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Kapitel 1 - Das Schuljahr fing ja schonmal gut an...

"Lena, wach auf!" Dumpf klang die Stimme durch meine Decke zu mir durch. Müde grummelte ich und kroch tiefer unter meine warme Decke. "Lena, verdammt, jetzt steh auf!" Mit einem Ruck wurde mir die Decke weggezogen.

Die Kälte kroch über meine Beine und unter mein Nachthemd. An meinem ganzen Körper breitete sich Gänsehaut aus. Mist, das hatte man davon, wenn man unbedingt das Nachthemd mit der schönen Spitze anziehen musste, das -wenn auch sehr schön- extrem dünn war und man -oh Wunder!- ziemlich darin frohr. Aber es war ein Erbstück meiner ersten Pflegerin und immer, wenn ich es anhatte, fühlte ich mich geborgen.

Jetzt allerdings nicht mehr. Wütend knurrte ich Mila an, die mich angrinste.

"Sexy Teil!", kam es spöttisch von der Tür und ich drehte mich erschrocken um, obwohl ich ja schon wusste, wer es war. Nur einer hier hatte den Mut, einfach an meiner Zimmertür aufzukreuzen und dann noch so einen Spruch loszulassen.

"Jay! Raus aus meinem Zimmer!", stöhnte ich, musste aber dennoch grinsen. Jay war mein bester Freund hier im Waisenhaus und so jemanden wie ihn konnte man hier echt gebrauchen, genau wie eine Freundin wie Mila, die zwar ziemlich gemeine Aufweckmethoden hatte, aber dafür immer für einen da war, wenn man gerade jemanden brauchte.

"Aber trotzdem danke", sagte ich zwinkernd und grinste Jay zu. Er lachte auf und ging pfeifend nach unten, wo es jeden Morgen Frühstück gab. Ich drehte mich wieder zu Mila um, die Jay mit einem verträumten Lächeln auf den Lippen hinterher sah. 

Mila war schon ziemlich lange in Jay verschossen und das echt heftig. "Mila, du sabberst", säuselte ich ihr ins Ohr und kicherte, als sie erschrocken aufsah und sich panisch über den Mund wischte. Anscheinend hielt sie das gar nicht für so abwegig... Immernoch lachend ging ich ins Bad, aber als ich daran dachte, was mir bevorstand, sank meine Laune wieder.

Heute war der erste Tag nach den Sommerferien und ich kam in die elfe Klasse. Was an sich ja gar nicht so schlecht wäre, wenn meine Schule nicht so voller eingebildeter nerviger Deppen wäre, die keine Gelegenheit ausließen, mich zu blamieren. Lustlos sah ich ihn den großen Spiegel. Warum machte ich mir überhaupt die Mühe, hübsch auszusehen, das würde eh niemand würdigen. Aber dennoch... Man wusste ja nie...

Meine schwarzen wilden Locken kringelten sich um mein helles Gesicht und ich konnte noch so oft versuchen, sie zu bändigen, sie hielten es nie länger als zehn Sekunden in einem Hargummi aus. Deshalb versuchte ich gar nicht erst, irgendeine Frisur zu zaubern, sondern widmete mich lieber meinen Augen.

Sie waren von einem dunklen blau und dichte, dunkle Wimpern umrandeten sie. Abgesehen von meinen Haaren waren meine Augen wohl das Auffälligste an mir- ich kannte niemanden, der so blaue Augen hatte wie ich.

Das sollte jetzt nicht eingebildet klingen, es war einfach so.

Da ich heute ziemlich blass war, strich ich etwas Rouge auf meine Wangen und legte etwas hellroten Lipgloss auf meine vollen Lippen. Meine Wimpern tuschte ich sorgfältig und war ziemlich zufriden mit meinem Ergebnis.

Da ich zum Glück sehr reine Haut hatte, brauchte ich auch kein Make-Up, was mich ziemlich erleichterte. Wenn ich mir da so die Tussen aus meiner Schule mit ihren zugekleisterten Gesichter ansah, überkam mich das Gruseln. Ganz ehrlich, wie konnte man so herumlaufen?! Und wieso standen alle Jungs auf so etwas??

Seufzend ging ich zu meinem Kleiderschrank und kramte eine lange dunkle Jeans und ein dunkelblaues lockeres Trägertop, das man mit einem Band unter der Brust zusammenbinden konnte, heraus. Das musste reichen!

Fetig gestylt ging ich runter ins Esszimmer, wo schon die meisten Tische besetzt waren, und steuerte unseren Stammtisch an. Jay, Mila, Leon und Rica saßen schon da und unterhielten sich lebhaft. Rica, Leon und ich kannten uns schon ewig, Jay und Mila waren später zu unserer Clique gestoßen.

"Hey Leute." Total motiviert ließ ich mich auf meinen Stuhl fallen und griff nach einem Brötchen aus dem Korb in der Mitte des Tisches. "Danke fürs Wecken, Mila." Ich schenkte Mila ein Lächeln. Ohne sie hätte ich mal wieder verschlafen.

"Na Leni, aufgeregt?", grinste mich Leon an. Für meine Freunde war ich Lena oder Leni, war ich schon immer gewesen. "Jaa!", jammerte ich mit einer Kleinmädchenstimme und musste lachen. Es war ja nicht so, als ob das mein erster Schultag war. Rica sah mich mitleidig an. "Warum bist du eigentlich nicht bei uns auf einer normalen Schule, sondern auf dieser Privat-Snob-Schule?"

Ich seufzte. "Das wisst ihr doch. Emelie, die Frau, die sich um mich gekümmert hat, seit ich hier ins Waisenhaus gekommen bin, war auf dieser Schule. Sie hat mir sehr viel von ihrer Schulzeit erzählt und es klang immer so schön. Sie wollte, dass ich auf diese Schule gehe und da sie fast wie eine Mutter für mich war, erfüllte ich ihr den Wunsch." Emelie war gestorben als ich neun war. Ich kannte meine Eltern nicht, auch die Leiterin des Waisenhauses, in dem ich wohnte seit ich denken konnte- Frau Engel- wusste nichts über sie. Anscheinend waren meine Eltern nach meiner Geburt einfach verschwunden und so wurde Emelie meine Ersatzmutter. Klar, meine Freunde waren auch wie eine Familie, aber eben keine echte.

Jay, mein bester Freund, lächelte mir verständnisvoll zu, bevor sein Blick wieder sehnsuchtsvoll zu Mila wanderte. Ich musste grinsen. Schade, dass Mila diese Blicke, die Jay ihr immer wieder schenkte, nie bemerkte...

"Na dann, bye Leute ich muss dann auch mal wieder los." Ich schnappte mir mein Brötchen, warf meinen Freunden eine Kusshand zu und verließ das Haus. "Rock sie weg, Baby!", rief mir Jay noch frech hinterher.

Meine blaue Tasche schnappte ich mir im Gehen und rannte zur Bushaltestelle. Der Bus fuhr schon heran und ich stieg etwas außer Atem ein. Lustlos ließ ich mich auf einen Platz fallen und steckte mir mieine Kopfhörer in die Ohren.

Ehe ich mich versah, waren wir auch schon an der Schule und ich stieg mit den anderen Schülern aus.

Überall sah ich Wiedersehensfreude und wünschte mir kurz, auch dazu zu gehören, von meinen Freunden freudig begrüßt zu werden... Das würde wohl nie passieren. Verärgert über mich selbst schüttelte ich den Kopf und ging an den anderen Schülern vorbei zum Schulgebäude.

Genervt von den ganzen Gruppen, die alle nicht aufhören konnten, mir unter die Nase zu reiben, dass sie alle Freunde hatten, nur ich nicht. Naja, wahrscheinlich war das nicht wirklich ihre Absicht, aber ich war trotzdem genervt.

Das ruhige Schulgebäude war wie eine Erlösung, bis mir einfiel, dass der Schulleiter eine Ansprache auf dem Schulhof halten würde, bei der wir alle zu erscheinen hatten. Das war bestimmt der Höhepunkt des Tages. Sarkasmus lässt grüßen... Na, dann auf in die Schlacht.

Mit Schwung stieß ich die Tür auf und drängelte mich wieder zurück durch die -schadenfreudige- Menge.

Dabei achtete ich nicht allzu sehr auf meinen Weg und wie es der Zufall so will, rannte ich direkt gegen einen harten Körper und fiel rückwärts auf den Po. Stöhnend sah ich auf und erkannte mit Schrecken, den man mir -hoffentlich!!!- nicht ansah, gegen wen ich gelatscht war. Ausgerechnet Nick, der wohl beliebteste Schüler der Schule. Aber er war- jedenfalls sah ich das so- genauso beliebt, wie er ein Arsch war. Er ließ keine Gelegenheit aus, mich bloß zu stellen und ich hasste ihn wie die Pest.

Seine ausgestreckte "helfende" Hand übersah ich absichtlich und stand selbst auf.

"Ups, sorry, muss dich wohl übersehen haben.", entschuldigte ich mich zuckersüß.

"Macht nichts, kann ja jedem mal passieren.", erwiderte er. Wow, was?? Seit wann war Nick so freundlich zu mir?

