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Goodbye old life

 

Lange Zeit war vergangen, bis ich endlich wieder genug Mut gesammelt hatte, um hier her zu kommen.

 

Still saß ich auf dem Boden und begutachtete die beiden Grabsteine. Das Wetter war wunderbar, die Sonne schien und keine einzige Wolke war am blauen Himmel zu erkennen. Man hätte meinen können, es sei ein perfekter Sommertag, aber das war es nicht.

 

“Mom, Dad. Ich habe etwas zu verkünden. Ich ziehe nach New York. Ich weiß, ihr würdet mich bestimmt davon abhalten wollen, aber ich werde es durchziehen. Roseville ist unser Zuhause. Aber ihr seid nicht mehr da. Ich kann nicht mehr an den Strand, ohne dass diese grauenhaften Bilder immer und immer wieder vor meinem inneren Auge auftauchen. Die letzten zwei Jahre waren so schlimm. Ich will endlich abschließen. Ich hasse es hier und ich vermisse euch so. Bis auf Ella habe ich niemanden mehr, wegen dem es sich lohnt zu bleiben. Die anderen waren nie meine Freunde. Plötzlich waren alle weg. Keiner hat mich mehr gehalten, keine starke Schulter, an die ich mich anlehnen hätte können. Ab September bin ich in New York und werde studieren und in einem Hotel arbeiten, ich habe schon alles geplant. Und.. Sven ist dann auch nicht mehr so weit weg. Seit eurem Tod versucht er so oft es geht, mich besuchen zu kommen. Aber er kann schließlich nicht jeden Tag per Flieger zu mir. Ich hoffe, ihr hört mich und mein Gerede ist nicht umsonst.. Ich liebe euch so sehr und vermisse euch. Und es tut mir leid, dass ich euch so wenig besuchen komme, aber ich bringe es nicht übers Herz eure Grabsteine anzuschauen.. tut mir einfach leid.”

 

Die Träne, die mir über die Wange lief, wischte ich schleunigst mit meinem Handrücken weg. Seit dem Tod meiner Eltern hatte ich nie Schwäche gezeigt und das würde ich auch in Zukunft nicht.

 

Mit etwas Mühe rappelte ich mich auf, klopfte mir den imaginären Staub aus der Hose und mit einem letzten Blick auf den Grabstein meiner Eltern verließ ich den Friedhof. So schnell würde ich ihn auch nicht mehr zu Gesicht bekommen.

 

*~*~*~*

 

Mit nicht mehr als zwei kleinen Koffern versuchte ich, mein neues Heim einzurichten.

 

Während meines Vorstellungsgespräches hatte ich meinen Chef schön um den Finger gewickelt, sodass er mir ein kleines Zimmer ganz in der Nähe des Hotels beschaffen hatte.

 

Außer meiner Kleidung und ein paar weiteren Kleinigkeiten nahm ich nichts mit. Außerdem wollte ich die Gegenstände meiner Eltern nicht verkaufen oder mitschleppen. Alles gehörte einfach in unser Haus und nirgendwo anders hin. Gott sei Dank war hier schon das Nötigste eingerichtet. 

 

Eine Matratze, ein Kleiderschrank und ein Spiegel standen im Raum, nebenan gab es eine kleine Küche und ebenso ein Bad mit Toilette. Ich wusste jetzt schon, dass ich sowieso nicht viel Zeit hier verbringen würde.

 

Die eintretende Ruhe war kaum auszuhalten. Ein letzter Blick verriet mir, dass ich heute genug eingerichtet hatte, wenn man es denn so nennen konnte, und so zog ich mir meine Jacke über und wollte meinen Rundgang im Hotel antreten.

 

Keine zehn Minuten später stand ich also vor dem vereinbarten Treffpunkt und wartete auf .. ja, auf wen, das war die Frage. Irgendeine Frau..

 

Während ich in Gedanken vor der Rezeption wartete, wurde ich von der Seite angesprochen.

 

“Sie müssen wohl Frau Clear sein?” Eine Frau, ich schätzte sie auf etwa 40 Jahre, lächelte mich freundlich an. Ihre schwarzen Haare trug sie in einem strengen Dutt und die eckige Brille verlieh ihr eine gewisse Autorität.

 

“Ja, genau.” Ich schüttelte ihre Hand und schon ging die Rundtour los.

 

“Ich bin Frau Jackson. Leider habe ich nicht lange Zeit,also lassen Sie uns los gehen.”

 

In einem Gang voller Aufzügen lief sie ganz nach hinten, ich ihr natürlich dicht auf den Fersen.“Die großen Aufzüge sind für unsere Gäste gedacht. Der Chef des Hauses und auch einige andere wichtige Mitarbeiter benutzen sie ebenfalls.”

 

Am Ende des Ganges blieb sie stehen und zeigte auf einen ungefähr gerade mal halb so großen Aufzug. “Das ist der Personalaufzug. Ihnen ist verboten, die anderen zu benutzen. Da zeigen wir auch kein Verständnis, wenn sie sich nicht an diese Regeln halten.

 

”“Natürlich”, beeilte ich mich zu sagen und nickte verstehend.

 

Mir war es recht egal, welchen Aufzug ich nun benutzen durfte und welchen nicht. Auch wenn ich mir schon in den ersten Minuten in eine Art Monarchie versetzt vorkam. Die wichtigen Mitarbeiter dürfen also die anderen Aufzüge benutzen und die 'unwichtigen', die die Drecksarbeit machen, nicht.. Aber ich brauchte den Job, also schwieg ich. Der Aufzug brachte uns ins Untergeschoss, wo uns schon zahlreiche Mitarbeiter entgegenliefen.

 

“Guten Morgen, Frau Jackson”, hörte ich jeden einzelnen höflich sagen. Der ein oder andere bemerkte auch mich und sie schienen schon zu ahnen, dass ich die neue Kollegin war. 

 

In einem Mitarbeiterraum blieben wir letztendlich stehen.

 

“So, das ist der Raum für unsere Mitarbeiter. Unsere Putzfrauen, Kellner, Bügler, Pagen, Rezeptionisten und wer sonst so eingestellt ist, verbringt seine Zeit gerne hier. Alle, bis auf die Geschäftsleitung eben”, begann Frau Jackson detailliert zu erzählen. “Das hier gehört nun Ihnen” Sie deutete auf einen kleinen Spind und überreichte mir auch sofort den passenden Schlüssel dazu. “Ihre Sachen können Sie ablegen, ich kann Sie beruhigen. Noch nie wurde hier etwas gestohlen.”

 

Als nächstes zeigte sie mir die riesige Tafel, auf der ich einen Kalender mit diversen Unterschriften erkennen konnte. “Links sehen sie die aktuellen Schichtzeiten für die nächsten zwei Wochen, rechts können sie sich für die Übernächste eintragen. In diesem Fall können sich unsere Mitarbeiter selbst einschreiben, Sie müssen eben auf ihre Stundenanzahl die Woche kommen und es müssen immer genug Mitarbeiter im Haus sein. Aber damit gab es bis jetzt auch nicht all zu oft Probleme und die Pläne sind vor allem für unsere Mitarbeiter eine tolle Sache. Viele von ihnen sind wie Sie Studenten, aber genug geredet, wir sollten weiter.”

 

Und so zeigte mir Frau Jackson, die mir nebenbei erzählte, dass sie alleinerziehende Mutter zweier Kinder sei, die anderen Bereiche des Hotels, die ich kennen müsse und brachte mich letztendlich auch zu allen relevanten Arbeitsplätzen, die zutreffend für mich sein könnten. Ich war sozusagen das Mädchen für alles. Einen Tag an der Bar, einen Tag Kellnerin spielen, einen Tag im Wäscheraum bügeln und am nächsten das Essen in die Hotelzimmer bringen. Dort, wo man mich eben brauchte. Aber etwas festes hatte ich leider nicht gefunden.

 

“Morgen fangen Sie in dem kleinen Café an. Sie erinnern sich, dritte Etage?”, frage Frau Jackson, bevor sie zu ihrem nächsten Termin eilte.

 

“Ja, natürlich.”

 

“Gut, dann Willkommen im Hotel Paradise.”

 

Nachdem ich mich von ihr verabschiedet hatte, brauchte ich einige Sekunden, um zu mir zu kommen.

 

Das könnte ja spaßig werden..

Neue Bekanntschaften im Tale der Langeweile

Mein erster Tag hatte begonnen und außer der Tatsache, dass mir langweilig war, konnte ich mich nicht beschweren. 

 

Es war 17 Uhr und kaum ein Gast kam hier her. Jede halbe Stunde verirrte sich der ein oder andere ältere Herr, aber auch nur um sich einen Kaffee to go zu kaufen.  Für das nächste Mal nahm ich mir vor, meine Lehrbücher mitzunehmen. Dann konnte ich hier wenigstens pauken.

 

Ich hatte noch zwei Stunden Dienst und wusste nicht, wie ich das überstehen sollte!

Einen Stuhl zum Sitzen hatte ich auch nicht bekommen. Aber an meinem ersten Tag wollte ich nichts falsches machen..Leise fing ich an, vor mich hin zu summen und schaute aus dem Fenster. Draußen schien die Sonne. Das Wetter war zum Anhimmeln!

 

Seufzend legte ich meine Arme auf die Tischplatte, um meinen Kopf darauf fallen zu lassen. Immer wieder schlug ich mit meinem Kopf auf meine Arme.“Zwei Stunden noch. Zwei Stunden noch. Zwei Stunden noch. Es wird kein Schwein mehr kommen. Zwei Stunden noch. Zwei Stunden noch”, wiederholte ich und wusste nicht mit meinem Leid umzugehen. Rumzustehen und nichts zu tun zu haben war die reinste Qual.

 

“Sag' mal, alles in Ordnung mit dir?”, hörte ich eine belustigte Stimme fragen. Wie der Blitz richtete ich mich auf. Mich überkam die Panik! Wenn das ein Kunde war, der sich nachher über mein komisches Verhalten beschwerte?

 

Meine Augen fanden einen schwarzhaarigen Jungen, ungefähr 20 Jahre. “Kann ich irgendwas für dich tun?”, fragte ich beinahe hysterisch.

 

Juhu, vielleicht konnte ich ihn dazu bringen, die nächsten zwei Stunden hier zu sitzen und mich zu entertainen. Der Typ schien irritiert zu sein, schaute mich nur an, ohne etwas zu sagen.

 

"Ehm, alles in Ordnung mit dir?”, wollte ich wissen und scannte den Kerl von oben bis unten. Seine Haare waren kurz geschnitten, das Gesicht glatt rasiert. Die dunkelbraunen Augen musterten mich weiterhin.

 

“Ja, alles in Ordnung. Ich geh' dann mal wieder”.

 

Verdammt! Endlich jemand, der mir die Zeit vertreiben konnte und der wollte sofort wieder gehen.

 

“Halt”, rief ich ihm hinterher, als er seine Hand auf die Türklinge legte.

 

“Hast du mich also doch erkannt?”, grinste er mich an.

 

“Was?” Verwirrt musterte ich den Gast.

 

“Nichts.. nichts.” Wieder sah er mich schweigend an. Er wartete wohl darauf, das ich etwas sagte. Dieser Junge war ziemlich seltsam.

 

“Wenn du gerade nichts zu tun hast, würdest du eine gute Tat vollbringen und dich mit mir unterhalten? Mir ist so langweilig und niemand kommt hier rein”, flehte ich und lächelte ihn verzweifelt an.

 

“Deshalb brauchst du nicht deine armen Gehirnzellen töten”, meinte er lediglich und grinste.

 

“Ich hör' auf damit, wenn du dich hinsetzt und mir die Zeit vertreibst”, versuchte ich ihn zu einem Deal zu überreden.

 

Mein gegenüber zuckte mit den Schultern und setzte sich auf einen der Sitze.

 

“Danke! Dafür schulde ich dir etwas!” Ich redete ohne Punkt und Komma. Mehr als in den letzten zwei Jahren zusammen. Das passte so gar nicht zu mir.

 

Er lachte nur und fragte, ob ich mich nicht neben ihn setzen möchte.

 

“Ich kann nicht. Wenn ich erwischt werde, kriege ich Ärger und verliere schon am ersten Tag meinen Job”, erklärte ich ihm.

 

“Du hast doch selbst gesagt, es kommt keiner mehr, also zier dich nicht so.” Ja, es schien wirklich keiner mehr zu kommen und meine Beine taten mir höllisch weh. Genießerisch ließ ich mich auf den Platz gegenüber des Schwarzhaarigen nieder und seufzte glücklich, als mein Hintern endlich auf den Stuhl traf.

 

“Wie lange stehst du hier schon?”, fragte er.

 

“Seit 4 Stunden. Nochmal zwei weitere und ich wäre gestorben.” 

 

“Wie heißt du?”, wollte der Fremde wissen.

 

“Ariana, du?”

 

Wieder blickte der Junge mich stumm an und stellte sich anschließend als Mason vor.

 

“Ich glaube, du verwechselst mich mit jemandem”, sagte ich und lies mich tiefer in den Sitz fallen.

 

“Wie kommst du darauf?”

 

“Du schaust so irritiert. Und vorhin hast du irgendwas davon gesagt, ob ich dich denn nicht doch erkannt hätte.” 

 

“Du bist nicht von hier, oder?”, stellte mir Mason eine Gegenfrage.

 

“Wie kommst du darauf?” Ich zog überrascht meine Augenbrauen in die Höhe. Er grinste mich an.

 

“Naja. Was soll ich sagen, Instinkt.”

 

“Ja, du hast Recht. Bin seit einer Woche hier”, erzählte ich.

 

“Wo hast du davor gewohnt?” Interessiert schaute er mich an.

 

“In Roseville und du? Was machst du hier? Du scheinst auch nicht von hier zu sein, wenn du dich in einem Hotel aufhälst.”

 

“Urlaub”, meinte er einsilbig.

 

“Alleine?”

 

“Nein, mit Freunden.”

 

“Warum schlenderst du hier dann alleine durch die Gänge?”

 

“Die schlafen alle. Wir hatten in der letzten Zeit viel zu tun und haben unglaublich viel gearbeitet, jetzt brauchen wir ausgiebigen Urlaub.”

 

“Oh, wo arbeitest du denn?”, fragte ich im Plauderton.

 

“Ich .. bin Gitarrist in einer Band”, erklärte er nach kurzem Überlegen.

 

“Lügst du mich gerade an?” Unbeeindruckt verschränkte ich meine Arme.

 

“Wie..Nein.. wieso sollte ich?” Er machte große Augen.

 

“Du hast ziemlich lange gebraucht, um dir eine Antwort zu überlegen. Du brauchst nicht lügen.. ich mein ja nur. Immerhin arbeite ich hier in einem Café, in das keine Menschenseele eintreten will. Dein Job kann nicht unbeeindruckender als meiner sein.” 

 

Mason fing an lauthals zu lachen. Mit dem stimmte wirklich etwas nicht. “Ach, du bist echt Zucker. Sobald ich Langeweile habe, werde ich sofort zu dir kommen”, grinste er.

 

“Ehm.. Danke. Was hab' ich denn witziges gesagt?” Der Kerl verunsicherte mich. Ich kam mir verarscht vor.

 

"Das wirst du in den nächsten Tagen selbst herausfinden, ganz bestimmt”, meinte er lediglich.

 

“Hey, komm' mir jetzt nicht auf die Tour, wenn du...”, wollte ich schon eine Standpauke halten, doch genau in diesem Augenblick kam Frau Jackson rein.

 

“Frau Clear? Was machen Sie denn da?” Mit strengem Ton näherte sie sich dem Tisch.

 

“Frau Jackson. Tut mir Leid.. ich habe mich nur kurz hingesetzt und wollte...”, versuchte ich mich rauszureden, sie schnitt mir jedoch das Wort ab.

 

“Glauben Sie, dass Sie sich das an Ihrem ersten Arbeitstag erlauben können? Seien Sie froh, dass ich Sie hier erwischt habe und nicht jemand aus der Geschäftsleitung.” Ihre Augen funkelten mich böse an.

 

“Frau Jackson, das ist nicht Frau Clears Schuld. Ich habe sie dazu gebracht, sich neben mich zu setzen”, mischte sich nun auch Mason ins Gespräch ein.

 

Irritiert schaute die Frau auf Mason und als sie anfing zu reden, hörte man die Unsicherheit aus ihrer Stimme. “Oh, ehm, Mr. Evens.. es tut mir Leid, wenn das ihr Wunsch war, ist es natürlich etwas vollkommen anderes.”

 

Bildete ich mir das gerade ein oder wurde sie rot? Verlegen?

 

“Genau, der Kunde ist nämlich König, nicht wahr?”

 

“Nun, dann.. dann gehe ich mal wieder. Frau Clear, Sie kümmern sich um Mr. Evens?”

 

“Ja, aber natürlich”, ließ ich sie perplex wissen.

 

Wieso war die Frau auf einmal wie ausgewechselt? Als die böse Hexe das Café verließ, schaute ich irritiert zu Mason.

 

“Sag' mal, warum hat Frau Jackson so Angst gehabt?”

 

Mason kratzte sich am Hinterkopf. “Sie kennt mich”, antwortete er. 

 

Bevor ich jedoch irgendwas aus ihm rausquetschen konnte, meinte er, dass er schnell weg müsse und mich sicherlich die nächsten Tage noch besuchen würde.

 

“Ja, aber.. was mach' ich denn noch alleine hier?”, rief ich ihm hinterher.

 

Toll..

 

Noch mehr als eine Stunde, bis ich gehen durfte.

 

~*~*~*~*~

 

Die restliche Stunde hatte ich glücklicherweise überstanden. Wie, war mir selbst ein Rätsel. Jetzt graute es mir noch vor dem Heimweg. Verdammter Personalaufzug! Sollte ich jetzt wirklich den ganzen langen Gang runter laufen, nur um einen langen Umweg zu haben?

 

Unschlüssig stand ich vor den riesigen Gästeaufzügen. Wieso konnte ich nicht einfach mit denen fahren? Aber wenn man mich erwischte, würde das sicher zu meiner Entlassung führen.. schließlich hatte ich mich auch ganz bequem neben Mason gesetzt. Immer wieder fuhren die Aufzüge hoch und runter und ich stand mit einem Fragezeichen im Gesicht davor. Ich war wirklich erschöpft. Solch langes Stehen war ich nicht gewohnt. Ich konnte meine Beine einfach nicht in Gang setzen. Sie taten mir so höllisch weh und jeder Schritt, den ich weniger laufen musste, war ein Geschenk für meine Beine.

 

“Wie lange willst du noch davor stehen?” Jemand gesellte sich zu mir. 

 

Nach meiner Musterung antwortete ich ihm schließlich. "Bis ich mich entschieden habe."

 

“Für was entschieden?”, fragte er. Seine dunkelblonden Haare waren zerzaust, sein drei Tage Bart zog sich über sein markantes Gesicht. Seine Eltern hatten gute Arbeit geleistet, verdammt sah er gut aus!

 

“Ob ich Ärger kassiere oder nicht.”

 

“Wie meinst du das?”, fragte er.

 

“Du arbeitest nicht hier, oder?”, stellte ich ihm eine Gegenfrage.

 

Er schmunzelte nur und schüttelte den Kopf.

 

“Ich schon und die Aufzüge sind nur für Gäste. Aber meine Beine tun mir so weh, ich steh' schon seit Stunden und wenn ich bis nach hinten laufe, hab' ich den doppelten Heimweg vor mir und das kann ich meinem Körper echt nicht antun”, erzählte ich. Wirklich sehr sexy, wenn Frau bei ihrem ersten Satz nörgelt.

 

Wieder öffnete sich der Aufzug und der Blonde stellte sich rein.

 

“Komm' schon”, meinte er und winkte mich zu sich.

 

“Ich werde gefeuert, wenn ich erwischt werde.”

 

“Keine Sorge, wirst du schon nicht”, meinte er und zwinkerte mir zu. Schlussendlich gesellte ich mich doch zu ihm und setzte mich auf den Boden des Fahrstuhls.

 

“Ich will ja nicht unhöflich oder so sein, aber könntest du kurz auf den roten Knopf drücken, damit der Fahrstuhl stehen bleibt? Nur eine Minute, falls du nichts dringendes zu tun hast”, bat ich ihn.

 

Bestimmt hielt er mich für seltsam, so wie ich den Gast vorhin als seltsam empfand. Aber mir ging es wirklich schlecht. Meine Beine waren stark angeschwollen.

 

“Oh, okay.” Er drückte den Knopf und anschließend lehnte er sich an die Wand, um mich im nächsten Augenblick nachdenklich anzuschauen.

 

“Ist was?”, wollte ich mit hochgezogenen Augenbrauen wissen.

 

"Von wo kommst du?”, fragte der Blonde.

 

“Wieso fragst du?” Ich massierte mir grob die Beine.

 

“Du scheinst nicht von hier zu sein.”

 

“Ich bin aus Roseville”, erzählte ich.

 

“Besitzt ihr Fernseher und Zeitschriften?” Wieso stellte er mir so eine zusammenhanglose Frage? Idiot.

 

“Nein. Natürlich nicht”, erwiderte ich ironisch.

 

Er stieß sich von der Wand ab und kniete sich vor mich.

 

“Kennst du mich?”, fragte er danach. Verwirrt blickte ich ihn an und zog meine Stirn in Falten.

 

“Kann ich hellsehen?”, fragte ich ebenso dümmlich. War ja klar. Sobald ein Mann richtig gut aussah, war er nicht besonders geistreich.

 

Er stand auf und drückte wieder auf den Knopf, damit der Fahrstuhl weiterfuhr. Als ich mich aufrappelte und auf meinen Gegenüber sah, zog er sich eine Sonnenbrille über, sowie eine Lester Mütze.

 

“Du siehst aus, als ob du dich vor jemandem verstecken möchtest”, rutschte es mir heraus. Ups, das wollte ich gar nicht laut sagen.

 

“Da liegst du gar nicht mal so falsch”, bestätigte er.

 

“Hast du zufällig noch zwei weitere dabei? Ich sollte mich auch verstecken.”

 

Gemeinsam stiegen wir aus und liefen über das Foyer. “Puh, ich wurde nicht erwischt”, murmelte ich und seufzte zufrieden auf. Vor dem Tor blieben wir allerdings stehen. Eine riesige Menschenmenge, größtenteils junge Mädels, hatten sich vor dem Eingang versammelt. Obwohl wir drinnen standen, war das Gekreische von draußen kaum zu überhören. Gestern und heute Morgen waren die noch nicht da gewesen.

 

“Oha. Ist Madonna im Haus oder was?” Mit großen Augen schaute ich nach links und rechts, konnte aber niemanden entdecken.

 

“Nein. Aber Back-Up”, erklärte der Junge.

 

“Achso”, meinte ich lediglich. Den Namen hatte ich mal gehört, aber ich wusste nicht mehr in welchem Zusammenhang.

 

“Du kennst sie also?”, fragte der Blonde, während wir einen anderen Weg einschlugen. Durch den Haupteingang konnten wir nicht raus. 

“Ne. Hab' nur mal den Namen gehört.“

 

“Du weißt, dass sie gerade weltweit überall auf Platz 1 stehen?”

 

“Ach echt? Keine Ahnung. Kann sein. Bist du ein Fan? Vielleicht hast du Glück und triffst sie im Haus."

 

 “Ja.. bestimmt”, murmelte er.

 

“Ich muss auf die andere Seite”, sagte ich zu ihm und zeigte auf die andere Straßenseite. “Man sieht sich”, verabschiedete ich mich und war im nächsten Moment schon weg.

 

Und wie ich hoffte, dass wir uns wiedersahen!

Viel Sport und klärende Gespräche

Der darauffolgende Tag begann mehr als nur stürmisch. Am frühen Morgen bekam ich einen Anruf von der Uni. Sie bräuchten noch ein paar Unterlagen von mir, die sie verschlampt hatten. Natürlich hatten sie das nicht so erwähnt, aber ich wusste, dass es so und nicht anders war. Deshalb suchte ich in meinen kleinen Koffern nach den passenden Zeugnissen. Nach einer gefühlten Ewigkeit hatte ich alles beisammen. Zudem packte ich noch ein Buch und meine Post ein, sowie ein Haufen Papierkram. Anstatt mich während der Arbeit zu langweilen, konnte ich all dies dort erledigen.

 

Doch bevor ich mich aus dem Dachzimmer heraus traute, band ich meine dunkelbraunen Haare zu einem unordentlichen Dutt zusammen und zog mir einen Schlabberpulli über, sowie eine Boyfriend Hose. Ich hatte keine Lust mich aufzutakeln. Schon lange nicht, wenn in 10 Minuten die Bahn kam. Dabei hatte ich mich so sehr gefreut, dass meine Schicht erst um 13 Uhr begann und ich seelenruhig ausschlafen konnte.

 

Mit meiner Tasche in der Hand rannte ich also die überfüllte Straße entlang, schubste dabei den einen oder anderen Passanten um, der mir im Weg stand, erntete diverse Beleidigungen und nicht zuletzt verursachte ich fast einen Autounfall. Die Treppen zur Subway rannte ich in Zeitlupe und kurz bevor die Bahn losfuhr, sprang ich rein. Egal, wie anstrengend das war, ich hatte es geschafft! Meine Lungen rangen nach Luft und ich hatte das Gefühl, gleich zusammenzubrechen. Ich sollte in meiner Freizeit definitiv mehr Sport treiben.

 

Eine halbe Stunde verging und ich stand inmitten einer riesenlangen Schlange von Studenten. Ich schien wohl nicht die Einzige zu sein, deren Sachen verschlampt wurden. Und dabei faselte man Schülern und Studenten doch immer vor, ordentlich und gewissenhaft mit den eigenen Sachen und vor allem denen von Fremden umzugehen.

 

Ich wusste nicht, wie lange ich hier stand. Mindestens eine Stunde und ich hatte das Gefühl, die Schlange wurde nicht kürzer. Im Gegenteil, sie wuchs ständig an. Eigentlich wollte ich meine Beine außerhalb der Arbeit in Ruhe lassen, aber das lies sich irgendwie nicht vereinbaren.

 

Ein Blick auf meine Uhr verriet mir, dass ich in weniger als einer Stunde Schichtanfang hatte. Wie gut das die Sekretärin auf die gloreiche Idee kam, nach einer Stunde noch eine weitere Kollegin zur Hilfe zu holen.

 

Ein zweiter Schalter wurde eröffnet.

 

Ohne auf die anderen zu achten, drängelte ich an diesen und es war mir egal, dass die anderen nörgelten und mich leise beleidigten. Ich hatte noch anderes zu tun.

“Hier, bitteschön, meine Unterlagen. Zeugnisse, meine Wohnungspapiere und all die anderen Sachen. Ich heiße Ariana Clear”, ratterte ich alles runter.

 

Die dunkelhäutige Frau am Schalter zog ihre Augenbrauen hoch.“Sie haben es wohl eilig”, stellte sie fest und nahm meine Unterlagen entgegen.

 

“Ja, ich hab' gleich Schicht und wenn ich zu spät komme, gibt's Ärger”, erklärte ich ihr hibbelig.

 

“Na, dann will ich Sie nicht aufhalten Miss..” Bevor ich sie aussprechen lies, dankte ich ihr und rannte schon wieder den Weg raus aus der Uni.

 

Wenn mein zukünftiges Leben so aussehen würde, würde ich mir durch das ganze Gerenne weder Freunde machen, noch mein Gewicht halten können.

 

Ein flüchtiger Blick auf meine Uhr und ich fing erneut an zu sprinten. 

 

Sobald die Subway an der Paradise Station hielt, rannte ich auch schon wieder raus. Die Rolltreppen waren überfüllt, sodass mir nur die monströsen Treppen blieben. Mit zusammengebissenen Zähnen rannte ich auch diese hoch.

 

Kurz vor dem Hotel angekommen sah ich die verdammte Schlange von Mädels.

 

Diese verdammte Band! Jetzt konnte ich auch noch schön vom Hintereingang reinrennen. Das nahm mir noch mehr Zeit. Mir blieb keine Sekunde mehr, um nachzudenken und so rannte ich wieder wie eine Verrückte um das Hotel herum.

 

Ein kurzes Stoßgebet an Gott, dass Frau Jackson mich ja nicht so sah. Ich rempelte wieder irgendwen an, aber diesmal so stark, dass ich mein Gleichgewicht verlor und fast auf den Boden fiel, mich aber jemand glücklicherweise an den Hüften packte.

 

“Sorry, muss leider weiter”, sagte ich schwer atmend zu Mason und rannte wieder weiter. Ein Blick weiter und ich sah neben dem Schwarzhaarigen meinen Fahrstuhllover! Ob er einer von seinen Freunden war? Wahrscheinlich.

 

Verdammt! Und ich sah so beschissen aus, mein Gesicht knallrot vom Rennen und nicht mal einen vernünftigen Satz hatte ich rausgebracht. Außerdem hatte ich Schlabbersachen an. Was für ein Pech!

 

Genau 5 vor 13 Uhr war ich im Mitarbeiterraum und schloss meinen Spind auf, nahm meine Karte heraus, um sie am Sensor abzudrücken, damit die Geschäftsleitung wusste, dass ich pünktlich da war.

 

Geschafft! Völlig aus der Puste lies ich mich auf einen Sitz fallen.

 

“Hast du verschlafen?”, fragte mich ein Mädchen,ungefähr in meinem Alter, und sah mich grinsend an.

 

“Oh nein, ich musste in die Uni und noch Unterlagen abgeben”, erklärte ich ihr und atmete tief aus.

 

“Ich bin Clara, das ist Stephie”, stellte sie sich und das Blonde Mädchen neben sich vor.

 

“Ariana”, ich reichte ihr meine Hand.

 

“Du bist neu, was? Wie gefällt's dir hier?”, fragte Clara.

 

“Ach, gestern war mein erster Tag und ich war im Café in der dritten Etage. Es war sooo langeweilig”, erzählte ich dramatisch.

 

“Da kommen alle Angestellten am ersten Tag hin, damit du dich in Ruhe mit der Kaffeemaschine anfreunden kannst. Das sind die selben im ganzen Hotel. Sei lieber froh, später wirst du dir wünschen, wieder dort hin versetzt zu werden.”

 

“Hast du Back-Up schon gesehen?”, mischte sich Stephie ins Gespräch ein und wirkte ziemlich aufgedreht.

 

“Ehm, nein”, antwortete ich. Mir war nicht mal klar, wie die aussahen.

 

“Wir haben so ein Glück, dass sie in unserem Hotel sind! Ich habe gestern ein Autogramm von Cedric bekommen, er ist sogar noch gutaussehender als im Fernsehen”, schwärmte sie und strahlte über das ganze Gesicht.

 

“Bestimmt”, fügte ich bei und lächelte krampfhaft.

 

“Ich werde ihn mir angeln”, meinte sie entschlossen und stand auf.

 

“Viel Erfolg.” Ich nahm meine Sachen und machte mich auf den Weg zu Etage drei, in das Café ohne eine Menschenseele.

 

Ich wollte nicht weiterhin über diese Band reden. Zumal ich wirklich keine Ahnung hatte, um wen solch ein Trubel veranstaltet wurde. Stattdessen huschten meine Gedanken zu meinem Fahrstuhllover. Bei Gelegenheit musste ich Mason mal fragen, wer sein gutaussehender Freund war.

 

Wie erwartet erschien keiner im Café, aber diesmal war ich schlauer gewesen. Deshalb hatte ich meine Tasche mitgenommen, unter die Theke gestellt und erst mal meine Briefe rausgeholt.

 

Der erste Brief war die Bestätigung von der Uni, dass ich nächste Woche anfangen konnte zu studieren. Ariana Clear, zukünftige Medienmanagerin! Die nächsten waren irgendwelche Werbungen, für die ich mich nicht interessierte. Große Augen machte ich allerdings, als ich einen blauen Umschlag sah. Warum war er mir nicht sofort ins Auge gesprungen? Groß stand der Absender dabei. Sven Clear.

 

Nachdenklich musterte ich die Schrift meines Bruders. Ich wusste ganz genau, dass der Brief mich traurig stimmen würde. Deshalb lies ich ihn nach langem Anstarren wieder in meine Tasche fallen. Das hatte Zeit bis heute Abend.

 

Als ich wieder aufsah, musste ich einen Schrei unterdrücken. “Erschreckt mich doch nicht so”, mahnte ich die zwei Kerle vor mir. Mason war da und er hatte seinen Freund dabei! Juhu!

 

“Sorry, du warst so nachdenklich mit dem Brief, da wollten wir nicht stören”, entschuldigte er sich, nahm einen Hocker und setzte sich vor die Theke.

 

“Achso. Wollt ihr was trinken?”, fragte ich und sah von links nach rechts und wieder zurück. Der Dunkelblonde nahm sich ebenfalls einen Hocker und setzte sich neben Mason.

 

“Eine Cola”, meinte er und lächelte mich an.

 

“Gerne”, lächelte ich zurück und nahm noch Masons Bestellung auf.

 

“So, bitteschön.” Ich stellte die beiden Gläser ab und schaute die beiden an.

 

“Wieso bist du vorhin so gerannt?”, wollte Mason wissen.

 

“Ich wäre fast zu spät gekommen. Morgens musste ich kurzfristig in die Uni und noch Papierkram abgeben, die Schlange war so lang und ich wollte nicht zu spät kommen. Heute ist schließlich erst mein zweiter Tag. Seit heute früh bin ich ununterbrochen herumgerannt”, erzählte ich und fuhr mir übers Gesicht. Dabei wurde mir bewusst, dass ich schrecklich aussehen musste! Die beiden fingen an zu lachen.

 

“Ich sagte doch, uns wird hier nicht langweilig”, meinte Mason zu seinem Freund.

 

“Wie heißt du eigentlich?”, fragte ich den Blonden.

 

Mason fing wieder an zu lachen.

 

“Wieso lachst du? Ist das so eine witzige Frage?” Böse schaute ich ihn an. 

 

“Mein Name ist Cedric”, antwortete er und reichte mir die Hand.

 

“Ariana”, stellte ich mich vor.

 

“Ich weiß”, meinte er schlicht.

 

“Cedric also? Der Typ von der Band, über die wir uns gestern unterhalten haben, heißt doch auch so, oder? Davon haben die Mädchen vorhin im Mitarbeiterraum gesprochen. Hattest du das große Vergnügen sie kennenzuerlen?”, fragte ich und nahm das leere Glas von Mason und stellte es in die Spülmaschine.

 

Ich erstarrte in meiner Bewegung. Wie Regen prasselte auf einmal alles auf mich ein, als ich meiner Worte bewusst wurde.

 

Deswegen! Mason, der so verwundert war, dass ich nach seinem Namen fragte. Cedric, der mich fragte, ob ich wüsste, wer er sei. Als die Zwei mein Gesicht sahen, fingen sie lauthals an zu lachen.

 

Beschämt verdeckte ich mein Gesicht mit meinen Händen.

 

Seit wann war ich denn so naiv und dumm?

"Ich würde nicht wollen, dass fremde Leute in meiner Privatsphäre schnüffeln."

Die zwei Kerle vor mir waren also Weltstars, jeder kannte sie, nur ich nicht.

 

Ich lebte wirklich hinter dem Mond.

 

“Das wir das noch erleben”, meinte Mason und klopfte mir über die Theke hinweg auf die Schulter.

 

“Ihr hättet es mir auch einfach sagen können”, meinte ich verärgert.

 

“Hab ich doch. Ich sagte, ich bin Gitarrist in einer Band. Aber du hast mir nicht geglaubt”, verteidigte sich der Schwarzhaarige.

 

“Du hast so lange gebraucht um zu überlegen, ich dachte du lügst”, empört starrte ich die beiden an.

 

Übrigens musste ich Stephie Recht geben.. Cedric sah gut aus, für meinen Geschmack zu gut!

 

“Das ist uns in den letzten 6 Monaten nicht ein Mal passiert, dass uns jemand nicht erkannt hat. Normalerweise kreischen uns die Mädels hinterher aber du hast unseren Ohren einen Gefallen getan”, Cedric zwinkerte nach seinen Worten.

 

Oh ja, er sah wirklich viel zu gut aus.

 

“Ihr Armen”, meinte ich theatralisch.

 

“Also, willst du jetzt ein Autogramm? Oder ein Foto?”, Mason grinste schelmisch.

 

“Danke, aber weder noch. Du bist Gitarrist und du?”, fragte ich und schaute zu Cedric.

 

“Ich bin der Leadsänger”. Leadsänger? Mit anderen Worten hieß das, er war der Mädchenschwarm der Band. 

 

“Interessant, wo sind denn eure anderen Bandmitglieder?”, fragte ich im Plauderton.

 

“Sind mit irgendwelchen Groupies beschäftigt”, erzählte er locker.

 

Meine Augenbrauen wanderten in die Höhe.

 

“Im Ernst?”, unbeeindruckt verdrehte ich die Augen.

 

Wenn Männer ihre Situation nicht ausnutzen würden, wären sie wohl keine Männer.

 

“Wir sind jung, wir sind single und es stehen uns tausende Mädchen zur Verfügung, also warum nicht?”, rechtfertigte sich Cedric.

 

Hätte dieser Satz Masons Mund verlassen, hätte mir das nichts ausgemacht. Aber das diese Worte aus Cedrics Mund kamen, passte mir ganz und gar nicht. Er schleppte also ebenfalls Fans ab.

 

“Jeder wie er möchte”, murmelte ich und steckte mir eine lose Strähne hinters Ohr.

 

Verdammt, wieder rief ich mir in Erinnerung, furchtbar aussehen zu müssen.

 

“Ganz genau!”, bestätigte er nochmal und kratzte sich nebenbei an seiner Wange.

 

Ich würde ebenfalls gerne über seine kitzeligen Stoppel fahren.

 

“Was macht ihr denn hier, wenn draußen so viele Mädchen warten, die sich mit euch im Bett wälzen möchten?”, das interessierte mich wirklich.

 

“Diese Mädels sind zwar ganz nett, aber man kann fast keine Gespräche mit ihnen führen. Sie verhalten sich so komisch und stottern und sind die ganze Zeit nervös”.

 

“Wärst du auch so ruhig geblieben, wenn du uns gekannt hättest?”, stellte mir Cedric eine Frage.

 

“Ja, denke schon. Musik ist halt euer Beruf und ihr steht in der Öffentlichkeit aber einem Bauarbeiter würde ich doch auch nicht hinterher kreischen und mit Plakaten bewaffnet vor seinen Aufenthaltsort reisen auf denen steht, das ich ein Kind von ihm möchte. Ein wenig Anstand habe ich schon noch”.

 

“Willst du damit sagen, unsere Fans haben keinen Anstand?”, Cedric schien sich provoziert zu fühlen.

 

Ich lächelte ihn an, seine Fans schienen ihm wichtig zu sein.

 

“Nein, versteh mich nicht falsch. So wollte ich das nicht sagen.”

 

“Nein, du hast schon Recht”, Mason sah mich entschuldigend an. Konnte er doch nichts für seinen impulsiven Freund.

 

Unsere Disskussion wurde kurzerhand von einem etwas älteren Geschäftsmann unterbrochen, der rein kam und einen Kaffee bestellte. Erst als er die zwei Jungen neben mir bemerkte, veränderte sich der davor noch gleichgültige Blick in ein erstauntes.

 

“Verzeihung wenn ich Sie verwechsele, aber sind Sie nicht der eine junge Mann, der letzte Woche diesen Musikpreis im A.P.I gewonnen hat?”, in Cedrics Gesicht schlich sich ein Grinsen.

 

“Doch, der bin ich”, er nahm die ausgestreckte Hand des Geschäftsmannes.

 

“Wenn ich das meinen Töchtern erzähle! Letzte Woche war ich gezwungen, mir die ganze Verleihung anzuschauen und das Zimmer meiner Töchter sind voller Poster von Ihnen, könnte ich ein Autogramm haben?”

 

“Sicher doch”, meinte Cedric überaus freundlich.

 

Der Mann holte aus seiner Aktentasche ein Blatt und einen Stift raus und diktierte Cedric die Namen seiner Töchter. Auf dem weißen Blatt stand nun in blauer Schrift ."Für meine zwei tollen Fans, Franziska und Melisa, hoffe euch zwei Mal auf einem Konzert kennen lernen zu dürfen, Cedric”.

 

Daraufhin folgte natürlich noch ein Foto das ich schießen durfte. Cedric links, Mason rechts und der Mann in der Mitte.

 

“Vielen Dank! Meine Kinder werden sich freuen”, so verabschiedete er sich und lies uns drei allleine.

 

Anerkennend schaute ich ihn an. “Wow, du hast deinen Job echt gut drauf”.

 

“Allerdings”, meinte er selbstsicher und grinste mich schief an.

 

Ich verdrehte lächelnd meine Augen und beschloss das es Zeit war, mich im Spiegel zu betrachten, sonst würde der blonde Kerl neben mir noch schreiend weglaufen.

 

“Ihr habt nicht zufällig einen Spiegel dabei?”, fragte ich und kratzte mich am Hinterkopf.

 

“Wir sind Männer”, beantwortete Mason die Frage spöttisch.

 

“Ist mir gar nicht aufgefallen”, meinte ich ironisch, “ihr seit doch Weltstars.. ich dachte sowas braucht man um abzuchecken, ob man gut aussieht bevor irgendwelche Paparazzis auftauchen”.

 

“Aus deinem Mund hört sich Weltstars echt wie ein Fluch an”, bemerkte Cedric.

 

Ich zuckte mit den Achseln. “Ich würde nicht mit euch tauschen”.

 

“Eine Menge anderer Leute würden dafür morden”.

 

“Ja, jeder wie er möchte. Ich würde nicht wollen, dass fremde Leute in meiner Privatsphäre, meiner Vergangenheit, meinen Freunden, meiner Familie hinterher schnüffelt”.

 

“Du stehst wohl nicht darauf, im Mittelpunkt zu stehen”.

 

“Ich bin wohl das Gegenteil von euch”, nachdem die zwei keinen Spiegel parat hatten, musste ich wohl oder übel meinen eigenen rauskramen... Kurzerhand entleerte ich meine Tasche und lies alles auf die Theke fallen. Geldbeutel, meine Briefe, mein Lehrbuch, Taschentücher, Handy, Kaugummi, Kalender, Spiegel ..

 

“Was schleppst du alles mit dir herum?!”, Cedric bediente sich an meinen Sachen und schnappte sich als erstes meinen Kalender. Nachdem da nichts privates drinnen stand, hatte ich nichts dagegen einzuwenden.

 

“Man weiß nie, ob man die Sachen nicht mal braucht.. ich bin ja kaum in meiner Wohnung”, rechtfertigte ich mich während ich mich begutachtete.

 

“Ist ja langweilig. Da stehen nur Arbeit und Unilesungen drinnen”, Cedric legte meinen Kalender zurück und während ich mich im Spiegel begutachtete, bekam ich nicht mit, dass er als nächstes meinen Geldbeutel in der Hand hielt.

 

“Deine Eltern?”, fragte er und als ich zu ihm herüber sah, blieb mir fast das Herz stehen.

 

Dieser.. dieser.. Waren auf dem Tisch nicht genug anderer Sachen?! Musste er gerade das Bild meiner Eltern rausholen?

 

“Gib das her”, keifte ich ihn an und riss ihm meinen Geldbeutel aus der Hand, ebenso die zwei Porträtfotos der wichtigsten Menschen in meinem Lebens.

 

“Kein Grund um zu zicken”, beleidigt schaute er mich an.

 

“Wie eben gesagt,  ich will nicht das fremde Leute in meiner Privatsphäre schnüffeln”.

 

“Tut mir Leid, der Fremde geht jetzt wohl lieber”, ohne ein weiteres stand er auf und verließ fluchtartig das leere Caffé.

 

Warum war Cedric plötzlich so eingeschnappt? 

 

“Ich geh dann wohl besser”, Mason lächelte mich entschuldigend an und lief seinem Kumpel hinterher.

 

Ich war nicht grundlos nach New York gekommen, ich wollte mit meiner Vergangenheit abschließen, nicht mehr an diese erinnert werden, aber das schien nicht zu funktionieren.

“Ich hatte mich darauf gefreut, dass sich so eine Schönheit wie du an meinen Hals klammert und vor Freude weint"

Seit dem Vorfall mit Mason und Cedric, waren einige Tage vergangen und ich hatte sie nicht mehr zu Gesicht bekommen. Ob das daran lag, dass sie sauer waren, obwohl Mason nicht diesen Eindruck vermittelt hatte, oder ob sie abgereist waren, wusste ich nicht.

 

Aber ich zwang mich einfach dazu, nicht daran zu denken.

 

Nur weil der Kerl gut aussah, hatte er nicht das Recht auf eine Sonderstellung in meinem Kopf.

 

Den Brief von Sven hatte ich mir immer noch nicht durchgelesen.

Wieso ich so viel Angst davor hatte, konnte ich nicht erklären. Vermutlich, weil ich wusste, dass Sven mir niemals ohne Grund, einfach zum Spaß einen Brief schicken würde.

 

Die Uni hatte mittlerweile begonnen und bereits der erste Tag war anstrengender als eine ganze Schulwoche. 'Stress' hatte in meinem Wortschatz eine ganz neue Bedeutung. 

 

Eine Woche genügte und ein halber Leitsordner quellte über mit Blättern, die ich später im Berufsleben niemals brauchen würde. 

 

“Vergessen Sie nicht, sich jetzt schon Mal nach einem Praktikumsplatz umzusehen. Die Stellen in den Agenturen sind sehr beliebt, je früher desto besser! Sonst bekommen Sie am Ende eine langweilige Stelle im Hotel oder fallen durch”, ich saß gerade in einer Lesung während unser Professor sich in Rage redete, wie wichtig es doch sei, sich ein Berufspraktikum im Managementbereich zu suchen. Das hatte noch 4 Monate Zeit, Gedanken konnte ich mir noch genug machen.

 

Meine Gedanken kreisten eher mit der Sorge, wie ich die Woche überleben sollte.

 

Heute hatte ich Schicht bis um Mitternacht. Erst zwei Stunden im Waschraum, Wäsche bügeln und anschließend wurde ich unfreiwillig als Vertretung für irgend eine x beliebige Bar in diesem viel zu riesigen Hotel eingetragen. Barkeeperin spielen war zwar nicht mein Traumberuf, aber gegen Frau Jacksons strengen Blick konnte ich nichts einwenden. Clara erzählte, dass die Bar immer voll sei. Jetzt, wo ich die Ruhe im Caffee zu genießen anfing, wurde ich verlegt. 

 

Kurzum, ich war maßlos überfordert. Aber ändern konnte ich nichts.

 

“Gut, dann wars das für heute, Sie können gehen”, waren die letzten Worte unseres Dozenten, ehe die Studenten, ich allen voran, anfingen unsere Sachen zu packen.

 

Mit schnellen Schritten verließ ich die Uni. Von weitem wirkte ich sicherlich wie ein Flüchtling. Außer ein paar Smalltalks hier und da, hatte ich nicht viel mit meinen Kommilitonen zu tun und legte auch keinen Wert darauf, dass zu ändern. In Roseville saß meine beste Freundin, das genügte. Mehr Freunde brauchte ich nicht. 

 

Pünktlich stand ich also in unserem Waschkeller und beschäftigte mich mit den viel zu langen Bettdecken, die mehr als nur zerknittert vor mir lagen.

 

“Ich sagte doch, du wirst dich freuen, wenn du im Caffee bleiben darfst”, ertönte es am Nachbarbügelbrett.

  

Clara grinste mich an während sie die Wäsche zusammenfaltete.

 

“Oh ja. Ich könnte dort schön lernen oder mich für Praktika bewerben.. Aber jetzt sitze ich hier in diesem viel zu kalten Waschkeller”.

 

Die rothaarige mit dem hübschen Bob lachte leise auf.

 

“Naja, du hast ja mich für die nächste Stunde”, heiterte sie mich auf.

 

“Gott sei Dank. Wie alt bist du eigentlich?”, fragte ich sie.

 

“20 und du?” Wegen ihrer zierlichen Gestalt wirkte sie alles andere als 20. Neben ihr kam ich mir vor wie ein      Trampel.

 

“Ich bin 19”, erwiderte ich und holte mir einen neuen Stapel Wäsche.

 

“Du wirst dich sicher erkälten”, meinte Clara und sah mich mitleidig an.

 

“Vermutlich, aber was solls.. Hauptsache ich verdiene Geld, nicht wahr?”

 

“Ja, das stimmt wohl”.

 

 

Zwei Stunden später verabschiedete ich mich von meinem Bügeleisen, welches mir die nötige Wärme gab, um unten nicht zu erfrieren. 

 

Gemütlich schlenderte ich den Gang entlang nach hinten, doch als ich wen bekanntes am anderen Ende des Ganges sah, verlangsamten sich meine Schritte automatisch.

 

Cedric, wie sollte es auch sein, gutaussehender den je.  Sein Arm lag auf der Schulter einer rothaarigen Schönheit. 


Keine Sekunde hatte ich daran gedacht, dass Cedric eine Freundin haben könnte. Nicht mal den Bruchteil einer Sekunde! Dabei hätte mir das klar sein müssen. Wieso sollte jemand wie er auch überhaupt Single sein? 

 

Meine guten Manieren zwangen mich dazu, auf ihn zuzugehen, um mich zu entschuldigen. Zwar war die Sache mit meinen Eltern ein sensibler Punkt für mich, aber das wusste er schließlich nicht. Außerdem sollten meine Eltern, falls sie mir zusahen, nicht beschämt den Kopf schütteln, weil sie mich schlecht erzogen hatten.

 

Je näher wir einander entgegen liefen, desto mehr erschütterte mich die Tatsache, dass das Mädchen neben ihm wirklich schön war. Schön war gar kein Ausdruck.

 

Als er mich regristrierte, lächelte ich ihn an. Doch seine Miene blieb unverändert eisig.

 

Mir war es unangenehm, dass seine Freundin daneben stand, während ich nach den richtigen Worten rangte.

 

“Es tut mir Leid, dass ich dich gestern angeblafft habe. Das hat nichts mit dir zu tun”, ohne um den heißen Brei zu reden, sagte ich einfach direkt was Sache war.

 

Für einen klitzekleinen Augenblick sah ich eine Regung in seinem Gesicht.

 

“Ok”, sagte er einsilbig

 

Oh. Hatte mich wohl getäuscht.

 

“Ach, Cedric. Wieder so ein Mädchen das nur deine Aufmerksamkeit möchte.. “ Das rothaarige Mädchen seufzte theatralisch und sah mich herablassend an.

 

Egal wie gut sie aussah, sie hatte es bei mir verkakt. 

 

Ich zog beide Augenbrauen in die Höhe. Mein Unterbewusstsein erlaubte es mir nicht, mich einschüchtern zu lassen.  Ich war sicherlich niemand, der Aufmerksamkeit brauchte . Zugegebenermaßen, seine wollte ich. Aber nicht unter diesen Umständen. 

 

“Wenn du meinst”, war das einzige was ich zu ihr noch sagte, ehe mein Blick zurück zu Cedric schweifte.

 

“Wie gesagt, es tut mir Leid”, anschließend lief ich an den beiden weiter.

Ansonsten würde mich das Mädchen zur Weißglut bringen, ich kannte mich.

 

Ob er meine Entschuldigung annahm oder nicht, war seine Sache. Ich hatte meinen Teil erledigt.

 

~*~*~*~*~*~

 

 

Das Restaurant war voll. Voller Geschäftsmänner die sich angeregt über irgendwas uninteressantes unterhielten und voller alter Frauen, die in ihrem schicksten Kostüm Champagner schlürften.

 

Im Minutentakt kam ein Kellner, um sich von mir was alkoholisches mixen zu lassen, natürlich für die Gäste! 

