Cover

Leseprobe

Liebesroman

Single Bells

Ein Boss zum Verlieben

von Kimmy Reeve

 


Single Bells: Ein Boss zum Verlieben

Deutsche Erstveröffentlichung Dezember 2019

© Kimmy Reeve

www.facebook.com/kimmyreeve

www.kimmyreeve.com

Alle Rechte vorbehalten!

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin. Personen und Handlungen sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Menschen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Coverdesign und Buchsatz: Hippomonte Publishing e.K.

Covermotive: Hintergrund ©️ by malija, www.bigstockphoto.com (Stockfoto-ID: 280217302); Mann ©️ by kiuikson, www.depositphotos.com (Stockfoto-ID: 184710120)

Lektorat: Textwerkstatt

Korrektorat: SW Korrekturen e.U.

Kimmy Reeve

c/o Hippomonte Publishing e.K.

(Impressumservice)

Gradmannstraße 7

88213 Ravensburg

reevekimmy@gmail.com

Dieser Roman wurde unter Berücksichtigung der neuen deutschen Rechtschreibung verfasst, lektoriert und korrigiert

 

 

Inhaltsverzeichnis

Klappentext

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Danksagung

Über die Autorin

Leseprobe aus „Single Bells“ Band 2

Klappentext

New York … kurz vor Weihnachten.

Die angehende Innenarchitektin Bailey Wilson könnte mit ihrem Praktikumsplatz bei der renommiertesten Architektenfirma New Yorks Wright & Turner nicht glücklicher sein. Womit sie allerdings nicht gerechnet hat, ist ihr Stellenwechsel weg vom freundlichen Mr. Turner hin zum unsympathischen Mr. Wright, der sie kurzerhand als seine persönliche Assistentin in Beschlag nimmt. Denn eines steht fest: Sie kann diesen arroganten Kerl nicht ausstehen.

Wesley Wright lebt ausschließlich für seine Firma und nach zwei simplen Regeln: Schlafe niemals mit Kundinnen und lass dich niemals auf Mitarbeiterinnen ein. Doch bei Bailey gerät die letzte Regel dummerweise ins Wanken. Anstatt sich von seiner Assistentin fernzuhalten, nimmt er sie auf eine Geschäftsreise in die Karibik mit. Ein Fehler, wie sich herausstellt, denn die Spannungen zwischen ihnen steigen dadurch ins Unermessliche.

Wie hoch stehen die Chancen, dass zwei Menschen, die sich gestern noch gehasst haben, morgen schon von Liebe sprechen?

 

Alle Bände der »Single Bells«-Reihe spielen zeitgleich in New York während der Weihnachtszeit. In jedem Band geht es um ein anderes Pärchen, sie können also unabhängig voneinander gelesen werden, es gibt aber wiederkehrende Figuren.

 

 

Kapitel 1

Bailey

Ich werde ihn kaltmachen. Langsam und qualvoll.

Mir fielen ganz viele Varianten ein, wie ich meinem Boss Schmerzen zufügen, ihn am besten loswerden konnte. Von Überfahren bis Aufhängen war alles dabei. Am liebsten würde ich ihm nachts – wenn er schlief – mit einer Flasche auf den Kopf schlagen, ihn in Folie einwickeln und anschließend in eine Tiefkühltruhe legen. Innerhalb von vierundzwanzig Stunden war ein menschlicher Körper eingefroren, das wusste ich aus einer Crime-Dokumentation. Daraufhin würde ich mit der Leiche zu dem See fahren, an dem mein Chef so gerne angelte, wo natürlich bereits ein Häcksler wartete. Liebevoll würde ich ihn durch den Schredder jagen und zu Fischfutter verarbeiten. Da der Körper gefroren war, würde es auch keine Sauerei geben.

Eine wunderbare Vorstellung.

Mutiere ich gerade zur Psychopathin? Vielleicht!