Misstrauisch sah ich zu ihm auf, da kam doch bestimmt gleich noch eine Gemeinheit. Und ich hatte Recht.

"Jeder, der einfach keine Augen im Kopf hat, Schlampe.", schnaubte er verächtlich.

"Ooh, sauer, dass ich nicht wie jedes Mädchen auf dieser Schule auf dich stehe?" Spöttisch sah ich ihn an.

Innerlich brodelte ich vor Wut. Ich hasste es, dass er mich Schlampe nannte.

Es war verdammt noch mal nicht gerechtfertigt! Ich war noch Jungfrau, eine der wenigen an dieser Schule. "Sorry Baby, aber wenn so jemand wie du auf mich stehen würde, würde ich von  der nächsten Klippe springen." Autsch, das saß. Er setzte sogar noch einen drauf. "Und ich glaube, das geht jedem Typ hier so, hab ich Recht?"

Inzwischen hatte sich die Menge um uns gescharrt und lauschte gespannt. Als Nick und ich uns umblickten, sahen wir lauter nickende Jungs, Ekel in ihren Gesichtern. "Die würde ich nicht mal flachlegen, wenn wir die letzten beiden Menschen auf der Erde wären.", rief Florian, ein Kumpel von Nick, in die Menge. Die anderen gaben zustimmende Laute von sich.

Nick grinste. "Da siehst du es."

Ich konnte ihm nciht in die Augen sehen. Das war wohl das Fieseste, was er je zu mir gesagt hatte. Tränen stiegen mir in die Augen. Seine Worte taten so weh, als hätte er mir ein Messer in den Bauch gerammt.

Gerade deswegen, weil ich wirklich noch nicht viel Bestätigung bekommen hatte. Bis auf Leon hatte ich noch keinen Freund gehabt. Wir hatten mal einen Versuch gewagt als wir vierzehn waren, es hatte aber nicht lange gehalten, weil wir beide beschlossen hatten, dass wir nur freundschaftliche Gefühle füreinander hatten.

Und ich war noch nie wirklich verliebt gewesen und soweit ich wusste, auch niemand in mich.

Deswegen taten Nicks Worte umso mehr weh, weil ich wusste, dass es wahr war. Niemand hier mochte mich.

Ohne ein weiteres Wort drehte ich mich um und verieß den Pausenhof. "Helena!", rief Nick mir hinterher. Ich reagierte nicht. Die Tränen liefen mir die Wangen hinab.

Als Schritte hinter mir ertönten, lief ich schneller.

"Helena, warte!" Nick folgte mir. Wollte er mir noch mehr weh tun? Was hatte ich ihm getan?

Wütend drehte ich mich zu ihm um und sah, dass er erstarrte, als er die Tränen auf meinen Wangen sah.

"Du weinst ja." Seine Stimme war erstaunlich sanft.

"Was willst du, verdammt nochmal? Was hab ich dir getan? Kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen?", schluchzte ich wütend. Verdammt, hör auf zu heulen!

Nick ging auf mich zu, aber ich wich zurück bis ich an eine Mauer stieß. Ganz nah bei mir blieb er stehen.  Wenn ich jetzt meinen Kopf nach vorne lehnen würde, könnte er mich trösten... Scheiße, was dachte ich da?! Er war es doch, weswegen ich erst heulte wie ein kleines Kind. Ich stämmte meine Hände auf seine Brust und versuchte, ihn von mir zu schieben, aber er war einfach zu stark.

Er stützte sich mit seiner linken Hand neben meinem Kopf an der Wand ab und seine rechte bewegte sich langsam auf mich zu, bis er plötzlich zärtlich meine Tränen wegwischte. Er stand jetzt so nah vor mir, dass ich seinen betörenden Duft riechen konnte und sein Atem mein Gesicht striff. 

Ängstlich, aber auch aufgeregt hielt ich den Atem an und dann lagen seine Lippen plötzlich auf meinen und küsste sie sanft. Ich stand da wie erstarrt und konnte nicht fassen, was da gerade geschah. Mein Bauch kribbelte und meine Hände fuhren hoch zu seinen Schultern. Vorsichtig erwiderte ich den Kuss und seufzte verzückt auf, als seine Zunge meine zärtlich berührte. Seine Hand strich mir sanft über die Wange und er vertiefte den Kuss. 

Fuck, was zum Teufel tat ich hier? Ich hasste diesen Typ!

Meeehr....

Sofort aufhören!

Nick konnte soo gut küssen...

Nein! Stoß ihn weg! Er spielt nur mit dir!

Küssen...

Nicks Kuss fühlte sich so gut an, als würde ich fliegen, überall, wo er mich berührte, kribbelte es und ich wollte nicht aufhören. Einfach... nur... fühlen...

"Nick?!", dumpf hörte ich eine Stimme durch meinen Knutschrausch dringen und als nächstes fühlte ich Schmerz, weil Nick mich von sich geschubst hatte, gegen die Mauer. "Aah, verdammt!", ich verzog das Gesicht.

"Warum  küsst du diesen Freak? Bist du völlig durchgeknallt, Nick?!" Scheiße, das war Florian.
Was würde Nick jetzt tun? Spöttisch lachen, was sonst.

"Denkst du echt, ich meine das ernst?" Nick lachte wieder. Es war ein böses Lachen und verursachte eine Gänsehaut bei mir.  "Ich wollte ihr nur zeigen, dass alle Mädchen auf mich stehen, und sie da keine Ausnahme ist."

Ja, natürlich. Warum auch sonst? Traurig senkte ich den Kopf. Ich hatte keine Kraft mehr, zu widersprechen.

Warum sollte ich auch? Er hatte ja gemerkt, wie ich darauf reagierte. Florian lachte nun auch.

"Hat ja bestens geklappt." Feixend sah er auf mich hinab. Auch Nick sah mich an. Aber in seinen Augen war keine Belustigung, nein, es war irgendetwas anderes. Ein Grinsen zierte seine Lippen -mit denen er mich eben noch geküsst hatte...-, aber es erreichte nicht seine Augen.

"Also lass uns gehen." Florian zog Nick am Arm mit weg. Dieser sah nochmal zurück. "Bye, Freak!", ertönte seine eiskalte Stimme. Da war er wieder, der Nick, den ich kannte.

Aber was war das gerade eben für ein Nick gewesen?

Er war gefühlsvoll, sanft und freundlich. Aber das hatte ich mir wahrscheinlich nur eingebildet.

Warum hatte er mich geküsst? Reichte es ihm nicht, mich mit Worten zu demütigen?

Ich war doch verrückt geworden! Ich küsste meinen Erzfeind!

Das Schuljahr fing ja schonmal gut an...

Kapitel 2 - Das musste ja niemand wissen.

Den restlichen Tag ignorierte ich alles und jeden.

Eigentlich versuchte ich, nicht an Nicks Kuss zu denken, aber das war ein Ding der Unmöglichkeit- so kam es mir jedenfalls vor...

Immer wieder geisterten mir Fragen durch den Kopf und alle drehten sich um Nick. Warum griff er nach solchen Mitteln, mich zu schikanieren? War die Sache im Pausenhof nicht genug gewesen? Nein, denn er musste mich auch noch küssen, nur um zu beweisen, dass alle Mädchen auf ihn standen!

Wozu brauchte er das? Er hatte doch genug Verehrerinnen, die den Boden unter seinen Füßen küssen würden, nur um einen Blick von ihm zu ergattern. Warum verdammt küsste er dann mich?

"Dummes Arschloch.", grummelte ich vor mich hin.  "Wie bitte?" Eine scharfe Stimme ließ mich aus meinen Gedanken aufschrecken. Mein Chemie-Lehrer stand vor mir und schaute mich böse an. Uups...

"Ich wäre sehr erfreut darüber, wenn Sie dem Unterricht folgen könnten, anstatt mich zu beschimpfen. Wenn Sie ein Problem mit der Hausaufgabe haben, können Sie es gerne laut sagen. Ansonsten würde ich gerne fortfahren.", wies er mich pikiert zurecht.

Ich rollte mit den Augen. "Ja, ich habe ein Problem mit der Hausaufgabe. Wir haben heute Nachmittagsschule und sollen dieses Protokoll und die drei Aufgaben im Buch bis morgen fertig machen?"

"Sehr gut, Sie haben ja doch aufgepasst.", lobte er mich.

Die Hausaufgabe stand an der Tafel und somit hatte ich überhaupt nicht aufpassen müssen, aber egal...

"Soll das Ihr Ernst sein?", empörte ich mich. "Ich komme heute Abend um halb sechs nach Hause und soll dann noch ewig an den Hausaufgaben sitzen? Manche Leute haben auch noch so etwas wie Hobbys!"

Abgesehen davon hatte ich keine Ahnung, worüber wir das Protokoll schreiben mussten, da ich während der Lehrer den Versuch vorgeführt hatte, mit meinen Gedanken bei Nick gewesen war. Aah, nein, nicht schon wieder!

"Chemie ist wichtiger als Ihre Hobbys, Sie brauchen diese Wissenschaft für Ihr gesamtes Leben.", predigte er mir.

Blablabla... Als ob ich jemals Chemiker(in) werden würde!

"Das verstehe ich ja-" Tat ich nicht, aber egal...