 

Ich schnappte mir einen Lappen und fing an die Theke sauber zu machen.

Konzentriert blieb ich an einem hartnäckigen Fleck hängen, der sich nicht wegwischen lies.

 

“Könnten wir eine Wodka Flasche haben?”, hörte ich jemanden sagen.

 

Ich sah nach oben und sah Mason mit zwei weiteren Kerlen.

 

“Hey Mason. Klar, warte.”, sagte ich und holte aus der hintersten Ecke die eine Flasche heraus.

 

“Ich bräuchte eure Namen und die Zimmernummer wegen der Rechnung”. Mason setzte sich auf den Barhocker und schaute auf den kleinen Block, den ich rausgeholt hatte.

 

“Mason Evens, Zimmer 405”.

 

“Gut, danke”.

 

“Willst du unsere Namen nicht auch haben?”, der Freund von Mason zog seine Augenbrauen hoch und musterte mich interessiert.

 

  “Nein, eine Person reicht schon”.

 

“Also beim ersten Mal als ich dich besuchen kam, hast du mich angebettelt da zu bleiben und heute wechselst du kein Wort”, Mason verschränkte die Arme vor der Brust.

 

Ich lächelte leicht und fuhr mir übers Gesicht.

 

“Tut mir Leid. Ich bin einfach nur müde, bin seit um 6 Uhr auf den Beinen", erzählte ich wehleidig.

 

“Es muss wirklich daran liegen, dass sie müde ist, sonst hätte sie längst nach einem Autogramm gefragt oder einem Bild”, Masons Freund drängte sich in unser Gespräch.

 

“Oh, seit ihr die anderen Bandmitglieder? ”, jetzt nahm ich die beiden anderen unter meine Lupe.

 

Der schwarzhaarige der eben mit mir gesprochen hatte, war bestimmt um die zwei Meter groß und hatte seine Haare nach oben gegelt. Der Freund daneben, dessen Stimme ich noch nicht gehört hatte, sah mich aus kalten braunen Augen an.

 

“Ich hatte mich darauf gefreut, dass sich so eine Schönheit wie du an meinen Hals klammert und vor Freude weint, weil du mich endlich live kennenlernen darfst”, der schwarzhaarige grinste erfahren.

 

Es war dieses ich-seh-so-gut-aus-und-nütze-es-aus lachen.

 

 “Nicht mal in deinen Träumen”, meinte ich und fragte sie anschließend nach ihren Namen.

 

“Ich bin Cole und das ist Leon”, stellte er sich und seinen Freund vor der mir nur gelangweilt zunickte.

 

“Obwohl ich dir nicht glaube, dass du mich nicht kennst, werde ich nichts dazu sagen”, Cole stützte seine Arme an der Theke ab um mich besser begaffen zu können.

 

“Wie du möchtest”, meinte ich lediglich und holte den Mülleimer raus, um den Müll rauszuholen und einen neuen Müllsack reinzulegen.

 

Als das erledigt war, wandt ich mich wieder an die Gruppe Jungen die mich beobachtet hatten.

 

“Wir schließen gleich, ich muss euch leider rausschmeißen”.

 

“Kein Problem, du kannst mit zu uns”, Cole zwinkerte und wackelte mit den Augenbrauen.

 

“Danke, Nein, ich verzichte”, lehnte ich ab und sah wieder zu Mason.

 

“Wo warst du die letzten Tage. Ich war ganz alleine im Cafe!”, böse funkelte ich ihn an.

 

“Wir sind gerade dabei ein paar neue Songs zu schreiben und das Tonstudio ist etwas weiter weg von hier, deswegen haben wir gleich dort gepennt”, erzählte er.

 

“Hm.. Na dann”.

 

Um Punkt Mitternacht scheuchte ich die Jungen raus und mit ein paar anderen Mitarbeitern schlossen wir das Restaurant. Während meine Kollegen keine Eile hatten, nach Hause zu kommen, hatte ich nichts anderes im Sinn.

 

“Wir sehen uns”, kurz schaute ich die drei Jungs an und ohne auf eine Antwort zu warten, hetzte ich zum Mitarbeiterraum.

 

"Hast du Probleme?"

Endlich hatte ich meinen langersehten freien Tag.

 

Es war Sonntag und ich war schon früh aufgestanden um ausgiebig zu lernen. Dazu war ich die Woche über nicht gekommen.

 

Der Himmel war wolkenlos, ganz blau während ich durch den Park spazierte.

 

Wie ich diese Ruhe genoss. Ohne einen freien Tag die Woche würde ich die nächsten 3 Jahre nicht überstehen. Aber ich tat was gutes, etwas für meine Zukunft und mein Zukunfts-Ich würde mir garantiert danken!

 

Mit einem Kaffee in der Hand zielte ich auf die nächstbeste Bank zu und schaute mir meine Umgebung an. Von hier aus sah ich den Eingang des Hotels und ich verstand nicht, warum diese ganzen Mädchen dort standen.

 

Jeden Tag, stundenlang standen sie da, kreischten, sangen, schubsten sich gegenseitig. Hatten sie ernsthaft nichts anderes zu tun? Ich hätte auch gerne den Luxus, aus Langeweile und lauter Freizeit einer Band hinterher zu trotten, die sich nicht Mal an mich erinnert. 

Deren Sache! War ja nicht mein Problem. 

 

Mein Blick fiel auf den blauen Umschlag in meiner Tasche. Bis jetzt hatte ich mich erfolgreich vom Lesen  gedrückt. Vielleicht stand aber etwas wichtiges drinnen?

 

Ich legte meinen Kaffee links von mir ab und öffnete zögernd den Umschlag. 

 

Ariana!Wenn du mich jetzt sehen könntest, wie ich vor Wut kurz vor einer Explosion stehe.

Wieso um Gottes Willen hast du mir nicht persönlich gesagt, dass du umziehen willst? Mit deinen 19 Jahren kannst du doch nicht einfach nach New York! Ohne mir deine Adresse zu hinterlassen! Nur durch einen Freund konnte ich deine Adresse ausfindig machen! Sobald ich Zeit habe, werde ich dich besuchen kommen und dich mit meinen Händen in den nächsten Flieger zurück nach Roseville setzen. Es ist dort am Besten für dich! Das weißt du doch! Wir kennen jeden, jeder kennt uns. Sie passen auf dich auf. In New York.. die Umgebung ist nicht das Richtige für dich.

Genieß deine letzten Tage dort, Schwesterherz.

In Zukunft werde ich für dich da sein. Es tut mir Leid, dass ich dir nicht genug Aufmerksamkeit schenke, aber ich habe viel zu tun.

Wir werden eine gute Uni für dich finden, in der Nähe vom Haus unserer Eltern. 

Sven

 

Mir stockte der Atem. Meine Hände, samt dem Brief, fielen achtlos auf meinen Schoss.

 

Sven wollte kommen und mich zurück nach Roseville schicken? Anstatt das er anbot, mich bei sich aufzunehmen, wollte er mich zurück dorthin schicken, wo mir mein Leid zu groß wurde. Keine zehn Pferde kriegten mich zurück!

 

Ich konnte nie mehr an den Strand, ich konnte nicht mal ansatzweise in die Nähe von zu viel Wasser.

 

Ohne es zu bemerken, tropften einzelne Tränen aus meinem Augenwinkel. Es brach einfach aus mir aus, einzelne Tränen rannten mir übers Gesicht.

 

Wie kam er nur dazu, über mein Leben zu bestimmen?

 

Ich vergrub mein Gesicht in meinen Händen.

 

Egal ob er mein Bruder war und sich um mich sorgte, ich würde hier nicht weg gehen.

 

Ich mochte es hier, er hatte rein gar nichts zu sagen!

 

“Alles in Ordnung?”, ich spürte, dass sich jemand neben mich setzte. Ich wischte mir hastig über die feuchten Wangen und setzte ein lächeln auf ehe ich mich umdrehte.

 

Obwohl sich in meinem innersten ein blitzschnelles Herzrasen gebildet hatte, lies ich mir nichts anmerken.

 

“Alles bestens, danke”, antwortete ich und suchte einen Punkt im Park, um Cedric nicht ansehen zu müssen.  Ich wollte nicht, dass er mich weinen sah.

 

Ich wollte im Allgemeinen nicht, dass mich irgendwer weinen sah, ich weinte nicht.

 

“Hast du geweint?”, fragte er zaghaft.

 

Ich schüttelte den Kopf und schaute weiterhin gerade aus.

 

“Geh bitte einfach weiter”, meinte ich monoton.

 

“Hast du irgendwelche Probleme?”, fragte er direkt.

 

Ich lachte spöttisch.

 

“Hat das nicht jeder?”

 

“Zu mir hat in den letzten Jahren keiner gesagt, ich sollte einfach weiter gehen, ich hab nur das Gegenteil gehört”, fing er an zu erzählen.

 

“Das liegt wohl daran, dass du berühmt bist”.

 

“Ja, das stimmt wohl”.

 

“Anstatt dich mit mir zu beschäftigen, solltest du zu deinen Fans. Die Armen stehen da jeden Tag stundenlang nur um dich und deine Kumpels zu sehen”.

 

“Ich bin nicht in der Stimmung”.

 

Verwirrt schaute ich ihn an.

 

“Was meinst du?”

 

“Ich hab keine Lust 24 Stunden lang immer Fotos zu verteilen. Ich liebe meine Fans und wenn sie mich sehen, sollen sie einen guten Eindruck von mir haben, da möchte ich nicht genervt an ihnen vorbei. Aber ich brauch manchmal Zeit für mich, verstehst du?”.

 

Ich nickte. “Ja, das tu ich”.

 

“Hast du Lust, mit mir etwas trinken zu gehen?”, fragte er mich anschließend.

 

Ich schüttelte den Kopf. Obwohl ich mir eigentlich nichts schöneres vorstellen konnte.

 

“Ich kann nicht. Ich muss noch lernen und mich auf die Woche vorbereiten. Außerdem würde man dich erkennen und auf Blitzlichtgewitter habe ich keine Lust. Aber irgendwann anders, gerne”.

 

Ich hatte gerade einem Weltstar einen Korb gegeben.

 

Aber ich sah ihn nicht wie einen Weltstar, für andere nahm er vielleicht die gleiche Stellung wie Michael Jackson oder Madonna, oder Justin Bieber, aber ich hatte ihn noch nie zuvor wahrgenommen sondern nur als Cedric kennen gelernt. Ob er eine schöne Stimme hatte?

 

“Achso. Okay”, mir entging seine Mimik nicht, aber ich wollte darauf nicht anspielen.

 

“Wir sehen uns”, verabschiedete ich mich und stand auf, nahm meinen Kaffee und verlies den Park.

 

Vor ein paar Tagen hatte er kein Wort mit mir gewechselt und jetzt wollte er etwas trinken gehen.

Aber es war wohl besser es nicht zu tun, bald würde Sven kommen, Cedric würde abreisen, weil er durch die Welt tourt und ich wusste genau, ich würde mich in ihn verlieben, er war einfach mein Beuteschema.. Und nett sein konnte er auch..

"Ich glaube du hast vergessen, dass ich Studentin bin und kein Superstar wie du".

“Frau Clear, wären Sie so freundlich und würden sich heute gemeinsam mit Frau Smith alle Zimmer von 105-405 witmen?”, während ich an meinem Schließfach stand, tauchte plötzlich Frau Jackson neben mir auf.

 

Strenger wirkender denn je rückte sie ihre Brille zurecht und durchbohrte mich mit ihrem Blick.

 

“Em, natürlich. Was ist denn mit der Wäsche?”, fragte ich eingeschüchtert.

 

“Ja, das ist etwas unglücklich gelaufen. Sie müssten dann ein paar Überstunden machen”.


   Ach,kein Problem.. war ja nicht so das ich nicht noch ein Unileben hatte und langsam nicht mehr mitkam..

 

“Heute?”, ich musste mir ein Seufzen unterdrücken.

 

“Ja, ich weiß eigentlich hätten sie heute schon um 16 Uhr aus aber wir bräuchten noch jemand der die 6 Stunden von Frau Werker übernimmt”, erklärte sie sachlich.

 

Ja, genau. Ich hatte um 16 Uhr aus und wollte eigentlich erst einkaufen gehen und dann bis in die Nacht pauken! Aber ich konnte auch nicht einfach nein sagen..

 

“Em, okay..”, willigte ich ein.

 

“Sehr schön! Also nach 16 Uhr wartet Frau Smith auf Sie im vierten Stock”.

 

Meine Laune stieg mit einem Mal in den Keller. Glücklicherweise hatte ich Morgen erst um 13 Uhr Lesung, so machte es wenigstens nichts, wenn ich bis 23 Uhr arbeitete.

 

Im Waschkeller entdeckte ich Clara die ich brummig begrüßte.

 

“Dir auch einen schönen Tag. Welche Laus ist dir denn über den Weg gelaufen?”, erkundete sie sich grinsend. Seit zwei Wochen arbeiteten wir zwei zusammen und sie war mir von Anfang an sympatisch. Nur durch sie überstand ich jedesmal die langen Stunden in diesem eisigen Keller.

 

“Ich muss nachher noch mit so ner Frau Smith die ganzen Zimmer sauber machen..”, seufzend lies ich mich auf einen Stuhl nieder und steckte das Bügeleisen an die Steckdose.

 

“Frau Smith ist übrigens Stephie. Erinnerst du dich? Sie saß am Tag wo wir uns kennengelernt haben neben mir”.

 

“Achso. Naja, sie sah ganz nett aus”, wenigstens etwas..

 

“Mh, sie hats manchmal faustig hinter den Ohren”, warnte Clara mich. “Aber erzähl doch lieber warum du das machen musst? Stephie macht das doch immer mit einer anderen Frau”, während Clara sprach, stellte sie einen neuen Stapel Wäsche neben sich und legte ein Badetuch quer über das Bügelbrett.

 

“Sie ist wohl nicht da und einen anderen Ersatz gabs auch nicht”, erzählte ich und holte mir ebenfalls einen Berg Wäsche.

 

“Denk ans Geld”, versuchte sie mich aufzuheitern und zwinkerte mir zu.

 

Clara und ich redeten noch über belanglose Dinge, als es schließlich 16 Uhr wurde und wir beide von zwei weiteren Arbeitskräften abgelöst wurden. Während meine Kollegin schließlich auf dem Heimweg war, ging es für mich weiter.

 

Auf dem Gang erkannte ich schon die schulterlangen blonden Haare, die ich Stephie zuordnete.

 

“Hey”, grüßte ich sie.

 

“Hey”, antwortete sie knapp.

 

“Ich hab bisher in keinen Zimmern aufgeräumt, mir wurde es nur kurz erklärt. Könnten wir zusammen ein Zimmer durchgehen?, bat ich sie höfflich.

 

“Meinetwegen”, meinte sie schulterzuckend und zeigte auf einen etwas größeren Wagen neben sich.

 

“Das ist deiner, meiner ist noch im anderen Zimmer”, erklärte sie. “Da ist alles drinnen was du brauchst, Staubwedel, frische Bettwäsche und Müllsäcke. Die Blumen gießt du mit der Gießkanne die meistens auf den Fensterbänken liegt. Für die Toiletten sind wir nicht zuständig”.

 

Ich nickte nur.

 

“Gut, dann komm rein”.

 

Nachdem mir Stephie noch Mal ausführlich alles erklärte, trennten sich unsere Wege.

 

“Ich mache immer die Zimmer von 105 bis 205 und Frau Werker, die normalerweise an deiner Stelle arbeitet, die restlichen Zimmer”.

 

“Na gut, dann fahr ich Mal hoch. Danke für deine Hilfe”.

 

“Keine Ursache”.

 

So versuchte ich so geschickt wie möglich den Wagen vor mir nach hinten zu den Aufzügen zu schieben, ohne etwas kaputt zu machen. Das war wirklich schwerer als gedacht.

 

Kurz huschten meine Gedanken zu Stephie.

 

Das letzte Mal war sie so hysterisch als es um Back-Up ging und viel gesprächiger als dieses Mal. Aber vielleicht war ich ihr einfach zu unsympatisch. Konnte ja vorkommen, schließlich konnte man nicht jeden mögen.

 

Ich stand vor dem ersten Zimmer und schaute ob auf der Türklingel ein Schild befestigt war, mit einem grünen Pfeil oder roten. Grün stand für Eintritt erlaubt.

 

Vorsichtig klopfte ich. Keiner reagierte. Also drückte ich an der Türklingel, aber sie war zugeschlossen.

 

Verdammt, ich hatte gar keine Schlüssel. Wieso war ich nicht vorher darauf gekommen?

Wieso tat ich mir den Scheiß überhaupt an? In ein paar Tagen würde Sven mich wieder zurück nach Roseville schleppen.

 

Letztendlich beschloss ich, das was ich angefangen hatte auch zu Ende zu bringen, so gut es ging.

Ich schob den Putzwagen zur Seite und rannte eilig den Flur entlang um wieder zu den Aufzügen zu kommen.

 

Im unteren Stockwerk suchte ich nach Stephie.

 

“Stephie?”, als ich sie erblickte lief ich im eiligen Tempo auf sie zu.

 

“Gibts ein Problem?”, fragte sie ohne mich anzuschauen, ihr Blick galt dem Boden auf dem sie rumwischte.

 

“Ich hab keinen Schlüssel um in die Zimmer zu kommen”, klärte ich sie auf.

 

“Oh. Dann musst du zur Rezeption, die geben dir die dann”.

 

Warum hatte mir das keiner von Anfang an gesagt? Jetzt würde meine Arbeit noch länger dauern..

 

Meine Füße machten sich auf den Weg zur Rezeption, ganz unten in der Aula.

 

Mir war es unangenehm hier mit meiner Arbeitskleidung rumzulaufen, vor allem, weil Frau Jackson mir einst erzählt hatte, dass das sehr unerwünscht war und ich wollte diesen Job nicht verlieren, mein Ego lies das nicht zu.

 

“Entschuldigung, ich bräuchte die Schlüssel um in den Zimmern zu putzen”, erzählte ich einem alten Rezeptionisten mein Problem. Der dicke, grauhaarige Mann schaute mich skeptisch an.

 

“Sind Sie neu? Ich wusste nicht, dass neue Zimmermädchen eingestellt wurden”.

 

“Ja, bin ich. Ich vertrete Frau Werker. Könnte ich die Schlüssel haben, ich bin in Eile, bitte”.

 

Ich versuchte es mit meinem Dackelblick.

 

“Na schön”, meinte er seufzend und holte vier fette Schlüsselbünde aus einer Schublade.

 

“Oha”, entkam es mir mit großen Augen. Da waren ja mehr als 400 Schlüssel.

 

“Für welche Zimmer sind sie zuständig?”, fragte er mich. “Von 305 bis 405”, antwortete ich.

 

“Oh, Sie sind wohl wirklich die Vertreterin von Frau Werker”. Verwirrt schaute ich ihn an.

 

“Glauben Sie, ich lüge?”

 

“Man kann nie vorsichtig genug sein”, murmelte er altklug und überreichte mir zwei Schlüsselbünde. Mit einem knappen “Danke”, marschierte ich wieder zu meiner Etage.

 

Für die ersten Räume hatte ich eine Ewigkeit gebraucht, aber schließlich hatte ich den Dreh raus und zügig erledigte ich alle Zimmer von 315 bis 360. Ab da an ging es bergab.

 

Ich wurde müde und hatte auch keine Motivation mehr mitzumachen.

 

Außerdem wurden meine Glieder von Zimmer zu Zimmer schwerer und ich erwischte mich das eine oder andere Mal wie ich kurz eingenickt war, wenn ich Pause machte.

 

Scheiße man, das war anstrengender als das Stehen im Caffee!

 

Ich weiß nicht wie, aber irgendwann war ich bei den letzten Zimmern angekommen und das waren die dreckigsten. Überall lagen Boxershorts und anderer Kram auf dem Boden, den ich fein säuberlich auf einen Stapel legte um den Boden zu wischen.

 

Mittlerweile war es draußen dunkel und es war nach Mitternacht. Ich hatte nicht nur sechs Stunden gearbeitet, sondern war schon bei der siebten. Und das Beste: Ich war noch nicht fertig.

 

Das letzte Zimmer sah aus wie in einem Schlachthof. Ich stieß einen Fluch aus, als ich anfing, die dreckigen Sachen vom Boden aufzuheben um mich den Pizzaflecken auf dem Teppich zu witmen.

 

Nach gefühlten drei Stunden ging er nicht raus und ich gabs auf.

 

Die Blumen hatte ich gegossen, die Bettwäsche gewechselt, den Boden gewischt.

Müde setzte ich mich auf einen Sessel. Ich würde nur eine kleine Pause machen.. nur zwei Minuten und dann runter und mich umziehen.. nach Hause in mein Bett..

 

“Hey Ariana, wach auf”, jemand schüttelte mich an meiner Schulter.

 

Wie vom Blitz getroffen stand ich auf.

 

“Tut mir Leid ich hab mich nur eine Minute hingesetzt, ich schwörs”, beeilte ich mich zu sagen.

 

Meine Augen lies ich geschlossen, da sie sich erst an das grelle Licht der Lampe gewöhnen mussten. Lautes Gelächter umhüllte den Raum.

 

Ich musste ein paar Mal blinzeln, bis ich Masons Gesicht erkannte.

 

“Was machst du denn hier?”, irritiert schaute ich ihn an.

 

“Du bist gerade in meinem Zimmer”, meinte er lachend.

 

Jetzt regristrierte ich auch die drei anderen Jungen. Ich begrüßte sie kurz, ehe ich mich wieder zu Mason drehte.

 

“Hey Junge, kein Zimmer hat so an meinen Nerven gezerrt wie deins. Nimm Mal etwas Rücksicht auf die Zimmermädchen”, böse funkelte ich ihn an.

 

“Du bist kein Zimmermädchen”, antwortete er knapp.

 

“Wieso nicht?”, meine Augenbrauen wanderten hoch.

 

“Du hast nicht dieses heiße Outfit an”, erklärte er mir. Ich verdrehte meine Augen.

 

“Ja, ich hab keins an weil ich nicht nur Zimmermädchen sondern alles in diesem Haus bin”, meinte ich leicht wütend.

 

“Was machst du so spät hier?”, fragte Cedric von der Seite.

 

Ach scheiße, ich sah bestimmt wie eine Vogelscheuche aus und neben ihm wollte ich nicht wie eine Vogelscheuche aussehen.

 

“Siehste doch, sie hat auf uns gewartet”, meldete sich Cole zu Wort und zwinkte mir zu. “Du hast also mein Angebot vom letzten Mal doch durchdacht?”, er wackelte mit den Augenbrauen.

 

“Wäh, nein man”, dann schaute ich zu Cedric. “Wie viel Uhr haben wir denn?”

 

“Es ist nach drei”. Meine Augen weiteten sich ungläubig.

 

“Aber.. ich hatte meine Augen nur kurz zugemacht”, murmelte ich und seufzte schwer.

 

“Räumst du jetzt immer unsere Zimmer auf?”, fragte Mason.

 

“Nein, ich hoffe nicht. Naja, ich muss dann auch los. Man sieht sich”, ich wollte gerade das Zimmer verlassen, als Cedrics Stimme ertönte.

 

“Warte, willst du alleine nach Hause?”

 

“Ja?”, es klang mehr wie eine Frage als eine Antwort.

 

“Es ist drei Uhr und wir sind in New York, solltest du dich nicht lieber abholen lassen?”.

 

Ha, ha. Von wem denn? Von meinen toten Eltern? Von meinem Bruder der Stunden von hier weg wohnte?

 

“Ich bin schon groß”, antwortete ich.

 

“Ich bring dich”, bot sich Cedric an.

 

“Danke, aber nicht nötig. Ich habs nicht weit von hier und auf kreischende Fans habe ich nach einer zwölf Stunden Schicht wirklich nicht Lust”.

 

“Mach dir Mal keine Sorgen um meine Fans. Ein Nein lasse ich sowieso nicht gelten”.

 

Ich zuckte nur mit den Schultern und lief aus dem Zimmer raus.

 

Cedric lief neben mir her, keiner von uns brach das Schweigen.

 

Zusammen fuhren wir zum Mitarbeiterraum, es war sowieso keiner mehr da, also konnte er problemlos mitkommen. Während ich meinen Kittel auszog und meine Tasche aus dem Spind fischte, musterte er interessiert den Raum.

 

Anschließend fuhren wir wieder mit dem Personalaufzug hoch.

 

Die kurzen 30 Sekunden nutzte ich und lehnte mich gegen die Glaswand. Ich war hundemüde.

 

“Ariana, wir müssen raus”, leise hörte ich Cedrics Stimme. In den wenigen Sekunden schlief ich wieder ein.

 

Zusammen liefen wir durch die Aula und Cedric zog sich seine Kapuze über. Tarnung, damit keiner ihn erkannte.

 

Wir waren kurz vorm Haupteingang als wir immer noch ungefähr 50 Mädchen sahen, die draußen hinter der Absperrung standen.

 

“Ich glaubs einfach nicht”, meinte ich verständnislos.

 

“Hm?”, Cedric schaute erst mich und dann zu seinen Fans.

 

“Es ist drei Uhr morgens und sie stehen hier, in der Hoffnung euch zu sehen”, ich schüttelte den Kopf.

 

“Ich weiß, ich hab auch oft wenn ich an ihnen vorbei gelaufen bin gesagt, dass sie nachts nicht hier sein sollten, aber sie hören nicht auf mich”.

 

“Sie hoffen wohl noch darauf, dass ihr sie mit in euer Zimmer nehmt”.

 

Ups, der Satz war schon aus meinem Mund, bevor ich darüber nachdenken konnte.

 

Cedric schmunzelte über meine Aussage, sagte aber nichts dazu.

Keine Antwort war auch eine Antwort und das störte mich dermaßen!

 

Der Scheißkerl sollte nicht mit seinen Fans ins Bett hüpfen.. Es ging mir nur um die Geschlechtskrankheiten die er verbreitete.. um nichts anderes, wirklich.

 

Die kühle Nachtluft weckte mich und ich atmete sie tief in mich rein.

 

“Müssen wir ein Taxi nehmen?”, fragte Cedric mich.

 

“Nein, ich wohne nur ein paar Straßen weiter”.

 

Als wir über die Straße mussten, nahm er plötzlich meine Hand in seine und lief über den Zebrastreifen.

 

Meine Augen richteten sich genau auf dieses Paar. Das sah einfach .. einfach passend aus. Mir wurde warm bei dieser unschuldigen Berührung.

 

Als wir auf dem Gehweg waren versuchte ich meine Gedanken wieder zu ordnen.

Der blonde Sänger brachte mich völlig aus dem Konzept.

 

“Du kannst meine Hand wieder loslassen”, meinte ich schließlich, obwohl es mir anders lieber war.

 

“Ariana, es ist mitten in der Nacht, wir sind in New York, die Penner und Vergewaltiger sollen nicht denken du bist alleine unterwegs”, erklärte er altklug.

 

“Oh, Verzeihung. Bist du jetzt mein Bodyguard?”

 

“Bodyguards halten zwar nicht die Hände von ihren Klienten, aber ich bin so was ähnliches”, er lachte amüsiert auf.

 

Ich war zu müde um noch darauf einzugehen, also lies ich meinen Mund geschlossen.

 

“Du arbeitest zu viel,hm?” Ich blickte hoch zu Cedric, der sein Gesicht geradeaus hielt.

 

“Kann schon sein”, erwiderte ich schulterzuckend.

 

“Sagen deine Eltern nichts dazu, dass du so viel arbeitest und so spät nach Hause kommst? Und dann noch die Uni, das ist nicht gut für deine Gesundheit”.

 

WAS HATTE DER TYP IMMER MIT MEINEN ELTERN?!

 

Ich versteifte mich als er auf meine Eltern ansprach.

 

“Nein, ich kann tun und lassen was ich will".

 

“Arbeitest du Morgen wieder?”, fragte er.

 

Ich nickte. “Aber erst gegen Abends, muss davor in die Uni”.

 

“Um wie viel Uhr?”

 

“Erst um 13 Uhr, zum Glück”.

 

Wir kamen endlich in meinem Wohnblock an. Cedric schien nicht gerade begeistert von meiner Umgebung.

 

“Hier wohnst du?”, fragte er und seine Stimme nahm einen ungläubigen Ton an.

 

“Was dagegen?”, ich kramte in meiner Tasche nach meinem Schlüssel.

 

“Sind hier nicht überall Junkies?”

 

“Kann schon sein. Aber ich bin hier sowieso nicht oft also ist es mir recht egal”.

 

Cedric steckte sich die Hände in die Hosentaschen.

 

“Warum suchst du dir keine andere Wohnung?”

 

Ich sah direkt in sein Gesicht.

 

“Weißt du, wenn du das sagst, klingt das wirklich einfach”.

 

“Ist es das nicht auch?”

 

Ich schüttelte den Kopf und lachte spöttisch.

 

“Ich glaube du hast vergessen, dass ich Studentin bin und kein Superstar wie du. Ich bin froh, dass ich überhaupt eine Wohnung gefunden habe, die ich bezahlen kann. Außerdem ist sie in der Nähe des Hotels und mit der Bahn kann ich direkt zur Uni. Mehr will ich nicht”.

 

“Du bist ziemlich anspruchslos”.

 

“Ist das was schlimmes?”, auf meiner Stirn bildeten sich Falten.

 

“Nein.. natürlich nicht...aber ich schätze Mal das du versuchst selber auf eigenen Beinen zu stehen. Das ist nichts schlimmes wenn man sich im jungen Alter Unterstützung von seiner Familie holt”, er zeigte mir gerade eine ganz andere Seite von sich. Eine, die ziemlich Erwachsen und bodenständig klang, aber dennoch eine, die sehr unüberlegt war. Nicht jeder konnte sich auf Unterstützung von seiner Familie hoffen. Nicht jeder besaß genug Geld um seine Kinder zu unterstützen.

 

Ich ging nicht auf seine Bemerkung ein sondern lief die letzten Treppenstufen hoch zur Haustüre.

 

“Naja, danke jedenfalls fürs nach Hause bringen, es war zwar nicht nötig aber trotzdem danke”.

 

Cedric lächelte mich an und dieses lächeln war so wunderbar, ich hätte am liebsten ein Foto davon gemacht.

 

“Keine Ursache”. Ich wollte mich gerade umdrehen und die Tür aufschließen, als ich seine Stimme hörte.

 

“Hast du nicht etwas anderes vergessen?”, ich drehte mich um und überlegte.

 

“Ein Kuss? Gehört das nicht dazu wenn man jemanden bis vor die Haustüre bringt?”

 

Ich lachte leise. “Ja, nach einem Date. Gute Nacht, Cedric”.

 

“Gute Nacht”.

 

Ich stieg die Treppen herauf in meine Dachgeschosswohnung.

 

Der Tag war so anstrengend gewesen aber letztendlich hatte sie ein.. ein schönes Ende gefunden.

 

Seine Hand hatte meine so lange gehalten, ich hatte das Gefühl sie immer noch auf meiner zu spüren. Sein Duft umnebelte mich noch immer und sein süßes lächeln hatte sich in mein Gedächnis gebrannt.

 

"Jeder verkehrt in seinen Kreisen".

Der Freitag war gekommen und es war 15 Uhr als ich in der Uni Bibliothek saß und in meinen Unterlagen büffelte. Heute musste ich nur von 18 Uhr bis 20 Uhr arbeiten, dass hieß der Abend gehörte mir. Aber um ehrlich zu sein, wusste ich nicht was ich überhaupt abends machen sollte? Ich hatte gar keine Freunde also warum freute ich mich auf meine Freizeit? Ich würde sie mit lernen füllen, ganz einfach.

 

“Em, hey, können wir uns hier her setzen?”, hörte ich eine weibliche Stimme sagen und ich blickte auf. Ein blondhaariges Mädchen mit welligem Haar stand neben mir und hatte im Schlepptau einen braunhaarigen Muskelberg an Mann dabei.

 

“Meinetwegen”, ich zuckte mit den Schultern und witmete mich wieder meinem Lehrbuch.

 

“Du studierst doch auch Medienmanagement oder? Du bist bei Professor Webber wenn ich mich nicht täusche?”, ich schaute wieder zur Blondhaarigen die sich gegenüber von mir platziert hatte.

 

“Jap”. “Wie heisst du denn?”, fragte der braunhaarige. Ich hätte echt Angst mich mit ihm anzulegen, eine Umarmung von ihm und ich wäre flach wie eine Flunder.

 

“Ariana”, antwortete ich und fragte erst gar nicht nach, wie die zwei hießen, es war mir einfach egal. Einerseits beschwerte ich mich, dass ich keine Freunde hatte aber andererseits wollte ich auch gar keine.

 

“Ich bin Emmet und das ist Rose”, stellte er sich einfach vor. Ich lächelte ihn vorsichtig an.

 

“Freut mich, ich sollte dann Mal los”, Smalltalk war nicht gerade das, worauf ich Lust hatte.

 

“Oh, tschuldige, haben wir dich gestört?”, Rose legte ihre Stirn in Falten.

 

“Um ehrlich zu sein ja, ich wollte alles von der Woche nachholen, weil ich sonst nicht hinterher komme”.

 

“Das tut uns Leid. Hier, ich weiß wie wir das wieder gut machen können”, schnell holte sie eine Karte aus ihrer Tasche. “Heute Abend schmeißen wir eine Party und wir würden uns freuen, wenn du kommen würdest. Das war der eigentliche Grund warum wir uns zu dir gesetzt haben, aber du bist nicht darauf angesprungen”, erklärte sie mir und hielt mir daraufhin die Karte entgegen.

 

Skeptisch nahm ich sie in die Hände und musterte es.

 

“Da steht die Adresse und so darauf. Bis heute Abend, hoffentlich”. Schwups war sie aufgestanden ebenso wie Emmet, der mir zuzwinkerte, ehe die zwei verschwunden waren.

 

Das waren ja komische Leute.

 

Naja, wo sie wieder weg waren, konnte ich weiterlernen.

 

 ~*~*~*~*~

 

Bevor ich um 18 Uhr im Hotel war, machte ich einen kurzen Zwischenstopp zu Hause und kochte mir mein Leibgericht. Nudeln mit Tomatensoße und egal wie Simpel es war das zu kochen, ich liebte es einfach und kein 5 Sterne Mahl konnten das toppen.

 

Pünktlich stand ich im Mitarbeiterraum und betete, dass Frau Jackson mir keinen Besuch abstatten würde um mir Überstunden aufzudrängen. Aber.. wie immer war das Schicksal gegen mich.

 

“Frau Clear, guten Tag”. “Hallo Frau Jackson”, ich wartete seufzend auf ihre Aufforderung.

 

“Ich würde Sie bitten, nach ihrem Schichtende in den Raum 32 zu kommen. Wir erwarten Sie dort”.

 

Perplex schaute ich sie an. Raum 32? Was sollte ich da? Und wer war wir? Wollten sie mich feuern?Oh mein Gott.. ich hatte doch immer gründlich gearbeitet, okay nur bei dem Zimmer aufräumen bin ich ein paar Mal eingenickt, aber das hatte doch keiner gesehen.

 

“Em, natürlich..”Erhobenen Hauptes verschwand Frau Jackson und lies mich unwissend zurück.

 

Ich traute mich nicht, sie zu fragen. Lieber schob ich das zwei Stunden hinaus.

 

~*~*~*~*~*~

 

“Hey Clara”, auf dem Weg zum Keller traf ich das rothaarige Mädchen.

 

“Hey”, sie war in Gedanken vertieft und hatte einen traurigen Gesichtsausdruck.

 

“Was ist denn los?”, fragte ich und vesuchte etwas aus ihrem Gesicht abzulesen.

 

“Ich glaube, ich werde gefeuert”, erzählte sie mir ihre Sorge.

 

“Wie kommst du darauf?” “Heute kam Frau Jackson zu mir und hat mich gebeten nach Schichtende in den Raum 32 zu kommen, das ist der Raum der Geschäftsführung, was sollen sie denn sonst von mir wollen, als mir meine Entlassung preiszugeben”.

 

Verdammt..

 

Ich blieb auf der Stelle stehen.

 

“Was ist denn?”

 

“Das gleiche hat Frau Jackson eben auch zu mir gesagt, mir kam auch schon der Gedanke, dass ich entlassen werde”.

 

Clara fuhr sich über das Gesicht.

 

“Scheiße”, murmelte sie und wir liefen unseren Weg fort.

 

“Vielleicht haben uns eines der anderen Mitarbeiter verpfiffen, weil wir immer so viel reden während der Arbeit”, suchte Clara nach einer passenden Erklärung.

 

“Ich weiß es nicht.. wir müssen wohl abwarten”.

 

 

Mit zitternden Beinen standen wir um 20 Uhr vor dem besagten Raum 32 und klopften vorsichtig an.

 

“Herein”, hörten wir eine Männerstimme sagen und als wir herein traten bemerkten wir eine Menge weiterer Arbeitskräfte.

 

“Sie wollten mit uns reden?”, fing ich an und stellte mich mit Clara nach vorne.

 

“Genau, wir haben auf Sie und Frau Wulf gewartet. Dann können wir ihnen den Anlass ja nennen”, der Mann hinter dem Pult stand auf und zeigte auf einen anderen Mann im Anzug, der es sich auf dem Sessel gegenüber der Geschäftsleitung gemütlich gemacht hatte.

 

“Das ist Herr Apelt, er ist Manager von Gästen, die in unserem Hotel nächtigen. Wie Sie alle sicherlich mitbekommen haben, haben wir sehr berühmte Persöhnlichkeiten hier, der Name Back-Up sagt Ihnen bestimmt etwas. Die Jungen haben sich spontan eine Party gewünscht und wir versuchen natürlich die Wünsche unserer Gäste zu erfüllen. Es beginnt heute schon um 23 Uhr und geht bis Morgen früh. Wir haben Sie alle gewählt, weil wir bei Ihnen sicher waren, dass sie professionell genug sind um den Abend in die Hand zu nehmen. Es werden weitere bekannte Personen kommen und unsere Gäste möchten heute Abend keine Autogramme verteilen oder von der Seite angesprochen werden, verstehen Sie worauf ich hinaus will?”

 

Wir nickten alle, der eine oder andere konnte sich aber das Grinsen nicht verkneifen.

 

“Natürlich bekommen sie mehr bezahlt, ich denke der doppelte Stundenlohn ist angemessen?”

 

In meinen Augen sah ich die Geldscheine bereits.

 

“Nun gut, Sie bekommen die Servicekleidung dann auch gleich und Sie werden unseren Gästen in ein paar Stunden hoffentlich einen unvergesslichen Abend bereiten”.

 

Wir wurden aufgeteilt, wer was zu tun hatte und ich bekam die Aufgabe, anfangs mit einem Tablett mit Drinks und Häppchen rumzulaufen und anschließend sollte ich am Stand neben dem Pool Drinks mischen, Barkeeper spielen.

 

“Ist das nicht aufregend? Wer weiß wen wir heute kennenlernen werden”, Clara hakte sich bei mir unter.

 

“Was für kennenlernen? Glaubst du die unterhalten sich mit uns Kellnern, das ist die High Society meine Liebe”, belehrte ich sie.

 

“Ach, hör auf mir die Laune zu verderben. Ich bin mir sicher, ich lerne jemanden berühmten kennen und wir verlieben uns”. Ich fing an zu lachen.

 

“Viel Glück Clara”.

 

Wir liefen die Treppen runter und während ich in unser Gespräch vertieft war, rief jemand nach mir.

Ich suchte die Lärmquelle und sah Mason und Cole die auf mich zukamen.

 

“Hey”, begrüßte ich die zwei.

 

“Wir schmeißen heute eine Party, kommst du auch?”, fragte Mason.

 

Verwundert schaute ich ihn an. “Ich werde da sein, ich bin im Dienst”

 

“Was? Ach man”, Cole schmolte vor sich hin.

 

“Kannst du dir nicht frei nehmen?”, Mason kratzte sich am Hinterkopf.

 

“Was wollt ihr mit mir? Da sind doch nur berühmte Leute was soll ich da?”, ich schüttelte den Kopf.

 

“Ist doch die einmalige Gelegenheit entdeckt zu werden. Du wärst das perfekte Model für Victoria Secret”, Cole grinste mich breit an. Ich verschränkte die Arme.

 

“Soso. Ich würde nicht Mal kommen wenn ich keine Schicht hätte, eigentlich hatte ich vor, heute auf eine Studentenparty zu gehen”, nein, ich hatte nicht vor auf die Party von Rose und Emmet zu gehen aber in dem Moment hatte ich das Gefühl, das sagen zu müssen.

 

“Studentenparty vor VIP Party?”, Mason hatte die Augenbrauen hochgezogen.

 

“Jeder verkehrt in seinen Kreisen”, meinte ich und witmete mich anschließend Clara, die stumm neben mir stand und ihren Mund nicht aufbekam.

 

Seit wann war sie denn so schüchtern?

 

“Das ist übrigens Clara”, stellte ich die Rothaarige vor. Mason lächelte sie charmant an und streckte die Hand aus.

“Wie unhöflich. Ich bin Mason”. Stocksteif stand Clara da und gab ihm ihre zittrige Hand.

 

“Ich weiß wer.. wer du bist.. wer weiß es denn nicht?”, sie zupfte an ihren Ärmeln.

 

“Deine liebe Kollegin kannte uns nicht”, auch Cole reichte ihr die Hand.

 

“Wie meinst du das?”, Clara sah mich an und ihr Gesichtsausdruck verriet, dass sie nicht verstand was Cole meinte. “Wie ich es gesagt habe, sie wusste nicht wer wir sind”.

 

“Das kann doch gar nicht sein”, meinte sie daraufhin.

 

“Wieso kann das nicht so sein? Ich kenne meinen Namen und das reicht”, meinte ich leicht bissig.

 

“Hast du keinen Fernseher oder was?”, Clara schaute mich noch immer ungläubig an.

 

“Kannst du aufhören mit mir zu diskutieren? Es tut mir echt Leid das ich nicht irgendwelchen Leuten nachstalke!”

 

Ich schaute die Jungen an. “Und ihr zwei, wir sehen uns ja sowieso nachher. Ich bin dann mal weg”.

 

 

"Ich bin kein Model und will auch keins sein".

Ich stand vor dem Spiegel und band mir meine kastanienbraunen Haare zu einem hohen Zopf.Vorhin hatte ich mir leichte Locken reingedreht, die nun an meiner rechten Schulter ruhten und bis zu meiner Brust reichten. Auf Schminke hatte ich Mal wieder nicht besonders viel Wert gelegt, aber ein bisschen was musste ich machen. Keine Ahnung wer oder was mich erwartete, aber es konnte nicht schaden, etwas aus sich zu machen.

 

Meine Wimpern hatte ich ordentlich getuscht und etwas Kajal aufgetragen.

Unsere Servicekleidung bestand aus einer schwarzen Shorts, die 15 Zentimeter vor dem Knie endete und einer weißen Bluse mit dem Abzeichen unseres Hotels. Außerdem hatte ich noch schwarze Ballerinas an.

 

“Bist du fertig? Wir sollten langsam los”, quengelte ich und drehte mich zu Clara, die gerade dabei war, sich Rouge aufzutragen.

 

“Warte noch”, sie sah mich mit ihrem Hundeblick an und ich setzte mich seufzend auf einen Stuhl.

 

“Wieso machst du dich überhaupt so schick?”, ich sah sie skeptisch an.

 

“Weil ich,meine Liebe, mir heute einen Star mit ins Bett nehme. Wir sind nicht alle wie du. Außerdem glaube ich dir nicht, dass du Back-Up nicht kanntest!”, die letzten Worte murmelte sie kopfschüttelnd und holte sich einen roten Lippgloss aus ihrer Kulturtasche.

 

Ich verdrehte meine Augen.

 

“Willst du immernoch darüber reden?”

 

“Du hast mich einfach alleine mit ihnen gelassen”, beschwerte sie sich.

 

“Ja ist doch toll. Du konntest sie seelenruhig anhimmeln”, spöttisch grinste ich sie an.

 

“Ne, du hast sie als erstes getroffen, du darfst sie behalten”, meinte sie großzügig.

 

“Vielen Dank. Aber was soll ich mit denen?”. Clara drehte sich um und schaute mich genervt  an. “Sag das nie wieder! Da kommen solche Jungs auf dich zu und laden dich auf eine exklusive Party ein und du .. du sagst du würdest lieber auf eine Studentenparty!”

 

Ich ging nicht darauf ein. “Bist du fertig?”, fragte ich sie stattdessen genervt.

 

“Ja, wir können gehen”.

 

~*~*~*~*~*~

 

Wir betraten die Lobby, in der schon einige Leute viel zu schick gekleidet, mit Sekt in der Hand, auf den heutigen Abend anstießen. Zwischen den Frauen herrschte eine lautlose Challenge : Wer das kürzeste Kleid trägt, gewinnt. So sahen sie zumindest aus. 

 

“Ihr seit auch fürs Kellnern eingetragen, oder?” Ein junger Mann stellte sich zu uns.

 

“Ja”, antworteten Clara und ich snychron.

 

“Gut, dann kommt mit mir in die Küche, ihr müsst die Tabletts selber herbringen”, so liefen wir gemeinsam hin und waren auch in windeseile wieder zurück. Da wir keine Anweisung bekommen hatten, wo wir uns aufhalten sollten, lief ich einfach frei Schnauze rum. Ich bemerkte, dass die anderen Kellner unsere Gäste anstarrten aber ich interessierte mich nicht für diese Leute, weil ich sie nicht kannte. Ich hatte deren Gesichter noch nie gesehen. 

 

Eine Stunde später, es war schon Mitternacht, sah alles anders aus.Mittlerweile war es drinnen in der riesigen Lobby überfüllt, die Leute tanzten zur Musik und genauso war es draußen voll von gutaussehenden Menschen. Halbnackte Menschen sprangen in den Pool.

 

Ich war ein klitzekleines bisschen neidisch auf sie. Bestimmt wussten sie nicht mal, welches Glück sie mit ihrem Leben hatten. Neugemachte Brüste hier, teure Extentions da und nicht zu vergessen machte ein teurer Champagner auch nichts, man lebte schließlich nur ein Mal.

 

Mit einem neuen Tablett voller – ich weiß nicht was es war – lief ich umher und unsere Gäste schnappten sich wie gierige Aasgeier auf das Essen. 

 

“Wo schaust du denn so verträumt hin?”, wie aus der Starre erwacht zuckte ich zusammen.

 

“Tut mir Leid, ich mach schon weiter”, beeilte ich mich zu sagen. Cedric lachte leise auf und packte mich am Handgelenk, ehe ich davon laufen konnte.

 

“Nein, nein. Mach ruhig Mal Pause. Ich sehe doch das du seit über einer Stunde keine Sekunde Ruhe hattest”.

 

Ich presste die Lippen aufeinander und schaute in Cedrics Gesicht, dass – wie sollte es auch sein – einfach umwerend aussah. Seine blauen Augen durchbohrten mich und unter seinem Blick begann mein Körper zu kribbeln.

 

“Nur eine Minute”, versuchte ich mich selbst zu beruhigen und wir setzten uns auf zwei Sessel etwas abseits. Ich lehnte mich zurück und genoss den Moment der Stille. Meine Beine taten mir weh, das bemerkte ich erst jetzt. Lange hielt die Ruhe aber nicht, da ich die stechenden Blicke von Cedric auf mir ruhen spürte.

 

Ein Auge hielt ich geschlossen und eins machte ich auf um die Lage zu checken.

 

“Ist was?”, fragte ich.

 

“Wenn du so müde bist, kannst du nach Hause. Wir sagen nichts”, bot er an.

 

Ich schüttelte den Kopf. “Danke. Das ist lieb gemeint. Ich mache meinen Job, so wie es verlang wird”.

 

“Bist du dir sicher?”, hakte er nach. Ich nickte.

 

“Wie viel Uhr haben wir denn?”, fragte ich ihn.

 

“Es ist kurz vor eins, warum?”

 

Ich fuhr mir müde über das Gesicht. “Ich muss an die Bar, meinen Kollegen ablösen, wir sehen uns”.

 

Hinter mir hörte ich Cedric etwas nuscheln, verstand es aber nicht.

 

*~*~*~*~*~

 

Hinter der Theke der offenen Bar machte ich mir einen starken Kaffee, als kein Gast in Sicht war.

 

“Einen Martini”, bestellte ein grauhaariger Mann und lehnte sich an die Theke.

 

“Kommt Sofort”, lächelnd drehte ich mich um und machte mich ans Werk.

 

Ich reichte ihm das Glas. “5 Dollar macht das dann”.

 

Er schaute mich verwundert aus seinen grauen Augen an, dabei verstärkten sich die Falten an seiner Stirn.

 

“Wieso denn so billig?”, fragte er.

 

“5 Dollar sind die Standartpreise heute Abend, den Rest übernehmen die Gastgeber”, erklärte ich ihm. Er nickte verstehend.

 

“Wenn ich nach ihrem Namen fragen dürfte?”, trotz seines Alters strahlte der Mann eine gewisse Charme aus.

 

“Natürlich. Ich heiße Ariana”.

 

“Sehr erfreut, Logan Turis. Modelscout”, stellte der Mann sich vor und reichte mir die Hand. Ich nahm sie entgegen und lächelte ihn vorsichtig an.

 

“Könnte ich eine Champusflasche haben?”, hörte ich ein Mädchen im neongrünen Bikini quicken.

 

“Eine Sekunde”, ich bückte mich und holte aus dem Minikühlschrank die besagte Flasche heraus. “5 Dollar”, meinte ich und bekam im nächsten Augenblick schon den Geldschein überreicht. 

 

“Ariana?”, Logan Turis hatte wieder meine volle Aufmerksamkeit.

 

“Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?”

 

“Um ehrlich zu sein,ja. Ich würde gerne mit Ihnen Essen gehen”.

 

Ich blieb stocksteif stehen. Der Mann vor mir war älter als mein Vater, warum sollte ich mit ihm Essen? Ich ging nicht mal mit gleichaltrigen Essen.

 

“Verzeihung, ich verstehe nicht so Recht..” Logan schmunzelte.

 

“Ich beobachte sie schon seit zwei Stunden. Sie sind mir sofort ins Auge gesprungen. Ihre Ausstrahlung fesselt mich.  Ich suche für einen Kunden ein neues Model, welches das Label repräsentieren soll und Sie wären einfach perfekt dafür. Sie sind eine wahre Naturschönheit”.

 

Ich presste die Lippen aufeinander. “Em.. Vielen Dank. Ich weiß das zu schätzen, aber ich bin kein Model und will auch keins sein”, erklärte ich ihm sachlich.

 

“Sind Sie sich sicher? Sie lassen sich gerade eine einmalige Gelegenheit entgehen, ihre Kolleginnen würden sofort einwilligen”.

 

“Ich bin mir ganz sicher und wenn sie so überzeugt von meinen Kolleginnen sind, können Sie sie  fragen”, ein weiterer Gast stellte sich an die Bar und ich nahm die Bestellung auf.

 

“Falls Sie es sich noch anders überlegen, hier ist meine Karte”, er gab mir seine Visitenkarte und verließ anschließend die Theke.

 

“Logan Turis hat dich gerade entdeckt”, ich blickte auf und ein halbnackter Cole stand vor mir.

 

“Wohl kaum”, murmelte ich und zerknüllte die Karte, ehe ich sie in den Müll schmiss.

 

“Sag mal, spinnst du?”, Coles Augen weiteten sich ungläubig.

 

“Nein”, meinte ich schlicht und trank aus meinem Kaffee. 

 

“Du bist doch echt unglaublich”, Cole schüttelte seufzend den Kopf.

 

“Kann ich dir irgendwie behilflich sein,Cole?”, meinte ich genervt.

