Cover

Leseprobe

Liebesroman

BIG FOUR

Ein Anwalt zum Verlieben

„Big Four“-Reihe Band 3

von Aurelia Velten

 

 

 


1. Auflage

Deutsche Erstveröffentlichung Dezember 2020

Copyright © der Originalausgabe 2020 by Aurelia Velten,
c/o Hippomonte Publishing e.K. (Impressumservice), Gradmannstraße 7, 88213 Ravensburg

Coverdesign: Hippomonte Publishing e.K.

Covermotiv: Mann ©️ by MrCat.com.ua, www.depositphotos.com (Stockfoto-ID: 49935891)

Korrektorat: SW Korrekturen e.U., www.swkorrekturen.eu

 

Alle Rechte vorbehalten – Nachdruck ist auch auszugsweise nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin Aurelia Velten gestattet. Dieses Buch ist ein Werk der Fiktion. Jegliche Ähnlichkeit mit tatsächlichen Ereignissen, lebenden oder toten Personen ist rein zufällig. Die in diesem Buch erwähnten Markennamen und Warenzeichen sind Eigentum ihrer rechtmäßigen Eigentümer.

 


INHALTSVERZEICHNIS

 

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Danksagung

Über die Autorin

Leseprobe aus „Big Four“ Band 4

 

 


Für euch.

Ich wünsche euch frohe Weihnachten! Lasst euch nicht unterkriegen!

 

Kapitel 1

Sarah

Genießerisch sog ich die Luft ein. Der Duft nach frisch gebrautem Kaffee erfüllte die Küche, zur Weihnachtszeit hatte ich mir extra meinen heißgeliebten Pumpkin Spice Coffee zugelegt. Mit geschlossenen Augen nahm ich einen neuen Atemzug, bevor ich die Lider wieder hob und mich dem Tag stellte.

Automatisch glitt mein Blick zum Küchenfenster, durch das ich direkt auf den gegenüberliegenden Flügel des Gebäudes sehen konnte. Ich wohnte erst seit Kurzem in diesem Apartment, das moderne Hochhaus war wie ein Hufeisen gebaut; schon nach ein paar Tagen war mir eine der Wohnungen von gegenüber besonders aufgefallen. Zunächst hatte ich geglaubt, dass dort ein Bachelor lebte, der ständig neue Frauen mit nach Hause brachte. Doch bald hatte ich festgestellt, dass die Wohnung nicht nur von einem Mann genutzt wurde, sondern gleich vier Männer dort ihre Errungenschaften des Abends hinbrachten. Ihnen schien nicht bewusst zu sein, dass ich von meiner Küche aus direkt in ihr Wohnzimmer blicken konnte. Aber selbst wenn, so schamlos wie diese Mistkerle waren, würde es sie bestimmt nicht einmal stören …

Ungläubig beobachtete ich, wie auch an diesem Morgen eine hübsche, junge Frau aus dem Schlafzimmer ins Wohnzimmer trat. Sie hatte dasselbe Kleid an, mit dem sie am Abend zuvor die Wohnung betreten hatte. Ihr Haar war zerzaust, hastig schlüpfte sie in High Heels, bevor sie durch zur Wohnungstür huschte und dadurch verschwand. Vor ihrem Walk Of Shame hatte sie offensichtlich nicht einmal Zeit gehabt, zu duschen, hatte bestimmt verschwinden wollen, bevor ihr Bettgefährte aufwachte.

Ich hatte meinen Kaffee bis zur Hälfte ausgetrunken, als der Mann, der das Apartment gerade nutzte, ebenfalls das Schlafzimmer verließ. Es war der Brünette mit den fast schwarzen Augen, ein selbstzufriedenes Lächeln zuckte an seinen Lippen.

Am liebsten wäre ich der Blondine von zuvor hinterhergerannt, um ihr zu sagen, dass sie sich ja keine Hoffnungen machen sollte, weil der Kerl sie auf keinen Fall anrufen würde. Die Männer aus der Wohnung von gegenüber brachten nie dieselbe Frau zweimal mit nach Hause.

Angewidert schüttelte ich den Kopf und wandte den Blick ab. Um mir den Morgen nicht verderben zu lassen, nippte ich erneut an meinem Pumpkin Spice Coffee und ließ mir den süßen, würzigen Geschmack auf der Zunge zergehen.

