kräftigen Bewegungen meines haarigen Arschs immer näher an den Punkt brachte, an dem jeder Mensch wohl gerne eine Ewigkeit verweilen würde. Dem sprichwörtlichen Sinn des Lebens.

 

Doch so wie es heute war, schien es mir sogar noch intensiver als sonst. Das mochte daran liegen, dass wir heute Jahrestag hatten oder aber an der Tatsache, dass wir mein ganz besonderes Jahrestagsgeschenk benutzten.

 

Ich wusste, dass Joe dem Mystischen sehr zugetan war und es liebte, wenn ich in meinem “Labor” etwas für ihn herstellte. Auch wenn dies weit seltener vorkam, als es meine Großmutter wahrscheinlich gesehen hätte. Dieses Mal war dabei ein Elixier heraus gekommen, welches seinem Arsch noch mehr Feuer gab, als er ohnehin schon besaß, und das meinem Schwanz zu zusätzlicher Härte verhalf.

 

Nicht nur er steuerte auf einen unabwendbaren Orgasmus zu, sondern auch ich würde mich bald nicht mehr beherrschen können. Auch wenn ich es sonst eher langsam angehen ließ und das Liebesspiel durchaus einmal zwei bis drei Stunden dauern konnte, so war ich heute Nacht doch so erregt, dass mich auch meine Lust bald explodieren lassen würde.

 

Joe war der erste, der es nicht mehr aushielt. Er hielt sich an meinem Arsch fest und versuchte mich noch tiefer in sich hinein zu drücken, während er wild stöhnte und die Augen zusammenpresste. Ich spürte, wie Joes Körper von innen anfing zu glühen und ihn eine unglaubliche Hitze erfasste. Das Elixier entfaltete seine volle Wirkung und ließ meinen willigen Liebhaber wimmern und stöhnen.

 

Nur noch einige harte Stöße in die Hitze seines Lochs waren notwendig, um ihn über die Grenze zu bringen. Er drückte sich meiner Hand entgegen, die noch immer auf seiner Brust ruhte und seinen rasenden Herzschlag unter den Fingerspitzen fühlte. Doch auch dieses Mal ließ ich ihn nicht hochkommen.

 

“Marius … ich… unnngh…“, versuchte er sich zu artikulieren, doch dann kam kein Ton mehr aus seiner Kehle, als ein heftiger Orgasmus ihn erfasste und seinen ganzen Körper schüttelte.

 

Ohne dass Joe sich auch nur berührt hätte, begann sein steifer Schwanz, der die ganze Zeit zwischen uns aufragte, den heißen Liebessaft herauszuschießen und ihn zwischen uns zu verteilen. Schub um Schub seines Spermas klatschte auf seinen wild zuckenden Körper und blieb auch in meinem Bauch- und Brusthaar kleben.

 

Sein Hintern, welcher ebenso unkontrolliert zuckte wie sein Schwanz, begann meinen Riemen zu melken und ich war kaum noch in der Lage, meine harten und fordernden Bewegungen fortzusetzen, denn das Krampfen seines Lochs war ein dermaßen geiles Gefühl, dass auch ich kurz davor war, loszulassen und zu kommen.

 

In mir bahnte sich der mächtigste Orgasmus an, den ich seit langer Zeit hatte erleben dürfen. Ich spürte, wie es in meinen Lenden zu ziehen begann und sich meine Eier langsam an meinen Körper heranzogen, um bereit zu sein, meinen Liebessaft tief in Joe hineinzujagen.

 

Doch dann geschah verdammt noch mal das, wovor ich in den ganzen zwölf Monaten unserer Beziehung Angst gehabt hatte. Es begann wie immer mit einem Kribbeln in meinen Schläfen, das sich dann rasend schnell auf meinen ganzen Körper ausweitete. Meine Hände begannen leicht zu zittern und ich spürte, wie ich langsam aber sicher, nicht nur in Joe kam, sondern auch in ihn eindrang.

 

Das mochte jetzt vielleicht merkwürdig klingen, da ich ja bereits bis zu den Eiern in ihm steckte, doch dieses Eindringen war ganz anderer Natur und überhaupt nicht angenehm.

 

Ich ergoss mich in ihn und spürte, wie sein überfülltes Loch einiges meines Spermas nicht mehr fassen konnte und es neben meinem Schwanz heraus lief. Joe stöhnte unter mir, vergrub seine Finger in meinen Arschbacken und wollte mich noch näher bei sich haben. Doch ein ganz anderes, unangenehmes Gefühl verdrängte diesen wunderbaren Moment.

 

Ich ließ mich schwer auf Joe sinken. Ich wusste, dass er es liebte, mich vollkommen auf sich zu spüren. Doch ich tat es nicht, um ihm ganz nah zu sein, sondern damit er nicht sah, was mit mir geschah.

 

Meinen Kopf ganz in seine Halsbeuge gepresst umarmte ich ihn und versuchte mich so weit zu beruhigen, wie es nur möglich war, um dem Drohenden zu entgehen, doch es war zu spät.

 

Meine Augen glimmten auf und wie ich wusste, erstrahlten sie nun in einem überirdischen Eisblau, welches jeden, der farbige Kontaktlinsen trug, vor Neid hätte erblassen lassen. Ich war mir nicht ganz sicher, aber ich denke, meine Augen haben in diesen Momenten sogar regelrecht geleuchtet.

 

Ich sah zunächst nichts mehr nur noch weiß und eisiges Blau, welches mein Sichtfeld erfüllte. Nur langsam wurden Konturen sichtbar und nach wenigen Augenblicken verschwand das grelle Farbenspiel und ich fand mich in unserem Schlafzimmer wieder. Es war Nacht. Doch nicht die Nacht, die wir gerade so heiß und innig erlebt hatten, sondern eine, die in der Zukunft lag. In Joes Zukunft!

 

Ich stand mitten im Zimmer und wurde Zeuge, wie sich Joe unter einem sich heftig bewegenden Körper wand und immer wieder und wieder einen Namen stöhnte: “Max! Max!”, wurde es aus ihm herausgepresst. Der Kerl auf ihm war nicht ich! Und das machte mich fassungslos.

 

Ich wusste, dass diese Visionen alles kaputt machen konnten und hasste sie dafür, doch in diesem Moment spürte ich nur eines: das Zerbrechen meines Herzens, als ich Joe immer wieder diesen Namen stöhnen hörte.

 

Ich zwang mich den Blick von der Szene abzuwenden und versuchte einen Anhaltspunkt zu finden, wann dieses Ereignis geschehen würde, doch außer den LED-Zahlen auf dem Wecker, die 01:43 Uhr verkündeten, gab es nichts in diesem Raum, was mir ein Datum verraten hätte. Ich ging leise zum Fenster. Nicht, dass man mich hier, während einer Vision sehen könnte, dennoch verhielt ich mich wie ein Einbrecher. Leise und unauffällig. Wenn das bei meiner Statur und Größe denn überhaupt möglich war. Ein Blick aus dem Fenster ließ eine vage Vermutung zu, denn die Bäume hatten keine Blätter an den Ästen und momentan war Sommer.

 

So plötzlich wie sie gekommen war, verschwand die Vision auch wieder und ließ mich vollkommen verwirrt zurück. Nachdem ich wieder durch das strahlende Blau geblendet wurde und meine Sinne ins Hier und Jetzt zurückkehrten, hörte ich Joe schon leise in mein Ohr flüstern:

„Hey, Marius. Bist du etwa schon eingeschlafen?”

 

“Nein, nein”, murmelte ich immer noch etwas benommen und richtete mich zwischen Joes Beinen auf, die er noch immer um meinen Körper geschlungen hatte. Langsam und sanft zog ich mich aus ihm zurück und richtete mich auf. Leichter Schwindel erfasste mich und ich hielt mich kurz am hölzernen Bettpfosten fest, um wieder klar zu kommen.

 

“Ich bin gleich wieder da”, sagte ich, bevor ich nach nebenan ins Badezimmer verschwand.

 

Erst als ich die Tür geschlossen hatte und ich mich auf dem kalten Material des Waschbeckens abstützte konnte ich langsam wieder klar denken. Meine im normalen Zustand schon sehr hellblauen Augen nahmen langsam wieder ihre herkömmliche Färbung an. Ich schaufelte mir mit den Händen mehrmals kaltes Wasser ins Gesicht und starrte dann mein Spiegelbild mit einer Mischung aus Abscheu und Verwirrung an. Mein pechschwarzes, kurzes Haar stand in alle Richtungen ab. Ich strich mir die Wassertropfen aus dem ebenso dunklen Bart und fuhr mir über die üüüig behaarte Brust, um auch hier die glitzernden Wasserperlen abzuwischen.

 

Was tat ich hier eigentlich? Ich hatte gehofft, die Kontrolle zu behalten, doch mein Erbe, das zweite Gesicht, so wie meine sehr wissende Großmutter es immer genannt hatte, ließ sich nicht immer vollständig kontrollieren. Besonders in solchen ekstatischen Momenten konnte ich für nichts mehr garantieren.

 

Andere würden mich bestimmt um diese Kräfte beneiden, doch für mich waren sie seit jeher eher eine Bürde als ein Geschenk. Etwas, das wie ein hässliches Mal über mir schwebte und mir das Leben schon so oft vermiest hatte. Wenn ich in diesem Moment eine Wahl gehabt hätte, würde ich meine Macht des Sehens liebend gerne an jemand anderes abtreten. Jemanden, der damit etwas anfangen konnte. Doch sein Familienerbe konnte man sich nun einmal nicht aussuchen.

 

Ich kehrte gedanklich wieder in meine Vision zurück. Mein heiß geliebter Joe mit einem anderen Kerl! Einem Max! Da meine Visionen bisher noch nie weiter als ein Jahr in die Zukunft reichten, war ich mir sicher, dass es sich um den kommenden Herbst oder Winter handeln musste. Entweder war Joe mir schon untreu oder aber er würde es werden. Vielleicht hatten wir uns aber auch schon vor dem Zeitpunkt der Vision getrennt? Nein. Warum sollte Joe es dann in meiner Wohnung und in meinem Bett treiben?

 

Was sollte ich jetzt tun? Ich hatte gerade den genialsten Sex gehabt, den Mannsich nur wünschen konnte. Sollte ich jetzt da raus gehen und es beenden? An unserem Jahrestag? Das konnte ich nicht bringen, oder doch?

 

Es klopfte zaghaft. “Alles in Ordnung bei dir, Marius?”, fragte Joe sanft durch die geschlossene Badezimmertür.

 

Nichts war in Ordnung, doch ich hatte nicht vor, meinem Partner jetzt von den Visionen zu erzählen, die ihn quälten. Ich konnte es nicht. Auch wenn Joe gerne mal über Mystisches und Übernatürliches sprach, so kannte ich ihn mittlerweile ziemlich gut. “Wahre Magie”, wie man sie aus dem Kino kannte, gehörte ins Reich der Fantasie, und Joe würde mich für verrückt erklären, wenn ich jetzt mit “besonderen Kräften” anfing.

 

Als ich nach wenigen Minuten die Tür öffnete und ich Joe gegenüber trat, wusste ich genau, dass dies das Ende unserer Beziehung sein würde. Lieber jetzt als später.

Kapitel 1

“Mein Name ist Marius Muun und ich habe besondere Fähigkeiten.” So würde es wohl heißen, wenn ich mich mal in einer Selbsthilfegruppe vorstellen müsste.

 

Ich hatte Visionen von möglichen Ereignissen in der Zukunft anderer Personen. Dazu musste ich nichts weiter tun, als diese Person zu berühren. Geerbt hatte ich diese und einige andere Kräfte von meiner Mutter, die eine Hexe war. Eben dieser Umstand machte mich, einen knapp ein Meter neunzig großen 29 jährigen, bärigen Kerl auch zu einer Hexe.Nicht das typische Bild der alten Frau mit der Warze auf der Nase, so wie sie in diversen Märchenbüchern zu finden war. Wir Hexen waren ein ganz eigenes Völkchen, quasi der Homo Mystica, wie es ein Hexenjäger im späten fünfzehnten Jahrhundert einmal ausgedrückt hatte.

 

Nicht, dass ich mir den Umstand ein magisch begabtes Wesen zu sein gewünscht hätte. Doch da ich der drittgeborene Sohn meiner Mutter war, wurde die Gabe zwangsweise an mich weitergegeben. Normalerweise wurden Fähigkeiten, die das machtvollste Gut der letzten wahren Hexen darstellten, nur an die weiblichen Nachkommen vererbt, doch wenn eine Hexe einen Jungen zur Welt brachte, so behielt sie ihre Kräfte weiterhin. So geschah es auch, wenn das zweite Kind als Junge das Licht der Welt erblickte. Nur beim Drittgeborenen machte das Universum dann keine Ausnahme mehr und auch ein männlicher Nachkomme erhielt die Kräfte.

 

Ich war eben solch ein Drittgeborener, der noch zwei ältere Halbbrüder namens Cedrik und Vincent aufweisen konnte. Meine Mutter hatte versucht, mit verschiedenen Männern zum Ziel zu gelangen, doch keiner der beiden hatte ihr eine Tochter geschenkt. Mein leiblicher Vater, den ich allerdings nie kennen gelernt hatte, konnte ihr diesen Wunsch ganz offensichtlich auch nicht erfüllen.