Zugegeben, Wesley Wright war ein überaus gut aussehender Mann, was er dummerweise ganz genau wusste. Wahrscheinlich brauchte er morgens länger im Bad als jede Frau. Wenn er im Büro auftauchte, sah er grundsätzlich aus, als käme er geradewegs von einem Fotoshooting für ein Modemagazin. Sein hellbraunes kurzes Haar war mit Gel modern nach hinten frisiert und die dunklen Augen wirkten geheimnisvoll; der im Fitnessstudio perfekt trainierte Körper strahlte bei seiner Größe von circa ein Meter fünfundachtzig Dominanz aus.

Montags bis donnerstags trug er einen Dreiteiler. Maßangefertigt, versteht sich. Freitags jedoch kam er bekleidet mit Jeans, Hemd und gelegentlich Sneakers. Warum dem so war, konnte ich nicht mit Gewissheit sagen.

Was ich jedoch wusste, war: was er wann aß, trank, welche Restaurants er besuchte, wer seine neueste Eroberung war … Um es auf den Punkt zu bringen: Dieser Kerl war für mich ein offenes Lexikon. Warum mir all das geläufig war? Weil ich nicht nur seine Assistentin, sondern seine leibeigene Sklavin war. Jedenfalls nahm er das an.

Mr. Wright – oder auch Satan, wie ich ihn im Geiste nannte – scheuchte mich nicht nur im Büro hin und her oder befahl mir, irgendwelche privaten Dinge für ihn zu erledigen, nein, er rief mich sogar nachts an. Eigentlich klingelte mein Telefon pausenlos, wenn ich mal nicht im Büro war. Urlaub? Privatleben? Was war das?

Aber egal, wie oft ich ihn erschießen, erschlagen oder erwürgen wollte, niemals würde ich die Flinte ins Korn werfen. Nein, dafür hatte ich zu lange durchgehalten, zu hart gearbeitet. Dieser Penner würde mich nicht kleinkriegen.

»Sollten Sie Fragen haben, können Sie mich im Fitnessstudio erreichen«, sagte er in seiner gewohnt arroganten Art und verließ das Büro.

Schnaubend wandte ich mich ab, stampfte auf meinen Arbeitsplatz zu und knallte die Unterschriftenmappe auf meinen Schreibtisch, bevor ich mich in den Sessel fallen ließ.

»So schlimm?«, fragte Daniel, der als Assistent für Mr. Caden Turner, den zweiten Geschäftsführer des Unternehmens, tätig war.

»Schlimmer«, meinte ich und ließ meinen Kopf in den Nacken fallen.

Caden und Wesley hatten sich vor fünf Jahren selbstständig gemacht. Da waren sie gerade mal vierundzwanzig gewesen. Sich in New York als junge und darüber hinaus unbekannte Architekten zu behaupten, war nicht ganz einfach, doch meine Bosse hatten es tatsächlich hinbekommen.

Mittlerweile gehörte ihr Unternehmen zu den führenden New Yorks, vor allem in der Welt der Reichen hatten sie sich breitgemacht. Und da die Geschäfte bestens liefen, erweiterten sie ihr Portfolio und boten zusätzlich die Gestaltung der Inneneinrichtung an.

Bevor ich bei ihnen anfing, hatte ich mich auf mehrere Praktikumsplätze für den Bereich Innenarchitektur beworben, erhielt sogar einige Zusagen; aber als ich die Stellenanzeige von Wright & Turner entdeckte, mit einem – für meine Verhältnisse – üppigen Gehalt, war das meine Chance, endlich den Job als Kellnerin im Desaster zu kündigen. Zwar fand ich den Club und die Arbeit super, vor allem der Inhaber, Jeffrey, war ein fantastischer Chef, nur leider war der Verdienst nicht sonderlich gut. Meine Rechnungen konnte ich jeden Monat bezahlen, nur für mich blieb nicht mehr besonders viel übrig, weshalb ich meine Bewerbung bei Wright & Turner einreichte.

Derzeit studierte ich im letzten Jahr an der Columbia University Innenarchitektur und war Mitglied in der Studentenverbindung Amor Sorority.

Na, jedenfalls wurde ich zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen und eingestellt. Offensichtlich, immerhin saß ich hier.