"Aber können Sie nicht wenigstens das Protokoll weglassen? Wir haben doch jetzt genug in der Klasse darüber gesprochen." Hoffentlich stimmte das...

Der Typ schien zu überlegen. Mittlerweile sah die ganze Klasse ihn hoffnungsvoll an.

"Na gut. Ausnahmsweise." Der noch relativ junge Lehrer zwinkerte mir zu.

Igitt! Ich meine, ganz schlecht sah er ja nicht aus, aber erstens war er mein Lehrer, zweitens gefiel mir seine Berufswahl nicht besonders... -überhaupt nicht!- und drittens war er ungefähr fünfzehn Jahre älter als ich. Da kam mir ja fast mein Frühstück wieder hoch.

Die Klasse jubelte und manche sahen mich sogar respektvoll an. Leider konnte ich das nicht genießen, weil ich A) von dem Pedo-Lehrer angeekelt war und B) meine Gedanken immernoch um Nick schweiften.

Der Typ versaute mir doch alles! Langsam verwandelte sich meine Verwirrung in Wut. Wie kam er bloß darauf, mich einfach zu küssen? Und wieso war ich so dumm gewesen und hatte den Kuss erwidert?

Okay, genug jetzt! Ich sollte die Sache wohl einfach vergessen. Es war ja nichts neues, dass Nick mich immer wieder demütigte. Und daran hatte sich auch über die Sommerferien nichts geändert.

 

Als es endlich klingelte, verließ ich schnell den Raum. "Helena, warte mal!" Erstaunt drehte ich mich um. Es hatte tatsächlich ein menschliches Wesen auf dieser Schule in aller Öffentlichkeit meinen Namen gerufen.

Das mutige Mädchen war ziemlich klein, hatte lange braune Haare und große braune Augen. Sie lächelte mich freundlich an. "Hey, ich bin Katha." "Hey." Ich lächelte vorsichtig, man konnte ja nie wissen.

"Die Aktion war ziemlich cool, eben." Katha lachte. Ich musste grinsen. Ich hatte ja nicht gedacht, dass es klappte, aber... "Ein Versuch war es wert."

"Und wie." Dieses Mädchen schien dauerzugrinsen. Aber sie hatte etwas sympathisches an sich und irgendwie mochte ich sie.

"Isst du heute in der Cafeteria mit uns?" Wow, Premiere!

"Uns?", frage ich unsicher.

"Meine Freunde und ich. Siehst du ja dann." Ohne zu zögern stimmte ich zu, man wusste ja nie, wann einem wieder die Gelegenheit geboten wurde, mit anderen Menschen dieser Schule zu essen.

"Super", freute Katha sich.

Zusammen gingen wir in Richtung Cafeteria. Katha führte mich zu einem Tisch weiter hinten, sodass wir uns durch die ganzen Schüler durchquetschen mussten. Am Tisch angekommen stellte mich Katha vor.

"Hey Leute, das ist Helena. Sie hat uns heute ein ewig langes Date mit Chemie erspart."

Sie grinste- was ganz neues...

"Und das sind Elyas-" Sie deutete auf einen hübschen Typ mit blonden Haaren und grünen Augen, der mich freundlich anlächelte. Dann auf ein hübsches rothaariges Mädchen, die mich zwar kritisch anblickte, aber nicht direkt böse. "Kyra. Sie ist etwas misstrauisch mit neuen Leuten in unserer Clique, aber das wird schon." Katha zwinkerte mir zu und ich musste lächeln.

"Das da ist Chris." Sie deutete auf einen echt heißen schwarzhaarigen Typ mit braunen Augen, der mir irgendwie bekannt vorkam...

"Hey, schön, dich kennenzulernen." Chris hob eine Hand.

"Und das ist Miranda, kurz: Mira." Das blonde Mädchen war leicht pummelig und lächelte mich schüchtern an, was ich erwiderte.

Katha setzte sich auf einen freien Stuhl und deutete mir mit der Hand, es ihr gleich zu tun.

"Ich hab dich heute morgen gesehen, wie du Nick Kontra gegeben hast." Chris sah mich anerkennend an. "Das schaffen nicht viele Mädchen, so lange durchzuhalten."

Na, danke. Gerade hatte ich es erfolgreich verdrängt. Mein Blick verdüsterte sich. "Nick ist das größte Arschloch des Universums." Meine Stimme klang ziemlich bitter und ich verzog mein Gesicht bei dem Gedanken an heute morgen. 

"Das, was er und Florian am Ende gesagt haben, war mies", sagte Chris mitfühlend. Ich zitiere: Wenn so jemand wie du auf mich stehen würde, würde ich von der  nächsten Klippe springen."  (...) Florian: "Die würde ich nicht mal flachlegen, wenn wir die beiden letzten beiden Menschen auf der Erde wären."

 Ich sah auf den Tisch und blinzelte, um die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken.

"Hey-", drang eine zärtliche Stimme zu mir durch. "Wenn ich hetero wäre, würde ich dich sofort flachlegen."

Chris grinste mich spitzbübig an. Ich musste lachen. Moment? Er war nicht hetero? Schade...

"Danke." Ich grinste ihn an.

"Also ICH bin hetero", erklang Elyas Stimme und er zwinkerte mir zu.

"Na, wenn das mal kein Angebot war." Sogar Kyra musste lachen.

"Ich werde darauf zurückkommen", warnte ich ihn spaßeshalber vor und grinste. "Nur zu gerne." Er lächelte verführerisch und Mira gab ihm lachend eine Kopfnuss.

"Aah, Freak hat endlich Freunde gefunden. Schau mal her, Nick", erklang eine spöttische Stimme und ich versteifte mich. Bitte nicht... Aber das Schicksal hasste mich wohl.

"Nice, nice. Na wenn das mal keine perfekte Clique ist. Alle hässlich, unbeliebt und langweilig", hörte ich nun auch schon Nick. "Verpisst euch, Arschlöcher." Chris schaute Nick wütend an. "Oh Chris, findest du mich etwa nicht mehr heiß?" Verwundert sah ich zwischen Chris und Nick hin und her. Chris hatte Nick mal heiß gefunden?

Ich meine, Nick WAR heiß, aber.. Moment! Nick war nicht heiß! Er war böse, gemein und fies und süß und... SÜß??? Nein, Nick war garantiert nicht süß!

Chris gab Nick kräftig Kontra, aber irgendwann hatte ich keine Lust mehr und stand auf.

"Hau doch einfach ab, Nick. Niemand will dich hier haben! Außerdem-" Mein Blick verfinsterte sich. "Außerdem war ich gerade dabei, zu flirten und du versaust das einfach!"

"Flirten? Mit Chris? Baby, da hast du was nicht ganz verstanden. Chris ist stockschwul." Nick grinste hämisch.

"Wer sagt, dass ich von Chris rede?" Ich lächelte ihn zuckersüß an.

Er wurde blass. "Mit Elyas?" Seine Augen weiteten sich und er blickte Elyas finster an.

"Richtig." Ich ging zu Elyas und setzte mich auf seinen Schoß, in der Hoffnung, dass es ihm nichts ausmachte.

Aber im Gegenteil. Er grinste nur. "Elyas ist keinesfalls so abgeneigt, mich flachzulegen wie du", sagte ich grinsend.

"Tja, dann viel Spaß." Nicks Stimme klang jetzt wieder kühl und emotionslos wie immer. Dann drehte er sich um und stöckelte davon. Nein, Spaß. Er ging ganz normal. Obwohl sein Abgang etwas von einer Diva hatte, wie ich amüsiert feststellte.

"Denen habt ihr es gegeben." Katha sah uns anerkennend an.

"Aber wie war das, Chris, du standest mal auf Nick?" Entgeistert sah ich ihn an. Jaa, ich hatte kein Mitgefühl...

Chris wurde rot. "Nick ist mein Cousin und-" 

"Waaas??" Das war ein Schock! Aber deswegen kam er mir wohl auch so bekannt vor.

"Und vor ungefähr eineinhalb Jahren stand ich mal auf ihn. Aber das hat sich gelegt, als ich bemerkt hab, was für ein Arsch er ist." Immerhin...

Moment, ich brauchte überhaupt nichts sagen, schließlich hatte ich ihn sogar geküsst...

Aber das musste ja niemand wissen.

 

 

 

 

 

 

Kapitel 3 - Aber klar doch, Baby./ Das würden wir ja dann sehen...

Teil 1

 

Die würde ich nicht mal flachlegen, wenn wir die letzten beiden Menschen auf der Erde wären.

Wenn so jemand wie du auf mich stehen würde, würde ich von der nächsten Klippe springen.

 Ich wollte ihr nur zeigen, dass alle Mädchen auf mich stehen und sie da keine Ausnahme ist.

Die verletzenden Worte hallten noch in mir, als ich die Tür zu meinem Zimmer aufstieß und mich auf mein Himmelbett fallen ließ. Warum dachte ich denn immernoch daran? Das war doch nur Nick. Niemand, der mir etwas bedeutete.