 

“Tatsächlich kannst du das! Komm mit mir in den Pool”, flehte er.

 

“Ich arbeite”.

 

“Na und? Nimm dir etwas Pause! Das ist doch unsere Party, wir können entscheiden ob du Pause kriegst oder nicht”.

 

“Außerdem hab ich keinen Bikini dabei”, zählte ich auf. Und außerdem hatte ich Angst vor Wasser. Aber das musste ich nicht erwähnen.

 

“Nackt geht auch”. Genervt verdrehte ich die Augen.

 

“Ok, ok nur ein Spaß”, beeilte er sich zu sagen. “Ich bin beleidigt”, Cole lehnte sich an die Theke.

 

“Wieso denn?”, fragte ich belustigt.

 

“Du hast mir nicht Mal ein Kompliment zu meinem heißen Körper gemacht”.

 

“Oh, Entschuldigung. Soll ich das nachholen? ”, meinte ich theatralisch.

 

“Aber Pronto”, Cole stellte sich gerade hin damit ich meinen Blick über seinen durchtrainierten Körper werfen konnte.

 

“Sieht gut aus ”, meinte ich schulterzuckend und nippte wieder an meiner Tasse.

 

“Das war die falsche Aussage”, er verschränkte die Arme vor der Brust.

 

“Was willst du hören?”

 

“Wie wärs mit 'oh Cole du siehst so gut aus? Lass uns nach oben verschwinden' ?”

 

Ich fing schallend an zu lachen. “Nicht mal in deinen Träumen”, merkte ich an.

 

Wieder schmollte der Braunhaarige. “Hey du”, meinte er zu einem Mädchen, welches die gleiche Kleidung trug wie ich. Sie schaute zu Cole und fing an über das ganze Gesicht zu strahlen.

 

“Könntest du hier kurz einspringen?”, fragte er und lächelte sie charmant an.

 

“Natürlich”, eifrig nickte sie mit dem Kopf.

 

“Super”, meinte er und packte mich im nächsten Moment am Arm.

 

“So Schätzchen. Wir zwei haben jetzt Spaß”, er schleifte mich hinter sich her.

 

“Cole!”, genervt versuchte ich mich aus seinem Griff zu befreien. Er drehte sich um. “Bitte, ich bin müde. Hier sind so viele andere Leute, kannst du dich nicht mit denen begnügen, ich verspreche dir, wir machen wann anders was,okay?”

 

Cole musterte mich genau und schien nachzudenken. “Ich mag die Leute nicht”, gab er zu.

 

“Wieso denn nicht?”

 

“Schau dir mal die Hungerhaken von Mädels an. Mit denen macht gar nichts Spaß. Ich hab keine Lust auf die”. Mit diesem Satz hatte er mich geknackt. Er war mir sympathischer den je. Ich lächelte ihn aufmunternd an. “Lässt du jetzt meinen Arm los?”, fragte ich ihn etwas leiser.

 

Er schaute auf meinen Arm, welchen er festhielt und lies ihn prompt los. “Oh,natürlich. Bleibst du noch ein wenig?”

 

Ich nickte. “Ich such mir einen freien Platz und versuch mich etwas aufzurappeln, muss ja irgendwie nach Hause kommen”.

 

“Okay, vergiss aber nicht, wir haben ein Date”.

 

Ich blinzelte ein paar Mal. “Cole, das wird kein Date”.

 

Er fing an zu lachen. “Ist mir egal, ich nenn es so”.

 

Ich suchte mir einen Platz abseits, hinter ein paar Bäumen waren zwei Sofas aufgestellt, auf die ich zusteuerte. Gerade war ich dabei, am Pool vorbei zu laufen, als ich trotz der Dunkelheit dunkelblonde Haare erkannte.

 

Mein Herz fing an zu rasen.

 

Cedric stand im Pool und drückte ein Mädchen gegen den Poolrand. Ich schluckte schwer, als ich sah, wie die beiden übereinander herfielen. Die Hände des Mädchens vergruben sich in seine dunkelblonden Haare. Bei genauerem hinsehen, fielen mir die roten Haare auf. Sie war es. Er hatte also wirklich eine Freundin.

 

Irgendwie.. verletzte mich dieser Anblick. Zuletzt sah ich, wie er anfing, ihren Hals zu küssen. Mehr wollte ich nicht sehen.  Ich versuchte die Gedanken bei Seite zu schieben und das, was dieser Anblick in mir auslöste, zu verdrängen.

 

Am Sofa angekommen, saß jemand bereits an meinem vorhergesehenen Platz.

“Kann ich mich hier her setzen, oder ist es bereits besetzt?”, fragte ich die Person. Hier war es so dunkel, ich erkannte ihn nicht.

 

“Setz dich ruhig”, meinte die männliche Stimme abwesend. Das lies ich mir kein zweites Mal sagen.

 

Genießerisch setzte ich mich hin und atmete tief durch.

Ich war seit fast 24 Stunden wach und konnte kaum noch die Augen offen halten.

 

Fast wäre ich eingenickt, da sprach der Kerl mich an.

 

“Schläfst du?”

 

“Mh.”

 

“Geh lieber nach Hause”

 

“Gleich”, flüsterte ich und wollte weiterschlafen.

 

“Hast du kein zu Hause oder was?”, der Junge klang gereizt.

 

“Nein, habe ich nicht”, flüsterte ich wieder. Ich hatte kein Verlangen, eine Unterhaltung zu führen.

 

 “Du erkältest dich, wenn du hier bleibst”, versuchte der Fremde es wieder. Genervt fuhr ich hoch.

 

“Ich wollte mich nur kurz ausruhen”, maulte ich und stand auf.

 

“Warum schläfst du nicht zu Hause?”

 

“Weil ich seit um 6 Uhr morgens keine freie Sekunde Zeit habe um mich in mein Bett zu legen”, meine Stimme nahm den gleichen gereizten Ton an, wie der Kerl, dessen Gesicht ich noch immer nicht erkannte.

 

“Kein Grund um zu zicken”, antwortete der Typ.

 

“Ich gehe”, ich war dabei umzukehren als auch der Typ aufstand und mir nachlief. Als wir an eine Lichtquelle kamen, schaute ich ihn an.

 

Das war doch.. wie hieß er gleich? Der stumme Typ der Band. “Ich wusste gar nicht, das du sprechen kannst”, ich verschränkte die Arme.

 

“Bis jetzt hatte ich auch keinen Grund mit dir zu reden”

 

“Jetzt aber schon?”, beschwerte ich mich. Er war schon dabei sein Mund aufzumachen und mir etwas giftiges entgegen zu spucken, aber ich hielt abwehrend die Hand hoch.

 

“Ich hab keine Lust zu streiten, dass ist mir zu anstrengend”.

 

Ich lies ihn alleine und ging ins Hotel rein.  Ich brauchte dringend ein Bett!

Von Chery-chery bis hin zu Sven

 

Noch nie in meinem Leben hatte ich so tief und fest und vor allem so lange geschlafen, wie an diesem Samstag. Ich lag den lieben langen Tag im Bett und genoss die Ruhe und das Gefühl der Hektiklosigkeit. Kurz nach 17 Uhr klingelte es an meiner Haustüre.

 

In mir breitete sich ein mulmiges Gefühl aus. Niemand hatte meine Adresse.. vielleicht waren es eins meiner Nachbarn? Doch auf die wollte ich nicht umbedingt antreffen.

 

Vorsichtig schlich ich mich in den Hausflur, ehe ich in den Spion sah.

 

Cole?!

 

Ich machte die Haustür auf und musste mir erst Mal seinen aufdringlichen Blick ansehen, ehe er seine Lippen zu einem spitzbübischen lächeln formte.

 

“Hübsch”, meinte er zu meinem Schlafanzug welches aus einem XXL Shirt bestand und mir bis über die Knie reichte.

 

“Was machst du hier?”, fragte ich ihn und gähnte herzhaft.

 

“Unser Date, schon vergessen?”

 

Ich blickte ihn überrumpelt an. “Wir haben nicht gesagt, das wir uns heute treffen”, ich verschränkte die Arme vor der Brust.

 

“Wir haben aber auch nicht gesagt, das wir uns nicht heute treffen”, jetzt verschränkte auch er seine Arme. Ich seufzte schwer.

 

“Komm rein”, die Tür öffnete ich noch etwas weiter, damit er problemlos eintreten konnte.

 

“Hier wohnst du?”, fragte er und ich erkannte den etwas abstoßenden Ton in seiner Stimme.

 

“Jap, wenns dir nicht gefällt, hinten ist die Tür”, meinte ich und legte mich wieder auf meine Matratze. Cole lehnte sich gegen die Wand und begutachtete mein kleines Zimmer.

 

“Dafür das du so viel arbeitest, hätte ich gedacht, du hast ne größere Wohnung”.

 

“Cole, ich will mir keine Beleidigungen anhören müssen,okay? Mir passt es hier und ich such mir auch keine andere Wohnung”.

 

Langsam lief er im Raum umher und schaute sich die Karteikarten und Lernzettel an, die ich überall im Zimmer verteilt aufgeklebt hatte.

 

“Wie läufts in der Uni?”, erkundigte er sich.

 

“Passt schon, ich hätte gerne mehr Zeit zum Lernen”.

 

“Los, steh auf. Du schuldest mir einen witzigen Tag”, er stellte sich zu mir und verpasste mir mit seinem Bein leichte tritte gegen den Arm.

 

“Nimm deine stinkigen Füße weg”, angewidert verzog ich das Gesicht.

 

“Dann aber hopp hopp”.

 

“Sind deine Kollegen so langweilig?”

 

“Nein, die warten auch auf dich”.

 

“Im ernst?”, meine Stimme klang nicht besonders erfreut.

 

Obwohl ich einerseits gerne Cedrics viel zu gutaussehendes Gesicht gerne betrachten würde, wollte ich es andererseits auch nicht. Er war bestimmt mit seiner Freundin beschäftigt.

 

“Ja, also steh schon auf”, er zog mich am Arm hoch.

 

“Gut, dann lass mich kurz duschen. Setz dich hin oder ess was, keine Ahnung”.

 

Ich nahm mir frische Kleidung mit und lief ins Bad.

 

15 Minuten später war ich fertig und föhnte mir meine Haare.

 

“Du bist aber echt schnell für ein Mädchen”, anerkennend schlug mir Cole auf den Arm.

 

Ich lachte leise. “Danke vielmals”.

 

“Keine Ursache und jetzt komm”

 

“Warte!”, Cole hielt in seiner Bewegung inne und schaute mich fragend an.

 

“Bist du so hier her gekommen?”, wollte ich wissen.

 

“Ja,wieso?”

 

“Ich hoffe nur, deine Fans stehen nicht unten vor dem Hauseingang”.

 

“Achso, das meinst du. Keine Sorge, ich kann mich gut tarnen”. Aus seiner Jackentasche holte er eine Sonnenbrille raus.

 

“Glaubst du, damit erkennt man dich nicht?”

 

“Also auf dem Weg hierher hat mich keiner angesprochen.”

 

“Aber bestimmt angeglotzt?”

 

“Das hat nun wirklich nichts mit meiner Bekanntheit zu tun, sondern mit meiner unfassbaren Schönheit”.

 

“Sicher doch”, murmelte ich und lief ins Zimmer und kramte in meinen Koffern nach etwas tauglichem.

 

“Was machst du da?”, Cole sah auf die langsame Unordnung die sich dank ihm bildete, herab.

 

“Hier ist ja das gute Stück”, ich hob eine Strohmütze heraus und reichte es ihm.

 

“Was soll ich damit?”

 

“Anziehen”, befahl ich.

 

“Ih, das tragen nur Vogelscheuchen”.

 

“Also im Moment will ich lieber den Weg mit einer Vogelscheuche ins Hotel laufe, anstatt mit einem Basisten”. Cole verdrehte die Augen und lies sich die Strohmütze auf den Kopf fallen.

 

“Warum besitzt du sowas überhaupt?”, fragte er als wir die Treppen runterliefen.

 

“Für den Fall das dämliche Bekanntheiten unbedacht in meine Nähe schleichen und für Ärger sorgen wollen”, antwortete ich.

 

“Das nächste Mal komm ich mit einer Burka”, beleidigt verzog er sein Gesicht.

 

“Ja, mach das Mal lieber”.

 

Dank meiner Genialität hatte keiner uns auf der Straße bemerkt und wir schlichen uns vom Hintereingang ins Hotel. Sobald wir drinnen waren, entzog ich Cole den Strohhut und schnappte mir auch gleich seine Sonnenbrille.

 

“Was machst du da?”

 

“Wenn mich Frau Jackson sieht, gibts Ärger. Was mache ich an meinem freien Tag bitte an meinem Arbeitsplatz?”, zischte ich und versuchte so unauffällig wie möglich an der Rezeption vorbei zu laufen.

 

An den Aufzügen angekommen, entspannte ich mich und musste unwillkürlich an die erste Begegnung mit Cedric denken. Oh man, wie ich jämmerlich gemault hatte und auf dem Boden saß..

 

“Wohin gehen wir überhaupt?”, fragte ich Cole um meinen Gedanken ein Ende zu setzen.

 

“In mein Zimmer, da haben wir mehr Platz als in deinem”.

 

“Ha, Ha”, ich presste die Lippen aufeinander um nichts falsches zu sagen.

 

Coles Zimmer kannte ich bereits, seins war eines der Zimmer gewesen, die mich zur Weißglut gebracht hatten. Es war mit einem Wort beschrieben einfach ein Saustall.

 

“Sag Mal, wie kannst du hier schlafen?”, fragte ich und versuchte mir einen Weg durch seine CD's, Klamotten, Fanbriefe und irgendwelchen Essensresten zu schlagen.

 

“Wieso, heute Abend kommt wieder das Zimmermädchen und macht alles sauber”.

 

Ich funkelte ihn böse an. “Nimm etwas Rücksicht”.

 

“Sie wird doch dafür bezahlt”.

 

“Ich sag ja nicht, dass du jetzt selber Staubsaugen sollst, aber den Weg zum Mülleimer findest du bestimmt alleine”.

 

Cole schmunzelte und zuckte mit den Schultern. Daraufhin klopfte es an der Tür.

 

Ich versuchte nicht interessiert zu wirken, aber innerlich wollte ich dem Mädchen neben Cedric die Augen auskratzen. Als er mich erkannte, lächelte er leicht.

 

“Hey, hätte nie gedacht, dass Cole dich dazu kriegt, hier her zu kommen”.

 

“Sagen wir, er hat mich aus dem Bett gezerrt”.

 

“Schatz, ist das nicht eines der Angestellten hier?” , das rothaarige Mädchen schmiegte sich an Cedric. Mir gefiel dieser Anblick nicht. Absolut überhaupt nicht.

 

“Doch, das bin ich”, antwortete ich für den Sänger. Ich bemerkte, wie Cedric etwas Abstand von der Rothaarigen nahm. Verliebt sein sah aber anders aus..

 

“Und was machst du dann hier? Musst du nicht an die Arbeit?” mit einem herablassenden Blick schaute sie mich an.

 

“Danke für die Nachfrage. Nein, ich habe heute freii”, ich lächelte sie zuckersüß an.

 

“Aha”, sagte sie und hob arrogant ihre Augenbrauen. War das im allen erst Cedrics Frauengeschmack?

 

“Naja, lass uns los Schatz”, sie drehte sich zu Cedric und gab ihm einen Kuss auf den Mund.

Ich sollte diese Lippen küssen, nicht sie. 

 

Cedric schaute sie genervt an. Ich war mir sicher, dass dieser Blick ein genervter war! “Wir sehen uns”, meinte er und lief wieder raus, die Tür blieb offen.

 

Ich schaute zu Cole.

 

“Ist das seine.. Freundin?”

 

Cole kicherte vor sich hin. “Sag Mal, liest du keine Magazine?”, belustigt sah er mich an.

 

“Nein”, antwortete ich schlicht.

 

“Du weisst bestimmt auch nicht, wer dieses Mädchen ist?”

 

“Hm, ich kann ja Mal raten. Ich gehe davon aus, dass sie ein Model ist, weil sie ziemlich hübsch ist und weil sie mich so herablassend behandelt hat”.

 

“100 Punkte”, Mason stand an der Türe und zwinkerte. Daneben stand Leon und nickte mir zu.

 

“Hallo ihr zwei”, begrüßte ich die Beiden.

 

“Falls es dich aufheitert, wir mögen Cheryl auch nicht”, Mason und Leon nahmen gegenüber von mir Platz.

 

“Und um deine Frage zu beantworten, als Paar würde ich die zwei nicht bezeichnen. Obwohl sie das wohl anders sieht”, Cole nahm eine Cola aus dem Kühlschrank und holte vier Gläser raus.

 

Er füllte die Gläser und überreichte mir dann eines davon.

 

“Danke”, ich nahm einen großen Schluck der kühlen Cola.

 

“Also, was machen wir?”, fragte ich in die Runde.

 

“Gefällt es dir, zwischen gefeierten Stars?”, Leon sah mich spöttisch an. Der Kerl regte mich auf, seit heute Nacht schon!

 

“Nein, um ehrlich zu sein nicht. In ein paar Tagen seit ihr weg und nachher kann ich euch richtig gut leiden und beziehe traurig das Bett des nächsten Gastes, während ihr am anderen Ende der Welt tourt”.

 

“Du hast Angst, dass du uns leiden kannst?”, Cole grinste.

 

“Ja, auch wenn die Möglichkeit unter 35 Prozent liegt, könnte es doch durch tragische Ereignisse dazu kommen”, ich nahm mir wieder ein Schluck meiner Cola.

 

“Wow, ganze 35 Prozent, für so offen hätte ich dich gar nicht eingeschätzt”, Mason schaute mich gespielt beeindruckt an.

 

“Da kannst du Mal sehen”, lobte ich mich selbst.

 

Wir saßen zwei weitere Stunden im Zimmer und unterhielten uns.

Oder besser gesagt, ich unterhielt mich mit Mason und Cole, Leon hatte nicht viel zu sagen.

 

Ich hatte in der Zeit sogar fast vergessen, mit wem ich es zu tun hatte, nur wenn sie von Konzerten erzählten, rief ich mir in Erinnerung, dass diese Jungen vor mir, weltweit gefeierte Stars waren, auch wenn mich das in keinster Weise beeinflusste.

 

“Naja, auf jeden Fall hat dann der gleiche Fan an seiner Hosentasche gezogen und er ist mitsamt Gitarre von der Bühne gefallen”, erzählte Cole eine witzige Anektode von ihrem letzten Konzert in Seatle. Ich fing schallend an zu lachen.

 

“Ich fand das nicht so witzig, überall waren Kameras”, beschwere sich Mason. Das brachte mich noch mehr zum Lachen.

 

“Was ist denn so witzig?”, Cedric steckte seinen Kopf ins Zimmer und ich hörte auf zu lachen, oder probierte es zumindest und wischte mir die Tränen aus den Augenwinkeln.

 

“Ich habe ihr gerade erzählt, dass du einen Kuss von einer Transe bekommen hast”, meinte Cole.

 

Schlagartig verfinsterten sich Cedrics blaue Augen. “Du hast was?”, seine Stimme klang sehr wütend.

 

“Das war ein Spaß, ich hab was peinliches von Mason erzählt, nicht von dir”, Cole winkte lässig mit seinen Händen ab.

 

“Du küsst also gerne Transen?”, hörte ich mich selber sagen und konnte den belustigten Ton nicht verstecken.

 

“Nein, verdammt”, Cedrics Augebrauen zogen sich zusammen. Sogar wütend sah er abartig gut aus.

 

“Wo ist denn Chery chery?”, wechselte Cole das Thema.

 

“Ich hab sie bei ihrer Agentur abgelassen”, erzählte er und holte sich ein Glas aus dem Schrank.

 

“Wieso? Hast du keinen anderen Platz gefunden um sie abzuwimmeln? Sie hat doch gestern erzählt, sie hätte für die nächsten Tage frei”, brachte Mason sich ins Gespräch mit ein.

 

“Logan hat vorhin angerufen wegen irgend einem Casting, keine Ahnung fragt mich nicht”.

 

“Er meint übrigens den gleichen Logan, der dich gestern an der Bar angeschmachtet hat”, meinte Cole an mich gewand.

 

“Logan Turis hat dich angeschmachtet?”, Masons schaute mich interessiert an.

 

“Nein, hat er nicht. Cole übertreibt nur”, meinte ich und funkelte Cole böse an.

 

“Doch klar, er hat dich zum Essen eingeladen und dir gesagt was für eine, ich zitiere, Naturschönheit du doch seist”.

 

Mason fing an zu pfeifen. “Uuuund? Hast du eingewilligt?”

 

“Nein! Der ist doch viel zu alt für mich”.

 

“Na und? Du schleimst etwas bei ihm und schwups bist du so ein Model wie Cheryl”, Mason war wohl sehr überzeugt von diesem Mann.

 

“Ach was Alter, sie muss nicht Mal schleimen, er hat ihr von Anfang an gesagt, er wolle sie als Model und weisst du was Ariana gemacht hat? Sie hat einfach seine Visitenkarte zerknüllt und weggeworfen”, Cole schüttelte den Kopf während er erzählte.

 

“Sag Mal, stalkst du mich?”, in dem Moment fragte ich mich echt, wieso er das Szenario so perfekt nacherzählen konnte.

 

“Du willst also kein Model sein?”, fragte Cedric mich.

 

Ich schüttelte den Kopf.

 

“Wieso nicht?”, Mason rückte mir heute ganz schön auf die Pelle.

 

“Das ist nichts für mich. Können wir jetzt das Thema wechseln?”

 

“Wie wärs dann mit Schauspielerei?”, zählte Mason weiter.

 

“Nein”.

 

“Wieso denn nicht?”

 

“Weil ich nicht möchte”.

 

“Die Leute würden dich beneiden, sie würden dich wie eine Göttin behandeln”, Cole schwärmte wohl gerade von seinem Leben.

 

“Schon Mal daran gedacht, dass ich gar nicht möchte, dass mir Leute am Arsch kleben?”

 

Unsere Disskussion wurde von meinem klingelnden Handy unterbrochen.

 

Eine unbekannte Nummer. Ich drückte auf den grünen Hörer.

 

“Hallo?”

 

“Ariana, ich bin es, Sven. Ich bin gerade am Flughafen und fahre gleich zu euch ins Hotel”

 

Mein großer Bruder war in New York?

 

“Woher hast du meine Nummer?”, perplex wusste ich nicht, was ich sonst sagen sollte.

 

“Schwesterherz, du weißt doch, ich hab meine Kontakte”, er lachte am anderen Ende der Leitung.

 

“Wir sehen uns, bis später”. Und schon hatte er aufgelegt.

 

Ich schaute geistesabwesend auf mein Handy. Natürlich freute es mich, Sven gleich sehen zu können, er war der einzig verliebene in meiner Familie aber andererseits hieß das, ich müsste wieder zurück nach Roseville.

 

“Hey, Ariana? Alles in Ordnung?”

 

“Alles in Ordnung”, ich lächelte vorsichtig.

 

“Sicher? Du bist so blass geworden”. Ich hörte ihm nicht mehr zu, ich war gedanklich schon dabei, meine Koffer zu packen.

 

“Ariana?”, Mason schüttelte mich am Arm.

 

Ich sah ihn an. “Hm? Was? Ich.. ich muss los”, panisch stand ich auf und schnappte mir meine Tasche, die auf Coles Bett lag.

 

Eilig lief ich aus dem Zimmer raus. Verdammt wohin sollte ich überhaupt? Sven würde doch hierherkommen und ich musste auf ihn warten.

 

“Hey”, jemand rief im Gang nach mir aber ich hatte im Moment keine Nerven dafür.

 

“Warte Mal”, ich wurde am Handgelenk gepackt und sah in Cedrics Gesicht.

 

“Was ist denn?”, wollte ich energisch wissen.

 

“Psht, beruhige dich”, Cedrics Stimme klang mit einem Male so fürsorglich das ich ihm ohne zu antworten ins Gesicht starrte.

 

Ich fing an den Kopf zu schütteln. “Es ist alles in Ordnung, aber ich muss los”, ich versuchte ihn abzuwimmeln aber es gelang mir nicht.

 

“Das sieht aber nicht so aus, komm ich bring dich in mein Zimmer”, er lies mein Handgelenk los und nahm stattdessen meine Hand in seine.

 

Meine Augen ruhten auf unsere verhakten Finger. Sogar in dieser Situation konnte ich meinen Blick nicht davon nehmen!

 

Cedric wartete nicht auf eine Antwort von mir, sondern zog mich hinter sich bis in sein Zimmer.  

"Du wolltest fliehen?"

Schweigend liefen wir ins sein Zimmer und ich nahm Platz auf der grauen Couch.

 

Cedrics Handy klingelte und mit einer kurzen Entschuldigung lies er mich alleine zurück. Ich reagierte nicht und bettete stattdessen geistesabwesend meinen Kopf gegen die Couch.

 

Einerseits war ich glücklich meinen Bruder zu sehen. Wirklich. Aber ich wusste, warum er mich besuchen kam und weitere Jahre würde ich in Roseville nicht ertragen.

 

Seitdem ich hier war, hatte ich mich verändert. Klar, man würde mich wohl immer noch als Eisbrocken bezeichnen aber langsam wurde ich zur alten Ariana, das hier war meine eigene Therapie.

 

In Roseville erinnerte mich alles an meine Eltern, alles. Egal ob ich am Markt einkaufen war, die leeren Straßen entlang lief, die Bewohner mich begrüßten oder zu Hause der Fernseher lief. Doch das schlimmste war es, wenn ich an den Strand ging..  

 

Mein Untergang würde bald kommen. 

 

“Hey”, Cedric war wieder zurück und nahm neben mir Platz. Ich setzte mich aufrecht und versuchte meine Gedanken zu ordnen.

 

“Wieder alles in Ordnung?”, fragte er. Mir war es unangenehm, dass er mich so sah

 

Ich nickte.

 

“Willst du darüber reden?”

 

“Nein”, meinte ich einsilbig.

 

“Wieso nicht?”, hakte er nach.

 

“Ich rede nicht über meine Probleme”, würgte ich ihn ab und konnte ihm nicht mehr länger in diese wunderbar blauen Augen sehen.

 

Stattdessen begutachtete ich das Fenster. Draußen schien die Sonne.


    "Vielleicht solltest du das ändern”.

 

Ich lachte spöttisch auf. “Bis jetzt bin ich bestens zu Recht gekommen, danke”.

 

Daraufhin spürte ich seine Finger, die sich um meinen Kinn gelegt hatten und mich zu ihm drehten, so das ich wieder in seine hypnotisierenden Augen schauen musste.

 

“So siehst du aber nicht aus”, seine Augen bohrten sich in meine. Er hatte Recht, so sah es wirklich nicht aus. Ich seufzte und nahm seine Finger von meinem Kinn, die Stromschläge, die sich in meinem Körper durch diese feine Berührung verteilten, ignorierte ich so gut es ging.

 

“Mein Bruder kommt in ein paar Stunden und wird mich zurück nach Roseville bringen”, erzählte ich ihm.

 

“Und.. du willst nicht zurück?” Ich schüttelte den Kopf.

 

“Hast du es ihm gesagt, dass du nicht zurück willst?”

 

Wieder schüttelte ich den Kopf. “Du kennst meinen Bruder nicht. Ich habe schon letztes Jahr versucht von dort zu fliehen, aber ich war erst 18 und nicht mal fertig mit der Schule. Da hatte ich Sven auch verstanden. Er manipuliert mich und ich kann nichts dagegen tun”.

 

“Du wolltest fliehen?”

 

Ich stockte, als ich mir bewusst wurde, wie ehrlich ich gerade zu ihm war.

 

“Was heißt fliehen, ich wollt halt einfach nicht mehr dort bleiben”, versuchte ich es so lässig wie möglich runterzureden. Ich war geflohen, aber das musste er nicht wissen.

 

“Aha”, er glaubte mir nicht, aber ich würde ihn auch sicher nicht dazu bitten.

 

“Was sagen deine Eltern dazu?”. Dauernd sprach er auf meine Eltern an.

 

“Nichts”, meinte ich schulterzuckend.

 

“Wie nichts?”, Cedric verstand es nicht oder er tat so, keine Ahnung. “Dann rede doch mit deinen Eltern wenn die keine Meinung dazu haben. Bestimmt kannst du sie überzeugen und dein Bruder kann ja nicht über den Kopf deiner Eltern entscheiden”.

 

Sollte ich ihm sagen, dass meine Eltern nichts sagen konnten?! Aber ich sah keinen Grund, ihm meine privaten Angelegenheiten zu offenbaren. Bald würde er eh verschwinden.

 

Aus meiner Tasche hörte ich mein Handy klingen. Ich schluckte schwer und kramte sie aus meiner Tasche.

 

Sven.

 

“Ja?”

 

“Hey Ari, ich bin gleich da, bist du schon im Hotel oder soll ich lieber gleich zu dir fahren?”

 

“Ich bin im Hotel”, meine Stimme klang alles andere als erfreut aber Sven ging nicht darauf ein.

 

“Bis in 5 Minuten, warte bitte vor dem Eingang”, er wollte auflegen aber ich rief noch schnell seinen Namen.

 

“Was ist denn noch?”, fragte er.

 

“Der Eingang ist nicht so gut. Da stehen eine Horde Mädchen weil wir prominenten Besuch haben”, klärte ich ihn auf. In diesem Moment sah ich zu Cedric rüber und rief mir in Erinnerung, dass ich wohl neben eines der begehrtesten Jungen auf der Welt saß.

 

”Gut, dann komm ich einfach zu dir”, hörte ich ihn locker sagen.

 

“Nein”, panisch zerdrückte ich fast mein Handy in meiner Hand.

 

“Wieso?”

 

“Em, ich bin schon im Hotel, komm einfach .. in das Cafe in der dritten Etage”, schlug ich vor.

 

“Meinetwegen”. Dann hörte ich nur noch das tuten. Mit dem Handy schlug ich mir gegen die Stirn. “So ein Scheiß”, murmelte ich vor mich hin. Ich dachte, ich hätte noch ein paar Stunden, bevor er kam.

 

Cedric sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.

 

“Du bist Schuld daran, dass ich mich nicht mit meinem Bruder vor dem Eingang treffen kann! Du und deine Kumpels! Wenn er nachher wegen euch bei mir Schlafen will, bringe ich euch eigenhändig rum. Wenn er meine Wohnung sieht, wird ihn nichts mehr aufhalten und er wird mich, wenn es sein muss, bis Roseville tragen. Hauptsache ich komme weg von hier”.

 

“Wir finden schon eine Lösung”.

 

“Bestimmt!”, die Ironie war nicht zu überhören.

 

Ich stand auf und stellte mich vor den Spiegel neben der Couch. Sven muss einen Eindruck von mir haben, der mich erwachsen und zufrieden darstellte.

 

Ich öffnete meinen Dutt und meine welligen Haare fielen mir fast bis zu meiner Taille.

 

“Hast du zufällig Stylingkram hier rumliegen?”, fragte ich Cedric.

 

“Ich sehe mal nach” und schon war er im Bad verschwunden. Grob kämmte ich mir durch die Haare und versuchte mir einen ordentlichen Seitenscheitel zu ziehen.

 

“Das ist alles, was ich dir anbieten kann”, in Cedrics Hand sah ich einen Schminkkoffer.

 

“Du schminkst dich also in deiner Freizeit?”

 

“Die gehören Cheryl”.  Diesen Namen wollte ich jetzt wirklich nicht hören! Gab er mir die Schminke seiner Bettgefährtin.. Aber hatte ich eine andere Wahl?

 

“Danke”, ich nahm den Koffer und stellte ihn auf der Kommode neben mir ab.

 

Vom Eyeliner zur Wimperntusche bis zum Rouge war alles da. Ich benutzte fast alles, was mir ins Auge stach, bis auf Make-Up, da Cheryls Hautfarbe viel zu blass für mich war. 

 

Mein Spiegelbild sah in Ordnung aus, so sah ich nicht wie eine verbitterte 19 jährige aus. Sondern wie eine junge Frau, die ihr Leben genoss. Jetzt noch ein falsches lächeln, PERFEKT.

 

“Willst du deinen Bruder verführen?”, Cedric schmunzelte und saß auf der Couch.

 

“Klar doch, ich steh voll auf Inzest”, ich verdrehte meine Augen und packte alles wieder ordentlich zurück.

 

“Mein Bruder muss nur einen anderen Eindruck von mir haben. Er muss denken, ich bin so glücklich und froh und alles ist perfekt, vielleicht kann ich dann hier bleiben. Das ist meine letzte Chance”.

 

Cedric nickte wissend und seine Augen wanderten über meine ganze Gestalt.

 

“Du solltest deine Haare öfters offen lassen. Sie sehen sehr hübsch aus", er zwinkerte mir zu und stand auf.

Bevor ich seine Worte realisierte stand er dicht neben mir und nahm sich eine Haarsträhne zwischen die Finger.“Genauso weich und geschmeidig, wie sie aussehen”, murmelte er. 

 

“Ich sollte gehen, bis nachher”, eilig nahm ich meine Tasche und verließ sein Zimmer. Bis ich oben im Caffee war, blieb ich keine Sekunde stehen, nicht das er mir noch hinterher lief so wie vorhin.. Keine Ahnung was in seinem Kopf vorging.

 

Vor dem Eingang zum Caffee lehnte ich meinen Kopf gegen die Wand. Es war nur ein harmloses Kompliment. Aber trotzdem brachte es mich so aus dem Konzept. Normalerweise war es mir egal, wenn ich Komplimente bekam, aber bei Cedric .. Ich bildete mir so viel darauf ein, wer weiß wie vielen Mädchen er am Tag genau das erzählte, was sie hören wollten.

 

Ich wäre selbst beinahe darauf reingefallen! Und ich hätte ihm fast erzählt, was mit meinen Eltern war. Scheiße, wie leicht ich doch um den Finger zu wickeln war. Man musste nur Dunkelblonde Haare haben, stechend blaue Augen und einen drei Tage Bart und mein Hirn war vernebelt..

 

Ich schlug mir fest auf die Wange. Gut, ich war wieder bei mir.

 

Vom weiten sah ich meinen Bruder. Das letzte Mal hatte ich ihn knapp vor fünf Monaten gesehen. Seine kastanienbraunen Haare waren kürzer als bei seinem letzten Besuch und ich erkannte die Sorgenfalten in seinem Gesicht.

 

Sven sah erschöpft aus.

 

Ich lief ihm entgegen und trotz der Angst, dass er mich von hier wegzerren würde, freute ich mich ihn zu sehen. Still zog er mich in seine Arme und ich drückte meinen Kopf gegen seine Brust.

 

Sein vertrauter Duft stieg mir in die Nase.

 

Wen hatte ich denn noch, außer ihm? Er gab mir einen Kuss auf den Haaransatz.

 

“Hey”, flüsterte ich.

 

“Na, kleine Schwester”. Ich lächelte sanft und löste mich von der Umarmung.

 

“Wo sind deine Koffer?”, irritiert schaute ich um ihn herum.

 

“Schon in meinem Zimmer. Ich schlafe hier, da ich nicht wusste, ob du in einer WG bist oder in einer eigenen Wohnung, nicht das es nachher Probleme gibt".

 

Ich nickte. Sven hatte Mal wieder alles ganz genau geplant und organisiert. Er streifte sich sein Jacket von den Schultern und krempelte sein weißes Hemd hoch. 

 

“Wollen wir rein?”, fragte er mich und ich nickte. Jetzt musste ich alles geben und ihn überzeugen, mich hier zu lassen.

 

Auf in die Schlacht!

"Ich habe sowieso schon alles wichtige in meinem Leben verloren, noch ein Mensch mehr oder weniger, macht auch keinen großen Unterschied mehr”.

Im Caffee war – wer hätte es gedacht – niemand außer Sven, einer Angestellten die ich noch nie zuvor gesehen hatte, vermutlich ein Neuling, da ausschließlich Neulinge im Cafe arbeiteten – und mir.

 

Wir bestellten uns zwei Kaffees und nahmen vorne an den Fenstern platz. Ich saß gegenüber vom Eingang, mein Blick galt den großen Fenstern hinter Sven.

 

“Wie geht es dir?”, erkundigte er sich und rührte in seiner Kaffeetasse.

 

“Mir gehts gut und dir?”

 

“Mir auch”.

 

Wir schwiegen.

 

“Du hättest nicht einfach gehen dürfen”. Sven sah mich mit ernster Miene an.

 

“Ich diskutiere nicht darüber, Sven”, gab ich unmissverständlich klar.

 

Spöttisch lachte er auf. “Du bist 19. Noch ein halbes Kind. Was glaubst du wie lange das hier gut gehen wird? Ein Semester? Vielleicht noch ein zweites? Und dann? Was machst du danach?”, zwischen seinen Augenbrauen hatte sich eine Falte gebildet.

 

“Das ist mein Problem Sven, nicht deins”.

 

“Ari,verdammt. Ich bin dein Bruder. Natürlich ist das auch mein Problem”, seine Stimme bebte gefährlich.

 

Oh ja, Sven war durch und durch eine Autoritätsperson. Eigentlich sollte man sich nicht mit ihm anlegen. Aber im Moment war mir das herzlich egal.

 

“Wenn du mein Bruder bist und das ist auch dein Problem, wo warst du dann die letzten fünf Monate?”

 

Am liebsten wollte ich ihm alles erdenkliche an den Kopf werfen, weil mir seine abgehobene und besserwisserische Art dermaßen auf die Nerven ging, dass ich ihm am liebsten den Wind aus den Segeln nehmen wollte. Aber ich zwang mich dazu, ruhig zu sein und der Angestellten hinter der Theke, die die ganze Zeit versuchte uns zuzuhören, nicht noch mehr zu unterhalten.

 

Schuldbewusst sah er mich an. Ich hatte ihn getroffen. So wie ich gehofft hatte, er würde nicht versuchen mich umzustimmen, hatte er gehofft, ich würde ihn nicht darauf ansprechen.

 

“Es tut mir Leid”. Seine Augen bohrten sich in meine.

 

“Mir auch. Und ich gehe nirgends hin,Sven. Ich bin dabei mir mein eigenes Leben aufzubauen. Das kannst du mir nicht wegnehmen”.

 

“Unser Flug geht morgen”, übertönte er meine Ansage einfach.

 

“Falsch, dein Flug geht morgen”, korrigierte ich ihn.

 

“Ich war so frei und hab in deinem Namen für dich gekündigt”, erklärte er mir sachlich.

 

Mein Kiefer spannte sich gefährlich an. “So etwas geht gar nicht, du bluffst”.

 

Er lachte kalt. “Ari. Ich hab dich gefunden, du hättest in ganz Amerika sein können und in nicht mal einem Tag wusste ich wo du wohnst. Für mich ist es kein Problem gewesen, in deinem Namen zu kündigen. Und jetzt lass uns nicht streiten”.

 

“So hatte ich mir unser erstes Treffen nach Monaten nicht vorgestellt”, meine Hände massierten meine Schläfe. Er raubte mir gerade den letzten Nerv.

 

“Ich mir auch nicht,Ari. Aber so ist es nun Mal. Und jetzt würde ich dich bitten, mir nicht mehr entgegen zu stimmen. Ich musste sowieso schon meine ganzen Termine wegen dir absagen. Bitte mach es mir nicht noch schwerer”.

 

Spöttisch lachte ich auf. “Sorry, ich habe dich nicht gebeten, nach fünf Monaten deine kleine Schwester zu besuchen. Ich danke dir für die Fürsorge, sie erdrückt mich schon fast. Ich verlange viel von dir, nicht wahr? Zu viel Aufmerksamkeit. Tut mir wirklich Leid. Aber du hättest nicht her kommen sollen. Für dich ist es einfach mich wieder in dieses Kaff zu stecken, wo mich alles an Mom und Dad erinnert, du fliegst zurück in dein Leben und versinkst in deiner Arbeit. Und was ist mit mir? Hm? Alles dort erinnert mich an diesen scheiß verdammten Unfall und mich kriegen keine zehn Pferde mehr zurück.” Meine Stimme wurde mit jedem Satz lauter und ich spürte es verdächtig an meinen Augenwinkeln kribbeln.

 

“Unser Flug geht morgen. Entweder wirst du Morgen um 15 Uhr vor dem Hotel reisegepackt sein oder du siehst mich nie wieder”. Das hatte gesessen.

 

Er erpresste mich.

 

“Schöne Heimreise Sven, und ein schönes Leben noch. Mich kannst du nicht erpressen. Ich habe sowieso schon alles wichtige in meinem Leben verloren, noch ein Mensch mehr oder weniger, macht auch keinen großen Unterschied mehr”.

 

Ich nahm meine Tasche und stand auf, drückte der Frau hinter der Theke fünf Dollar in die Hand und verlies das Caffee, ohne noch Mal in Svens Gesicht zu sehen.

 

Die Tränen kullerten mir über die Wangen. Der mir noch einzig verbliebene Mensch gehörte wohl ab jetzt auch zu meiner Vergangenheit. Und hatte er wirklich meinen Job gekündigt?

Was machte ich, wenn wirklich? Ob er bluffte? Aber ich traute ihm das zu! Doch ohne Job konnte ich hier doch nicht leben! Woher sollte ich denn so schnell einen neuen kriegen?

 

Hastig lief ich die Treppen herunter. Lief ohne geraudeaus zu blicken, bis ich in jemanden reinlief.

 

Ohne mich umzuschauen eilte ich weiter. “Ariana? Hey Ariana! Bleib stehen”, Klaras Stimme ertönte in meinen Ohren. Hastig wischte ich mir die Tränen aus den Wangen und drehte mich um.

 

Hoffentlich merkte sie nichts.

 

Ihre Augen weiteten sich, als sie mich sah. “Was ist denn passiert?”

 

“Nichts, was soll denn sein?”, ich versuchte mich an einem lächeln.

 

Sie schüttelte ungläubig ihren Kopf.

 

“Würde ich jetzt nicht deinen verschmierten Eyeliner sehen, der eine schöne Linie über deine Wange gezogen hat, würde ich dir ja glauben. Aber so nicht!”

 

Ups. An meine verlaufene Schminke hatte ich gar nicht gedacht.

 

Sie kam auf mich zu und musterte mich skeptisch. “Ich hab sowieso gleich Feierabend, dann kannst du mir alles schön ausführlich erzählen”.

 

“Klara, ich bin wirklich nicht in der Laune..”

 

“Keine Wiederrede”, beharrte sie.

 

“Aber ich muss jetzt wirklich..”

 

“Nein, du musst gar nichts”, unterbrach sie mich.

 

“Ich will ja nicht stören. Aber dich habe ich schon die ganze Zeit gesucht”, hinter uns stand Leon. Verwundert sah ich ihn an.

 

Was wollte der Typ?

 

Er sah zu Klara. “Es ist meine Schuld, dass sie in dieser Verfassung ist. Aber wir regeln das schon, auf Wiedersehen”, er packte mich am Arm und schleifte mich davon.

 

Als wir um die Ecke bogen, entzog ich mich aus seinem Griff.

 

“Danke”, murmelte ich und vermied es ihn anzublicken. Wer weiß wie ich gerade aussah..

 

“Ich will wissen, warum du weinst”, meinte er sachlich.

 

“Einfach so”, log ich.

 

“Gerade habe ich dich aus den Fängen dieses hysterischen Mädchens befreit. Du schuldest mir das”, erklärte er geduldig. Aprubt blieb ich stehen.

 

“Dieses Mädchen heißt Klara. Und ich schulde dir gar nichts”, böse funkelte ich ihn an.

 

Er zog mich wieder am Arm, auf meinen Protest reagierte er erst gar nicht.

 

“Ich weiß ja nicht für wen du dich hälst, aber wenn du mich nicht sofort loslässt, fange ich an zu schreien”.

 

“Das ist hier dein Arbeitsplatz, du würdest nicht rumschreien”

 

“Nur zur Info, ich arbeite hier nicht mehr”. Leon zog seine Augenbrauen hoch.

 

“Warum nicht?”

 

“Jetzt bleib stehen, du tust mir weh”.

 

“Du solltest anfangen, eines meiner Fragen zu beantworten”.

 

“Ok, aber lass mich los”. Sein Griff wurde lockerer, ehe er loslies.

 

Ich verzog mein Gesicht und sah ihn böse an.

 

“Mit dir stimmt was nicht”. Er lachte kühl.

 

“Das sagst gerade du?”, erwiderte er unbeeindruckt.

 

“Wieso, was stimmt denn nicht mit mir?” Ich stemmte meine Hände an meine Hüften und sah ihn angriffslustig an.

 

“Du wirst gerade von einem gutaussehenden Mann abgeschleppt, anstatt das du dich freust, zickst du rum”. Ungläubig starrte ich ihn an. In diesem Moment war ich sowieso auf 180 und am liebsten wollte ich alles an Leon auslassen, aber ich lies es. Mein Kiefer spannte sich gefährlich an und jeglicher Versuch, mich zu beruhigen, schien umsonst.

 

“Lass mich in Ruhe”, zischte ich und lief an ihm vorbei.

 

Hastig lief ich in meine Wohnung, ignorierte alles was mir entgegen kam und drängelte mich an den zahlreichen Menschen vorbei. Mit zittrigen Fingern öffnete ich die Türe zu meiner Wohnung und als ob ich nicht genug Stress hatte, warteten bereits neue Probleme auf mich.

 

Ungläubig schaute ich auf die Unordnung in meiner Wohnung.

 

Warum? Wieso ich?

 

“Hör auf dich die ganze Zeit zu bedanken.

 

Ungläubig sah ich in meine Wohnung. In meine zertrümmerte Wohnung.

 

Meine Kleider lagen Kreuz und quer auf dem Boden, die Schränke waren aufgerissen, zum Teil lagen sie zusammengebrochen aufeinander.

 

Was zum Teufel war hier los?

 

Vorsichtig tapste ich vom Flur in mein Zimmer, lies die Tür offen, damit ich rausrennen konnte, falls jemand da war..

 

Auch hier war das pure Chaos. Meine Matratze war aufgerissen, die Bilder meiner Eltern lagen auf dem Boden, die Glassplitter der Bilderrahmen waren im Zimmer verteilt.

 

Ein Einbruch.

 

Ich schüttelte geistesabwesend den Kopf und die Tränen kullerten mir über die Wangen.

 

Wie konnte ein Mensch nur so viel Pech haben, wie ich?!

 

Mein Geld !

 

Hektisch suchte ich nach meinem Geldumschlag, den ich zwischen meiner Kleidung in einem der Koffer versteckt hatte. Panisch griff ich nach dem zerrissenen Umschlag.

 

Alles weg.

 

“So ein Scheiß”, schrie ich und mein gesamter Körper fing an zu zittern.

 

Mir war von Anfang an klar, dass meine Wohnung nicht in einer guten Umgebung lag. Das hier Junkies und Vorbestrafte lebten.

 

Aber hatte ich denn eine andere Wahl, außer zu hoffen, dass das Schicksal etwas Mitleid mit mir haben würde?

 

Und ich wollte heute den Tag in meiner Wohnung verbringen.. Wenn Cole mich nicht herausgeschleppt hätte.. Vielleicht hätten die Einbrecher mir etwas getan? Ich wollte gar nicht erst daran denken.

 

Achtlos lies ich mich auf den Boden fallen und nahm das Bild meiner Eltern zwischen die Hand.

 

“Was mach ich denn jetzt?”, flüsterte ich hilflos.

 

War das ein Zeichen, dass ich besser hätte Sven zustimmen sollen? Ein Zeichen, dass es besser war, zurück nach Roseville zu ziehen?

 

Wie konnte ein Tag so viel Unglück mit sich bringen? Wie ein Häufchen Elend saß ich inmitten der Trümmer und hatte keine Ahnung, was ich machen sollte.

 

Polizei! Ja genau, die Polizei anrufen.

 

Zügig stand ich auf und rannte zu meiner Tasche. Meine zittrigen Finger holten den gesamten Inhalt heraus.

 

Mein Handy. Wo war es nur? Es war nicht in meiner Tasche.

 

Ich fuhr mir nervös über das Gesicht. Wo zum Teufel?

 

Bei Cedric! Ich hatte durch die ganze Hektik wegen Sven vergessen, mein Handy in meine Tasche zu stecken!

 

Ich hatte kein Haustelefon.. Ein Wimmern kam aus meiner Kehle und wieder kullerten mir die Tränen wie ein Wasserfall über das Gesicht. Keine Ahnung, wie lange ich hier saß, dass einzige was ich wusste, war das ich laut weinte.

 

“Ariana!”, ich nahm die Hände nicht von meinem Gesicht, aber ich spürte, dass mich jemand fest in die Arme schloss. Cedric. Ich spürte, dass er es war. Wenn er meinen Namen aussprach, war es anders, als wie es die anderen Menschen in meiner Umgebung taten.

 

Ich lies mich gegen seine Brust senken und weinte in seinen Pulli.

 

“Psht”, er strich mir über die Haare und hauchte mir einen Kuss auf den Haaransatz.

 

“Cedric”, wimmerte ich und versuchte einen Satz zu stande zu bringen.  “Es.. ich.. jemand ist.. eingebrochen.. mein Geld..”.

 

“Schon gut, es ist vorbei”, meinte er sanft.

 

Wir saßen noch weitere Minuten in dieser Position, bis meine Tränen versiegt waren und ich mich einigermaßen beruhigt hatte.

 

Langsam traute ich mich, in seine Augen zu sehen und presste meine Lippen aufeinander.

 

Seine blauen Augen beruhigten mich augenblicklich. Zärtlich strich er mir über die Wange.

“Komm, wir sollten erst dein Gesicht waschen”, flüsterte er und gemeinsam standen wir auf.

 

Wir schlängelten uns zwischen das Chaos ins Bad und ein kurzer Blick in den Spiegel verriet mir, dass ich aussah wie ein Geist. Eine Mumie. Wie das Mädchen aus Paranormal Activity.

 

Ich wusch mir über das Gesicht, entfernte meine Schminke und und trocknete mich behutsam ab. Die zerwühlten Haare band ich zu einem Pferdeschwanz zusammen.

 

Still saßen wir anschließend in meinem zertrümmerten Zimmer.

 

“Du hast die Polizei nicht angerufen”, bemerkte Cedric nach einer Weile.

 

Ich schüttelte den Kopf. “Ich hab mein Handy bei dir vergessen”, meine Stimme war immer noch zittrig und nicht so fest, wie ich es gerne hätte.

 

Er fischte mein Handy aus seiner Hosentasche. “Deswegen bin ich ursprünglich gekommen, ich wollte es dir vorbeibringen”.

 

Ich nickte. “Kannst du bitte anrufen?”, bat ich ihn.

 

“Natürlich”. Cedric rief die Polizei an und erzählte, was passiert war.

 

20 Minuten später waren eine Horde Polizisten in meiner kleinen Dachgeschosswohnung und inspizierten die Wohnung.

 

“Frau Clear, wir würden Sie bitten, mit uns mitzufahren. Wir würden Sie gerne befragen”, ein älterer Polizist kam zu mir und im Gegensatz zu seinen Kollegen, die ihre Arbeit distanziert und sachlich erledigten, konnte ich das Mitleid aus seinem Gesicht ablesen.

 

Ich nickte und stand auf.

 

“Ich komme mit”, Cedric schnappte sich entschlossen meine Hand und wollte hinter dem Mann her.

 

“Du musst nicht, ich komme schon alleine klar”, versuchte ich ihn umzustimmen. Ich wollte niemandem eine Last sein. Er sollte sich nicht verantwortlich für mich fühlen.

 

“Nein. Du brauchst erst gar nicht mit mir zu diskutieren. Ich komme mit”.

 

Protest hatte also keine Wirkung. Ich sagte nichts mehr sondern lief zusammen mit ihm herunter.