 

Meine beiden Brüder waren, was magische Begabungen anging, leer ausgegangen und hatten auch gar kein Interesse an den Lehren unserer Familie. Nur ich konnte mich dem ganzen Thema der Magie und Hexerei, den Tränken, Runen und Schutzzaubern nicht entziehen.

 

Weil meine Mutter Marika so gar kein Interesse an mir zeigte, da ich ihr anscheinend immer vor Augen führte, dass sie nicht einmal in der Lage gewesen war, ein Mädchen auf die Welt zu bringen, nahm meine Großmutter Evelin mich auf und brachte mir während meiner Kindheit vieles bei.

 

Natürlich war es für mich damals als kleiner Junge das Größte, den Geschichten von Feen, Elfen und Naturgeistern zu lauschen und sich mit Kräutern und deren Kräften auseinanderzusetzen, doch je älter ich wurde, desto häufiger galt mein Interesse anderen, eher weltlichen Dingen. Meine Schule rückte in den Vordergrund. Freunde und Kumpel waren wichtiger als das tausendste Rezept für irgendein Elixier.

 

Und dann begannen die Visionen. Als bei mir die Pubertät einsetzte, kamen nicht nur die körperlichen und geistigen Veränderungen auf mich zu, die mich von einem kleinen dunkelhaarigen Engel, wie mich meine Oma immer nannte, zu diesem großen, haarigen Kerl gemacht hatten, auch meine besonderen Kräfte erwachten.

 

Wie alle Vorfahren aus der Familie Muun war die ausgeprägteste Gabe das zweite Gesicht. Wir konnten durch bloße Berührung in die Zukunft der Menschen sehen und wichtige, kommende Ereignisse in ihrem Leben vorhersagen. Andere Hexenfamilien hatten ganz andere Kräfte, wie zum Beispiel die Kontrolle über Feuer oder das so genannte Blinzeln, mit dem man sich in Sekundenbruchteilen durch den Raum bewegen konnte.

 

Leider fand ich meine eigene Kraft mehr als unnütz. Da ich nicht vorhatte mit Kopftuch und einem bunt angemalten Bauwagen auf irgendeinem Jahrmarkt zu hocken und den Leuten aus der Hand zu lesen, war die Kraft für mich vollkommen ungeeignet.

 

Mit den Jahren schaffte ich es zwar, meine Gabe so weit zu kontrollieren, um nicht bei jedem, der mich auch nur leicht anrempelte, gleich Einblicke in seine wie auch immer geartete Zukunft zu erhalten, doch in Momenten, in denen ich nervös oder sehr erregt war, passierte es unwillkürlich und ohne dass ich mich dagegen wehren konnte.

 

Besonders hinderlich waren solche Kräfte, wenn man wie ich auf der Suche nach dem Mann fürs Leben war. Auch wenn ich mit meinem Schwulsein schon früh recht offen umging, so behielt ich das Geheimnis meiner Kräfte aus weiser Voraussicht immer für mich. Vielleicht war es nur Aberglaube oder auch eine tiefsitzende Furcht vor Entdeckung, die noch aus den grauen Vorzeiten herrührt, in denen die Leute meiner “Art” verfolgt und getötet wurden. Soweit kam es in unserer offenen Zeit bestimmt nicht mehr, fanatische “Hexenjäger”sollte es aber noch immer geben und sie warteten im Verborgenen auf eine Gelegenheit, einer unvorsichtigen Hexe das Handwerk zu legen.

 

- - -

 

Ich saß in dem kleinen, angesagten Café in der überfüllten und gerade zur Mittagszeit sehr überlaufenen Innenstadt und hatte meinen mittlerweile leeren Milchkaffee vor mir stehen. Mein Smartphone vibrierte ab und zu, doch ich beachtete es kaum. Ich hatte Mittagspause und wollte mir diese nicht durch diverse Nachrichten meines Chefs vermiesen lassen.

 

Ich beobachtete nicht, wie man meinen könnte, die Leute, die draußen vorbei eilten, sondern schaute den kleinen Rinnsalen der Regentropfen zu, die vor mir an der Glasscheibe herabliefen. Es war mittlerweile Herbst geworden. Die Trennung von Joe war mir zwar mehr als schwer gefallen, doch es blieb mir nun nichts anderes übrig, als nach vorne zu schauen. Wie ich wenige Tage nach meiner Vision erfuhr, war der große Max aus der Vision ein Bekannter von Joe aus dem Fitnessstudio. Kurz nach der Trennung und endlos scheinenden, durchheulten Nächten, traf ich die beiden in der Stadt. Mittlerweile waren sie ein Paar und irgendwie gönnte ich ihnen ihr Glück, auch wenn mich oft der Neid erfasste.

 

An regnerischen Tagen wie diesen jedoch, die mir momentan so unglaublich auf die Stimmung drückten, wanderten meine Gedanken immer öfter zurück zu den vielen Beziehungen, die ich auf Grund von diversen Visionen beendet hatte. Nur eine Frage ließ mich immer wieder aufs Neue in Grübeleien versinken. Wie konnte man jemanden für etwas verurteilen, das er noch gar nicht getan hatte? Und wäre das, was ich in der Vision sah überhaupt eingetroffen, wenn ich diesen kurzen Einblick in die Zukunft nicht gehabt hätte? Das Ganze war unglaublich paradox und ich hatte schon öfter das Gefühl von der Selbsterfüllenden-Prophezeiung, die nur eintraf, weil man daran glaubte. Genau wegen dieser Zwiespälte versuchte ich die Visionen generell zu unterdrücken und meinem Erbe einfach nicht mehr nachzugeben. Für gewöhnlich funktionierte das auch ganz gut.

 

Meine Gedanken wanderten zu meinem ersten Mal zurück, welches ich mit Frederik hatte. Er war mein erster Kerl und dazu noch der große arrogante Macker an meiner ehemaligen Schule. Zwei Jahrgänge über mir und ein absoluter Rüpel. Wie er immer so sagte, hasste er Schwuchteln, und ich war heil froh, dass ich trotz meiner Neigung immer männlich wirkte und nichts tuckiges an mir hatte. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund schien mich Frederik zu respektieren und es kam nur selten zu den sonst üblichen, fiesen Sprüchen, die Fred für die Jüngeren sonst übrig hatte.

 

Es geschah an einem Nachmittag beim örtlichen Fußballverein. Ich hatte mich dort eintragen lassen, weil ich dazu gehören wollte. Auch wenn mir das Bolzen über den Platz eigentlich keinen Spaß machte, so wollte ich Teil der “normalen” Jungs sein.

 

Es war das wichtigste Spiel der Saison und es ging um Alles. Das große Finale einer langen und anstrengenden Trainings-Saison mit viel Auf und Ab. Entgegen meiner eigenen Befürchtungen war ich im Fußball doch begabter, als ich es mir selbst eingestehen wollte, und mittlerweile ziemlich beliebt bei meinen Teamkameraden. Doch da gab es immer einen, der alle übertrumpfen musste: Frederic.

“Nun schieß doch den Ball endlich hier rüber!”, brüllte er über den Platz und wartete auf meinen Pass. Ich trieb den Ball vor mir her und schoss. Frederik verwandelte den Pass in einen Treffer und das Team war überglücklich. Beim Schlusspfiff hatte es der große Frederik wieder einmal geschafft. Wie eingebildet er jetzt wieder daher kam. Als hätte er allein gespielt. Wie ich dieses Getue hasste. Arroganz und Überheblichkeit waren die Eigenschaften, die ich am wenigsten schätzte, ob nun bei Mystischen oder bei Menschen.

 

“Na, denen habe ich es aber ganz schön gezeigt”, stellte Frederik fest, als er kurz nach der Pokalverleihung mit dem Team und mir in der Umkleide stand und anfangen wollte zu prahlen, als hätte er die gegnerische Mannschaft im Alleingang besiegt.

 

“Wir”, sagte ich stumpf, während ich mir mein Shirt und die Sporthose auszog.

 

“Was?”

 

“Es heißt WIR, du arroganter Affenarsch! Du bist doch nicht allein im Team. Wann merkst du es endlich?”, platzte es aus mir heraus und meine über Wochen angestaute Wut über ihn machte sich endlich Luft.

 

Fred, der es so gar nicht gewohnt war, dass ihm irgendwer mal die ehrliche Meinung sagte, war wie vor den Kopf gestoßen.

 

“Du hast ja 'nen Arsch in der Hose, Muun. Hätte ich nicht für möglich gehalten”, sagte er herausfordernd und wandte sich mir zu.

 

Ich musste schlucken und spürte meine Wut langsam in mir hochkochen.

 

“Geh’ verdammt noch mal Tennis spielen, wenn du unbedingt den ganzen Ruhm für dich alleine einheimsen willst!”, brüllte ich schon fast und stand ganz dicht, fast Nase an Nase vor Frederik, der große Augen machte.

 

Dem großen Teenager wurde es wohl etwas zu eng, denn er stieß mich an den Schultern zurück. Durch die Aufregung und Wut konnte ich meine Gabe nicht kontrollieren und während sich mein Geist in eine Vision verabschiedete, taumelte mein Körper nach hinten und verlor die Balance.

 

Gleich hinter dem grellen Licht, welches mich blendete, stand ich wieder in der Umkleide. Zwischen dreckigen Trikots und Handtüchern, die wohl als Polsterung dienten, wälzten Frederik und ich uns über den gefliesten Fußboden. Zunächst schlussfolgerte ich, dass wir uns wohl heftig prügelten, dann stellte ich allerdings mit Entsetzen fest, dass wir genau das Gegenteil taten und wir beide unten herum vollkommen nackt waren.

 

Irgendwann lag ich unter Frederik und er drückte meine Handgelenke auf den Boden, während er mir einen leidenschaftlichen Kuss aufdrückte.

 

“Darauf habe ich gewartet, seit ich deinen kleinen knackigen Hintern zum ersten Mal in der Schule gesehen habe”, sagte Fred, als sich unsere Münder wieder voneinander getrennt hatten und er meine Beine nach oben auf seine Schultern hob.

 

“Bitte sei vorsichtig. Du bist mein Erster”, sagte mein zukünftiges Ich mit leicht ängstlicher Stimme und ich beobachtete mich dabei, wie ich die Augen zusammenkniff und Frederiks Eindringen entgegenfieberte.

 

Der bullige Stürmer unseres Teams strich mir über die Brust und lächelte mich an. “Ich werde ganz behutsam sein.”

 

Und während er sich langsam in mir versenkte und ich in den siebten Himmel befördert wurde, begann sich ein sehr schmerzhaftes Pochen in meinem Schädel auszubreiten und die Vision verging wieder in gleißendem Licht.

 

Als meine Sinne langsam wieder zurückkehrten war ich nicht mehr in der Umkleide des Vereinsheims, sondern lag in einem Krankenhausbett. Mein Kopf war mit einem dicken Verband eingewickelt und mein Schädel brummte. Ich musste mir den Kopf angestoßen haben, als ich in die Vision hinübergeglitten war.

 

Auf der anderen Seite des Zimmers stand Fred und murmelte etwas vor sich hin, während er aus dem Fenster schaute. Es war draußen bereits dunkel und er trug noch immer das Fußballtrikot.

 

“Es tut mir so unendlich leid, Marius. Nein. Hmmm … Das klingt doof. Ach Mensch. Sorry, dass ich dich gegen die Bank geschubst habe.”

 

Frederik schien nach Worten zu suchen, wie er mir das Geschehene erklären konnte und hatte ganz offensichtlich keine Ahnung, dass ich bereits wieder wach war.

 

“Ich wollte das nicht. Du … du bist mir … nein, nein. Deine Meinung ist mir schon wichtig. Und als du mir deine nicht gerade schmeichelhafte Meinung über mich gesagt hast, bin ich irgendwie ausgetickt”, stotterte sich der Stürmer zurecht. Der Wortgewandteste war er noch nie gewesen.

 

Mein Herz machte einen Satz und in meiner Brust herrschte ein merkwürdig beklemmendes Gefühl. Nach dieser sehr aufschlussreichen Vision und dem, was ich hier gerade gehört hatte, war mir klar, wie dass hier heute enden würde.

 

- - -

 

Letztendlich waren Frederik und ich fast zwei Jahre zusammen. Heimlich und nur für uns, aber dennoch war es eine wunderbare und erfüllte Zeit. Dass Frederik dann doch nicht nur schwul, sondern bi war und mittlerweile eine Frau und zwei süße Kids hat, nehme ich ihm nicht übel. Wir sind immer noch gute Freunde, mit einem sehr pikanten Geheimnis.

 

- - -

 

“Na, du warst aber weit weg”, sagte meine Kollegin Kira. Sie schüttelte ihren Schirm aus und setzte sich zu mir an den Tisch. Das Café war in der letzten Viertelstunde ziemlich voll geworden, ohne dass ich es mitbekommen hatte.