Die ersten Monate waren echt toll, ich konnte das Praktikum sogar als Anerkennungsjahr angeben, was mich unglaublich glücklich machte. Mein Vorgesetzter, Mr. Turner, war ein feiner und fairer Boss, der darüber hinaus auch noch nett war. Meiner Meinung nach hatte er rein gar nichts mit Satan gemeinsam.

Doch nach einem halben Jahr kam Wesley Wright auf mich zu und verkündete, dass ich vorübergehend als seine persönliche Assistentin arbeiten sollte, da er seiner gekündigt hatte. Da ich den Job nicht verlieren wollte, stimmte ich widerwillig zu, denn ich mochte den Kerl von Beginn an nicht.

Seit nunmehr elf Monaten, fünf Tagen und drei Stunden arbeitete ich für diesen Terroristen als persönliche Assistentin. Und vor elf Monaten, fünf Tagen und zwei Stunden fing ich bereits an, ihn zu hassen. Er war ein Monster, ein Sklaventreiber, ein Chauvinist, ein Kerl mit einem viel zu ausgeprägten Ego und der größte Aufreißer, den New York jemals zu sehen bekommen hatte. Letzteres war nur meine persönliche Ansicht. Mr. Wright repräsentierte alles, was ich an einem Mann verabscheute.

Und obwohl ich ihm am liebsten meine Kündigung in sein schönes Gesicht getackert hätte, musste ich mich zusammenreißen. Die Jobs wuchsen nicht auf Bäumen, und ich brauchte nicht nur dringend die Kohle, sondern auch die Bescheinigung für meine Uni, schließlich steckte ich mitten in den letzten Prüfungen. Und an meiner Bachelorarbeit saß ich auch noch. Außerdem war ich nie ein Mädchen, das aufgab.

Mochte sein, dass ich nur aus einer kleinen Stadt in Iowa stammte, doch ich war die Tochter meines Vaters, Mitchell Wilson. Eines knallharten Bauarbeiters, der viel im Leben bewältigen musste, aber niemals den Kopf in den Sand gesteckt hatte. Ich war ihm sehr ähnlich.

»Bailey?« Daniel holte mich aus meiner Trance. »Hast du gehört, was ich gesagt habe?«

»Sorry, ich war in Gedanken«, murmelte ich. »Was wolltest du?«

»Ich fragte, ob du jetzt Feierabend machst?«, erkundigte er sich.

»Nein, Satan hat mir noch eine Analyse aufs Auge gedrückt«, moserte ich. »Wie sieht es bei dir aus?«

»Turner hat sich vorgenommen, Überstunden zu machen«, antwortete mein Kollege und schnaubte. »Ich glaube, der hat Stress mit seiner Frau.«

»Wie kommst du darauf?«, hakte ich neugierig nach.

»Mrs. Turner hat heute mehrfach angerufen, aber ich durfte sie nicht durchstellen«, informierte Daniel mich.

»Dann würde ich sagen, mein lieber Freund, das wird für dich eine lange Nacht werden«, meinte ich und grinste. Jetzt durfte er auch mal die Schattenseiten eines Assistenten kennenlernen. Willkommen in meiner Welt, dachte ich. Im Gegensatz zu ihm wohnte ich praktisch schon in diesem Gebäude.

»Ich höre Sarkasmus aus deiner Stimme, Schwester«, erwiderte er.

»Glaub mir, Daniel, du hast es noch gut getroffen«, entgegnete ich. »Turner lässt dich an den Wochenenden in Ruhe und ruft dich nicht an, wenn du gerade unter der Dusche stehst, schläfst, isst oder auf einer Party bist.«

Wenn ich könnte, würde ich gerne mit Daniel den Job tauschen. Eine Woche für Mr. Turner zu arbeiten wäre für mich womöglich so was wie Urlaub.

»Leicht hast du es wirklich nicht, Kleines.« Daniel sah mich mitfühlend an, einiges hatte er schon hautnah mitbekommen, vor allem, wie herablassend Satan manches Mal mit mir umsprang. »Es ist acht Uhr an einem Freitagabend. Wright kommt heute eh nicht mehr rein. Nimm die Arbeit mit nach Hause und mach sie dort fertig. Du solltest mal wieder mit deinen Ladys feiern gehen.«

Sein Vorschlag hörte sich sehr gut an. Es war schon ewig her, seit ich das letzte Mal mit meinen Mädels unterwegs war. Dummerweise hatten meine drei besten Freundinnen derzeit genauso wenig Zeit zum Ausgehen wie ich.