Genervt von mir selbst seufzte ich auf. Das konnte doch nicht wahr sein! Der Tag war noch nicht mal nur schlecht gewesen- immerhin hatte ich Katha, Elyas, Kyra, Chris und Mira kennengelernt und verstand mich sogar mit ihnen. Nur weil Nick mich mal wieder gedisst hatte, musste ich mir davon doch nicht den Tag vermiesen lassen!

Vielleicht hatte ja Jay Lust, etwas zu unternehmen? Immerhin war er mein bester Freund, solche mussten doch wohl für einen da sein, wenn es einem nicht besonders gut ging. Entschlossen stand ich auf und begab mich auf die Suche nach ihm.

Schließlich fand ich ihn im Gemeinschaftsraum, wo er mit ein paar anderen Jungs zockte.

"Jay?" Ich stellte mich hinter das Sofa auf dem er saß und schlang meine Arme von hinten um ihn.

"Rico, übernimm mal", befahl Jay einem dunkelhäutigem Jungen, der nur zu gern für Jay weiterspielte und stand auf.

"Was gibt's, Süße?" Jaa, ich weiß, das klang so, als wären wir zusammen oder so, aber Jay nannte mich schon immer so- wir empfanden einfach freundschaftliche Liebe füreinander und waren immer füreinander da. So auch diesmal.

Mein bester Freund umarmte mich und hob mich hoch, sodass ich leise lachen musste. Eigentlich wollte ich ja nur Ablenkung, aber plötzlich verspürte ich den Drang, Jay alles zu erzählen.

"Kommst du mit in mein Zimmer?", fragte ich zaghaft und er schaute mich etwas erstaunt an, denn normalerweise war ich nicht so kleinlaut, sondern zog ihn einfach mit mir, wenn ich etwas wollte.
Ohne zu wiedersprechen folgte er mir. In meinem Zimmer setzten wir uns auf mein Bett und da wusste ich erst mal nciht, wie ich anfangen sollte.

"Ist es wegen diesem Nick? Hat er dich wieder fertiggemacht?" Er traf es auf den Punkt. Meine bedrückte Miene sagte alles. Wütend zog Jay mich in seine Arme.

Am Anfang noch stockend erzählte ich, was an diesem Tag passiert war.

Bei der Stelle, als Nick mich vor der ganzen Schule bloßgestellt hatte, drückte er mich fester und ich spürte, wie sich seine Hände zu Fäusten ballten. "Hör nicht auf dieses Arschloch!" Jay zitterte vor Wut. "Du bist überhaupt nicht unattraktiv oder so, du bist eines der schönsten Mädchen, die ich je gesehen habe."

Auch wenn das nicht stimmte... "Danke Jay." Ich musste lächeln.

"Da ist noch was, oder?"

Stumm nickte ich und erzählte ihm von dem Kuss und seinen Worten danach.

"Aber während dem Kuss war er so anders..." Ich wusste genau, dass ich erbärmlich klang, aber ich konnte es nicht abstellen.

"Süße... Fall nicht auf die Masche rein, bitte! Ich weiß, du glaubst immer an das Gute in einem Menschen, aber der Typ hat dich schon immer fertiggemacht. Das wird wahrscheinlich nicht der einzige Kuss bleiben, vielleicht ist das seine neue Masche, dich fertig zu machen!"

Er hatte so Recht, dennnoch schmerzten seine Worte.

"Du hast Recht. Ich werde ihm einfach aus dem Weg gehen", sagte ich betrübt.

"Nein, das finde ich auch keine so gute Idee..."

Genervt sah ich ihn an. "Und was schlägst du vor?"

"Du musst ihm zeigen, dass es dir nichts ausmacht. Dass seine Worte dich nicht verletzen können."

Toll, und wie sollte ich das bitte machen? Seine Worte taten nun einmal weh und sowas ging schlecht zu verbergen. Da kam mir eine Idee...

Vielleicht war sie verrückt, aber... "Jay, ich muss ihm auch zeigen, dass ich nicht wie alle anderen Mädchen auf ihn stehe. Könntest du... eventuell... meinen Freund spielen?"

Mein süßer bester Freund fing an zu grinsen und zwinkerte mir zu.

"Aber klar doch, Baby."

 

Teil 2

 

"Demnächst ist ein Schulball für die Oberstufe", erinnerte ich mich an die vielen Plakate, die schon letztes Schuljahr überall im Schulgebäude aufgehängt waren. Wenn Jay und ich da zusammen aufkreuzen würde, würden wir Nick damit sozusagen den Mittelfinger entgegenstrecken. Die Idee gefiel mir immer mehr.

Ich hatte mich von Nick genug ärgern lassen, jetzt wurde es Zeit, dass ich ihm zeigte, dass er nicht alles mit mir machen konnte. Und vor allem würde ich ihm so vor die Nase führen, dass er nicht unwiderstehlich war.

"Also, sag mir einfach, wann und wo und ich werde da sein." Jay lächelte mir noch einmal zu und wollte schon verschwinden, aber ich griff nach seiner Hand.

"Danke, Jay, dass du immer für mich da bist. Das weiß ich wirklich zu schätzen." Mit den Worten schlng ich meine Arme um seinen Hals und drückte ihn fest.

Etwas überrascht erwiderte er meine Umarmung. Als er wieder sprach, klang seine Stimme belegt. "Kein Problem, Süße. Sowas machen beste Freunde nunmal füreinander."

Ich würde so gerne auch etwas füre ihn tun, nur schien es, als hätte er keine Probleme. Zumindest keine, bei denen ich helfen konnte. Obwohl...

"Sag mal, Jay..." Ich löste mich etwas von ihm und sah ihm in die Augen. "Wie findest du eigentlich Mila?"

Kaum zu glauben, da schlich sich wirklich eine zarte Röte auf seine Wangen. "Wie kommst du jetzt darauf?" Er räusperte sich verlegen.

"Ich seh doch, was du ihr immer für Blicke zuwirst." Ich zwinkerte ihm zu. Mein bester Freund wurde tatsächlich noch röter.

"Okay", gab er sich geschlagen. "Ich finde sie unglaublich süß." Ein sehnsüchtiger Blick schlich sich in seine Augen.

Das war so... Ich musste mich wirklich zusammenreißen, um nicht laut loszuquitschen.

"Aber so jemand wie Mila wird sich nie in mich verlieben", sagte Jay düster.

Was? Hatte er wirklich nicht bemerkt, wie Mila ihn immer anstarrte? Das sah doch selbst ein Blinder. Wow...

"Da kann ich dich beruhigen." Ich grinste. "Sie mag dich total. Frag sie einfach", befahl ich ihm und schob ihn aus meinem Zimmer. Überrumpelt verschwand er und ich musste lächeln.

Das wäre so süß, wenn die beiden ein Paar werden würden...

Für den Moment glücklich ließ ich mich wieder auf mein Bett fallen. Doch da fiel mir wieder unser Plan ein. Ob er wirklich so gut war? Konnte es Nick nicht eigentlich egal sein, ob ich einen Freund hatte? Okay, wahrscheinlich nicht, da er ja wollte, dass alle Mädchen auf ihn standen.

Aber würde er es uns überhaupt abkaufen? Immerhin hatte ich mich von ihm küssen lassen und vor ihm mit Elyas geflirtet.

Ich seufzte tief.

Das würden wir ja dann sehen...

 

 

 

 

 

Kapitel 4 - Stop! Das ist MEIN Bett!

Die nächsten Tage waren eigentlich okay, wenn nicht sogar gut. Ich verstand mich immer besser mit Katha und ihrer Clique und sogar Nick ließ mich, bis auf ein paar kleine Sticheleien, ziemlich in Ruhe.

Zwei Tage, nachdem ich mit Jay gesprochen hatte, kam Mila freudestrahlend in mein Zimmer.

"Du glaubst nicht, was passiert ist!" Sie lachte aufgeregt.

Eigentlich konnte ich es mir denken, aber ich fand es total süß, wie sie sich freute und ließ sie erzählen.

 

Milas Sicht:

Ich lag gelangweilt auf meinem Bett in meinem Zimmer und dachte sehnsüchtiog an Jay. Jay mit seinen schönen braunen Augen und den dunklen Haaren. Verträumt stellte ich mir vor, wie er fragte, ob ich mit ihm zusammen sein wollte. Wir saßen auf einer Blumenwiese und er fütterte mich mit kleinen Häppchen. Echt kitschig, ich weiß...

Meine Tagträume wurden von einem zaghaften Klopfen an meiner Zimmertür unterbrochen.

Genervt stand ich auf. Wer musste mich jetzt nerven? Ich öffnete die Tür und blieb schockiert stehen.

"Hey", erklang die warme Stimme von Jay. Jay! Oh verdammt. Warum musste ich auch direkt nach der Schule meine Schlafboxershort und ein schwarzes Top anzeiehen? Innerlich total am Ausflippen, aber äußerlich hoffentlich ruhig, antwortete ich: "Hey, Jay."

Sein Lächeln beschehrte mir weiche Knie. Plötzlich sah ich Unsicherheit in seinen Augen aufblitzen.

Jay war unsicher? Wow, das hatte ich noch nie gesehen.

"Gehst du heute Abend mit mir ins Kino?" Träumte ich? Fragte mich gerade Jay, JAY! nach einem Date?

