Celina
Lisa Weber trat ihren neuen Job in der Werbeagentur Dr. Clemens Hohenfels an einem Freitag im Mai an. Es war ein warmer Tag mit Sonnenschein, blauem Himmel und zwitschernden Vögeln. Gerade richtig für einen Neuanfang. Lisa hatte ihren Vorstellungsparcourt hinter sich, als der Eigentümer der Firma sie zu sich rief. Sie ging mit gemischten Gefühlen in Richtung des Chefbüros. Was mag das wohl für ein Typ sein? Dr. Clemens Hohenfels, ein interessanter Name, wahrscheinlich ist er steinalt, lebt mit seiner Mutter zusammen und hat eine Glatze, so gingen Lisas Gedanken durch ihren Kopf. Dann betrat sie das Büro. Und sie hatte größte Mühe, Gelassenheit zu zeigen. Was stand da für ein Typ hinter dem großen Schreibtisch mit einer dicken Rauchglasplatte. Der hatte was von Keanu Reeves, Grübchen wie Matt Damon, ein sanftes Lächeln wir Brad Pitt und eine Stimme wie Harrison Ford. Was für ein Mann.
Lisa setzte ihr Profilächeln auf und trat zum Schreibtisch. Beider Händedruck war kräftig und dauerte einen Moment länger als üblich. Dr. Hohenfels wünschte Lisa viel Erfolg in seiner Firma, und sie durfte wieder gehen.
Vor der Bürotür atmete Lisa tief ein, um ihr klopfendes Herz zur Ruhe zu bringen. Das kann ja heiter werden.
Die Kollegen empfingen sie mit gespannten Gesichtern. Wie gefällt er Dir, wollten alle auf einmal wissen. Lisa zuckte nur mit den Schultern, setzte sich an ihren Schreibtisch und lächelte in die Runde.
Im Laufe des Tages und der nächsten Wochen erfuhr sie von Dr. Clemens Hohenfels nur so viel, dass er nicht verheiratet war und allein lebte. Mehr wusste keiner.
So gingen die Wochen und Monate dahin. Lisa war zufrieden mit ihrer Arbeit. Eines Tages, sie hatte einen großen Kunden ins Boot geholt, lud Dr. Hohenfels sie auf einen Drink ein, um den Geschäftsabschluss gebührend zu feiern. Die kleine Bar war gerade richtig, so dachte Lisa, um diesem Traum von einem Mann näher zu kommen.
Die Flasche Roederer Christal, Geschmack hat er ja, war geleert, sie waren nach wie vor beim Small Talk. Er bestellte zwei Taxen. Beim Abschied sagte er zu Lisa, dass sie am nächsten Tag ausschlafen könne. Mit einem Lächeln, so lächeln Zitronen, wenn sie der Welt zeigen wollen, dass sie auch nicht die Spur von Säure in sich tragen, wies Lisa ihn darauf hin, dass morgen Samstag sei.
Was ist das denn für einer. Lisa schleuderte ihre Schuhe von den Füßen. Der kann nur schwul sein. Sie stellte sich nackt vor den Spiegel in ihrem Schlafzimmer und war mit dem, was sie da sah, mehr als zufrieden. Zugegeben, zu diesem Meeting trug sie ein Kostüm , die Bluse hochgeschlossen. In der Bar hatte sie jedoch drei Knöpfe geöffnet, ihr Dekolleté kam mehr als verführerisch zur Geltung. Und geschaut hatte er ja. Immerhin.
Die Wochen vergingen, es kam zu keiner weiteren privaten Begegnung mit Clemens.
Vier Wochen später lud er sie wieder zu einem Drink in die Bar ein. Lisa war vorbereitet. Nach Feierabend, die Kollegen hatten sich bereits ins Wochenende verabschiedet, lief Lisa in die Toilette. Aus der mitgebrachten Tüte holte sie ihr Lieblingstop. Schwarz, eng anliegend mit tiefem Ausschnitt und Spaghettiträgern. Sie streifte es schnell über, frischte ihr Makeup auf und schnell die Highheels an die Füße. Fertig.