 

Der Kellner, ein kleiner, leicht untersetzter Italiener kam zu uns und fragte mit einem sicherlich aufgesetzten südländischen Akzent: “Wollt ihr beiden das gleiche wie immer? Eine Latte macchiato für die Dame und noch einen Milchkaffee für den Herren?”

 

Da Kira und ich unsere Mittagspause quasi immer zusammen und sehr oft in diesem Café verbrachten, kannte der Kellner uns schon. Wir nickten nur und er zog wieder ab.

 

Ich verdiente meinen Lebensunterhalt nicht mit Magie, so wie meine mittlerweile verstorbene Großmutter es sicherlich gerne gesehen hätte, sondern arbeitete als Mann für alle Fälle in einem großen städtischen Verlagshaus. Nach knapp fünf Jahren dort, war ich fast unentbehrlich und hatte meine Kompetenzen überall. Bürokram, Redaktion, Korrekturen und die Betreuung der Technik in meiner Abteilung waren meine momentanen Aufgabengebiete.

 

“Ich bin ja mal gespannt, wie der Neue so sein wird”, sagte Kira und nahm einen vorsichtigen Schluck von ihrer heißen Latte macchiato, die der Kellner gerade gebracht hatte.

 

“Und ich erst. Er wurde mir ja quasi einfach so zugeteilt. Einen Azubi hatte ich auch noch nicht.”

 

“Naja, ist ja nicht so, dass er gerade von der Schule kommt.”

 

“Nein, er ist ja laut Herrn Korber fast in unserem Alter. Ein ehemaliger Student, der jetzt ins Verlagswesen einsteigen will. Ich bin ja mal gespannt ob so ein Akademiker in unseren bunten Haufen passt?”, sagte ich lachend.

 

Als Kira und ich kurz darauf wieder an unserem Platz in der Firma eintrafen, beendete Herr Korber gerade seine Führungsrunde mit dem neuen Mitarbeiter. Als er sich zu uns umdrehte, traf es mich wie der sprichwörtliche Schlag. “Was für ein unglaublich attraktiver Typ!”, schoss es mir sofort durch den Kopf und mein Puls beschleunigte sich.

 

Ich sah mich einem richtigen Traumtypen gegenüber. Rötliches kurzes Haar und ein markantes Kinn mit einem ebenso rötlichen Dreitagebart. Seine Augen bildeten mit ihrem klaren Grünton einen wunderschönen Kontrast zu seiner Haarfarbe. Seine Haut war leicht gebräunt und wies, besonders auf dem Nasenrücken und den Wangen, einige Sommersprossen auf, die so typisch für Rothaarige waren.

 

Ein Lächeln umspielte seine Lippen und spiegelte sich auch in den Fältchen um seine Augen wieder, als er mir seine Hand entgegen streckte.

 

“Das ist Felix Bast. Dein neuer Azubi!”, stellte Herr Korber mir den Neuen vor.

 

Ich gab ihm die Hand und musste mich wirklich zusammen reißen, meine Konzentration zu wahren. Das leichte Kribbeln kam wieder auf und ich beendete den Händedruck doch ziemlich panisch, was mir einen leicht fragenden Blick von Felix einbrachte, der leicht die Augenbrauen hochzog.

 

“Ich bin Marius Muun. Aber du kannst mich Marius nennen”, versuchte ich mein Zögern gekonnt zu überspielen und probierte es mit einem Lächeln.

 

Felix rieb sich ein wenig verlegen die leicht krumme Nase, die seinem sonst sehr ebenmäßigen Gesicht etwas Verwegenes gab.

 

Mit seinem schwarzen Hemd, dem leger umgelegten Schal und den Lederarmbändern sah er ziemlich sexy aus. Ich weiß nicht warum, aber mein neuer Azubi machte mich nervös und kribbelig. Ich, der mittlerweile doch schon fast ein alter Hase war, ließ mich von dem Jungspund aus der Fassung bringen.

 

Naja, Jungspund war vielleicht ein wenig untertrieben. Felix war nur knapp drei Jahre jünger als ich und passte optisch vollkommen in mein “Beuteschema”, wenn es denn so eines gab.

 

“Ihr beschnuppert euch erst einmal und dann geht es morgen richtig los”, sagte Herr Korber und ließ uns drei allein. Auch Kira stellte sich vor und wir kamen ins Klönen, während ich Felix die Redaktionsabteilung zeigte. Immer wieder ertappte ich mich dabei, wie mein Blick an seinem männlichen und bestimmt auch trainierten Körper hoch und runter glitt und natürlich auch an seinem knackigen Hintern hängen blieb. Der Rothaarige hatten eben diesen in eine enge Jeans verpackt, die jede Rundung absichtlich hervorzuheben schien.

 

Als der Feierabend nahte und wir mit dem Einrichten von Felix’ Arbeitsplatz fertig waren, fiel das Thema auf die folgende Freizeitgestaltung.

 

“Ich werde jetzt erst einmal nach Hause fahren und gucken, ob mein Liebster mittlerweile aus dem Theater zurück ist”, sagte Felix und ich hatte das Gefühl, das mein Herz einen kleinen Aussetzer hatte und ich einen trockenen Hals bekam.

 

Die Nachricht, dass dieses sympathische Männerexemplar schwul war, hob mich gleich auf Wolke sieben. Dass er allerdings bereits vergeben war, ließ mich unsanft wieder auf den Boden der Tatsachen knallen. Nun ja, bei so einem netten und vor allem attraktiven Kerlchen, war es ja kein Wunder, dass er nicht mehr auf dem Markt war.

 

Ich lächelte und hoffte, dass mein Mienenspiel mich nicht verriet. “Ich muss meiner WG-Mitbewohnerin heute noch bei einem kleinen Problem helfen. Mal sehen, was es diesmal ist”, sagte ich ein wenig genervt.

 

“Kommt das öfter vor? Ich meine, dass du ihr Problemlöser bist?”, fragte Felix interessiert.

 

“Naja, Lexa ist da schon etwas … speziell.”

 

“Etwas? Die Frau ist das reine Chaos!”, schaltete sich Kira in die Unterhaltung ein und lachte. “Weißt du noch, als ihr beim Kochen die halbe Küche um die Ohren geflogen ist und du dir dein Mittagessen drei Wochen lang in der Kantine holen musstest, bevor die Küche wieder halbwegs hergestellt war?”

 

Ich erinnerte mich gut an diese Situation. Was Kira jedoch nicht wusste: Lexa war auch eine Hexe. Zwar hatte die Gute keine wahren Gaben und war auch sonst nicht sehr bewandert in den alten Künsten, aber sie wollte lernen und ausprobieren. Die Ursache der Küchenexplosion war kein gescheitertes Abendbrot gewesen, sondern ein außer Kontrolle geratener Zaubertrank, den Lexa mehr als stümperhaft zubereitet hatte und der die WG-Küche teilweise in Schutt und Asche gelegt hatte.

 

“Hauptsache sie kocht nicht wieder, dann wird alles gut”, sagte ich grinsend und packte meine Unterlagen ein. “Ich muss los. Schönen Feierabend.”

 

Fast ein wenig wie auf der Flucht verließ ich die Firma und schlug den Weg nach Hause ein. Der kurze Marsch durch den klirrend kalten Herbstabend ließ meinen Kopf wieder halbwegs klar werden.

 

“Was für ein toller Typ”, ging es mir immer wieder durch den Kopf und ich hatte Felix rotes Haar, die faszinierenden grünen Augen und sein stoppeliges Kinn mit dem kleinen Grübchen sofort wieder vor Augen.

 

“Lass die Finger von dem, der ist vergeben”, musste ich mir immer wieder selber sagen.

 

Noch immer tief in Gedanken versunken schloss ich die Tür zu dem Altbau auf, in dessen zweitem Stock unsere WG zu finden war. Die Wohnung mit den hohen Räumen und dem gewissen Charme, den Wohnungen vom Anfang des letzten Jahrhunderts so haben, war eigentlich zu groß für uns zwei, doch da es in unserer kleinen Hexen-Gemeinschaft manchmal schon nicht mit “rechten Dingen” zuging, konnten wir auf jeden Fall niemanden Uneingeweihtes bei uns aufnehmen. Und wahre Hexen waren ein rares Gut, wie ich ja schon erwähnt hatte.

 

Die Wohnung gehörte übrigens mir. Meine Großmutter Evelin, die hier seit dem Bau des Hauses gelebt hatte und hier aufgewachsen war, hatte diese Wohnung irgendwann in den Siebzigern gekauft und nun an mich vererbt. Da das Stadtviertel, in dem unsere WG lag, mittlerweile einen ziemlichen Boom erlebt hatte, lebten Lexa und ich nun quasi in einer der besseren Gegenden der Stadt.

 

Die Idee zu der Wohngemeinschaft kam mir relativ spontan, als mir Lexa, die eigentlich Alexandra Sterning hieß, im Sommer letzten Jahres hier im Treppenhaus in die Arme lief. Die flippige junge Frau mit den Piercings und den wilden, dreifarbigen Dreadlocks wollte sich eigentlich eine andere Wohnung im Haus ansehen, doch als sie mir sprichwörtlich in die Arme fiel, offenbarte mir eine Vision, dass sie ebenfalls eine Hexe war. Seitdem hatte ich sie als eine Art Schülerin aufgenommen.

 

Lexa war einige Jahre jünger als ich und sie schaute mit einigem Respekt zu mir auf. Manchmal fühlte ich mich ein wenig wie ihr großer Bruder und ich hatte das Gefühl, dass sie mich insgeheim auch ein wenig um meine Kräfte beneidete, was sie allerdings niemals offen zugeben würde.

 

“Was ist denn mit dir los, Marius?”, fragte Lexa, als ich ins Wohnzimmer kam und meine Arbeitstasche abstellte.

 

“Wieso?”

 

“Naja, du hast ganz rote Wangen und einen so verträumten Blick. Sag nicht, du hast deinen neuen Traummann gefunden?”

 

Es war erschreckend, wie gut mich Lexa mittlerweile zu kennen schien. Immerhin kannten wir uns noch nicht so lange. Sie hatte zwar die ganze traurige Geschichte mit der Trennung von Joe mitbekommen, doch dass sie sich mittlerweile so gut in meinem Gefühlsleben auskannte, war ein wenig erschreckend.

 

“Ich kann in dir lesen, wie in einem offenen Buch, Marius Muun”, sagte die flippige junge Hexe und grinste. “So sahst du auch immer aus, als du damals von Joe nach Hause gekommen warst, oder ihr beiden hier die Betten gerockt habt. Tiefenentspannt und irgendwie zufrieden.”

 

“Als ich damals von Joe nach Hause gekommen war, da sah ich meist aus wie ein frisch geficktes Eichhörnchen und habe bestimmt auch dem entsprechend gerochen”, erwiderte ich schnippisch und fügte hinzu: “Du solltest nicht in mir lesen, sondern in deinen Zauberbüchern. Dann hätten wir nämlich heute Abend frei und würden nicht durch die halbe Stadt fahren, um deinen Fehler wieder gerade zu biegen.”

 

Ein wenig eingeschnappt ließ Lexa den Kopf hängen und nickte geschlagen. “Du hast ja Recht. Ich muss mit meinen Zaubern vorsichtiger sein.”

 

Ich ging in die Küche, um uns etwas zum Abendessen zuzubereiten. Lexa kam hinter mir her und lehnte sich an die Arbeitsplatte, während sie mir beim Gemüseschnippeln zusah.

 

“Und?”, erkundigte sie sich.

 

“Was und?”

 

“Na, wie ist er so. Wie heißt er, wo wohnt er, wie sieht er aus, was ist seine Lieblingsfarbe?”, löcherte mich Lexa mit Fragen und schien tatsächlich eine Antwort zu erwarten, denn sie sah mich äußerst neugierig an.

 

“Er heißt Felix, ist 26 Jahre alt und mein neuer Azubi im Verlag.”

 

“Hihi”, kicherte sie und fuhr dann fort: “Da musst du dich ja jetzt schon um zwei Frischlinge kümmern!”

 

“Na, so frisch bist du jetzt aber auch nicht mehr”, stellte ich fest und lächelte Lexa herausfordernd an.

 

Sie gab mir aus Rache für den fiesen Spruch einen ziemlich lauten Klaps auf den Hintern und verließ dann die Küche.

 

Während des Abendessens erzählte ich ihr in allen Einzelheiten von Felix, seinen roten Haaren, dem tollen Bart und den unglaublichen grünen Augen. Gebannt hing Lexa an meinen Lippen und ich geriet regelrecht ins Schwärmen, als ich ihr von seinem Hintern erzählte. Die schmutzigen Gedanken, die ich hatte, wenn ich an Felix’ Kehrseite dachte, behielt ich allerdings für mich.

 

“Wie wäre es, wenn du es mal mit einem Liebeszauber versuchst? Dann vergisst er den anderen Kerl ganz schnell und du wärst seine Numero Uno”, schlug die junge Hexe vor und schien von ihrem Einfall mehr als begeistert.

 

“Stop!”, sagte ich mit einem ernsten Ton in der Stimme. “Du weißt noch, was wir heute Abend vorhaben, oder? Und vor allem, warum wir es vorhaben?”