Bald würden die Semesterferien beginnen, jedenfalls für mich, denn meine Klausurphase war ab Dienstag vorbei, das hieß, ab Mittwoch würde meine unifreie Zeit beginnen. Was meine Verbindungsschwestern im Einzelnen vorhatten, wusste ich nicht, darüber hatten wir uns noch nicht im Detail unterhalten. Das musste ich in Kürze unbedingt herausfinden.

Im Gegensatz zu einigen Kommilitonen würde ich nicht nach Hause zu meinem Dad fliegen. Egal, wie ich es drehte oder wendete, ich konnte mir das Flugticket einfach nicht leisten. Meinen Vater um Geld zu bitten, kam für mich nicht in Betracht, auch er hatte die Kohle nicht locker sitzen. Aus diesem Grund hatte ich ihm gestern in unserem Donnerstags-Telefonat-Date mitgeteilt, dass ich in New York bliebe, um mich auf meine Abschlussarbeiten zu konzentrieren. Natürlich war das nicht hundert Prozent gelogen, aber es war eben auch nicht die ganze Wahrheit. Ich hasste es zu schwindeln, vor allem, wenn es um meinen Dad ging. Doch ich wollte nicht, dass er sich Sorgen machte.

»Geht nicht«, gab ich schnaubend von mir. »Er will, dass ich das Exposé von Isabell Hautington noch fertigstelle, weil er es sich morgen früh ansehen will.«

»Hautington?« Daniel überlegte. »Ist das nicht die reiche Tochter von Oberguru Peter Hautington, die aussieht wie eine Barbie?« Zustimmend nickte ich und hob eine Augenbraue, um meinem Kollegen zu verstehen zu geben, warum genau Wright die Akte an einem Samstagmorgen haben wollte. »Ah«, sagte Daniel nur, »er will sie flachlegen.« Er war so scharfsinnig.

»So wie jede Frau, die in sein Beuteschema passt.« Ich schnaubte abermals und schüttelte mich, als würde ich mich ekeln. Vielleicht tat ich das auch ein wenig. »Ich schätze, er knallt sie, sobald er sich mit ihr wegen des Projektes in der Karibik trifft.« Ich konnte es kaum erwarten, dass Wesley für ein paar Tage verschwand. Für mich bedeutete das Erholung pur. Sollte ich eventuell für die Zeit Urlaub eintragen? Genügend Tage standen mir noch zur Verfügung. Darüber sollte ich unbedingt nächste Woche mit Satan sprechen.

»Das Projekt wird der Firma Millionen einbringen«, schwärmte Daniel, so wie er es immer tat, wenn wir größere Aufträge hereinbekamen. Er freute sich manchmal mehr als die Chefs selbst. Hin und wieder kam es mir so vor, als lebte mein Kollege für das Unternehmen.

»Kann schon sein«, antwortete ich. »Vor allem aber einen Gratisfick für Wesley.«

»Manchmal frage ich mich ernsthaft, wie er das macht?!« Mein Partner im Schmerz schien angestrengt nachzudenken.

»Was?«, erkundigte ich mich, weil ich keinen Schimmer hatte, wovon er sprach.

»Na, wie er ständig die ganzen Frauen abschleppt«, präzisierte er seine Äußerung. »Er betritt einen Raum und zack – hat er fünf Frauen an jeweils einem Finger. Ich habe schon Schwierigkeiten, eine kennenzulernen.«

»Was daran liegt, dass du nur zu Hause herumhängst und dich nicht unter die Leute mischst«, erinnerte ich ihn. »Man kann niemanden treffen, wenn man nur auf den Bildschirm seines Fernsehers starrt, Daniel. Aber bitte, tu mir einen Gefallen und nimm dir kein Beispiel an Wesley Wright. Das könnte ich nicht ertragen.« Das war die Untertreibung des Jahrhunderts, vermutlich würde ich Amok laufen. »Außerdem steht Dorothy auf dich«, teilte ich meinem Kollegen zum gefühlt tausendsten Mal mit. »Sie zieht dich mittlerweile mit den Augen aus. Du solltest sie endlich mal um ein Date bitten.«