Auf der Küchentheke stand mein Laptop bereit; kaum hatte ich ihn aufgeklappt, kam bereits ein Videoanruf durch. Sofort drückte ich auf Annehmen. Im direkten Anschluss teilte sich der Bildschirm in zwei Aufnahmen, rechts sah ich die eine, links die andere meiner Geschäftspartnerinnen. Lynn und Estelle lächelten mir entgegen.

„Hey, ihr zwei!“, sagte ich, auch meine Mundwinkel zeigten nach oben.

„Hi, Sarah!“, entgegneten die beiden wie im Chor.

„Und? Welcher Kerl ist an diesem Morgen in der Wohnung?“, fragte Lynn, sie schien geradezu vor Neugierde zu platzen.

In den letzten Wochen war der Blick aus meinem Küchenfenster wie zu einer Reality-Show für uns geworden. Immer wenn wir telefonierten oder eine Videokonferenz hielten, erkundigten sich meine Freundinnen nach den Bachelors von gegenüber.

Ein amüsiertes Lachen drang über meine Kehle. „Der Braunhaarige mit den dunklen Augen ist gerade aufgestanden“, sagte ich.

„Aaah, Mister Dark“, antwortete Estelle.

Damit wir die Männer während unserer Gespräche besser auseinanderhalten konnten, hatten wir ihnen Namen gegeben. Mister Dark, Mister Arrogant, Dreamy Eyes und Dr. Workaholic.

„Ich wünschte, ich könnte die Frauenwelt vor den vier warnen.“ Kaum hatte ich die Worte ausgesprochen, kam ein Seufzen über meine Lippen.

„Wieso vier?“ Lynn runzelte die Stirn.

Estelle wollte wissen: „Ich dachte, der eine bringt keine Frauen mit in die Wohnung. Hat sich das geändert?“

„Nein, stimmt schon“, gab ich zu. „Aber allein, dass er die Wohnung nutzt, auch wenn er immer alleine ist, zeigt doch, dass er dazugehört. Er weiß bestimmt, was seine Kumpel dort treiben.“ Ich zuckte mit den Schultern, für mich waren sie alle gleich.

„Ja, ganz unschuldig kann er wirklich nicht sein.“ Lynn nickte bedächtig.

„Ich bin gespannt, wann die Frauen ihnen auf die Schliche kommen.“ Ein schiefes Grinsen erhellte Estelles Gesicht.

Genau das war der Grund, warum meine beiden Freundinnen ständig nach den Männern von gegenüber fragten – sie waren schlichtweg neugierig und gierig auf das Drama, das sich bestimmt schon bald entfalten würde. Würde den Kerlen nur Recht geschehen, wenn die Frauen ihnen auf die Schliche kämen und sich an ihnen rächen würden, dachte ich.

Ein hämisches Grinsen zuckte an meinen Mundwinkeln. „Ich kann es kaum erwarten“, stimmte ich zu.

„So, dann lasst uns zum Geschäftlichen übergehen“, meinte Lynn.

Nachdem ich genickt hatte, nahm ich einen weiteren Schluck meines Kaffees, um endlich richtig wach zu werden, und zog das Notizbuch über die marmorne Arbeitsplatte zu mir. Vor der Kücheninsel standen ein paar Barhocker, auf einen davon ließ ich mich nieder. Mit dem Büchlein vor mir, einen Kugelschreiber in der Hand, sah ich meinen Freundinnen auf dem Laptopbildschirm entgegen.

„Dann lasst mal hören!“ Erwartungsvoll hob ich die Brauen.

Gemeinsam leiteten wir die Firma Womantasy, die Sex-Toys herstellte mit dem Ziel, jegliche Frauenfantasie, woman fantasy zu erfüllen. Zu Weihnachten boten wir in unserem Onlineshop eine Sexy Christmas Box an. Diese beinhaltete nicht nur die beliebtesten Spielzeuge aus unserem Katalog, sondern auch einige weihnachtliche Goodies und sogar einen erotischen Liebesroman der Bestsellerautorin Phönix Savas – also alles, was frau für einen heißen Abend allein gebrauchen konnte.

„Eigentlich fehlen nur noch zwei Produkte“, sagte Lynn.