 

Lexa war das Grinsen vergangen und sie sagte etwas kleinlaut: “Ja, Marius. Ich weiß es noch ganz genau.”

 

Ich sah sie fragend und mit hochgezogenen Augenbrauen an.

 

“Wir fahren zum Südfriedhof, um zu verhindern, dass Bernd von den Toten aufersteht und mich für den Rest aller Tage verfolgt.”

 

“Und warum müssen wir das tun?”, fragte ich und ertappte mich dabei, dass ich wie ein Oberlehrer klang.

 

“Weil ich ihn an mich binden wollte, sodass er immer bei mir bleibt.” Lexa schluckte kurz und hörbar und fuhr dann entschuldigend fort. “Es konnte doch keiner ahnen, dass der Trottel so unter meinen Bann gerät, dass er über die Hauptstraße rennt während der Rushhour, nur um zu mir zu kommen.”

 

“Ich sage es dir jetzt ein allerletztes Mal: Die Magie darf niemals in die Gefühle der Menschen eingreifen. Das ist ein ehernes Gesetz und unumstößlich. Wenn du es nicht beachtest dann sterben Leute!”

 

“Und jetzt lass uns aufessen und losfahren. Es wird immer kälter und ich habe keine Lust, mir auf dem Friedhof nachher den Tot zu holen.”

 

“Na, dann könnten wir aber gleich dort bleiben!”, sagte Lexa grinsend und ich wunderte mich einmal mehr über ihre absolut unerschütterliche und teilweise noch kindlich-naive Art und wie sie damit immer wieder durchs Leben kam.

 

- - -

 

Als wir mit meinem Wagen am Südtor des großen Friedhofs anhielten, war es bereits kurz nach neun. Durch den Regen, der tagsüber gefallen war, war der Boden noch immer feucht. Nebelfetzen waberten durch die kühle Nachtluft und der mondlose Himmel wurde nur von den wenigen Sternen erhellt, deren Licht stark genug war, um in der Stadt wahrgenommen zu werden.

 

“Irgendwie unheimlich”, stellte Lexa fest und auch ich konnte mir durchaus schönere Orte vorstellen, an denen ich zu dieser Tages- oder besser Nachtzeit lieber wäre.

 

Die knapp drei Meter hohe Mauer aus Naturstein, die einmal um den gesamten Friedhof verlief, war teilweise von Efeu überwuchert und machte mit den schwarzen gusseisernen Dornen auf der oberen Kante einen ziemlich düsteren Eindruck. Eigentlich nicht verwunderlich, denn es handelte sich ja um eine Ruhestätte für die Toten und nicht um einen Kinderspielplatz.

 

Die beklemmende Atmosphäre wurde allerdings auch nicht besser, als wir uns dem extrem überdimensionierten eisernen Eingangstor näherten. Um die mittleren Stangen war eine massive Eisenkette gewickelt, die mit einem schweren Schloss zusammen gehalten wurde.

 

Sicherlich kamen die Besucher sonst über das moderne Haupteingangstor auf das Gelände des Friedhofs und mussten nicht mehr durch dieses mehr als antiquiert wirkende Tor gehen, um ihre Verstorbenen zu besuchen, doch dort waren auch Kameras installiert und ich wollte verhindern, dass ich und Lexa in den nächsten Tagen Besuch von der Polizei erhielten, die uns wegen nächtlichem Hausfriedensbruch, Vandalismus und womöglich noch Grabschändung dran kriegen wollten.

 

“Und wie kommen wir da jetzt rein? Du willst doch nicht etwa da rüber klettern?”, fragte Lexa und schulterte den Rucksack mit den Utensilien, die wir für unser nächtliches Treiben mitgebracht hatten.

 

“Sehe ich aus, als würde ich über ein knapp vier Meter hohes Tor klettern können?”, fragte ich zurück und deutete auf meinen großen schweren Körper, der in der warmen Winterjacke noch ein wenig kräftiger aussah. “Wozu sind wir Hexen? Siehe zu und lerne.”

 

Ich zog meine Handschuhe aus und legte meine Hände um das große schwarze Vorhängeschloss. Das Metall war frostig-kalt und ich spürte, wie schwer dieses Schloss war. Wertarbeit aus vergangenen Zeiten. Wahrscheinlich von einem Feinschmied hergestellt und nur aus einem einzigen Grund noch immer hier. Geschmiedetes Eisen, wie das Tor und die Stäbe, deren Spitzen aus den Mauern herausragten, konnten von Geist- und Feenwesen nicht überwunden werden. Sicher war dieser alte Schutz nicht mehr vollständig aktiv, denn das neue, moderne Friedhofstor an der Hauptstraße war, wie ich wusste, nicht aus Schmiedeeisen gefertigt.

 

Ich konzentrierte mich und blickte das Schloss in meinen Händen mit durchdringendem Blick an. Meine Augen nahmen wieder die übernatürliche Färbung an, die sie bekamen, wenn ich Magie wirkte oder eine Vision hatte und dann verließen Worte wie selbstverständlich meinen Mund, die dem Schloss befahlen, sich zu öffnen. “FOSGAIL”, wisperte ich in der alten Sprache der Hexen, die dem Gälischen angelehnt war. Durch das Schloss ging ein leichtes Vibrieren und in Sekundenbruchteilen ertönte es ein Klicken und das Schloss sprang auf.

 

“Ich liebe es, wenn deine Augen so leuchten”, sagte Lexa und blickte mir fasziniert ins Gesicht. “Du siehst dann richtig sexy aus.”

 

“Vergiss es, Lexa. Solange du dir keinen Schwanz wachsen lässt und dir Haare auf der Brust sprießen, hast du keine Chance”, erwiderte ich, während ich versuchte, möglichst leise die klirrende Eisenkette abzuwickeln.

 

“Ja, ja, ich versteh’ schon. Welch ein Verlust für die Frauenwelt. Da gäbe es sicher einige, die einen großen, bärigen Kerl wie dich zu schätzen wüssten.” Lexa klopfte mir auf die Schulter.

 

“Ich fühle mich geschmeichelt”, sagte ich freundlich und meinte es auch so, doch ans Heteroufer würde ich mich in diesem Leben nicht mehr wagen.

 

“Schade”, sagte Lexa bedauernd und half mir dabei, das schwere Tor, welches schon ein wenig überwuchert war, so weit zu öffnen, das wir hindurch schlüpfen konnten.

 

Lexa führte mich durch die unzähligen Reihen von Grabsteinen, an kleinen Grüften vorbei und einen Hügel hinauf, von wo aus wir auf einen kleinen Hain zusteuerten, in dem das frische Grab ihres Verflossenen lag.

 

“Da hinten ist es”, sagte Lexa und ich folgte ihr. “Ich hoffe, Bernd hatte eine schöne Trauerfeier und der Pastor hatte ein paar nette Worte für ihn übrig”, plapperte Lexa drauflos. Wahrscheinlich um sich ein wenig Mut zu machen, denn das Beklemmende und Düstere an diesem Ort war quasi schon fast körperlich spürbar. Was Menschen vielleicht als komisch oder auch unangenehm empfanden, wenn sie sich auf einem Friedhof aufhielten, war für uns Hexen wie ein kleiner Alptraum. Seelen wandeln und das tun einige unentwegt und mit Vorliebe dort, wo ihre sterblichen Überreste zu finden sind. Deswegen war es für meine Schülerin und mich hier nicht so leer und verlassen, wie es vielleicht für jeden anderen, normalen Friedhofsbesucher war. In einiger Entfernung sah man immer mal wieder leicht durchscheinende Gestalten, die wie flüchtige Nebelfetzen zwischen den Steinen umher glitten.

 

Es fröstelte mich und ich musste mich schütteln. Nicht dass mir diese Wesen Angst machen würden, denn ihr Einfluss auf die Ebene der Lebenden war sehr begrenzt, aber dennoch kroch es mir kalt den Rücken hoch, wenn ich daran dachte, dass ich vielleicht auch irgendwann einmal rastlos über einen Friedhof wandeln musste, weil ich es zu Lebzeiten nicht mehr geschafft hatte, den Traumprinzen zu finden. Ein Notgeiler, alter Geistersack, der jungen Männern hinterher jagt. Bei dem Gedanken musste ich schmunzeln und legte einen Schritt zu, um Lexa wieder einzuholen.

 

Wir blieben neben einem frischen Grab stehen, auf dem noch hübsch zurecht gemachte Kränze und Blumengebinde zu finden waren.

 

Die junge Frau zog einen Umschlag aus der Tasche und stellte ihn zusammen mit einer mit Lavendel umwickelten kleinen Kerze neben das Grab.

 

“Was machst du da?”, fragte ich und Lexa sah mich traurig an.

 

“Ich konnte doch nicht zu seiner Trauerfeier und ich dachte, ich lasse ihm wenigstens ein paar Abschiedsworte hier. Dadurch geht es mir dann auch besser.”

 

Ich nickte verständnisvoll und bereitete mich auf das kleine Ritual vor, das Bernds wahrscheinlich rastloser Seele Ruhe geben sollte. Einen Wiedergänger am Hals zu haben war durchaus gefährlich und die belebten Leichenwaren in den meisten Fällen auch kein wirklich schöner Anblick. Vom Geruch ganz zu schweigen.

 

Nachdem die Vorbereitungen abgeschlossen waren, hockten Lexa und ich uns an den Rand des Grabes und pressten eine Hand auf den feuchten, halb gefrorenen Erdboden, den wir unter einem der großen Kränze freigelegt hatten.

 

“Konzentriere dich Lexa und fühle dich in meine Worte ein”, sagte ich zuversichtlich und nahm ihre Hand in meine.

 

Eisblauer Schein erfüllte meine Sicht und ließ das Dunkel um mich herum ein wenig zurückweichen. Auch Lexas Augen begannen ganz leicht zu glimmen, als sie sich ebenfalls auf die Magie einstimmte.

 

“COINGHEALL GEASAN DI-LARAICH SKEULACHD SIORRAIDHEACHD”, ließ ich es in meiner dunklen und gutturalen Beschwörerstimme erklingen. Ich ertappte mich manchmal dabei, wie ich durch meine eigene Stimme, die beim Wirken wahrer Magie leicht verändert klang, eine Gänsehaut bekam. So war es auch diesmal.

 

Ich ließ die Magie fließen und streckte meine astralen Fühler aus, die tief ins Erdreich eindrangen, um dort, verborgen in einer enorm teuren Holzkiste und auf Samtkissen gebettet, ihr Ziel zu suchen. Doch sie fanden nichts.

 

Ich blinzelte ein paarmal, dankte den Kräften für ihren Beistand und guckte dann zu Lexa, die fragend zu mir herüber sah. “Was ist los?”

 

“Ich denke, wir haben ein Problem. Beziehungsweise du hast eines”, sagte ich zu Lexa und stand auf. “Bernd ist nicht mehr hier.”

 

“Wie? Er ist nicht mehr hier?” Lexa sah mich ungläubig an und ich konnte sehen, dass sie leicht zu zittern anfing.

 

“Wir sind zu spät. Bernd hat sich bereits erhoben und ist auf dem Weg zu uns oder zumindest läuft er frei in der Stadt herum und versucht dich zu finden.”

 

“Na super”, sagte Lexa niedergeschlagen und schlug die Hände vor ihr Gesicht. “Ich werde von einem Zombie verfolgt, der mich flachlegen will.”

 

“Ich habe es dir vorher gesagt, junger Padawan”, antwortete ich mit einer leicht sarkastischen StarWars-Parodie. “Sei vorsichtig, was du dir wünscht und alles, was du aussendest ...“

 

“... kehrt dreifach zu dir zurück. Ich weiß es mittlerweile und ich kenne die Regeln. Es tut mir leid, Marius.”

 

“Nicht so schlimm“, sagte ich und kratze mich am Kopf. „Wir müssen jetzt nur versuchen den Flüchtigen zu finden, bevor er zu große Aufmerksamkeit auf sich zieht. Vielleicht solltest du es nachher, wenn wir zu Hause sind, mal mit dem Pendel versuchen. Vielleicht helfen dir die Kräfte ja dabei, deinen Fehler wieder gerade zu biegen”

 

Auf der einen Seite war ich äußerst beunruhigt, dass jemand den Untoten entdecken und somit das eherne Gesetz der Heimlichkeit gebrochen werden könnte, auf der anderen Seite allerdings gab es keine bessere Möglichkeit für meine Schülerin zu lernen. “Nur aus Fehlern wird man klug. Versagen bedeutet lernen”, sagte meine Oma Evelin immer. Natürlich wollte ich als Kind oder Jugendlicher so etwas nicht hören, doch recht hatte sie dennoch.

 

Unverrichteter Dinge sammelten wir die Kerzen und Talismane wieder ein und machten uns geknickt auf den Rückweg.

 

Lexa starrte vor sich in die Dunkelheit. “Ich habe jadoch ein wenig Angst. Ich fand Bernd ja unglaublich süß und niedlich. Aber jetzt? Wer weiß, wie ihn der Unfall so zugerichtet hat? Was mache ich denn, wenn er bei uns vor der Tür steht und du nicht da bist?”

