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Vorwort


Zuallererst muss ich mich bei Victor Surge entschuldigen, dass ich sein Werk, den Slender Man, erstellt 2009 für die Something Awful Forums, für meine Zwecke benutzt und verändert habe.
Dann allerdings muss ich mich bei ihm auch bedanken, dass er diese Kreatur erstellt hat, denn nur so konnte ich sie finden und als Grundlage dieses Buches benutzen.
Außerdem danke ich Jen, da sie meinte, ich solle die Geschichte weiterschreiben, als ich gerade mal den ersten Eintrag fertig geschrieben hatte.

Kapitel 1


Sebastian van Hoovenstat - Tagebuch

31.12.2012
Es schneite. Natürlich schneite es; es war Silvester. Der 31.12.2012. Die Welt war nicht untergegangen und es gab auch noch keine Raumschiffe. Alles erinnerte an das Silvester 2011. Aber hätte ich gewusst, dass es nächstes Jahr nicht mehr so sein würde, hätte ich mir andere gute Vorsätze gemacht. Ja, bei uns ist es Tradition, sich genau drei Vorsätze zu überlegen und mindestens zwei davon auch durchzuziehen. Letzteres ist immer etwas schwierig. Dieses Jahr sollten meine so gut gewählt sein, dass ich mich so gut wie nicht ändern müsste, aber findet mal solche Vorsätze. Und davon auch noch drei! Nach langem Überlegen hatte ich sie dann doch endlich gefunden: Ich werde mich in Biologie verbessern. Das war nicht weiter schwer, ich hatte damals noch eine 4-. Ich werde mit dem Rauchen aufhören. Noch einfacher, ich habe nämlich noch nie geraucht, meine Eltern dachten das aber, weil ich in den meisten Stunden in der Schule neben mindestens einem Raucher saß und diese Typen stinken schlimmer als ein nasser Hund! Der dritte war etwas schwieriger, allerdings auch der reizvollste: Ich werde mich mit Fabelwesen und anderen Mythen auseinandersetzen. Nein, nicht die Mythen und Sagen von Homer. Nein, moderne Sagen, geboren aus den Tiefen des Internets. Monster aus Foren, aufgenommen auf Videos und hochgeladen auf YouTube. Ich wollte mich mit modernen Monstern beschäftigen.
Als ich diese drei Vorsätze meinen Eltern vortrug – ich bin Einzelkind – waren sie bei den ersten beiden so glücklich, dass ich dachte, sie könnte nichts mehr schocken. Aber als ich ihnen das mit den modernen Sagen erzählte, war für mich Silvester gelaufen.
Ich hatte mir etwa 5000 Böller gekauft. Alles aus eigener Tasche. Jetzt, um 23 Uhr, konnte ich den anderen frühbölllernden Jugendlichen dabei zusehen, wie sie Böller in Gullys warfen, damit es noch lauter knallte oder etwas kleinere in Spielzeugautos klemmten, um diese ins Nirwana zu jagen. Mich hatte man unter Arrest gesetzt. An Silvester! Ohne Computer oder Handy! Ich konnte es förmlich vibrieren hören, so viele SMS bekam ich. Wahrscheinlich alle mit demselben Inhalt: „Frohes neues jahr seb! Warum biste noch nicht auf der party?“ Tja, so ist das Leben eben, erst die Sonne dann der Regen…
Es war exakt 23:55, als mich mein Vater endlich aus meinem Zimmer befreite. „Kannst dich bei deiner Mutter bedanken, dass du überhaupt rauskommst“, zischte er mich an. „Von mir aus hätten wir auch gut mal ein Silvester zu zweit feiern können“ Das war hart. Und alles nur, weil ich mich über internetgeborene Monster informieren wollte? Da war doch was faul! Als wir alle am Tisch saßen, jeweils ein Glas Sekt vor uns, sagte meine Mutter so liebevoll sie nur konnte: „Bitte streich doch deinen guten Vorsatz für das nächste Jahr. Du weißt schon, welchen ich meine.“ „Wieso?“, entgegnete ich möglichst trotzig. Als ich die Antwort „Du wirst schon noch sehen“ bekam, wurde mir dann richtig mulmig.
1.1.2013
Als ich heute Morgen aufgestanden bin, waren meine Eltern weg. Einfach so. Kein Zettel mit der Aufschrift „Sind Brötchen holen, bis nachher“ oder ähnlichem. Weg. Ich war allein.
Ich rief bei meinen Eltern auf dem Handy an, bekam allerdings auf beiden Handys die Nachricht, die Nummer sei nicht vergeben. Das war nun wirklich unheimlich. Als wären meine beiden Erziehungsberechtigten, meine Schöpfer, meine… Eltern nie dagewesen. Allein. Ohne weitere Verwandtschaft.
Wenigstens war ich zuhause, alle meine Freunde waren in der Nähe und ich kannte mich in meiner Umgebung aus. Da ich keinen anderen Rat wusste, ging ich zu meinem besten Freund um mich bei einer Flasche Bier auszureden.
Das einzige, was er zu meiner Geschichte sagte war: „Cool. Will ich auch mal haben. So dauersturmfrei. Wirklich cool.“ Danke, Fabi, herzlichsten Dank, dass du mich so gut verstehst.