Estelle nickte zustimmend. „Der Rest steht. Am zwanzigsten Dezember können die Boxen wie geplant verschickt werden.“

„Du kümmerst dich um die Vibrationshöschen?“, fragte ich, während ich die Notiz dazu in meinem schlauen Büchlein einkreiste. „Und ich kümmere mich um die Sugar Cookies.“

Lynn und Estelle kicherten. „Ich liebe meinen Job!“, rief letztere, ein amüsiertes Glänzen in ihren Augen. „O ja, ich kümmere mich um die Vibrationshöschen.“

Kurz darauf begannen wir drei laut loszuprusten.

Auch ich liebte meinen Job, genoss die Freiheit, von zu Hause aus arbeiten zu können, mochte die Tatsache, anderen Frauen auf gewisse Weise mehr Freiheit zu schenken und dem Glauben, nur mit einem weißen Ritter an der Seite glücklich sein zu können, entgegenzuwirken. Automatisch dachte ich an die vier Kerle von gegenüber. Männer sind Mistkerle. Wer brauchte sie schon? Mit unserer Firma waren wir auf der Mission, Frauen zu zeigen, dass sie auch gut allein zurechtkamen.

„Heute Vormittag treffe ich mich mit der Bäckerei, die die Sugar Cookies herstellt. Der Kerl am Telefon klang ganz schön verschüchtert.“

Erneut lachten meine Freundinnen auf. Wie ich waren sie es gewohnt, andere Menschen zu schockieren oder gar zu empören.

„Ich bin gespannt, ob die Bäckerei unseren Beschreibungen gerecht werden kann.“ Anzüglich wackelte ich mit den Augenbrauen, schließlich hatten wir eine etwas spezielle Form und Dekorationswünsche.

Für die Sexy Christmas Box sollte alles perfekt sein, wir achteten auf jedes Detail, von der Verpackung bis zum Inhalt. Unser Unternehmen war klein, aber eben wegen ihrer Detailverliebtheit und den frischen, frechen Marketinggags erlangten wir mehr und mehr Bekanntheitsgrad in den USA.

Ich hatte BWL mit Schwerpunkt Marketing studiert und liebte es, solche Gags zu entwickeln. Lynn war Fotografin, sie kümmerte sich um das Instagram-Profil von Womantasy, das keinesfalls jugendfrei war, aber verdammt viel Spaß machte und bei unseren Kundinnen mehr als gut ankam. Estelle war das Zahlengenie, aber auch ein bisschen das Mädchen für alles. Sie plante unsere Finanzen und handelte die Deals mit den Zustellern aus.

„Ich bin auch gespannt“, sagte Estelle

Lynn nickte. „Berichte später und zeig uns vor allen Dingen Fotos!“

„Werde ich machen.“ Wenn ich ehrlich war, konnte ich es kaum erwarten, die Cookies zu sehen. „Wie laufen die Vorbestellungen der Box?“

Während ich auf dem Barhocker herumrutschte, um eine bequemere Position zu finden, konnte ich beobachten, wie Estelle auf ihrer Tastatur herumtippte. Ihr Blick war nicht mehr direkt auf die Kamera gerichtet, stattdessen überprüfte sie bestimmt eine ihrer tausend Tabellen.

„Wir haben schon jetzt unser Ziel erreicht, das haben wir deiner Social-Media-Kampagne und Lynns genialen Bildern zu verdanken.“

„Wenn die Cookies so gut aussehen wie erhofft, dann werden die auf Instagram gehörig für Aufmerksamkeit sorgen.“ Lynns Ton war voller Vorfreude, die ich nur teilen konnte. „So werden wir noch mehr Boxen verkaufen.“

„Das wird ein großer Erfolg, Mädels!“ Estelle grinste breit, sodass ihre vollen Lippen betont wurden. „Ich bin stolz auf uns und die Sexy Christmas Box war eine super Idee, Sarah! Das beschert uns sozusagen einen dicken Weihnachtsbonus.“

In den nächsten zehn Minuten besprachen wir weitere Social-Media-Strategien, kauten die Zahlen durch und verabschiedeten uns schließlich voneinander, denn ich hatte es langsam eilig, mich fertig zu machen, damit ich in die hiesige Bäckerei fahren konnte.

Ich war nicht gerade ein Morgenmensch, hatte es für unsere Videokonferenz gerade mal so geschafft, den Kaffee zu machen und meinen geliebten Morgenmantel überzuziehen. Nachdem wir unsere Konferenzschaltung beendet hatten, ging ich ins Badezimmer, um zu duschen.