 

“Ich werde die Wohnung noch einmal zusätzlich mit Schutzzaubern versehen. Eventuell weiß Großmutter ja etwas. Vielleicht befrage ich noch einmal das Hexenbrett und hole mir ihren Rat”, sagte ich und versuchte möglichst zuversichtlich zu klingen, denn die Kontaktaufnahme mit meiner Großmutter war zwar möglich, gestaltete sich aber manchmal schwieriger als erwartet.

Kapitel 2

Als ich am Tag nach dem nächtlichen Friedhofsausflug völlig übermüdet im Büro erschien, hatte Felix für mich schon einen Kaffee gemacht, der dampfend auf meinem Schreibtisch stand und auf mich wartete. Mein Azubi saß daneben und lächelte mich freundlich an. Er versuchte wohl meine Sprich-mich-bloß-nicht-an-Miene mit seiner freundlichen Art zu brechen, was ihm auch mehr als gut gelang. Wenig später saßen wir fröhlich plaudernd und Kaffee schlürfend vor meinem Rechner und ich zeigte ihm die Grundlagen unserer Verwaltungssoftware, während wir uns beschnupperten und kennen lernten.

 

Es machte den Anschein, dass Felix und ich auf einer Wellenlänge lagen. Wir kamen sehr gut miteinander aus und da er durch sein Studium und diverse Praktika schon so einige Einblicke in die Verlagswelt bekommen hatte, war der Rothaarige tatsächlich eher ein ganz normaler Kollege und nicht unbedingt nur ein Azubi, dem man alles erklären musste.

 

Natürlich kam die Sprache auch irgendwann auf das Thema Beziehungen und Felix berichtete, wie froh und zufrieden er doch mit seinem Partner war.

 

“Manche sagen schon, dass Udo etwas schwierig ist und polarisiert”, berichtete Felix. “Doch irgendwie mag ich seine extrovertierte Art. Gegensätze ziehen sich halt an.”

 

“Willst du sagen, du bist eher introvertiert? Kommt mir gar nicht so vor”, stellte ich ein wenig belustigt fest und konnte bis jetzt eigentlich nichts Verschlossenes oder In-sich-gekehrtes an Felix Art feststellen.

 

“Naja, ich weiß auch nicht. Normalerweise bin ich eher etwas zurückhaltend. Aber wir scheinen auf einer Wellenlänge zu liegen. Irgendwie mag ich dich, auch wenn wir uns erst zweimal gesehen haben.”

 

„BAM!“, dachte ich mir. „Er mag mich!“ Ich wurde wohl ein wenig rot und wandte mich schnell wieder dem Rechner zu, um mir nichts anmerken zu lassen.

 

“Wirst du gerade rot, Marius?”, fragte Felix neckisch.

 

“Erwischt”, sagte ich nur. “Ich finde dich auch äußerst sympathisch und könnte kotzen, weil du so glücklich vergeben bist.”Ich guckte den jungen Mann neben mir von der Seite an und zog die Augenbrauen hoch. “Habe ich das gerade laut gesagt?”, fragte ich ein wenig entrüstet.

 

Felix nickte und grinste, während er sich einige Notizen zu den Programmabläufen machte.

 

Bevor ich noch etwas dazu sagen konnte, stand plötzlich Kira vor meinem Schreibtisch und durchbrach die merkwürdige Stille, die zwischen Felix und mir entstanden war.

 

“Hey ihr beiden”, begrüßte sie uns freundlich. “Hast du Felix schon von der Weihnachtfeier übermorgen erzählt?”, erkundigte sie sich bei mir.

 

Verdammt. Die Weihnachtfeier! Die hatte ich bei dem ganzen Stress mit dem Untoten vollkommen vergessen.

 

“Äähm, noch nicht. Wir haben am Freitag unsere alljährliche Adventsfeier bei Herrn Korber. Er hat ein ziemlich großes Haus am Stadtrand, in das er immer alle aus der Abteilung einlädt. Mit Partnern sogar”, erklärte ich Felix, der sofort anfing zu grinsen.

 

“Was könnte man sich besseres wünschen, um sich als Neuer mal mit allen bekannt zu machen, als eine Firmenfeier. Hoffentlich wird es nicht zu feucht-fröhlich, sonst werde ich immer so peinlich”, sagte mein Azubi lächelnd und wuschelte sich verlegen durch seine roten Haare.

 

“Peinlicher als Lexa, die Mitbewohnerin von Marius, wird es kaum werden können. Apropos: Bringst du sie dieses Jahr wieder mit, wo du doch jetzt wieder Single bist?”, fragte Kira mich und ich nickte.

 

“Sag ihr aber, sie solle sich dieses Jahr etwas ... passender anziehen. Dieser Hauch von Nichts letztes Jahr war ein bisschen zu viel des Guten. Oder sollte ich eher sagen zu wenig.”

 

Ich musste schmunzeln, als ich an Lexas Auftritt bei der letzten Adventsfeier dachte. Eigentlich wollte ich mit Joe hingehen, doch der hatte leider eigene dringende Termine und konnte mich nicht begleiten. Lexa war kurzerhand eingesprungen, hatte sich in der Wahl des Outfits allerdings etwas vergriffen. Auch wenn ihr das fast durchsichtige Kleid alle Blicke, besonders die meiner männlichen Kollegen, eingebracht hatte, war es doch vollkommen ungeeignet gewesen.

 

“Ich werde aufpassen, dass sie sich etwas Geschlosseneres und Stilsichereres anzieht”, sagte ich beschwichtigend.

 

“Bringst du deinen Freund auch mit, Felix? Wie hieß er doch? Udo, oder?” Kira hatte ein unglaubliches Namensgedächtnis, welches mich immer wieder in Erstaunen versetzte.

 

“Ja, ich werde ihn fragen. Aber er ist für so ganz spontane Sachen nicht unbedingt zu haben. Vielleicht hab ich ja aber trotzdem Glück”, sagte Felix etwas verhalten und ergänzte dann: “Schauspieler halt. Die sind da immer etwas eigen.”

 

Innerlich hoffte ich, dass Udo nicht mitkommen würde.

 

- - -

 

Auf dem Weg nach Hause machte ich an Isabelles kleinem Hexenladen Halt. Die freundliche Mittvierzigerin gehörte, ebenso wie ich, zu den wahren Hexen. Sie führte ihren Laden, in dem sie hauptsächlich esoterischen Krimskrams verkaufte, um mit interessierten Menschen in Kontakt zu kommen. Sie vermittelte ihnen den alten Weg. Weitab von der Hektik des Alltags und dem Stress, der unsere Gesellschaft so langsam zu Grund richtete, hielt sie Meditationskurse und brachte der Hausfrau von nebenan bei, wie sie mit ein paar einfachen Hausmittelchen ein besseres und erfüllteres Leben führen konnte.

 

Allerdings führte Isabelle auch Dinge, die man in keinem gewöhnlichen Laden kaufen konnte. Trankzutaten oder magische Werkzeuge gehörten zu ihren beliebtesten Verkaufsschlagern.

 

Als ich den winzigen Laden betrat und Glöckchen und Schellen an der Tür von meiner Ankunft zeugten, kam mir eine offensichtliche Kundin entgegen, wie sie langweiliger und spießiger kaum sein konnte. Eine frisch gelegte Dauerwelle, eine graue Winterjacke mit dunkelgrauem Schal. Ein kurzer schwarzer Rock, eine dunkle Strumpfhose und bieder aussehende Schuhe komplettierten den Look einer alten Frau. Das Problem war allerdings, das die Dame, die mir dort entgegen kam und mich wie ein Auto ansah, höchstens Vierzig war.

 

Sie ging mir gerade mal bis zur Brust und guckte nach oben, um mir ins Gesicht zu sehen. Als sie meine eisig blauen Augen blickte sah sie fast etwas erschrocken aus. Da ich fast den gesamten Türrahmen ausfüllte, hatte sie keine Möglichkeit, an mir vorbeizuschlüpfen.

 

Entschuldigend ging ich einen Schritt zurück und ließ sie vorbei, was sie nur mit einem knappen und wahrscheinlich nicht sonderlich ehrlich gemeinten "Danke" quittierte. Ich guckte ihr hinterher und trat dann ein.

 

"Was hat denn so eine langweilige Alte hier in deinem Reich der Magie verloren? Ich hätte die eher beim Strickladen vorne an der Ecke vermutet."

 

Isabelle, die hinter der Ladentheke stand, sah mich tadelnd an. "Marius Muun. Du sollst nicht immer nur nach Äußerlichkeiten gehen. Diese arme Frau brauchte einfach nur ein wenig Unterstützung."

 

"Unterstützung? Wobei? Beim Häkeln oder ihrem Ehegatten die Pantoffeln vor den Sessel stellen?"

 

Isabelle schüttelte den Kopf. "Denk doch nicht immer so schlecht von den Menschen. Diese Frau versucht ernsthaft, ihre Ehe zu retten."

 

"Und du hast ihr etwas aus deinem geheimen Vorrat gegeben, um ihr wieder ein wenig Leidenschaft einzuhauchen?"

 

"So könnte man es sagen. Wolkentigerkralle und Venuskraut hat bis jetzt noch jedes Mal geholfen."

 

"Willst aus ihr wohl eine leidenschaftliche Verführerin machen, oder was? Du hast ihr hoffentlich gesagt, was passiert, wenn sie zu viel davon nimmt?"

 

"Ach Marius, hältst du mich für einen Anfänger? Ich hatte diesen Laden schon, als du noch im Kindergarten warst. Ich praktiziere nur weiße Magie und versuche niemandem zu schaden, das weißt du doch."

 

Ich nickte und lächelte Isabelle an. "Du bist einfach zu gut für diese Welt", sagte ich schmeichelnd.

 

"Na, was brauchst du, Marius? Wenn du so freundlich zu mir bist, dann willst du wieder irgendetwas von mir."

 

"Diesmal nicht. Ich brauche eigentlich nur ein Silberpendel. Meine Schülerin hat etwas verloren, das sie ganz dringend wiederfinden muss."

 

"Doch wohl nicht ihre Unschuld?", fragte Isabelle spitzfindig grinsend.

 

"Wenn, dann hat sie sie jedenfalls nicht bei mir oder an mich verloren", gab ich zurück. "Wir brauchen eines deiner richtigen Pendel. Es ist wirklich wichtig."

 

"Wenn du so ernst wirst, dann scheint da wirklich etwas dran zu sein."

 

Sie griff unter ihre Theke und holte einen Kasten hervor, der denen bei Juwelieren ähnelte. In ihm waren verschiedenste Pendel fein säuberlich aufgereiht. Ich suchte ein schönes und zu Lexa passendes aus und bezahlte Isabelle noch ein wenig mehr als den Ladenpreis. Ich wusste, dass das Geld bei ihr und ihren Kursen sehr gut angelegt war, auch wenn ich nie einen besuchen würde. Aber ich, als magisches Wesen, war auch nicht unbedingt die Zielgruppe.

 

"Vielen Dank, Herr Muun", sagte Isabelle anerkennend. "Du bist immer so großzügig. Komm doch auch einfach mal zu meinen Kursen. In meinem Mittwochs-Meditationskurs ist ein netter Anwalt, der bestimmt etwas für dich wäre."

 

"Ich denke drüber nach", sagte ich, während ich das kleine Samtbeutelchen mit dem Pendel in meine Tasche packte und unter lautem Klingeln und Klirren der Glöckchen den Laden verließ.

 

- - -

 

Als ich am Abend in die Wohnung kam, hatte Lexa schon überall die Räucherungen durchgeführt, die ich ihr aufgeschrieben hatte, und die Wohnung duftete wie ein großes Kräuterbeet im Hochsommer. Besonders mit dem weißen Salbei war sie nicht gerade sparsam umgegangen. Kein halbwegs vernünftiger Geist oder Dämon würde sich in den nächsten Tagen oder Wochen in unsere Wohnung verirren. So viel stand fest.

 

Mit verbissenem Gesichtsausdruck und einem kleinen silbernen Pendel in der Hand, fand ich sie über den Couchtisch gebeugt. Hochkonzentriert ließ Lexa das feine silberne Gewicht über die Stadtkarte kreisen.

 

Durch das Pendeln konnte man, wenn man es richtig anstellte herausfinden, wo sich gesuchte Personen oder Gegenstände befanden. Doch Untote waren im Allgemeinen eher schwer zu finden und Lexa war der Verzweiflung nahe, als auch der zwanzigste Versuch kein Ergebnis erbrachte.

 

“Und? Hast du schon irgendwas gefunden?”, fragte ich vorsichtig.

 

Lexa schreckte ein wenig auf. “Du bist ja schon da. Habe dich gar nicht reinkommen hören.” Sie legte das Pendel resignierend auf die Karte und rieb sich die Augen. “Ich versuche es schon fast zwei Stunden lang, aber das Pendel hat noch nicht einmal ausgeschlagen. Also ob Bernd überhaupt nicht da wäre.”

 

“Bei Untoten ist das immer schwer, da sie ja weder eine richtige Person, noch eine leblose Sache sind, sondern irgendwo dazwischen. Mach doch erst einmal eine Pause und versuch es nachher noch einmal.”