2.1.2013
Immer noch keine Spur von meinen Eltern. Wenigstens haben sie ihr Geld dagelassen. Etwa 500¤. Allerdings bin ich selbst völlig pleite und die EC-Karten konnte ich auch nicht finden. Aber 500 Mäuse sind schon eine Menge.
Da ich nichts Besseres wusste, schaltete ich den Computer ein. Als er hochgefahren war, bemerkte ich schockiert, dass ich keinen Internetzugang hatte. Somit war der Computer als Ablenkung schon mal abgehakt, da ich nur Online-Spiele und einen Browser installiert habe.
Beim Fernseher das gleiche. Kein Signal. Als wären alle Verträge meiner Eltern gekündigt worden. Oder als hätten sie nie existiert.
Unnötig zu erwähnen, dass das Festnetztelefon ebenfalls nicht funktioniert.

3.1.2013
Heute wurde ich vom Festnetztelefon geweckt. Wie das möglich ist? Es war ein interner Anruf. Von wem weiß ich nicht, ich konnte nur ein rasselndes Atmen hören. Vielleicht ein Flüstern, aber kein artikulierter Satz.
Im Laufe des Tages bin ich dann noch zur Bücherei gegangen, um dort an einen internetfähigen Computer zu geraten. Ich wollte das tun, was mir meine Eltern verboten hatten. Ich wollte nach den modernen Monstern suchen.
4.1.2013
Ich hätte nie gedacht, dass es so viele Monster und Fabelwesen gibt. Die 90er Jahre waren voll von Foren. Und die Foren voll von Celebraldurchfall. Und dieser Celebraldurchfall enthält so einiges an Celebraldurchfall-Monstern.
Doch neben dem ganzen Celebraldurchfall wie UFOs oder Geister, die meist sehr schlecht mit Bildbearbeitungsprogrammen in die Bilder hineingeschnitten wurden, fiel mir genau ein Beitrag im Something Awful Forum auf. Der von Victor Surge. Slender Man. Der schlanke Mann. Mir lief es wirklich eiskalt den Rücken hinunter. Bei diesen Fotos konnte man nicht einfach sagen: „Das hätte ich auch gekonnt, so schlecht bearbeitet wie das ist.“ Nein, bei diesen beiden Fotos, die auch noch Bildunterschriften hatten, die dem Lesenden verrieten, dass der Fotograf gestorben sei, kurz nachdem er das Foto schass, bekam man Angst.
Ich gab dann bei Google ‚Slender Man‘ ein und fand einen großen Haufen Müll. Natürlich. Wie immer, wenn man etwas Interessantes sucht. Doch in diesem Haufen Müll gab es ein paar Fotos und einige Videos, die wirklich vielversprechend aussahen.

5.1.2013
Ich konnte diese Nacht nicht schlafen.
Ich fühlte seine Anwesenheit.
Ich redete mir ein, es sei nur Einbildung.
Ich hörte etwas im Garten.
Ich sah hinaus.
Ich sah es.
Es sah mich.