Vor dem Spiegel nahm ich eine Bürste und kämmte mein karamellfarbenes Haar durch. Die dicken, widerspenstigen Strähnen waren nicht gerade leicht zu bändigen. Wie fast jeden Morgen flocht ich sie zu einem langen seitlichen Zopf, der mir bis zur Brust reichte. Kurz darauf schminkte ich mir noch die Augen, sodass das Blau meiner Iriden besonders betont wurde, und ging schließlich zurück in das angrenzende Schlafzimmer.

Weil ich nun einmal einen Geschäftstermin hatte, schmiss ich mich in eine schwarze Jeans und eine schicke, weiße Bluse. Dazu wählte ich ein paar Stiefeletten und zog schließlich meinen langen, dicken Mantel an. Nachdem ich das Tablet in meine Handtasche gepackt und meinen wiederverwendbaren Coffee-to-go-Becher befüllt hatte, war ich bereit zum Aufbruch.

Sobald ich das Apartment verlassen hatte, schloss ich die Tür hinter mir ab und ging durch den Gang hinab zu den Aufzügen. Schon von Weitem sah ich die mir entgegenkommende, hochgewachsene Gestalt. Ein paar Schritte weiter erkannte ich, dass es sich um Mister Dark aus der gegenüberliegenden Wohnung handelte. Automatisch presste ich die Lippen zusammen, konnte die Kerle einfach nicht leiden. Sie erinnerten mich zu sehr an ihn. An ihn, an den ich nicht denken wollte.

Ausgerechnet mit Mister Dark musste ich denselben Aufzug betreten, auch wenn es insgesamt drei Stück gab. Allerdings hielt nur einer auf unserem Stockwerk – es wäre albern gewesen, nicht mit ihm zusammen einzusteigen und stattdessen auf den nächsten zu warten. Der Kerl kannte mich nicht einmal, wusste nicht, dass ich ihn nicht leiden konnte.

Während ich vermutlich dreinblickte, als hätte ich in eine Zitrone gebissen, warf er mir ein überhebliches Lächeln zu – vielleicht ahnte er doch, was ich von ihm hielt. Im Stillen rollte ich die Augen, konnte es kaum erwarten, den Aufzug wieder zu verlassen. Im Innern wurde Weihnachtsmusik gespielt, die mir zusätzlich auf die Nerven ging. Eigentlich hatte ich die Jahreszeit immer ganz besonders gemocht, doch während der letzten Feiertage hatte sich das gravierend geändert.

Ungeduldig tippte ich mit der Fußspitze auf den Boden des Aufzugs, behielt die Anzeige der Stockwerke die ganze Zeit über im Auge, bis wir endlich in der Lobby des Gebäudes ankamen. Sofort eilte ich voraus, ließ Mister Dark und alles, was er darstellte, zurück.

Wie immer saß die Empfangsdame hinter der Theke vor den Eingängen, im Vorbeigehen schenkte ich ihr ein flüchtiges Lächeln. Vielleicht würde ich ihr später auch ein paar Sugar Cookies mitbringen. Mit einem Grinsen fragte ich mich, wie die besondere Form wohl bei ihr ankommen würde.

Kurz darauf stieß ich die Tür nach draußen auf, sofort schlug mir ein Schwung kalter Luft entgegen. Trotz des dicken Mantels fröstelte ich, derweil fielen vereinzelt Schneeflocken vom Himmel.

Während ich in Seattle wohnte, kamen meine Freundinnen aus Philadelphia und Boston. Als ich damals die Idee zu Womantasy hatte, suchte ich online nach Geschäftspartnerinnen – es gab extra Websiten mit dem Ziel, verschiedene Talente für Firmengründungen zusammenzuführen. Es spielte keine Rolle, wie viele Meilen zwischen uns lagen, dank moderner Technik war die Zusammenarbeit für uns problemlos. Binnen kürzester Zeit war aus meinem Traum unserer geworden, Womantasy war gewachsen und mit der Sexy Christmas Box würden wir dieses Jahr ziemlich sicher einen Rekordgewinn erzielen.