Dorothy Shepard war in der Personalabteilung tätig. Sie war eine fünfundzwanzigjährige junge Frau mit langen blonden lockigen Haaren und blauen Augen. Zu meinem Erstaunen wurde jemand wie sie tatsächlich eingestellt, obwohl sie nicht über die Maße 90/60/90 verfügte. Sie war tough, sah super aus und hatte ein zauberhaftes Lächeln. Wenn wir uns begegneten, war sie immer top gestylt, nett und sympathisch. Vor mehreren Monaten bereits war mir aufgefallen, dass sie Daniel anschmachtete, nur bekam der Idiot davon leider nichts mit. Er war viel zu sehr damit beschäftigt, seinem Chef alles recht zu machen.

Daniel Hastings war ein netter und kollegialer Typ. Er lästerte kaum, ärgerte sich nicht, hörte mir aber zu, wenn ich mal wieder kurz davorstand, Wesley umzubringen. Ohne mich zu unterbrechen, ließ er mich fluchen, meckern und meinen Tobsuchtsanfall ausleben. Bislang hatte er mich nie verpfiffen, versuchte allerdings auch nicht, mich zu beruhigen. Gelegentlich bekam ich das Gefühl, dass er Angst vor mir hatte.

Jedenfalls war mein Kollege Ende zwanzig, circa ein Meter achtzig, nicht muskulös, dafür aber sehnig, sportlich, ein klassischer Fußballer eben. Hinzu kamen seine braunen Augen und das gleichfarbige kurze Haar. Im Großen und Ganzen war er ein gut aussehender Kerl, der auch noch richtig was auf dem Kasten hatte. Für mich war er ein Nerd, der keine Brille trug.

»Was hältst du von Pizza?«, erkundigte Daniel sich.

»Na, klar«, seufzte ich. »Leg noch gefüllte Pizzabrötchen drauf, ich gebe mir heute die volle Dröhnung. Und ich will eine extragroße mit doppelt Käse.«

»Wie kann man dermaßen viel essen wie du, dazu keinen Sport treiben und so eine wahnsinnig tolle Figur haben?« Diese Frage stellte er mir jedes Mal, wenn wir uns beim Lieferservice was bestellten.

»Sind die Gene, mein Freund«, antwortete ich wie immer und widmete mich dem Bildschirm. »Sag denen, die sollen per Express liefern. Ich habe Hunger.«

»Du hast immer Hunger«, korrigierte Daniel mich.

»Stimmt ja gar nicht«, widersprach ich trotzig.

»Stimmt ja wohl«, kam es ernst von meinem Kollegen, den ich von Tag zu Tag mehr in mein Herz schloss. Wenn ich ihn nicht manches Mal gehabt hätte, wäre ich wohl nicht mehr hier. Ja, ich war niemand, der aufgab, aber irgendwann war auch bei mir das Maß voll, und ich wusste, dass es nicht mehr lange dauerte, bis Wesley mich zum Explodieren brachte.

 

Kapitel 2

Bailey

Wumms.

Mit einem Mal saß ich aufrecht und schaute mich verwirrt um. Einen kurzen Moment brauchte ich, um mich zu orientieren. Shit, ich war noch im Büro. Anscheinend war ich mit dem Kopf auf dem Schreibtisch eingeschlafen. Schnell entdeckte ich den Gegenstand, der dieses laute, grauenvolle Geräusch erzeugt hatte. Es handelte sich um eine Hardcover-Mappe. Mit verengten Augen schaute ich nach oben, wo kein Geringerer stand als Wesley Wright. Er hatte einfach dieses Scheißbuch auf meinen Tisch gedonnert, anstatt mich anzusprechen, wie es normale Menschen tun würden.