Kapitel 2


13.1.2013
Ich lebe noch. Gerade so.
Er sieht furchterregend aus. Viel zu groß für einen Menschen, mit dürren tentakelartigen Armen und Beinen und ohne Gesicht. Wenn man ihn sieht ist man paralysiert, so viel Angst hat man. Und wie er da so steht, reglos, den Kopf gen Himmel, ist er nicht still, nein, er flüstert mit einer grausamen, raschelnden Stimme, man solle herkommen. Er flüsterte zu mir: „Komm, Sebastian, komm. Dich erwartet etwas großartiges, etwas, das über all deine Vorstellungen hinaus geht.“ Das war der Moment, der wohl für immer auf Platz 1 der gruseligsten Momente meines Lebens bleiben wird.
Ich musste vor ihm wegrennen, ich bin also nicht mehr zuhause. Ich bin auch nicht mehr in der Stadt, zumindest nicht mehr, dort hat er mich immer wieder gefunden. Als ich bei Fabi war, stand er plötzlich in seinem Zimmer. Ich sprang aus dem Fenster, aber ich weiß nicht, was mit Fabi geschehen ist. Dasselbe gilt auch für meine Eltern. Ich werde wohl morgen in die nächste Stadt gehen und dort versuchen über das Internet etwas herauszufinden. Bis dahin suche ich weiter Beeren im Wald und sammle Mais von den Feldern.

14.1.2013
Es ist nebelig. Verdammt nebelig.
Und schlimmer noch: Ich hörte eine flüsternde Stimme ganz nah bei mir.
Ganz langsam stand ich auf, dabei bedacht, keine Geräusche zu machen, doch beim Aufstehen knackte mein kaltes Knie. Es vergingen vielleicht ein oder zwei Sekunden der Stille, doch dann kam er auf mich zu. Er hangelte sich von Baum zu Baum, perfekt ausgelegt für diesen Lebensraum, doch wie durch ein Wunder konnte ich ihn abhängen.
Doch als ob das Schicksal mich nicht mögen würde, tauchte er plötzlich vor mir auf. Er sah etwas kleiner aus als vorher, aber es war ganz eindeutig der Slender Man. Groß, dürr, ohne Gesicht und mit langen Armen und Beinen.
Ich rannte. So schnell ich nur konnte rannte ich aus dem Wald und wäre fast vor ein Auto gelaufen.

15.1.2013
Gott sei Dank hat mich der Autofahrer mitgenommen ohne weiter zu fragen, was ich denn bitteschön im Winter im Wald mache und warum ich ihm in Panik und unterkühlt vor sein Auto gelaufen sei.
Als er mich in der nächsten Stadt absetzte, war es ziemlich laut für eine Stadt am späten Morgen. Es schien so, als wäre jeder Erwachsene auf der Straße. Und alle riefen durcheinander. Alle riefen anscheinend nach ihren Kindern. Absolut alle. Ich sah nirgends Kinder oder auch nur junge Leute.
Um den Plan vom Vortag zu realisieren, ging ich ins nächste Internet Café und verbrauchte dort mein letztes bisschen Geld für eine Stunde Internetzugang.
Google war mein Freund. Ich gab ‚van Hoovenstat‘ ein und drückte auf Enter. Dabei fiel mir auf, dass ich noch nie einfach nur nach meinem Namen gegooglet habe. So ziemlich jeder hat schon mal nach seinem Namen gegooglet, aber ich hatte nie das Bedürfnis danach. Das Ergebnis der Suche war doch sehr interessant. Die van Hoovenstats waren einst eine Adelsfamilie in Skandinavien und einige Vertreter dieser sehr gefürchtet. Um die Frage des Warums zu klären brauchte ich eine Weile, aber nach ein paar Minuten hatte ich eine passende Seite gefunden.
Celebraldurchfall.
Da die Seite auf Finnisch war und der Google-Übersetzer doch sehr schlechte Grammatik hat, konnte ich nur Bruchteile entziffern. Aber was ich entziffern konnte, klang doch sehr nach Celebraldurchfall:
1. Die van Hoovenstats waren alle Vampire.
2. Sie haben Kinder ermordet oder getrunken, wie es bei Vampiren so üblich ist.
3. Sie hatten sehr viel… körperlichen Spaß miteinander.
Ich habe dazu eine andere Theorie:
1. Die van Hoovenstats waren Finnen und deshalb Käsebleich.
2. Die Kinder sind in ihren Ländereien im Moor versunken.
3. Es sind Finnen. Finnland ist dunkel, da muss man sich amüsieren.
Ich informierte mich weiter über dies und das, was noch in meiner Lage wichtig sein könnte und stieß dabei auf die Information, dass der Slender Man Kinder entführt. Das stand sogar unter dem ersten Bild in den Something Awful Forums, wo ich den Mythos oder auch Nicht-Mythos gefunden habe.
Also gut: Meine Eltern sind Nachfahren des Slender Man. Dieser ist hinter mir her. Meine Eltern sind wie vom Erdboden verschluckt.
Plötzlich bemerkte ich, dass ich allein war. Allein mit der flüsternden Stimme des alten Bekannten. Sie flüsterte mir zu: „Sagst du denn nicht hallo zu deinem Vater? Bist du wirklich so blind?“