Uns war es wichtig, auch kleinere Geschäfte zu unterstützen. Daher befand ich mich gerade auf dem Weg zu einer hiesigen Bäckerei namens Judy’s Sweets. Diese war auf die Herstellung von Cookies, Cupcakes und Cake Pops spezialisiert war, und befand sich von meinem Apartmentgebäude aus nur ein paar Blocks weiter. Die junge Inhaberin verfügte über einen YouTube-Kanal, wodurch sie uns aufgefallen war. Ihr modernes Konzept ähnelt sehr dem unseren, sie setzte auf Social Media, jung, bunt und kreativ. Von Anfang an war sie uns sympathisch gewesen, deswegen hatten wir uns schließlich dazu entschlossen, sie für eine Zusammenarbeit anzufragen. Erst recht nachdem uns der ursprüngliche Konditor, der die weihnachtlichen Sugar Cookies für uns hätte herstellen sollen, abgesprungen war.

Beim Gedanken an den verklemmten, prüden Kerl, stieß ich ein Schnauben aus. Diesmal hatte ich direkt während des ersten Telefonats klargestellt, welche Form unsere Cookies haben sollten und welche Produkte Womantasy genau herstellte. Der Angestellte hatte am Telefon mehrfach peinlich berührt aufgelacht, bestimmt hatte er einen hochroten Kopf bekommen, meine Kontaktdaten notiert und schließlich versprochen, seine Chefin würde sich bei mir melden. Ich war skeptisch gewesen, allerdings hatte sich Judy tatsächlich bei mir gemeldet, um einen Termin mit mir auszumachen.

Während ich den Mantel enger um mich zog, beschleunigte ich meine Schritte und nahm einen Schluck aus meinem Coffee-to-go-Becher. Die Straßen von Seattle waren voll, schon jetzt war das rege, vorweihnachtliche Treiben deutlich spürbar, bestimmt waren viele auf der Suche nach Geschenken für ihre Liebsten.

Immer wieder musste ich Passanten ausweichen, schaffte es aber schließlich bis zur Bäckerei. Judy’s Sweets stand in großer Schrift über der Eingangstür. Das Läuten einer Klingel über der Tür kündigte mein Eintreten an, sofort umgab mich warme Luft, vor allem aber auch der köstliche Geruch von frischem weihnachtlichem Gebäck. Der Duft nach Zimt, Vanille und Lebkuchengewürz stieg mir in die Nase, genüsslich atmete ich ein.

 Langsam ließ ich den Blick durch die Räumlichkeiten wandern, direkt vor mir befand sich eine Theke, in der allerlei Gebäck ausgestellt wurde. Vor den Fenstern befanden sich runde Tische mit je vier Stühlen, auch ein paar Gäste schlürften dort einen Kaffee oder verköstigten ein paar Cupcakes. Hinter der Theke entdeckte ich eine Tür, die bestimmt zur Backstube führte, dorthin, wo all die Leckereien entstanden, die man hier genießen konnte.

Mit einem Lächeln ging ich auf die Theke zu, hinter der ein junger Angestellter mit einem bedruckten Basecap wartete. Auf seiner Kappe war das Logo von Judy’s Sweets zu sehen.

 „Hi, ich bin Sarah. Ich hab gleich einen Termin mit Judy, wir hatten telefoniert.“

Sofort weiteten sich die Augen des jungen Mannes, er musste es gewesen sein, mit dem ich telefoniert hatte. Vermutlich war er kaum älter als neunzehn oder zwanzig Jahre alt. Seine Wangen liefen sofort rot an, kaum hatte ich mich vorgestellt. Offensichtlich war der Kerl schüchtern und die Erinnerung daran, wie bildlich ich beschrieben hatte, was für Kekse wir uns für die Sexy Christmas Box wünschten, ließ ihn erröten.

„I-ich gebe ihr B-Bescheid“, stammelte er.

Freundlich lächelte ich ihn an in der Hoffnung, ihn so etwas zu beruhigen, allerdings wurden seine Wangen nur noch röter.

Nachdem er durch die Tür hinter der Theke verschwunden war, dauerte es nicht lang, bis er mit Judy zurückkam. Ich erkannte sie anhand des Bildes, das ich auf ihrer Website gesehen hatte. Energischen Schrittes kam sie um die Theke herum und auf mich zu. Mit einem breiten Lächeln streckte sie mir die Hand entgegen, die ich zur Begrüßung ergriff.

„Hi, Sarah, schön, dass du hier bist“, sagte Judy. Ihr breites Lächeln war ansteckend, sie hatte eine unglaublich positive Energie an sich.

