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Die Wohnung

Endlich, dieser Labersack von einem Hausverwalter ließ mich mit den Schlüsseln für meine neue Wohnung in selbiger. Wenn der fürs Labern bezahlt wird, muss ich unbedingt rauskriegen, wie es in seinem Sexual- und sonstigen Leben so aussieht. Jetzt erst einmal die Wohnung. Ein kleiner Wohnungstraum. Im Zimmer neu abgezogenes Parkett, nein, kein Laminat, so richtiges Eichenparkett, Deckenhöhe 3,75 m. Diese zog sich gleichmäßig durch die gesamten 45 qm. Die Küche war modern mit Fliesenfußboden, Ceran-Herd und Platz für Geschirrspüler und Waschmaschine. Es war einfach nur himmlisch.



Ich sah vor mir, wie es aussieht, wenn alle Möbel drin sind. Meine Bücher, CDs und DVDs übersichtlich geordnet, sämtliche Kabel so versteckt, dass man auf keinen Fall drüber stolpern kann, also alles perfekt. Noch während ich am Einrichten war, schoss plötzlich ein schwarzer Blitz vor meinem Auge vorbei. Wie jetzt, es gibt gar keine schwarzen Blitze. Nein, das war eine Halluzination von schwarzen, nicht existenten Blitzen. Ich zwinkerte den Blitz weg und wanderte ins Bad.



Alles gefliest, keine Badewanne, eine Dusche mit Glasverkleidung. Wozu gibt es Kalkflecken-entfernungssprays, wenn nicht für meine Dusche? Für viel Putzerei fehlte mir einfach die Zeit, aber das passt schon.




Zurück in der alten Wohnung packte ich die restlichen Dinge in Kartons, das meiste war bereits verpackt und wartete auf die Möbelpacker. Der Umzug wollte morgen starten.



Ich rannte ins Bauhaus, Lampen kaufen, Dübel, Schrauben, lauter Zeugs, was man so braucht oder auch nicht, ich brauchte alles.



Als der nächste Tag graute, war ich schon wieder auf den Beinen. Völlig überdreht nach einer nicht gerade schlafreichen Nacht. Um 9 Uhr wollten die ersten Möbelpacker da sein. Hoffentlich haben die gestern Abend nicht gefeiert, es waren schließlich keine Profimöbelpacker, es waren Kumpel, die gern halfen.



Um 10 Uhr 30 kam der erste etwas verschlafen, die restlichen 5 kamen kurz danach. Fit sahen sie nicht gerade aus. Das wird sich alles nach den ersten Karton gelegt haben. Ich grinste innerlich, es war alles nahezu perfekt.



Computer und die Olivenbäumchen mussten noch in den PKW, dann konnte es losgehen. PKW fuhr voraus, wir im Kastenwagen hinterher. Nach einigen Metern sah ich etwas, was mir den Atem nahm: auf dem Dach des PKW stand eines meiner Olivenbäumchen. Super, die fuhren wie der Teufel, das Olivenbäumchen stand wie eine Eins. An jeder Ampel wedelten die Leute wie wild mit den Armen, bevor ich aussteigen konnte, waren die schon weiter. Diese blöde Fahrt hatte was, mir stiegen gleichzeitig Tränen in die Augen und Lachen aus dem Bauch. An der neuen Wohnung angekommen schüttelte mich ein Lachkrampf, weil das Olivenbäumchen immer noch wie eine Eins auf dem Dach stand. Was für ein tapferes Kerlchen. Die Jungens starrten mich an, weil ich nur noch mit meiner Hand wedeln konnte, keiner jedoch verstand, was Sache war. Endlich, ich hatte meine Sprache wiedergefunden, jedoch wollte das Wort Olivenbäumchen nicht ohne neuen Lachkrampf aus meinem Mund. Die dachten wirklich, dass dieser Umzug nun etwas von meinem Hirn geraubt hatte. Nach gefühlten 30 Minuten hatten sie endlich kapiert, was mit mir los war. Nun lachten wir alle. Dann wurde geackert. Nach zwei Stunden waren alle Kartons und Möbel in der Wohnung.