Mit großen Augen sah ich ihn an. Dann spürte ich, wie sich über mein Gesicht ein Strahlen zog.

"Okay", versuchte ich möglichst cool zu antworten. Was mir jedoch nur mäßig gelang. 

"Cool, ist das okay für dich, wenn ich dich um halb sieben abhole?"  Hektisch nickte ich. Halb sieben war in einer dreiviertel Stunde. "Bis dann." Jay lächelte mir noch einmal zu und ging.

Um kurz vor halb sieben war ich fertig. Ich hatte mich total beeilt und war auch ziemlich zufrieden mit dem Ergebnis.

Ich trug eine dunkle enge Jeans und ein schwarzes trägerloses Top. Darüber zog ich noch meine braune Lederjacke an. Meine hellbraunen welligen Haare ließ ich einfach offen. Damit ich nicht zu langweilig aussah, hing ich mir noch meine silberne Kette mich einem kleinen Herz unten um den Hals. Ich hatte sie von meiner Mutter geschenkt gekriegt, kurz bevor sie gestorben war...Vielleicht brachte sie mir ja Glück.

Gerade, als ich in meine braunen Lederstiefel schlüpfte, klopfte es an der Tür. Aufgeregt öffnete ich.

Als ich Jay sah, blieb mir die Luft weg. Er sah so gut aus! Dunkle Jeans, schwarzes Shirt und darüber ein kariertes Holzfällerhemd, das er offen trug. Seine dunklen Haare waren lässig zur Seite gestylt.

Überwältigt stammelte ich ein Hallo und dann gingen wir los.

"Was schauen wir überhaupt an?", durchbrach ich kurz darauf die Stille, als wir zusammen in der Straßenbahn saßen.

"Du kannst aussuchen. Entweder "Fack ju Göthe", "Divergent", oder "Endless Love"." Er grinste mich an.

"Fack ju Göthe" hatte ich schon gesehen, "Endless Love" war, soweit ich wusste, eine richtige Schnulze, was ich eigentlich nicht schlecht fand, aber ich bezweifelte, dass Jay da so Lust drauf hatte. "Divergent" war ein Actionfilm mit Liebe. Eigentlich nicht schlecht.

"Wie fändest du "Divergent"?" Hoffnungsvoll sah ich ihn an. "Klar. Hab nichts dagegen." Grinsend sah ich die Erleichterung in seinen Augen. Er war wohl wirklich nicht so für "Endless Love".

Am Kino angekommen, bezahlte Jay mir meine Kinokarte und kaufte einen großen Popcorneimer für uns beide zusammen. Erst protestierte ich, aber er ließ sich nicht davon abbringen.

Als der Film begann, setzten wir uns gespannt auf unsere Plätze- ganz hinten in der Mitte- und Jay stellte das Popcorn zwischen uns.

Eine Weile passierte nichts, wir sahen einfach nur den Film und aßen unser Popcorn- wie das klang... UNSER Popcorn. Aber irgendwann spürte ich eine leichte Berührung an der Hand und dann legte Jay seine Hand auf meine. Vorsichtig drehte ich eine Hand, sodass wir unsere Finger verschränken konnten. Ich explodierte fast vor Glück. Meine ganze Hand kribbelte und ich sah vorsichtig zu Jay.

Dieser sah mich schon an und so trafen sich unsere Blicke. Ich war so gefesselt von seinen Augen, dass ich meinen Blick nicht mehr von ihm abwenden konnte. Es war wie im Film, langsam kam er näher und ich schloss flatternd die Augen. Als seine Lippen auf meine trafen, durchfuhr mich ein starkes Kribbeln und ich lege meine zitternde Hand, die Jay nicht in der hielt, auf seine Wange. Passierte das hier wirklich? Oder war es nur ein wunderschöner Traum?

Wenn es ein Traum war, dann würde ich das hier genießen. Langsam begann ich seinen Kuss zu erwidern und biss ihn spielerisch in die Unterlippe. Ich wusste selbst nicht, wo ich den Mut dazu hernahm.

Jays freie Hand strich vorsichtig über meine Taille und ich seufzte in seinen Mund hinein. Seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln und er küsste mich drängender.

Plötzlich spürte ich einen kleinen Gegenstand an meinem Mund und hörte ein Kichern. Verwirrt öffnete ich die Augen, als uns auch schon das nächste Etwas traf. Als wir uns voneinander lösten, sahen wir vier, etwa dreizehnjährige Jungs vor uns sitzen, die uns mit Popcorn bewarfen. Ich musste lachen, auch wenn dieser perfekte Kuss unterbrochen worden war, sah es zu lustig aus, wie sie mit dem Popcorn zielten. Jays Hand spannte sich an, aber ich drückte sie beruhigend und dann musste auch er grinsen.

Ohne die Jungs vor uns noch zu beachten, sah er mich zärtlich an und strich mir über die Wange. Glücklich lehnte ich meinen Kopf gegen seine Schulter und konzentrierte mich wieder auf den Film.

Immer wenn es spannender wurde, vergrub ich meinen Kopf an seiner Schulter und atmete seinen Geruch ein.

Leider ging jeder Film einmal zu Ende, so auch dieser.

Wir standen auf, ohne dass unsere Hände sich losließen und gingen aus dem Kino. In der Straßenbahn lehnte ich mich gegen Jay und schloss die Augen. Wir redeten nicht, aber die Stille war nicht unangenehm, sondern schön.

An unserer Station zog mich Jay auf die Füße und wir schlenderten Hand in Hand in Richtung Waisenhaus.

Ich wusste, wenn wir dort waren, würde unser schöner gemeinsamer Abend zu Ende gehen.

Auch Jay schien nicht in Eile zu sein, denn plötzlich zog er mich auf eine Bank. Eigentlich wollte ich mich neben ihn setzen, aber er zog mich kurzerhand auf seinen Schoß und schang seine Arme um meinen Bauch.

Glücklich lehnte ich mich an seine Brust.

"Mila?", durchdrank Jays Stimme die Nacht. "Ja?", antwortete ich und richtete mich auf, sodass ich ihm in die Augen sehen konnte.

"Ich weiß nicht, wie ich dir das sagen soll..." Er fuhr sich nervös durch seine Haare. "Also...Du bist das schönste Mädchen, das ich jemals getroffen habe, für mich ist alles an dir perfekt und ich würde nie etwas an dir ändern wollen, für nichts auf der Welt. Ich weiß, dass du keine schöne Vergangenheit hattest, aber ich will, dass du glücklich bist."

Tränen stiegen mir in die Augen. Das war so schön...

"Mila, ich bin schon ewig verliebt in dich und der Kuss heute war der schönste, den ich je hatte, das Gefühl zwischen uns stimmt einfach." Er war verliebt in mich? Eine Träne kullerte meine Wange hinab, aber meine Augen strahlten. Das war so neu für mich, das Gefühl, geliebt zu werden...

Jay lächelte, fing die Träne mit einem Finger auf und leckte sie von seinem Finger.

Stürmisch drückte ich ihm meine Lippen auf seine und legte alle meine Gefühle in den Kuss.

Als wir uns schwer atmend voneinander lösten, flüsterte ich leise:"Ich bin auch schon ewig in dich verliebt, Jay."

Seine Augen fingen an zu strahlen und wieder küssten wr uns.

"Dann ist's ja gut", lächelte er und zog mich in eine feste Umarmung.

 

Lenas Sicht:

Während Milas Erzählung blieb ich ganz still und hörte nur zu, aber jetzt konnte ich mich nicht mehr zurückhalten.

Ich quitschte los und umarmte Mila stürmisch.

Ich freute mich total für meinen besten Freund und meine beste Freundin.

Plötzlich erklang eine Stimme. "Ehm, Leute?" Na, wenn man vom Teufel sprach!

"Jay!" Mila errötete und ihre Augen begannen zu strahlen. Zögernd lächelte sie ihn an. 

Der Teufel kam auf uns zu und küsste meine Freundin zärtlich auf die Wange. 

"Nur dass ihr es wisst, Leute! Das hier ist MEIN Bett!" Ich grinste als Mila noch röter wurde und Jay mich belustigt ansah.

"Ich... ich..."

Vielleicht war ich etwas zu gemein gewesen? Immerhin stotterte Mila schon, und das tat sie wirklich nur, wenn sie extrem verlegen war. 

Ohne, dass sie ihren Satz beendet hatte, antwortete Jay ihr. "Keine Angst." Er legte beruhigend einen Arm um seine Freundin. "Wir warten bis du bereit bist, okay?"

Erleichterung breitete sich in Milas Gesicht aus. 

Das wurde mir jetzt echt zu schnulzig! Aber es war irgendwie auch echt süß... 

"Viel Spaß noch." Ich zwinkerte meinen Freunden zu und verschwand aus meinem Zimmer in den Gemeinschaftsraum, um meine Hausaufgaben zu erledigen.

Unmöglich! Jetzt hatten die beiden mich sogar aus meinem eigenen Zimmer vertrieben!

 

Kapitel 5 - It's Partytime! Oder doch nicht?