 

Stunden waren vergangen. Die Anhörung war fast vorbei.

 

“Und Sie sind sich sicher, Sie haben nicht bemerkt, dass die Tür bereits offen war?”, hakte der Polizist gegenüber von mir nach.

 

“Ich weiß es nicht. Ich war ziemlich aufgelöst als ich nach Hause wollte und habe nicht darauf geachtet”.

 

“Was macht denn eine junge Frau wie Sie in solch einer Gegend?”

 

Ich schluckte schwer. “New York ist teuer”, meinte ich und zuckte mit den Schultern.

 

“Reicht das nicht für heute?”, Cedric funkelte den Polizisten genervt an.

 

“Nein, erst wenn wir alle Fragen haben, können Sie gehen”.

 

“Schauen Sie, hier ist die Visitenkarte von meinem Manager. Wenn Sie etwas wissen wollen, rufen Sie dort an. Ansonsten finden Sie Morgen eine Negativschlagzeile über die Polizisten New Yorks".

 

Perplex schaute der Polizist ihn an. “Sie sind Cedric Wesley”, stellte er fest.

 

“Bin ich”, bestätigte der blonde Kerl neben mir.

 

“Gut, wir rufen Sie dann Morgen an”, gab der Polizist widerwillig nach.

 

Eine Weile später, es war mitten in der Nacht, waren wir in der Nähe des Hotels. In einem Park.

Ich hatte Cedric gebeten, uns raus an die frische Luft zu setzen.

 

Der Tag war ereignisreich gewesen. Aber es waren keine Ereignisse, an die ich mit einem lächelnden Auge zurückblicken würde.

 

“Cedric, danke”. Ich sah zu ihm herüber, er war in Gedanken. Cedric sah mich an und trotz des ganzen Stresses, der heute passiert war, machte das den Schmetterlingen in meinem Bauch nichts aus, stattdessen flogen sie wild umher.

 

“Kein Problem”.

 

“Wir sollten langsam nach Hause.. Du bist bestimmt müde”, ich stand auf und er tat es mir nach.

 

“Wo wirst du schlafen?”, fragte er mich.

 

Darüber hatte ich gar nicht nachgedacht. Der Gedanke wieder in diese Wohnung zu gehen, vor allem Nachts,war beängstigend..

 

“In meine Wohnung”, antwortete ich und vermied seinen skeptischen Blick.

 

“Hast du denn niemanden hier?”, fragte er und kam mir näher. Ich schüttelte den Kopf.

 

“Dann wirst du wohl mit zu mir kommen”.

 

“Nein.. nein, das geht doch nicht. Wirklich.. ich geh einfach in die Wohnung”.

 

“Ich hoffe, du erwartest nicht von mir, das ich dich wieder zurück dort hin schicke, wer weiß, ob die Einbrecher diese Nacht nicht zurück kommen”.

 

Erschrocken zuckte ich zusammen. Ich wollte nicht daran denken, was mir alles passieren könnte, wenn ich wieder zurück gehen würde. Gepresst gab ich mein Einverständnis und wir liefen zum Hotel.

Natürlich darauf bedacht, nicht von seinen Fans erwischt zu werden.

 

Sobald wir in Cedrics Suite waren, gab er mir Klamotten von sich, die mir provisorisch als Schlafanzug dienen sollte. Ein weißes T-Shirt und eine kurze graue Jogginghose, die mir aber zu groß war. Ich sah aus wie eine Hip-Hopper.

 

In der gesamten Zeit hatten wir kein Wort miteinander gewechselt.

 

Je länger ich über Cedric grübelte, desto weniger konnte ich ihn in eine Kategorie einordnen.

 

Den ganzen Tag war er so sanft und einfühlsam gewesen, dass er trotz meiner jetzigen Lage, mein Herz laut zum Schlagen gebracht hatte. Er war ein Widerspruch in sich.

 

Als er mit Cheryl an mir vorbeigelaufen war, war er so abgehoben und eingebildet.

Als ich mit ihm im Caffee gestritten hatte, war er sofort eingeschnappt.

Aber als ich ihn gebraucht hatte, war er da.

 

So viele Menschen kannte ich und nicht Mal nach dem Tod meiner Eltern hatte es jemanden gegeben, der sich so um mich gekümmert hatte, wie Cedric an einem einzigen Tag.

 

Außer vielleicht Ella. Aber mit ihr hatte ich in letzter Zeit nicht viel Kontakt. Aber jetzt würde ich sie bald wieder sehen, wenn ich Morgen zurück fliegen würde. Denn um ehrlich zu sein.. was hielt mich denn noch hier? Keine Wohnung. Kein Geld. Nichts.

 

Ich saß auf seinem Bett, als Cedric frisch geduscht aus dem Bad kam.

 

Er hatte mir angeboten, ebenfalls zu duschen, aber ich hatte abgelehnt, obwohl eine Dusche bestimmt nicht verkehrt war. Aber ich hatte sowieso keine frische Wäsche dabei..

 

Er trug ein schwarzes Muskelshirt und eine Adidasjogginghose. Seine Füße waren nackt, die Haare klebten zum Teil an seiner Stirn.

 

Wie konnte ein Mensch nur so gut aussehen?

 

“An was denkst du?”, fragte Cedric mich nach einer Weile.

 

“Ich werde Morgen nach Roseville zurück. Eigentlich habe ich mich heute mit Sven gestritten und ihm gesagt, ich bleibe hier. Er hat mir mit Kontaktabbruch gedroht aber ich habe es auf mich genommen. Und jetzt? Jetzt habe ich keine andere Wahl. Ich muss zurück”.

 

“Was ist mit deinem Job? Oder der Uni?”

 

Ich zuckte mit den Schultern. “Sven meinte, er habe in meinem Namen für mich gekündigt. Aber ich weiß nicht, ob das stimmt. Zutrauen würde ich ihm das. Und die Uni.. ich werde wohl einfach Medienmanagement in der Nähe von Roseville studieren”.

 

“Bist du dir sicher, dass es das Richtige ist, zu gehen?” Cedric klang so erwachsen und ernst, ich fühlte mich verstanden und ich hatte das Gefühl, es interessierte ihn wirklich, was ich nun vorhatte.

 

“Es ist egal ob es das Richtige ist. Ich habe schließlich keine andere Möglichkeit”.

 

“Ariana, wenn Geld das Problem ist. Ich kann dir aushelfen”, bot er an. Ich sah zu Cedric herüber. Er sah müde aus.

 

“Wir sollten schlafen gehen”, ich ging erst gar nicht auf sein Angebot ein. Ich wollte niemandes Geld!

 

“Falls du es dir anders überlegst, sag es mir einfach”. Langsam stand ich auf und holte eine Decke und ein Kissen aus einem der Wandschränken.

 

“Du schläfst in meinem Bett”, wies Cedric mich zurecht.

 

Ich schüttelte den Kopf. “Nein, das möchte ich nicht. Schlaf in deinem Bett. Du hast heute mehr für mich getan, als irgendwer anders in den letzten Jahren,danke.”

 

“Ich hab nicht viel gemacht.”.

 

 “Doch. Du warst da. Das genügt. Mehr kann man doch nicht verlangen”.

 

“Du bist zu anspruchslos”, wiederholte er seine Worte, die er einst vor meinem Treppengeländer zu mir gesagt hatte. Ich ging nicht auf seine Bemerkung ein, sondern lies mich tot auf die Couch fallen.

 

“Lass sie mich wenigstens ausklappen”, meinte er.

 

“Das ist wirklich nicht nötig”.

 

Ich liebte diese Seite an ihm. Aber das war wirklich nicht gut, dass er mir seine tollen Seiten präsentierte. Dieses Aussehen plus sein wunderbarer Charakter. Ich stürzte mich in das nächste Verderbnis.

 

“Das geht in einer Minute, statt das du mit mir noch zehn weitere diskutierst”. Ergeben stand ich auf.

 

Cedric klappte die Couch auseinander, als ob sie ein kleiner, leichter Stift wärem ohne sich nur ein klitzekleines bisschen anzustrengen. Meine Augen war auf sein Bizeps gerichtet, dass ich zwischen seinen Bewegungen beobachten konnte. Am liebsten hätte ich darüber gestrichen.

 

“So, das wäre es dann”.

 

Ich lächelte ihn dankbar an.

 

Cedric knipste das Licht aus und verschwand unter seiner Decke.

 

“Gute Nacht”, hörte ich mich sagen.

 

“Nacht”, grummelte Cedric. Tief sog ich den Duft seines T-Shirts in mich ein. Es roch nach ihm. Es roch  nach Sicherheit und Mann.

 

Ein Handyklingeln am Morgen weckte mich auf. Verschlafen öffnete ich meine Augen und brauchte ein paar Sekunden um meine Orientierung zu finden.

 

Ich lag nicht auf meiner Matratze und das hier war nicht mein enges  Dachgeschosszimmer.

 

Die Ereignisse des gestrigen Abends prasselte auf mich ein. Ein Blick auf die Wanduhr verriet mir, dass wir erst sechs Uhr früh hatten. Hinter mir hörte das klingeln auf und stattdessen hörte ich Cedrics verschlafene Stimme. “Ja?”, fragte er genervt. “Um 8? Okay, wir werden da sein. Nein, ich vergesse es nicht. Ciao”. Er fluchte leise vor sich hin und dann war es wieder ruhig.

 

Ich schielte zu ihm herüber. Cedric schlief.

 

Vorsichtig tapste ich aus dem Bett, damit ich ihn nicht aufweckte. Am liebsten würde ich mich zu ihm ins Bett verkriechen. Aber dieser Gedanke sollte mir eigentlich verboten sein!

 

Heute würde ich zurück fliegen. Und den gutaussehenden Jungen der so friedlich schlief, nie wieder sehen. Egal ob er gestern aus Höflichkeit bei mir war, oder weil er es wollte, ich rechnete es ihm hoch an. Ich war in der letzten Zeit immer alleine gewesen, egal um welches Problem es sich handelte. Doch nichts tat so unendlich gut, wie wenn man eine Schulter zum Anlehnen hatte. Diese hatte ich gestern, und zwar eine sehr starke Schulter. 

 

Ich schnappte mir eine Decke und verzog mich damit in den großen Balkon. Es war frisch, so das ich die Decke über mich breitete, nachdem ich mich auf den Teppichboden setzte.

 

Wer hätte gedacht, dass mein Leben so verlaufen würde? Sie war einfach eine Achterbahnfahrt. Nur wurden die Höhen durch weitere Tiefen ersetzt. Konnte ich einfach nach Roseville zurück? Was war mit der Polizei? Meine Sachen in der Wohnung, durfte ich sie anfassen oder musste man noch nach spuren suchen?Aber wieso sollten sie noch nach Spuren suchen, ich würde eh zurück gehen. Mein Geld war jetzt halt einfach weg. Ich hatte keine Lust, noch nach dem Täter zu suchen. Andererseits sträubte sich alles in mir gegen Roseville. Schon die Tatsache, dass Sven gewonnen hätte. Nein! Aber was sollte ich denn sonst tun? Egal was ich tat, es war nicht gut. Es war einfach keine Lösung. Außerdem wollte ich Sven nicht sagen, dass ich beraubt wurde. Musste ich es ihm überhaupt sagen? Ich sprach über Sven, der kriegte alles raus und er wusste bereits, dass ich freiwillig nicht zurück fahren würde.

 

“Hier bist du”, vernahm ich Cedrics Stimme. Er lehnte sich gegen den Türrahmen. Seine Haare standen ihm wirr in alle Richtungen ab, was mehr als verführerisch aussah.

 

“Guten Morgen”, ich versuchte mich mit einem lächeln.

 

“Wie gehts dir?”, fragte er und setzte sich mir gegenüber auf den Boden.

 

“Gut.. denke ich. Und dir?”

 

“Auch”.

 

“Ich .. danke.. für alles”, ich nahm meinen gesamten Mut zusammen und sah in seine wunderbar blauen Augen.

 

Er lächelte leicht. “Hör auf dich die ganze Zeit zu bedanken. Sag mir lieber, wie du dich entschieden hast”.

 

Ich sah in den klaren Himmel um seinen durchdringlichen Blick auszuweichen.

 

“Ich fahre zurück”.

 

Er nickte verstehend. “Willst du Anzeige erstatten?”

 

“Nein. Ich habe keine Lust auf das hin und her. Außerdem soll Sven nichts davon mitbekommen. Das wäre eine Genugtuung für ihn”.

 

Mein Blick fiel auf seine musklulösen Arme. Sie waren mit Gänsehaut besetzt. Oh, der Arme. Ihm war kalt, er hatte schließlich immer noch nur sein Muskelshirt an.

 

Ich nahm die Decke von meinen Schultern und breitete sie über ihn aus.

 

“Was..?”, überrascht sah er mich an.

 

“Dir ist kalt”, meinte ich und lächelte ihn an.

 

Er lachte leise. “Dir aber jetzt auch”. Ich zuckte mit den Schultern.

 

Plötzlich setzte er sich genau neben mich und breitete die Decke über uns beide aus, sie war groß genug, dass wir mühelos beide reinpassten.

 

“Erzähl mir etwas von dir”, bat er mich nach einiger Weile des Schweigens.

 

Ich sah ihn überrascht an. “Wieso, du lebst doch das aufregende Leben von uns beiden”.

 

“Ich weiß nicht mehr, wie es ist, ein normales Leben zu führen. Seit zwei Jahren nicht mehr”.

 

Ich wusste ebenfalls nicht, was es hieß, ein normales Leben zu führen. Aber das wusste er schließlich nicht.

 

Ich zuckte mit den Schultern. “Ich arbeite, gehe zur Uni und ansonsten sitze ich mit Superstars auf Balkons in den teuersten Suiten aller Hotels”.

 

Die Decke rutschte von meinen Schultern, so zog ich sie noch tiefer um mich. “Wie sieht dein Alltag aus?”

 

“Ich komme nicht zu viel Schlaf. Entweder habe ich eine Pressekonferenz, Auftritte, Autogrammstunden.. und wenn nicht, hocke ich im Flieger und fahre in irgend ein Land. Deswegen sind wir jetzt hier, wir arbeiten nur an unserem Album und die restliche Zeit brauchen wir um uns zu erholen”.

 

“Wie lange bleibt ihr noch hier?”

 

“Eine Woche.. Dann sind wir für einen Monat in Europa”.

 

“Freust du dich?”

 

Selbst wenn ich nicht zurück nach Roseville gegangen wäre.. in einer Woche würde Cedric wieder abfahren.

 

“Ja. Natürlich.. Aber die Ruhe hatte mir in der letzten Zeit sehr gefehlt. Ich weiß nicht, ob ich wieder anfangen möchte”.

 

“Lebst du nicht gerade deinen Traum?”

 

“Ich dachte, es wäre mein Traum. Aber jetzt kann ich mir nicht vorstellen, in zwanzig Jahren noch das selbe zu machen”.

 

“Was hat dich denn so zum Nachdenken gebracht?”, ich musterte sein Seitenprofil. Seine Augen waren nachdenklich auf den Tisch gegenüber von uns gerichtet.

 

“Du”, war seine einsilbige Antwort. Er drehte sich zu mir und seine Augen hielten meine gefangen.

 

Abschied

Bevor ich zu einer Antwort ausholen konnte, klingelte Cedrics Handy. Mit einem gemurmelten 'Entschuldigung' verlies er den Balkon und machte sich auf in Richtung Zimmer.

 

Seine wunderbare Kehrseite verdeutlichte mir, dass er nicht nur an Brust und Armen trainiert war, sondern auch am Rücken.

 

Perplex starrte ich ihm hinterher.

 

Ich hatte ihn zum Nachdenken gebracht? Meine Absicht war es doch nicht, den Leuten ihre Träume auszureden! Was hatte ich denn gesagt oder getan, dass er nun so unsicher war?

 

Aber er war nun Mal weltweit berühmt. So einfach konnte er nicht von der Bildfläche verschwinden.. so etwas müsste man sich doch von vornerein überlegen.. oder nicht?

 

Langsam stand ich auf, die Decke noch immer um meinen Körper gehüllt und lief ebenfalls in die Suite zurück. Mittlerweile telefonierte Cedric nicht mehr, sondern saß auf seinem Bett, in seiner Hand ein kleiner Terminkalender, in den er was reinschrieb.

 

Als er mich bemerkte, sah er auf. “Mein Manager hat angerufen, er wollte mich daran erinnern, dass um 8 eine Pressekonferenz stattfindet und ich nicht zu spät zum Treffpunkt kommen soll”, erzählte er.

 

“Ja.. ich.. ich sollte auch losgehen”, meinte ich etwas neben der Spur und nahm meine Klamotten von der Couch.

 

“Wohin willst du gehen?”, fragte er.

 

“In meine Wohnung. Ich packe das nötigste ein und den Rest mit der Wohnung abmelden und sowas soll Sven erledigen..”

 

“Übrigens hat mein Manager schon mit der Polizei alles besprochen, sie werden sich nicht mehr um den Überfall sorgen. Das ist doch wie du es wolltest, oder?”

 

Verwundert sah ich ihn an. Er hatte sich schon darum gekümmert? “Ja.. Ja. Danke”.

 

Mit meinen Klamotten verschwand ich im Bad und zog mich um, band meine Haare zu einem Dutt, da sie in der Nacht zum Teil aus dem Zopf gefallen waren.

 

SO sah ich also aus, als ich mit Cedric geredet hatte?

 

Als ich zurück in seinem Zimmer war, war er bereits angezogen. Eine blaue, locker sitzende Jeans mit einem schlichten, schwarzen T-Shirt. Und trotzdem sah es verdammt gut an ihm aus.

 

“Wir sollten gehen, ich komme sonst zu spät”, meinte er etwas gestresst.

 

“Oh.. Ja, natürlich”.

 

Bevor ich die Tür aufmachen konnte, klopfte es. Ein sichtlich überraschter Mason stand vor mir, im Gepäck ein noch überraschter Cole. “Was machst du hier?”, fragte Cole auch schon.

 

“Ich war auf dem Weg nach Hause”, antwortete ich ihm.

 

“Soso?”, er zog seine Augenbrauen hoch.

 

“Um diese Uhrzeit? Du .. hast du hier geschlafen? In Cedrics Zimmer”

 

Ich verdrehte die Augen. “Ja. Wir hatten eine verdammt leidenschaftliche Nacht, wenn es das ist was du hören willst”, meinte ich sarkastisch.

 

Ich verdrängte den Wunsch, dass dies hätte wirklich passieren sollen.

 

“Um ehrlich zu sein, war das genau was ich nicht hören wollte”, brummte er. War er nur so blöd oder tat er nur so?

 

“Ja ich und die Couch, es war echt heiß”.

 

“Wie?”, hakte er nach.

 

“Ich hab auf seiner Couch geschlafen, bei mir wurde gestern eingebrochen.  Und jetzt muss ich nach Hause, Sachen packen. Nachher fahre ich zurück nach Roseville”.

 

“Wieso denn?”, Masons Neugier war gepackt.

 

“Familienangelegenheit”, umschrieb ich es grob. Gott sei Dank fragte er nicht weiter nach.

 

“Ihr solltet los, sonst kommt ihr zu spät”, erinnerte ich die drei an ihren Termin.

 

“Scheiße”, murmelte Cedric und sah auf seine Armbanduhr.

 

“Fahr nicht weg, bevor wir uns nicht verabschiedet haben,okay?”, Cole sah mich mit einem Schmollmund an.

 

“Ich fahre um 15 Uhr hier los. Falls ihr hier seit, bin ich entweder in der Lobby.. oder bei den Parkplätzen im Hintereingang. Vorne ist es ja immer so voll wegen euren Fans”.

 

Wir verabschiedeten uns, die Jungen wollten noch zu Leon ins Zimmer und ich stolzierte zu den Aufzügen.

 ~*~*~*~*~

 

Mit mulmigem Gefühl stand ich vor der geschlossenen Türe.

 

Hatte ich überhaupt einen Schlüssel dabei? Bevor ich anfing, mich über mich selber aufzuregen, schaute ich hoffnungsvoll in meine Tasche. Vielleicht lag sie ja dort?Und tatsächlich! Wie kam er nur da rein? Hatte Cedric sie mir reingesteckt?Oder litt ich langsam an Demenz?

 

Ich schlich in die Wohnung. In mir keimte die Angst auf. Schließlich wusste ich nicht, wer eingebrochen war. Ob es ein Nachbar war, der nur auf meinen Rückzug wartete, um mir hier wer weiß was antun wollte.. Immerhin waren hier gestern viele Polizisten.. Ich als Einbrecher hätte Angst, gefunden zu werden.Aber womöglich waren es auch Fremde, die ohne Grund meine Wohnung gewählt hatten.

 

Ich wusste es einfach nicht.

 

Ohne mich desweiteren in der Wohnung umzusehen, nahm ich mir meine zwei zerwühlten Koffer zur Hand und schmiss alles was drinnen war raus, um es noch ein mal ordentlich einzupacken.

 

Kleidung. Uniunterlagen. Bilder. Geld besaß ich kaum noch.

 

Letztenendes hatte ich doch die Wohnung aufgeräumt, zumindest, so gut es ging.

 

Ich wollte dem Vermieter keinen Herzinfarkt verpassen. Auch, wenn ich ihn nicht sehen würde..

Darum sollte sich Sven kümmern, ob er nun wollte oder nicht. Wenn ich hier abschließen musste, dann richtig. Dann wollte ich auch nicht mehr an das alles hier erinnert werden und mich ewig mit irgendwelchen Mietverträgen und Nachmietern beschäftigen.

 

Um 14 Uhr hielt ich es nicht mehr aus. Mit einem Koffer links und einem Trolli rechts, verlies ich diese Wohnung. Ob ich glücklich oder traurig sein sollte? Keine Ahnung. Es waren gemischte Gefühle.

 

Und mit welchem Mut ging ich jetzt wieder ins Hotel? Ich verstand mich selber nicht!

 

Wer lief mit seinen Koffern zum Arbeitsplatz, wo man urplötzlich gekündigt hatte und die Geschäftsführung stresste, die jetzt schnell einen Ersatz finden musste? Ich.

 

Kurze Zeit später stand ich an den Parkplätzen und wartete. Sven würde frühestens in einer halben Stunde kommen und eigentlich würde ich lieber drinnen sitzen. Aber mit einem Male hatte ich keinen Mut mehr. Sollte es mir nicht egal sein jetzt Frau Jackson oder irgend einen reichen, anzugtragenen Schnössel zu begegnen?

 

Sollte es. War aber nicht so. Ich hoffte nur, er würde gleich raus kommen und mich nicht drinnen suchen.

 

Immerhin hatten wir keinen Treffpunkt ausgemacht, geschweige denn gesagt, ich würde überhaupt mitkommen.

 

Ein großer, schwarzer Wagen fuhr die Einfahrt hoch. Die Jungs stiegen aus. Wie automatisch klebten meine Augen an Cedric, sobald sie ihn erblickten.

 

Ich wollte mir dieses Bild einprägen, damit ich ihn nicht vergaß. Aber ich sollte es nicht!

 

Ich sollte lieber vergessen.

 

Er lachte, der tiefe, wohlklingende Ton seiner Stimme lies mich erschaudern. Cole stand an der Seite und funkelte ihn böse an, tritt gegen Cedrics Arm. Er machte sich wohl über Cole lustig.

 

Das Szenario, welches sich vor mir spielte, wirkte so anders. So anders als meine Welt.

 

“Ariana!”, Cole hatte mich bemerkt und lief mit schnellen Schritten auf mich zu.

 

“Hey”, ich lächelte ihn vorsichtig an.

 

“Bevor ich es vergesse, ich verlange nach deiner Handynummer”, meinte er ernst.

 

“So charmant wurde ich ja noch nie nach meiner Handynummer gebeten”, antwortete ich sarkastisch.

 

“Das hier ist keine Bitte. Das ist ein.. sagen wir, Befehl”, er zwinkerte mir kess zu.

 

Ich zog meine Augenbrauen hoch. “Ahja. Ein Befehl?”.

 

Er nickte. “Gut, dann gib mir dein Handy”.

 

Cole reichte mir sein Handy rüber und ich tippte fix meine Nummer ein.

 

“Damit ich sicher bin, dass du mich nicht verarscht..”, er drückte auf die grüne Taste und im nächsten Moment klingelte mein Handy.

 

“Nicht, dass du gerade eine zusammenhanglose Reihe von Zahlen eingetippt hast”.

 

Ich lachte leise. “Keine Sorge. Würde ich nie tun”.

 

Verkrampft versuchte ich nicht zu Cedric zu sehen, der genau neben Cole stand.

 

Mittlerweile hatte sich auch Mason und Leon zu uns gestellt. Der Typ war mir immer noch unheimlich. Er konnte mich nicht leiden. Es sah sogar aus, als ob er mich hassen würde.

 

“Na kleine. Du gehst also wirklich?”, begrüßte Mason mich. “Sieht so aus”.

 

“Nur zwei Koffer?”, fragte er verwundert. Ich nickte. “Nicht schlecht für ein Mädchen”, anerkennend schlug er mir über die Schulter.

 

“Nicht wahr?”.

 

“Naja, ich muss dann auch schon hoch. Ich hab eine Fitnessstunde gebucht, die fängt demnächst an. Wir haben ja jetzt deine Nummer. ”, Mason drückte mich kurz und nachdem er sich verabschiedet hatte, waren er und Leon ins Hotel gelaufen.

 

“Echt schade, dass du wegziehst. Wir haben nicht Mal zusammen gefeiert!”, beschwerte Cole sich.

 

Ich zuckte mit den Schultern. “Blöd gelaufen”.

 

“Keine Sorge. Wenn wir Mal bei Gelegenheit in deiner Nähe sind, statten wir dir einen Besuch ab”.

 

“Wow. Vielen Dank. Ich fühle mich so geehrt”, meinte ich ironisch.

 

“Solltest du auch! Ich bin Cole Brown. Letzte Woche in den Platz 15 der heißesten Junggesellen Amerikas”, erzählte er stolz.

 

“Beeindruckend!”

 

Coles Handy klingelte. “Meine Mom”, genervt verdrehte er die Augen und lief von uns weg.

 

Verdammt! Warum musste seine Mutter jetzt anrufen?! Ich wollte nicht mit Cedric alleine sein!

 

“Ich müsste auch langsam los”, durchbrach er die Stille.

 

Ich sah ihn an. Seine blauen Augen sahen genau in meine. Seine Wange wurde von seinen Bartstoppeln verziert und seine Lippen presste er aufeinander.

 

“Okay..”, ich nickte leicht, wusste nicht darauf zu antworten.

 

Cedric nahm mich plötzlich in den Arm. Fest. Seine Arme schlang er sachte um meinen Hals, so dass sich mein Gesicht in sein Shirt vergrub. Das hier war keine normale Umarmung zum Abschied wie bei Mason. Das war innig. Und zu lang. Ich kämpfte gegen den Drang, meine Augen zu schließen und seinen Duft zu inhalieren.

Mit all der Willensstärke die ich aufbringen konnte, drückte ich mich von ihm ab.

 

“Danke nochmal. Du warst mir gestern eine große Hilfe”.

 

“Das hast du jetzt oft genug wiederholt”, meinte er leicht grinsend.

 

“Ja.. egal. Ich will nur, dass du das weißt”.

 

“Bevor ich gehe, habe ich noch eine Frage an dich”, seine Stimme hatte einen ernsten Ton angenommen.

 

 

“Kanntest du mich wirklich nicht?”

 

Ich schüttelte den Kopf. “Ist dir das so wichtig?”

 

“Es ist ein seltener Fall, deswegen. Mir hatte es gefallen, dass du von Anfang an normal mit mir geredet hast. Ohne zu wissen, wer ich bin. Und ohne.. ich will nicht eingebildet klingen, aber ohne dich an meinen Hals geschmissen zu haben”.

 

 

"Zwei Minuten kenne ich Sie und am liebsten würde ich Ihnen ins Gesicht spucken”.

Meine Augen konnten einfach nicht von ihm ablassen. Warum? Nur weil er gut aussah? Oder weil mich sein Charakter immer wieder erstaunte und Cedric so viele Facetten zu haben schien? Dabei hatten wir nicht Mal besonders viel Zeit miteinander verbracht..

 

“Ari”, ich hörte von weitem Svens Stimme rufen. Er kam mit seinem Koffer in der Hand zu uns rübergelaufen. Wieder trug er einen Anzug, was ihn viel zu streng wirken lies. Zu Autoritär. Aber genau so wollte er wirken.

 

Ich war immer noch sauer auf ihn. Weil er mich erpresst hatte. Weil er mich zu einer Wahl gezwungen hatte. Sowas machte man doch nicht! Vor allem nicht mit der einzig zurück gebliebenen aus der Familie.

 

Kritisch begutachtete er Cedric.

 

“Hallo”, meinte dieser unbeeindruckt.

 

“Sag Mal, bist du nicht Cedric Wesley?”, fragte mein Bruder abschätzend.

 

“Doch. Ein Problem damit?”

 

Zehn Sekunden standen sich die zwei gegenüber und schon funkelten sie sich böse an.

 

“Nein. Jetzt husch husch, versuch erst gar nicht meine Schwester anzugraben”, meinte er streng.

 

“Sven. Er hat gar nichts getan”, motzte ich ihn an.

 

“Wie auch immer”, seine ernste Stimme konnte er sonst wo hin stecken.

 

“Ich habe mich nur von ihr verabschiedet, da ihr Bruder sie gegen ihren Willen abschleppt. Kein Grund zur Sorge”.

 

“Was geht dich das an, was ich mit meiner Schwester mache? Kümmer dich lieber um die kleinen Mädels vor dem Hotel. Durch die ganze Schreierei war es mir nicht möglich zu arbeiten”.

 

Cedrics Kiefer spannte sich an. “Ich frage mich wirklich, wie Ariana es mit Ihnen aushält. Zwei Minuten kenne ich Sie und am liebsten würde ich Ihnen ins Gesicht spucken”.

 

Mit geweiteten Augen konnte ich nicht fassen, was er gerade gesagt hatte.

 

Plötzlich packte mich Sven am Arm. “Wir gehen”, befahl er mit eisiger Stimme.

 

Ich wusste, dass es ihm gerade eine Menge Überwindung kostete, um nicht auf den Blonden Sänger loszugehen.

 

 “Jaja. Nehmen Sie sie einfach mit. Sie ist schließlich ein 19 jähriges Spielzeug”, Cedric provozierte Sven ununterbrochen. Er hätte lieber damit aufhören sollen.

 

“Cedric. Schon gut”, versuchte ich ihn aufzuhalten. Das würde sonst böse enden.

 

“Von einem Kerl in einer rosaroten Welt brauche ich mir wohl nichts sagen. Das Leben läuft anders, als du denkst. Werd' erst erwachsen, dann kannst du mich von der Seite belehren”.

 

Cole rannte zu uns rüber, er hatte die Situation mitbekommen.

 

“Hey, ganz ruhig. Ariana, Cedric und ich gehen jetzt lieber hoch. Ich melde mich bei dir”.

 

Ich war noch nie so froh, Cole zu sehen. Dankbar lächelte ich ihn an. Widerwillig lief Cedric mit Cole ins Hotel. Natürlich nicht ohne Sven ein paar tödliche Blicke zuzuwerfen.

 

Toll. Jetzt hatte Sven schlechte Laune und an wen würde er sie letztendlich ablassen? An mir.

 

Bis wir im Taxi saßen, sprach er kein Wort mit mir. Und ich versuchte auch gar nicht erst, irgend ein Gespräch anzufangen.

 

“Woher kennst du den Kerl?”, Sven sah mich an. Und zwar mit keinem liebevollen Blick.

 

“Ich hab in dem Hotel gearbeitet, bis du für mich gekündigt hast. Schon vergessen?”, meinte ich zickig.

 

“Hattest du was mit ihm?”, in seinem Gesicht hatte sich eine Zornesfalte gebildet. Kaum zu glauben, dass mein Bruder erst 26 war.

 

“Nein,verdammt”, schrie ich ihn an.

 

“Sprich nicht in diesem Ton mit mir”.

 

“Dann hör auf dich in mein Leben einzumischen. Wenns dir passt entscheidest du für mich und wenn alles nach deiner Nase läuft, lässt du dich ein halbes Jahr nicht blicken! Und sobald ich versuche, mir selber etwas aufzubauen, versaust du mir es. Was soll das?”, mein Ausbruch bekam auch der Taxifahrer mit, der mich kritisch beäugte.

 

“Es ist nur zu deinem Wohl”, antwortete er beherrscht ruhig.

 

“Komm mir nicht mit Wohl,Sven. Überall geht es mir besser als in Roseville. Das Leben dort macht mich kaputt, verstehst du es nicht?”

 

“Wohin sollst du denn sonst hin? Hm? In Roseville sind so viele Leute die dich kennen, die auf dich aufpassen würden. Es ist klein und du kennst dich dort aus. Wohin solltest du denn sonst hin?”, auch seine Stimme wurde lauter.

 

“Wie wärs dorthin, wo mein Bruder ist? Ist dir das Mal in den Sinn gekommen? Nein, natürlich nicht. Du blendest alles aus, Hauptsache Sven und seine Arbeit, in die er sich vergraben kann”.

 

“Ari.. Chicago ist so groß.. Und .. es ist nicht so das ich dich nicht bei mir möchte, aber ich habe einfach keine Zeit um auf dich aufzupassen”.

 

“Sven, ich weiß ja nicht in welcher Traumwelt du lebst, aber in Roseville bin ich genauso auf mich alleine gestellt, wie in New York oder wie nachher in Chicago. Auf mich passt dort auch keiner auf. Ich lebe dort genauso mein Leben und bin für dieses verantwortlich. Hier habe ich wenigstens angefangen, wieder lebendig zu werden. Macht es dir so viel Spaß, mich unglücklich zu sehen?"

 

Das hatte gesessen. Sven wusste im ersten Augenblick nicht darauf zu antworten. “Nein. Du bleibst in Roseville”.

 

Gut. Dann würde ich halt zurück nach Roseville. Der klügere gab nach. Aber er sollte nicht erwarten, dass ich ihn noch mit dem Arsch anschauen würde.

 

Ich sah aus dem Fenster und verschränkte meine Arme über meiner Brust.

 

In den nächsten 6 ½ Stunden hatte ich Sven ignoriert. Ihn weder angeschaut, noch auf seine Fragen geantwortet, noch auf seine Anweisungen reagiert. Letztendlich hatte er es aufgegeben. Bei der Gepäckabgabe – vor dem Passchalter – im Flugzeug – im Auto.

Ich war alleine. Sven war nur ein Stück Luft.

Stalking time.

Mit einem mulmigen Gefühl stand ich vor unserem Haus. Das es so schnell ging, hätte ich niemals gedacht. Etwas mehr als ein Monat war vergangen, vielleicht sechs Wochen, sieben Wochen.

 

Lächerlich.

 

Ich dachte wirklich, ich könnte es schaffen, aber ich war zu naiv.

 

Es war kälter als in New York, weshalb ich mir mein Cardigan fester um den Körper zog.

 

Sven stand vor mir, versuchte mit dem Schlüssel die Tür zu öffnen. Obwohl ich nur für kurze Zeit weg war, kam mir das Haus fremd vor. Als ob ich seit Monaten nicht mehr hier gewesen war. In keinem Fall konnte ich mir vorstellen, weiterhin hier zu leben.

 

Ein neuer Plan musste her.

 

Ich stieg hoch in mein Zimmer. Nichts hatte sich hier verändert, absolut nichts.

 

Bis auf mir.

 

Meine Füße maschierten zu meinem Bett, müde lies ich mich darauf plumsen. Die Vitrine, mit den Bildern meiner Eltern standen genau gegenüber von mir. Tief seufzte ich auf.

 

Das morgendliche Gedrängel auf den Straßen, die vollen Subways, die Arbeit im Hotel, das Bulimielernen vor den Klausuren. Das war eine absolut ganz andere Welt, wie diese hier.

 

Und eins konnte ich sagen: Ich bevorzugte mein stressiges Leben. Weil ich mich wenigstens etwas lebendig fühlte.

 

Aus meiner Tasche kramte ich mein Handy raus. Eine neue Nachricht. Hey Ariana, wenn du angekommen bist, schreib mir zurück. Ich hoffe, dein Bruder hat dich nicht aufgefressen. Cole.

 

Ein leichtes lächeln zierte meine Lippen. Wäre diese Nachricht von Cedric gewesen, hätte ich wohl Luftsprünge gemacht.

 

Hey. Bin eben angekommen, alles gut. Könntest du mir bitte einen Gefallen tun? Könntest du einen meiner Arbeitskolleginnen, Klara, ausrichten, dass ich zurück in Roseville bin? Sie soll sich keine Sorgen machen. 

 

Immerhin hatte die Arme mich gestern weinend gesehen und dann war ich plötzlich nicht mehr da!

Es klopfte an meiner offenen Zimmertüre. Sven stand vor mir, seine Krawatte gelockert, die obersten Knöpfe seines weißen Hemdes geöffnet, in seiner Hand ein Glas Wiskey.

 

“Können wir vernünftig miteinander reden?”, versuchte er es in einem versöhnlichen Ton.

 

Sobald mein großer Bruder so mit mir sprach, konnte ich einfach nicht mehr sauer sein. Dann bröckelte mein Widerstand einfach. Ich nickte.Sven nahm sich meinen Schreibtischstuhl und platzierte ihn genau gegenüber von mir. Nachdem er sich hingesetzt hatte, fuhr er sich mit einer verzweifelten Geste über die Haare.

 

“Es tut mir Leid”, entschuldigte er sich und sah mich aus seinen braunen Augen an. Die hatten wir beide von meiner Mom geerbt. “Ich weiß, dass ich dich nicht hätte vor eine Wahl stellen sollen, aber .. ich musste etwas tun, damit du nicht dort bleibst. Sieh dich an, du bist ein junges Mädchen, verloren in einer Großstadt. So schön und unschuldig. Und nach all dem was du erlebt hast, kann ich es doch nicht zulassen, dass dir wieder etwas schlimmes passiert”, versuchte er mir sein Verhalten zu erklären.

 

Ich leckte mir über die trockenen Lippen. “Ich.. wieso.. wenn du dich so sehr um mich sorgst.. wieso bringst du mich dann hier her? Wie oft soll ich dir noch sagen, dass ich mich hier unwohl fühle? Das ich es überall aushalte, aber nicht hier?”

 

“Roseville ist ein kleines Städtchen, hier bist du sicher. Ich will nur, dass du in Sicherheit bist. Ich will nur das Beste für dich Ari”.

 

Ich schüttelte den Kopf. “Roseville soll sicher sein? Sind Mom und Dad nicht etwa hier gestorben?”

 

Sven wischte mir die Träne weg, die über meine Wange rollte. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich angefangen hatte zu weinen.

 

“Komm her”, flüsterte er sanft und nahm mich in den Arm.“Weißt du, dass ich dich nicht ein Mal seit Mom und Dads tot hab weinen sehen?”

 

Ich schluchzte auf. Ja, ich hatte mir vorgenommen, nicht vor anderen Menschen zu weinen, weil ich Mitleid einfach hasste. Und weil ich Sven keinen Kummer bereiten wollte. Aber.. in letzter Zeit hatte mich offensichtlich jeder weinen sehen. Klara, Leon.. und  vor allem Cedric.

 

“Du musst nicht alles in dich hineinfressen”, Sven fuhr mir sachte über die Haare.

 

“Ich bin so sauer auf dich, Sven”, schluchzte ich. Er nahm mich noch fester in den Arm.

 

“Ich bin so sauer. Wieso hast du mich auch noch alleine gelassen,hm? Du hast doch immer versprochen, mich zu beschützen”. Eigentlich hatte ich mir geschworen, diese Worte nie auszusprechen. Immer hatte ich versucht, Verständnis für Sven zu zeigen.. aber in mir hatte sich so viel aufgestaut, ich musste es einfach loswerden.

 

“Ich weiß, es tut mir Leid, Ari”, flüsterte er und gab mir einen Kuss auf die Stirn. Weinend krallte ich mich an seinem Hemd fest.

 

Ich heulte zu viel. Ich heulte einfach viel zu viel. Man.. Als mir bewusst wurde, dass ich erst gestern um diese Uhrzeit in Cedrics Armen so sehr geweint hatte, lies ich prompt von Sven ab.

 

Hastig wischte ich mir über die Augen. “Tut mir Leid, ich wollte nicht weinen”.

 

Sven grinste mich schief an. “Dafür bin ich doch da, kleine Schwester”.

 

“Du kommst mir nicht vor wie ein großer Bruder. Eher, wie ein Mann mittleren Alters, der schon zwei Kinder großgezogen hat. Im Ernst Sven.. du musst lockerer werden”.

 

“Das las meine Sorge sein”.

 

Ich nickte. Man konnte ihm nicht helfen. Das hatte ich schon längst aufgegeben. “Sven.. kümmerst du dich um die Sache mit der Wohnung?”.

 

“Ja.. meine Sekretärin kümmert sich darum”.

 

“Gut..” Die Sache mit dem Einbruch wollte ich ihm nicht erzählen. Vielleicht würde er es irgendwann selber rausfinden, aber von mir sollte er nichts erwarten.

 

Die ganze Nacht konnte ich kein Auge zudrücken. Nicht nur dieser ereignisreiche Tag war Schuld daran, sondern vor allem der blonde Sänger.

 

Mit geschlossenen Lidern sah ich ihn genau vor meinem inneren Auge.. Ein freches Grinsen auf seinen Lippen, im nächsten Moment die besorgten  blauen Augen.  Als ich daran dachte, wie ich in seinen Armen lag.. an die Umarmung, fing alles in mir an zu kribbeln. Das war doch so verrückt! Vor allem, weil ich ihn warscheinlich nie mehr wiedersehen würde. Ein Monat Europa.. und wer weiß ob sie dann nicht noch in Asien touren würden.

 

Bis jetzt hatte ich keinen einzigen Song von ihnen gehört.Ich stand auf und schnappte mir meinen Laptop. Meine Ohrstöpsel steckte ich in das passende Loch am Laptop. Sven musste ja nicht alles mithören.. Hastig tippte ich über die Tasten.Cedric Wesley

 

Das Internet quoll über mit Informationen.Unzählige Bilder, unzählige Interviews und Videos. Ich klickte auf ein Konzertvideo.

 

800.000 Klicks.

 

Cedric stand vorne, die ersten Sekunden war nur das Gekreische der Mädchen neben der Bühne zu hören. Es waren mehrere Tausend Leute im Saal verteilt. Securitymänner waren damit beschäftigt, die Meute zurück zu halten.

 

“Und jetzt kommt der letzte Song für diesen Abend. Wir haben ihn noch nie zuvor öffentlich performt. Es ist in unserem nächsten Album zu hören. Viel Spaß mit Broken Strings”, Cedric sah kurz zu Mason, der als erster anfing zu spielen. Gefolgt von Leon am Schlagzeug.

 

Der Moment, andem ich Cedrics Stimme hörte, war einfach unglaublich. Mein gesamter Körper zog sich über mit  Gänsehaut.

 

Seine tiefe, gefühlvolle Stimme halte in meinen Ohren.

 

Ich war so paralysiert, einfach wie gelähmt. Ich wusste nicht was mit mir geschah.

 

“Wake me up, when you arrive. Without you my strings are broken. I don't care what the others say. At least I just want you by my side”.

 

Ich saß hier bestimmt zwanzig Minuten und hörte mir den Song immer wieder an. Sah mir immer wieder Cedric auf meinem Bildschirm an.

 

Hatte Cedric den Song geschrieben? Oder hatte vielleicht sein Management den Song geschrieben?My Strings are broken? Seine Saiten waren gebrochen? Von was sprach er da? Die Saiten seiner Gitarre?

Ich wusste nicht, was ich denken sollte.

 

Nur.. wollte ich am liebsten jetzt bei ihm sein und ihn bitten, für mich zu singen. Diese wunderbar tiefe, raue Stimme hören. In was hatte ich mich denn da reingeritten?

 

Bei unserem ersten Treffen hätte ich niemals damit gerechnet, dass dieser blonde Typ, der sich über meine angeschwollenen Beine lustig gemacht hatte, ein Weltstar war. Eigentlich war es mir nicht Recht, dass er berühmt war. So viele Millionen andere Mädchen kannten ihn also. Wer wusste, wie viele tausend Zimmer mit seinen Postern voll war?Was für Tagträume sie von Cedric hatten? Dieser Gedanke machte mich eifersüchtig.

Dabei war ich doch kein Stück besser als die! Ich zählte nun wohl auch nur zu den Mädels, die ihn nur noch von weitem anhimmeln konnten.

 

Traurig klappte ich meinen Laptop zu.Ich musste mir den Kerl vom Kopf schlagen, und zwar sofort!

 

Mehr als vier Stunden Schlaf hatte ich leider nicht abbekommen. Das rumwälzen im Bett verbesserte die Situation leider nicht. Ergeben stand ich letztendlich auf und schlenderte runter ins Wohnzimmer.

 

Sven war bereits wach und kritzelte in irgendwelchen Unterlagen herum.

 

“Morgen”, murmelte ich und lief in die Küche. Ein starker Kaffee war bitter nötig.

 

Mit meiner dampfenden Tasse lies ich mich aufs Sofa fallen. “Du scheinst wohl eher nicht gut geschlafen zu haben”.

 

Ich schüttelte den Kopf und nippte an meiner Tasse.

 

“Mein Flug geht in drei Stunden. Ich muss also demnächst los”.

 

Ungläubig blickte ich ihn an.

 

Er wollte mich also hier alleine lassen. Den Protest schluckte ich einfach runter, stattdessen nickte ich brav. Warscheinlich wollte Sven mich nicht in seiner Nähe haben, aber aus reinem Mitleid sprach er es nicht aus. Ich sollte mich damit abfinden.

 

“In Detroit wäre eine Uni bereit, dich aufzunehmen. Du brauchst ungefähr 40 Minuten bis dorthin”.

 

Wieder nickte ich stumm.

 

“Weißt du überhaupt noch, was ich studiere?”

 

“Em.. irgendwas Marketing war es ..”

 

Ich war gekränkt. “Wenn du doch halb so viel über mich wüsstest, wie über deine Geschäftspartner. Medienmanagement, großer Bruder”.

 

Ich nahm meine Tasse in die Hand und lief wieder hoch in mein Zimmer. Lieber wälzte ich mich in meinem Bett als von Sven jedes Mal einen neuen Tritt in die Magengrube zu bekommen.

 

Arschloch.

 

Eine Stunde war vergangen und Sven kam hoch in mein Zimmer um sich zu verabschieden.

 

“Ari, wie wäre es, wenn wir einen Kompromiss machen?” Verwundert schaute ich ihn an.

 

“Bring dein erstes Semester hier zu Ende und dann kannst du zu mir ziehen.”

 

“Ich hab schon verstanden, dass du mich nicht gerne bei dir hast. Es ist in Ordnung, du brauchst aus Mitleid nicht so was machen”.

 

Sven holte tief Luft ein. “Wie kommst du auf so einen Gedanken? Natürlich will ich dich in meiner Nähe. Aber es ist eben nicht so einfach”.

 

“Schon gut. Du brauchst nichts erklären”.

 

“Können wir uns wenigstens richtig verabschieden?”

 

Ich zuckte mit den Schultern und stand auf um mich in eine Umarmung ziehen zu lassen.

"Die veranstalten einen Sexmarathon wie es aussieht".

 Es war Montag und ich hatte noch zwei Tage, bis ich offiziell auf die Uni in Detroit gehen konnte.

Sven war abgereist und nun war ich wieder dort angelangt, wo ich vor einigen Wochen bereits war.

 

In einem kleinen Kaff der mich zum Durchdrehen brachte.

 

Am Mittag beschloss ich einkaufen zu gehen. Ich hatte es nicht weit vom Markt, weshalb ich mich zu Fuß auf den Weg machte.

 

Roseville war klein – und die Gegend in der ich wohnte, da kannte jeder jeden. Mich kannte man, mich und meine Geschichte. Wer weiß welche Gerüchte nun herumschwirrten. Wieso ich abgehauen war und vor allem – wieso ich wieder zurück war.

 

Ihre Blicke brannten sich in meine Haut ein, aber das war ich ja schon gewohnt. In New York war das nicht so. Da war ich untergetaucht zwischen den ganzen Tausend Leuten und es hatte mir gefallen.

 

“Ari? Ari!”, hinter mir wurde nach meinem Namen geschrieen. Meine Freundin Ella war zu sehen. Ich blieb stehen. Sie rannte auf mich zu und funkelte mich schon bedrohlich an. Ella war neben meinem Bruder eines der wenigen Menschen, die mir etwas bedeuteten.

 

“Du, du kleine miese Kröte! Wieso hast du dich nicht gemeldet! Echt, ich dachte dir sei was zugestoßen”, Ella nahm mich in den Arm und zerdrückte mich.

 

“Tut mir Leid”, war das einzige was ich zu Stande bringen konnte. Ich wusste, dass es mein Fehler war. Ella war die letzte Freundin die ich hatte, alle hatten sich von mir abgewendet.. Vermutlich auch weil ich so abstoßend war, aber Ella hatte mich ausgehalten. Und ich war nach New York abgehauen, dass wusste sie zwar, aber ich hatte mich nur ein Mal gemeldet und ansonsten nie auf ihre Nachrichten reagiert.

 

Ich war wirklich mies.

 

Mit ihren grünen Augen fixierte sie mein Gesicht. “Ist alles in Ordnung? Oh du hast geweint, warum? Wie gehts dir? Was ist passiert? Ari, du schuldest mir noch eine lange, lange Erzählung”.

 

Schuldbewusst sah ich sie an. “Ich weiß”.

 

Wir saßen in einem Caffee und hatten eben bestellt. “Also. Los”.

 

Etwas nervös knetete ich an meinen Fingern. “Gut..Em.. Es tut mir Leid, dass ich mich nicht mehr gemeldet habe.. aber ich war so beschäftigt in New York. Morgens musste ich in die Uni und dann musste ich danach fast täglich im Hotel arbeiten und.. zwischendrinn noch irgendwie lernen und einkaufen.. ich hatte keine Sekunde zum Atmen”.

 

Kritisch begutachtete die Blondine mich.

 

Ich hatte nicht wirklich an sie gedacht. Wie denn auch, meine Gedanken waren voller Cedric Wesley.

 

“Wieso bist du denn so früh zurück? Wurde es dir zu viel?”

 

Ich schüttelte seufzend den Kopf. “Sven hat mich irgendwie aufgespürt und war plötzlich in New York. Und dort hat er mich vor eine Wahl gestellt, entweder ich bleibe dort und höre nie wieder etwas von ihm oder ich komme zurück”.

 

Ella nickte wissend. “Und du hast dich für deinen Bruder entschieden?”

 

“Nicht ganz.. Am selben Tag wurde bei mir eingebrochen.. mein ganzes Geld war weg und die Wohnung demoliert.. Ich wäre in dem Monat nicht über die Runden gekommen..”

 

“Lass mich raten, Sven weiß nichts davon?”

 

“Nein.. er wird es aber bestimmt herausfinden, schließlich ist er Sven”.

 

Eine Kellnerin brachte uns unsere zwei großen Plastikkaffebecher. Als ich den Aufruck des Bechers sah, weiteten sich meine Augen. Wieso waren die Jungs da abgebildet?

 

“Sag Mal.. Wie lange schon sind die Typen auf den Pappbechern?”, fragte ich Ella so beiläufig wie möglich.

 

Ella sah mich irritiert an. “Das ist doch ein Scherz,Ari”, sie nahm sich ein Schluck ihres Getränkes.

