Kapitel 1
Liebes Tagebuch,
heute ist mal wieder einer dieser Tage, die man schon am Morgen verflucht. Denn heute ist, wer hätte es gedacht, Montag! Montage sind schrecklich! Und zu allem übel kommt auch noch dazu, dass es der erste Tag nach den Herbstferien ist. Von den Herbstferien hab ich dir ja bereits erzählt. Von Daisy und Toby. Ist das zu fassen? Da bin ich vier Wochen älter als sie und habe immer noch keinen Freund! Aber ich habe mir ja Anfangs dieses Jahres geschworen, dass ich dieses Schuljahr auf keinen Fall ungeküsst beende! Das wäre ja was! Wenn ich dieses Jahr nicht meinen ersten Kuss bekomme, werde ich wahrscheinlich nie wieder die Chance dazu bekommen und dann werde ich als alte, ungeliebte Jungfrau, ganz allein sterben! Oh nein, dieses Schicksal werde ich aufzuhalten wissen! Ach ja, apropos Schicksal. Ich befürchte, ich hab die kleinsten Brüste der ganzen Stufe. Vorgestern war ich mit meiner Mum einkaufen gewesen. Und als wäre es nicht schon peinlich genug, mit meiner Mutter shoppen zu gehen. Nein, ich musste natürlich auf Miss Obertussi treffen! Und mir wären beinahe die Augen ausgefallen! Es ist mir wirklich ein Rätsel, wie sie es um alles in der Welt geschafft hat, dass ihre Brüste so schnell gewachsen sind! Ich bin mir sicher, dass sie auf jeden Fall größer waren, als vor zwei Wochen. Und nicht nur ein bisschen! Die sind regelrecht aus ihrem hautengen Oberteil herausgequollen... Mum meinte, dass sähe bei Kindern wie uns billig und unecht aus. Ich war für den Rest des Tages sauer, weil sie mich als 'Kind' bezeichnet hatte. Als wäre ich noch ein Kind! Ich bin ein Teenager, dass sieht man ja wohl! Oder?
Naja. Ich muss jetzt auch schon wieder los, da Daisy bestimmt schon an der Haltestelle wartet!
Bis bald
Ally
Ich schloss mein Tagebuch zu und stopfte es unter mein Kopfkissen, bevor ich mir meine Schultasche schnappte und nach unten rannte. Mein Bruder kam mit Nutellaverschmierten Gesicht aus der Küche und grinste mich dümmlich an.
"Ally? Wo bleibst du? Du kommst zu spät zur Schule!" rief meine Mutter aus der Küche, unwissend, dass ich schon längst hinter ihr stand.
"Ist ja gut!" maulte ich, schnappte mir meine Brotzeitbox und schob mich an meinem kleinen Bruder vorbei.
"Ich wette, du verpasst wieder den Bus!" sagte er zu mir, während ich mir hastig meine Schuhe anzog. Ich hielt einen Moment inne, sah ihn finster an und streckte ihm die Zunge raus. Dann schnappte ich mir meinen Mantel und meinen Schal und rief beim Rausgehen über meine Schulter: "Bis später!".
Was meine Mutter darauf sagte, hörte ich nicht mehr. Während ich zur Bushaltestelle rannte versuchte ich meinen Mantel zu zuknöpfen. Ein Glück war meine Bushaltestelle nicht so weit weg! Ich sah Daisy schon von weiten, ihre kastanienbraunen Haare, hatte sie unter einer gelben Mütze versteckt, sodass man nur noch die Spitzen sah. Als ich schwer atmend bei ihr ankam sah sie mich grinsend an.
"Na? Heute mal pünktlich?" fragte sie mich und musste kichern. "Zum Glück! Ich wollte mich heute noch vor der Schule mit Toby treffen!"
Na toll. Ich hab meine beste Freundin jetzt schon an den Spinner verloren! Wenn sie sich nun schon vor der Schule mit ihm treffen will!
"Ach so." sagte ich knapp.
Sie sah mich von der Seite an.
"Das ist doch okay für dich, oder?" fragte sie mich leicht verunsichert. Ich drehte mich zu ihr und nickte.
"Klar! Doch doch! Ich geh' dann einfach schon vor.." sagte ich schnell und lächelte sie fröhlich an.
Etwas misstrauisch sah sie mich an aber dann nickte sie. Der Bus kam und wir quetschten uns mit den ganzen wartenden Schülern in den Bus. Daisy und ich hatten Glück, wir waren ziemlich schnell im Bus, sodass wir uns hinsetzen konnten. Auf dem Weg in die Schule erzählte ich ihr von Melody's neuen Brüsten. Mit offenem Mund hörte Daisy mir zu und schüttelte danach ungläubig den Kopf.