Kapitel 3


31.7.2014
Ich schaute an mir hinunter. Zumindest versuchte ich das, doch ohne Gesicht ist das sehen, welches man als Mensch immer mit den Augen getan hat, extrem schwer. Anstatt dessen fühlt man alles um sich herum. Man fühlt das Licht, die Abbilder der Materie, auf seiner Haut und kann somit sehen.
Ich lebe wieder mit meinen Eltern, Fabi und einigen anderen Jugendlichen in einer Art Stadt. Mitten im Wald. Es ist erstaunlich, wie viel Wald es in Skandinavien gibt, aber anscheinend haben erst vier Menschen diese Stadt gefunden. Ihre Knochen sind in einer Vitrine im Rathaus eingeschlossen.
Es ist wirklich cool als ein drei Meter großes Etwas zu leben. Auch das Reisen geht schnell, es wurden vor einigen hundert Jahren Tunnel durch die gesamte Erdkruste gegraben. Hin und wieder stoßen New Yorker oder Pariser noch beim Bauen ihrer U-Bahnen auf Tunnel, diese werden dann allerdings schnellstmöglich umgeleitet.
Wir sind Slender Men.
Wir sind viele.
Erwartet uns.

31.12.2013
Es macht wahnsinnigen Spaß, als Slender Man eine Schneeballschlacht zu machen.
Aber es gibt auch bei uns Schulen. Wir lernen dort das Umwandeln von Menschen zu unsereins. Ich bin wirklich gut darin, allerdings habe ich Angst vor dem nächsten Thema: Sich selbst wieder zum Menschen zu machen. Ich dachte ja auch lange Zeit, dass meine Eltern normale Menschen seien, obwohl sie etwas viel weiterentwickeltes sind.
Wen ich das beherrsche, darf ich wieder nach Hause gehen. Ich muss nur noch eine verdammt gute Ausrede für mein Jahr in Abwesenheit erfinden.

18.1.2014
Heute war mein erstes Mal in der menschlichen Gestalt. Es ist schön, wieder wie früher zu sehen, zu riechen, zu atmen oder einfach nur auf zwei kurzen Beinchen durch die Gegend zu laufen.
In etwa zwei Wochen darf ich wieder nach Hause.

3.2.2014
Es ist so wunderbar wieder mit seinen alten Freunden zu sprechen. Einen knappen Monat habe ich hier Zeit, danach muss ich wieder zurück.

5.2.2014
Ich habe mich verliebt. Ein schönes Gefühl, doch ich habe nur noch etwa drei Wochen, um mit ihr zusammenzukommen und sie zum Slender Man zu machen. Ist das nicht eigentlich diskriminierend? Egal ob Mann oder Frau, alles heißt Man. Egal. Drei Wochen sind eine kurze Zeit.

10.2.2014
Mein Charme ist unübertrefflich. Ich weiß zwar nicht, wie ich es geschafft habe, aber ich habe es geschafft. Anscheinend ist sie erst vor kurzem hergezogen, ich kannte sie vorher nämlich noch nicht.
Wie das klingt: Ich habe mich in jemanden verliebt. Sie ist gerade erst hier her gezogen. Wie der Anfang einer grässlichen Liebesschnulze.
Wie sie aussieht? Wunderschön. Groß, schlank und mit Augen, in denen man sich verliert.
Wie sie ist? Wunderbar. Lustig, intelligent und… stärker als sie aussieht…

Ich wohne wieder mit meinen Eltern in unserem alten Haus. Wir verstehen uns besser, als ich gedacht hätte. Wurde ich einer Gehirnwäsche unterzogen und glaube alles, was man mir sagt? Nein, das würden sie niemals tun.

11.2.2014
Ich habe ein neues Haustier. Es war einmal ein Hamster. Süß und knuffig.
Jetzt ist es etwas schlankes, dürres mit langen Gliedmaßen.
Ich nenne ihn Slendy.