 

Als ich nicht antwortete, sah sie mich kritisch an. “Seit über einem halben Jahr. Wir haben doch oft über Back-Up geredet? Ari, du solltest dich auf Demenz untersuchen lassen”.

 

Über ein halbes Jahr? In einem halben Jahr war ich mindestens zwanzig Mal hier gewesen. Es konnte nicht sein, dass mir die Jungs davor nie aufgefallen waren. War ich wirklich so durchs Leben gegangen, seit Mom und Dads tot? Bekam ich rein gar nichts mit?

 

“Ja, stimmt. Ich erinnere mich”, log ich Ella an.

 

Kurzerhand beschloss ich, ihr nichts von den Jungs zu erzählen. Es war besser so.

 

“Was hast du heute noch vor?”, Ella begutachtete ihren Becher. Falls sie gerade Cedric anschaute, sollte sie damit aufhören! Bei den anderen war es mir egal. Oh Gott, ich musste mich zusammenreißen. Was waren das für dumme Gedanken?

 

“Erst einkaufen und dann.. will ich das Grab meiner Eltern besuchen”.

 

Ellas Gesicht wurde sanfter als ich auf meine Eltern zu sprechen kam.

 

“Soll ich mitkommen?”

 

“Nein,danke. Ist schon gut”.

 

Zusammen mit Ella gingen wir noch einkaufen und sie half mir, die Tüten bis ins Haus zu bringen.

Sie war so lieb und ich hatte sie einfach fast komplett aus meinem Leben gestrichen in diesen kurzen Wochen.

 

“Wir sehen uns Morgen”, verabschiedete sie sich und lies mich alleine zu Hause zurück.

 

~*~*~*~*~

 

Eigentlich dachte ich, ich würde lange Zeit nicht mehr hierherkommen. Aber das Leben hatte Mal wieder anders für mich entschieden. Jetzt saß ich wieder am Boden und sah mir die Grabsteine an.

 

“Ich bin wieder zurück”, sprach ich zu meinen Eltern. Tief in meinem inneren war ich überzeugt, dass die beiden mich hörten. “Sven hat mich zurückgeschleift”.

 

Ich seufzte und sah mir die Bilder am Grabstein an, auf denen jeweils die Gesichter meiner Eltern draufgedruckt war. Meine größte Angst war es, zu vergessen wie sie aussahen. Vielleicht nicht heute, aber irgendwann in den nächsten Jahren.

 

“Bald sind es drei Jahre, ich kann es nicht fassen”, murmelte ich.

 

Die Blumen legte ich auf die Erde und lies meinen Gedanken freien Lauf. Wie hätte mein Leben ausgesehen, wenn die beiden noch hier wären? Fragen über Fragen, die man nie beantworten konnte.

Nach einer Weile verließ ich den Friedhof wieder. Mein Besuch war kurz, aber ich wollte nicht mehr trauern. Es war Zeit nach vorne zu sehen.

 

Am Abend lag ich im Bett, auf meinem Schoß mein Laptop verfrachtet. Und was hatte ich getan? Ich hatte mir schon wieder dieses dämliche Video angeschaut. Das war wie ein Drang, ich konnte gar nichts dagegen tun. Es beruhigte mich auf eine gewisse Weise und wie dumm es auch klang, ich fühlte mich Cedric nah. Vermisste ich den Typen? Ja, es sah so aus. Dabei waren doch gerade Mal zwei Tage vergangen. Doch ich schwor mir, nur dieses eine Video zu schauen. Niemals würde ich den Klatsch und Tratsch lesen. Zum Einen weil ich nicht wusste ob es der Wahrheit entsprach und zum Anderen wollte ich mich selber schützen. Er war berühmt, in seinem Liebesleben wurde bestimmt ununterbrochen rumgeschnüffelt und das wollte ich mir nicht antun!

 

Stattdessen suchte ich nach seiner Freundin.. oder Bettgefährtin. Wie man's eben nannte.

Ich tippte Cedric Wesley und Cheryl ein und tatsächlich kam ihr Name als Vorschlag. Cheryl Griffin. Unzählige Bilder der schönen Rothaarigen schossen auf meinen Bildschirm.

 

Verdammt sah sie gut aus! Ich hätte sowieso keine Chance gehabt.

 

Ich schlug mir auf den Schädel. Warum um Gottes Willen stalkte ich sie? Ich war doch nicht so! Was tat dieser Kerl mit mir? Das musste sofort aufhören! Aber ich hatte mich einfach nicht unter Kontrolle.

 

Mein Handy klingelte. Ich legte meinen Laptop bei Seite und eilte stattdessen zu meinem Tisch, aufdem es vibrierte. Cole.

 

“Ja?”

 

“Na Zuckermäusschen, hast du mich vermisst?”, ich konnte mir Coles selbstgefälliges Grinsen vorstellen, ohne ihn sehen zu müssen.

 

“Wenn du nur wüsstest, ich sitze hier auf meinem Bett und verbrauche seit Stunden unzählige Packungen Tempos”, meinte ich theatralisch.

 

“Keine Sorge, ich komme dich so schnell wie möglich besuchen”.

 

Er sollte Cedric mitnehmen. “Klar doch, bist herzlich eingeladen”.

 

“Ich wollte dich nur fragen, ob du Skype hast. Ich würde gerne dein hübsches Gesicht sehen”.

 

“Cole, hör auf zu schleimen”.

 

“Ich schleime nicht, das ist die Wahrheit”

 

“Ja, gib mir deinen Benutzernamen, ich adde dich”. Schnell zog ich ein Stück Papier aus meiner Schublade.

 

“CodePRGZ”

 

“Hä,was?”

 

“So ist mein Benutzername”, erklärte Cole mir.

 

"Wieso?"

 

"Soll ich mich ColeBrown nennen? Dann würde ich ununterbrochen Anfragen bekommen. Kannst du jetzt ran?”, bat er mich.

 

“Ja, sicher”.

 

So nahm ich wieder Platz auf meinem Bett und tippte Coles merkwürdigen Namen ein.

 

Nach einer Ewigkeit der Kameraeinstellung hatte ich Cole am Monitor.

Seine braunen Haare waren nass, dadurch waren sie sogar noch länger als normal.

 

“Alles fresh, Prinzessin?”, fragte er mich.

 

“Alles in Ordnung und bei dir?”

 

“Auch. Das Hotel ist echt langweilig die letzten zwei Tage”.

 

“Wieso denn das?”

 

Cole grinste frech. “Weil du nicht mehr da bist”.

 

Ich lachte leise. “Du tust so als ob wir jeden Tag was miteinander gemacht hätten. Um ehrlich zu sein hatten wir relativ wenig miteinander zu tun”.

 

“Also ich hab dich oft genug beobachtet. Jetzt ist niemand mehr da, der in den Gängen herumrennt wie eine Gestörrte”, er fing laut an über seine eigene Aussage zu lachen.

 

“Ich hab nur meinen Job getan”, verteidigte ich mich.

 

“Ich weiß doch. Und wie ist es wieder zu Hause? Wenn du willst, hol ich dich zurück”.

 

Bevor ich zu einer Antwort ausholen konnte, klopfte es lautstark an seiner Tür.

“Herein”, schrie Cole ohne sich von seinem Computer abzuwenden.

 

Im Hintergrund wurde genuschelt, ich konnte jedoch nicht hören, wer es war oder um was es ging.

Vielleicht war es ja Cedric?

 

“Ich skype mit meiner Prinzessin”, erzählte der Bassist stolz.

 

“Ich bin nicht deine Prinzessin”, stellte ich klar.

 

“Ariana?”, Mason stellte sich zu Cole hin, so das ich sein Gesicht erblickte.

 

“Hey”, ich lächelte ihn an.

 

“Alles klar bei dir?”

 

“Such dir jemand eigenen zum Skypen, sie ist für mich reserviert”, merkte Cole an und verschränkte die Arme.

 

Ich wusste nicht, ob das was er sagte ernst gemeint war oder ob er nur so tat.

 

Anstatt auf Coles Bemerkung einzugehen, antwortete ich Mason. “Ja und bei dir?”

 

“Auch. Tut mir Leid, dass ich vorgestern einfach so schnell weg war”.

 

“Kein Problem”, ich winkte mit der Hand ab.

 

“Geh zu Cedric, husch husch”, Cole versuchte Mason aus dem Raum zu scheuchen.

 

“Der ist mit Cheryl beschäftigt. Die veranstalten einen Sexmarathon wie es aussieht. Man kann gar nicht mehr an ihrem Zimmer vorbei. Dauernd nur Gestöhne. Ich wäre gerne an seiner Stelle".  

 

Dieser Satz verpasste mir einen Stich mitten ins Herz. Hatte ich richtig gehört?Natürlich hatte ich das.

 

“Cole, ist es in Ordnung wenn ich jetzt offline gehe? Ich muss Morgen früh raus wegen der Anmeldung zur neuen Uni”, log ich ihn an. Ich wollte jetzt einfach im meinem Bett weinen und mit niemanden sprechen.

 

Niedergeschlagen sah er mich an. “Wenns sein muss”.

 

“Tut mir echt Leid, wir holen es nach. Em.. wie wärs mit Morgen? Solange kannst du doch runter und zu deinen Fans vor der Eingangshalle. Die freuen sich bestimmt auf dich”.

 

“Es regnet draußen”, meinte er schulterzuckend.

 

“Dann sag den Mädchen das sie nach Hause gehen sollen, die holen sich noch den Tod und die Eltern machen euch dafür verantwortlich”.

 

“Wie immer ist Mutter Theresa zur Stelle, wen man sie braucht”, Cole verdreht die Augen.

 

“Ach, ich denk doch nur an euch dabei. Du weißt schon, sonst kauft keiner mehr eure CD's”.

 

“Bist ja 'ne ganz Nette”, Cole wurde langsam bockig.

 

“Wir sehen uns”, verabschiedete ich mich. Ich hatte überhaupt keine Lust mehr mit irgendwem zu reden, weshalb ich die Beiden sofort abwürgte und gar nicht erst versuchte, Cole aufzuheitern. Denn mir war selber zum Heulen zu mute.

 

Wenn ich mir vorstellte, dass Cedric in seinem Bett lag und dieses Mädchen küsste..

Auf ihr lag. Sie anfasste. Ihr sagte, wie hübsch sie doch sei. 

 

Verdammt. Ich musste damit aufhören. Und zwar so schnell wie möglich. Doch wie kam man auf andere Gedanken? Ich musste mich sofort verlieben. In jemand anderen.. Lieber würde ich mich in meinen 60 Jährigen Lehrer verlieben, anstatt in einen Star, den ich nicht Mal sah!

Wahrheiten.

Meine erste Woche an der Uni hatte angefangen und meine Kommilitonen hatten mich bei meinem ersten Eintreffen in der Lesung schief angeschaut, nicht zuletzt, weil ich zu spät kam.
Mein Professor hatte mich angeschnauzt und mich zur Lachnummer des gesamten Saales gemacht. “Sie sind ein paar Wochen zu spät dran”, hatte er arrogant gemeint. Mit dem zuckersüßesten lächeln, welches ich aufbringen konnte, antwortete ich ihm. “Nein, Sir. Ich habe bloß gewechselt. Ich weiß, dass das Semester bereits vor zwei Monaten angefangen hat”. “Nun, setzen Sie sich. Von Ihnen möchte ich keinen Muchs mehr hören, ansonsten war das Ihre erste und letzte Lesung”, mürrisch sah er mich an. “Natürlich”, ich musste mich zusammenreißen um ihn nicht anzuzicken.Ansonsten war alles unspektakulär abgelaufen.

Der Plan, mich in jemand anderen zu verlieben, hatte ich beachtend schlecht durchgestanden. Kein neuer Kerl von dem ich schwärmen konnte.Doch zu einer Sache musste ich mich selber loben, ich hatte das Video nicht mehr angesehen!Trotzdem war Cedric einfach überall! Die Poster von Back-Up klebten an den Hochhäusern Detroits, jeden Morgen wenn ich mit der Bahn zur Uni fuhr, konnte ich sein wunderbar gutaussehendes Gesicht bestaunen. In meinem Lieblingscafe lies ich mich auch nicht blicken, weil ich sein Gesicht nicht auf meinem Kaffeebecher sehen wollte und zu guter letzt schwärmten die Mädchen an meiner Uni über ihn, während sie ihre Nase in irgendwelchen Klatschmagazinen versteckten. Wie sollte ich ihn vergessen, wenn er trotz seiner Abwesenheit trotzdem so präsent war?

 

Es war Samstag und ich saß gemeinsam mit Ella pizzaessend im Park. Seit Tagen nagte mein schlechtes Gewissen an mir, weil ich ihr nicht alles von New York erzählt hatte.

“Ella..”, ich biss mir auf die Unterlippe und sah zu der Blondine, die herzhaft ihre Champignons aß. Sie sah mich fragend an und schluckte ihr Essen runter.

“Hmm?” “Also.. ich hab dir nicht alles von New York erzählt..”, ich sah zu den Kindern, die fernab von uns auf dem Klettergerüst spielten.“So, was denn?”, fragte sie mich interessiert.

“Ich.. hab da jemanden kennengelernt”.Ella grinste über das ganze Gesicht, wackelte mit den Augenbrauen und wartete gespannt darauf, was ich zu berichten hatte.

“Ich stand im Hotel vor einem Aufzug, die für das Personal nicht erlaubt war und da stellte er sich zu mir und hatte mich gefragt, wie lange ich denn noch rumstehen will..” Ich legte eine Pause ein. Ein leichtes lächeln schlich sich in mein Gesicht.

“Ari, jetzt lass dir nicht alles aus der Nase ziehen”, sie schubste mich am Arm, damit ich weiter erzählte. “Dann ist er eingestiegen und er hat mich dazu aufgefordert auch einzusteigen.. Ich habs einfach gemacht”.

“Ja und dann?”, fragte sie weiter. “Ich hab dir doch gesagt, dass bei mir eingebrochen wurde. An dem Tag habe ich bei ihm geschlafen im Hotel”.

Ellas Augen weiteten sich. “Mensch Ari, das du so schnell zur Sache gehst, hätte ich nicht gedacht”. Ich sah sie böse an. “Es ist nichts passiert. Aber er hat sich so süß um mich gekümmert..” Ich seufzte schwer.

“Ja und habt ihr Nummern ausgetauscht? Und warum zum Henker erzählst du mir das alles erst jetzt?” “Ich.. hab nicht irgend einen Kerl kennengelernt..” Ella wurde unruhig. “Erwartest du das ich deine Gedanken lese? Was nicht irgendwen?”

“An meinem ersten Tag als ich Schichtende hatte und rauswollte, war ein Scharr Mädchen vor dem Hotel. Mindestens 300 Stück”. “Ja und was hat das mit dem Kerl zu tun? Wie heißt er überhaupt?”

Ich knetete an meinen Fingern. “Er heißt Cedric. Und die Mädchen waren zum Teil wegen ihm dort”. “Ich verstehe gar nichts mehr”. Ella kratzte sich am Hinterkopf.

“Du kennst doch Back-Up.."
Ellas Augen weiteten sich.

“Willst du mir gerade erzählen, dass du Cedric Wesley kennengelernt hast?” Ich nickte.

Ella kicherte leise.

“Guter Witz. Ich dachte, du hast wirklich jemanden kennengelernt. Man, das hätte mich so sehr für dich gefreut”.

Sie glaubte mir nicht. Ich widmete mich wieder meinem Essen. Ich hatte es versucht, aber ich hatte ganz bestimmt nicht vor ihr unbedingt weißzumachen, dass ich Cedric wirklich kennengelernt hatte. 

“Ari?” “Hm?” “Das war doch gerade ein Scherz, oder? Also, ich will nur zur Sicherheit  nachfragen”. Ich schüttelte den Kopf.

“Ich wusste nicht, dass er berühmt ist..” Ellas Pizza fiel ihr aus der Hand. “Das ist gerade dein Ernst?”

“Ja, zum dritten Mal, ja, es ist mein ernst”. “Ok. Nochmal an Anfang. Du erzählst mir jetzt ganz genau was passiert ist, okay?”

So erzählte ich ihr alles was in New York passiert war.Die Bekanntschaft vor dem Aufzug, unsere kurze Unterhaltung über Back-Up vor dem Hoteleingang, die kurze Auseinandersetzung wegen dem Bild meiner Eltern, das er mich nach Hause gebracht hatte nachdem ich in Masons Zimmer eingeschlafen war, das er was mit Cheryl hat und das er sich so zuckersüß um mich gekümmert hatte. Als ich ihr vom Zusammenstoß Cedrics mit Sven erzählte, war Ella mehr als nur amüsiert.

“Ari ich weiß zwar das du in deiner Seifenblase lebst, aber es kann doch nicht sein das der Typ dir nie aufgefallen ist? Ich mein.. sie waren sogar auf deinem Kaffeebecher abgebildet, den du fast täglich in deiner Hand gehalten hast!” Ich zuckte mit den Schultern.

“Keine Ahnung.. Er hat sich auch gewundert, dass ich ihn nicht kannte”.Ella atmete hörbar aus. “Das ist zu viel für mein armes Gehirn. Und, habt ihr noch Kontakt?” Ich schüttelte den Kopf. “Ich hab regelmäßigen Kontakt zu Cole. Aber von Cedric habe ich seitdem nichts mehr gehört. Warum auch? Er hat mich bestimmt schon vergessen”.

“Er wird doch kein Mädchen vergessen, dass ihn nicht erkannt hat”, aufmunternd sah meine beste Freundin mich an. “Eigentlich sollte ich dich beschimpfen, weil du mir das erst jetzt erzählst, aber ich bin gnädig”.

“Tut mir Leid.. aber ich wollte eigentlich mit dem Kapitel abschließen aber ich kriegs eh nicht hin”. “Ach Ari, ich lenk dich ab. Ich kenn mich aus mit Liebeskummer”. “Ich hab kein Liebeskummer”, ich sah sie streng an.

“Sondern?”, Ellas Augenbrauen schossen in die Höhe. Ich sah auf den Boden. “Eine dumme Schwärmerei halt”. Sie lachte spöttisch. “Wenn du das meinst. Also, ich hab auf jeden Fall 'nen Plan. Du gehst einfach auf ein Doppeldate mit mir. Dazu wollte ich dich sowieso zwingen, jetzt springt sogar was für dich raus”, sie sah mich grinsend an.

“Ahja? Und was?” “Ja, Ablenkung halt” “Ne.. ich weiß nicht”. “Ari!”, Ella zeigte drohend mit dem Zeigefinger auf mich.

“Ein ich weiß nicht gibts nicht. Ich habe dich gar nicht nach deiner Meinung gefragt. Außerdem schuldest du mir das, weil du dich in New York nicht gemeldet hast!” Ergeben nickte ich.

“Super. Also, dein Date heißt Michael”.“Na toll”, ich verdrehte meine Augen. Aber was hatte ich zu verlieren? Ich konnte mich ja bemühen.. und Cedric damit aus meinem Hirn verbannen.

 

Am Abend skypte ich, wie so oft die letzten Wochen, mit Cole. Zurzeit waren sie in Lisabon. “Der Tourbus kotzt mich langsam echt an”, motzte Cole und fuhr sich müde über die Augen.

“Wie viel Uhr habt ihr denn?”“Es ist 6.30 Uhr”, meinte er, nachdem er auf seine Armbanduhr sah. “Wieso stehst du so früh auf?”, fragte ich interessiert nach.

“Wir haben in einer Stunde einen Auftritt im Frühstücksfernsehen.. Die anderen pennen noch”. Ich lachte leise. “Also dich hätte ich ja nicht auf Frühaufsteher geschätzt”.

“Du kennst noch viele Seiten von mir nicht, Prinzessin”. “Hör auf mich dauernd Prinzessin zu nennen!”, beschwerte ich mich. “Meine kleine Schwester findet das süß, wenn ich sie Prinzessin nenne”,argumentierte er. “Soso? Wie alt ist denn deine kleine Schwester?”, hakte ich nach.

“Sie ist zehn geworden”.Ich zog meine Augenbrauen hoch. “Du vergleichst mich mit deiner zehnnjährigen Schwester?”Er grinste mich schief an. “Du weckst halt Brudergefühle in mir”. “Oh, sehr charmant”.Der Bassist fing an zu lachen. “So bin ich eben, ein wahrer Charmour”. “Ja das bist du”, bestätigte ich ironisch.

“Was gibts sonst so Neues?”, erkundigte er sich. “Ich hab Morgen ein Date”. “Begeisterung sieht aber anders aus”. Ich zog eine Schnute. “Ja, ich weiß. Es ist auch nicht ganz freiwillig. Ich werde auf ein Doppeldate mitgeschleppt”. Mitleidig sah er mich an.

“Von wem denn?” “Von meiner besten Freundin”. “Geh einfach nicht hin. Wenn du willst, lass ich dich nach Lisabon einfliegen. Dann kannst du Chery-Chery Konkurenz machen”. Sobald ich diesen Namen hörte, verkrampfte ich mich schlagartig. 

“Was meinst du?”, ich biss mir auf die Unterlippe. “Sie ist auch hier mit Logan Turis. Der eine Typ der dich angebaggert hat, sie stellen die neue Kollektion vor, für die er eigentlich dich wollte”. Verdattert sah ich ihn an. “Erstens Mal hat er mich nicht angebaggert.. Und zweitens, sehen Cheryl und ich uns so ähnlich? Er meinte meine Ausstrahlung passt perfekt zu dem Unternehmen..”

“Keine Ahnung. Sie ist halt sehr erfolgreich zur Zeit und ne gute Schauspielerin. Sie kann einfach auf Unschuldsengel tun”. Ich verzog angewidert das Gesicht. Cole lachte. 

Cedric und Cheryl waren also wieder in der gleichen Stadt.Das heißt, sie hatten bestimmt noch immer was miteinander.Nein. Ich wollte erst gar nicht daran denken, was die zwei machten, wenn sie alleine waren. Verdammt, ich war so verdammt eifersüchtig auf dieses Mädchen.

“Naja, ich geh schlafen. Muss ausgeruht sein für mein Date, er soll schließlich nicht die Flucht ergreifen” “Schätzchen, kein Mann der Welt würde vor dir weglaufen”, er zwinkerte mir zu. “Oh Cole, schon so früh am Morgen schleimen ist echt ungesund. Ich wünsch dir viel Spaß heute”.

“Lass mich dich abchecken bevor du Morgen losgehst”. “Alles klar, ich lass bei dir klingeln, aber wehe du nimmst an, das kostet so viel Geld!”, mahnend sah ich ihn an. “Gute Nacht Prinzessin” “Gute Nacht”.

Morgen würde ich diesen Michael kennenlernen und vielleicht würde sich ja was ergeben?Hauptsache kein Cedric Wesley mehr!

Der Sonntag war gekommen und meine Träume in der Nacht waren mehr als verschreckend. Sie waren voll von Cedric. Jeden Tag drehte ich mehr durch! Anstatt das ich ihn vergaß, schlich er sich sogar in meine Träume ein. Wie konnte er es nur wagen?!

Wie ein richtiges Girly saß ich vor dem Spiegel und schminkte mich, während meine Haare an Lockenwicklern hingen. Eigentlich wollte ich ganz normal, so wie ich immer rausging, auch zu diesem Date. Aber Ella kannte mich zu gut, weshalb sie mich mit einer bösen Guten-Morgen-SMS geweckt hatte. Guten Morgen Sonnenschein! Wehe du kommst in Pulli und ungeschminkt. Ich mach dir sonst die Hölle heiß!, stand drinnen.Es war ja nicht viel verlangt, wenn ich mich etwas zurechtmachte.

Nach meiner Prozedur lies ich bei Cole klingeln. Ich schätzte die Uhrzeit auf Lisabon auf ca. 21 Uhr. Ob sie heute einen Auftritt hatten,wusste ich nicht. Meistens skypte ich Abends mit Cole, wenn es bei ihm morgens war, da er ansonsten auf irgendwelchen Bühnen gammelte. Zusammen mit Cedric. Nein, ich dachte nicht an Cedric. Bewusst lenkte ich meine Gedanken auf Fische. Ja, Fische waren gut. Fische hatten nichts mit .. mit niemanden zu tun. 

Mein Laptop war eingeschaltet und ich sah die Anfrage von Cole.“Na Papa. Darf ich so gehen oder hast du etwas auszusetzen?” Cole lies ein Pfeifen durchgehen. Eigentlich hatte ich nichts besonderes an. Nur ein schlichtes, weinrotes Langarmshirt und eine schwarze Röhre. “Ne, ist schon in Ordnung so. Aber gut das du erst brav nachfragst”.

“Sag mal habt ihr heute keinen Auftritt? Und wo bist du überhaupt?”, hakte ich nach. “Im Tourbus, aber alleine. Die anderen sind draußen und vergeben Autogramme. Und nein, Morgen haben wir ein Konzert deswegen hatten wir Mittags ein Soundcheck und ein paar Proben, damit wir für Morgen gut vorbereitet sind”.“Wirklich aufregendes Leben hast du da”, meinte ich nickend.

“Ein Wort und wir machen dich auch berühmt”, bot er grinsend an. “Nieeeemals”, abwehrend zog ich meine Arme in die Höhe.

“Dann nicht”, er zuckte mit den Schultern.“Cole komm raus, da weint ein Mädchen wegen dir”, ich hörte die allzubekannte Stimme die Cole anmotzte.

Cedrics Stimme lies mich erschaudern. So lange hatte ich sie nicht mehr live gehört.

“Ich bin gleich da, versprochen. Ich stand ne halbe Stunde dort und hab mit den Mädels geredet aber ich brauch nur ne Pause, seit heute Morgen bin ich unterwegs, als ihr vorhin pennen wart, war ich unterwegs. Komm schon, nur 10 Minuten”, bat er.  

Cedric seufze. “Ich weiß, man. Aber sie ist extra drei Stunden hierher gefahren als sie mitbekommen hat, das du in der Stadt bist. Sie ist erst 13”. Ich sah Cedric zwar nicht, aber seine Stimme genügte, um mich in Wolke 7 zu transportieren.

“Ariana, ich bin gleich wieder da”, meinte Cole an mich gerichtet, schnappte sich die Jacke, die neben ihm lag und war im nächsten Moment auch schon wieder weg.Als ich niemanden vor dem Bildschirm sah, schnappte ich mir mein Handy und schrieb Ella eine SMS, wo sie denn steckte. Ausgemacht war das wir um halb 2 von hier loswollten, aber weit und breit war kein Zeichen von ihr.

 “Hey”, verwundert sah ich zu meinem Laptop. Cedric hatte sich an Coles Platz gesetzt.Eigentlich dachte ich, er war zusammen mit Cole zurück zu seinen Fans gegangen.

Mein Herz setzte aus.

“Hey”, antwortete ich.“Wie gehts dir?”Ich sah mir sein hübsches Gesicht an, er wirkte erschöpft.

“Gut.. gut. Und dir?” “Auch. Wie ist es zurück in Roseville?”

Ich lächelte ihn vorsichtig an. “Man tut alles um es erträglich zu machen”. 

“Du siehst hübsch aus. Hast du was bestimmtes vor?”Dieser Satz kam so unerwartet aus seinem Mund, dass ich erst nachdenken musste, ob ich richtig gehört hatte.

Ja, hatte ich.

Mein Herz setzte aus nur im nächsten Moment vierfach so schnell zu schlagen.

“Ja. Ich hab ein Date”, ich wollte es ihm unbedingt sagen, nur um seine Reaktion zu sehen.

Natürlich wusste ich, dass er Cheryl hatte. Mir war selber unklar, was ich mir durch meine Auskunft erhoffte, aber ich wollte es ihn einfach wissen lassen.Doch durch seine Mimik und Gestik konnte ich rein gar nichts ablesen.Wie ein verschlossenes Buch ohne Cover.

“Da hast du aber schnell wen kennengelernt”, war sein Kommentar dazu.Ich zuckte mit den Schultern. “Es muss ja niemand neues sein”. Er zog seine Augenbrauen hoch.

“Alte Liebe rostet nicht, was?”  “Die Liebe zur besten Freundin rostet nicht,nein”, bestätigte ich. “Wirst du zur Lesbe?”, er zwinkerte mir zu. “Scheint wohl das Beste zu sein.. Nein, sie zwingt mich mit auf ein Doppeldatezu kommen”.

“Achso, kennst du den Typ?” Ich schüttelte den Kopf. “Vielleicht ist er ja nett”, meinte ich optimistisch.

Es klingelte an meiner Haustüre. Das musste Ella sein. Ich würde jedoch lieber mit dem blonden Sänger reden. “Meine Freundin wartet unten, ich muss los. Sagst du Cole Bescheid?”Er nickte. “Wir sehen uns”, verabschiedete er sich. “Ja. Wir sehen uns”.

 

Hoffentlich.

“Der Typ auf den ich stehe, hat eine Freundin”

Als ich Ella die Tür öffnete, wandelte sich ihr grinsendes Gesicht in ein verwirrtes.

“Was ist los?”, wollte sie wissen und analysierte mich.

Ich zuckte mit den Schultern. “Was soll sein?”

Ich hatte verdammt noch Mal keine Lust auf dieses Date. Ich wollte mich in mein Bett verkriechen und heulen. Was war nur los mit mir? Das passte nicht zu mir, ich hatte meine Gefühle immer unter Kontrolle. Dieser beschissene Sänger stolperte einfach in mein Leben und ich bekam einfach kein Frieden mehr.

“Das solltest du mir besser erzählen”, meinte Ella in einem barschen Ton.

“Lass uns das Date einfach hinter uns bringen”.

“So kannst du nicht gehen”, die Blondine sah sich meine Haare an. “Was ist daran auszusetzen? Ich habe mir extra Locken gemacht, damit du mich nicht anschnauzt”. Ich verdrehte die Augen.

“Ja..das ist es gar nicht. Es sieht hübsch aus .. aber ich hab auch Locken gemacht. Nichts gegen dich Ari, aber ich will nicht im Partnerlook dort hin”. Sie sah mich schmollend an.

Kurzerhand zog ich ein Haargummi aus meiner Hosentasche und band meine Haare zu einem Zopf. “Also, können wir jetzt gehen oder soll ich mich noch umziehen, weil ich auch eine Jeans anhabe wie du?”, wollte ich wissen. “Nein, alles gut so wie es ist. Aber ich sehe dir an, das was nicht mit dir stimmt”.

Ich seufzte. “Ich erzähl es dir gleich, lass mich nur schnell meine Sachen holen damit wir los können”.

Mittlerweile saßen wir im Bus. Im leeren Bus wohlgemerkt. Das war nichts neues in Roseville. Am Wochenende verbrachte man seinen Tag zusammen mit der Familie zu Hause und genoss das Zusammensein. Pech wenn man keine Familie hatte, so wie ich.

“Also?”, stocherte meine beste Freundin nach. “Ich hab gerade mit Cedric geskypt”, offenbarte ich ihr den Grund meiner Laune.

Ihre Augen weiteten sich. “Weißt du, ich kann dir irgendwie immer noch nicht ganz glauben, das du wirklich Kontakt zu ihm hast”.

“Musst du nicht. Eigentlich versuche ich dich die ganze Zeit zu verarschen”, genervt sah ich aus dem Fenster. “Jetzt sei nicht beleidigt. Natürlich weiß ich das du mir die Wahrheit sagst, du bist schließlich niemand der damit angibt oder so. Aber trotzdem.. es ist so unreal, irgendwie..”, versuchte sie sich zu rechtfertigen.

“Aber jetzt erzähl. Was habt ihr geredet? Wann hast du ihm deinen Nicknamen gegeben?”

“Hab ich gar nicht.. Ich hab mit Cole geredet und als er kurz weg musste, hat sich Cedric an seinen Platz gesetzt..”, erzählte ich. Ellas Augen weiteten sich neugierig. “Und? Über was habt ihr geredet?” “Nichts besonderes.. du hast ja auch geklingelt und ich musste runter”.

Ella schüttelte ihren Kopf. “Es war wohl das perfekte Timing zu kommen. Du solltest ihn lieber vergessen Ari. Du weißt, ich meine es nur gut mit dir”.

“Das weiß ich doch. Ich versuch auch alles aber es klappt nicht, verstehst du? Ich kann nichts dagegen machen”. Sie sah mich mitleidig an.“Das wird schon. Konzentrier dich heute einfach auf dein Date”.

Wir kamen im Kino an und ich musste sagen, ich war froh das wir ins Kino gingen. Da sah man sich den Film an und musste nicht mit seinem Date sprechen. “Siehst du die zwei Jungs neben der Laterne? Der linke, Xaver gehört mir und der rechte, Michael, den kannst du haben”.

Ellas Date hatte etwas längere aschblonde Haare. Blondi und Blondi.

Michael dagegen hätte ich mir niemals freiwillig als Date geschnappt. Okay, man sollte nicht verurteilen, aber seine kurz geschorenen Haare und die viel zu großen Muskeln bereiteten mir jetzt schon Sorgen. Er trug nur ein T-shirt, dabei war es nicht mal sonderlich warm, weswegen ich die Tatoowierung an seinem ganzen rechten Arm von hier aus sehen konnte.

“Hey ihr zwei”, begrüßte Ella die beiden. Xaver zog sie in eine Umarmung, die viel zu innig wirkte. Die zwei kannten sich also schon länger. Danach umarmte sie den Muskelberg ehe sie mich vorstellte. “Und das hier ist Ariana”. Die zwei stellten sich vor und ich konnte von der ersten Sekunde sagen, das aus mir und diesem Michael nichts werden würde. Er war genauso wenig interessiert an mir, wie ich an ihm.

Mit Popkorn in der Hand und einer Flasche Cola setzten wir uns an unsere Plätze. Eins musste ich Michael lassen, er hatte manieren. Ich bestand zwar darauf, selber zu bezahlen, weil ich es nicht leiden konnte das Geld eines anderes auszugeben, aber er hatte seiner Größe wegen kein Problem gehabt, dem Typ am Popkorn stand das Geld rüberzureichen.

Ella und Xaver sahen sich die ganze Zeit verliebt an. Mich beschimpfte sie, weil ich ihr nichts von New York erzählt hatte aber selber schien sie mir eine Menge zu verheimlichen. Sie hatte fast schon einen Freund. Zumindest sah ich vorraus, das die zwei Mal ein Paar werden aber sie hielt es nicht für nötig mich aufzuklären.

Der Film war totlangweilig und richtig sinnlos. Irgend eine Liebeskomödie. Der Junge schließt eine Wette ab wer als erstes mit dem Gothic Mädchen der Schule ins Bett steigt. Aber er verliebt sich wirklich in sie und versteht, warum sie so negativ auf das Leben gestimmt ist. Zusätzlich kamen noch extra unnötige Szenen dazu, so das ich mich beherschen musste, nicht auf der Stelle einzuschlafen. Als ich irgendwann zu meiner rechten sah, bemerkte ich, dass Ella und ihr Date gar nicht mehr da waren.

“Wo sind die zwei denn hin?”, fragte ich Michael der an seinem Handy rumspielte.

“Die sind schon vor zehn Minuten gegangen. Sie mussten beide Mal kurz aufs Klo. Wers glaubt, die knutschen bestimmt in irgend einer Ecke”. Ich schmunzelte.

Ella, Ella. Da musste sie mir aber noch viel erzählen.

“Sag Mal, dich scheint der Film auch nicht besonders zu unterhalten, oder willst du ihn dir ansehen?”, hakte ich nach.

“Ich hab keine Minute von dem Film mitbekommen. Ich hasse Liebeskomödien”. “Wollen wir dann gehen?” Er nickte.

Wir schlenderten über die Straßen, jeder in seine eigenen Gedanken versunken.

“Über dich hört man viel in Roseville”, fing der Typ neben mir an zu sprechen.

“So, was denn?” Ich wusste, was sie sprachen. Schließlich hatte ich Ohren, aber es interessierte mich nicht.

“Das du sehr eingebildet wärst oder krank, auf jeden Fall nicht mit Menschen umgehen kannst.. sowas eben”. Ich blieb stehen und sah ihn an. “Warum erzählst du mir das?”, ich zog meine Augenbrauen hoch.

“Nein, versteh das nicht falsch. Ich sage das nicht um dich fertig zu machen. Sondern.. ich hatte Vorurteile und wollte auf keinen auf das Date mit dir gehen, weil ich nicht auf Zicken stehe aber du bist gar nicht so. Oder tust somindest nicht so”.

Ich vergrub meine Arme in meinen Jackentaschen. “Gerüchte sind eben Gerüchte”.

“Aber sie entstehen doch nicht einfach so?” Wir liefen wieder weiter.

“Mh. Ich hab mich stark von den Leuten abgekapselt und sie haben sich halt etwas zusammengereimt. Was solls”. “Tut mir Leid, das ich so Vorurteile hatte”.

Ich lachte leise. “Schon gut. Bin es ja gewohnt”. “Jetzt verstehe ich erst recht nicht, wieso du Single bist. Du bist verdammt hübsch und dumm scheinst du auch nicht zu sein. Außerdem bist du so stark ich mein der Tod deiner Eltern..”, mitten im Satz brach er ab. “Ich wollte.. tut mir Leid. Ich wollte das Thema nicht anfangen, das ist mir nur so aus dem Mund gefallen”.

“Kein Ding. Ich höre es ja nicht zum ersten Mal”. “Ja und verstädnisvoll bist du also auch. Also, wie kommt es das du keinen Freund hast?” “Der Typ auf den ich stehe, hat eine Freundin”, antwortete ich ehrlich.

Er sah mich überrascht an. “Er weiß, das du auf ihn stehst und hat eine Freundin?”.

Ich schüttelte den Kopf. “Nein, weiß er nicht. Ich sage ihm doch nicht das ich auf ihn stehe, wenn ich ihn dauernd mit seiner rothaarigen Modelflamme sehe”.

“Falls du ihn testen und eifersüchtig machen willst, ich spiele gerne mit”, bot er an. “Nein, danke. Das ist nicht so meine Art. Und, was ist mit dir? Noch nicht die richtige gefunden?” “Hab mich erst letztens von meiner Ex getrennt. Dann wollte Xaver umbedingt, das ich mit auf dieses Date komme”.

Den restlichen Mittag verbrachte ich mit Michael. Aus uns würde definitiv nichts werden. Aber seit langem hatte ich Zeit mit jemanden verbracht, der nicht Ella war.

Zum Schluss tauschten wir sogar Nummern aus. Er war nett und für ein paar Stunden hatte ich sogar tatsächlich Cedric aus dem Kopf geschlagen. Das tat gut.

 

“Die Jungs sind gutaussehend, millionenschwer und erfolgreich".

Obwohl Sven mir versprochen hatte, sich zu ändern, war er genauso wenig erreichbar wie früher. Jeden Sonntag rief er mich an und erkundigte sich, wie und ob es mir gut ging. Auch wenn es mir schlecht ging, würde sich etwas ändern? Nein, natürlich nicht.

Seine Aussage, mich nach Chicago zu bringen, war wohl auch ein leeres Versprechen.

Man konnte sich im Leben eben auf niemanden verlassen, außer sich selbst.

Sobald ich eine Möglichkeit finden würde, hier abzuhauen, würde ich sie nehmen. Ganz gleich ob mir Sven wieder folgen würde oder nicht.

 

Ich saß im Wohnzimmer, am großen Esstisch und lernte für die kommenden Prüfungen und das schon seit Stunden. Ich durfte einfach nicht versagen! Auch in Detroit musste ich ein Praktikum in irgend einer Firma machen, aber weil ich bisher nichts gesucht hatte und die anderen Studenten schon, bekam ich einfach nichts mehr ab! Kurz gesagt, ich war der Verzweiflung nahe.

Aus meinem Laptop ertönte ein Geräusch. Eine Unterhaltungsanfrage. Ich klickte auf Annehmen.

“Na Sonnenschein?”, ich sah Cole, seine Haare triefend nass und hinter ihm das Meer. Er lag bäuchlings auf einem Badetuch und grinste mich zufrieden an. “Wo bist du denn?”, fragte ich neugierig. “Auf den Bahamas. Echt toll hier!”, schwärmte er.

Ich sah ihn schmollend an. “Bahamas wären jetzt echt nicht schlecht”.

“Wenn du willst, kann ich dich hier einfliegen lassen”, bot er an.

“Cole hör auf mir jedes Mal zu sagen, dass du mich einfliegen lassen kannst. Ich will sowas nicht”. Er zuckte mit den Schultern. “Tja Prinzessin, dann hast du Pech”.

“Was machst du denn dort?”, ich klappte meine Bücher beiseite und sah fragend zum Bassisten. “Urlaub, unsere Tour ist doch seit letzter Woche vorbei. Jetzt dürfen wir zwei Wochen lang abschalten und dann fängt es von vorne an”. Ich legte meine Stirn in Falten.

“Ihr arbeitet aber ganz schön viel”. Cole lachte. “Für mich ist das keine Arbeit. Das macht mir ja Spaß und ich sehe es locker. Außerdem gibts immer so viele heiße Mädels”. Ich kicherte vor mich hin. “Was gibts bei dir Neues, Prinzessin?” “Nichts. Ich bin voll und ganz mit der Uni beschäftigt. Aber ich brauch ein Praktikum sonst darf ich nicht ins zweite Semester steigen, aber es ist alles voll!” “Hm, das ist ja Scheiße. Wo musst du das Praktikum denn machen?”, erkundigte er sich.

“Es ist egal wo. Nur muss ich im Managementbereich aushelfen”. “Auch im Puff?”, hakte er nach. “Hauptsache Management, sonst ist alles erlaubt. Rotlichtmilieu, egal was”.

“Hmmm. Du wirst schon etwas finden. Ich hab noch eine Ankündigung zu machen”.

“So und die wäre?”, wollte ich neugierig wissen. Er verdrehte seine Augen. “Sag mal, wo ist noch mal deine Uni?” “In Detroit, warum fragst du?” Cole seufzte.

“Seit einer Woche hängen Plakate an eurem neuen Einkaufszentrum, das wir für eine Autogrammstunde herkommen”.

“Oh..”

Natürlich hatte ich das nicht mitbekommen, alles worauf ich Cedrics Gesicht sah, versuchte ich zu ignorieren. Dann hatte ich es eben nicht mitbekommen, na und?

“Jetzt weißt du es. Nimm dir frei, wir treffen uns! Sind fast zwei Monate in denen ich dich nur von diesem Monitor aus sehe”. “Welcher Tag denn?”, fragte ich nach.

“Keine Ahnung, irgendwas der letzte Mittwoch in diesem Monat”, antwortete er. “Woher weißt du, dass in Detroit seit einer Woche Plakate von euch im Einkaufszentrum rumkleben?” “Ari, ich muss doch wissen, wo mein Gesicht überall abgelichtet wird”. “Dann sieht man sich also in drei Wochen?” Cole grinste und nickte bekräftigend.

“Erwarte aber nicht von mir, dass ich zu dieser Autogrammstunde komme. Ich werde von euren Fans zerquetscht”. “Keine Sorge Prinzessin. Die Autogrammstunde sind für unsere Fans und du hast schon mehr als ein Mal deutlich gemacht, dass du kein Fan bist”. “Hey, ich hab doch gar nicht gesagt, dass ihr schlecht oder so seit. Nur kenne ich eure Songs nicht. Außer einen”.

Cole musterte mich interessiert. “So, welchen kennst du denn?”

“Broken Strings”

“Wo hast du denn den gehört?” “Im Internet. Ich wollte nur Mal wissen, wie ihr euch anhört und dann hab ich mir das angehört aber ich hab mir geschworen, keine weiteren anzuschauen. Nachher werde ich Fans von euch und das will ich nicht. Dann ist das keine normale Freundschaftsebene mehr”, erklärte ich.

“Sehr weise Worte, Prinzessin. Aber Broken Strings ist eigentlich nicht die Art Songs, die wir normalerweise vorspielen”. Ich stellte meinen Kopf auf meinen Händen ab und wartete auf seine kommende Erklärung.

“Wir sind keine öde Band, die Liebessongs vorträgt. Unsere Musik soll die Leute zum Lachen bringen, sie sollen uns hören, wenn sie Party machen, wir begleiten sie in ihren glücklichen Tagen. Aber bei Broken Strings.. das war für unsere Liebeskummerkandidaten. Cedric hat den Song selber geschrieben und ihn uns dann irgendwann gezeigt und wir mochten den Song und waren einverstanden das vorzutragen. Unser Management wusste nichts davon. Cedric sagte zwar auf dem Konzert, dass das auf unserem neuen Album wäre, aber das war nur geblufft. Anfangs haben wir riesigen Ärger bekommen, weil auch erst die Plattenfirma zustimmen muss, ob die Songs veröffentlicht werden dürfen oder nicht. Nachdem aber so ein großer Andrang wegen unserem Song da war.. ja, dann hat sich alles so ergeben und wir konnten ihn dann weiterhin spielen”.

Wow, an solch ein aufwendiges Szenario hätte ich gar nicht gedacht.

“Schreibt euer Label die Songs für euch oder schreibt ihr sie selber?” “Mal so, Mal so. Bei Broken Strings aber hat Cedric den kompletten Song alleine geschrieben. Ich frag mich bis heute, wann er das gemacht hat..”

Ob er Liebeskummer hatte? Ob er das für seine Ex geschrieben hatte? Vielleicht sehnte er sich auch einfach nach jemanden? Oder war der Song für Cheryl? Obwohl ich das nicht ganz glaubte. Er wirkte nicht besonders verliebt.. aber vielleicht hatte sich das auch geändert und er war es doch?

 

Es war mitten im November und das Wetter verhielt sich auch dementsprechend so. Die Bäume waren kahl und ohne Schal konnte ich nicht mehr raus gehen. Ich saß in einer Lesung und schrieb brav mit. Wir hatten das Thema Medienpsychologie, ein ziemlich interessantes Thema wie ich fand.

“Gut, dann wäre die Definition der Medienpsychologie abgehackt. Wenn Sie keine weiteren Fragen haben, beginne ich mit den Untereinheiten der Medienpsychologie”.

Keiner meiner Kommilitonen sagte etwas, so fuhr mein Professor fort.

“Als erstes geht es um die Emotionspsychologie. Was stellen Sie sich darunter vor?”, warf der alte Mann eine Frage in den Raum. “Vielleicht.. sowas wie welche Emotionen entstehen durch bestimmte Medien”, hörte ich eine weibliche Stimme im Raum sagen. Der Professor nickte. “Ja, es geht in diese Richtung,genau. Welche Arten von Medien können das denn sein?”, fragte er weiter.

“Filme?”, rief jemand anderes. “Genau. Filme gehören dazu. Was meinen Sie denn, wie Filme mit unseren Emotionen zusammenhängen?” “Hm, vielleicht.. ich bin mir nicht sicher..aber ich habe Mal gehört, dass Filme dazu da sind, um den Menschen vorzubereiten. Bei einer Trauerszene zum Beispiel. Da trauert man als Mensch mit und der Körper speichert das ab, damit er beim nächsten Mal weniger traurig ist und mit der Situation umgehen kann”, meldete sich ein Junge in der ersten Reihe zu Wort. “Hmm, ob das stimmt, das schauen wir uns nachher genauer an. Behalt das aber im Hinterkopf. Weiter, welche Art von Medien können noch Emotionen in uns aufrufen?”

Im Saal wurde es still und keiner sagte etwas. “Nun, keiner eine Idee?”, fragte er.

“Gut.. dann helfe ich Ihnen mal. Heute Morgen im Aufzug, standen ein paar Studentinnen neben mir und führten eine angeregte Unterhaltung über ein Ereignis welches in ca. 2 Wochen stattfindet. Können Sie mir folgen, worauf ich hinaus möchte?”

Wir schüttelten alle den Kopf.

“Welche Ereignisse kommen denn auf uns zu in Detroit in den nächsten zwei Wochen? Im Bereich der Medien?”, hakte der Mann geduldig nach.

“Sir, meinen Sie vielleicht die Autogrammstunde von Back-Up im neuen Einkaufszentrum?”

“Ja, genau. Das wäre ein weiteres Beispiel. Die Musikbranche”.

Schlagartig weiteten sich meine Augen. Nicht mal in der Lesung hatte ich Ruhe vor ihnen!

“Nun gut. Eben kam eine Vermutung, dass Filme uns auf emotionaler Ebene helfen sollen. Wie siehts mit der Musikbranche aus? Wieso haben diese Jungen solche Emotionen bei unseren Studentinnen ausgelöst?”

Ein Tuscheln ging über den gesamten Hörsaal. Das Gekichere der Mädchen konnte man eindeutig nicht überhören.

“Sir, diese Mädchen erhoffen sich wohl, die neue Freundin von einem dieser Kerle zu werden”, meinte ein Junge.

“Ja, das sehe ich genauso. Und, wieso suchen sich diese Mädchen keinen Jungen in ihrer Nähe? Hier sind doch viele junge Kerle? Wieso werden dann diese Jungen so, wie sagt ihr Jugendlichen es doch gleich? Gehypt?”

Ja, genau das fragte ich mich auch. Warum stand ich auf Cedric wenn hier so viele gutaussehende Jungen rumgammelten?

“Die Jungs sind gutaussehend, millionenschwer und erfolgreich. Frauen achten an erster Stelle auf Prestige, oder nicht?”, meinte der gleiche Junge erneut. “Nun, genug spekuliert”

Der Professor legte seine erste Folie auf. “Beginnen wir von vorne”.

So führte er uns in das Thema der Emotionspsychologie ein.

Ich stand doch nicht auf Cedric weil er millionenschwer und erfolgreich war. Schon vom ersten Augenblick fühlte ich mich zu ihm angezogen, ohne zu wissen, wer er war und wie viel sein Kontostand betrug. Und wie sollte man einen Kerl vergessen, dessen Namen einen sogar bis in die Lesung verfolgte? Mein Schicksal wollte einfach nicht, dass ich ihn vergaß.

Die Lesung war vorbei und noch nie in meinem Leben hatte ich den Namen Cedric so oft gehört, wie in diesen zwei Stunden. Konnten sie kein anderes Beispiel nehmen? Wieso nicht Justin Bieber oder sonst wer? Oder die anderen Jungen von Back-Up. Aber nicht er! Außerdem war Cedric doch kein Objekt..

Erschüttert und völlig weggetreten verließ ich die Uni. Das Thema hatte eine hitzige Diskussion bei den Mädchen ausgelöst und ich musste so schnell wie möglich weg von dort!

Das Thema tat mir einfach weh und ich wollte nichts darüber hören. Außerdem wusste ich nicht wie ich mit der Situation umgehen sollte.

Wollte ich ihn sehen, wenn er hier war?

Oder sollte ich einfach nur Cole zu mir bestellen?

Aber vielleicht fand ich ihn gar nicht mehr so toll, wenn ich ihn wieder sehen würde?

Vielleicht hatte er sich verändert und ich konnte mit dieser beschissenen Schwärmerei aufhören.

Nein, ich musste mir eingestehen, dass das keine einfache Schwärmerei war.

Ich war verliebt. Und ich hasste es.

Überraschung

Im Gegensatz zu mir hatte Ella das Plakat im Einkaufszentrum nicht ignoriert. Meinen Namen schreiend rannte sie zu mir herüber.

„Du wirst nicht glauben was ich dir jetzt sagen werde“, sprudelte sie zwischen ihrem Gehechel aus. Ich sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Back-Up kommt hierher“. Sie wartete gespannt auf meine Reaktion. „Ich weiß“, antwortete ich lahm. Die Blondine legte ihre Stirn in Falten.

„Wie?“, hakte sie verständnislos nach. „Cole hats mir letzte Woche erzählt.. und ich gehe zur Uni, das spricht sich rum“. „Und wieso hast du mir nicht erzählt, dass die kommen? Triffst du dich mit denen?“ Sie sah mich neugierig an.