"Ich fasse es nicht! Dabei wird sie erst nächstes Jahr Fünfzehn!" meinte sie und seufzte. "Das ist wirklich eine Tragödie. Und so wie man die Jungs kennt, werden die total darauf abfliegen! Warum ist die Welt so ungerecht, Ally?" fragte sie mich und schüttelte wieder den Kopf. Darauf konnte ich nur mit den Schultern zucken.
Den Rest der Fahrt, verbrachten wir damit, uns gegenseitig unser Wochenende zu erzählen. Ich versuchte meins so interessant und spannend wie Möglich zu erzählen, doch gegen Daisys Wochenende hatte ich einfach keine Chance! Immer hin hatte sie einen Mann, der sie ins Kino ausgeführt hatte. Das konnten nicht mal die überdimensionalen Brüste von Melody toppen! Leise seufzend gab ich mich meinem Schicksal hin und scannte, während ich Daisys romantischen Schilderungen zuhörte, den Bus nach süßen Jungs ab. Leider erfolglos. Warum sahen die Jungs in unserem Alter alle so hässlich und verpickelt aus? Alle süßen Jungs gingen in die Oberstufe und waren sowieso viel zu alt für uns. Immerhin hatten die schon das goldene Alter sechzehn überschritten! Ich wandte mich wieder Daisy zu und schmollte innerlich.
Unsere Klasse hatte sich über die Ferien nicht wirklich verändert. Auch wenn es nur zwei Wochen gewesen waren, warum konnten die Jungs sich nicht einfach über Nacht in Traumprinzen verwandeln? In einem Märchen wäre so etwas kein Problem. Schade, dass das Leben kein Märchen war. Daisy und ich setzten uns wieder an unseren alten Platz, hinten links. Meine Stimmung hob sich etwas als mir einfiel, dass Toby ja nicht in unsere Klasse ging. Was für ein Glück! Allerdings flog meine Laune auch schon wieder in den Keller, als unsere dicke Mathelehrerin ins Klassenzimmer kam. Sie mochte mich nicht, das spürte ich. Schon allein ihre Anwesenheit bereitete mir Gänsehaut. Da ich hinten in der Ecke saß, ignorierte sie mich die meiste Zeit. Also konnte ich in Ruhe malen oder mich mit Daisy per Zettelchen unterhalten.
"Ich hab keine Lust auf Mathe!" schrieb ich auf einen Zettel und schob ihn Daisy rüber. Sie reagierte erst nicht, da sie auf ihrem Handy mit Toby schrieb. Ich rollte mit den Augen und stupste sie an. Sie nahm geistesabwesend den Zettel und widmete sich dann wieder ihrem Handy zu. Ich seufzte. Auf Daisy konnte ich jedenfalls nicht bauen. Hätte ich einen Freund, würde der mit mir bestimmt die ganze Zeit Zettelchen schreiben und erst dann aufhören, wenn ich es wollte. Meine Gedanken flogen zu Florian, einen Jungen, in den ich mal verliebt gewesen war, bis er die Schule gewechselt hatte. Seit dem hatten wir keinen Kontakt mehr. Vielleicht konnte ich ja seine Handynummer herausfinden. Während ich so überlegte und löcher in die Luft starrte, rief mich Frau Wüst auf. Panisch sah ich auf die Tafel, doch da stand nichts.
"Könnten sie die Frage bitte wiederholen?" fragte ich vorsichtig und Frau Wüst starrte mich mit Todesblicken an.
"Sie sollen den Text auf Seite 103 vorlesen!" sagte sie streng. Ich wurde rot wie eine Tomate und kramte schnell nach meinem Buch. Ich hatte es noch nicht einmal aufgeschlagen. Die Klasse stöhnte schon und als ich es endlich gefunden hatte, wollte sich auch noch die Seite nicht aufschlagen lassen. Daisy stupste mich an und schob mir ihr Buch zu, während sie sich ihr mein Buch schnappte. Ich dankte ihr schnell und las dann den kurzen Text vor. Natürlich hatte der Text nicht mehr als zwei Sätze. Ich wollte am liebsten im Erdboden versinken. Es war schon schlimm genug manchmal nicht die richtige Antwort zu finden, aber dann so lange zu brauchen um einen Text von zwei Sekunden vor zu lesen, ist schon sehr peinlich. Gedemütigt saß ich, wie ein Häufchen Elend da und sah zu Frau Wüst, die sich offenbar sehr amüsierte. Ich hasste die Schule jetzt schon wieder.
Texte: Alle Rechte liegen bei mir
Bildmaterialien: Bilder aus Weheartit.com
Tag der Veröffentlichung: 05.11.2012
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