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Wildes Blut

Das "Wie", die Methoden, die Systeme, sie alle sind Erfindungen des Denkens, daher sind sie begrenzt, daher taugen sie nichts. Wenn Sie das aber verstehen und die Wahrheit erkennen, dass kein System jemals den Geist befreien kann, dann ist die Freiheit augenblicklich da.
Krishnamurti, Vollkommene Freiheit

Prolog
“Isabella. Du bist das Licht, welches auf die Dunkelheit fällt!”
Dies war die Prophezeiung der göttlichen Gestallt in ihren Träumen gewesen. Seit sie denken konnte war ihr Leben von Magie erfüllt. Einer ehrenwerten Pflicht, die ihr in die Wiege gelegt wurde. War sie so stets den Lichtwesen verpflichtet. Den weißen, den tugendhaften mystischen Kräften.
Es konnte wahrlich ohne zu Zögern eins gesagt werden, nämlich dass Isabella das reinste und ehrenwerteste Geschöpf dieser Erde war. Als sei jede Sünde, all das schlechte dieser Welt an ihr abgeprallt. In ihrem Herzen wohnte kein Hass, kein Neid. Frei von Schuld war ihre Seele, reinlich und weiß strahlte sie.
Genau das, war aber auch das traurige. Es war als habe nichts ihre Seele, ihr Herz, ihr Sein berührt. Doch ein Leben ohne diese Berührungen, war keins. Es machte sie krank, taub, ja beinahe starb sie daran. So viel Unschuld, so viel Reinheit lag auf ihr. Was für andere eine Leichtigkeit war, spürte sie auf ihren Schultern. Tag für Tag. Nacht für Nacht. Es war als sei sie in einer Glaskuppel gefangen. Draußen fand das Leben statt, drinnen starb sie. Verbrannte im ewigen Schein des Lichts, erstickte an Tugend und wurde erdrückt von ihrer eigenen Treuherzigkeit.
In ihren dunklen warmen Augen spielte ein sanftes melancholisches Lied, ein leises Flehen nach Freiheit. Einst würden ihre Gebete erhört werden, eine ungeheuerliche Kraft freigekettet und ein Abenteuer wird beginnen.

1
In Mitten des Nichts, in der unheimlichen Stille tauchte es plötzlich auf. Ein Licht, ein giftgrüner Funke. Binnen Sekunden explodierte es und tauchte die dunklen Flure in einen ätzenden Nebel. Ein leises Atmen drang von Hinten in mein Ohr. Wer war da? Ich rang nach Luft und mein Herz raste. Hastig sah ich mich um, Irgendetwas war da. Nichts Menschliches. Es roch modrig und nach alten Möbeln. Hier in diesem alten Herrenhaus in Edinburgh kannte ich mich nicht aus. Aus dem Nebel trat es erneut hervor, jene magische grün leuchtende Lichtkugel. Es war nichts Gutes, so viel konnte ich spüren. Sogar jetzt als Mensch.
„Komm näher mein Kind!“ Die Stimme war dunkel und diabolisch.
Etwas in mir wollte nicht, zu gefährlich, zu dämonisch war das Ganze. Jetzt so völlig wehrlos wie ich war, nicht mal wehren könnte ich mich ohne meine Kräfte.
„Komm schon Isabella!“ Da erneut versuchte mich die Macht zu locken.
Nein. Gleich würde ich mich umdrehen und zurück in mein Zimmer gehen. Bestimmt gab es gleich Zimmerkontrollen. Ein anderer Teil in mir aber, ein viel stärkerer Teil, wollte wissen was da war. Langsam und vorsichtig trat ich immer näher. Das Adrenalin floss durch meine Venen, mein Mund, meine Kehle trocken vor Anspannung. Ich kam dem Lichte immer Näher, streckte meine Hand danach aus. Berührte es sanft mit den Fingerspitzen. Eisigkalt fühlte es sich an und so zog ich sofort meine Hand zurück. Es war gefährlich, äußerst riskant. Davor hatten sie mich gewarnt. Was soll ich jetzt tun. Als Mensch war ich ein leichtes Opfer für die Finsteren. Aber ich konnte nicht weg. Noch nie hatte ich so etwas Faszinierendes gesehen. Da zerplatzte sie, die Kugel. In Tausende Splitter und offenbarte mir ihr Inneres. Eine dunkle Gestalt nicht Mann, nicht Frau wuchs vor mir die hohe Steindecke empor.
„Mein Kind, so fürchte dich nicht vor mir. Ich bin wie du ebenfalls ein magisches Wessen.“
„Was bist du denn? Dich kenne ich nicht!“ erwiderte ich misstrauisch und wandte den Blick von der Kreatur ab.
„Ein Golem.“
Da sah ich es an. Es war die Wahrheit. Groß war es, hatte Tatzen wie ein Tier. Das Fell war lang und es trug einen schwarzen Umhang. Die Augen wild und giftgrün sah es mich zähnefletschend an.
„Ich sehe du bist ein Sonnenkind. Doch lass dir eins sagen, ich sehe auch deine Plagen!“
Verdutz sah ich es an. Es war der erste der jemals mich das frag. Da nickte ich und senkte den Blick.
„In dir schlägt ein anderes Herz. Nicht reinlich und weiß sondern wild und heiß.“
Ich sah es an. Dieses Ungeheuer, die Augen gefährlich. Und ehrlich gesagt, ich weiss nicht warum, fing ich an ihm alles zu erzählen.