„Ja mit Cole treffe ich mich sicher. Aber der Rest.. keine Ahnung“. „Ich will ihn auch kennenlernen“, stellte Ella klar. „Kein Problem. Ich dachte mir, ich lade ihn zu mir ein, draußen wird das wohl eh nicht gehen, da er überall erkannt wird. Komm einfach auch“. Sie nickte grinsend. „Ich freue mich jetzt schon“, hörte ich sie sagen. „Sag Mal, hast du Interesse an ihm? Was ist mit deinem Xaver?“

„Mit Xaver ist alles gut aber.. es passiert nicht alle Tage das man eine Berühmtheit kennen lernen darf“, verteidigte sie sich. „Wie du willst“, ich verdrehte meine Augen. War das so wichtig, dass die Jungs berühmt waren? Mir wäre es lieber, sie wären es nicht.

Aber das war ein sehr egoistischer Gedanke..

Wir saßen in der Küche und aßen Lasagne als Ella ihre Gabel beiseite legte und mich nachdenklich musterte. „Ella, sprich oder du erstickst an den Wörtern die auf deiner Zunge liegen“, meinte ich genervt und schob mir noch ein Bissen in den Mund.

„Also.. hast du in letzter Zeit Mal mit Sven geredet?“ Ich schüttelte den Kopf. „Letzten Sonntag. Er klang müde und er meinte er müsse viel arbeiten, deswegen haben wir auch sofort aufgelegt“, erzählte ich ihr. Sie sah mich traurig an.

„Jetzt schau nicht so, ich sollte trauern nicht du!“, ich funkelte sie an. Keiner sollte wegen mir traurig sein. „Ja.. em, du hast Recht“, ihre Stimme zitterte leicht. Was war nur los mit ihr? „Ich hab mich an meine Situation gewöhnt“, meinte ich schulterzuckend.

Ich nahm ihre Frage nicht ernst und dachte mir nichts dabei. Dabei war Ellas Frage nicht aus heiterem Himmel gekommen, wie ich irgendwann erfahren musste.

„Wie läufts mit Xaver?“, erkundigte ich mich interessiert. Ella wurde etwas rot um die Nase.

„Ich kann mich nicht beschweren“, sie versuchte es so lässig wie möglich zu sagen, scheiterte jedoch an ihrem Versuch.

„Wo habt ihr euch kennengelernt?“ „Er war der Briefträger diesen Sommer. Du glaubst nicht wie peinlich es mir war, als jemand an der Türsprechanlage nach einer Unterschrift gefragt hatte und als ich ungeschminkt, mit Pijamas und zerzausten Haaren die Tür geöffnet habe und ihn dann vor mir sah.. Ich wollte am liebsten unsichtbar werden“.

Ich kicherte. „Na, so schlecht kannst du gar nicht ausgesehen haben, wenn ihr euch noch immer datet“.

Abends saß ich, wie sooft, vor meinem Laptop und sprach mit Cole. „Wie siehts aus mit Mittwoch?“, fragte er mich. „Hm, ich hab mir gedacht, du kannst zu mir. Draußen ist es erstens kalt und zweitens wirst du überall erkannt“. „Klingt gut. Ich erwarte ein fünf Sterne Menü“.

Ich lachte. „Klar doch, alles was du willst. Wie lange bleibt ihr hier?“ „Nur den Tag, dann geht’s weiter nach Warren, die nächste Autogrammstunde und ein Interview.. und noch irgendwas, keine Ahnung“.

„Gut, dann geb ich dir meine Adresse, vielleicht sehen wir uns die nächsten Tage nicht, ich hab Prüfungen“, erzählte ich. Er holte sich einen Zettel und einen Stift raus und notierte sich meine Straße. „Wo seit ihr heute eigentlich?“, fragte ich interessiert nach.

„In so nem Kack Hotel in North Carolina. Das Essen war echt ekelig. Da kocht mein Opa besser“, beschwerte er sich.

„Oh, komm mir ja nicht mit Star-Allüren Cole!“, beschimpfte ich ihn.

„Ich hatte das Gefühl Pappe zu essen, keine Sorge, ich bin schon nicht vom Boden abgehoben“. „Das will ich doch stark hoffen, Freundchen!“ „Ich bin sogar so unabgehoben, ich hab vorhin zwei Fans zum Kaffee trinken eingeladen, die waren nämlich verdammt unterfroren“.

Ich klatschte beeindruckt in die Hände. „Und? Hast du sie mit in dein Zimmer genommen?“, ich zwinkerte ihn an. „Nein, die waren so nervös und haben nur 'oh mein Gott' gesagt und das sie mich lieben und so. Keine normale Unterhaltung eben. Hätten sie ein paar normale Wörter zu Stande gebracht – sie hätten nicht mal schlau sein müssen – hätte ich sie sicher nicht von der Bettkante gestoßen, die sahen nämlich echt heiß aus“.

„Ich hoffe sie waren nicht 13.“ „Pfui, was denkst du von mir. Nichts unter 17 kommt in mein Zimmer“, meinte er und schlug auf den Tisch. „Ok,ok. Ich glaub dir ja!“

 

~*~*~*~*~*~*~*~*~*~

 

Schneller als gedacht gingen die besagten Tage um. Ich war mehr als nur beschäftigt mit den Prüfungen. Aber ich hatte sie alle passabel gemeistert. Im Personalmanagement hatte ich sogar die volle Punktzahl – als einzige Studentin im Bereich Medienmanagement.

Oh ja, das lies mich glücklich grinsen.

Der Professor, der mich am ersten Tag so angeschnauzt hatte, erwies sich im nachhinein als ziemlich nett und ich wurde langsam zu einem seiner Lieblinge. Dabei schleimte nicht oder so!

Das war nicht meine Art. Doch wenn ich ihn auf dem Campus sah, unterhielten wir uns öfters.

Ich sprach lieber mit ihm als mit meinen Kommilitonen.

Der Mittwoch rückte immer näher und näher und war letztendlich auch da.

Heute würde ich Cole sehen und nur Cole. Ich hatte mir die Pros und Contras gut durchdacht und war zu dem Entschluss gekommen, dass es besser war, Cedric weiterhin aus meinen Gedanken zu scheuchen! Deshalb hatte ich Cole auch nicht gesagt, dass er Cedric fragen könnte, ob er mitwollte oder nicht.

 

Als ich aus der Uni kam – ich hatte meine letzte Prüfung bis zum Neujahr geschrieben – traf ich mich mit Ella am Bahnhof und wir fuhren gemeinsam zu mir.

 

„Und wie lief es heute?“, erkundigte sich die Blondine bei mir. Für meinen Geschmack hatte sie sich zu sehr rausgeputzt, aber so war Ella nun mal. Sie liebte das Stylen so sehr und das Endresultat lies sich jedes Mal sehen. Sie sah umwerfend aus.

„Gut, ich bin einfach froh, dass ich endlich wieder meine Ruhe habe“, ich suchte die Zutaten aus dem Schrank. Cole hatte sich Reisbratlinge mit Radieschen-Quarkdip gewünscht und ich wollte die gute Gastgeberin mimen und ihm den Wunsch erfüllen.

„Ariiiii?“, Ella sah mich mit einem Hundeblick an. „Was willst du?“, fragte ich. „Kannst du bitte gefüllte Zucchini mit Ratatouille kochen? Du machst das so gut!“, flehte sie mich an.

„Ella, das dauert so lange und du weißt ich..“, die letzten Wörter blieben mir im Hals stecken. Sie wusste ich konnte ihr nichts abschlagen wenn sie mich so bittend ansah. „Gut, meinetwegen“, stimmte ich zu.

„Ach, ich liebe es deine beste Freundin zu sein“.

Es wurde 18 Uhr und wir saßen entspannt auf der Couch, mit einer Packung Chips in der Hand und sahen uns irgend eine Talkshow an. Nein, ich muss mich korrigieren. Ella war alles andere als entspannt. So kannte ich sie gar nicht.

Es klingelte an der Haustüre und Ella zappelte unruhig umher. „Chill Mal, Cole ist ganz normal“, sagte ich zu ihr und lief zur Tür.

Ich öffnete sie und der Anblick der sich mir bot, lies mich schwer schlucken.

Cole war da, aber nicht alleine. Er hatte gleich zwei weitere Kandidaten im Gepäck.

Links Mason und rechts der Typ, um den sich mein Leben drehte.

„Überraschung“, riefen sie zu dritt, mein Blick blieb an Cedric hängen.

Ich war mir so sicher, ihn nie wieder sehen zu müssen! Und dann stand er vor mir. Mason war okay, aber nicht er!

„Hey“, begrüßte ich alle drei, nachdem ich meine Zunge wiederfand.

„So sieht man sich endlich wieder, Prinzessin“, Cole nahm mich in die Arme und drückte mich kurz.

„Ich hoffe wir haben dich nicht überrumpelt“, meinte Mason entschuldigend und umarmte mich ebenfalls. „Nein, ich bin nur etwas überrascht“.

Mein Blick wanderte zu Cedric und mein Herz fing an, Saltos zu schlagen. „Hey“, meinte er lächelnd und ich konnte nicht anders, als automatisch zurückzulächeln.

Das war so surreal. Er stand hier, vor meiner Haustüre. „Hey“, grüßte ich ihn zurück und wurde auch von ihm in eine Umarmung geschlossen. Das fühlte sich so unglaublich gut an. Dabei wollte ich ihn vergessen! Aber er schien immer meine Pläne zu durchkreuzen.

Sie zogen sich ihre Schuhe und Jacken aus und wir liefen mit mir ins Wohnzimmer.

Ellas Augen weiteten sich ungläubig, als sie die drei Jungs sah. „Das glaub ich jetzt nicht“, murmelte sie überfordert. „Em. Jungs, das ist Ella. Meine beste Freundin. Und das.. Ella du weißt ja wer das ist..“

Sie blinzelte ein paar Mal und grüßte die drei zögernd. „Verdammt. Bis eben dachte ich noch, es sei ein Bluff“.

Wir setzten uns hin und Cole erzählte von der Autogrammstunde. „Naja, auf jeden Fall sind die Mädchen ins Krankenhaus gekommen. Wir versuchen sie noch zu besuchen, bevor wir Morgen weiterfahren“.

„Krass“, hörte ich Ella neben mir sagen. „Das ist doch auch dumm diese Autogrammstunde im Einkaufszentrum zu veranstalten. Sie ist zwar groß aber man hätte doch damit rechnen müssen, dass so viele Leute da sein werden“, meinte ich verständnislos.

„Ist doof gelaufen“, Mason seufzte und fuhr sich über die Haare.

Kurz huschte mein Blick zu Cedric, natürlich so unauffällig wie möglich. Er sah – wie hätte es sein sollen – perfekt aus. Seine Haare waren etwas länger als bei unserem letzten Wiedersehen.

Wie immer zierte ein drei Tage Bart sein markantes Gesicht. Meine Fingerkuppeln prickelten, wollten unbedingt über dieses Gesicht fassen.

„Sagt mal, wer hat euch hierher gefahren?“, erkundigte ich mich.

„Unser Chauffeur“, antwortete Cedric. „Seit ihr sicher, dass euch niemand gefolgt ist oder gesehen hat? Also, nicht falsch verstehen, aber .. ich stehe nicht so auf Andrang vor meinem Garten“.

Die Jungs lachten. „Ari, das ist wieder dein größtes Problem, ne? Wehe jemand bringt dich mit den Jungs in eine Verbindung“, Ella schimpfte und sah dann zu meinen Gästen.

„Sie hat nicht Mal mir von euch erzählt. Erst als ihr schlechtes Gewissen an ihr genagt hat“, erzählte sie ihnen.

„Ja und? Ich erzähl dir ja auch nichts von den Jungs aus der Uni mit denen ich rumhänge“. „Hör auf die Jungs mit diesen nichtsnutzigen Typen aus deiner Uni zu vergleichen“.

Ich verdrehte meine Augen. „Sorry, ich hab vergessen, wer da auf meinem Sofa sitzt“.

Ella war schnell aufgetaut und redete wie ein Wasserfall. Vor allem mit Mason.

Ich versuchte mir meine Nervosität nicht anmerken zu lassen, aber das hier verlief nicht nach Plan.Cedric saß hier neben mir, kein Meter trennte uns. Wie kam er nur dazu, hier her zu fahren?

„Muss ne ziemliche Umstellung sein von New York nach Roseville, oder?“, erkundigte Mason sich.

„Ja.. ich hab das Gefühl ich bin wieder in die Vergangenheit gereist“. „Ach, so schlimm ist es auch nicht! Ein guter Ort um sich auszuruhen“.

Ich schüttelte den Kopf. „Glaub mir, hier kann man sich nicht ausruhen. New York ist entspannter“. „Kommt darauf an, was du unter Entspannung verstehst“, der Gitarrist sah mich herausfordernd an.

„Meine Ruhe“, antwortete ich knapp.„Hattest du in New York deine Ruhe? Das sah aber ganz anders aus als du im Hotel rumgerannt bist“, zog Mason mich auf. „Ha, ha. Ja, das war um einiges entspannter als hier zu sein“.

„Wo ist denn die Toilette?“, wollte Cole wissen. „Komm ich zeigs dir. Dann kann ich gleich das Essen vorbereiten“. Wir liefen aus dem Wohnzimmer raus. „So da, die Türe rechts“, wies ich ihn an und verkroch mich in die Küche.

Noch immer konnte ich mich nicht mit der Situation anfreunden. Vielleicht träumte ich ja?War die Talkshow so langweilig gewesen? Cedric saß dort im Zimmer. Verdammt, ich dachte, ich würde ihn nie wieder sehen. Also, zumindest nicht live. Aber er saß auf meinem Sofa, im Haus meiner Eltern, in Roseville. In meinem Kuhdorf. War das gut oder schlecht das er hier war?

Wieso war er überhaupt mitgekommen? Wo hatte er Cheryl gelassen? Mein Kopf explodierte fast.

„Brauchst du Hilfe?“, hörte ich Cedrics Stimme und augenblicklich breitete sich eine Gänsehaut auf meinem gesamten Körper aus.

„Nein, schon in Ordnung. Ihr seit ja meine Gäste“, ich konnte ihm nicht ins Gesicht schauen, hatte zu sehr Angst in diesem Blau zu versinken.

Vor zwei Monaten hatte ich doch nicht so viel Angst gehabt, wie jetzt! Da fand ich es toll in seine Augen zu schauen. Aber jetzt versuchte ich klar zu denken: Wenn ich wieder in seine Augen versinken würde, hätte das fatale Folgen. Denn ich müsste dann noch mehr mit mir selber kämpfen, wenn er Morgen abreiste.

„Und, alles in Ordnung?“, fragte er mich und lehnte sich gegen die Spüle. „Ja und bei dir?“, ich holte Teller und Besteck aus den Schränken. „Mhm. Auch. Das riecht echt gut. Ich geh mal davon aus, du kannst gut kochen?“ Ich lachte leise. „Du kannst dir gleich deine eigene Meinung bilden“, meinte ich zwinkernd.

Verdammt! Ich tat genau das Gegenteil von dem, was ich eigentlich wollte!

Ich stellte das Essen auf dem Esstisch ab und wir setzten uns.

„Ihr hättet Leon mitnehmen können“, sagte ich. „Cole wollte nicht Mal uns zwei mitnehmen. Als er meinte, dich zu besuchen haben wir uns einfach aufgedrängt“, Mason sah grinsend zu seinem Bandkollegen.

„Jaja, ich organisier alles und ihr kommt mit um mein Essen wegzufressen“. „Keine Sorge, es ist genug da“, meinte ich. „Verdammt sieht das lecker aus!“, Cole schnappte sich seine Gabel und biss herzhaft in seine Reisbratlinge.

„Du bist die Beste“, nuschelte er zufrieden.

„Wohnst du hier alleine?“, fragte Mason nebenbei und trank ein Schluck seiner Cola. Ich wusste ganz genau wohin das Thema führen würde. „Ja“, antwortete ich knapp.

„Ari habt ihr im Keller noch Getränke? Die Flaschen ist leer“, Ella hatte wohl ebenso bemerkt, in welche Richtung sich diese Unterhaltung ziehen würde. Dafür liebte ich sie einfach.

„Nein, ich hab ja mit Mason und Cedric nicht gerechnet, aber unten ist ein kleiner Laden. Ich kann kurz runter, ist kein Problem. Irgendwelche Wünsche?“ „Bier, bitte“, hörte ich Cole sagen.

„Alles klar und sonst?“ „Cola.“ „Hm, okay“. „Ich komm mit“, meldete sich Cedric zu Wort.

„Nein, schon in Ordnung“, lehnte ich ab. „Das war keine Frage“, meinte er unbekümmert und stand ebenfalls auf. Oh nein! Das war ganz und gar nicht gut, wenn ich mit ihm alleine war.

 

Wir zogen unsere Jacken und Schuhe an. Cedric noch seine Mütze, damit man ihn nicht erkannte.

Draußen war es dunkel, man hätte ihn sowieso nicht erkannt, aber man konnte nie vorsichtig genug sein.

„Wie kommt es das du dir dieses große Haus selber leisten kannst? Oder war das ein Geschenk deiner Eltern?“, erkundigte sich der Sänger bei mir. Ja so ähnlich. Es stand im Testament.

„Kann man so sagen“. „Wie? Oder gehst du noch immer arbeiten?“ Ich schüttelte den Kopf.

„Nein, nur die Uni“. „Leben sie auch in Roseville?“, hakte er weiter nach.

„Was hast du die ganze Zeit mit meinen Eltern?“, ich schnauzte ihn gereizt an.

Cedric sah mich verwundert an. „Tut mir Leid, ich wollte nur reden“.

Am liebsten hätte ich mir auf den Kopf geschlagen. Das war gemein.

„Nein.. nein, mir tut es Leid. Komm, ich zeig dir etwas“.

Ich wusste nicht, was auf einmal mit mir los war oder warum ich ihn genau dort hin brachte, aber vielleicht verstand er meinen kleinen Ausraster besser. „Wohin gehen wir?“, wollte er wissen. „Siehst du gleich“. Wir liefen bereits seit zehn Minuten und sprachen kein Wort miteinander.

Insgeheim fragte ich mich, ob er mich nun für verrückt hielt. Keine Ahnung. Seine Gedanken waren mir schon immer ein Rätsel.

Von weitem sah man den Friedhof schon. „Ari, was machen wir hier?“, Cedrics Stimme war ruhig und fest. „Du hast gefragt, ob meine Eltern in Roseville leben. Sie liegen dort drüben“. Meine Stimme klang ebenso fest und verriet nichts über mein inneres Gefühlschaos. Im nächsten Moment spürte ich seine große, warme Hand die meine umschloss.

„Mein Beileid“, sagte er lange Sekunden später. Ich fühlte mich mit einem Male total geborgen. Nur weil unsere Finger sich berührten. Weil sein Finger meinen berührte.

Ich atmete hörbar aus. „Komm, lass uns die Getränke kaufen“, versuchte ich die bedrückende Stille zu verscheuchen. Er nickte, lies meine Hand aber nicht los.

„Willst du darüber reden?“, ich spürte seinen Daumen wie dieser sanft über meinen Handrücken strich. Hastig schüttelte ich den Kopf.

„Ich weiß nicht Mal ob ich es bereuen werde, dir das gezeigt zu haben“, nervös biss ich in meine Unterlippe.

Er blieb stehen und ich musste es ihm gezwungenermaßen nachtun. „Warum solltest du es bereuen?“ Er sah mich fragend an, doch der einzige Gedanke der mir in den Sinn kam war, dass ich nur allzu gerne dieses Gesicht berühren würde, welches unmittelbar vor mir stand.

„Hier in Roseville weiß natürlich jeder Bescheid, wie es in meiner Vergangenheit aussah aber noch nie habe ich jemanden, der nichts davon wusste, eingeweiht. So bin ich nicht“.

„Weißt du was ich am meisten an dir mag? Das du so ehrlich bist. Mit solchen Menschen hat man nicht oft im Showbusiness zu tun..“, seine raue Stimme lies mich erschaudern.

„Deswegen werde ich auch ehrlich zu dir sein“, fuhr er fort, seine freie Hand lag wie ein windhauch auf meiner Wange. Ein unglaubliches Glücksgefühl breitete sich in meinem Körper aus. „Ich finde es gut, dass du mir das eben gezeigt hast. Und nur mir“.

"Wann hab ich dich abblitzen lassen?“

In diesem Moment hätte ich am liebsten geantwortet, dass ich es aber nicht gut fand. Das er mir mit seinen Berührungen nicht gut tat. Das er morgen abfahren würde und ich mit diesen bescheuerten Gefühlen kämpfen müsste.

Aber ich konnte es nicht.

Stattdessen nahm ich ich seine Hand von meiner Wange und lies auch seine Hand los. Der junge Musiker stand vor mir und wusste im ersten Moment wohl nicht, was ich da machte.

„Ich..wollte dir nicht zu Nahe kommen“, meinte er schließlich. Ich nickte nur, da ich mir bewusst war, das meine Stimme mich verraten würde.

Schweigend liefen wir zum nächsten Supermarkt. Durch die Scheiben des Gebäudes waren innen ein paar Jugendliche zu sehen.

„Soll ich besser draussen warten?“, fragte er mich. „Du musst dich nicht wegen mir verstecken..“

„Ich weiß. Aber ich weiß auch das es dich stört, wenn dich die Leute nachher wegen mir ansprechen“. Ich zog eine Augenbraue hoch. „So? Du scheinst mich aber gut zu kennen“.

„Man tut sein bestes“. Ich seufzte. „Naja, es ist wohl wirklich besser. Ich geh kurz alleine“.

Drinnen waren nur ein paar Mädels, die sich ihren Alkohol besorgten. Wir hatten mitten in der Woche und es war spät abends, hatten die keine Schule?

Ich schlenderte durch die Gänge und schnappte mir die besagten Getränke und ein paar Snacks.

„Wen haben wir denn da?“, ich drehte mich zu der männlichen Stimme hinter mir. „Michael, hey“, begrüßte ich den Muskelberg. Er sah zu den Getränken in meiner Hand.

„Willst du dich alleine betrinken?“ Ich schüttelte lachend den Kopf. „Nein, ich hab zu Hause ein paar Gäste sitzen und uns ist das Trinken ausgegangen“. Wir liefen gemeinsam zur Kasse und bezahlten.

„Und, alles gut bei dir?“, fragte er nach. „Ja, kann man so sagen. Und bei dir?“

„Versteh mich nicht falsch, aber du siehst aus als hättest du einen Geist gesehen“,kritisch beäugte mich der Kerl vor mir. Ich zuckte mit den Schultern.

Ein Gekreische schreckte uns beide auf.

„Was ist denn da los?“, Michael rannte zusammen mit mir raus. Die Gruppe Mädels von vorhin standen in einem Kreis. Ich konnte mir schon genau denken, wer der Anlass für diese Hysterie war.

Konnte er nicht einfach im Dunkeln bleiben und auf mich warten?

Ich brauchte dringend einen Plan!

„Michael.. bist du zufällig mit dem Auto da?“. Er nickte.

„Kannst du mir einen Gefallen tun?“, ich sah ihn bittend an. „Für dich doch immer, Kleine“.

„Okay. Also ich setz mich jetzt in deinen Wagen und du gehst zu der Gruppe dort hinten, sagst du bist der Bodyguard von Cedric und führst ihn in deinen Wagen, bitte!“

Er sah mich verwirrt an.„Wer ist Cedric?“ „Der Typ der gerade von diesen Mädchen umzingelt ist“. „Ich versteh gerade gar nichts mehr“, meinte er und legte seine Stirn in Falten.

„Machs einfach, du hast dann was gut bei mir“. Er nickte nur und überließ mir seine Autoschlüssel. „Das schwarze Auto direkt neben dem Container ist meins“.

Ich lief zum Parkplatz und setzte mich, nachdem ich das Auto aufschloss, auf den Beifahrersitz.

Keine Minute später kamen die hysterischen Stimmen immer näher.

Sie verfolgten Cedric, toll.

Zum Glück waren die Scheiben des Autos dunkel, das hieß, dass man nichts von außen sah. So viel Pech schien ich wohl doch nicht zu haben.Cedric und Michael setzten sich ins Auto und die Mädels klopften wild an die Scheiben.

„Cedric, bitte mach auf!! Cedric“, kreischte ein Mädchen und übertönte damit ihre Freundinnen. Stumm verfolgte ich das Szenario. Wie konnte man sich bloß so verlieren?

„Danke man, ich bin dir echt was schuldig“, Cedric fuhr sich über das Gesicht. „Schon gut, Ariana hat mir schon versprochen, dass ich was gut bei ihr hab“.

Michael startete das Auto und fuhr los.

Ich drehte meinen Körper nach hinten und sah zum Sänger.

„Sag Mal hatten wir nicht ausgemacht, dass du unentdeckt bleibst?“ „Ich stand im Schatten, ich schwöre! Aber das eine Mädchen hat mich trotzdem erkannt und hat losgeschrien und als ihre Freunde zu ihr eilten und mich sahen haben sie auch angefangen zu kreischen“.

Ich schüttelte ungläubig den Kopf. „Ein Wunder das du noch kein Tinitus hast“.

„Sag Mal, woher kennt ihr euch? Kleine, ich wusste gar nicht, dass du mit Stars abhängst“. „Ich hab für ein paar Wochen in New York in einem Hotel gearbeitet und hab die Jungs dort kennengelernt“. Michael zog seine Augenbrauen hoch. „So, es gibt also mehr als nur ihn?“ Ich nickte.

„Was machst du nächstes Wochenende?“, fragte Michael. Ich zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, wieso fragst du?“

„Wir feiern Xavers Geburtstag und ich brauch ein Date. Interesse?“

Kurz rang ich mit mir selber. Sollte ich ja oder nein sagen? Schließlich saß der Typ auf den ich stand, hinter uns. Aber was sollte ein berühmter Cedric Wesley bloß mit mir anfangen? Also willigte ich ein.

„Klar doch. Gibt es einen Dresscode?“. „Ein Kleid wäre nicht schlecht“.

Ich traute mich nicht in den Innenspiegel zu schauen. Weil ich dann sehen würde, dass es ihn nicht interessierte was ich machte. Das konnte ich mir nicht eingestehen. Ich hatte immer diese kleine Hoffnung in mir, dass er vielleicht etwas von dem was ich empfand, auch empfand.

Wir hielten vor meinem Haus an. „So, Endstation“, hörte ich unseren Retter sagen. „Nochmals danke!“ „Keine Ursache, du weißt ich bin immer zur Stelle wenn du Hilfe brauchst“. Er nahm mich in den Arm und gab mir einen Kuss auf die Wange.

Im selben Moment hörte ich wie die Tür im Hintersitz zugeschlagen wurde.

„Für was war der Kuss?“, wollte ich mit hochgezogenen Augenbrauen wissen. „Na, er ist doch der Typ von dem du mir auf dem Date erzählt hast, oder? Wir wissen alle das Cedric Wesley mit Cheryl Griffin ausgeht. Einem rothaarigen Model. Ich hab dir zugehört, Kleine. Ich wollte ihn nur testen, da du das niemals machen würdest. Und siehe da, er ist eifersüchtig. Obwohl ich dir raten würde einen normalen Kerl zu suchen und nicht den Traum aller Frauen dieser Welt“.

„Er ist nicht eifersüchtig. Es interessiert ihn nicht mal“, meine Schultern sackten zusammen. „Das sah aber eben anders aus. Er wollte mich mit seinem Blick erdolchen. Und jetzt raus mit dir“. „Wir sehen uns“, verabschiedete ich mich, stieg aus dem Auto und holte aus dem Kofferraum unsere Tüten raus.

 

„Ist der Typ der Grund warum du mich vorhin so hast abblitzen lassen?“, seine Stimme war nicht so ruhig und gelassen wie sie normalerweise war. Ein Hauch von Wut schwang mit.

Ich sah ihn verwirrt an. „Abblitzen? Wann hab ich dich abblitzen lassen?“ Er lachte spöttisch auf. „Ach vergiss es“, er wollte zur Haustüre laufen, aber ich stellte mich ihm in den Weg.

„Wenn du schon so ein Scheiß redest, dann erklär es mir richtig“, ich sah ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen an.

„Falls du es nicht bemerkt hast, war das ein Annäherungsversuch, als ich deine Hand genommen habe und du sie mir entzogen hast. Sowas ist mir noch nie passiert“, er fuhr sich über die Haare.

„Verkraftet das dein Ego nicht? Müssen sich alle an dich ranschmeißen?“, sein letzter Satz hatte mich dermaßen auf die Palme gebracht, dass ich ihm die Augen auskratzen wollte.

Ich fand ihn gar nicht mehr so toll!

Nein, das war gelogen. Ich fand ihn immer toll, egal welcher dumme Satz aus seinen so sinnlichen Lippen kam.

Ein knurren entwich seiner Kehle. „So war das nicht gemeint“, er atmete tief aus und beruhigte sich.

„Erstens habe ich das nicht als Annäherungsversuch gesehen, sondern eher als Trost und zweitens hast du eine Freundin, wenn ich mich recht erinnere. Und ich bin kein Spiel für zwischendurch. Wie du gesehen hast, hab ich schon eine Menge zu verdauen gehabt in den letzten Jahren und ich bin verdammt empfindlich. Deswegen sei so fair und lass deine Annäherungsversuche bei dir, nur weil dir langweilig ist“.

Wow, ich war so verdammt stolz auf mich!

Zwar wollte mein Körper sich an seine Brust schmiegen und sich über seinen 'Annäherungsversuch', so wie er es nannte, freuen aber mein Gehirn war auf Alarmstufe rot und versuchte mich zu schützen.

Bevor Cedric antworten konnte, öffnete sich die Tür und Coles laute Stimme rief nach uns.

„Alter, wir warten seit mehr als einer Stunde. Wolltet ihr nicht nur zu dem Getränkemarkt?“

„Sorry, wir haben Fans getroffen“, meinte der Sänger lässig und schlenderte an mir vorbei. Von seinem Ausbruch eben war nichts mehr zu sehen.

Klar, so musste man fürs Showbusiness sein. Sich nichts anmerken lassen.

Wir setzten uns rein, der Tisch war abgeräumt. „Tut mir Leid..“, entschuldigte ich mich in die Runde.

„Schon gut, wenn du die Getränke da hast, ist alles vergessen“, klang Masons verzeihende Stimme. „Sogar genug zu Knabbern“, meinte ich zwinkernd und breitete die Sachen auf dem kleinen Tisch im Wohnzimmer ab. „Guten Appetit“, sagte ich und verzog mich auf die Toilette im oberen Geschoss.

Ich wusch mir über das Gesicht und schluckte meine ganze Verwirrung runter.
Womöglich träumte ich ja doch? Die letzten Stunden kamen mir so intensiv vor. Ich war wie im Rausch.

Behutsam trocknete ich mir über das Gesicht und band meine Haare zu einem ordentlichen Pferdeschwanz.

Als ich die Türe öffnete, stand Ella vor mir, mit verkreuzten Armen vor der Brust. „Em. Willst du aufs Klo?“, fragte ich scheinheilig.

„Wir sprechen uns noch. Ich will hier kein Verhör starten, aber nur, weil da unten Gäste auf dich warten“.

„Ja, wir reden später“, meinte ich und lief an ihr vorbei.

Ich stieg die Treppen herab und gesellte mich zu den Jungs. Jeder von ihnen hatte sich ein Bier genommen und schlürfte genüsslich daran. Ich nahm Platz auf dem Teppichboden und schnappte mir ein paar Salzstangen.

„Wie läuft es in der Uni?“, erkundigte Mason sich. „Ganz gut. Ich hab jetzt meine Ruhe bis zum Neujahr, diese und letzte Woche mussten alle Prüfungen geschrieben werden“.

„Wenn du fertig mit dem Studium bist, wo willst du dann arbeiten?“

Ich zuckte mit den Schultern.

„Darüber habe ich mir nicht so viele Gedanken gemacht. Klar, Medienmanagement bezieht sich vor allem auf Medien, das heißt Radio, Fernsehen etc. aber ich hab ja trotzdem Management studiert, das heißt ich könnte mich selbstständig machen, da ich das mit der Planung und alles schon hoffentlich drauf habe und wenn das nicht klappt, keine Ahnung. Management wird überall gebraucht. Wenns sein muss auch im Puff“.

Mein gegenüber fing an zu lachen.

„Puff also? Was für eine wahnsinns Karriere“, meinte er frech.

„Wäh.. nur wenn mir nichts übrig bleibt“, meinte ich angewidert.

Ella setzte sich neben mich und fragte die Jungs über ihr Leben aus, wobei ich meine Augen nur verdrehen konnte.

„Verdammt, ich sollte los. Muss Morgen früh zur Arbeit“, Ella sah auf ihre Armbanduhr, welche ihr nach Mitternacht zeigte.

„Du kannst hier pennen und von dort zur Arbeit“, bot ich ihr an. Sie schien kurz zu überlegen.

„Nein, muss noch ein paar Unterlagen drucken, die auf meinem Stick gespeichert sind“, sagte sie schließlich. Sie stand auf und reichte den Jungs zum Abschied ihre Hand. „Hat mich gefreut“, grinste sie in die Runde.

„Ebenfalls“, meinte Mason und zwinkerte ihr zu.

Ich begleitete sie zur Tür. „Sobald ich Morgen Feierabend habe, komme ich hierher. Ich will ganz genau wissen wo ihr euch so lange rumgetrieben habt“, sie drückte mir einen Schmatzer auf die Wange und lies mich alleine im Flur zurück.

Ich lief zurück ins Wohnzimmer. „Ari, wir haben ein kleines Problem“, meinte Cole und kratzte sich am Hinterkopf.

„Was denn?“, fragte ich überrascht nach.

„Unser Chauffeur geht nicht an sein Handy ran.. wir kommen nicht von hier weg. Außer wir rufen ein Taxi aber da besteht halt immer die Gefahr, dass man weiß das wir hier bei dir zu Hause saßen“.

„Ist doch kein Problem, das Haus ist groß genug für drei weitere“, meinte ich schulterzuckend. „Du lässt uns einfach hier pennen?“, der Bassist sah mich überrascht an.

„Klar. Ich muss mir keine Sorgen machen, dass ihr irgendetwas stehlt oder? Ihr verdient an einem Tag mehr als das ganze Haus hier kostet, nehme ich an“.

„Ach was“, lässig winkte Cole ab. „Fast so viel wie das Haus“, fügte er mit einem grinsen hinzu.

„Wollt ihr getrennt schlafen oder jeder ein Zimmer?“ „Also ich schlafe auf keinen Fall mit Cole in einem Zimmer, der schnarcht mir zu viel“, mischte sich Mason ein.

„Gut, dann kannst du hier unten schlafen, Cole“.

Empört sah dieser seinen Kumpel an. „Stimmt doch gar nicht! Ich schnarche nur ganz leise, außerdem stehen die Frauen darauf“, verteidigte er sich.

„Wie auch immer. Du kriegst das Exklusive Wohnzimmer. So, dann kommt mit hoch, dann kann ich euch die Bettwäsche geben“.

Wir liefen hoch und ich wies Mason ins Gästezimmer und Cedric in Svens Zimmer. Oder zumindest das, was von seinem eigentlichen Zimmer übrig war.Das Schlafzimmer meiner Eltern war tabu, es war sowieso abgeschlossen und der Schlüssel versteckt.

Aus Svens Schrank holte ich ein paar Jogginghosen und T-Shirts raus, die die Jungs als Schlafanzug benutzen konnten. „So, die sollten euch ungefähr passen“.

Nachdem verkroch sich jeder in sein Zimmer. Ich zog mich um und legte mich in mein Bett, fand aber keine Ruhe.

Dieser Tag war so ereignisreich gewesen. Das nannte man also die Überraschungen des Lebens. Das konnte ich absolut bestätigen. Niemals hätte ich heute Morgen, als ich in der Lesung saß und über das Rezept für das Mittagessen grübelte, gedacht, dass ich nur ein paar Stunden später mit Cedric in meinem Esszimmer essen würde. Niemals! Oder das ich ihn jemals das Grab meiner Eltern gezeigt hätte. Und das er sich mir annähern würde, daran hätte ich erst gar nicht gewagt zu glauben. Ich wusste selber nicht was ich wollte! Warum hatte ich ihm nicht gesagt, dass ich mich über seine Annäherung freute? Das war genau das, was ich mir so sehr erträumte in der letzten Zeit aber sobald das zur Realität wurde, zog ich meinen Schwanz ein. Weil er Morgen abreiste.

Weil wieder Monate des Liebeskummers auf mich warteten. Aber die warteten so oder so. Egal ob wir uns näher kommen würden oder nicht.

Ich schaute auf die Uhr. Es war kurz nach zwei. Meine Gedanken ließen mich jedoch einfach nicht einschlafen.

Plötzlich klopfte es ganz leise an meiner Zimmertüre. Sie wurde im nächsten Augenblick zögerlich geöffnet.

Trotz der Dunkelheit konnte ich Cedrics Gestalt erkennen.

Ich setzte mich aufrecht in mein Bett. „Ist was?“, fragte ich besorgt nach. Er schüttelte den Kopf. „Ich wollte nur mit dir reden. Ich hab mir schon gedacht, dass du nicht eingeschlafen bist“.

Erst brauchte ich einige Sekunden bis ich seine Worte verstand.

„Em, ja.. ja, komm rein“, meinte ich verunsichert. 

"ich weiß nicht wie ich mit dir umgehen soll".

Ich machte ein wenig Platz, damit Cedric sich neben mich aufs Bett setzen konnte.

Das Langarmshirt von Sven hatte er hochgekrempelt und man konnte nur erahnen, was für definierte Muskeln darunter verborgen waren. Er knipste die Nachttischlampe an und ich brauchte einige Sekunden, um mich an das helle Licht zu gewöhnen.

Cedric sah sich in meinem Zimmer um, hatte ein leichtes lächeln auf seinen Lippen.

„So hab ich mir dein Zimmer vorgestellt“, meinte er nachdenklich.

Ich knetete nervös am Saum meines Oberteiles.

„Großes Fenster vor dem ein großer Schreibtisch steht, ein für ein Mädchen kleiner Kleiderschrank. Kein Schminktisch sondern nur ein kleiner Spiegel.. dafür aber unzählige Bilder, genau so habe ich mir das gedacht“.

Seinen Blick richtete er auf die Fotowand hinter meinem Rücken.

Bilder von Sven, Ella, meinen Eltern und damaligen Freunden aber auch Orte, die mich früher inspirierten. Das war alles vor dem Unfall aber ich hatte nie groß Lust gehabt, auszusortieren.

Diese Menschen, deren Gesichter auf den Bildern abgebildet waren, mit denen hatte ich gar keinen Kontakt mehr. „Worüber wolltest du reden?“, sprach ich ihn auf sein Auftauchen an.

Er drehte seinen Kopf von den Bildern zu meinem Gesicht. Sah mir direkt in die Augen, was mich sofort erschaudern lies.

„Du hast vorhin etwas gesagt, was ich nicht in Ordnung fand“, sagte er. „Du hast vorhin auch etwas gesagt, was ich nicht in Ordnung fand“, meinte ich und schlang meinen Arm über meinen Oberkörper,

Er seufzte genervt auf.

„Ich weiß. Tut mir Leid. Aber ich will nicht das du denkst, ich würde mich dir annähern, weil mir langweilig sei. Das ist eine miese Unterstellung“, sein Gesicht war ernst und passte so gar nicht zu seiner sonst so lässigen Art.

„So? Was ist denn sonst der Grund?“, hakte ich mutig nach.

Er fuhr sich über die Haare. „Weiß nicht. Wieso sucht man die Nähe zu Menschen des anderen Geschlechts?“ Ich verschränkte meine Arme.

„Weil man sich gern hat. Aber das gilt nicht für vergebene Leute!“ „Ja, ich bin nicht vergeben“, seine Stimme nahm langsam einen wütenden Ton an.

„Beruhig dich! Wenn dieses rothaarige Model nicht deine Freundin ist, was ist sie dann?“ „Dann hör du auf zu zicken und gib dich mit meinen Antworten zufrieden!“

„Wieso sollte ich? Sind dir Erklärungen so lästig?“, meine Stimme überschlug sich.

Mit einem Male packte mich Cedric an meinen Schultern und drückte mich auf mein Bett. Er schwebte halb über mir und sah mich grinsend an. Ich brauchte einige Sekunden um mich mit der Situation auseinander zu setzen.

„So kriegt man dich also ruhig“, zwinkerte er frech.

Seine Hände stemmte er links und rechts von mir ab, drückte tief in die Matratze, Ich verbot mir den Wunsch wegen etwas anderem so unter ihm zu liegen, nicht wegen dem Versuch mich ruhig zu stellen.

„Jetzt wo du still bist, kann ich ja sprechen“, in seiner Stimme hörte ich die Belustigung raus. Er wusste das mir diese Stellung unangenehm war.

Der Typ hatte schlimmere Stimmungsschwankungen als jedes Mädchen.

Mal zickig, mal belustigt, mal charmant und im nächsten Augenblick total eingebildet.

„Das mit Cheryl ist eine komplizierte Geschichte. Aber nichts ernstes. Es ist gut für unser beider Image. PR eben.. Aber das ist vorbei, wirklich. Und außerdem sollte ich auf eine Entschuldigung deinerseits warten. Bei dir habe ich mich zumindest versucht immer ordentlich zu benehmen aber bei dem kleinsten Verdacht denkst du, ich spiele“.

„Tut mir Leid.. du hast Recht“, meinte ich kleinlaut.

Überraschung spiegelte sich in seinen Augen wieder, er schien nicht damit gerechnet zu haben, dass ich ihm Recht gab.

Langsam nahm Cedric Abstand von mir und setzte sich in seine vorherige Sitzposition. Ich tat es ihm nach.

„Es ist nur.. ich weiß nicht wie ich mit dir umgehen soll. Klar, ich vergesse niemals das was du in New York für mich getan hast.. und wir haben uns auch gut unterhalten können aber.. manchmal packt dich die Arroganz. Wie du mit mir umgegangen bist, als Cheryl beim ersten Mal dabei war oder vorhin.. das dir sowas noch nicht passiert sei. Es gibt nichts was ich an Jungs so sehr hasse, wie ihr ewiges Machogehabe“, erklärte ich.

„Mal wieder so ehrlich, Ari“, er sah mich aus funkelnden Augen an, ich wusste dieses funkeln aber nicht zu deuten.

„Wenn man nicht Klartext spricht, kommt man nie weiter.. Das hat mein Dad immer zu mir gesagt“.

Eine Stille breitete sich aus.

„Wie lange ist es her?“, ich spürte seinen Blick, der auf mir ruhte.

„Fast drei Jahre“, ich fing an mit meinen Fingernägeln zu spielen. Ich hasste es über dieses Thema zu sprechen. Das hatte ich auch schon beim Psychologen und das würde sich auch nie ändern.

Ich spürte seinen Arm, welche mich vorsichtig zu sich zog. Still lies ich das geschehen, platzierte meinen Kopf an seine Halsbeuge.

Wieder durchströmte mich ein Glücksgefühl – so wie immer wenn ich ihn berührte..

„Damit du das jetzt nicht wieder falsch verstehst, dieses Mal ist das Trost.. und eine Annäherung wenn das für dich in Ordnung ist“, die letzten Worte kamen nur zögernd aus seinem Mund.

Seine Worte waren pure Musik für mich. Ich nickte und lächelte in mich hinein.

„Gott sei dank, noch eine Abfuhr von dir hätte ich nicht ertragen können“, meinte er und gab mir einen Kuss aufs Haar. Ich löste mich etwas aus seiner Umarmung und sah ihm direkt in die Augen.

„Das wird mir gerade zu romantisch“, offenbarte ich ihm meine Gedanken. Verwundert sah Cedric mich an, blinzelte erst drei Mal ehe er antwortete.

„Ist das nicht genau das was Frauen wollen?“

Ich zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung.. aber.. das ist komisch.. Weil ich jetzt hier einfach in deinen Armen liege und Morgen bist du weg..oder ich träume“, die letzten Worte hatte ich gemurmelt.

Er lachte. „Träumen? Tust du das denn öfters von mir?“ Verdammt, wieso konnte ich meine Klappe nicht halten?! Was solls, ich war die ehrliche Ariana.

„Um ehrlich zu sein ja und es hat mich wirklich gestört. Und du hast mich nicht nur in meinen Träumen verfolgt sondern auch in der Realität, überall bist du auf Postern zu sehen.. auf meinem Kaffeebecher.. verstehst du? Mein Kaffeebecher! Und sogar in der Lesung ging es eine Doppelstunde um euch.. Ich dachte, ich dreh noch durch“.

Er musterte mich nachdenklich.

Sein Blick ging mir durch bis in Mark und Bein.Wie konnte jemand nur so unglaublich perfekt aussehen? Trotz der Tatsache, dass wir mitten in der Nacht waren, sah er aus wie aus einem Magazin entsprungen.

Vorsichtig hob ich meine Hand und legte sie auf seiner Wange ab. Seine Bartstoppeln kitzelten. Endlich wusste ich, wie sich das anfühlte. In diesem Moment war es mir egal, ob ihm das vielleicht zu viel wurde und er die Flucht ergreifen würde.. ich setzte alles auf eine Karte und wenn er Augen im Kopf hatte, müsste er auch meine Gefühle für ihn bemerkt haben. Naja und wenn,was solls? Dann wusste er es eben. Änderte das etwas an den Tatsachen?

„Von was hast du geträumt“, fragte er neugierig nach. Oh nein! Das konnte ich ihm nicht sagen.

Als Antwort zuckte ich einfach nur mit den Schultern.

„Sag schon“, er grinste, konnte es sich wohl denken. „Es waren Albträume“, ich sah ihn aus verengten Augen an.

„Ich hab auch von dir geträumt“, meinte er locker. Überrascht weiteten sich meine Augen.

„Was? Wie?“, hauchte ich benommen.

In Cedrics Gesicht schlich sich ein lächeln.

„Wie? Ich zeigs dir“, hörte ich ihn sagen

Im nächsten Moment beugte er sich runter, ganz langsam damit ich gegebenenfalls einen Rückzug machen konnte, aber den wollte ich nicht. Sein Gesicht war mir so nah, unsere Nasenspitzen berührten sich und sein spürbar warmer Atem schickte Stromstöße durch meinen ganzen Körper.

Der Moment als er seine Lippen auf meine drückte glich einer Explosion.

Seine Lippen übten sanften Druck auf meine aus, mein Bauch kribbelte wie verrückt, schickte dieses Gefühl durch meinen ganzen Körper.

Ich streckte meinen Oberkörper mehr, um besser an diese süchtigmachenden Lippen zu gelangen.

Seine Bartstoppeln kratzten an meiner Haut – und ich liebte es von der ersten Sekunde an.

Wir lösten uns voneinander und erst als dieses berauschende Gefühl abebbte, öffnete ich meine Augen.

Es war ein wunderbar süßer Kuss, völlig unschuldig. Mein Herz hämmerte wie wild gegen meine Brust, so laut, dass Cedric es unmöglich hätte überhören können.

Anstatt das einer von uns beiden etwas sagte, küsste er mich wieder.

Seine Hände hielten mein Gesicht fest und ich krallte mich an sein Shirt.

Diesmal verstärkte er den Druck auf meinen Lippen, ich spürte seine Zunge, wie sie über meine Unterlippe strich und anschließend um Einlass bat. In der ersten Sekunde war ich etwas überrumpelt, öffnete meine Lippen nur einen Spalt aber der Sänger nutzte diesen milimalen Spalt um sich in meine Mundhöhle zu tasten.

Nichts in meinem Leben hatte sich so gut und richtig angefühlt, wie seine Lippen auf meinen.

Meine anfängliche Scheu hatte sich nach den ersten Sekunden abgelegt und bereitwillig spielte ich mit seiner Zunge. Sie verschmolzen zu einer und tanzten gemeinsam. Cedric war die pure Leidenschaft, das merkte ich spätestens nach diesem Kuss. So intensiv wurde ich noch nie geküsst.

Seine Hände wanderten von meinen Wangen ab, glitten zu meinem Rücken und strichen über meine Seiten, worauf ich eine Gänsehaut bekam.

Langsam löste ich mich von ihm und musste erst mein Gehirn suchen, welches sich offensichtlich aus dem Staub gemacht hatte.

Ich hörte nur unseren schweren Atem. Wehe das hier war wieder ein Traum!

Meine Finger machten sich selbstständig und fuhren über seine mit Bartstoppeln belegte Wange.

Vorsichtig fuhr ich seine Gesichtskonturen nach, völlig begeistert von jeder einzelnen Zelle die ihn ausmachte.

„Erzähl mir was von dir“, bat ich ihn schließlich, nachdem ich meine Finger widerwillig zurücknahm.

„Was willst du wissen?“, fragte er. Ich zuckte mit den Schultern. „Du weißt so viel von mir. Zu viel vielleicht und ich weiß gar nichts über dich“. Er schmunzelte. „Wo soll ich anfangen?“

„Hm, wie wärs.. mit deinem normalen Leben vor Back-Up?“, schlug ich vor. „Noch nie hat mich jemand nach meinem Leben vor Back-Up gefragt. Das interessiert doch niemanden“.

Ich schüttelte den Kopf. „Doch, mich“.

Wir saßen studenlang auf meinem Bett und er erzählte, während ich ihm einfach zuhörte.

Cedric erzählte von seinen Eltern, von seinen Zwillingsschwestern, was er in seiner Freizeit gerne machte und ich tat nichts lieber, als ihm zuzuhören. Seine Sprechstimme war so wunderbar, man konnte erahnen,dass er ein toller Sänger war.

Erst gegen fünf Uhr verlies er mein Zimmer. Ich war hundemüde und egal wie sehr ich es versuchte, konnte ich nicht wachbleiben. Cedric sah man dagegen nichts an. Er zuckte bei meiner Feststellung nur mit den Schultern und meinte, es wäre nichts neues für ihn lange aufzubleiben. Oder besser gesagt aufbleiben zu müssen.

Glücklich legte ich mich in mein Bett.

Die letzten Stunden waren die schönsten die ich seit langem hatte.Wir hatten uns geküsst.

Zufrieden seufzte ich und driftete ins Reich der Träume.

„Lass mich noch ein letztes Mal diese Lippen küssen".

Laute Basstöne weckten mich auf. Was war das? Ein Handy. Aber es konnte nicht meins sein. Mein Klingelton war ganz anders. Es kam aus dem Nebenzimmer.

Die Erkenntnis lies mich an den gestrigen Tag und an die Nacht erinnern.

Cedric und die Jungs waren bei mir im Haus.

Cedric war in meinem Haus.

Er hatte mich geküsst.

Seine Lippen.

Ein dämliches Grinsen schlich sich in mein Gesicht und ich lies mich tiefer in die Kissen fallen. Bei der Erinnerung durchströmte mich eine Gänsehaut. Es war mit Abstand eines der schönsten Nächte meines Lebens. Und dabei hatten wir fast nur geredet.
Nach dem einen Kuss kam es zu keinem weiteren. War das gut oder schlecht?

Ich zog die Decke beiseite und gähnte ausgiebig. Gegenüber von mir konnte ich mein Spiegelbild betrachten. Meine Haare hatten sich größteilteils aus meinem Dutt gelöst aber trotz der wenigen Stunden Schlaf sah ich gar nicht so mies aus, wie ich eigentlich vermutete.

Kurzerhand öffnete ich meinen Kleiderschrank, zog mich um und versuchte das Chaos auf meinem Kopf zu bändigen.

Unten im Esszimmer sah ich Mason, wie er telefonierte und seine Augen dabei geschlossen hielt. Sein Kopf hatte er dabei auf seiner Hand abgelegt. Da war wohl jemand ziemlich müde.