Kapitel 4


17.2.2014
Ich. Bin. Am. Arsch.
Nein, wirklich, ich habe ein großes Problem.
Denn ich war so doof und habe ihr das Geheimnis der Slender Men jetzt schon erzählt. Nun ja, nicht nur erzählt, auch gezeigt, denn sie hat mir nicht geglaubt.
Sie wurde kreidebleich, schrie wie am Spieß und ist nachhause gerannt.
Ich werde das wohl wie jedes andere große Problem einfach verschweigen. Was soll denn schon groß passieren?

1.3.2014
Wie ich es vorausgesehen hatte! Nichts ist passiert. Wir leben wieder in unserer hübschen Siedlung im Wald und alles geht seine normalen Wege.
Letztens fragte mich Fabi, ob ich ihm blind vertrauen könne. Ich sagte ja. Wieso hat er wohl gefragt? Wir sind schon so lange beste Freunde, dass man das eigentlich voraussetzen könnte.

10.3.2014
Ich hätte es nicht verschweigen sollen, dass jemand außerhalb der Siedlung unser Geheimnis kennt, denn heute kam im Fernsehen, ja, wir haben hier einen Fernseher für Nachrichten und Weltmeisterschaften, die Nachricht, dass aus meiner Heimatstadt ein gestörtes Mädchen in eine staatliche Klapse.
Nachher habe ich ein paar der Ältesten streiten hören.
„...er muss es gewesen sein. Habt ihr nicht gesehen, was er für sie empfunden hat? Es wäre doch viel angenehmer für ihn gewesen, wenn sie auch eine von uns gewesen worden wäre.“
„Es ist doch egal, wer es war! Es ist nur wichtig, dass wir auf alles vorbereitet sind. Es ist eine staatliche Anstalt?“
Nicken. „Das bedeutet, der Staat kann sie verhören lassen und wird nach uns suchen, wenn sie feststellen, dass sie nicht geisteskrank ist. Wir brauchen Elon, nur er kann die Macht der Fernwahrnehmung nutzen.“
Fernwahrnehmung? Was sollte das sein? Eine neue Stimme, wahrscheinlich Elon, wisperte etwas und plötzlich standen drei alte Leute vor mir. Es waren natürlich die Alten.

„Warst du es?“, fragte mich der eine, dem es schon vorher um die Schuld ging.
„Ja“, gestand ich, „aus genau dem genannten Grund.“
Elon saß auf einem Stuhl auf der anderen Seite des Zimmers, vielleicht war er bekifft, denn um ihn herum standen einige rauchende Schalen. Hin und wieder murmelte er etwas, manchmal fluchte er und den Rest der Zeit saß er einfach nur mit geschlossenen Augen dort.
Hinter mir berieten sich die anderen beiden. Ich konnte fast nichts verstehen, doch was ich aufschnappte, war die Frage, ob sie mir ebenfalls eine Macht lehren würden. Ich hatte vorher noch nie eine solche Macht gesehen oder auch nur davon gehört, dass wir solche Dinge wie Fernwahrnehmung erlernen könen.
Am späten Abend ließen sie mich nachhause.

11.3.2014
Am frühen Morgen gab es fürchterlichen Lärm. Die Alarmsirene war angesprungen, denn eine der Patrouillen, die seit gestern durch die nähere Umgebung streichen, gut getarnt, durch den von ihnen erschafften Nebel und in der wendigen Form des Slender Man bewegten sie sich unentdeckt durch den Wald. Diese wenigen Auserwählten hatten dazu noch die Macht, Informationen in den Kopf eines anderen zu platzieren. Ich nahm mir vor, wenigstens zu versuchen, mir selbst eine oder zwei Mächte beizubringen.
Ein Wanderer hatte sich verirrt. Die Patrouille würde ihn wohl verschwinden lassen.

12.3.2014
Der Wanderer hatte wohl ein Notsignal ausgesendet, denn heute kamen Suchstaffeln in den Wald. Es waren zu viele, um sie alle verschwinden zu lassen und wir mussten einmal alle in die Tunnel, weil sie die Siedlung gefunden hatten. Nach ein paar Stunden verschwanden sie aber zum Glück wieder. Bis auf einer, versteht sich. Sie haben grässlich vor Angst geschrien, als auf einmal Nebel aufzog und zwei fremdartige Wesen vor ihm standen. Jetzt kann er nicht mehr schreien. Oder Angst haben.