 

“Och, Marius. Könntest du nicht einfach mal nachsehen? Du kannst das doch viel besser als ich. Wo ich nur eine kleine magische Funzel bin, bist du der Flutlichtstrahler. Du hast den Zombie doch in Null-Komma-Nichts gefunden.”

 

Ich hatte nicht vor, meiner Schülerin diese Bürde abzunehmen. Sie musste einfach lernen, dass alle Handlungen Konsequenzen hatten und dass es wirkliche Probleme geben konnte, wenn man zu vorschnell Magie einsetzte.

 

Sie wollte eigentlich nur eine schnelle heiße Nummer mit einem Kerl, der nichts von ihr wissen wollte, und durch einen dummen Zauber, hatte sie ihn nicht nur in eine tödliche Situation gebracht, sondern ihn auch noch als Zombie zurückkehren lassen.

 

Sicher würde ich es nie zulassen, dass meiner Lexa etwas zustieß. Sie hatte schon genug daran zu knabbern, dass der Mann, für den sie sich interessierte nun eine kalte und dann auch noch wandelnde Leiche war, doch vorerst war dies die perfekte Ausgangssituation, um zu lernen.

 

“Ich habe dir hier etwas mitgebracht”, sagte ich und zog den kleinen Samtbeutel hervor, den ich ihr reichte.

 

“Für mich?”, fragte sie etwas ungläubig.

 

“Damit dir die Suche nachher leichter fällt. Es ist ein machtvolles, magisch aktives Pendel”, sagte ich und unterstrich meine Worte, in dem ich mit den Fingern Gänsefüßchen in die Luft malte.

 

Lexa wog das Pendel in der Hand und verglich es dann mit ihrem eigenen kleinen Anhänger. “Irgendwie schon ähnlich, oder? Aber ich versuche es mal. Kann ja eigentlich nur besser werden”, stellte sie etwas resignierend fest.

 

Um das Thema zu wechseln fragte ich sie dann rund heraus: “Hast du eigentlich das kleine Schwarze noch, welches ich dir nach der Adventsfeier letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt habe?”

 

Lexa überlegte kurz. “Natürlich hab ich das noch. Das hängt noch ordentlich verpackt in meinem Kleiderschrank. Wieso?”

 

“Weil übermorgen die Party ist von der ich dir erzählt hatte und du mich doch begleiten solltest. Schon vergessen?”

 

“Ohhh. Ach so. Ich … “, Lexa spielte ein wenig verlegen an einem ihrer langen Dreads herum. “Bei der ganzen Zombieaktion hier habe ich das wirklich vergessen. Sorry. Wann war das nochmal?”

 

“Freitagabend. Übermorgen. Felix wird auch dort sein.”

 

“Der scharfe Neue? Das ist ja super. Dann kannst du ihn abfüllen und dich dann an ihn ranschmeißen.”

 

“Das wird wohl nichts. Er bringt seinen Freund mit. So einen Schauspieler vom Theater.”

 

“Das ist ein Grund, aber kein Hindernis. Mensch immerhin bist du eine Hexe, dir gehorcht Magie im ganz großen Stil und Geister und Elemente und all das.”

 

“Aber ich zerstöre keine Beziehungen, nur weil ich so einen Anflug von Verliebtsein habe. Ich bin doch kein Arsch.”

 

“Ach menno, Marius. Die guten Jungs kommen in den Himmel, die bösen Jungs kommen überall hin. So war das schon immer. Mister Nice-Guy ist nicht unbedingt immer gefragt.”

 

“Wo hast du denn das her? Klingt so nach einer von den Seifenopern, die du immer verschlingst.”

 

Lexa grinste. “So ähnlich. Nein. Im Ernst. Wenn du etwas wirklich willst, dann nimm es dir. Sonst tut es ein anderer! Hör auf immer so nett zu sein.”

 

“Das ist ein wirklich guter Tipp, Lexa. Und genau aus dem Grund werde ich dich jetzt auch hier noch ein wenig allein lassen und dich deinen Zombiefreund selber suchen lassen.”

 

“Hey! So war das nicht gemeint. Zu mir sollst du schon noch nett sein”, rief mir Lexa mit leichter Verzweiflung in der Stimme hinterher, während ich im Badezimmer verschwand, um mich den reizvollen Fantasien zu widmen, die ich mit einem gewissen, rothaarigen Kollegen verband.

 

- - -

 

An den Wänden der grob gearbeiteten Kellertreppe hingen antike Fackelhalter, deren flackerndes Feuer zuckende Schattenspiele an die Wand warfen. Es roch nach Moder und Feuchtigkeit.

 

Alois Steiner stieg die fast endlos scheinenden Stufen nach unten. Der alte Mann konnte sein Glück nicht fassen. Nach so vielen, fast endlosen Jahren hatte er endlich eine neue Spur gefunden. Eine ganz neue Art von Magie. Eine neue Hexenfamilie, die vorher noch nicht in Erscheinung getreten war. Piedro hatte ihm den Tipp gegeben. Sein Freund aus längst vergangenen Tagen, der das gleiche langweilige Schicksal teilte wie auch er.

 

Alois strich sich das wirre weiße Haar aus dem Gesicht und man konnte im Licht der Fackeln ein ganz eindeutiges Grinsen erkennen, welches sein mit tiefen Falten durchzogenes Gesicht fast zu einer Grimasse werden ließ. Wann hatte er das letzte Mal solch ein Hochgefühl erlebt?

 

Alois Steiner war ein Hexenjäger. Einer jener Menschen, der die Gabe hatte, hinter das fein gesponnene Gespinst an Lügen, Illusion und Täuschung zu blicken, welches die Hexen nutzten, um sich und ihre schwarze Magie vor den Augen der Welt zu verbergen. Wie viele dieser verdorbenen Kreaturen hatte er in seiner Jugend vernichtet? Unzählige. Teilweise hatten sie sich mit dunkelster Magie gewehrt, was ihm schon ein Bein und das rechte Auge gekostet hatte, doch diese Opfer waren es wert, erbracht zu werden. Nur eine tote Hexe konnte kein Unheil mehr anrichten. Ihre widernatürlichen Kräfte waren Geschenke der alten Götter, wie sie sie nannten. Doch Alois wusste, wer diese Götter wirklich waren: Dämonen. Ausgeburten der Hölle, die es im Licht des Mondes mit den Hexen trieben und ihren ihre dunkle Saat einpflanzten.

 

Das Grinsen im Gesicht des alten Mannes wich wieder seinem normalen, übelgelaunten Ausdruck, als seine Gedanken aus ihrer jahrelangen Lethargie geweckt wurden und begannen sich wieder um das eine Thema zu drehen, welches sein ganzes Leben bisher bestimmt hatte: Die Jagd auf Hexen.

 

Eigentlich wäre der alte Mann am liebsten in Frieden gestorben. Sein gebrechlicher Körper hatte seit fast dreißig Jahren nicht mehr gejagt. Alois Steiner und sein Freund Piedro Vandini wähnten sich als Sieger in diesem Krieg gegen die Dunkelheit wie sie ihn immer genannt hatten. Seit dem Tag, an dem sie das Blut der letzten Hexe von ihren silbernen Dolchen gewischt hatten, war ihnen keine dieser Kreaturen mehr begegnet. Sein alter Freund Piedro hatte die Suche aufgegeben, und sich in sein Schicksal ergeben, doch Alois nicht. Er hatte weiterhin beobachtet und gesucht, doch im Laufe der Jahre begannen sein Körper und auch sein Geist abzubauen. Seine Aufgabe hatte ihn weit über das normale Maß der Menschen hinaus jung und frisch gehalten, doch ohne die Jagd und ohne eine richtige Aufgabe setzte der Verfall ein und Alois wurde schwach und gebrechlich.

 

Niemand, der den alten Mann sah, in seiner zerschlissenen Tweetjacke und den braun-grünen Cordhosen, würde vermuten, dass er mittlerweile fast 140 Jahre alt war. Doch sein Familienerbe hielt ihn über die normalen Maßstäbe der Menschen am Leben.

 

Hätte ihn Piedro gestern Nacht nicht aus dem Bett geholt und ihn auf eine heiße Spur in den Stadtpark geschickt, wäre ihm der Untote nicht in die Arme gelaufen und sein mittlerweile löchriger Geist wohl vollkommen in die Demenz abgerutscht. Doch irgendwas in ihm war wieder aufgelodert, wie ein inneres Feuer, welches ihn von neuem stählte und ihm seinen Willen und seine Kraft langsam zurückgab.

 

Das Dreckloch, welches die herrische Heimleiterin Frau Meyer als Altenheim bezeichnete, hielt die Alten mit widerlichen Beruhigungsmitteln und Psychopharmaka ruhig. Als Alois zusammen mit Piedro vor vielen Jahren hier eingezogen war, hatte er sich mit seinem Schicksal abgefunden. Der Glanz des Sieges über die vermeintlich letzte Hexe war schnell verblasst und hatte sie beide ohne eine Aufgabe und ohne Sinn zurück gelassen.

 

Sein einziger Sohn, der einst ebenfalls ein Jäger werden sollte, war mittlerweile gestorben. Alois hatte, selbstsüchtig wie er war, am Leben festgehalten und es nicht übers Herz gebracht, sich selbst zu töten, um seinem Sohn das Leiden als Krebspatient zu ersparen. Die Jägerkräfte, wären sie denn auf seinen Spross übergegangen, hätten ihm das Leben gerettet. Doch so starb Gustav, Alois Sohn, mit knapp vierzig an einem hässlichen Tumor im Kopf und der alte Mann lebte sein einsames Leben, fern ab der Gesellschaft, unbehelligt weiter.

 

Wie neu geboren, ging es Alois durch den Kopf. Seine Schritte wurden immer kraftvoller und auch sein gebeugter Rücken schien sich langsam wieder aufzurichten. Allein der Gedanke daran, wieder zu jagen erfüllte ihn mit neuer Kraft. Sicherlich würde er nie wieder so kraftvoll werden wie mit dreißig oder fünfzig, doch das Gebrechen, welches seinen Körper gebeutelt hatte, fiel von ihm ab wie eine alte runzlige Haut.

 

Als er den Fuß der Treppe erreichte und vor der schweren Holztür stand, die den Zugang zu seinem geheimen Versteck darstellte, musste er trotz allem doch ein wenig verschnaufen. Wie lange war er schon nicht mehr hier unten gewesen? Jahrzehnte waren es mit Sicherheit.

 

Seine knochigen Finger, die fast schon an ein Skelett erinnerten, fuhren über die Symbole und Runen, die die ganze Tür bedeckten und tief in das dicke Holz gefräst waren. Geheime Zeichen und Schutzrunen, die das Versteck der Jäger vor den neugierigen Augen der Menschen und auch den Kräften der Hexen verbargen. Für alle anderen, außer ihn und seinesgleichen, war diese Treppe, die hölzerne Tür und die Kammern dahinter nicht zu finden. Die Reste der alten Burgruine am Rande des Stadtparks wurden von den meisten Menschen gemieden. Die wenigen Junkies und Obdachlosen, die sich hier ab und zu herumtrieben, waren nicht in der Lage, den Eingang überhaupt zu sehen.

 

Wenn man gegen Wesen kämpft, die dunkle Magie auf ihrer Seite haben, dann ist es nur recht, ebenfalls von solchen Kräften Gebrauch zu machen, um einen gewissen Ausgleich und eine Chancengleichheit zu schaffen.

 

Ein endloses Leben und große Stärke allein haben noch keine Hexe getötet, war der Wahlspruch von Alois Vater gewesen, der sich mit Freuden einen Dolch in die Brust rammte, um seinem Sohn all seine Macht zu übertragen. Im Gegensatz zu den Hexen, bei denen die Gaben vererbt wurden, geschah eine Weitergabe der Jägerkräfte nur dann, wenn der Vorfahre durch eine Hexe starb oder er ein altes Ritual samt Selbstmord vollführte. Der in der Blutlinie folgende Nachkomme erhielt dann die Kräfte und Fähigkeiten, die die Jäger vor ihm gesammelt hatten.

 

Alois fuhr mit den Fingern über die in das Holz eingelassenen Runen an der Tür. Die ausgewählten Symbole gaben ein kaum merkliches Glühen ab und als die letzte Rune korrekt ausgewählt war, schwang die Tür knarrend auf und gab den Weg frei.

 

Der kleine Raum, der sich hinter der Tür befand, wurde durch das Licht ewig brennender, magischer Fackeln erleuchtet. Er war angefüllt mit merkwürdigen Gerätschaften, Folterinstrumenten, Schränken und Tischen, auf denen sich allerlei Bücher stapelten. An einer der Wände hing ein ganzes Arsenal verschiedenster, martialisch anmutender Waffen. Von Schwertern und Äxten über Streitkolben bis hin zu antiken Schrotflinten war alles zu finden. Auch wenn die Sachen hier schon seit Jahren unbeachtet und ungenutzt hingen, so waren sie dennoch weder stumpf noch rostig. Nur eine feine Schicht Staub und einige Spinnweben zeugten davon, dass die Waffen schon längere Zeit nicht in die Hand genommen wurden.