»Haben Sie die Analyse fertig?«, war das Einzige, was er wissen wollte. Er fixierte mich genervt, in seinem Gesicht stand das Wort Loser geschrieben.

Stillschweigend reichte ich ihm die geforderten Unterlagen, hielt dabei seinem Blick stand. Er nahm mir die Papiere ab und deutete mit dem Finger auf meine Lippen.

»Sie sollten sich den Sabber vom Mund wischen, das ist widerlich.« Angeekelt schüttelte er den Kopf, drehte sich um und marschierte geradewegs in sein Büro. »Ich hätte gerne einen Kaffee, Miss Wilson.«

Kurz schloss ich meine Augen, schnappte mir ein Taschentuch und entfernte die Spucke von meiner Haut.

Einatmen und wieder ausatmen, mahnte mich meine innere Stimme. Wie ein Mantra wiederholte ich die Worte in meinem Kopf immer und immer wieder, damit ich nicht über den Tisch sprang, in sein Zimmer stürmte, um ihn mit aller Kraft zu vermöbeln.

Verdient hätte er es allemal.

Mit müden Beinen erhob ich mich und begab mich zuerst auf die Toilette. Vorher nahm ich meine Kosmetiktasche aus der Schublade, in der sich Dinge wie Zahnbürste, Zahnpasta und anderes Zeug befand. Schließlich war mir das nicht zum ersten Mal passiert, dass ich im Büro übernachtet hatte.

Schnell machte ich mich frisch, wusch mein Gesicht und entfernte den alten Mascara vom Vortag. Auf neuen verzichtete ich, ich würde gleich sowieso nach Hause fahren und mich für den Rest des Tages ins Bett legen und schlafen. Und Satan sollte sich nicht einfallen lassen, mich zu kontaktieren. Dann würde ich mir – das schwor ich mir – eine Kanone besorgen und den Mistkerl abknallen.

Nachdem ich einigermaßen aussah wie ein Mensch, ging ich in die Küche, wo ich einen Kaffee für meinen Boss und mich zubereitete. In meinen schüttete ich mehrere Löffel Zucker, so, wie ich ihn am liebsten trank. Meine Freundin Pixie fragte mich dann gelegentlich, ob ich zu meinem Zucker auch einen Schluck Kaffee möchte. Manchmal war sie ungemein komisch.

Jetzt, wo ich an sie dachte, kamen mir auch Lea und Jamie in den Sinn. Wir vier waren die besten Freundinnen, wir hatten uns in der Verbindung kennengelernt und waren vom ersten Tag an unzertrennlich.

Penelope Wolf, auch Pixie genannt, war die Durchgeknallteste von uns. Innen wie außen. Ständig trug sie diese Nerd-Shirts, auf denen Star-Trek-Motive oder Superhelden abgebildet waren. In High Heels hatte ich sie noch nie gesehen, sie lief grundsätzlich in ihren Kampfstiefeln herum. Darüber hinaus hatte sie kurze lilafarbene Haare und war ein Zwerg. Wenn überhaupt war sie vielleicht ein Meter fünfzig. Pixie war eine bildhübsche, hochintelligente Frau, die im letzten Jahr ihres Physikstudiums war. Dieses Mädchen hatte einiges auf dem Kasten, das musste der Neid ihr lassen.

Dann gab es noch Lea Brown. Im Gegensatz zu Pixie war sie eher introvertiert. Um sich mit ihr zu unterhalten, musste man sie mehrfach ansprechen, damit sie auch reagierte, denn sie hing grundsätzlich ihren eigenen Gedanken nach. Genau wie Pixie studierte sie Physik, wobei ich davon überzeugt war, dass sie diesen Studiengang nicht freiwillig gewählt hatte, sondern vielmehr aus Liebe zu ihren Eltern, eben weil sie selbst Physiker waren. Details kannte ich nicht, und ob es sich so verhielt oder nicht, konnte ich ebenfalls nicht mit Bestimmtheit sagen. Es war meine persönliche Meinung, nicht nur einmal hatte ich sie tieftraurig irgendwo sitzen sehen. Leider sprach Lea nicht über ihre Familie, schon gar nicht darüber, was sie dachte. Allerdings zeichnete sie ständig. Malte sie nicht, versuchte sie die Welt beziehungsweise die menschliche Existenz zu ergründen. Wenn man mich fragte, sollte sie viel eher Philosophie studieren. Lea war eine Schönheit, die man schon von Weitem an ihren roten Haaren erkannte. Ihre Haut war schneeweiß, und wüsste ich es nicht besser, würde ich behaupten, dass diese aus Samt bestand.