„Ich bin gespannt, was du vorbereitet hast.“ Grinsend warf ich einen Blick auf ihren Angestellten, der mir nicht einmal mehr in die Augen blicken konnte, offenbar war der arme Kerl dank mir verlegen.

Judy sah für einen kurzen Moment ebenfalls in seine Richtung, mit einem Schmunzeln wandte sie sich im Anschluss wieder mir zu. Sie winkte mich hinter sich her und sagte: „Komm mit in die Küche, dort habe ich alles parat.“

Ich folgte ihr durch die Tür hinter der Theke bis in die großzügige Backstube, lange Arbeitsflächen, mehrere Öfen und viele andere Maschinen, von denen ich nicht einmal hätte sagen können, worum es sich handelte, standen hier verteilt. Ich war eine Niete in der Küche.

Sofort fiel mein Blick auf die Sugar Cookies, die auf einer der Theken lagen. Ein breites Grinsen zog an meinen Mundwinkeln, die Kekse waren genau so, wie meine Mädels und ich uns das vorgestellt hatten. Mit einem Schmunzeln blieb Judy mir gegenüber auf der anderen Seite der Arbeitsplatte stehen und warf mir einen Blick zu.

„Und? Zufrieden mit deinen Schwanz-Sugar-Cookies?“

Lachend warf ich den Kopf in den Nacken. „Und wie!“, stieß ich aus.

Kurz darauf sah ich auch schon wieder die Kekse an, konnte mehr und mehr Details entdecken. Wie gewünscht hatten sie die Form eines erigierten Penis, der leicht gekrümmt war und in den zwei prallen Eiern endete. Letztere waren ähnlich wie Christbaumkugeln mit buntem Zuckerguss verziert, die Spitze des Schwanzes wiederum war mit weißem Guss sowie ein paar Zuckerkugeln betont, was den Eindruck eines Ergusses erweckte. Weil alles in Handarbeit verziert worden war, sah jeder Sugar Cookie leicht unterschiedlich und deswegen umso besonderer aus. Mein Grinsen wurde immer breiter, schon jetzt wusste ich, dass unsere Kundinnen die versauten Weihnachtsplätzchen feiern würden.

„Die sehen wirklich toll aus“, sagte ich zur Inhaberin von Judy’s Sweets.

Kichernd erwiderte diese: „Da bin ich aber froh! Zwar hatten wir noch nie solch eine Anfrage, aber ich denke, es wird nicht das letzte Mal sein, dass wir solche Kekse backen werden. Auch für Junggesellenabschiede könnte die besondere Form richtig gut ankommen!“

„Oh, das glaube ich ebenfalls! Wie versprochen werden wir deine Bäckerei auf unserem Instagram-Profil vorstellen, und wenn du willst, sagen wir dazu, dass ihr die Kekse fortan regulär in eurem Sortiment für Junggesellinnenabschiede führt.“

„Das wäre genial!“ Judy schenkte mir ein breites Lächeln.

Im Anschluss zückte ich mein Smartphone, um für Estelle und Lynn ein paar Fotos zu schießen, im nächsten Moment schickte ich diese auch schon in unseren Gruppenchat. Natürlich antworteten meine Freundinnen sofort mit Herzchenaugen- oder sabbernden Smileys, sodass ich ein undamenhaftes Prusten unterdrücken musste.

„So, und weil ich mir denken kann, dass deine Geschäftspartnerinnen die Ware bestimmt auch in natura begutachten wollen, habe ich hier etwas für euch“, sagte Judy. Danach reichte sie mir drei Tüten, die zweifelsohne noch mehr Schwanz-Sugar-Cookies beinhalteten. „Wenn du sie mit Express verschickst, sollten sie spätestens übermorgen ankommen. Es wäre gut, wenn ihr mir dann direkt Bescheid gebt, damit wir die Kekse gegebenenfalls rechtzeitig fertigstellen können.“

„Wird gemacht“, bestätigte ich. „Aber ich bin zu fast hundert Prozent sicher, dass es zur Zusammenarbeit kommen wird. Die Kekse sehen genau so aus, wie wir uns das vorgestellt haben.“ Ich zuckte mit den Schultern. „Wir sind sehr spät dran, ich hatte ja erzählt, dass uns die andere Bäckerei kurzfristig abgesprungen ist. Natürlich zahlen wir gerne extra für eine Expressherstellung sozusagen. Hauptsache ist, die Kekse sind rechtzeitig in unserem Versandzentrum, damit unsere Sexy Christmas Boxen an die Kunden verschickt werden können.“ Geplant war, dass die Boxen passend zu Weihnachten ihr Ziel erreichten.