„Das ist wahr. Doch ich bin der Ehre verpflichtet. Wie du sicherlich weisst können Tugend und Wildnis niemals vereint sein. Das eine würde das andere aufheben.“

Es griff in seinen Mantel. Ich dachte mein Feind würde nehmen einen Dolch und mich ermorden sofort. Stattdessen war es ein Fläschchen mit einem Gift für mein Licht.

„Seien wir Feinde oder nicht. Ich bin die Dunkelheit du das Licht. Möchte ich dir geben diesen Trank, er ist stark. Doch wird er dir nehmen, die Ketten die quälen.“

Meine innere Stimme riet mir: „Tu das nicht!“ Als Hexe hätt ich es nicht getan. Ich wäre weggelaufen, hätte dieses Nachtwesen vernichtet, so wie es sich gehört. Doch ich war in diesen drei Tagen ein Mensch, mit allen ihren Fehlern. Dazu gehörte nun mal, dass ich sehr leicht beeinflussbar war. Ich nahm das Fläschchen in meine Hand, zerbrach das Siegel und setzte es an meine Lippen an. Der Golem er lachte, sah sich im Siege. Wie ein Blitz durchzuckte mich ein Gedanke, eine winzige grelle Erinnerung, noch ehe das Gift in meinen Mund konnte.
„Trink mein Kind. Trink!“

Beinahe warf ich die Tinktur zu Boden. Ich konnte es nicht, hatte ich es meinem Liebsten doch versprochen im Licht. Er war der ehrenwerteste Junge den ich jemals getroffen hatte. Dass er genauso wie ich ein weißer Magier war, wusste ich bereits bei unserer ersten Begegnung. Doch etwas hatten die weißen Frauen in seinem Zauberzirkel gesehen oder war es die bloße Missgunst über meine Macht, dass sie mich versuchten fernzuhalten von ihm. Selbst das Schicksal wollte uns beide zusammen nicht und so kam es dazu. Er verspricht einer anderen Hexe die ewige Treue, die ewige Liebe bevor wir uns trafen zum ersten Mal. Bei unserer letzten Begegnung gestand er mir seine Liebe. Dann sagte er mir:
„Ich gab mein Wort und so geh ich fort ich muss zu ihr. Denn gab es eins was über allem steht so ist es die Ehre und die Tugend“
Dann sagte er noch:
„Deine Unschuld, deine Reinheit, dein Licht ist größte Schönheit die es gibt, vergeude sie nicht. Versprich mir ein und bleib sauber.“
So vergingen zwei Jahre in denen ich verrückt wurde wegen einem tugendhaften Mann. Dennoch aber hielt ich mein Wort und vermied jegliche Sünde, jegliche Gefahr und sehnte mich zur gleichen Zeit nach Freiheit und der Leidenschaft.

Der Golem wusste genau wie es um mich stand. Er hatte gesehen, in meiner Seele war ein letztes Flehen eines toten Versprechens was einst mir der reinste Mann der Welt gab.

„Für ihn warst du ein Kind, ein leichtes Spiel. Kein Geschöpf dieser Erde verzichtet freiwillig auf den Einen, den er liebt.“

Ich schüttelte den Kopf.
„Nein, es ist nicht wahr. Er liebte mich sehr sogar. Vielleicht war es mein Fehler, was hab ich getan! Die ganze Zeit war es mein Wunsch ihn wiederzusehen. Ein Blick und er wird der meine sein.“

Der Golem wählte die Worte mit Bedacht.
„ Du hast ihm versprochen rein zu bleiben. Doch er machte sich nicht die Mühe bei dir zu bleiben um dich vor dem Bösen zu schützen. Stattdessen zieht er es vor der Ehre und der Tugend zu folgen. Nicht bloße Worte hielten ihn an sie. Ein Zeit vertreib das warst du. Nächte lang hast du geweint, dein Licht ist nun ein bloßer Schatten. Denn in der Blüte deiner Jugend bist du eine Tote.“

Verachtet hatte er mich, das ist sicher. All diese Hoffnung die ich in dieses Gefühl für ihn gesetzt hatte. Meine Reinheit, die er so sehr an mir gelobbt hatte, sie waren wie Ketten. Ich war eine Gefangene, meine Geisel und das Opfer der Ehre geworden.

„Ich sehne mich nach Leben. In diesen 19 Jahre war ich bloß, doch gelebt habe ich nie. Die Freiheit soll mich haben.“

„Dieser Trank wird dich befreien. Trinke!“

Als Mensch war ich schwach. Doch so glücklich wie nie. In diesen drei Tagen, an denen ich auf unserem Klassenausflug Mensch sein durfte war ich so frei wie nie. Ich hatte meine eigenen Gedanken, und trug nicht die schwere Bürde der Magie.

„Ja Golem.“

Mit einem Zug hatte ich die Flasche leer. Es brannte in meiner Kehle. Das grüne Gift vermischte sich in meinen Adern mit meinem warmen Blut. Die Ketten zersprangen und die wilde Bestie in mir wurde frei. Zu viel für mein sanftes Wesen. Ich konnte es nicht kontrollieren, etwas nahm Besitz von mir. Etwas Dunkles, Dämonisches.
Ich bin an diesem dunklen kalten Novembernachmittag gestorben. All diese Unschuld, die Reinheit sie sind zerbröckelt. Die Glaskuppel um mich zerbrach. Da schlug ich wieder die Augen auf, das Blut floss erneut und auch mein Herz schlug wieder.
So erwachte ich zu neuem Leben, dem wilden Leben.

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Texte: Urherberrechte liegen beim Autor (MIR)
Tag der Veröffentlichung: 15.12.2011

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