Die Dritte im Bunde war Jamie Burn, auch Miss Ironie genannt. Irgendwie fehlte ihr manchmal die Ernsthaftigkeit und trotz ihrer großen Klappe spielte sie vieles mit Ironie herunter. Hinzu kam, dass sie gelegentlich auch etwas faul war, vor allem, wenn es um die Aufgaben im Verbindungshaus ging. Lange konnte man ihr aber nicht böse sein, denn wenn sie einen mit ihren grünen Augen anschaute, deren Farbe durch ihre langen schwarzen Haare noch intensiver leuchteten, wollte man sie eher in den Arm nehmen, als auszuschimpfen. Jamie war unsere Rockerlady, die auch in Rockerkreisen aufgewachsen war. Sie war nicht so laut wie Pixie, auch nicht so leise wie Lea, ebenso wenig war sie so eine Bulldogge wie ich. Sarkastisch, dickköpfig und impulsiv. Eine Dampflock war ein Scheißdreck gegen mich. Den Spitznamen hatte ich im Übrigen von Pixie erhalten, weil ich mir grundsätzlich nie etwas gefallen ließ.

Nun, ich arbeitete an mir.

»Wann fangen Ihre Semesterferien an, Miss Wilson?«, erkundigte Satan sich bei mir, als ich ihm seinen Kaffee auf den Tisch stellte. Gerade bedauerte ich es zutiefst, ihm kein Rattengift untergemischt zu haben.

»Am Mittwoch«, antwortete ich knapp. Höflichkeiten gab es zwischen uns nicht. Hatte es noch nie gegeben. »Darüber wollte ich sowieso mit Ihnen sprechen, Mr. Wright.«

»Das muss warten.« Sein Tonfall hätte nicht desinteressierter klingen können. »Ich habe zu tun.«

Wollte er mich verarschen?

»Kein Problem«, meinte ich und drehte mich um. »Am Montag lege ich Ihnen meinen Urlaubsantrag auf den Tisch. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende.«

Bevor er etwas erwidern konnte, verließ ich schnell den Raum, schloss hinter mir die Tür, schnappte mir Jacke und Tasche und rannte fast schon zum Treppenhaus, noch immer mit meiner Tasse voll Zucker in der Hand.

Mein Handy schaltete ich sofort aus. Das erste Mal, seit ich für ihn tätig war.

Der Mistkerl konnte mich doch mal!

»Sollen wir heute Abend ins Desaster gehen?« Pixie war wie immer ohne anzuklopfen in mein Zimmer gekommen.

Nach der Arbeit hatte ich genau das getan, was ich mir am Morgen im Büro vorgenommen hatte: Ich war direkt ins Bett gegangen. Das Handy hatte ich bislang ignoriert und auch nicht wieder eingeschaltet. Mit Sicherheit hatte Satan mir bereits mehrfach auf die Mailbox gequatscht, darauf würde ich mein Leben verwetten.

»Ich glaube, ich bin nicht in Stimmung für Party«, sagte ich und gähnte.

»Wie alt bist du?«, zog meine Freundin mich auf. »Neunzig?«

»Fast«, konterte ich.

»Lea und Jamie sind auch dabei«, klärte Pixie mich auf. »Krieg endlich deinen Hintern hoch, Bai. Das ist unser letzter Abend vor den Semesterferien.«

»Fährst du weg?«, wollte ich wissen.

»Nein, aber ich habe mich um den Tutorenjob beworben«, teilte sie mir mit. »Ich werde in den kommenden Wochen keine Zeit haben.«

»Was ist mit den anderen?« Fragen über Fragen und Pixie würde mich gleich an den Haaren aus dem Bett ziehen, weil ich ihr nur deshalb ein Gespräch aufdrängte, um nicht aufstehen zu müssen. Wenn mich jemand kannte, dann wohl Miss Star Trek.

