5 Uhr morgens.
Der Breitscheidplatz gehört noch den Vögeln. Spatzen und Tauben streiten um ein Bröckchen eines undefinierbaren Teils, das von irgendeinem Menschen, der noch schnell einen Burger essen musste, bevor er von den Anstrengungen der Nacht nach Hause ging. Was hat der wohl gemacht, bevor er hier einen Teil seines Burgers fallen ließ, fragte ich mich, als ich über den stillen Platz ging.
Das Krächzen der Krähen, sie klangen nach zuviel Zigaretten, schreckte mich auf. Krähen sind keine wirklich netten Vögel. Sie stolzieren über den leeren Platz als ob sie sagen wollen, dieser Ort gehört uns.
Es riecht noch gut an diesem Ort. Noch ist die Luft nicht geschwängert von Diesel- und Benzindämpfen. Keine kreischenden Hupen. Keine brüllenden Autofahrer. Keine gestressten Menschen, die zur Arbeit eilen oder nach Hause fahren. Ein einsames Müllauto fährt vorbei. Langsam, als ob es die saubere Luft einatmen möchte.
Morgens um 5 Uhr ist es fast so, als ob die Erde einen Moment still steht.
Die Straßen sehen aus, als ob sie frisch geduscht sind. Bereit, den Tag zu empfangen. Gespannt auf alles, was dieser Tag bringen wird.
Ich laufe über den Platz zur Haltestelle vom 19er. Nein, der heißt ja jetzt M19. Der Bus fährt in Richtung Grunewald. Langsam kommt er vom Wittenbergplatz angetuckert. Noch hat er alle Zeit der Welt, kann so vor sich hintuckern.
Beim Einsteigen grinse ich den Fahrer an. Der ist überrascht, dass jemand um diese Zeit so vor sich hin grinst. Aber er grinst zurück.
Ich fahre bis zur Endhaltestelle. Von dort laufe ich zum Grunewaldsee. Die Luft ist rein und klar. Langsam kommt die Sonne in Sichtweite.
Ich setze mich in den Sand am Grunewaldsee. Meine Zehen spielen mit dem Sand. Es ist fast so als sei ich allein auf der Welt. Allein in dieser Stadt, die sonst nur so sprüht vor Lebendigkeit. Angespannt ist. Sprudelt wie Champagner.
Die ersten Hunde kommen mit ihrem Menschen. Hunde lieben diesen See, sie können dort schwimmen, spielen. Laut bellen sie ihre Lebenslust in die Stille. Ein kleiner Hund steht am Rand des Sees, er traut sich wohl nicht rein. Oder er ist wasserscheu. Als er einen Tropfen Wasser abbekommt, quietscht er auf und rennt zu seinem Menschen, das Schwänzchen zwischen seinen Hinterbeinen eingeklemmt.
Langsam werden es mehr Hunde mit Menschen. Ich ziehe meine Schuhe an und gehe langsam zur Bushaltestelle. Fahre wieder zurück.
Die Stadt hat sich geöffnet für den Tag. Die ersten Menschen hetzen zum Bus, zur U-Bahn. Die meisten wirken übermüdet, nur wenige haben ein Lächeln auf dem Gesicht. Ein Lächeln wie die Stadt, die sie wieder mit offenen Armen aufnimmt. Die den Lärm erträgt, den Gestank, die beinahe unerträgliche Hektik.
Doch es gibt sie, diese Stunde, in der diese Stadt tief einatmet. Den Atem anhält und sich dann dem schenkt, der offen für sie ist.
Berlin um 5 Uhr morgens …
Tag der Veröffentlichung: 07.05.2009
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Eine Liebeserklärung an meine Stadt