13.3.3014
Heute kam das Militär. Wir flüchteten durch die Tunnel, die wir nach ein paar Metern einstürzen ließen, um nicht selbst verfolgt zu werden.

Kapitel 5


20.3.2014
Wir haben uns in Sibirien niedergelassen. Hier ist es noch kälter als in Finnland. Aber das Land ist groß und die Gefahr entdeckt zu werden gering.
Heute Morgen kamen die Alten zu Fabi und mir, denn sie wollten uns, der neuen „Angriffstruppe“, wie sie es nannten, eine Macht lehren. Unnötig zu sagen, dass wir uns sehr gefreut haben.
Wir lernten im Laufe des Tages, den Körper eines Lebewesens zu kontrollieren und haben es sofort mit den hier heimischen Tieren versucht. Jetzt müssen wir ein paar Kadaver entsorgen und die Alten sind sehr sauer.
Zur Strafe müssen wir morgen erneut den ganzen Tag bei den Alten verbringen. Ich frage mich, was sie wohl vorhaben.
Ich werde den Rest dieses Tages wohl damit verbringen an diversen Insekten und Slendy meine Macht weiter zu üben. Außerdem übernachtet Fabi bei mir, vielleicht können wir ja schon versuchen, die Hand des anderen zu steuern. Das wäre sicher lustig.
Es ist nicht lustig. Es ist das gruseligste Gefühl überhaupt! Es fühlt sich an, als ob man einen Handschuh in der Haut trägt und sich dieser bewegt.

21.3.2014
Es stürmt. Der Weg bis zu den Alten, gerade mal 250 Meter hat schon mehrere Minuten gedauert, da wir gegen den Wind laufen mussten.
Hämisch grinsend begrüßten uns die Alten in ihrer Hütte und draußen hörte es plötzlich auf zu stürmen. Ich hörte ein paar Aufschreie von Leuten, die hinfielen, nicht mehr gestützt vom starken Wind.
„Hallo ihr zwei“, begrüßte Elon uns, „heute werdet ihr noch eine Macht erlenen, da ihr ja doch sehr… begeistert seid.“
„Ich dachte, ihr wäret sauer auf uns“, brachte Fabi heraus. Lachen.
„Sind wir auch. In einem gewissen Maße. Aber wenn euch die Macht des Windes innewohnt, bringt ihr nicht mehr so viele Tiere um“, entgegnete ein anderer.
„Aber seht doch, wir können es schon kontrollieren“, sagte Fabi und ich merkte, wie meine Hand anfing zu winken. „Sehr lustig“, meinte ich, vor Sarkasmus triefend.
„Wenn ihr das schon aneinander ausprobiert habt, werdet ihr sicher die nächste Macht als Fön benutzen. Aber Spaß beiseite. Wir sind hier, um euch die Macht des Windes zu lehren“, fuhr Elon fort.

29.3.2014
Es gibt so viele Arten von Wind. Seichten Wind, starken Wind, warmen Wind, kalten Wind, trockenen Wind, schwülen Wind, gradlinigen Wind und Windhosen. Und ja, ich habe diese Macht auch schon als Fön verwendet. Es macht sehr viel Spaß.
Gestern haben Fabi und ich versucht, uns mit selbst erzeugtem Wind wie mit einem Jet pack fortzubewegen. Er kann es wirklich gut, aber ich werde immer weggeschleudert und muss mich mit einem meiner legendären Luftkissen auffangen. Wenn Fabi landen will, muss ich ihm dabei meistens helfen. Wir ergänzen uns prächtig.
„Wind ist doch verschiebung von Luftmolekülen, oder?“, fragte ich Fabi heute.
„Ja? Worauf willst du hinaus?“
„Wenn man ein Vakuum erzeugt, bewegt man doch auch nur Luft, nicht?“
„Wozu willst du ein Vakuum erzeugen?“
„Sieh mal“
Ein paar hundert Meter vor uns wehte es und plötzlich gab es einen enormen Kall. Steine flogen durch die Luft und wären meine Luftkissen nicht gewesen, wären wir gesteinigt worden.
„Wow“, hörte ich von Fabi.
„Deshalb will ich ein Vakuum erzeugen.“
„Seit wann übst du das schon?“
„Drei Tage, vielleicht vier.“
„Bringst du mir das bei?“
Den Rest des Tages verbrachten wir damit, dass ich ihm zeigte, wie man die Luft am besten bewegt und schuf die rettenden Luftkissen.
„Schau mal, eine Maus“, flüsterte Fabi.
„Du willst doch nicht etwa?“, flüsterte ich zurück.
„Doch“
Flotsch! Die Maus platzte und Fabis Anzug war voller Gedärme. Ich musste lachen. Als ich seinen Gesichtsausdruck sah, musste ich noch mehr lachen.
„Applaus! Du hast die erste Mäusegranate erfunden“, kicherte ich.
„Ha ha“
„Mouse-greanade incoming!“
„Sehr lustig“
„Stimmt!“
„Kannst du diese… Gedärme aus meinem Anzug entfernen? Du kannst sowas ja.“
„Halt die Luft an!“
Der Trick, wie man beispielsweise Gedärme aus einem Anzug bekommt, ist, dass man die Luft etwas erwärmt und dann von innen durch den Stoff pustet. Danach ist allerdings die Frisur zerstört und Fabi hat eine Frisur auf die viele Mädchen neidisch wären: Lange, lockige Haare, gepflegt und ohne Spliss.