„Das bekommen wir hin.“ Judy nickte, ein entschlossener Ausdruck auf ihren Zügen. „Ich freue mich auf die Zusammenarbeit!“

 

 

Kapitel 2

Keanu

Genervt fuhr ich mir mit einer Hand übers Gesicht, ich war hundemüde, hatte mir letzte Nacht mit meinem aktuellen Fall um die Ohren geschlagen, maximal zwei Stunden geschlafen, bevor ich weitergearbeitet hatte. Mittlerweile war es fast acht Uhr am Abend und mir fielen die Augen zu. Ich musste mir eingestehen, dass ich dringend eine Pause brauchte.

Mit einem Ächzen erhob ich mich von dem Bürostuhl und streckte mich erst einmal ausgiebig. Meine Schulterblätter knackten, offensichtlich hatte ich es mal wieder übertrieben. Allerdings ließ mich der Fall nicht los, und wenn mich etwas packte, dann arbeitete ich so lange daran, bis ich eine Lösung gefunden hatte. In diesem Fall hatte der stadtbekannte Baulöwe Robert Smith einige mexikanische Einwanderer angestellt und sie mit dem Visum erpresst – seine Firma würde sich um die Arbeitserlaubnis kümmern, aber nur, wenn die Männer zu Hungerlöhnen schufteten. Aus Angst vor der Abschiebung hatten sie zugestimmt. Die wenigen, die sich schließlich getraut hatten Hilfe zu suchen, arbeiteten nicht länger für Robert Smith, hatten woanders Anstellung gefunden, wollten nun aber verhindern, dass der Baulöwe noch mehr ihrer Landsleute ausbeutete. Ich würde alles geben, um den Milliardär zur Rechenschaft zu ziehen und den hauptsächlich aus Mexiko stammenden Einwanderern zu helfen.

Aber jetzt musste ich erst einmal den Kopf frei bekommen, das ging am besten in dem Apartment, das meine Freunde und ich gemeinsam gemietet hatten. Würde ich nach Hause fahren, würde ich nur direkt in mein Büro gehen und weiterarbeiten. Allerdings wusste selbst ich, ein überzeugter Workaholic, dass es nicht gut wäre, noch eine zweite Nacht durchzumachen. Also beschloss ich, die Notbremse zu ziehen.

Nachdem ich mein Handy vom Schreibtisch genommen hatte, öffnete ich den Gruppen-Chat mit meinen Freunden und fragte: Ist die Big-Four-Wohnung frei?

Und weil wir sie uns schließlich für ganz besondere Zwecke angemietet hatten, fügte ich hinzu: Hab in der Bar um die Ecke eine Frau kennengelernt …

Als Erstes antwortete Jay: Mal sehen, ob du wieder so eine Psychotante erwischst. =D

Im Stillen lächelte ich in mich hinein. Die Idee zu dem Apartment war schon auf der Universität entstanden. Wir hatten herumgescherzt, wie praktisch es doch wäre, einen Ort zu haben, wo man für gewisse Stunden mit einer Frau seine Ruhe hatte. Zudem hatte jeder Mann schon einmal das Pech gehabt, eine Frau kennenzulernen, der er deutlich klargemacht hatte, dass er lediglich an einer Nacht, nicht an einer Beziehung Interesse hatte, und sie nach dem One-Night-Stand plötzlich als Klette an der Backe zu haben. Plötzlich tauchte sie unangekündigt bei der eigenen Wohnung auf und wollte einfach nicht verstehen, dass mit einer Nacht alles zu Ende sein sollte.

Wenn man seinen One-Night-Stand aber nicht nach Hause, sondern lediglich in ein Apartment brachte, bei dem ziemlich sicher ein anderer Mann die Tür öffnete, sollte sie am nächsten Tag klingeln, dann wäre man die Klette schnell los.

Zwar hatte ich auf der Universität

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Aurelia Velten
Bildmaterialien: Hippomonte Publishing e.K.
Cover: Hippomonte Publishing e.K.
Tag der Veröffentlichung: 24.10.2022
ISBN: 978-3-7554-2387-4

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