 

Ein großer eiserner Käfig stand mitten im Raum. Um ihn herum waren in schattigen steinernen Boden ebensolche Zeichen eingelassen, wie sie an der Tür zu finden waren. Damals waren sie dazu gedacht, die Magie einer Hexe zu neutralisieren, und machten jetzt den Käfig in ihrem Zentrum vollkommen ausbruchsicher.

 

Heute allerdings saß keine Hexe hinter den Gitterstäben, sondern eine sehr stumpfsinnig dreinblickende männliche Person. Erde verkrustete ihre Kleidung und ihre Haut war merkwürdig wächsern und fahl.

 

Der Untote blickte kurz auf, als Alois in den Raum kam, und starrte dann wieder auf einen Punkt auf dem Fußboden. Sein Kiefer schien verletzt und baumelte locker und schief nach unten. Die rechte Schulter schien ebenfalls nicht sonderlich gesund und ließ den daran befindlichen Arm einfach nur schlaff nach unten hängen. Der glasige, leicht silbrige Blick des Zombies komplettierte seine schaurige Erscheinung.

 

Na, wie geht es uns denn heute?, fragte Alois in den Raum und erwartete nicht wirklich eine Antwort. Als der Untote dann doch ein Gurgeln von sich gab, trat der alte Jäger an den Käfig heran.

 

Was haben diese gewissenlosen Kreaturen nur mit dir gemacht? Unter welchen Fluch bist du geraten, dass du deinen Frieden nicht finden kannst?, fragte sich Alois.

 

Untote waren ganz eindeutig Hexenwerk. Und wenn eine solche Kreatur hier herumlief, dann konnte dies nur bedeuten, dass auch irgendwo in der Stadt eine Hexe versteckt war, die es zu finden galt. Und der Zombie oder vielmehr der Zauber, der auf ihm lag, würde Alois und seinen Verbündeten Piedro direkt zu ihr führen.

Kapitel 3

Die Auffahrt zu dem sehr pompösen Anwesen war mit leuchtenden Milchglaskugeln geschmückt, die ein wenig den Anschein einer Landebahn weckten. Wenn man ihnen folgte, dann wurde man direkt zur Eingangstür gelotst. Nicht, dass ein solches, optisches Leitsystem notwendig gewesen wäre, denn die offensichtlich ziemlich gute, basslastige Musik, die ein engagierter DJ machte, hörte man bis hinunter zum Parkplatz. Von der Musik her schien es eine gute Party zu werden.

 

Herr Korber hatte keine Kosten und Mühen gescheut. Seine kleine, aber sehr feine Stadtvilla war mit ausladender Weihnachtsdeko geschmückt, und man merkte sofort, dass seine hübsche junge Frau eine sehr kreative Raumausstatterin war. Selbst in dem kleinen Stufengarten, der hinauf zum Haus führte, waren überall liebevoll ausgewählte Accessoires zu finden. Neben romantischen Schneemännern mit rot-grün-gestreiften Schals und riesigen, dezent leuchtenden Schneeflocken, gab es noch eine sehr detaillierte Rentierfamilie und einen lebensechten Weihnachtsmann. Alle Dekorationen waren sehr großzügig verteilt, um nicht den Eindruck eines kitschigen amerikanischen Vorgartens zur Weihnachtszeit zu erwecken.

 

“Und du bist wirklich der Meinung, dass ich nicht overdressed bin?”, fragte mich Lexa verunsichert, als sie den Saum ihres langen eleganten schwarzen Kleides anhob, um die Treppen hinauf zu steigen.

 

“Nein, ganz und gar nicht. Du siehst wirklich hinreißend aus”, sagte ich und ließ sie bei mir einhaken.

 

Lexa in ihrem Kleid und ich in meinem klassischen Smoking wären bestimmt auch gut als angesagtes Society-Pärchen durchgegangen. Allerdings fühlte ich mich in dem edlen Anzug genau so unwohl, wie Lexa in ihrer Abendrobe.

 

Das Haus war von außen mit verschiedenfarbigen Strahlern angeleuchtet und die Fenster mit silbernem und weißem Spray verziert, das künstliche Eisblumen erzeugte.

 

Als wir herein kamen stand schon Sabine, die Frau meines Vorgesetzten, an der Tür und hielt uns ein Tablett mit Sekt und O-Saft-Schorle hin.

 

“Marius! Schön sie hier zu haben. Und Ihre Begleitung ... ähmmm ...”, begrüßte sie uns freundlich und kam dann etwas ins Stocken.

 

“Lexa”, half ihr die junge Hexe auf die Sprünge.

 

“Ach ja, verzeihen Sie”, sagte Frau Korber und lächelte ein wenig verlegen.

 

“Dann scheint ja mein Auftritt vom letzten Jahr doch nicht jedem im Gedächtnis geblieben zu sein, so wie Marius immer erzählt.”

 

Frau Korber dachte kurz nach und lächelte dann leicht. “Wissen Sie was? Ich muss gestehen, ich hätte Sie am liebsten angerufen und gefragt, wo sie dieses außergewöhnliche Kleid her hatten.”

 

“Ich kann es ihnen ja in einer ruhigen Minute mal erzählen”, sagte Lexa und schnappte sich zwei Sektgläser vom Tablett, von denen sie mir eines reichte. Ich ließ meine Smokingjacke gleich an der Garderobe und dann stürzten wir uns direkt ins Getümmel.

 

Es waren schon fast alle eingeladenen Gäste erschienen und die Villa der Korbers schien förmlich aus allen Nähten zu platzen. Die Musik mache sinnvolle Unterhaltungen im geräumigen Wohnzimmer fast unmöglich und so bewegte man sich ein wenig zur guten, weihnachtlich angehauchten Housemusik und nippte an seinem Willkommensdrink. Ich begrüßte meine Kollegen und fragte mich, ob Felix schon da war, als ich ihn in der großen Küche entdeckte.

 

Er lehnte an dem großen Küchenblock, der frei im Raum stand und von einer top modernen Abzugshaube gekrönt wurde, die sicherlich ein ganzes Monatsgehalt von mir gekostet hatte. Auch er trug Hemd, Anzug und Krawatte, allerdings lag sein Jackett neben ihm über einem Barhocker. Die Ärmel seines Hemdes waren locker hochgekrempelt und er trug wieder seine verzierten und flochtenen Lederarmbänder.

 

Einige Meter von ihm entfernt stand ein großer dunkelhaariger Typ. Gutaussehend und auf den ersten Blick durchaus charismatisch, wie ich zugeben musste. Lautstark und mit weit ausladenden Gesten schilderte er einer kleinen Gruppe von Menschen, die sich um ihn gebildet hatte, wie es denn so war, als Schauspieler am Theater zu arbeiten und welche Erfüllung es doch war, im Applaus und dem Wohlwollen der Massen zu baden.

 

Schwülstig und viel zu philosophisch warf er mit Metaphern um sich und ich hatte nach zwei Sätzen schon genug von seinem selbst beweihräuchernden Monolog. Während Lexa und ich uns zielstrebig auf Felix zubewegten, der ein wenig abwesend auf sein Sektglas starrte, drängte Kira sich in unseren den Weg.

 

“Hey ihr beiden!” rief sie ziemlich laut, um gegen die Bässe und den unaufhörlichen Redefluss der anderen Gäste anzukommen.

 

Kira und Lexa fielen sich sogleich um den Hals. Küsschen hier und Küsschen da. Dann machte Kira einen Schritt zurück und betrachtete die Frau mit den gebändigten Dreadlocks von oben bis unten.

 

“Unglaublich. Dein Kleid, die Haare. Einfach alles perfekt. Ach ja … wenn ich jetzt vom anderen Ufer wäre, würde ich dich sofort abschleppen. Du siehst hinreißend aus”, sagte meine Kollegin anerkennend.

 

Lexa wurde bei so viel Lob zusehends rot und sagte dann zu Kira: “Dein Outfit ist aber auch der absolute Hammer. Dieses leuchtende Rot und dieser elegante Paillettenstreifen. Da gibt es nur eine Kleinigkeit, die da zur Abrundung noch fehlt.”

 

“Und das wäre?”, fragte Kira neugierig.

 

“Ein passender Cocktail mit Grünzeugs und einem Schirmchen.”

 

“Ahh, ja. Da könntest du recht haben. Dann sollten wir wohl erst einmal einen Abstecher zur Cocktail-Bar machen.”

 

Die beiden jungen Frauen zogen von dannen und ich wollte mich gerade wieder Felix zuwenden, als ich feststellen musste, dass er nicht mehr da war.

 

Ein wenig enttäuscht machte ich mich auf die Suche nach ihm, doch weder in der großen Lounge mit den unglaublich gemütlichen Ledersesseln, noch im zum Tanzsaal umgebaute Owhnzimmer beim DJ war er zu finden.

 

Ich erinnerte mich daran, dass es ja auch noch die hintere Terrasse gab und tatsächlich, als ich die Tür öffnete und in die kalte Nacht hinaus ging, stand Felix dort am Geländer und starrte in die endlose Schwärze des Nachthimmels. Sein warmer Atem stieg in kleinen Wölkchen auf. Ihm musste kalt sein so ohne sein Jackett.

 

“Ist das nicht etwas kühl, so ohne Jacke?”, fragte ich ihn und stellte mich neben ihn ans Geländer.

 

“Das selbe könnte ich dich auch fragen, Marius. Du trägst doch auch nur ein Hemd”, konterte der Rothaarige und klang irgendwie gereizt.

 

“Warum bist du nicht drinnen bei deinem Schatz? Er scheint doch ein paar ganz interessante Themen zu haben.”

 

“Sicher. Wenn man es das erste Mal hört, dann ist es bestimmt noch spannend, doch in den letzten Monaten, hat Udo gar kein anderes Thema mehr, außer seine Rollen beim Theater.”

 

Ich konnte deutlich sehen, dass Felix ziemlich geknickt war. Er zog eine verchromte Zigarettenbox aus der Hosentasche und wühlte in der anderen nach einem Feuerzeug.

 

“Du rauchst?”, fragte ich ein wenig überrascht, da ich ihn in den Tagen in der Redaktion noch nicht dabei gesehen hatte.

 

“Naja, wenn ich gefrustet bin oder aufgeregt oder zum runterkommen. Also quasi ein Gelegenheitsraucher. Aber ohne Feuer wird das eh nichts und ich habe momentan keine Lust mein Feuerzeug von drinnen zu holen.“

 

“Ich könnte dir Feuer geben”, schlug ich vor.

 

Felix hob anerkennend die Augenbrauen, nahm eine Zigarette aus der Box und steckte sie sich in den Mund.

 

Ich murmelte leise und für Felix kaum hörbar einen kleinen Zauberspruch und kurz darauf tanzte auf der Fingerspitze meines Zeigefingers ein kleines Flämmchen.

 

Felix entzündete sich seinen Glimmstängel und ich schüttelte mir die Flamme vom Finger.

 

“Wie cool. Ich mag Zaubertricks”, sagte Felix anerkennend. “Verrat mir nicht, wie du das gemacht hast, ich will die Illusion behalten. Wusste gar nicht, dass du ein Zauberer bist, Marius Muun.”

 

“Naja, so ein kleiner Trick hat ja nichts mit wahrer Magie zu tun”, versuchte ich meinen Zauber etwas herunter zu spielen.

 

“In meinen Augen schon. Ich finde so etwas toll und faszinierend. Es gibt da so einen Straßenzauberer im Fernsehen, der kann Handys in Glasflaschen zaubern und so einen Kram. Aber das hier, live und mit eigenen Augen zu sehen, finde ich viel besser.”

 

Nun wurde ich tatsächlich etwas verlegen.

 

“Ich mag das“, sagte er. „Ich mag so Verrückte und abgedrehte Sachen. Udo ist da dann doch eher … bodenständig und zielstrebig.” Es klang sehr nach Bedauern und ich spürte einen Hauch von Melancholie, die wie eine Welle zu mir herüberwaberte. “Nun, ich liebe ihn und eigentlich mag ich auch seine Art. Immerhin habe ich mich auf Grund dessen überhaupt an ihn heran gemacht. Aber irgendwie scheint Udo kein Maß zu finden und ist dann so auf sich fixiert, dass er gar nicht merkt, dass die anderen ihm nicht mehr zuhören oder von ihm genervt sind. Früher war mir das egal. Ich hing quasi an seinen Lippen und habe jedes seiner Worte in mich aufgesaugt, doch jetzt …”

 

Ich sah Felix verständnisvoll an. Irgendwie tat er mir leid und ich hatte nicht übel Lust, diesem Udo mal die Meinung zu geigen. Allerdings hatte ich mir auch ganz fest vorgenommen, mich nicht in die Beziehung anderer einzumischen. Besonders nicht in die von Felix, denn das würde vollkommen nach hinten losgehen. Ich würde mich wohl nicht zurückhalten können und mich selbst an ihn heranmachen. Und das wollte ich zwar, sollte ich aber nicht.

 

“Ach, was erzähle ich dir das alles?“ Felix sah mich an. „Sorry. Ich wollte dich nicht volltexten. Hatte wohl schon ein paar Sekt zu viel”, entschuldigte er sich bei mir, nahm einen kräftigen Zug von seiner Zigarette und blies den Rauch hinauf in den Nachthimmel.

