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Vorwort
THF war der IATA-Code des Flughafens Berlin-Tempelhof. Leider war, denn dieser Code hat keine Gültigkeit mehr.





Bildnachweis: Entnommen aus Wikimedia Commons

 

 

 

 

 

Im Jahre 1969 habe ich mich entschlossen, nach meiner Ausbildung dem kleinen Städtchen am Harzrand den Rücken zu kehren und nach Berlin zu gehen. Westberlin wurde damals als „sterbende“ Stadt bezeichnet. Das bedeutete nur soviel, als dass die jungen Leute Berlin verließen und die Zahl der älteren Bevölkerung stieg. Aber nun war ich auf dem Weg, um die Bevölkerungszahl Westberlins zu erhöhen.


In Westdeutschland wurde damit geworben, dass wir für das erste halbe Jahr in Berlin einen Zuschuss vom Senat bekamen und, das wichtigste überhaupt, 6 Heimfahrten. Diese konnten wir gestalten, wie wir wollten. Ich wollte fliegen. Zuvor war ich noch nie geflogen, aber das würde sich ändern.

Gesagt, getan. Nachdem ich einem Monat in Berlin gelebt habe, wir schrieben inzwischen das Jahr 1970, buchte ich also meinen ersten Flug von Berlin nach Hannover. Damals kostete ein solcher Flug 58 DM, Hin- und Rückflug natürlich, Flugdauer cirka 30 Minuten. Das waren noch Preise. Als ich mich vor kurzem informieren wollte, wie denn die Preislage heute für einen Flug von Berlin nach Hannover ist, saß ich ziemlich dämlich vor meinem PC und starrte mit offenem Mund auf den Monitor. Da stand nämlich ein Preis von 900 ¤ ! Der Flug dauert ungefähr 3 Stunden und man muss in Frankfurt am Main umsteigen.

Zurück ins Jahr 1970. Es gab drei Fluglinien, die Westberlin anflogen. Das waren die PanAm, die BEA und Air France. Meine auserkorene Lieblingsfluglinie war die PanAm. Die hatten immerhin schon Turboprobmaschinen, während die beiden anderen zum größten Teil noch mit Propellermaschinen flogen. Und mit solchen Maschinen muss es gewesen sein, als die ersten Flieger in die Luft gingen. Luftlöcher wurden zu überdimensionalen platzenden Blasen, die genau in dem Moment platzten, wenn der Flieger sich mittendrin befand. Turboprobmaschinen konnten diese Luftlöcher viel besser ausgleichen. Nicht, dass bei einer Flugzeit von circa 30 Minuten das so gravierend wäre, jedoch können 30 Minuten durch Luftlöcher fliegen sehr lang werden.

Mein erster Flug stand nun unmittelbar bevor. Ich war eine Stunde vorher in Tempelhof. Was war das für ein kuscheliger Flughafen. Er wirkte auf mich nicht größer als der Bahnhof Zoo. Im Innenbereich natürlich. Es war nicht gerade schwierig, meinen Schalter zu finden. Die Übersichtlichkeit war im Jahre 1970 auf jeden Fall gegeben. Die übliche Prozedur. Ticket abgeben, Boardcard bekommen. Reisepass vorlegen, ja, wir brauchten damals auf innerdeutschen Flügen einen Reisepass.

Zu den Flugzeugen kam man zu Fuß über das Flugfeld. Nur die VIP’s wurden gefahren. In kleinen gelb-schwarz karierten Käfern. Ich war keine VIP, ich musste laufen. War ja nicht weit. Und da standen nun diese Wundermaschinen. Für mich sind Flugzeuge das bis heute. Riesig groß, irrsinnig schwer und dann fliegen können. Freundlich lächelnde Stewardessen am Ende der Treppen, Begleitschutz zum Platz, Anschnallzeichen, Rauchverbot bis es pling macht. Man durfte im gesamten Flugzeug rauchen. Aber das war nicht so einfach bei 30 Minuten Flugzeit. Natürlich erfolgten zuerst die Sicherheitserklärungen, ich suchte meine Schwimmweste, da waren doch etliche Flüsse, über die wir auf dem Weg nach Hannover flogen. Hoffentlich krieg ich die auch heile unter meinem Sitz hervor, falls das Flugzeug ins Wasser fällt. Ich kann nicht schwimmen. Diese Westen gaben mir immer ein sehr sicheres Gefühl.

Sicherheitserklärungen beendet. Dann gab es einen kleinen Snack und Drinks, was immer man wollte. War alles drin in den 58 DM. Das waren wirklich 30 stressreiche Minuten. Ach ja, die Kaugummis und die Schokolade nicht zu vergessen, für den Druckausgleich in den Ohren. Richtig toll. Wenn der Flieger zur Landung ansetzte, hab ich kaum geatmet, geschweige denn Kaugummi gekaut. Ich musste schließlich aufpassen, was da so alles geschieht.

Das Lächeln der Stewardessen hielt für mich nur auf meinen ersten beiden Heimflügen an. Zu den letzten vier Flügen kam ich nie wieder pünktlich. Plötzlich war ich eine VIP, ich wurde zu meinem Flieger mit einem dieser kleinen Käfer gefahren, weil die Maschine schon fast in der Startposition war. Das hatte was. Die Stewardessen waren stinksauer, ich glaube, der Flugkapitän nicht minder. Die übrigen Fluggäste reckten die Hälse, was für eine Berühmtheit denn da käme. Und dann war da ich. Klein, ein wenig dicklich, kurzsichtige Augen hinter einer dicken Brille, dümmlich grinsend.

Meinen letzten dieser 6 Flüge werde ich nie vergessen. Es war Sommer. Mein bester Freund holte mich in Tempelhof ab. Ich hatte mich schick eingekleidet. Ein neues Kleid. Weiß mit blauer Paspelierung an Puffärmeln. Das Oberteil, eng anliegend, ging in einen Glockenrock über, der ebenfalls mit einer blauen Paspel versehen war. Ich fand mich todschick. Mein bester Freund wohl weniger. Als der mich sah, seine Augen wurden immer größer, sein Mund war weit aufgerissen. Und dann platzte es aus ihm raus:

„Du siehst aus wie ein vollgeschissener Strumpf“.

Ich war fassungslos. Wusste nicht, ob ich weinen oder lachen soll. Wir schauten uns an, meine Entscheidung war gefallen. Unser wieherndes Lachen erfüllte die Halle des Flughafens. Das ganze endete damit, dass ich mich auf der Toilette umzog und das Kleid in einen Flughafenmülleimer warf. Nie wieder ein weißes Kleid mit Puffärmeln und Glockenrock. 

 

Und heute: nie wieder Flughafen Tempelhof...

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 11.07.2009

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für einen Flughafen

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