Der Kasten Bier war geleert, die Bouletten aufgegessen, ein paar Brötchenkrümel lagerten auf dem Küchentisch. Ich fiel erschöpft ins Bett.




Am nächsten Morgen füllte ich den Bierkasten mit den leeren Flaschen, die Brötchenkrümel hatten sich wohl vom Tisch auf den Boden verkrümelt, sie waren weg.



Nachdem ich mir eine hohe Leiter von Hauswart besorgt hatte, schloss ich die Lampen an, schraubte, hämmerte, dübelte alles dahin, wo es hin sollte. Während der Schrauberei war da wieder ein schwarzer Blitz, dem ich keinerlei Beachtung schenkte.



Nach drei Tagen war ich völlig schlaff, aber glücklich und zufrieden. Jeden Morgen frühstückte ich in der Küche an dem Bistrotisch mit frischen Brötchen. Im Haus gab es eine Bäckerei, mein Traum schlechthin.



Am 4. Tag geschah es dann. Ich begegnete meiner Vergangenheit und reiste mit Lichtgeschwindigkeit in diese. Es war ein schöner Morgen, Sonne, zwitschernde Vögel, leichter warmer Windhauch. Mit der Tüte, darin noch warme Brötchen, trat ich in die Küche. Die Tüte fiel mir aus der Hand, ich stand stocksteif in der Tür und starrte auf den Tisch und wollte zu gern an eine Halluzination glauben. Leider funktionierte das diesmal nicht. Mitten auf dem Tisch saßen 2 kleine Mäuse, die mich ihrerseits anstarrten. Jede Maus hatte einen winzigen Krümel in den winzigen Pfötchen. Das sah ich wie auf einer riesigen Leinwand in einem Autokino. Ich selber driftete geradewegs in eine andere Wohnung …





20 Jahre früher. Ich hatte vor 10 Tagen so eine Art Traummann kennen gelernt, wir trafen uns in der Disco. Heute nennt man eine Disco Club, mit C geschrieben. Andere Bezeichnung, alles wie immer. An diesem Abend, besser an diesem ganz frühen Morgen ging ich mit zu ihm. Seine Wohnung war näher an der Disco als meine, somit war die Wohnungswahl schnell erledigt.



Wir hatten eine schöne Restnacht, der etliche weitere schöne Nächte folgten. Nach 4 Monaten waren wir der Meinung, wir könnten doch zusammen ziehen. In seine Wohnung, die ein Zimmer mehr hatte als meine. Ich schrieb meine Wohnungskündigung, den Brief brachten wir gemeinsam zur Post.



Am nächsten Morgen, ich wachte früher auf als er, ging ich in die Küche, um das Frühstück vorzubereiten. Völlig verschlafen öffnete ich die Küchentür. Der Anblick des Küchentisches machte mich überwach, ganz besonders meine Stimmbänder. Mein Kreischen übertrag in der Lautstärke auf jeden Fall einen Rasenmäher. Der Traummann sprintete splitterfasernackt in die Küche und fing an zu lachen. Die fünf Mäuse auf dem Küchentisch sahen so aus, als ob sie in sein Lachen einstimmen und knabberten weiter lustig an den Brotkrumen.



Der Traummann erklärte mir, dass er Mäuse für den Zoo züchtet und diese nachts nur in der Küche laufen lässt. Auf meine Frage wieso er das tue, meinte er nur, dass die auch eine Freude haben sollen, bevor sie von den Schlangen gefressen werden.



Nach zwei Minuten war ich vollständige angezogen auf dem Weg zur Hausverwaltung, um meine Wohnungskündigung rückgängig zu machen. Mit Mäusen fängt es an, wer weiß, wann er anfängt Schlangen zu züchten, damit der Weg für die Mäuse nicht zu weit ist …




Die Mäuse in meiner Wohnung hatten keine Überlebenschancen, der Kammerjäger hatte sie recht schnell unter Kontrolle und ich suchte eine neue Wohnung.
Meine Mäusephobie wird von einem Facharzt für Phobien, besser bekannt als Psychiater, behandelt.




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Tag der Veröffentlichung: 14.11.2010

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