 

Ich spielte den Verständnisvollen. “Aber er macht eigentlich einen ganz netten Eindruck und gut aussehen tut er auch.”

 

“Auch im Bett ist er toll. Aber das reicht manchmal nicht für eine Beziehung. Unterschiede ziehen sich an, aber wenn überhaupt keine Gemeinsamkeiten vorhanden sind …”

 

Felix vollendete den Satz nicht, denn in diesem Moment wurden die Bässe wieder lauter, da jemand die Terrassentür geöffnet hatte und zu uns nach draußen kam. Es war Udo, der mit einem Glas Bier und einer ziemlich dicken Zigarre.

 

“Ach hier bist du. Ich habe dich schon überall gesucht.”

 

Udo stellte das Bierglas auf der Balustradeab und zog ein verchromtes Feuerzeug aus der Tasche, womit er sich die Zigarre anzündete.

 

Nachdem er einige dicke Rauchringe produziert hatte, gab er Felix das Feuerzeug, welches wohl zu der Zigarettenbox gehörte.

 

“Und wer ist das?”, fragte Udo und musterte mich ebenso abschätzig wie ich ihn wohl angesehen haben musste.

 

“Das ist mein neuer Arbeitskollege Marius Muun”, antwortete Felix und stellte uns einander vor.

 

Udo reichte mir seine Hand und ich erwiderte den Handshake. Er hatte einen kraftvollen, selbstsicheren Händedruck.

 

Etwas in mir schrie und tobte. Etwas, das unbedingt wissen und sehen wollte. Spürbare und unbändige Neugier, mit der ich schon mehr als vertraut war und die ich nicht kontrollieren konnte, wenn sie mich so bedrängte. Vollkommen entfesselt, wie ich sie noch nie erlebt hatte. Es war fast, als ob mich irgendetwas drängte, der Vision nachzugeben. Zuzulassen, dass ich in Udos Zukunft eintauchte. Zu wissen, was bei ihm geschehen würde.

 

Dieses Gefühl in mir brauchte nur Bruchteile von Sekunden, um meinen Verstand so weit zu beeinflussen, dass ich meine guten Vorsätze über Bord warf und kurzerhand doch einen Blick risikierte.

 

Das altbekannte Kribbeln erfasste mich und ich presste die Augen zusammen, um die beiden Männer mir gegenüber nicht zu erschrecken. Dann tauchte ich auch schon ab und glitt durch das gleißende eisige Blau hinüber in Udos Zukunft.

 

Was mich auf der anderen Seite allerdings erwartete war ungewöhnlich.

 

Ich befand mich im Theater. Irgendwo im Bereich hinter der Bühne. Gänge und Türen. Überall standen Kisten herum und Ständer mit in Folien eingepackten Kostümen und Requisiten. Grelle Neonröhren tauchten den Flur in ein ungemütliches Licht. Ich blickte mich um und sah niemanden. Normalerweise befand ich mich immer in direkter Nähe der Person, in deren Zukunft in mich gerade befand, doch von Udo war keine Spur zu finden. Ich begann den Gang entlang zu laufen und konnte mich frei und ungehindert bewegen und umsehen, was für meine Visionen auch eher untypisch war. Es war viel klarer als sonst, als wäre ich wirklich dort.

 

Ich sah mich in den Räumen um, die rechts und links vom abzweigten, und dann zog es mich eine kleine Treppe nach unten, die zu einer halbhohen, nur angelehnten Tür führte.

 

Vorsichtig öffnete ich sie ein wenig weiter und gelangte so in den Raum unter der Bühne. Die Decke war sehr niedrig, so dass ich leicht gebückt gehen musste. Hier unten war allerlei Technik zu finden, Kabel verliefen über dem Fußboden.

 

Im vorderen Teil des Raumes hörte ich ein Aufstöhnen und schlich weiter voran, nur um dann Zeuge einer ziemlich eindeutigen Situation zu werden, die auch perfekt in einen ziemlich schmuddeligen Porno gepasst hätte.

 

Udo lag halb nackt auf einem großen Stapel weicher Decken, die hier wohl lagen, um den Akteuren, die durch eine kleine Falltür darüber von der Bühne verschwanden, ein weiches Aufkommen zu ermöglichen.

 

Der ältere Kerl lag auf dem Rücken und stöhnte sehr hingebungsvoll, während ein blutjunger Typ, der wahrscheinlich gerade so eben achtzehn war, seinen knackigen Hintern verführerisch auf seinem Schoß kreisen ließ. Der junge, schlanke Bengel war ebenfalls nackt und hielt sich beim Stöhnen ebenfalls nicht zurück. Von meinem Blickwinkel aus hatte ich den besten Blick auf den Arsch des Burschen und natürlich auch auf Udo prallen Riemen, der immer wieder und wieder in dem kleinen geröteten Loch verschwand.

 

“Du bist mindestens genau so eng wie dein Kumpel Justus”, stöhnte Udo, während er mit seinen großen kraftvollen Händen die Arschbacken des Bengels noch weiter auseinander zog. “Ihr mit euren heißen kleinen Knackärschen macht mich immer vollkommen rattig. Kein Wunder, dass ich mich da nicht beherrschen kann!”

 

“Meinst du, wenn ich nicht gewusst hätte, dass ich dich damit scharf mache, hätte ich mir diese hässlichen, hautengen Strumpfhosen angezogen? Benni und Carl hatten vollkommen recht, du bist ein absolut geiler Fick!”, brachte der junge Typ stoßweise hervor, während Udo unter ihm keinen harten Stoß ausließ.

 

Mir schwirrte der Kopf und ich fragte mich schon fast, wann diese Vision endlich ein Ende finden würde oder ob ich mir das heftige Treiben vor mir bis zum bitteren Ende ansehen musste. Doch im selben Moment verging das Alles wieder in gleißendem Licht und ich kehrte geistig wieder auf die Terrasse meines Chefs zurück.

 

“Alles in Ordnung?”, hörte ich Felix sanfte Stimme, während ich mir die Augen rieb und noch ein wenig wackelig auf den Beinen war.

 

“Ja, alles bestens. Ich habe nur etwas ins Auge bekommen”, antwortete ich und ließ noch einen Moment die Augen geschlossen, um sicher zu sein, dass das Leuchten wieder aufgehört hatte.

 

“Brauchst du vielleicht etwas zum spülen? Soll ich dich ins Badezimmer bringen?”, fragte Felix besorgt, während Udo beschwichtigend sagte: “Nun lass den Mann doch in Ruhe. Du musst ihn mit deiner übertriebenen Fürsorge ja nicht gleicht erdrücken.”

 

“Ist … ist schon gut”, sagte ich, blinzelte und tat so, als ob wieder alles in Ordnung wäre. “Ich glaube, der Krümel ist wieder weg.”

 

Als ich allerdings Felix vollkommen verdatterten Blick sah, wusste ich sofort Bescheid. Sein Macker stand wieder an der Brüstung und paffte unbeirrt seine Zigarre weiter. Den Spruch, den er seinem Liebsten gegenüber gerade losgelassen hatte, musste Felix anscheinend erst einmal verdauen, denn er stand wie von Donner gerührt da und sagte erst einmal gar nichts mehr.

 

Auch ich konnte nach dieser heftigen Vision keinen klaren Gedanken fassen. Udo, der alte Wichser, vögelte sich durch das gesamte Theater-Ensemble und verarschte Felix von vorne bis hinten. Was sollte ich ihm denn jetzt sagen? Wie sollte ich mich verhalten?

 

“Wo willst du denn hin?”, rief mir Felix hinterher, als ich von einer unerklärlichen Panik erfasst von der Terrasse stürmte, den Vorgarten und die Weihnachtsdeko hinter mir ließ und zu meinem Wagen hetzte.

 

“Marius!”, hörte ich ihn noch rufen, doch ich konnte ihm jetzt nicht gegenübertreten. Sonst würde ich ihm alles erzählen und das ging gerade nicht. Ich musste mir zuerst einmal selbst im Klaren darüber werden, wie ich mit dem Gesehenen umging. Ich hörte ihn noch ein paar mal rufen und dann seine knirschenden Laufschritte auf dem weißen Kies irgendwo hinter mir. Doch ich drehte mich nicht um. Hastig holte ich meinen Autoschlüssel aus der Hosentasche, stieg ein und brauste davon, ohne auch nur einmal zurück zu blicken.

 

Ich konnte mich kaum auf das Fahren konzentrieren. Dass ich überhaupt unbeschadet zu Hause ankam, grenzte an ein Wunder. Meine Gedanken rasten und ich sah immer wieder Udo und diesen jungen Bengel vor meinen Augen.

 

Was sollte ich jetzt machen? Wenn ich zu Felix ging, dann wäre seine erste Frage: Woher ich es wüsste? Und dann müsste ich ihm mein Geheimnis offenbaren. Andererseits konnte ich ihm den Betrug doch auch nicht vorenthalten. Wenn ich mir vorstellte, wie er es selbst nach einiger Zeit herausfindet und dieser schnöselige Udo ihm sein Herz brechen wird, wurde ich ganz rasend vor Zorn.

 

Felix, DER Mann für mich. Ein absoluter Traumtyp und unglaublich sympathisch. Und dann war er mit so einem Arschloch zusammen und ich konnte nichts dagegen tun. Sollte ich meine Vorsätze einfach über Bord werfen und Magie zu Hilfe nehmen? Im Grunde war es ja nicht selbstsüchtig oder ausschließlich zur eigenen Bereicherung, sondern ich bewahrte so einen anderen Menschen vor seelischen Qualen.

 

Kurz nach mir kam auch Lexa nach Hause. Sie und Kira standen in der Tür, ich kam mit zerrauften Haaren, gelockerter Fliege und halb offenem Hemd aus dem Wohnzimmer. Ich fühlte mich nicht nur elend, ich musste auch so ausgesehen haben, denn Kira fragte gleich ganz besorgt: “Alles in Ordnung bei dir? Du warst so schnell weg.”

 

“Ja, ja. Alles in Ordnung. Ich hatte nur einen ganz heftigen Migräneanfall und musste nach Hause. Geht aber langsam wieder”, log ich und hielt mir zur Unterstreichung meiner Lüge den vermeintlich schmerzenden Kopf.

 

“Ich bleibe hier und passe auf”, sagte Lexa und nahm mich stützend in den Arm.

 

“Na gut. Dann fahre ich zurück und sage Herrn Korber und den anderen, dass du dich nicht wohlfühlst. Der Chef hatte sich schon Sorgen gemacht, dass dir die Partyhäppchen seiner Frau nicht bekommen sind.“

 

Ich lächelte gespielt zaghaft, stöhnte ein wenig leidend und dann war Kira auch schon wieder verschwunden.

 

“Was war denn wirklich los?”, fragte Lexa, als wir dann alleine waren und ich nervös durch die Wohnung tigerte.

 

“Hast du den ätzenden Freund von Felix gesehen?”, fragte ich.

 

“Den Kerl mit der Zigarre und den ständigen, nervenden Anekdoten über seine Schauspielerkarriere?”

 

“Genau den.”

 

“Und? Was war mit dem?”

 

“Ich habe einen Blick in seine Zukunft geworfen und so wie es aussieht, vögelt er sich quer durch die ganze Belegschaft seiner Theatertruppe. Ohhh Mann! Ich kann es mir bildlich vorstellen, wie Felix zu Hause ist, etwas nettes für seinen hart arbeitenden Schauspieler kocht und dieser in der gleichen Zeit bis zu den Eiern in irgendwelchen jungen Bubis steckt, die da mit ihm zusammenarbeiten.”

 

“Und warum sagst du es ihm nicht einfach?”

Ich schnaubte verächtlich.

“Wirklich, Lexa, ein ganz toller Plan. Und dann erzähle ich ihm auch gleich noch, dass ich eine Hexe bin und es in einer magischen Vision gesehen habe. Felix wird mich für verrückt erklären und sofort zum Mond schießen, bevor ich überhaupt eine Chance bei ihm habe.”

 

“Und was ist, wenn du es ihn selbst herausfinden lässt?”

 

“Wie meinst du das?”, fragte ich Lexa interessiert und war plötzlich ganz Ohr.

 

“Naja, du findest heraus, wann der Schauspieler es mit dem Bengel treibt und dann bist du ganz zufällig auch im Theater, und ihr, beziehungsweise Felix, erwischt seinen umtriebigen Theaterhengst inflagranti.”

 

Ich dachte kurz nach. Die Idee war einfach, aber genial. Ich musste nur noch herausfinden, wann Udo fremd ging und dann könnte ich es arrangieren, dass Felix ihn auf frischer Tat ertappte.

 

“Vielleicht musst du diesen Udo noch einmal treffen und dann wieder in seine Zukunft schauen, um noch mehr Einzelheiten zu erfahren.”

 

Das klang in meinen Ohren nach einem ziemlich gerissenen Plan.

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Rechtliches

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Rufus Bärenfänger - März 2015

 

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Coverphoto von Mike'ee Watson / 76imagery

 

 

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Impressum

Tag der Veröffentlichung: 20.01.2015

Alle Rechte vorbehalten

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