30.3.2014
Heute haben wir das gleiche mit Früchten ausprobiert. Sie sind leider nicht geplatzt. Dafür sind sie sehr hart geworden und unsere Übungsstunde endete damit, dass wir uns harte, verschrumpelte Früchte an die Köpfe schossen und versuchten die des anderen abzufangen. Es sah sicher lustig aus: zwei Jungen, stehen konzentriert und mit wehendem Haar mitten in der Tundra. Zwischen ihnen fliegen wie von Geisterhand gesteuert kleine Früchte hin und her.

1.4.2014
„Wie erwärmen wir eigentlich die Luft, wenn wir warmen Wind erzeugen?“, fragte mich Fabi heute bei unsere Übungs- beziehungsweise Spielstunde.
„Ich weiß nicht, wie entsteht Wärme?“
„Durch die Umwandlung von Energie“
„Reibung?“
„Ja, zum Beispiel“
„Da hast du es. Wir lassen die Moleküle aneinander reiben“
„Guck mal zum See“
Der See brodelte. Fabi war ein Genie! Nie mehr im kalten Badewasser frieren müssen. „Warum fragst du eigentlich noch?“
„Ich fand es lustig“
„Stimmt auch wieder“
„Guck mal, die Maus“
„Ach, komm schon, die armen Mäuse!“
Die arme Maus litt Qualen, anscheinend hatte Fabi ihre Körpertemperatur auf etwa 45°C erhöht. Ich ließ einen großen Stein auf sie hinabgleiten.
„Fabi, als die Maus explodiert ist, das war… fast lustig, aber eine Maus zu quälen, ist nicht richtig.“
„Ja, wahrscheinlich hast du Recht.“

4.4.2014
„Lass uns mal etwas Dummes tun, mir ist langweilig“, meinte Fabi heute Morgen, als wir uns trafen.
„An was hast du gedacht?“
„Lass uns irgendwas in die Luft jagen“
„Klingt gut, nur du vergisst, dass Elon uns ständig beobachten kann?“
„Lass uns Elon töten“
„Bitte WAS?“
„War doch nur Spaß“
„Du und deine Späße“

Kapitel 6


5.4.2014
Elon ist tot. Und es hat gut getan, ihn zu töten, ich fühle mich jetzt so mächtig. Außerdem habe ich nun das Potential, die Macht der Fernwahrnehmung und einiger anderer zu erforschen, denn alles, was Elon mal wusste, ist nun in meinem Kopf.
Ich werde heute wohl nur noch in die Tundra gehen und von dort aus in der Welt herumschnüffeln, ohne dass mich jemand bemerkt.
Als ich gerade dabei war, wie ein Porno gedreht wurde, ich war der Kameramann, zogen sich meine Beine nach vorne und ich landete in einem von Fabis schlechten Lufkissen.
„Aua!“
„Du hast Elon umgebracht“
„Ich wollte auch mal etwas Dummes tun“
„Das war etwas Dummes, ja“
„Ich habe Elons Wissen“
„Cool… Moment… Elons Wissen? Auch seine Mächte?“
„Ich weiß, wie man seine ehemaligen Mächte erlernen kann“
„Sei mein Meister, geehrter Sebastian Elon van Hoovenstat“
„Gerne doch, mein Schüler“

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Tag der Veröffentlichung: 14.05.2012

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