Als ich am nächsten Morgen den Raum kam, in dem ich Französisch hatte, stolperte ich wortwörtlich in ein Drama. Larissa, eine der vielen Schulzicken, hatte ihren Rucksack genau in meinen Weg gelegt. Zum Glück wollte Elyas mich eh gerade begrüßen und so fiel ich direkt in seine Arme... und wurde natürlich knallrot. "Sorry.", lachte ich verlegen. Aber Elyas und Chris, der auch in diesem Französisch-Kurs war, schauten nur böse zu Larissa und ihrer Freundin Eleanor. 

"Schaut doch, wie tollpatschig sie ist. Sowas braucht keiner!", zischte Larissa. Da war mir klar, dass von mir gesprochen wurde.

"Schon gar nicht auf einer Party.", zischte Eleanor und sah verächtlich an mir herunter. 

"Ihr seid doch bloß neidisch.", verteidigte Chris mich und Elyas legte einen Arm um mich. Er gab mir irgendwie Halt, obwohl mich das Gesagte schon verletzte. Allerdings war ich es ja auch gewohnt...

"Ach ja? Und was soll das bitte sein? Auf ihre zerzausten Harre und ihre Mini-Brüste bin ich ganz sicher nicht neidisch", sagte Eleanor gelangweilt. Autsch! 

"Es braucht ja nicht jeder so Schwabbeltitten haben wie du", konterte Chris lässig. "Und ihre Haare sind wunderschön! Deine sind ja total kaputt."

"Das ändert nichts daran, dass ihre Eltern sie nicht wollten und wir auch nicht!", schaltete sich Larissa wieder ein.

Elyas wollte gerade zu einer Atwort ansetzen als ich leise sagte: "Sie hat ja Recht."

Meine Eltern wollten mich nicht und die anderen auch nicht. Das ließen sie mich schließlich jeden Tag spüren. Die Tränen brannten in meinen Augen, aber ich ließ nicht zu, dass sie überliefen. Noch nicht!

Schnell wand ich mich aus Elyas' Arm und stürzte aus dem Klassenzimmer. An der Tür rannte ich fast meinen Französischlehrer um, stammelte aber nur ein Wort.

"Klo!" Monsieur Bennet registrierte verwirrt meine Tränen, die jetzt langsam doch anfingen, überzulaufen und ließ mich gehen.

Ich hörte noch Chris meinen Namen rufen, aber ich wollte jetzt einfach nur weg. Die Tränen liefen jetzt richtig und ich sah alles nur noch verschwommen. Deswegen sah ich auch die Gestalt nicht und prallte von einem starken Oberkörper ab und fiel um. Bevor ich jedoch den Boden erreichte, hielt mich die Person fest und ich wurde an eine warme harte Brust gedrückt.

"Sssscht, ist ja gut!", hörte ich jemanden flüstern und Erschrecken machte sich in mir breit, als ich die Stimme erkannte. Musste das jetzt sein? Wieso immer ich? Wieso musste ich ausgerechnet Nick in die Arme laufen?!

Kraftlos wehrte ich mich gegen seine Umarmung, aber er umschloss mich nur noch fester mit seinen starken Armen. Unglücklich schluchzte ich auf. "Lass mich bitte los", wisperte ich verzweifelt, aber er änderte nichts an der Lage, außer dass er sich auf den Boden setzte, sich an die Wand lehnte und mich natürlich mit sich zog.

Jetzt saß er mit ausgestreckten Beinen an die Wand gelegt da, mit mir seitlich auf dem Schoß, sodass ich mich an seinen Oberkörper lehnen musste, da er mich ganz fest hielt.

Ich versuchte krampfhaft mein Schluchzen zu unterdrücken, da es mir schrecklich peinlich war, in seiner Gegenwart zu heulen.

"Lass es einfach raus", flüsterte er an meinen Haaren und strich mir beruhigend über den Rücken.

Auch wenn es schonwieder verwirrend war, warum ausgerechnet Nick mich tröstete, da er ja eigentlich seinen Spaß an der Sache gehabt hätte, entspannte ich mich langsam.

Bestimmt würde er mich nachher damit mobben, aber im Moment konnte ich einfach nicht anders als mein Gesicht in seinem warmen T-Shirt zu vergraben. Er fühlte sich so gut an... So warm und stark und es gab mir ein Gefühl von Sicherheit. Obwohl es absurd war, ausgerechnet bei Nick, der mich schon jahrelang mobbte, fühlte mich sicher und geborgen.

"Was ist passiert?", unterbrach Nicks Stimme meine Gedankengänge. 

"Nichts." Wenn ich es ihm erzählen würde, würde er sich nur darüber lustig machen und das konnte ich im Moment echt nicht auch noch gebrauchen.

"Komm schon, sags mir. Ich sag auch nichts, versprochen!" Er klang so verständnisvoll... Aber er war ein Arschloch!

"Warum sollte ich dir glauben?", schnaubte ich plötzlich wieder aufgebracht und befreite mich aus seinem mittlerweile sanften Griff.

Kurz sah ich so etwas wie Bedauern in seinen Augen aufblitzen, bis er mich wieder eiskalt anblitzte.

"Stimmt! Du solltest mir besser nicht glauben, Kleine. Aber ist das nicht das Mindeste, dass du mir sagst, warum du hier mein T-Shirt vollgeflennt hast?" Bei seinem herablassendem Ton verkrampfte sich in mir alles.

Ah, da war es ja wieder, das eiskalte miese Arschloch. Es wäre auch zu schön gewesen...

"Arschloch!", murmelte ich enttäuscht, stand auf und ging weg. Auf dem Weg zur Toilette lief mir eine einzelne Träne über die Wange, aber ich wischte sie wütend weg.

'Genug geheult!', schimpfte ich mit mir selber und betrat die Toilette, um mir meine verschmierte Schminke wegzuwischen.

Dass ich nicht die Einzige war, die enttäuscht war, wusste ich nicht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kapitel 6 - Schwule Jungs sind doch die Besten!

Nachdem ich wieder einigermaßen akzeptabel aussah, ging ich zurück zu dem Französischraum, in dem immernoch meine Sachen waren. Es waren nur noch fünf Minuten bis zum Stundenende und eigentlich hatte ich keine große Lust, Larissa und Eleanor zu sehen, aber ich brauchte nunmal meine Sachen.

Also atmete ich einmal tief durch und öffnete ohne zu klopfen die Tür. Alle Köpfe drehten sich zu mir und eigentlich wollte ich nur weg von hier. Aber dann sah ich wie Chris und Elyas mich anlächelten und ging erleichtert zu meinem Platz.

"Alles okay?" Chris legte mir eine Hand auf den Arm und sah mich besorgt an. Um ihn zu beruhigen lächelte ich leicht und nickte. Aber anscheinend war ich nicht überzeugend genug, denn er sah mich weiterhin besorgt an.

"Ich erzähl dir nachher alles", seufzte ich resigniert und Chris lächelte. Da klingelte es auch schon und ich packte meine Sachen in meine Tasche und stand auf. Flankiert von Chris und Eylas verließ ich den Raum.

Eleanor und Larissa beachteten mich nicht, wahrscheinlich hatte Monsieur Bennet mit ihnen geredet. Er konnte Mobbing nämlich überhaupt nicht leiden und hatte sich schon mehrmals für mich eingesetzt.

Auf dem Pausenhof trafen wir auf unsere Clique und zu meiner Erleichterung verloren Chris und Elyas kein Wort über die Sache.

Natürlich ging es jetzt um die Party, wegen der Eleanor und Larissa sich so aufgeführt hatten. Eigenlich hatte ich keine große Lust, aber schlussendlich hatten Katha, Kyra und Mira mich soweit, dass ich es mir überlegte, zu kommen.

 Als der Vormittag endlich rum war, ging ich mit Chris in die Stadt und wir holten uns jeder eine Pizzaschnitte.

Die anderen aßen in der Schule. Chris zog mich zu einer Bank in der Nähe der Pizzaria und sah mich fragend an.

"Geht's dir wirklich gut?"

Ich zuckte die Schultern. "Ja... Weiß nicht... nein, mir geht's nicht gut." Deprimiert sah ich zu Boden.

Tröstend legte Chris einen Arm um mich und ich legte meinen Kopf an seine Schulter. Er war wirklich der beste Kumpel, den man haben konnte.

"Das Schlimmste ist, dass sie die Wahrheit gesagt haben. Meine Eltern wollten mich nicht und die Leute in der Schule ebenso wenig." Chris legte seine Pizza beiseite und schlang nun auch noch den anderen Arm um mich.

"Deine Eltern wollten dich bestimmt nicht nicht! Vielleicht waren sie einfach zu jung für ein Kind und wenn sie dich nicht gewollt hätten, hätten sie ja auch abtreiben können. Das klingt jetzt vielleicht hart, aber immerhin haben sie dir ein Leben geschenkt. Und außerdem, du bist wirklich ein wundervoller Mensch, da kann man dich nicht nicht mögen. Die Leute aus unserer Schule sind einfach bescheuert." Chris schnaubte. "Ich denke, sie können einfach nicht mit dir umgehen, weil du hammermäßig aussiehst und trotzdem nicht eingebildet oder sonst was bist und auch nicht zu den Beliebtesten gehören willst, sondern dich eher distanzierst. Du bist toll, lass dir von niemandem etwas anderes einreden!"