Geräuschlos nahm ich neben ihm Platz und fuhr mir ebenfalls müde über das Gesicht.

„Leon, sie ist da, ich frag nach der Adresse“, Mason bemerkte mich und schenkte mir ein müdes lächeln.

„Ich brauch deine Adresse damit wir abgeholt werden können. Unser Chauffeur hat wohl ein familiäres Problem und ist erstmal beurlaubt, deswegen konnte er gestern Nacht nicht kommen“, erzählte Mason.

Es ist zwar gemein so zu denken und ich verabscheute mich selber für diesen widerlichen Gedanken, aber ich war froh das dieser Typ familiäre Probleme hatte.

Sonst hätte mich Cedric nicht geküsst. Aber hoffentlich würde sich alles zurechtbiegen!

Ich nannte ihm meine Adresse und Mason gab es an Leon weiter. „Ja, bis später“, sagte er zurück zum Telefon gerichtet.

„Wir werden Ärger kriegen“, Mason räckelte sich.

„Mist.. hättet ihr gestern was gesagt, hätte ich nen Wecker gestellt“, ich sah entschuldigend zum Gitarristen. Er lachte und lies sich tiefer in den Stuhl fallen.

„Das ist ja nicht deine Schuld. Sag Mal, wo sind denn deine Eltern?“

Bevor ich zu einer Antwort ausholen konnte, hörte ich ein Knarren hinter mir.

„Guten Morgen“, Cedrics raue Stimme lenkte mich kurzerhand von Masons unangenehmer Frage ab.

„Morgen“, meinten wir beide synchron.

„Wir müssen los. Ich weck schnell Cole. Wir kriegen gewaltig Ärger“, Mason stand auf und marschierte ins Wohnzimmer.

Cedric nahm gegenüber von mir Platz. Wie ein junger Gott saß er vor mir und man merkte ihm rein äußerlich nichts von den gerade Mal drei Stunden Schlaf an.

„Was hättest du geantwortet, wenn ich nicht gekommen wäre?“, er sah mich durchdringlich aus seinen blauen Augen an.

Er hatte es also gehört?

„Keine Ahnung“, ich zuckte mit den Schultern. Es musste dringend ein anderes Thema her.

„Wie hast du geschlafen?“, erkundigte ich mich deswegen.

„Zwar nicht viel, aber dafür besonders gut“, meinte er zwinkernd. Was sollte das denn heißen?

„Jungs macht euch fertig“, Mason war zurück und hatte einen mehr als nur schlecht gelaunten Cole mitgebracht. „Er ist ein Morgenmuffel, am besten sprichst du nicht mit ihm“, wies mich Cedric neckisch zurecht. „Gut zu wissen“.

Wir standen im Flur, vor der Haustüre und die Jungs waren dabei sich ihre Jacken anzuziehen. Eben hatte es vor der Türe gehubt. Das große, schwarze Auto war ein richtiger Hingucker und verriet schon, dass Normalos nichts in so einem edlen Teil verloren hatten.

Ein mächtiger Fehler wie ich fand, aber .. es war immerhin halb neun und mitten in der Woche, also keine große Bedenken das nachher Back-Up Fans vor meiner Türe Schlange stehen könnten.

„War ein netter Abend und sorry nochmal, das wir einfach so reingeplatzt sind“, Mason zog mich kurz in eine Umarmung. „Kein Problem, war eine schöne Überraschung“.

Dann wand ich mich zu Cole. „Du kannst gleich im Auto schlafen“, meinte ich kichernd und umarmte auch ihn kurz.

„Auto oder Bett, wie würdest du dich entscheiden, Prinzessin?“, meinte er im Halbschlaf.

„Außerdem müssen wir erst ins Krankenhaus.. zu den Mädels von der Autogrammstunde“.

„Die hab ich ganz vergessen“, Cedric kratzte sich am Hinterkopf und schien zu überlegen.

„Kommt, gehen wir bevor wir noch mehr zu spät kommen“.

Mason war wohl derjenige, der die Gruppe ansticheln musste. Das war bestimmt keine leichte Aufgabe. „Wir sehen uns“, Cedric zog mich in seine Arme.

Das war der beste Platz auf der Welt, eindeutig!

„Komm,los“, Mason zog an Cedrics Jacke, machte die Tür auf und mit aller Eile waren die Jungs weg.

Wir hatten uns gar nicht richtig verabschiedet.

So ein Scheiß. Jetzt war er wieder weg. Ich rechnete mir schon aus, wie viele Jahre vergehen müssten, bis ich ihn wiedersehen konnte. Was hab ich mir nur dabei gedacht?Ich hätte mich doch nicht küssen lassen dürfen? Wieso hab ich seine Nähe so genossen?Wohin war nur mein funktionsfähiges Gehirn verschwunden? Toll. Der Liebeskummer wartete bereits auf mich. Er sagte, er hätte mich gern. Unbeholfen setzte ich mich ins Wohnzimmer.

Das war alles wirklich passiert.

Sie waren hier.

Und genauso plötzlich wie sie gekommen waren, waren sie weg. Diese Mädels im Supermarkt. Oh, sie haben Cedric so angehimmelt und laut seinen Namen gekreischt. In seiner Welt war das nichts neues. Ich wollte gar nicht daran denken, wie viele wunderschöne Mädchen das jeden Tag taten!

Es gongte. Das klingeln der Haustüre lies mich aufschrecken.

Es war viel zu früh für Ella?

Ich lief zur Haustür und öffnete sie. Vor mir stand Cedric. Aus den paar Jahren des Wiedersehens wurden doch nur ein paar Minuten. „Mein Handy liegt im Zimmer von Sven“, sagte er.

„Oh.. em, warte. Ich hols dir“, ich wollte mich umdrehen und hochlaufen, doch da kam er mir zuvor.

„Nein, nein. Ich hol es schon, du findest es sicher nicht“, meinte er eine Spur zu schnell.

„Na gut.. Komm rein“, perplex lies ich den Sänger eintreten und bewunderte seine perfekte Kehrseite, während er die Treppen nach oben lief.

Keine Minute später kam er zurück. Ich kaute an meiner Unterlippe. Am liebsten würde ich ihn einsperren. Er sollte nicht gehen!

„Bevor ich es vergesse, gibst du mir deine Handynummer?“, fragte er mich.

Ich zog meine Augenbrauen hoch vor Verwunderung. Er wollte meine Handynummer? Das hieß vielleicht, wir blieben in Kontakt? „Sicher..“, ich diktierte ihm meine Nummer und Cedric tippte es fix in sein Handy.

„Dann.. sollte ich gehen. Wir sind sowieso zu spät dran“, er kam einen Schritt auf mich zu. Einen viel zu großen Schritt. Bei der plötzlichen Nähe vernebelten sich meine Gedanken. Aber das war ja nichts neues..

Ich nickte bloß, unfähig etwas zu sagen. „Keine Umarmung?“, seine Stimme war einfach die reinste Melodie in meinen Ohren. Und vorallem wenn er sie senkte, so leise sprach das ich es gerade noch hören konnte. Ich schüttelte den Kopf. Eine Umarmung war nichts gutes. Vorhin wollte ich sie noch und war enttäuscht, mich nicht richtig verabschieden zu können aber das machte den Abschied noch schwerer. Für mich zumindest.

„Wieso nicht?“, hakte er nach. Der Mut war mir entgangen und ich konnte nicht in sein Gesicht schauen. Er nahm sanft mein Kinn zwischen Zeigefinger und Daumen, drehte diesen zu sich.

„Das ist nicht gut“, meinte ich verschüchtert. Wo zum Teufel war mein Selbstbewusstsein und meine Standhaftigkeit? Wo?

„Sag das nicht“, flüsterte er. Erst jetzt wurde mir unsere wirkliche Nähe bewusst. Die Lippen nur wenige Zentimeter von mir entfernt. Ich setzte einen Schritt nach hinten. Er tat es mir nach.

Ich setzte einen weiteren Schritt nach hinten, Cedric tat es mir nach. Ein Grinsen zierte sein Gesicht. Ein weiterer Schritt war mir nicht möglich, die Wand stand hinter mir.

Oh dieser Mistkerl!

Er wusste ganz genau das ich nicht mehr ausweichen konnte!„Lass mich noch ein letztes Mal diese Lippen küssen. Sie sind mir in meinen Träumen diese Nacht durchgängig in die Quere gekommen“.

Er wusste, wie er mich um den Fingern wickeln konnte. Mistkerl.

Mehr sagte er nicht, stattdessen küsste er mich.

Ich seufzte auf und drängte mich an ihn. Also genau das, was ich vermeiden wollte!

Meine Arme verkreuzten sich an seinem Hals und seine starken Hände spürte ich an meiner Taille.

Wer wusste, wann ich ihn das nächste Mal sah? Sollte ich da nicht alles auskosten?

Genau das tat ich. Meine Hände fuhren über seine weichen Haare, zu seinem Gesicht.

Sein betörender Duft umnebelte mich. Genau so fühlte ich mich wohl. Seine Arme, welche mich besitzergreifend an sich drückte, seine Zunge, welcher mal sanft mal wild mit meiner spielte und der nicht zu vergessene Geruch, welche mich umhüllte.

„Ich muss jetzt los“, flüsterte er außer Atem dicht an meinem Mund. Ich nickte benommen und schluckte schwer. Er drückte mir einen Kuss auf die Stirn.

„Wir sehen uns“, sagte er, bewegte sich aber keinen Millimeter. „Wir sehen uns“. Die Wörter aus meinem Mund passten nicht zu meinem Verhalten. Denn mit einem Male waren unsere Lippen wieder vereint. Das lag an mir.

Zum ersten Mal hatte ich die Initiative ergriffen. Zeit zum Ohrfeigen war nachher genug.

Ich spürte sein Grinsen an meinen Lippen. „Du kriegst Ärger“, ich löste mich von ihm.

„Das ist es mir Wert“, er nahm die Hände von meiner Taille.

Ob er meinen lauten Herzschlag hörte? Das musste er. War ich rot? Auf jeden Fall war mir heiß. Viel zu heiß. Oh scheiße.

Wieso brachte mich Cedric so aus der Fassung?

„Ich muss dann.. Passt gut auf dich auf“. Ich nickte. „Du auch“.

Wieder war ich alleine. Ich musste tief ausatmen. Schon wieder hatte er mich einfach überrascht.

Wir hatten uns schon wieder geküsst. Meine Finger wanderten zu meinen leicht angeschwollenen Lippen. Unwillkürlich fing ich an zu lächeln.

Mein Handy aus meiner Hosentasche vibrierte.

Ich öffnete die SMS.

„Ich hab mein Handy gar nicht in Svens Zimmer vergessen“.

Ich las diesen Satz immer und immer wieder. Bedeutete das, er war nur so zurückgekommen?

Um sich richtig zu verabschieden und.. um mich zu küssen?

„Dann würde ich dich an mich drücken und friedlich schlafen“.

„Ihr habt was?“, schrie Ella aufgebracht und sah mich aus großen Augen an. „Psht, sei doch nicht so laut“, keifte ich sie an. In das Gesicht meiner besten Freundin schlich sich ein fettes Grinsen.

„Uuuuund?“, fragte sie und wackelte mit ihren Augenbrauen.

„Was und?“ „Ari, lass dir nicht alles aus der Nase ziehen. Der Kuss, wie war er?“, hakte sie interessiert nach.

„Gut.. er war gut“, das war mehr als nur untertrieben. Das war das Beste, was ich in meinem Leben gemacht hatte.

„Gut? Das wars also? Es war gut? Die ganze verdammte Frauenwelt will Cedric Wesley küssen und du sagst, es war gut?“, sie zog ihre Augenbrauen ungläubig in die Höhe.

Ich seufzte.„Es war mehr als gut, zufrieden?“ „Sag doch das du es geil fandest!“

Ich verdrehte die Augen.

Warum hatte ich Ella das alles noch mal erzählt?

„Es war verdammt perfekt, okay? Besser als die verdammte Frauenwelt es sich vorstellen kann. Und mehr sag ich nicht“, ich verschränkte die Arme.

„Ist das bei dem einen Kuss geblieben?“ Ich kam mir vor wie im Verhör.

„Nein“, sagte ich einsilbig. „Ohhhhh“, Ella klatschte erfreut in die Hände.

„Oh Ari, ich freu mich ja so für dich“, sie stützte ihren Kopf auf ihrer Hand ab und sah mich strahlend an.

„Das heißt aber nichts“, meinte ich und kaute auf meiner Unterlippe. „Wieso?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Naja.. ich meine.. schön und gut, wir haben uns geküsst aber.. das hat doch keine Zukunft. Wer weiß wann wir uns das nächste Mal sehen“.

„Ach Ari, das wird schon! Mein Instinkt sagt mir das! Ich hole mir einen Kaffee, willst du auch?“ Ich schüttelte den Kopf.

Mein Blick galt dem Poster an der gegenüberliegenden Wand. Dieser Typ auf diesem riesigen Poster war heute Morgen noch in meinem Haus. Unglaublich. Wo sie wohl waren? Er schrieb mir schon seit 4 Stunden nicht mehr zurück. Aber das war ja keine Verpflichtung..

Ich spielte nachdenklich am Ärmel meines Oberteils, als ich an meiner Schulter gepackt wurde.

Verschreckt sah ich auf und erkannte Michael.

„Verdammt hast du mich erschreckt“, ich hielt mir die Hand auf meinem Brustkorb. Er grinste amüsiert.

„Sorry, ich konnte einfach nicht widerstehen“, der große Muskelberg setzte sich gegenüber von mir hin.

„Alles klar bei dir?“, erkundigte er sich. „Ja, bei dir?“ „Auch. Wo hast du denn unseren VIP gelassen?“

„Er ist heute Morgen mit den anderen abgereist“, erzählte ich. „Soso. Und, was habt ihr getrieben?“ „Was sollen wir denn getrieben haben?“, fragte ich angriffslustig nach.

„Ah, hey Michael!“, Ella war zurück und setzte sich neben ihn.

„Erzähl doch Mal Ella, was hat denn Ari mit Cedric Wesley am Hut?“, fragte Michael Ella, nachdem er von mir keine Antwort bekam.

„Sie haben geknutscht“, meinte sie locker.

Er fing an zu pfeifen. „Hat mein Flirtversuch also doch was bewirkt?“ Ich nickte vorsichtig.

„Wusst ich's doch! Ich glaube, ich werde professioneller Verkuppler“.

„Was meinst du?“, wollte Ella interessiert wissen. Voller Elan begann Michael vom Vorfall am Supermarkt zu erzählen.

„Das glaub ich ja nicht!“, Ella prustete lauthals los. Auch ich konnte mir das lachen nicht verkneifen.

Michael hatte eine besonders witzige Art, Sachen zu erzählen.

Ella sah auf ihre Uhr. „Oh, schon so spät! Ich muss los, ich treff mich mit Xaver, tschüss meine Freunde“, in Windeseile packte sie ihre Sachen und lief raus.

„Die zwei sind unglaublich verknallt, ich hab meinen besten Freund seit Tagen nicht mehr gesehen, nach der Arbeit ist er immer mit Ella unterwegs“.

„Oh, du Armer! Ich stelle mich zur Verfügung, wenn ich Xaver würdig ersetzen kann“.

Er schmunzelte. „Ich hab zwei Tickets für eine Comedysendung nächste Woche, kennst du den Comedian George Willis?“

Ich schüttelte den Kopf. Ich kannte davor noch nicht einmal Back-Up..

Michael verdrehte die Augen.

„Ich weiß zwar nicht, wieso du ihn nicht kennst, aber ich belass es mal dabei. Auf jeden Fall wollte ich da mit Xaver hin, aber er hat Ella versprochen irgendwo hin zu gehen und bevor es bei denen kriselt weil er ihr absagen muss hab ich gesagt, dass er sich nicht verpflichtet fühlen muss, mit mir hinzugehen. Jetzt hab ich eine Karte plus einen Flug frei“.

„Wohin geht es denn?“

„Nach Chicago“.

Mein Gesicht erhellte sich bei seinem Satz. „Mein Bruder wohnt dort“, erzählte ich. „Dann kommst du mit?“

Ich nickte.

„Wie viel kostet der Flug denn?“, wollte ich wissen.

„Nichts. Wir haben die Tickets bei einem Radiosender gewonnen. Also fliegen wir nächste Woche nach Chicago?“ Ich nickte breit grinsend.

Dann konnte ich Sven besuchen! Mein lieber Bruder meldete sich äußerst selten in letzter Zeit. Es war jetzt an mir, ihn zu besuchen.

Die Tage vergingen wie im Flug. Seit Tagen hatte ich weder etwas von Cole, noch von Cedric gehört. Nicht ein Mal eine SMS. Das kam mir so seltsam vor. Natürlich war niemand gezwungen mit mir zu schreiben.. aber das Cedric sich nicht meldete, stimmte mich mehr als nur traurig.

Es war sieben Uhr morgens als ich aus der Dusche kam und mich für die Uni vorbereitete. Die Lesungen waren zwar keine Pflicht, aber anstatt zu Hause zu hocken, konnte ich genauso gut dorthin. Während ich dabei war, meine nassen Haare zu kämmen, klingelte mein Handy.

Sofort setzte mein Herz aus als ich den Namen des Anrufers sah.

„Hallo?“

„Hey! Um ehrlich zu sein hätte ich gedacht, du schläfst“, gab Cedric schmunzelnd zu.

„Wie kommst du drauf? Ich bin eine sehr fleißige Person“, meinte ich von mir selbst überzeugt und stellte mein Handy auf laut, damit ich weiterhin meine Haare kämmen konnte.

„Das stimmt allerdings“, gab er mir Recht.

„Tut mir Leid, dass ich mich erst jetzt melde, aber die letzten Tage waren sehr stressig“.

Er entschuldigte sich? Er entschuldigte sich!

Mein Spiegelbild begann zu strahlen.

„Macht doch nichts“, meinte ich jedoch ruhig.

Puh, zum Glück sah er mein Gesicht nicht.

„Was war denn los?“, fragte ich nach.

„Unser Management hat unsere Termine verwechselt und wir mussten nach Italien.. das war so stressig und dann hatten wir einen richtigen Jetleg und mussten aber von einem Pressetermin zum nächsten und wieder zurück. Jetzt hab ich heute wenigstens frei und hüpfe gleich ins Bett“.

„Du Armer. Dann wünsche ich dir erholsame Träume“.

„Ich bin mir sicher, jetzt wo wir telefoniert haben, stehen meinen erholsamen Träumen nichts im Weg“.

„Ach, ist das so?“ „Obwohl, ich könnte mir noch was besseres vorstellen“, meinte er.

„Hmmm, was denn?“

„Dich, hier neben mir“, meinte er locker.

Mir rutschte das Herz in die Hose. Gott sei Dank sah er mein Gesicht nicht.

Wie konnten solche Wörter nur so leicht aus seinem Mund kommen?

Wenn er spielen wollte, konnte er das haben.

„So? Du könntest also besser schlafen, wenn ich da wäre?“

„Ganz bestimmt“, bestätigte er.

„Was macht dich denn so sicher?“

„Dann würde ich dich an mich drücken und friedlich schlafen“.

Ich konnte mir nichts schöneres vorstellen als mich von ihm an seine starke Brust drücken zu lassen. Schon bei dem bloßen Gedanken fing mein Bauch an zu kribbeln.

„An mir solls nicht liegen“, ich biss mir auf die Unterlippe. Das waren ja ganz neue Töne von mir.

Ich sah auf meine Uhr. „Verdammt, ich muss langsam los, sonst komme ich zu spät“.

„Hmm. Okay. Ich melde mich sobald ich kann“. „Alles klar. Bye“. „Bye“.

Ich seufzte tief. Cedric meldete sich bei mir, obwohl er so viel um die Ohren hatte. Ich war so sehr verliebt, ich konnte es nicht abstreiten. Wie konnte man auch nicht?

Der Anruf hatte mir den Tag versüßt. Den ganzen Tag lief ich mit einem strahlenden Grinsen herum. Das konnten auch die unfreundlichsten Menschen dieser Welt nicht ändern.

 

 

Ich fühlte mich wie ein irrsinniger Stalker

Ich saß mit Michael im Flieger und wir aßen gerade unser Mittagessen. Lasagne aus der Packung. Zwar beschwerten sich alle immer über den 'schrecklichen Flugzeugfraß' aber ich musste zugeben, mir schmeckte es einfach! Michael sah mich mit verzogener Miene an.

„Ist was?“, fragte ich kauend.

„Wie kannst du das nur essen?“, wollte er ungläubig wissen.

Ich verdrehte die Augen. „So schlimm ist es nicht, übertreib nicht! Also, wenn du dein Mittagessen nicht willst, ich hab genug Platz im Magen“.

Er schob mir seinen Plastikteller zu, welchen ich dankbar annahm.

„Wie lange brauchen wir denn noch?“, fragte ich ihn.

„Wir fliegen gerade Mal seit zwei Stunden. Wir haben im Hotel eh keine Zeit, wir stellen unsere Sachen ab und fahren dann zu der Halle“, erzählte er und trank anschließend aus seinem Becher.

„Ich fahr von der Halle direkt zu meinem Bruder, wenn das okay ist?“

„Klar. Dann kann ich ein Mädchen mitnehmen“, er zwinkerte mir zu.

„Keine Details“, meinte ich und lehnte mich zurück in meinen Sitz.

„Na gut, obwohl ich echt gute Storys zu erzählen habe“, er lehnte sich ebenfalls in den Sitz.

„Behalt das für dich, Casanova“, ich sah aus dem Fenster. Die Welt unten sah aus wie ein kleiner Ameisenberg.

„Ich hätte es dir eh nicht gesagt. Ein Gentleman schweigt und genießt“.

Ich sah ihn spöttisch an. „Ja, genau, Man beachte das Wort Gentleman“.

„Willst du mir damit sagen, ich bin keiner?“, er sah mich herausfordernd an.

Ich zuckte mit den Schultern. „Das hab ich nicht gesagt. Weck mich, wenn wir da sind“.

Ein paar Stunden später saßen wir im Taxi. Fasziniert sah ich aus dem Fenster. Ich war erst 3 Mal hier in Chicago, aber .. auf eine Weise kam mir das hier vertraut vor. Ich konnte mir vorstellen hier zu leben. Mir war es überall Recht, Hauptsache nicht in Roseville.

Mein Blick blieb am Park hängen, an dem wir vorbeifuhren. Genau dort hatte ich die Nacht mit meinem Dad verbracht.

Ein trauriges lächeln schlich sich in mein Gesicht.

Ich war damals abgehauen aus Svens Wohnung, den Grund dafür wusste ich nicht mehr genau. Wir hatten uns jedenfalls gestritten und ich hatte mich in den Park verzogen. Spät abends kam mein Dad und setzte sich zu mir, entschuldigte sich und ich hatte mich einfach an seine Brust gelehnt.

Die Nacht saßen wir draußen und redeten. Redeten viel,über Gott und die Welt. Schließlich hatte er normalerweise nicht viel Zeit und wenn, dann verbrachte er diese mit mir. Wir beobachteten die Sterne und schliefen in den frühen Morgenstunden auf der Bank ein. Sven fand uns jedoch und wir ernteten beide Ärger von ihm. Wobei Ärger nicht das richtige Wort war. Er hatte sich lustig über Dad gemacht, dass ich ihn zu sehr beeinflusste und kein Vater der Welt nachts im Park schlief, wenn man doch ins warme Bett konnte. Er meinte lediglich, dass er alles für seine Tochter tun würde. Er war einfach der beste Vater, den man sich hätte wünschen können.

Den Vorfall hatten wir meiner Mutter natürlich verschwiegen. Sie konnte nicht mit nach Chicago und war die Woche über alleine in Roseville.

„Ari, alles in Ordnung?“, Michael schüttelte leicht an meinem Arm.

„Was?“, ich war total in meine Gedanken vertieft gewesen.

„Du weinst“,stellte er fest.

Ich fuhr mir über die Wangen und spürte, dass diese leicht nass waren. Ich hatte unbewusst geweint. Schnell wischte ich mit meinem Handrücken drüber.

„Ups, ist mir gar nicht aufgefallen“, ich versuchte es mit einem lächeln.

„Was ist los?“, wollte er wissen. Ich zuckte mit den Schultern.

„Ich musste an einen Vorfall denken, der mir hier in Chicago passiert ist, nichts wichtiges“, beruhigte ich ihn. Er sah mich skeptisch an, sagte aber nichts weiter.

Wir hatten nicht viel Zeit. Kurz waren wir im Hotel und legten unsere Reisetaschen ab und mussten uns auch gleich auf den Weg zur Vorstellung machen.

„Ich bin mir sicher, du wirst George Willis lieben! Er ist so witzig“, sagte Michael lachend, bevor wir vor der Halle anhielten.

„Wie lange geht die Show?“, fragte ich. „Ungefähr zwei Stunden“.

„Was macht der Kerl zwei Stunden lang?“, fragte ich weiter.

„Ari, manche Sachen muss man einfach wissen! Er erzählt irgendwelche Geschichten, es gibt Live Auftritte und prominente Gäste..sowas eben“.

Ich nickte. „Tut mir Leid oh Herr, das ich nicht von allem Bescheid weiß“.

„Es sei dir verziehen, Kleine“, er zwinkerte frech, anschließend stellten wir uns in die riesig lange Schlange.

Die Halle war riesig. Platz für ein paar Tausend Menschen. Und so viele waren wir auch! Die Plätze waren alle so gut wie besetzt. Überall standen Kameras, die auf die Bühne gerichtet waren. Tontechniker, Kameramänner und weitere Mitarbeiter waren dabei, noch alles fertig zu stellen, bevor die Show begann. Unsere Plätze waren relativ weit vorne, so das ich ohne Mühe auf die Bühne schauen konnte um alles zu sehen und nicht auf die große Leinwand, auf der alles vergrößert abgebildet wurde.

Nach einiger Zeit wurde es still, bis schließlich von der Ecke der Bühne ein etwas dickerer Herr kam. Ein Jubel ging durch die Halle.

„Hallo! Guten Abend an alle. Jung und Alt. Heute ist die letzte Show hier in Chicago und dafür habe ich mir zusammen mit meinem großartigen Team etwas besonderes einfallen lassen. Aber zudem kommen wir später. Erst will ich euch etwas erzählen, was mir heute Morgen passiert ist. Also passt auf!..“

So fing der halbglatzige Mann an von seiner Exfreundin aus seiner Highschool Zeit zu erzählen, die nun bei McDonalds arbeitete und zu ihm früher meinte, aus ihm würde eh nichts werden.

Der Typ war wirklich witzig. Seit langem hatte ich nicht mehr so viel gelacht, wie an diesem Abend.

Mein Bauch schmerzte und mir kullerten ungehemmt die Tränen aus den Augenwinkeln. Auch Michael neben mir konnte sich nicht beherrschen und lachte ununterbrochen. Dabei war sein lachen sehr laut, aber dieses ging unter zwischen der ganzen Menschenmenge.

„Nun, jetzt kommen wir zu meiner Überraschung“, verkündete der Comedian nach einer Stunde.

„Es war wirklich nicht leicht, die Jungs hierher zu kriegen. Sie sind jung, gutaussehend und erfolgreich und reisen durch die ganze Welt. Umso stolzer macht es mich, dass sie sich heute Zeit genommen haben, hierher zu fahren. Ein kräftigen Applaus für Back-Up“.

Ein kreischen ging durch die Halle.

Ich hielt mir meine Ohren zu. Oh ja, das war eine Überraschung. Und das nicht nur für die schreienden Mädchen.

Auch für mich.

Ich sah mit aufgerissenen Augen zu Michael. „Ich wusste wirklich nicht, dass sie heute kommen“, meinte er selbst verwundert. Er konnte es auch gar nicht wissen, schließlich sollte es eine Überraschung sein.

Im nächsten Moment traten Cedric, Mason, Leon und Cole auf die Bühne. Das Gekreische wurde noch lauter. „CEDRIC!“, schrie eine Gruppe Mädchen.

Er sah einfach umwerfend aus. Er trug ein schwarzes Hemd, die Ärmel hochgekrempelt. Eine blaue Jeans und seine dunkelblonden Haare standen im modisch wirr auf dem Kopf ab.

Sie waren kürzer als normalerweise, trotzdem stand es ihm sagenhaft gut. Ihm würde auch eine Glatze stehen. Ihm würde auch ein Müllbeutel stehen. Cedric sah einfach immer zum dahinschmelzen aus.

Zusammen mit George setzten sie sich auf eine große, rote Couch. Die Jungs saßen entspannt, als ob gar keine 5000 Menschen sie beäugen würden.

„Jungs, freut mich euch wieder zu sehen“. „Wir freuen uns auch, hier zu sein“, meinte Mason.

„Erzählt doch Mal, wo wart ihr in letzter Zeit?“

„MASON! CEDRIC! WIR LIEBEN EUCH“, kreischten wieder irgendwelche Mädchen.

Die zwei lächelten nur charmant. „Also, wir waren vor ein paar Tagen in Europa und gestern noch in Alabama, ja und heute freuen wir uns das wir in Chicago sind“, erzählte Leon.

Leon sprach? Und er klang nicht Mal feindselig!

„Wo habt ihr die lautesten Fans?“, fragte George zwinkernd nach.

„Hmm. Ich würde sagen.. die Europäer sind lauter als unsere amerikanischen Fans“, meinte Cedric.

Wie konnte man noch lauter sein als die Mädchen in dieser Halle? Mich wunderte es, dass die Jungs noch keinen Gehörschaden hatten.

Ich konnte nicht glauben, dass Cedric da oben saß, von den gierigen Blicken der Mädchen verschlungen, während ich hier im Publikum saß, unterging zwischen den tausend Menschen. Er wusste nicht, dass ich hier war aber ich wusste von jeder einzelnen Mimik seinerseits bescheid.

Ich fühlte mich wie ein irrsinniger Stalker.

- Netter Auftritt Herr Wesley -

„So.. dann kommen wir Mal zu eurem neuen Album. Welcher Song gefällt euch persönlich am besten?“, fragte der Comedian nach, nachdem die kreischenden Mädchen etwas ruhiger wurden.

„Also, mein Favorit ist Broken Strings“, sagte Mason grinsend.

„Und warum?“, hakte George Willis weiter.

„In unseren Songs handelt es sich nicht oft um Liebe, bei Broken Strings schon. Es ist etwas besonderes, deshalb“. „Ist Broken Strings von euch allen der Lieblingssong?“

„Nein“, mischte sich Cole ein. „Ich stehe nicht auf Liebesschnulzen. Mein absoluter Favorit ist Party all night“.

„Da hinten haben wir schon eure Instrumente aufgestellt. Welchen Song wollt ihr performen?“

„Das dürfen unsere Fans entscheiden“, zwinkerte Cedric frech ins Publikum.

Sofort fing wieder das Gekreische an.

„Gut, machen wir es so. Ich geb euch jetzt die zwei Songs zur Wahl und ihr müsst schreien, applaudieren, trampeln und der lautere Applaus wird performt“, stellte Willis ein Angebot ans Publikum.

Ich sah die Köpfe vor mir und von der Seite, die heftig nickten.

„Gut, also wie siehts aus mit Party all night?“, ein Gekreische und Getrample ging durch den Raum. Ich musste mir verkneifen, nicht die Ohren zuzuhalten.

„Das war doch schon ganz ordentlich. Oder lieber Masons Favorit?“

Ein Gepfiffe, Geschreie, Getrampel und lauter Applaus ging durch die Halle.

Aua, mein Ohr.

„Wow, wow. Jungs, seit ihr euch noch immer sicher, dass eure europäischen Fans lauter sind?“

„Sagen wir, es ist nach gerade eben auf Gleichstand“, meinte Cedric lachend.

„Gut, Jungs, dann freue ich mich auf euren Auftritt! Ihr bereitet euch vor und so lange begrüßen wir unseren nächsten Gast..“

Meine Augen verfolgten die Jungs, wie sie auf der anderen Seite der Bühne rausliefen.

Wie konnte man so entspannt durch die Gegend laufen, wenn man wie ein Tier im Zoo begafft wurde? Ich schüttelte unmerklich den Kopf.

„Ari? Alles in Ordnung?“, Michael sah mich fragend an. „Klar, was soll sein?“, beruhigte ich ihn. Und vor allem mich selbst.

Während die gesamte Halle dabei war, zu lachen, beschäftigte ich mich mit einer Frage :

Sollte ich Cedric schreiben, dass ich hier war? Würden wir uns treffen? Unser Telefonat war einige Tage her und er hatte mir versprochen sich zu melden, aber dazu war es nicht gekommen.

Ob ich die Initiative ergreifen sollte? Ich wollte unbedingt Zeit mit ihm verbringen. Ich sehnte mich so sehr nach ihm.

Ich beschloss, mutig zu sein.

- Netter Auftritt Herr Wesley. Europäische Fans sind also die lautesten? -

Ich wusste nicht Mal, ob er das lesen würde. Er bereitete sich sicher auf seinen Auftritt vor, der in den nächsten paar Minuten stattfand.

Mein Handy lies ich jedoch sicherheitshalber in der Hand, vielleicht schrieb er zurück.

 - Ich wusste gar nicht, das die Sendung live ausgestrahlt wird, Stalkerin. -

 Ich musste mir ein lächeln verkneifen. Er schrieb mir zurück. Ich konnte ihm also nicht egal sein.

 - Wird sie auch gar nicht. Grüße aus Reihe 4, Sitz Nr. 45. -

 Er schrieb mir nicht zurück. Ich starrte wie gebannt auf mein Handy, aber keine neue SMS.

Stattdessen hörte ich wieder Gekreische. Das konnte nur eins bedeuten : George Willis hatte den Auftritt angekündigt.

Der Vorhand der kleineren Bühne,die abseits von der Hauptbühne stand, wurde geöffnet und die Jungs waren an ihren Plätzen zu sehen.

Cedric ganz vorne, am Mikrofonständer.

Etwas weiter hinter standen rechts und links Mason und Cole, mit jeweils einer Gitarre und einem Bass. Weiter dahinter gab es eine kleine Abhebung, auf der ein Schlagzeug stand, dahinter saß Leon.

Cedric sah aus, als ob er etwas suchte.

Ob er mich suchte?

Er konnte mich sowieso nicht sehen, da das Publkum keine Lichter bekam, nur die Bühnen. So war das unmöglich, mich zu entdecken. Trotzdem war sein Blick in meine Richtung gerichtet.

Dann fing Mason an, an der Gitarre zu zupfen, gefolgt von Cole am Bass.

Schließlich fing Cedric an zu singen.

Seine Stimme war so voller Gefühl, das mich schon beim ersten Ton eine Gänsehaut über den gesamten Körper durchzog.

Leon stieg nach dem dritten Vers mit ein.

Mal wieder war ich völlig vezaubert von ihm.

Dieser Kerl hatte mich geküsst. Zwei Mal sogar.

Und zwar sehr innig.

Unbewusst schlich sich ein lächeln in mein Gesicht und ich genoss den Moment vollkommen.

Mit jedem weiteren Ton schmolz mein Herz dahin, trotzdem fragte ich mich, woher dieser Song kam. Cole hatte erzählt, dass Cedric ihn alleine geschrieben hatte. An wen er ging, der Song? War er vielleicht verliebt? Schon der bloße Gedanke, das sein Herz vergeben war, lies mich verzweifeln.

Er war mir schon so wichtig, ich wollte ihn einfach für mich haben. Dabei wusste ich nicht Mal, ob er es ernst meinte. Klar, er hatte süße Sachen zu mir gesagt, aber wer garantierte mir, dass er das nicht schon bei X anderen Mädchen tat? Immerhin war er ein weltbekannter Sänger..

Das war alles so verwirrend.

Ich konnte mich nicht entscheiden zwischen auf Abstand gehen oder mein Herz vollkommen zu öffnen. Aber für ersteres war schon zu spät, oder?

Der letzte Ton verging und wer hätte es gedacht - das Gekreische erklang erneut.

Wieso wurden die noch nicht heiser?

„Vielen Dank. Danke. Wir wünschen euch noch einen schönen Abend“, erklang Cedrics schmunzelnde Stimme.

„Das waren Back-Up mit Broken Strings“, auf der anderen Bühne saßen George und noch ein Typ.. keine Ahnung wer das war, ich hatte vorhin nicht zugehört.

Der Vorhang der kleinen Bühne zog sich wieder zu.

„Wisst ihr, früher, als ich so jung war, sind mir die Frauen auch so hinterher gelaufen, wie den Jungs, glaubt es mir! Ich seh vielleicht nicht so aus, aber ich war ein sehr attraktiver Mann“, George machte weiter mit seinem Programm.

Aber ich war abgeschweift. Keine Minute mehr konnte ich mich auf seine Show konzentrieren, nachdem was passiert war.

- Hoffe der Auftritt war deiner Anwesenheit würdig. Die Jungs wissen auch,dass du da bist. Wir würden dich gerne sehen. Unser Bodyguard holt dich nach der Show in unser Zimmer. -

 Sollte ich hin? Ich wollte unbedingt mit ihm reden.

Ich rüttelte leicht an Michaels Arm. Er sah mich fragend an, weshalb ich auf die SMS deutete.

„Gehst du?“, fragte er.

Ich zuckte mit den Schultern. „Was hast du schon zu verlieren?“, ermutigte er mich. Was hatte ich zu verlieren? Eifrig tippte ich eine SMS.

 - Freue mich. Bis nachher. -

 Und wie ich mich freute!

 

Höhen und Tiefen der Nacht

Die Show war vorbei. Zusammen mit Michael liefen wir aus dem Saal raus, aus allen Seiten wurde gedrängelt und geschubst.

Der Grund dafür war die nachträgliche Autogrammstunde, die jedoch für nur kurze Zeit angekündigt wurde.

Ich wollte kein Autogramm von George Willis und vor allem keins von Cedric.

Ich wollte nur seine Aufmerksamkeit.

 „Wo trefft ihr euch?“, fragte Michael mich.

Unbeholfen sah ich mich um. „Keine Ahnung, er meinte, er schickt jemanden“.

Das Gedrängel nahm uns mit, bis wir letztendlich raus aus dem Gebäude waren. Unter so vielen Leuten konnte man mich doch nicht finden.

Kurzerhand zog ich mein Handy aus meiner Tasche.

„Und? Irgend eine Nachricht?“, hakte Michael nach.

Ich nickte. „Er sagt, ich soll zum Hinterausgang kommen“, las ich vor.

„Gut, dann las uns gehen“, meinte der Muskelberg und zog mich bei der Hand.

„Du willst mit?“, ich legte meine Stirn in Falten.

„Klar. Ich will ihn bisschen eifersüchtig machen. Wegen ihm werde ich dauernd von den hysterischen Tussen aus dem Supermarkt angesprochen“, erzählte er.

„Was eifersüchtig machen?“, ich sah ihn funkelnd an.

„Lass mir doch mein Spaß! Beim letzten Mal hat er dich sogar deswegen geküsst. Vielleicht passieren heute ja noch ganz andere Sachen“, meinte er grinsend und wackelte mit den Augenbrauen.

„Michael“, ich schlug ihn auf den Arm. Ich hatte nichts gegen diesen Gedanken.. aber musste er das laut aussprechen?

Michael legte seinen Arm um meine Schultern. Jedes Mal, wenn ich sie wegschubste, legte er sie erneut um mich. Letzten Endes gab ich es auf.

Irgendwie hatten wir es geschafft, mit viel Mühe am Hintereingang anzukommen.

Schon erblickte ich einen von Cedrics Bodyguards, die ich damals oft im Hotel gesehen hatte.

Auch schien der düster blickende Mann auch das gefunden zu haben, was er suchte: Mich.

Er lief uns entgegen und streckte höflich seine Hand aus. „Die Jungs warten bereits auf Sie“, sein Blick wanderte zu Michael.

„Er kommt mit, wenn das in Ordnung ist. Cedric kennt ihn auch“, ich versuchte mich an einem lächeln, welches jedoch ziemlich fehlschlug.

Der Typ verzog keine Miene und so folgten wir ihm. Bei Gelegenheit sollte ich Sven mal fragen, ob er nicht Lust hätte auch Bodyguard zu werden, er konnte die Menschen mindestens genauso gut einschüchtern.

Ein paar lange Gänge später saßen wir in einem Zimmer und warteten auf die Jungs.

„Wo sind die denn?“, fragte Michael beiläufig und sah sich im prunktvoll ausgestatteten Zimmer um.

„Autogramme vergeben“, ich zuckte mit den Schultern.

„Übrigens, ich komme nicht zurück mit nach Roseville. Ich bleibe ein paar Tage bei meinem Bruder, denke ich. Bis zum Neujahr ist eh nichts wichtiges in der Uni“.

„Hm, wie du willst. Aber das Ticket ist dann nicht mehr gültig“.

Ich überlegte. „Egal. Wenn ich nicht hier bleibe, bekomme ich meinen Bruder nie zu Gesicht“.

„Wann willst du ihn besuchen? Es ist doch jetzt relativ spät“, Michael sah auf seine Uhr, welche bereits nach 23 Uhr zeigte.

„Morgen früh. Ich komm dann Abends ins Hotel und fahr am Morgen wieder weg. Dann kann ich gleich mein kleines Gepäck mitnehmen“.

„Wen haben wir denn da?“, Coles laute Stimme unterbrach unser Gespräch.

Die Jungs kamen ins Zimmer.

Meine Augen suchten sofort nach Dunkelblonden Haaren.

Augenblicklich beruhigte ich mich und wurde gleichzeitig nervös, als ich Cedric sah.

„Überraschung“, meinte ich weniger einfallsreicch und stand auf, um die Jungs zur Begrüßung zu Umarmen.

Endlich konnte ich ihn anfassen.

Außer Leon, der bekam einen höflichen Händeschlag. „Das ist Michael, wir saßen zusammen in der Show“, stellte ich kahlrasierten Kerl vor.

„Wir kennen uns ja bereits“, Michael sah Cedric angriffslustig an. Er wollte ihn provozieren. Es machte ihm ungeheuren Spaß.

„Gut, ich fahr dann los. Wir sehen uns dann Morgen früh, Ari“, meinte er und drückte mir einen Kuss aufs Haar, ehe er verschwand. Es war so klar, dass er das nicht lassen konnte.

„Wie kommt es, dass du in Chicago bist?“, fragte Mason, nachdem wir uns zusammen hinsetzten.

„Michael hat durch einen Radiosender die zwei Tickets für heute gewonnen und mich mitgenommen. Mein Bruder wohnt hier, das ist ne gute Gelegenheit ihm einen Besuch abzustatten“, erzählte ich.

„Und du wusstest nicht, dass wir heute hier sind?“, hakte Cole grinsend nach.

„Woher denn? Nicht mal eure größten Fans wussten das“.

„Egal, freut mich, dass das Schicksal so spielt“, Cole zwinkerte frech.

„Ebenfalls“, lies ich ihn einsilbig wissen.

Es klopfte an der Tür und ein gutaussehender, grauhaariger Mann mittleren Alters kam herein.

Ich kannte ihn von irgendwo.

„Jungs, wir fahren. Seit ihr fertig?“, sein Augen entdeckten mich und er zog überrascht seine Augenbrauen hoch.

„Ich wusste nicht, dass ihr Besuch habt“.

Ich stand auf und stellte mich höflich vor.

„Du kommst mir bekannt vor.. Hast du nicht in New York im Hotel ausgeholfen?“, fragte er mich anschließend.

Jetzt erinnerte ich mich an ihn! Damals, als ich mit Klara zur Geschäftsleitung musste, wegen der Party. Da war der Mann auch dort gewesen.

„Mein Name ist Pete Apelt“, stellte er sich ebenfalls vor. „Ich bin der Manager“.

„Pete, wie kommt es das du weißt, woher du Ari kennst?“, fragte Cole spöttisch.

„Manche Gesichter vergisst man nicht. Logan Turis hat viel von deinem 'symetrischen und perfekten' Gesicht gesprochen, da konnte ich das Gesicht nicht mehr vergessen“.

Seine Aussage war mir mehr als nur unangenehm, weswegen ich ich lieber umherstarrte, bis mein Blick an Cedric vorbeischweifte. Er musterte mich unverhohlen und auch als ich anfing, seinem Augenkontakt standzuhalten, zuckte er nicht mit der Wimper.

„Los, lasst uns gehen“.

Nach einer 20 minütigen Fahrt kamen wir in einem Hotel an. Es war nicht das gleiche, in dem wir mit Michael gebucht hatten, sondern sah um einiges teurer und luxuriöser aus.

Leon verabschiedete sich als erster und verzog sich in sein Zimmer. Ich fragte mich mal wieder, ob der Kerl ein Problem mit mir hatte, aber ich fragte niemanden. Anschließend verzog sich auch Mason in seine Suite und ich blieb mit Cedric und Cole zurück.

Bis jetzt war Cedric ruhig gewesen und ich hatte mich mehr mit Cole und Mason unterhalten.

Letzendlich saßen wir zu dritt in Cedrics Suite und wühlten in dem Berg voll Süßigkeiten,die auf dem großen Esstisch rumlagen.

„Wann habt ihr denn Zeit um einkaufen zu gehen?“, fragte ich und kaute an einem Harribo.

„Haben wir nicht. Das Personal hat sich freundlicherweise darum gekümmert“, antwortete Cedric. Ein lächeln umschloss seine Lippen.

Diese wunderbaren Lippen. Mein Blick blieb für eine viel zu lange Sekunde an ihnen hängen.

Nur bei dem bloßen Gedanken fing mein Herz wild an zu pochen.

„Wie fandest du unseren Auftritt?“, fragte Cole.

„Gut.. Mir gefällt der Song“, offenbarte ich ehrlich.

„Alles Schnulzenliebhaber“, murmelte Cole.

„Ich bin halt ein Mädchen“, ich zuckte mit den Schultern.

„Wie lange bleibst du hier?“, Cedric hatte meine volle Aufmerksamkeit.

„Ein paar Tage. Und ihr?“

„Morgen Abend fahren wir weiter“, sagte der Sänger.

Schade. Wäre doch zu schön gewesen, hätte er die nächsten Tage frei und könnte seine Zeit mit mir verbringen.

„Hm, verstehe“, meinte ich, bemüht gleichgültig zu klingen.

„Prinzessin, ich muss jetzt wirklich ins Bett. Ich komm dich Morgen besuchen, wenn du bei deinem Bruder bist“, Cole gähnte herzhaft.

„Wann immer du willst“, meinte ich lächelnd.Ich war weniger müde, meinen Schlaf hatte ich mir bereits im Flugzeug geholt.

Wir saßen alleine und ich trank still aus meiner Cola. „Was läuft mit dir und Michael?“, fragte Cedric schließlich und sah mich mit undefinierbarem Blick an.

„Was soll da laufen?“

„Er steht auf dich“, sagte er.

Ich lachte leise. „Nein, das tut er nicht. Glaub mir“.

„Stehst du auf ihn?“, fragte er weiter.

„Wie kommst du drauf?“, stellte ich ihm wieder eine Gegenfrage.

„Beantworte erst du meine Frage“.

„Nein. Ich stehe nicht auf ihn“, antwortete ich ehrlich.

„Du lässt dich einfach von ihm küssen“, stellte er fest.

„Ja. Auf den Haaransatz lass ich mich auch von Sven küssen. Auf ihn stehe ich trotzdem nicht“.

„Es stört mich, dass ihr euch so Nahe seit“, offenbarte er schließlich und fuhr mit seiner Hand über seinen Drei-Tage-Bart.

„Wieso?“

„Ihr seht euch immer. Wir sehen uns nur, wenn es der Zufall will. Ein Mal im Monat, wenn es gut läuft“. Ich zuckte mit den Schultern.

„Mir wäre es auch lieber, nicht erst alle zwei Wochen von dir zu hören. Aber es ist nun Mal so wie es ist“.

„Tut mir Leid. Ich versuch mir in Zukunft mehr Zeit zu nehmen“, sein entschuldigender Blick ging mir durch Bein und Mark. Er sollte nicht so schauen!

„Ich kann mir schon vorstellen, dass du wirklich viel zu tun hast. Es ist in Ordnung“, winkte ich ab. Obwohl mir es am liebsten wäre, er würde seinen Job kündigen..

„Ist es nicht. Ich will mehr Zeit mit dir verbringen und ich will der einzige sein, der so viel Zeit mit dir verbringt. Kein Michael oder sonstwer“.

„Das liegt alles an dir, Cedric“, meinte ich letztendlich.

Unsere Flasche war leer und so stand Cedric auf, um uns was anderes zum Trinken zu holen.

Ich war alleine im Zimmer und stand auf, um aus dem Fenster rauszusehen. Wir waren im achten Stockwerk, so dass ich die Skyline von Chicago in perfekter Höhe genießen konnte. Farbenfrohe Lichter blickten mir entgegen.

Ob Sven in einem dieser Gebäude war oder zu Hause? Vielleicht aber auch unterwegs?

„Schöne Aussicht, nicht?“, Cedrics warmer Körper stand direkt hinter mir und ich musste dem Drang widerstehen, mich nicht an seine starke Brust zu drücken.

Ich nickte nur und sah mir sein Gesicht aus dem reflektierenden Fenster an.

„Ich sollte gehen, du bist bestimmt müde. Es ist schon spät“.

Nichts hätte ich lieber getan, als bei ihm zu bleiben, aber der Gedanke ihn zu nerven, konnte ich nicht ertragen.

„Erinnerst du dich, worüber wir am Telefon geredet haben?“, anstatt mir zu antworten, stellte er mir eine Frage.

Ich schüttelte den Kopf, sah ihn noch immer nur durch das Fenster.

Er näherte sich meinem Ohr.

„Ich sagte, ich kann besser schlafen, wenn ich dich an mich drücke und du sagtest, dass es nicht an dir liegen soll“, flüsterte er und machte keine Anstalten, sich von mir zu entfernen.

Ich schluckte schwer und nickte schwach.

„Gut, dann halte dich dran“, ich spürte wie er mir einen federleichten Kuss auf meine Ohrmuschel drückte und seine Hände an meiner Taille ablegte.

Mein Körper fing furchtbar an zu kribbeln durch diese leichten Berührungen. Ich gab meinen Widerstand auf und drückte mich an seine Brust.

Seine Lippen wanderten küssend von meinem Ohr zu meinem Hals. Meine Augen schlossen sich automatisch und ich gab mich dem Moment voll hin.

„Du riechst so gut“, hörte ich ihn heiser sagen.

Mit einem Male drehte er mich grob zu sich und ehe ich mich versah hatte er seine Lippen auf meine gedrückt.

Seine sanften Berührungen wechselten zu leidenschaftlichen und er nahm sich alles, was er wollte.

Er drückte mich gegen das Fenster und seine Hände waren auf einmal überall.

Jeder andere hätte jetzt eine deftige Ohrfeige von mir bekommen. Aber seine Finger über meinen Oberkörper fahren zu spüren, wie sie meine Haut trotz meines Pullis liebkoste, war ein wunderbares Gefühl.

Ich war kein Mensch der einfach aufhörte, zu denken. Aber sobald er in meiner Nähe war, dachte ich nicht. Ich spürte nur.

Völlig ergeben vergrub ich meine Hände in seinen Haaren, fuhr über Arm und Bauch und spürte seine harten Muskeln.

Unser Zungenspiel wurde durch ein lautstarkes Klopfen an der Tür unterbrochen.

Schwer atmend schauten wir uns an.

Bevor ich ausholen konnte, um etwas zu sagen,legte seinen Finger an meinen Mund.

„Psht“, flüsterte er. Ich nickte nur und konnte nicht widerstehen, mit meiner Zunge seinen Finger leicht anzustupsen und ihm einen Kuss aufzudrücken.

Cedrics Mund verzog sich zu einem düsteren lächeln und seine Augen fingen an verdächtig zu funkeln.