»Lea wird wahrscheinlich nach Hause fahren, und was Jamie macht, weiß ich nicht.« Meine Freundin stemmte die Fäuste in die Hüften, jetzt musste ich mich entscheiden: entweder ich stand freiwillig auf oder es würde zu einer Rauferei kommen. Für Letzteres war ich eindeutig nicht fit genug.

»Freiwillig oder Zwang?« Ich hätte Wahrsagerin werden sollen.

»Ist ja schon gut«, murrte ich. »Wann wollt ihr los?«

»Gegen elf«, informierte sie mich. »Sieh zu, dass du pünktlich bist.«

»Ja, Mama«, scherzte ich. Wir schauten uns tief in die Augen, runzelten böse die Stirn und grinsten uns kurz darauf an, bevor Pixie das Zimmer verließ.

Schnaubend ließ ich mich zurück in die Kissen fallen und starrte die Decke an. Ich brauchte ganz dringend Urlaub.

 

Kapitel 3

Wesley

»Ich brauche dringend Ablenkung«, ertönte die Stimme meines Freundes Ronan.

»Wovon?«, wollte ich wissen und grinste ihn an.

Die Musik im Club war gut, die Atmosphäre ausgelassen. Ich mochte das Desaster, hier verbrachte ich gerne meine freien Abende. Was mir aber am meisten gefiel, waren die Frauen. Es gab unzählige Schönheiten, die einfach nur darauf warteten, angesprochen zu werden.

»Ich bin seit über einer Woche wieder Single«, klärte Ronan mich auf. »Heißt, ich habe seit fast zehn Tagen keinen Sex mehr gehabt.«

»Das ist natürlich eine Ewigkeit«, scherzte Sebastian, ein anderer Kumpel.

Caden war dieses Mal nicht dabei, bei ihm hing der Haussegen schief. Warum, wusste ich nicht; mein Geschäftspartner und bester Freund sprach derzeit kaum. Mir war klar, dass sich das, was er und seine Frau Nicole derzeit durchmachten, wieder legen würde, das tat es immer. Schließlich waren sie seit der Highschool ein Paar und hatten direkt nach dem Studium geheiratet. Kurz darauf wurde Nicole mit Sloane schwanger. Zwei Jahre später erblickte dann Samuel das Licht der Welt. Für mich repräsentierten sie die Bilderbuchfamilie, wie man sie aus Liebesschnulzen kannte. Ich wusste, wovon ich sprach, meine Mutter hatte mich als Kind gezwungen, mir diese Filme zusammen mit ihr anzusehen. Noch heute litt ich unter diesem Kindheitstrauma.

Jedenfalls kannten Caden, Nicole und ich uns bereits seit der Grundschule, auch die beiden kleinen Scheißer waren zu einem Teil von mir geworden. Wie sollte es auch anders sein, schließlich war ich ihr Patenonkel.

Allerdings arbeitete Caden viel, war regelmäßig auf Geschäftsreisen und Nicole somit überwiegend allein. Um die beiden zu unterstützen, übernahm ich die meisten Auslandstermine; ich hatte weder Familie noch eine Frau, die zu Hause auf mich wartete. Ich war ungebunden, nur für mich und die Firma verantwortlich.

Nichtsdestotrotz wollte ich mit Caden sprechen, sobald das Wochenende vorüber war; ich war der Meinung, dass er sich und seiner Familie einen Urlaub gönnen sollte. In den letzten fünf Jahren hatten wir kaum Zeit zum Luftholen gehabt, sondern waren damit beschäftigt gewesen, unsere Firma aufzubauen. Doch wir hatten es geschafft, unser Unternehmen florierte, wir erzielten unglaubliche

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Kimmy Reeve
Bildmaterialien: Hippomonte Publishing e.K.
Cover: Hippomonte Publishing e.K.
Tag der Veröffentlichung: 24.10.2022
ISBN: 978-3-7554-2384-3

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