Bei seinen Worten musste ich fast schonwieder heulen. "Chris, ich hab dich lieb, du bist der beste schwule Freund, den man haben kann." Ich schniefte unsexy und musste kichern.

"Ich lieb dich auch, Schätzchen!", säuselte Chris und lachte. Er drückte mich nochmal fest an sich und ließ mich dann los. Als ich in meine Pizza biss lächelte ich dabei.

Chris hatte mich erfolgreich wieder aufgemuntert.

 

Als wir unsere Pizzen aufgegessen hatten machten wir uns wieder auf den Weg zur Schule, da wir noch drei Stunden Nachmittagsunterricht hatten. Zum Glück hatte ich nur eine Stunde BK (Bildende Kunst) und zwei Stunden Sport. BK hatte ich mit Mira und Elyas zusammen und Sport mit Katha. 

 

In BK Mussten wir ein Bild mit Acrylfarben malen, auf dem wir das, was wir an unserem Körper schön fanden,  darstellen sollten. Es war eine Aufgabe, die das Selbstbewusstsein stärken sollte, meinte unsere Lehrerin. Wir sollten einmal am Anfang des Schuljahrs so etwas malen und dann nochmal am Ende. Vielleicht würde es das gleiche sein, was wir malen würden, aber vielleicht auch etwas ganz anderes.

Erst überlegte ich, was ich malen sollte, meine Haare fand ich zu wild und zerzaust, meinen Mund etwas zu breit und meine Figur wollte ich wirklich nicht malen. Ratlos fragte ich Mira, was sie malen wollte und sie nahm ihre Haare. Sie waren aber wirklich schön, blond, glänzend, glatt und lang.

"Mal du doch deine Augen, die sind wunderschön." Sie lächelte mich leicht an.

Jetzt wo sie es sagte... An meinen Augen hatte ich wirklich nichts auszusetzen. Sie waren groß und mit dunklen Wimpern umrahmt, die das dunkle Blau nur noch betonten. Sie waren wirklich das Auffälligste an mir.

Also fing ich an.

Kurz vor dem Ende der Stunde sollten wir, egal ob fertig, oder nicht, alle Bilder auf unseren Staffeleien nebeneinander stellen und dann gemeinsam über jedes Bild reden.

Ein großer Junge mit kurzen schwarzen Haaren fing an. Er hatte seine Hände gemalt.

Das Bild war fast fertig und sah wirklich gut aus.

"Ich habe meine Hände gemalt, weil meine Freundin meine Hände liebt. Sie sagt immer, sie sind absolut perfekt." Als ein paar aus der Klasse lachten, wurde er rot. "Vielleicht sind sie das nicht, aber für sie sind sie perfekt, weil sie mich liebt."

Ich staunte. Dass ein Junge so etwas sagen würde hätte ich nie gedacht. Auch die Lehrerin lobte ihn.

Als nächstes war ein Mädchen dran. Sie hieß Sophie und sah sehr schüchtern aus. Sie hatte ihren Mund gemalt.

Sie fand ihren Mund schön, weil ihr Exfreund immer gesagt hätte, sie hätte den perfekten Kussmund.

Jetzt, wo man mal darüber nachdachte, hatte sie wirklich einen schönen Mund. Auch sie bekam ein Lob.

Der nächste war wieder ein Junge, aber er grinste so unverschämt, dass ich gleich ahnte, dass dabei nichts Gutes herauskommen konnte.

Als er uns sein Bild zeigte lachte die halbe Klasse los. Er hatte einen Penis gemalt. Mira schaute mich genervt an und auch ich musste in Stöhnen unterdrücken. Das war ja klar! Wie konnte man nur so dämlich sein?

"Ich liebe meinen Schwanz, weil er das ist, mit dem ich am meisten Spaß habe." Er grinste anzüglich.

Zu diesem Bild sagte die Lehrerin nichts und der Junge war nicht mal der Einzige, der sein bestes Stück gemalt hatte. Ein Mädchen hatte sogar ihre Brüste gemalt, was ich dann doch irgendwie schlampig fand. Aber wenn sie es schön fand, warum dann nicht?

Dann kam Mira dran und sie wurde sehr gelobt, weil ihr Bild wirklich total schön war. Es waren ihre blonden Haare, die im Wind wehten.

Danach war ich an der Reihe.

"Ich habe meine Augen gemalt, weil es das Einzige ist, was ich wirklich schön finde an mir und weil sie das Auffälligste sind in meinem Gesicht." Die Lehrerin nickte mir zu und sagte: "Dein Bild ist wirklich sehr schön geworden. Gut gemacht." Ähnlich wie bei Mira.

Das hatte mir wirklich gut getan, irgendwie half es wirklich, wenn man etwas fand, was man wirklich schön an sich fand.

 

Als die Stunde zu Ende war ging ich zu unserer Turnhalle. Dort empfing mich schon Katha.

"Wir haben heute Sport mit der Zwölften Klasse, weil Herr Niemand nicht da ist."

 Scheiße. Nick war in der Zwölften. 'Schicksal, warum hasst du mich?', dachte ich verzweifelt.

"Kommst du, Heli?" Katha war schon zu den Umkleidekabinen vorrausgegangen und ich folgte ihr schnell. In der Umkleide zog ich mir schnell meine kurze schwarze Sporthose, mein blaues Sport-T-Shirt und meine blau-schwarzen Sportschuhe an.

Meine Locken zwängte ich in einen hohen Pferdeschwanz, der mir bis auf die Schulterblätter hinabhing, was jedoch nicht viel brachte, da mir vorne schonwieder ein paar kurze Stränen aus dem Gummi rutschten, die mir dann wieder wild ins Gesicht hingen.

"Wow, Heli! Pferdeschwanz sieht voll gut aus", rief Katha begeistert. Ich grinste. Katha war immer so gut drauf.

Zusammen gingen wir in die Halle. Der Lehrer spannte gerade ein Volleyballnetz auf und als Katha das sah stöhnte sie auf. "Nein, nicht Volleyball!" Sie verzog das Gesicht.

Bei mir fiel die Reaktion etwas anders aus. Ich liebte Volleyball und spielte auch in einem Verein seit ich elf war, also schon sechs Jahre.

Meine Freude bekam aber einen Dämpfer als ich schon die kleine Gruppe sah, die am anderen Ende der Turnhalle war. Nick, Florian und noch andere Jungs, die mich schon öfters fertig gemacht hatten.

'Egal', sagte ich mir. 'Du schaffst das und machst sie fertig!'

Katha, die wusste, was ich gerade dachte, sagte energisch: "Kopf hoch, Brust raus." und ging schon los. Lachend folgte ich ihr. Sie war echt super!

Als endlich auch schon die anderen Mädchen eintrafen, die sich natürlich noch vorher schminken mussten, sollten wir uns in Zweierteams aufteilen. Katha und ich grinsten uns an. Klar, dass wir ein Team waren.

"Bitte immer jemand aus der zwölften Klasse und jemand aus der elften." Oder auch nicht klar...

Irgendein Junge, der ganz nett aussah kam zu mir und ein Mädchen, das Katha offenbar kannte, zu dieser.

Nachdem wir uns eingespielt hatten, teilte Herr Schieber (der Sportlehrer) uns in Sechserteams ein. Zum Glück war ich nicht mit Nick in einer Gruppe, aber leider auch nicht mit Katha. Dafür aber mit Florian- Freude pur! 

Außer mir war nur noch ein Elftklässler in unserem Team, der Junge, der in BK die Hände gemalt hatte.

Die anderen kannte ich nicht, es waren noch zwei Jungs und ein Mädchen, das zwar ziemlich zierlich aussah, aber auf jeden Fall was drauf hatte, wie ich beim Einspielen gesehen hatte. In unserem Gegnerteam war Nick und das Team sah ganz schön stark aus...

Das zierliche Mädchen, das sich uns als Luisa vorgestellt hatte, teilte jedem einen Platz zu.

Ich sollte mich links ans Netz stellen, sie sich ganz vorne ans Netz und Florian rechts ans Netz.

Als der Startpfiff ertönte, zischte Nick, der mir gegenüber stand, mir zu:

"Ich mach dich fertig!"

 

 

 

 

 

 

 

Kapitel 7 - Tja, wer macht hier wen fertig?

Ein blondhaariges Mädchen aus Nicks Team hatte zuerst Aufschlag. 

Der Ball flog knapp über das Netz und der eine Zwölftklässler nahm ihn knapp an. Luisa pritschte mir den Ball hoch zu und ich schlug ihn kraftvoll übers Netz. Unser Gegnerteam hatte mit so etwas wohl nicht gerechnet, deswegen ging der Ball zu Boden und wir hatten einen Punkt. 

Lachend klatschte Luisa mich ab. 

Als ich grinsend zu Nick rübersah, starrte der mich in Grund und Boden. Allerdings sah ich diesmal nicht traurig weg, sondern zwinkerte ihm zu.

 

Den nächsten Aufschlag hatte unsere Mannschaft, also drehten wir einmal, sodass ich vorne am Netz stand und Florian Aufschlag hatte. Nicks Team wusste jetzt wohl, dass wir kein leicht zu schlagendes Team waren und es wurde ein hartes Spiel. Nick wollte unbedingt gewinnen, das sah ich an seinem verbissenen Gesichtsausdruck und er war wirklich gut. 

