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Mein wahres Leben

Nach Außen wirke ich wie ein normaler Teenager. Doch der Schein Trügt. Wobei man auch nicht sagen kann, dass ich abnormal oder gestört bin, nein, ich bin einfach ein bisschen anders als andere in meinem Alter. Im Grunde genommen schaffe ich es, meine gröbsten Geheimnisse für mich zu behalten, was mir aber auch nicht immer gelingt. So kommt es auch, dass es für meinen Vater nichts Neues ist, dass ich schon mit gerade einmal 15 meinen ersten Schwips hatte oder, dass ich mit Erotik schon meine Erfahrungen gesammelt habe. Für ihn ist das alles kein Problem, da er in meinem Alter nicht anders war als ich, was das anbelangt. Für meine Mutter hingegen, wäre es, glaube ich, ein Weltuntergang, würde sie all meine größten Geheimnisse erfahren.
Um in meinem Leben von vorne anzufangen, beginne ich, kurz vor der Scheidung meiner Eltern. Damals war ich zehn Jahre alt und mein Leben war sorgenfrei und unbeschwert, bis meine Eltern eines Nachmittags im Herbst mit mir im Wohnzimmer „Jolly“ spielten und mir mitten im Spiel, die Hiobsbotschaft ihrer Scheidung präsentierten. So nach dem Motto: „Von nun an ging´s bergab“ verschlechterte sich mein Leben kontinuierlich. Die endgültige Scheidung folgte am 20. Dezember 2004. Zu diesem Zeitpunkt war mein Vater bereits ausgezogen. Er lebte nicht weit von mir, in unserer damalige Firma. Es war eine harte Zeit für mich, doch er war ja nicht weit weg, also konnte ich sooft ich wollte zu ihm gehen. Diese missliche Lage hatte allerdings was gutes, da ich vor der Scheidung meinen Vater nur schlafend oder streitend mit meiner Mutter kannte. Meine schönste Zeit mit ihm, war die in der Steiermark beim Fischen und am Firmengelände unserer Firma. In solchen Momenten hatte ich meinen „Papa“ für mich alleine. Doch das änderte sich rasant, da die Trennung meiner Eltern tiefen Narben in mir hinterlassen hatte, bekam ich zu dieser beschissenen Lage auch noch heftige Panikattacken. Sie kamen regelmäßig, täglich, in der Nacht. Ich fühlte mich alleine, verletzbar und eigentlich schon am Weg ins Jenseits. Bei jeder dieser Attacken, wollte ich nur für immer erlöst werden, doch meine Eltern konnten mir nicht helfen, auch nicht der Notarzt, welchen wir schon fast mit Vornamen kannten, durch den beinahe täglichen Besuch bei uns. Da kam mein Vater mit der schlechtesten Idee, die er je hatte, doch sie hatten keine andere Wahl mehr, sie gaben mich als elf jähriges Kind in die Psychiatrie. Diese zwei Monate werde ich nie in meinem Leben vergessen, da sie schrecklicher waren als alles, was ich mir vorstellen kann. Das Gefühl, wenn seine Eltern dich abgeben, dich zum letzten Mal umarmen und küssen und dich danach mit Tränen in den Augen alleine unter Fremden zurücklassen, ist das schlimmste für ein Kind, was es nur gibt. Ein Telefonat am Abend wurde mir noch gestattet. Doch als ich total verheult zu meiner Mutter sagte, sie solle mich abholen, wurde mir der Hörer des Telefons entrissen. Ich probierte es noch einmal und die Reaktion der Erzieher Alex, Claudia und Dagmar, war die gleiche wie beim Ersten mal. Um den letzten Anruf musste ich betteln, doch ich hatte Erfolg. Ich durfte ein letztes Mal zuhause anrufen, doch diesmal durfte ich nur sagen: „Gute Nacht Mama, ich hab dich lieb.“ Aus mir sprach ein zu tiefst verängstigtes und verletztes Kind, das sich nichts sehnlicher wünschte, als nach Hause zu seiner geliebten Familie zu dürfen. Nachdem ich sehr aufgelöst war und an Schlaf um neun Uhr am Abend in dem Zustand nicht zu denken war, gaben sie mir Psychopax Tropfen auf nüchternen Magen in einer vermutlich viel zu hohen Dosis, die eingeschlagen haben wie eine Bombe in meinem kleinen Körper. Die nächsten Tage in dieser Hölle waren wegen der Medikamente die ich bekam sehr verschwommen für mich. Als nächstes kann ich mich an ein Gespräch mit meinem psychologischen Betreuen erinnern, der mir glaubhaft einredete, dass mich meine Eltern nicht liebten und, dass ich bis ich 18 bin in dieser Einrichtung bleiben müsste. Als elf Jahre altes Kind, glaubt man so etwas. Ab diesem Tag war alles aus für mich. Ich konnte so nicht mehr leben, doch es ging weiter, obwohl ich am Ende war. Das kleine Herz in meinem Körper hätte am besten stehen bleiben sollen. Ich habe es mir so fest gewünscht. Tragischer Weise, ging es aber noch weiter, ich hatte ja gerade erst ein paar Tage dort verbracht. Misshandlungen kamen nicht selten vor. Ich wurde geschlagen, beschimpft, bespuckt und sexuell zu Dingen gezwungen, an die ich heute noch nicht denken möchte. Es tat nicht nur körperlich weh, bedroht zu werden mit einem Messer und man sich, um nicht verletzt zu werden, auszieht wie es die älteren Buben wollten, so dass sie mit dir machen, was sie wollten. Ich habe mir und meinen Peinigern den Tod gewünscht, doch wehren konnte ich mich nicht, gegen halbstarke Männer, die eindeutig in der Überzahl waren. Und an Hilfe von Erziehern oder der gleichen war nicht zu denken, da sie mir eindeutig gesagt haben, dass sie mich überall finden würden, sollte ich ihre Taten ausplaudern. Unteranderem wurde mir auch starker Alkohol eingeflößt, den die Anderen eingeschmuggelt hatten. Aber nachdem ich doch noch ein Mensch und kein Nutztier der Lust anderer war, durfte ich ganz offiziell einmal täglich mit meinen Eltern telefonieren, aber halt, das wäre zu menschlich gewesen. Ich bekam den Text vorgeschrieben, den ich meinen Eltern vorlesen musste. Ich war nur froh, als ich nach dieser Zeit wieder nachhause gehen durfte, allerdings mit schwereren Schäden, als zuvor. Allerdings hat sich mein Vater bis heute nicht bei mir endschuldigt, da er ja schon immer mit meinem psychologischen Betreuer einer Meinung war.

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Tag der Veröffentlichung: 19.01.2011

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