Als Clemens sie sah, blitzten seine Augen kurz auf. Mit seinem Wagen fuhren sie zur Bar. Wieder eine Flasche Roederer Christal. Und der bekannte Small talk. Doch war es diesmal anders. Immer wieder schaute er sie nachdenklich an, er stockte mitten im Satz. Und dann stürzten seine Worte nur so aus ihm raus. Ich lebe seit 8 Jahren mit Celina zusammen, er schaute sie nicht an. Sie bedeutet mir sehr viel. Lisa zuckte leicht zusammen, sie sagte noch nichts. Und nun ist sie schwanger, Clemens hatte ohne weitere Gefühlsregung weiter gesprochen. Aha. Lisa hatte im Moment nur dieses eine Wort zur Verfügung. Sie entschuldigte sich, ging zur Toilette. Dort hätte sie am liebsten den Spiegel zertrümmert, besser noch gleich das Toilettenbecken. Dieses schöne Miststück. Hat eine Frau, die auch noch schwanger ist. Gut Lisa, sagte sie zu sich selbst, ist ja noch nicht viel passiert. Der Job ist gut, die Bezahlung auch. Und da ist ja auch noch Benny, der junge Kollege, der sie immer so verliebt anhimmelte.
Als sie zurück kam, war der Tisch leer, Clemens war fort. Eine Notiz auf dem Tisch mit einer Entschuldigung, dass er so einfach gegangen war. Okay, das war‘s dann.
In der folgenden Woche ging sie ihm so gut es ging aus dem Weg. Am Freitag rief er sie in sein Büro. Als Lisa ihn sah, wurden ihre Knie wieder weich. Er schaute auf seine Hände, dann Lisa in die Augen. Celina möchte Dich kennen lernen, wir haben über Dich gesprochen, Du bedeutest mir sehr viel. Komm bitte heute gleich nach Büroschluss mit. Er schaute sie mit einem erwartungsvollen Blick an. Lisa, völlig überrumpelt, sagte einfach nur ja, mehr Worte gab ihr Gehirn in diesem Augenblick nicht frei.
Nach Feierabend fuhren sie zu seiner weißen Villa am Stadtrand. Als er die Eingangstür schloss, rief er mit einer sanften Stimme, die Lisa aufhorchen ließ. Celina, Liebes, wir sind da. Er führte Lisa die geschwungene Treppe in das obere Stockwerk. Eine Zimmertür war geöffnet, dieses Zimmer steuerte er an. An der Tür blieb er stehen, Lisa konnte einen Blick in ein geschmackvoll eingerichtetes Zimmer werfen, direkt auf eine rote Samtcouch. Celina, Liebes, das ist Lisa. Clemens nahm sie an die Hand und führte sie vor die Couch. Lisas Lächeln fror in ihrem Gesicht ein. Sie starrte die weiße Angorakatze an, die auf der roten Couch lag. Diese starrte unverwandt aus ihren gelben Augen zurück, zuckte kurz mit dem Schwanz und fing an, sich die Pfoten zu lecken.
Siehst Du, sie mag Dich, Clemens Stimme klang erleichtert und auch ein wenig glücklich. Lisa starrte die Katze an und war völlig wortlos, ihr Gehirn hatte kurzfristig abgeschaltet.
Sie gingen die Treppe hinunter in ein Speisezimmer. Clemens plapperte fröhlich vor sich hin, Lisa bemühte sich, ihr Gehirn wieder hochzufahren. Celina ist schwanger von einem schwarzen Hauskater, in den sie sich unsterblich verliebt hat. Ich bin auf die Babies gespannt. Plapper, plapper, plapper. Clemens Worte plätscherten nur so in den Raum. Celina war immer höllisch eifersüchtig. Einer Freundin hat sie ein Seidenkleid von Armani zerfetzt, einer anderen pinkelte sie in teure Satinschuhe. Ich habe diese Frauen nie mehr gesehen. Aber als ich Celina von Dir erzählte, hörte sie aufmerksam zu. Und dann kam der Kater. Da wusste ich, jetzt kann ich es wagen. Lisa, ich mag dich sehr. Clemens servierte perfekt zubereitete Steaks, eine Caesar Salat und wieder Roederer Christal. Lisa stocherte im Essen, nippte nur am Champagner. Sie täuschte Übelkeit, verursacht durch einen Migräneanfall vor und bat ihn, ihr ein Taxi zu bestellen. Clemens war sehr besorgt.
Das ganze Wochenende über klingelte Lisas Telefon, sie schaltete die Mailbox ein, um nicht mit Clemens reden zu müssen. Am Sonntagabend, ihr Laptop hatte seine Arbeit getan, nahm sie den Brief, den der Drucker ausgespuckt hatte und ging zur Werbeagentur Dr. Clemens Hohenfels. Den Brief, ihre fristlose Kündigung aus persönlichen Gründen warf sie in den Briefkasten.
Lisa ging nie wieder in diese Straße, in der ihr ehemaliger Arbeitgeber seine Werbeagentur betrieb, Clemens sah sie nie wieder. Hoffentlich ist er glücklich mit Celina und schwarzweißen Katzen.
Tag der Veröffentlichung: 14.03.2010
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Widmung:
Meinen Kollegen Christian und Peter. Danke für die Geduld und Hilfe.