Am Ende stand es zwanzig zu zwanzig und welche Mannschaft jetzt einen Punkt machen würde, würde gewinnen. 

Im Laufe des Spiels hatte ich mich immer mehr hineingesteigert und wollte unbedingt gewinnen. Auch Nick wurde immer verbissener. Es kam mir immer wieder so vor, als spielten nur Nick und ich gegeneinander, als ginge es nur um uns...

Ich stand nun in der Mitte und fieberte dem nächsten Aufschlag entgegen. Ein Junge aus Nicks Team warf den Ball in die Luft und schlug mit der flachen Hand dagegen. Alles geschah wie in Zeitlupe, ich sah genau, wo der Ball hinfliegen würde und bewegte mich in diese Richtung. Wahrscheinlich hatte ich mich verschätzt, denn der Ball flog auf die Netzkannte, wackelte kurz und fiel dann auf unserer Seite Richtung Boden. 

So schnell ich konnte bewegte ich mich wieder zurück auf meinen Platz in der Mitte. 

Der Zwölftklässler, der jetzt vorne am Netz stand baggerte den Ball nach oben direkt auf mich zu und ich schlug ihn knapp übers Netz. Nick, der den Ball eigentlich hätte annehmen sollen, war wohl zu sicher gewesen, dass er gewinnen würde und reagierte zu langsam. Der Ball striff nur noch seine Hand und flog auf den Boden. 

 

Wir hatten gewonnen.

...

...

WIR HATTEN GEWONNEN!! 

Jubelnd fiel mir Luisa um den Hals. Über ihren Kopf hinweg sah ich Nick direkt in die Augen. 

Ich erkannte so etwas wie Respekt in ihnen und seine Lippen formten die Worte: Nicht schlecht.

Überrascht sah ich ihn an, aber er hatte sich schon weggedreht und redete mit Florian.

 

Kapitel 8 - Zwar kein Zufrühkommer, aber ein Spätzünder!

"Du hast ihn voll fertig gemacht!" Lachend umarmte Katha mich als wir aus der Sporthalle zur Umkleide gingen. Ich musste lachen. Ich war auch ganz schön stolz auf mich, da mich nach unserem Sieg sogar ein paar Zwölftklässler gelobt hatten.

Als Katha und ich uns umgezogen hatten, gingen wir mal wieder zur unserem Chemiesaal. Auch in diesem Kurs waren nur Katha und ich aus unserer Clique. "Unsere" Clique... Ich hatte mich wirklich schnell bei ihnen eingefunden, was mich selbst irgendwie überraschte, da ich eigentlich sonst eher misstrauisch war.

In Chemie warteten wir ewig auf unseren Lehrer, aber er kam nicht.

"Wollen wir einfach gehen? Der kommt wahrscheinlich eh nicht mehr.", schlug ich vor und als mir Katha gerade zustimmen wollte, fasste mich jemand plötzlich von hinten an den Po und ich zuckte vor Schreck zusammen.

"Keine Angst, ich komme eben nicht zu früh.", raunte mir eine schleimige Stimme zweideutig ins Ohr und ich erkannte den Chemielehrer. Er grinste mich lustverhangen an und in mir breiteten sich Schauer der Angst aus.

Bevor ich auch nur etwas erwidern konnte, wahrscheinlich hätte ich mich eh nicht getraut, ging er schon nach vorne zum Lehrerpult.

"Scheiße, was war das denn?", fragte Katha entgeistert. Ich konnte nichts erwidern, mir war zu schlecht. Plötzlich fand ich meine Stimme wieder. "Ich hab keine Ahnung, aber bitte sag es niemandem." Flehend sah ich meine neue Freundin an. Etwas widerwillig nickte sie und wir setzten uns auf unsere Plätze.

Die ganze Stunde lang blieb ich still auf meinem Platz sitzen und zum Glück ließ mich unser Lehrer, der übrigens Herr Freddler hieß, die gesamte Stunde in Ruhe.

Nach der Stunde hatte ich zum Glück aus und verabschiedete mich von Katha, die das Ereignis anscheinend schon wieder vergessen hatte.

 

Zuhause angekommen, ging ich erstmal etwas essen, allerdings redete ich mit niemandem. Irgendwie war ich immer noch etwas verstört. War ja auch kein Wunder. Ich fragte mich, was das sollte. Der Typ machte sich mit sowas strafbar! Machte ihn das geil, oder was?

Schnaubend ging ich in mein Zimmer und merkte nicht, dass alle mich verwundert anstarrten.

"Die ist ja geladen.", hörte ich einen Jungen murren, machte mir aber nicht die Mühe, mich umzudrehen und zu schauen, wer es war. Ich hatte gerade andere Sorgen.

In meinem Zimmer machte ich meine Hausufgaben und legte mich dann auf mein Bett, um zu lesen.

Kapitel 9

 Als der Wecker klingelte, wachte ich schweißgebadet auf. Ich hatte mich die ganze Nacht herumgewälzt, was man an der schräg liegenden Decke und dem Kissen dass in der Mitte des Bettes lag, sah. Meine Träume handelten von einem traurigen Nick, einem eklig grinsenden Herr Freddler und einem knutschenden Pärchen namens Jayla... Oder Mija? Verwirrend!

Stöhnend gab ich mir selbst einen Tritt in den Hintern und torkelte mit frischen Klamotten und einem Handtuch zu den Gemeinschaftsduschen. So verpennt wie ich war, wäre ich fast in die Jungsduschen gelaufen, hätte mich nicht Rico, der Kumpel von Jay, schmunzelnd in den anderen Raum geschoben. Peinlich... Obwohl, die kannten mich ja schon.

Aber irgendwie war es heute besonders schlimm. Das merkten wohl auch die anderen, jedenfalls fragte Jay misstrauisch, ob alles okay sei, was ich nur mit einem Nicken und einem Gähnen beantwortete.

In der Schule war ich schon etwas wacher, allerdings nicht wach genug, sonst hätte ich nochmal auf den Vokabeltest gelernt, den wir heute in der ersten Stunde schrieben.

Fluchend lief ich zu dem Zimmer, in dem ich Englisch hatte. Jetzt war ich wirklich wach.

Nach dem Vokabeltest, den ich wirklich verhauen hatte, legte ich meinen Kopf auf den Tisch und blendete die Welt aus, bis mein Lehrer mich ermahnte. Ab da passte ich schön vorbildlich auf.

In der Mittagspause aß ich mich Elyas und Kira, die anderen hatten eine Stunde länger.

Auch Nick war in der Cafeteria und war nicht zu überhören. Er spielte mit Florian "Essen-mit-dem-Mund-auffangen" und johlte immer wieder, wenn er das Essen fing. Wie im Kindergarten!

Gerade unterhielt ich mich mit Elyas über die Party heute Abend, bei der ich mich doch entschlossen hatte hinzugehen, als Nick, Flo und ihre ganzen Anhängsel mal wieder echt laut wurden.

Genervt drehte ich mich um - und sah direkt in Nicks Augen.

"Ist was mit dem Freak?" Flo hatte unseren Blickwechsel bemerkt und sah mich nun verächtlich an. Nick schwieg. Kurz hegte ich die Hoffnung, er würde nicht darauf eingehen... Aber daraus wurde nichts.

"Sie steht auf mich, was denn sonst." Nick grinste boßhaft. "Weswegen sollte sie mich sonst so anstarren?"

Ich sackte in mich zusammen und drehte mich deprimiert von ihm weg. Die Leute an Nicks Tisch lachten und Elyas griff tröstend nach meiner Hand.

"Jetzt tröstet der Elyas die Kleine auch noch. Wie süß!", gab Flo ironisch von sich. "Wie romantisch.", spottete Nick. Da kam in mir die Wut hoch. Ich stand auf und stellte mich direkt vor Nick.

"Jetzt knutscht sie dich bestimmt gleich ab, wart's ab." Flos Grinsen brachte mich zur Weißglut.

"Immerhin hab ich jemand, der mich mag, so wie ich bin und nicht nur auf die Sprüche schaut, die ich raushaue oder wie ich aussehe oder welche Klamotten ich trage, so wie du! Deine "Freunde" sind doch nur bei dir, weil du "cool" bist, aber wenn mal wirklich was ist, dann bist du ganz allein, nicht wahr, Nick?" Ich grinse ihn zuckersüß an, nehme sein Trinken und gieße es direkt über ihm aus. Okay, das mit dem Trinken tue ich leider nur in Gedanken, aber selbst da ist es ungeheuer befreidigend. Erleichtert gehe ich aus der totenstillen Cafeteria. Selbst Flo hat nichts mehr gesagt und von Nick ganz zu schweigen.

 

 

 

Impressum

Texte: Die Texte gehören mir :D
Bildmaterialien: Das wunderschöne Cover gehört Rike, DANKE!
Lektorat: Ich hab keinen richtigen Lektor, aber Mary Lou hilft mir, so wenig Fehler wie möglich zu machen. DANKE!
Tag der Veröffentlichung: 28.03.2014

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für alle, die ich liebe. :)

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