Das Klopfen an der Tür hörte auf.

„Vielleicht ist es etwas wichtiges“, meinte ich.

„Nichts ist gerade wichtiger als du“, wieder drückte er seine Lippen auf meine und dirigierte mich zu seinem Bett.

Ich lies mich drauffallen und zog Cedric gleich mit.

Zwischen der Matratze und ihm hätte ich mich ausgeliefert und eingekeilt fühlen sollen aber so war es nicht. Ich fühlte mich pudelwohl.

Mein Körper war von einer Gänsehaut überzogen, als sein Kuss fordernder wurde, er mich gegen die Matratze drückte und sein Knie zwischen meine Beine schob.

Wieder fing es an, laut an der Tür zu klopfen. Cedric lies von meinen Lippen ab und stöhnte genervt. Bevor er jedoch aufstand und zur Tür lief, senkte er seinen Kopf und drückte einen keuschen Kuss auf meinen Mund.

Völlig aus der Fassung geraten lag ich auf dem Bett und versuchte meinen rasenden Herzschlag unter Kontrolle zu kriegen.

Was machte ich hier?

Ich lies mich ergeben von Cedric Wesley totknutschen.

Meine Finger fanden meine angeschwollenen Lippen und ich versuchte zu lauschen, wer nach 1 Uhr morgens an seiner Tür klopfte.

Da ich rein gar nichts hörte, beschloss ich nachzusehen.

Mit holprigen Beinen stand ich auf und lief aus dem Schlafzimmer raus um vor die Tür zu gelangen. Mein Gesicht erstarrte als ich die roten Haare sah.

Cheryl? Was machte sie hier?

Ich blieb versteckt und versuchte zu hören, um was es ging.

„Schatz ich bin dir extra nachgeflogen! Durch das halbe Land!“, meckerte sie und versuchte ihn zu umarmen. Schatz?!

„Ich hab gesagt, dass mit uns ist vorbei“, hörte ich die eiskalte Stimme des blonden Sängers.

„Wieso? Das sah vor drei Wochen noch anders aus!“, sie legte ihre Hände auf seine Wangen.

„Das vor drei Wochen war das letzte Mal, das du und ich ein Bett geteilt haben. Ist das klar? Hör auf mir hinterher zu reisen“.

„Ich verstehe das nicht Schatz. Was ist auf einmal los mit dir?“, redete sie auf ihn ein.

„Es ist vorbei. Das mit uns ist vorbei, verstehst du? Nenn mich nicht Schatz. Wir sind kein Paar mehr“.

Ohne auf seine bösen Wörter einzugehen, drückte sie ihre Lippen auf seine. Ihre Hand fand seinen Schritt und drückte kräftig rein.

„Ich weiß ganz genau, dass das nicht das letzte Mal war“, hauchte sie und witmete sich wieder seinen Lippen. Wieso schlug er sie nicht weg?

Das reichte.

Mehr wollte ich nicht sehen.

Eben noch raste mein Herzschlag, jetzt stand es still.

Er hatte gesagt, sie wären nie zusammen gewesen! Wieso log er? Er wollte mich nur ins Bett kriegen, was er eben fast geschafft hätte, wäre Cheryl nicht aufgetaucht.

Ich biss mir fest auf die Lippen um nicht vor Verzweiflung und Wut zu weinen.

Ich war so dämlich!

Schnell zog ich mir meine Jacke an und suchte nach meiner Tasche.

„Ari?“, Cedric sah mich überfordert an.

Hätte ich die zwei eben nicht gesehen, hätte ich sein Aussehen für süß empfunden und ihm nach den Anlass für seinen plötzlichen Gefühlswandel gefragt.

„Krieg das mit deiner Exflamme in den Griff und vielleicht solltest du das mit der Ehrlichkeit noch mal überdenken. PR Gag das ich nicht lache. Mit mir kannst du es machen, stimmts?“, blaffte ich ihn sauer an.

„Warte. Ich kann es dir erklären“.

„Stecks dir, Cedric. Von dir will ich gar nichts hören. Erst bisschen mit mir knutschen, dann ne Sekunde später mit dem heißen Model, klar! Nicht mit mir, Arschloch“, ich drückte meine Tasche fest an meine Brust und rauschte an ihm vorbei.

So, das wars. Der brauchte sich nie wieder blicken. War doch klar! Sänger. Berühmt. Arschloch.

Wieso lies ich mich auf sowas ein? Ein bisschen gutes Aussehen und Nettigkeit konnten mich doch nicht so um den Verstand bringen.

Meine Tränen kullerten über meine Wangen aber ich verbot mir, laut aufzuschluchzen.

Draußen war es kalt und windig. Mit diesem Gesicht konnte ich unmöglich zu Sven fahren. Ich musste ins Hotel.

Sofort.

Bis das Taxi kam und mich zu Michael ins Hotel brachte, verging eine Stunde.

Bis zur frühen Morgenstunden lag ich im Bett und konnte nicht aufhören zu weinen. Ich wollte doch niemals zu diesen Mädchen werden! Und jetzt war ich es doch!

"Ich brauche meine Ruhe".

Es klopfte an der Tür.

„Ari, mach die Tür auf“,hörte ich Michaels Stimme sagen.

Ich grummelte müde vor mich hin und vergrub mein Gesicht unter das überdimensionale Kopfkissen.

„Ariana. Ich rede mit dir“, es klopfte wieder an der Tür.

„Michael, halt deine Fresse“, murmelte ich und machte keine Anstalten aufzustehen.

„Ich trete die Tür ein“, hörte ich seine belustigte Stimme.

Genervt stand ich mit schlaffen Gliedern auf und schlenderte zur Tür. „Was?“, begrüßte ich ihn unfreundlich.

Michaels Augen wurden groß. „Was ist denn mit dir passiert?“, hakte er nach.

„Frag nicht“, ich fuhr mir übers Gesicht und lief zurück zu meinem Bett, in welchem ich mich unter der Decke vergrub. Ich spürte, wie sich die Matratze senkte.

„Willst du reden?“ Ich schüttelte den Kopf. „Ist es wegen Cedric?“ Er zog mir die Decke vom Kopf.

„Lass mich. Ich will nicht reden“, meinte ich frustriert.

„Okay.. aber wenn du willst, dann kannst du mir erzählen, weshalb schwarze Maskara deine Wangen ziert“.

„Ich komm drauf zurück“, lies ich ihn wissen.

„Ich bin nur vorbei gekommen, um dir deine Tasche zu bringen und dir zu sagen, dass ich demnächst zurück muss“.

„Oh. Alles klar, danke“.

„Fährst du jetzt zu Sven?“, erkundigte er sich.

„Ja.. ich starte nachher einen Überraschungsversuch in seinem Büro“.

„Davor solltest du dich aber zurechtmachen, sonst denkt der Kerl, du wirst in Roseville vergewaltigt und misshandelt“.

Ich zuckte mit den Schultern. „Dann holt er mich vielleicht wenigstens zu sich und ich muss nicht in diesem Kuhdorf schmoren“.

„Komm schon, ich bin doch auch noch da. So schlimm ist das Kuhdorf nicht“, versuchte er mich aufzumuntern.

„Du weißt, was ich meine“. Der Muskelberg strubbelte mir übers Haar. „Ich weiß.. auf jeden Fall muss ich jetzt los. Du kommst alleine klar? Oder soll ich bleiben?“

„Nein, nein.. Die paar Tage bei Sven werden mir gut tun“.

„Wenn du willst, schlage ich den Typ für dich windelweich“, schlug er vor.

„Woher willst du wissen, dass Cedric der Grund für meinen Zustand ist?“, hakte ich nach.

„Ich kann eins und eins zusammenzählen, oder was sollte dir sonst noch gestern Nacht passiert sein?“ „Schlauer Bursche“, lobte ich ihn. „Immer“.

Wer war denn bitter dieser Cedric Wesley? Der konnte mir den Buckel runterrutschen!

Ich hatte so viel erlebt, diesen Schmerz würde ich in Null Komma nichts hinter mir lassen. Ich war Ariana Clear! Ein starkes Mädchen. Bis vor ein paar Stunden hatte ich genug Tränen vergossen, das reichte! Zumindest redete ich mir das ein.

Nach einer langen Dusche und einem aufwendigen Styling betrachtete ich mich vor dem Spiegel. Ein Premieretag, meine Haare waren offen und glänzten im Licht. Die Haarkur vom Hotel schien meinen Haaren gut zu tun.

Nach einer Gurkenmaske, die ich mir von der Rezeption bestellt hatte, waren auch meine Augenringe verschwunden. Ich sah aus wie neu, nichts kennzeichnete die Erlebnisse den gestrigen Abends.. und ich wollte auch nicht daran denken.

Anschließend bestellte ich mir ein Taxi und fuhr zu Svens Arbeitsstelle, welche eine gute halbe Stunde vom Hotel entfernt war.

Sven war Wirtschaftsingeneur und für sein Alter hatte er es weit gebracht. Ich wollte in 7 Jahren auch so erfolgreich in meinem Job sein, wie er es war. Aber ob ich so hart arbeiten konnte wie mein großer Bruder, bezweifelte ich. Mit 26 hatte er schon eine wichtige Führungsposition, weshalb er überhaupt keine Zeit für irgendwen hatte. Nicht mal für seine eigene, kleine Schwester.

Ich stand vor dem Gebäude der MMS – Eine Firma die sich mit Maschinenbau oder so beschäftigte.. Keine Ahnung. Ich wusste nur, dass Sven viel mit Physik zu tun hatte – einfach unvorstellbar, dass er sich damit tagtäglich außeinander setzen musste!

Die Empfangsdame sah mich freundlich an, als ich ins Gebäude eintrat.

„Guten Tag. Kann ich Ihnen behilflich sein?“, fragte sie höflich.

„Ja, ich wollte meinen Bruder besuchen. Sven Clear“.

„Sie sind Herr Clears Schwester?“, verwundert blickte sie mich an. Ich nickte.

„Wie schön! Ich wusste gar nicht, dass er Geschwister hat. Aber jetzt wo Sie es sagen, sehe ich es. Sie sehen sich wirklich  ähnlich! Nun ja, ich schau mal ob er da ist“.

War doch klar, dass Sven nicht erzählte, er hätte eine Schwester. Das überraschte mich gar nicht!

„Hm, Ich habe ihn schon lange nicht mehr gesehen und auch die Computerdaten sagen, er ist für die nächsten 4 Wochen beurlaubt“.

Irritiert sah ich die Empfangsdame an.

„Sind Sie sich sicher?“, hakte ich nach.

„Ja, absolut. Wenn Sie wollen, kann ich seine Sekretärin fragen, vielleicht gab es ein Missverständnis“.

„Ja, bitte“. Wieso war er beurlaubt? Ob er mich wohl besuchen wollte über Silvester? Er würde sich sehr aufregen, wenn ich wieder nicht zu Hause wäre..

 

„Hm, ja. Ja, ich verstehe“, hörte ich die Empfangsdame ins Telefon sagen. „Die Computerdaten stimmen, er ist beurlaubt. Schon seit einer Woche“.

„Em.. okay. Vielen Dank“, meinte ich perplex.

„Sie wussten wohl nichts davon?“

Ich schüttelte den Kopf. „Nein.. das wusste ich nicht. Trotzdem Danke nochmal“.

Wo steckte der Kerl?

Vor zwei Wochen hatte sein Urlaub begonnen, aber nachdem er nicht zu mir geflogen war, konnte es nichts mit mir zu tun haben. Ob er wohl in den Urlaub geflogen war? Aber warum hatte er mir nichts gesagt? Als ich vor ein paar Wochen mit ihm telefoniert hatte, war er sehr müde und seitdem hatten wir kaum miteinander geredet. Ich beschloss, zu ihm nach Hause zu fahren. Vielleicht faulenzte er auch einfach in seinem Bett.

Mit dem nächsten Taxi machte ich mich also auf den Weg zu Svens Wohnung. Die Überraschung im Büro war wohl nichts! Hoffentlich war er wenigstens zu Hause.

So stand ich also um halb 10 vor dem Wohnblock, indem Sven sein Appartment hatte.

Meine Finger fanden die Klingel und ich hoffte, endlich meinen Bruder zu sehen. Aber Fehlschlag! Keiner öffnete mir. Im Takt von 30 Sekunden klingelte ich immer wieder.

Schlief er noch? Oder warum machte er nicht auf?

Ich holte mein Handy und rief ihn an. Das hätte ich vielleicht gleich am Anfang tun sollen, aber ich wollte ihn überraschen. Jedoch war sein Handy aus und nur die Mailbox ging ran.

„Sven, ich bins, Ari. Wenn du das abhörst, ruf mich an“, sprach ich auf die Mailbox.

Wo steckte der Kerl?

„Ariana! Wie schön dich zu sehen“, Svens Nachbarin strahlte mir entgegen. Die alte Dame lächelte mich freundlich an und lief auf mich zu. „Frau Commings, hallo!“, begrüßte ich sie.

„Wie geht es dir? Schön bist du geworden und so groß“, die Rentnerin war ein Kopf kleiner als ich und ihre Falten verliehen ihr eine besondere Sympathie.

„Gut, danke. Und Ihnen?“

„Ja, mir auch. Schön das du da bist. Wolltest du ins Krankenhaus? Ich wollte Sven Morgen zusammen mit meinem Mann besuchen gehen“, erzählte sie.

Perplex sah ich sie an.

Krankenhaus?

„Krankenhaus?“, hakte ich nach. Das lächeln der Dame erfror.

„Wusstest du das denn nicht?“

„Was.. was weiß ich nicht?“ Ich betete zu Gott, das Sven nichts schlimmes passiert war. Das könnte ich nicht ertragen.

„Svens Operation..“, meinte die Frau nun eher halblaut. Ich atmete überfordert aus. Sven hatte eine Operation? Warum hatte er mir nichts gesagt?

„Welches Krankenhaus?“, wollte ich wissen.

„Herzchen, komm mit rein.. wir gehen nachher zusammen“, bot Frau Commings an.

„Bitte, sagen Sie mir einfach nur, welches Krankenhaus“.

„Ariana, beruhige dich! Er ist im Krankenhaus am Kurpark“.

Ich nickte nur betreten und malte mir die schlimmsten Szenarien aus.

„Ich muss sofort los“, meinte ich zu ihr und raste an Frau Commings vorbei.

„Schätzchen, bitte bleib ruhig“, rief sie mir nach aber das nahm ich nicht mehr wahr.

Verdammt, ich hatte keine Zeit um noch auf ein Taxi zu warten. Aber mir blieb nichts anderes übrig. Ich rief zum dritten Mal an diesem Tag die Taxistelle an und lief schon voraus, damit ich mit dem Taxi eine kürzere Fahrzeit hatte, denn auch mein Geld wurde langsam knapp.

Eine halbe Stunde später war ich unmittelbar vor dem Krankenhaus und nachdem ich meinen letzten Cent an den Taxifahrer verbraucht hatte, rannte ich ins Gebäude.

„Entschuldigung, mein Bruder liegt hier. Sven Clear“, sprudelte es am Informationsschalter aus mir raus.

„Warten Sie einen Moment“, die Frau tippte am Computer. „Zimmer 118“, sagte sie.

Was machte ich schon wieder in einem Krankenhaus? Ich wollte nicht hier sein! Ich hasste Krankenhäuser. Es gab nichts, was ich mehr hasste.

Ich schluckte meinen Kloß herunter und rannte zu seinem Zimmer. Ohne anzuklopfen stürmte ich ins Zimmer und sah meinen Bruder auf dem Krankenbett liegen. Der Anblick zerriss mein Herz in tausend Einzelteile. Genauso hatte auch meine Mutter gelegen. Ein Deja Vu. Nur damals in der Intensivstation.

Sven war wach und sah erschrocken aus, als er mich sah. Stumm sahen wir uns an. Viel zu lange.

„Ari“, murmelte er und versuchte aufzustehen.

„Beweg dich nicht“, meinte ich mit bebender Stimme.

Ich musste mich zusammenreißen um nicht loszuheulen. Wieso lief alles so dermaßen schief?

Ich versuchte mich zu beruhigen und setzte mich neben ihn hin.

„Hat es dir Ella gesagt?“, fragte er schwach.

Ella? Was hatte Ella damit zu tun?

„Nein.. nein“, meinte ich ruhig und lies mir mein inneres Chaos nicht anmerken.

„Woher weißt du..?“, Sven hatte Mühe zu sprechen. „Ist egal.. was war das für eine OP?“, fragte ich.

„Ich hab eine Niere gespendet“, sagte er und ich konnte ihm die Schmerzen vom Gesicht ablesen.Eine Niere gespendet? Spende?

„Was.. wieso?“, ich verstand nichts mehr. „Ari.. das ist eine lange Geschichte“.

„Okay.. ruh dich aus.. Aber sobald du wieder fit bist, kriegst du mächtig Ärger Sven Clear“. Ich fuhr mir übers Gesicht.

Mir fiel ein Stein vom Herzen. Er hatte zwar Schmerzen aber es war eine Spende. Es war keine Notoperation.. er hatte keinen Unfall gehabt, er war nicht erkrankt, das war das erste, was für mich zählte. Auch wenn mir sein Gemütszustand ein schwerer Anblick war. Ich konnte sowas einfach nicht sehen.

Für wen hatte er gespendet? Was ging hier vor sich? Wieso hatte er mir nichts gesagt? Sven lag stumm auf dem Bett und sah auf die Decke während ich ihn seit Stunden nachdenklich musterte. Für mich hieß das, ich würde die nächsten Wochen hier bleiben, definitiv.

Um 13 Uhr klingelte mein Handy und ich erwachte aus meinem Halbschlaf. Auch mein Bruder schien zu schlafen und so eilte ich aus dem Zimmer um zu telefonieren.

„Hey“, ich nahm Coles Anruf an.

„Na, Prinzessin? Ich wollt die Adresse notieren um dich zu besuchen“.

Ich seufzte. „Ich bin im Krankenhaus.. das wird nichts mit unserem Treffen“, erzählte ich.

„Wieso, was ist passiert?“, hakte er sofort nach.

„Mein Bruder liegt hier.. Ich möchte lieber hier bleiben“.

„Ja.. ja natürlich.. In welchem Krankenhaus bist du?“, fragte er.

„Am Kurpark“.

„Soll ich vorbeikommen?“ „Nein.. ich brauche etwas Ruhe. Tut mir Leid wegen dem Treffen“, entschuldigte ich mich.

„Dafür brauchst du dich nicht entschuldigen. Wie geht es ihm?“

„Den Umständen entsprechend würde ich sagen.. naja, ich leg auf. Wir telefonieren“.

„Ari, wenn du willst, komme ich zu dir“, bot er erneut an.

„Nein, danke. Es ist nicht so gut wenn dich hier alle erkennen“.

„Du hast Recht. Naja, wir fahren heute Abend weiter.. Das heißt, wir sehen uns nicht mehr“.

„Ja..Blöd gelaufen. Dann halt wann anders.. Ich leg jetzt auf, bye“.

„Bye und Kopf hoch, Prinzessin“.

Das sagte sich so leicht. Ich hasste das Gefühl im Krankenhaus zu sein.

Als Svens Arzt kam, klärte er mich auf. „Ihr Bruder hat einer jungen Frau eine Niere gespendet. Ohne diese hätte sie wahrscheinlich nicht überlebt. Sie liegt ein Stockwerk weiter unten“, erzählte er.

Einer jungen Frau? Sven?

„Die Operation war erst vor 3 Tagen, ich schätze, Morgen wird er wieder genug Kraft haben, um Ihnen alles selber zu erklären“. Ich nickte und bedankte mich für das Gespräch.

Später saß ich draußen auf einer Parkbank und sah mich um. Ein paar vereinzelte Menschen saßen auf ihren Rollstühlen, begleitet von Pflegern oder Familienangehörigen.

Aber ich saß hier, alleine.

Mal wieder.

Ich hatte mich weitestgehend beruhigt. Es war zwar ein Schock, aber es schien Sven gut zu gehen und das war alles was zählte. Trotzdem fragte ich mich, wem er seine Niere gespendet hatte? Das tat man doch nicht bei irgendwem Fremden.. Ich beschloss, nachher rauszufinden, in welchem Stockwerk diese Frau ihr Krankenzimmer hatte.

Mein Leben verlief so turbulent und ich fragte mich, was ich getan hatte um all das zu verdienen.

Vielleicht war ich kein guter Mensch in meinem letzten Leben gewesen? Oder war es jetzt auch nicht? Ich wusste es nicht.. Das einzige was ich wusste war, ich musste stark bleiben. So wie immer. Tränen und Verzweiflung hatten nichts bei mir verloren.

„Hey“, ich war so in Gedanken vertieft, dass ich nicht bemerkt hatte, wie sich jemand neben mich setzte.

Hätte ich die Stimme nicht gehört, hätte ich Cedric nie erkannt. Er trug eine graue Mütze und einen dicken Schal. Man sah nur seine blauen Augen und seine Nase. Ich presste meine Zähne aufeinander. Der hatte mir noch gefehlt..

„Was willst du hier?“, ich klang kühl. Genauso hatte er das verdient.

„Ich hab gehört.. Cole hat gesagt, dass dein Bruder hier liegt..“, druckste er herum.

„Na und? Was geht es dich an?“, spie ich ihm entgegen und stand auf. Ich wollte weg von ihm. Sofort. Doch er schnappte sich mein Handgelenk.

„Jetzt renn nicht weg. Hör mir bitte zu“, seine Stimme klang fast schon flehend.

„Wieso sollte ich? Ich bin fertig mit dir. Ich hab dir von Anfang an gesagt, dass ich nichts für zwischendurch bin. Oder hat dir genau das einen Kik gegeben?“, zischte ich wütend.

„Was? Nein! Verdammt, ich wusste nicht, dass Cheryl kommt!“

„So, bist du etwa aufgeflogen, weil sie deine Pläne durchkreuzt hat? Jetzt weiß ich wenigstens, wie du drauf bist. Du hast gesagt, du bist nicht mit ihr zusammen und ich hab dir blind geglaubt. Trotz der Tatsache, dass ihr euch in New York auch ohne die Anwesenheit von Paparazzis geküsst habt. Obwohl das so widersprüchlich war hab ich kein Wort dazu gesagt, weil du gesagt hast, du schätzt meine Ehrlichkeit. Weißt du, ich hätte auch gerne deine geschätzt“, meine Stimme wurde bei jedem Wort lauter.

„Es tut mir Leid! Ich weiß, ich war nicht bei allem ehrlich. Aber ich war wirklich nie mit Cheryl zusammen!“

„Das ist nicht mein Problem Cedric!“, schrie ich ihn an.

„Wieso lügst du mich an? Deine Lüge ist mein Problem. Oder das du sie nicht von dir geschubst hast. Du hast dich einfach von ihr an deinen Sack fassen lassen“.

„Ich war so überrascht in der ersten Sekunde, sie stand auf einmal vor der Türe und hat mich einfach geküsst und du standest im Zimmer und endlich hast du mich an dich rangelassen ohne dauernd auf Distanz zu gehen und ich wusste, sobald du sie siehst, entfernst du dich von mir“, rechtfertige er sich.

„Ich will nichts hören! Ich hab wirklich andere Sorgen Cedric. Such dir ein Groupie, der diese Spiele mit dir spielt. Ich bin mir dafür zu schade“.

„Ari, bitte. Lass uns vernünftig darüber reden. Du bist mir wirklich wichtig“, er umschloss meine Hand mit seinen beiden.

Sofort entzog ich ihm diese und steckte meine Hände in meine Jackentaschen.

„Lass mich in Ruhe“, meinte ich und lief an ihm vorbei. „Ich bleibe hier, bist du mit mir redest“, rief er mir nach.

Da konnte er lange warten.

„Das Leben ist so kurz als um auf alles und jeden sauer zu sein".

Ich war wieder in Svens Krankenzimmer, hatte mir einen Hocker geschnappt und mich dicht an sein Bett gesetzt. Mit meiner Hand strich ich sachte über sein Haar.

Wieso hatte er mich nicht angerufen? Wieso nichts gesagt? Operationen konnten immer Komplikationen mit sich bringen .. was wäre gewesen, wenn etwas schief gelaufen wäre? Ob er sich das überhaupt überlegt hatte, dass ich womöglich auch noch meinen Bruder hätte beerdigen müssen?

Ich erschauderte bei dem bloßen Gedanken. Es war alles gut ausgegangen und es würde ihm auch besser gehen..Ganz sicher.

Sven öffnete langsam die Augen.

„Ari“, murmelte er.

„Hey“, ich lächelte ihn zaghaft an.

„Du solltest nicht hier sein“, meinte er.

Ich schüttelte den Kopf. „Wen hab ich denn noch außer meinen Bruder?“

„Es wird alles gut“, versuchte er mich zu beruhigen. „Ich weiß“, bestätigte ich und biss mir auf die Unterlippe.

„Sagst du mir jetzt woher du weißt, dass ich hier liege?“

Ich schüttelte den Kopf. „Du hast mich in New York gefunden, da werde ich ja noch wohl deinen Aufenthaltsraum in Chicago wissen“.

„Bist du gekommen um mich zu besuchen?“

„Unter anderem, ja auch. Ich bin schon seit gestern hier. Ich war mit einem Kumpel in George Willis Show“.

„Du hättest vorher anrufen sollen“, tadelte er mich.

„Es war sehr kurzfristig, außerdem wollte ich dich überraschen. Hättest du dich dann einfach nicht operieren lassen, wenn du wüsstest, ich käme dich besuchen?“

Er antwortete nicht darauf. „Wer ist dieser Kumpel?“, hakte er stattdessen nach.

Sven lag im Krankenbett aber trotzdem musste er nach jedem Kerl fragen, der im Zusammenhang mit mir stand.

„Michael. Du würdest ihn kennen, wenn du mich mal besuchen würdest.. oder dich überhaupt melden..“

„Ari. Tut mir Leid.. ich hatte viel Stress“.

Ich seufzte und nickte. „Ich weiß, du hast viel zu tun.. Wem hast du die Niere gespendet?“, fragte ich.

Sven sah auf die weiße Decke.

„Apryl“, antwortete er knapp.

Ich zog meine Augenbrauen hoch. „Apryl?“, wiederholte ich.

Er nickte.

„Wer ist das?“

„Ich will nicht darüber reden“, blockte er ab.

Ich fuhr mir genervt über das Gesicht. „Klar. Kein Problem. Lass dir halt einfach eine Niere wegoperieren und sag mir dann du willst nicht darüber reden. Heute nicht Sven, aber Morgen!“, ich sah ihn böse an.

Mein Bruder sagte nichts dazu, stattdessen schloss er wieder seine Augen.

Ich sah ihm eine Weile zu, wie er gleichmäßig atmete. Bis mein Bauch sich meldete und heftig knurrte.

So schlich ich im Krankenhaus umher und suchte die Cafeteria bzw. irgend ein Cafe. Auch ein Automat war mir Recht, Hauptsache mein Magen hörte auf zu knurren.

Nach einer Weile sah ich einen Süßigkeitenautomaten. Endlich!

Ich suchte jede einzelne Tasche nach Kleingeld ab, aber nichts. Kein einziger Dollar. Na toll.

„Hier“, eine Hand mit Geld hatte sich in mein Blickfeld geschoben.

Cedrics Hand.

„Was willst du noch hier?“, keifte ich ihn an.

„Ich sagte bereits, ich bleibe so lange hier, bis du mir zuhörst“.

„Dann kannst du hier verwesen“, meinte ich wütend und wollte an ihm vorbeilaufen, aber er hielt mich am Arm fest.

„Ari,bitte“.

Er sollte nicht so mit mir reden. Das machte es schwerer, sauer auf ihn zu sein. Egal wie sehr ich mir verarscht vorkam, ich wollte mich am liebsten an seine starke Brust drücken und mich trösten lassen.

„Ihr müsst doch in ein paar Stunden los. Geh, sonst kriegst du noch Ärger“, meine Stimme war lahm und müde. Genau so fühlte ich mich auch.

„Ich bleibe hier. Ich fahre nirgends hin, bevor wir das nicht geklärt haben“.

„Cedric, ich will das vielleicht gar nicht klären. Lass gut sein“.

Er lies sich nicht abwimmeln.

„Wieso nicht? Gib mir eine Chance dir alles von A bis Z zu erklären. Ich will nicht, dass du sauer auf mich bist“.

„Woher weiß ich, dass du dann nicht wieder lügst?“ Ich verschränkte die Arme vor der Brust.

„Weil du mir dafür zu wertvoll bist“, er zog meine Ärmel auseinander und hielt meine Hände mit seinen fest.

Für einen kurzen Moment erlaubte ich mir, dieses Gefühl zu genießen. Das war es dann aber auch schon.

Ich schüttelte den Kopf und entzog ihm meine Hände.

„Ich war so ehrlich zu dir, wie zu niemanden sonst. Ich hab dir das Grab meiner Eltern gezeigt. Ich hab dir die größte Chance geboten, in mein Leben einzutreten aber du .. Du hast nicht mit offenen Karten gespielt. Das wars. Mehr als einen Versuch hast du nicht“.

„Eine Chance also? Darf man bei dir keine Fehler machen? Nimmst du nur perfekte Menschen?“, Cedrics Ruhe war verschwunden.

„Das war ein mieser Vertrauensbruch. Und jetzt, lass mich in Frieden“.

Ich wollte an ihm vorbei, doch er stellte sich vor mich.

„Nein“.

Meine Hände ballten sich zu Fäusten. „Ist das nicht meine Entscheidung wen ich in meinem Leben haben will und wen nicht?“, spuckte ich ihm entgegen.

„Willst du mich etwa nicht in deinem Leben?“

„Nein, nicht mehr“. Da er keine Anstalten machte, mich vorbeizulassen, drehte ich mich einfach um und lief zurück in Svens Zimmer. Dann verhungerte ich halt.

Bevor ich jedoch an Svens Zimmer ankam, entdeckte ich eine junge Frau vor dem Zimmer. Sie saß im Rollstuhl.

„Wollen Sie ins Zimmer?“, sprach ich sie an.

Bei genauerem betrachten fiel mir auf, wie hübsch sie war. Ihre langen, blonden Haare waren zu einem Pferdeschwanz gebunden, ihr Gesicht war blass aber ansonsten hatte sie große, grüne Augen und eine süße Stupsnase.

Sie erschrack sich, als ob sie in Gedanken war. „Em.. Nein. Oder ja. Schläft Sven?“

Ich nickte.

„Ich würde gerne kurz nach ihm sehen“.

„Ja, sicher“.

Ich öffnete die Tür und die Blondine trat mit mir ein.

„Sind sie Apryl?“, fragte ich. Sie nickte.

„Ich vermute, du bist Svens kleine Schwester?“

„Ja, Ariana heiße ich“, stellte ich mich vor.

„Ich wusste nicht, dass er mein Spender ist“, sagte sie nach einer Weile. Ihr Blick heftete die ganze Zeit auf meinem Bruder. Ich hätte beinahe gesagt, es war ein liebevoller Blick.

„Sven wollte mir nichts erzählen“, sagte ich.

Sie lachte leise. „Typisch für ihn, oder?“, sie lächelte und sah ihn verträumt an.

„Bist du seine Freundin?“, wollte ich wissen.

„Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, als was ich mich definieren soll. Wenn du willst, kannst du mich mit nach draußen begleiten. Ich.. würde gerne mit dir reden. Ich will Sven nicht wecken.. Die Operation hat ihn sehr schwach gemacht“.

Ich nickte. „Wie kommt es, dass es dir den Umständen entsprechend so viel besser geht als Sven?“

„Bei ihm.. gab es wohl ein paar Komplikationen.. Nachblutungen aus dem Wundgebiet“.

Ich sah sie erschrocken an.

Das wusste ich nicht. Ich dachte, es wäre normal, dass er in diesem Zustand war.

„Woher.. weißt du das?“

Wieso wusste ich nichts davon? Warum hatte der Arzt mir, seiner Schwester nichts verraten, dafür aber einer Fremden?

„Meine Schwester arbeitet hier als Krankenschwester.. Sie hat es mir erzählt, auch wenn es eigentlich nicht erlaubt ist“.

Wir fuhren mit dem Aufzug runter, Apryl zeigte mir, wo die Cafeteria war. Ich hoffte nur inständig, Cedric würde sich nicht blicken lassen. Mich wunderte es eh, dass noch keine versammelte Mannschaft von Mädels nach Autogrammen bettelten. Und auch wenn ich es mir nicht eingestehen wollte, wollte ich nicht, dass er wegen mir hier blieb und nachher Stress vom Management bekam..

Endlich bekam mein Magen etwas zu essen. Zwar war das Krankenhausfraß nicht das, was ich mir erträumte, aber besser als nichts.

„So, und jetzt erzähl mir doch mal, was da zwischen dir und meinem Bruder läuft“.

Ein leichtes lächeln umschloss ihre Lippen. „Wir hatten eine Affaire. Schon ziemlich lang.. Ich war von Anfang an in deinen Bruder verliebt. Aber er hat immer davon geredet, dass er nichts festes will, deshalb hab ich auch gesagt, ich will nichts festes.. Tja. So ging das eine Weile.. Ich bin schon lange an Nierenversagen erkrankt und musste jeden zweiten Tag zur Dialyse, weil mein Blut sich nicht von selber reinigt. Als Sven das rausgefunden hat, hat er sich von mir getrennt.. Er wusste, dass ich ohne eine neue Niere nicht so lange Leben würde.. ich habe es akzeptiert, weil ich weiß, dass ihr zwei schon zwei schwere Verluste in eurem Leben machen musstet.. und dann .. nach 2 Monaten, hieß es plötzlich, es hätte sich jemand bereit erklärt, mir eine Niere zu spenden. Jemand der mich kennt, aber nicht will, dass ich es weiß. Ich hatte am Anfang meine Bedenken, weil sich die Person nicht zeigen wollte.. aber mir blieb nichts übrig. Ich bin erst 24.. Und dann hat man mir gestern gesagt, dass Sven mir eine Niere gespendet hat. Ich konnte ihn aber nicht besuchen, weil ich nicht aus dem Bett durfte. Ich hätte mit jedem gerechnet, aber nicht mit Sven als Spender..“

Während sie erzählte, musste ich meine Tränen zurückhalten. Ich hatte keine Ahnung mit was Sven alles beschäftigt war und ich hatte ihn auch noch zusätzlich belastet. Ich bekam schreckliche Schuldgefühle.

„Warst du nicht sauer auf Sven, dass er dich hat einfach links liegen lassen?“, fragte ich.

Sie schüttelte den Kopf.

„Das Leben ist so kurz als um auf alles und jeden sauer zu sein. Ich bin das beste Beispiel. Nur weil ich deinen Bruder kennengelernt habe werde ich weiterleben können. Ansonsten wären das meine letzten Monate.. die wollte ich nicht mit Trauer verbringen“.

Ich musste sofort an Cedric denken. Hatte ich übertrieben? Hatte nicht jeder eine zweite Chance verdient?

„Wie konntest du ihm einfach so verzeihen? Warst du nicht verletzt?“

„Oh doch. Mehr als nur verletzt. Ich hab Rotz und Wasser geheult aber ich hab versucht ihn zu verstehen.. und ich konnte es nachvollziehen. Wieso sollte er weiter Zeit mit jemanden verbringen, der bald sterben würde?“

Die Worte von Apryl brachten mich zum nachdenken. Sollte ich Cedric nicht einfach anhören? Vielleicht könnte ich sein Handeln irgendwie nachvollziehen.

Aber mein verletzter Stolz ließ das nicht zu.

„Ich würde gerne weiter mit dir reden, aber ich sollte lieber ins Bett. Ich kann noch nicht so lange sitzen“, erzählte sie.

„Oh, natürlich. Ich bringe dich in dein Zimmer“.

 

Ich saß draußen auf der Bank und dachte nach. Sven war vorher kurz wach gewesen und ich hatte ihm erzählt, dass Apryl nach ihm gesehen hatte. Und auch wenn er versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen, war mir das leuchten in seinen Augen nicht entgangen. Er hatte sich sehr gefreut.

Und was machte ich jetzt? War das Leben nicht zu kurz? Sollte ich meine Zeit damit verschwendet, sauer auf Cedric zu sein, anstatt seine Anwesenheit zu genießen? Ich wusste wirklich nicht, was ich tun sollte. Was richtig und was falsch war.

"Lass dich fallen, ich bin da“.

Es wurde Abend. Der Himmel Chicagos war von ein paar vereinzelten Wolken bedeckt, der kühle Wind lies bunte Blätter wehen.

Ich zog meine Jacke enger um meinen Körper Ich wollte nicht wieder rein, Krankenhäuser nahmen mir die Luft zum Atmen. Nirgends fühlte ich mich unwohler als in diesen mit Bakterien verseuchten Gebäude.

Still setzte sich jemand neben mich.

Cedric.

Ich sah ihn kurz an, aber er machte keine Anstalten irgend etwas zu sagen. So wie ich.

„Redest du jetzt nicht mal mehr mit mir?“, fragte er nach einer gefühlten Ewigkeit der Stille.

„Was meinst du?“

„Ich hätte jetzt erwartet, dass du mich verscheuchst, aber mich mit Ignoranz zu bestrafen, ist das schlimmste“.

„Übertreibe ich?“, fragte ich flüsternd und biss mir in die Unterlippe.

Er sah mich lange an, zuckte anschließend mit den Schultern. „Ich.. ich weiß nicht. Das ist mir davor noch nie passiert.. also.. das jemand so sauer auf mich ist“.

Ich presste meine Lippen aufeinander. „Heißt das, du fährst zum ersten Mal zweitgleissig?“, ich wusste nicht genau, was er meinte.

Er seufzte laut.

„Ich hatte mit vielen Mädchen was und Cheryl lief immer nebenher. Die Mädchen wussten das teilweise, weil sie all meine Interviews und sowas kannten.. aber das machte niemanden etwas aus.. und dann.. hab ich dich kennengelernt“.

Die Worte trafen mich. Mein Herz zog sich schmerzerfüllt zusammen.

„Du hast also einfach das gleiche, was du mit all den Mädchen abgezogen hast, auch mit mir abgezogen?“, meiner Stimme war nicht zu entnehmen, wie schlecht ich mich mit einem Mal fühlte.

„Was.. Nein!“, Cedric sah mich verzweifelt an. Jedes weitere Wort, was aus seinem Mund fiel, verschlimmerte die Situation.

„Ich weiß nicht, ob ich wirklich mehr hören will“.

„Ari, bitte. Lass es mich einfach erklären, okay? Danach kannst du entscheiden, ob du mich aus deinem Leben streichen willst“.

Ich nickte zaghaft.

Cedric fuhr sich nervös über das Gesicht, suchte dann den Augenkontakt zu mir.

„Ich hatte nie den Gedanken mit dir zu spielen. Wirklich niemals. Und ich hab auch nicht mit dir gespielt, auch wenn du das vielleicht denkst.. Seit dem Kuss bei dir zu Hause, habe ich niemand anderes angerührt, ich schwöre es dir. Ich hatte auch kein Interesse an irgendwen anderes. Ich will nur dich..“

Ich brauche ein paar Sekunden, bis seine Wörter zu mir durchsackten. Er wollte nur mich? Mein Herz hämmerte unkontrolliert gegen mein Brustkorb.

„Das mit Cheryl.. Das war ursprünglich wirklich nur PR. Sie hat aber deutliches Interesse gezeigt und ich hab einfach ohne groß darüber nachzudenken, angefangen mit ihr zu schlafen.. Sie hat uns als Paar gesehen. Ich nicht, aber ich hatte auch keine Lust das so groß zu diskutieren.. Ich weiß nicht mal, ob ich sie mag. Ich hab einfach Zeit mit ihr verbracht und mit ihr geschlafen“.

Ich wich seinem Blick aus, konnte ihm nicht mehr in die Augen sehen. Natürlich wusste ich, dass die zwei miteinander geschlafen hatten, aber es durch seinen Mund zu hören, war etwas anderes. Es tat mir weh.

„Vor allem.. als du zurück nach Roseville gefahren bist, hab ich viel Zeit mit ihr verbracht“, setzte er an weiter zu erzählen.

„Im Bett..“, fügte ich hinzu.

„Ich werde ehrlich zu dir sein. Ja, im Bett. Ich brauchte Ablenkung. Und Sex war für mich die beste Ablenkung, aber sie hat mir dauerhaft nicht geholfen“.

Ich senkte den Blick auf meine Jacke und nestelte am Saum der Ärmel herum. Das was er mir gerade berichtete, war nicht gerade das, was ich hören wollte.

„Ari“, Cedrics Stimme wurde mit einem Mal unendlich sanft und ich spürte im darauffolgenden Moment, wie er mein Gesicht zu sich drehte und seine Hand auf meiner Wange ablegte.

Meine Wange fing sofort an zu prickeln.

„Ich fahre nicht zweitgleissig. Das habe ich gemacht, ich gebe es zu. Aber nicht bei dir. Du bist mir dafür zu wertvoll“.

Über meine Lippen kam kein Wort, zu sehr war ich versunken in seinen blauen Augen.

„Glaubst du mir?“, fragte er nach einer Weile.

Ich nickte und versuchte mich an ein versöhnliches lächeln.

Cedric atmete hörbar aus und lachte leise.

„Du weißt nicht, wie erleichternd das gerade ist“, meinte er schließlich.

„Sei in Zukunft einfach gleich so ehrlich zu mir, okay?“, bat ich ihn.

Er nickte. „Versprochen“.

„Kriegst du keinen Ärger.. weil du hier bist?“

Der Sänger zuckte mit den Schultern. „Vermutlich schon, aber ich hab Cole Bescheid gesagt und einfach mein Handy ausgeschaltet.. Die nächsten Tage hab ich meine Ruhe“.

„Gibts nachher arg viel Stress?“

„Sieht so aus. Aber mein Management vergisst manchmal, dass ich ein Privatleben habe. Jetzt brauch ich einfach eine kleine Pause.. Wer war die Frau, mit der du vorher gesprochen hast?“

„Svens Nierenempfängerin.. Ich denke, mein Bruder hat sich verliebt“.

Cedric lachte, sofort stellten sich meine Nackenhaare auf. Mittlerweile müsste ich mich an den Klang seiner Stimme gewöhnt haben, aber trotzdem reagierte mein Körper jedes Mal erneut darauf.

„Das klingt so, als ob das etwas völlig absurdes wäre“.

„Oh, ja.. Das ich diesen Tag Mal erlebe.. Aber ich freue mich für ihn. Es beruht auf Gegenseitigkeit“.

„Früher oder später erwischt es wohl jeden“.

Ich blickte ihm in die Augen. „Ja, früher oder später erwischt es jeden“.

Ich spürte, wie Cedric seine Hand mit meiner verschloss und mich im nächsten Moment hochzog.

„Lass uns rein, es ist kalt geworden“, sagte er.

„Ich schau nach Sven, die Besuchszeit ist gleich vorbei. Wartest du hier?“ Wir standen am Eingang und noch immer hielt Cedric meine Hand.

„Ja, ich bin hier“.

„Pass auf, dass dich keiner erkennt. Wir haben keinen Michael, der dich aus der Menschenmenge rausholen kann“, ich zwinkerte ihn lachend an.

„Ich habs bereits den ganzen Tag geschafft“, meinte er.

„Gut gemacht“, lobte ich ihn.

Mein Bruder war wach, als ich sein Zimmer betrat.

„Oh, hey. Hätte ich gewusst das du wach bist, wäre ich früher gekommen“, ich stellte mich neben sein Bett und begutachtete sein Gesicht. Er sah wesentlich besser aus als heute Morgen.

„Du bist schon den ganzen Tag hier, ruh dich aus. Frau Commings hat den Ersatzschlüssel für meine Wohnung“.

„Die Besuchszeit ist sowieso gleich um.. Ich komm, sobald es wieder erlaubt ist. Morgen um 10 stehe ich hier“.

„Ich kann sagen was ich will, du setzt sowieso nur deinen Kopf durch, oder?“

„Allerdings“, bestätigte ich. „Wir sehen uns Morgen“, ich gab ihm einen Kuss auf die Wange und verließ sein Zimmer.

Unten angekommen, erblickte ich Cedric an der gleichen Stelle wie vorhin.

„Sehr brav, du hast nicht einen einzigen Schritt getan, sehr vorbildlich“.

„Nicht wahr?“

Wir schlenderten zur Hauptstraße, an der bereits ein Taxi auf uns wartete.

„Ich hab vorhin als du zu Sven bist, kurz eins hergerufen“, meinte Cedric und öffnete die Tür, damit wir einsteigen konnten.

„Ins Daydesign Hotel“, bat ich den Taxifahrer.

„Junger Mann, es geben Grund wieso man sehen nur deine Augen? Du sein illegal hier?“, kritisch beäugte der Taxifahrer Cedric.

Zwar war Cedrics Gesicht ziemlich verdeckt, aber das man nur seine Augen sah, war etwas übertrieben.

„Was? Nein!“, er zog die Mütze ab und lockerte seinen Schal.

„So besser?“, fragte er den Taxifahrer angriffslustig.

„Oh! Ich dich kennen“, meinte dieser verwundert.

Ja, jeder kannte ihn. Nur ich wusste nicht, mit wem ich es anfangs zu tun hatte. Das begriff ich mittlerweile.

„Freut mich“, hörte ich Cedric grinsend sagen. Er fuhr sich über seine vollen, dunkelblonden Haare.

„Du haben sehr schöne Stimme“, lobte der Taxifahrer, während er an einer roten Ampel stoppte.

„Vielen Dank“. Der Kerl war ja wirklich höflich.

„Deswegen du ziehen an so versteckt? Nicht sein wollen erkannt?“, schlussfolgerte der grauhaarige Mann.

„Ja, manchmal brauche ich meine Ruhe“, offenbarte Cedric.

„Und du? Du sein auch berühmt? Sein Model?“, fragte er an mich gewandt.

„Ich? Neee. Ich bin nur eine langweilige Studentin“, winkte ich ab.

Kurze Zeit später standen wir vor dem Hotel. „Könnt ihr hier kurz warten? Ich hole nur meine Sachen. Ich beeile mich“.

Es dauerte etwa zwanzig Minuten, bis ich raus kam. Ich hatte abgecheckt und meinen kleinen Koffer im Schlepptau.

„Wohin du müssen gehen?“, fragte der Taxifahrer. Ich holte den Zettel aus meiner Tasche und las ihm die Adresse vor.

Wir stiegen gemeinsam aus und nachdem ich an der Tür von Frau Commings klingelte, stürmte diese hysterisch vor die Tür.

„Ach Mädchen! Ich habe mir solche Sorgen gemacht! Geht es dir gut?“, stürmisch nahm sie mich in den Arm.

„Tut mir Leid, ich wollte ihnen keine Sorgen bereiten. Ja, mir geht es gut“.

Die Rentnerin lies von mir ab und begutachtete Cedric.

„Guten Tag“, meinte dieser und streckte seine Hand aus.

„Oh, hallo“, sie nahm seine Hand und schüttelte sie kräftig.

„Kommt doch herein“.

„Nein, danke. Wir sind ziemlich müde. Könnten Sie mir den Ersatzschlüssel zu Svens Wohnung geben?“

„Oh, natürlich. Eine Sekunde“.

Sie verschwand kurz in ihrer Wohnung und kam mit dem Schlüssel zurück.

„Hier, bitteschön“, sie lies den Schlüssel in meine Hand fallen und nachdem ich mich bedankte, liefen wir hoch in das nächste Stockwerk.

Das letzte Mal das ich hier war, war bereits über 1 ½ Jahre her. In dieser Zeit hatte sich überhaupt nichts in der Wohnung geändert.

„Schick“, hörte ich Cedric neben mir sagen.

„Willst du etwas trinken?“, fragte ich ihn, nachdem wir unsere Jacken ausgezogen hatten.

„Ja, ein Glas Wasser“.

Ich platzierte unsere Gläser aufs Sofatisch und holte mein Handy aus der Tasche.

5 Anrufe in Abwesenheit. Ella hatte 3 Mal angerufen und Cole 2 Mal.

„Ich muss kurz Ella anrufen“, meinte ich zu Cedric und verschwand in die Küche.

Meine beste Freundin hatte mir einiges zu erklären. Wie kam Sven auf die Idee, Ella hätte mich geschickt? Wusste sie von seiner Operation?

„Ari! Endlich, wieso hast du meine Anrufe nicht angenommen?“, Ellas Stimme war so laut, dass ich mir mein Handy vom Ohr weghalten musste.

„Ich hab es nicht gesehen. Wusstest du, dass Sven operiert wird?“, sprach ich sie ohne Umschweife auf die Frage an, welche mir bereits den ganzen Tag im Hirn rumschwirrte.

Es folgte eine Stille.

„Ella, ich rede mit dir“.

„Ja, ich wusste es“, gab sie zu.

„Wieso hast du mir nichts gesagt? Es war vollkommener Zufall, dass Michael mich zu dieser Show eingeladen hat, ansonsten hätte ich es nie herausgefunden und mich hätte auch keiner aufgeklärt“.

Ich war verdammt wütend.

„Können wir darüber reden, wenn du zurück bist? Bitte, ich hab Sven versprochen nichts zu sagen. Ich fand es auch nicht gut“.

„Ella, du bist meine beste Freundin, nicht Sven seine!“

„Ari, es tut mir wirklich Leid“.

Ich legte auf. Meine Nerven wurden für heute genug strapaziert und auf Erklärungen hatte ich keine Lust.

Ich lehnte mich gegen die Kücheninsel und starrte auf mein Handy. Wie konnte sie es wagen, so etwas wichtiges vor mir zu verschweigen?

„Alles in Ordnung?“, Cedric stand mit einem Mal neben mir und taxierte mich.

Ich brachte ein halbes Nicken zustande.

„Ari, rede mit mir“, er nahm sich eine Haarsträhne von mir und zwirbelte sie zwischen seinen Fingern.

„Ella wusste, dass Sven operiert wurde, aber sie hielt es geheim vor mir. Sie ist doch meine beste Freundin..“, ich erlaubte mir, mich gegen seine Brust fallen zu lassen.

„Bist du sauer auf sie?“, fragte er mich.

„Ja. Sehr sauer. Alles läuft hinter meinem Rücken“.

Ich spürte, wie Cedric seinen Arm fest um mich schlang. „Sie hat es bestimmt nicht böse gemeint“.

Meine Finger hielten sich an seinem Shirt fest.

„Ist mir egal, wie sie es gemeint hat. Er ist mein Bruder. Es ist doch mein Recht zu wissen, wenn er unters Messer gelegt wird. Das alles hätte auch anders ausgehen können. Eine Nierenentfernung ist kein Spaß“.

Er drückte mir einen Kuss auf die Schläfe.

„Ruh dich aus und ruf sie Morgen an. Ihr tut das bestimmt Leid. Mir hast du auch zugehört, sie hat doch auch das Recht, oder?“

Ich löste mich von ihm und sah in seine blauen Augen.

„Ja.. aber erst Morgen.. Cole hat mich auch noch 2 Mal angerufen. Redest du mit ihm? Ich rufe ihn Morgen an, aber jetzt will ich nur ins Bett“.

Cedric nickte. „Natürlich“.

Aus Svens Schrank hatte ich Schlafsachen für Cedric rausgelegt. Zwar war mein großer Bruder ein paar Zentimeter größer als der blonde Sänger, aber es würde ihm trotzdem passen. Immerhin waren die beiden ungefähr gleich gut gebaut.

Im Gästezimmer lagen noch ein paar alte Klamotten von mir, die ich bei meinem letzten Besuch vergessen hatte.

Die Tür öffnete sich hinter mir. „Du kannst hier schlafen. Ich schlafe in Svens Zimmer“.

Ich traute mich nicht zu sagen, dass ich in seinen Armen schlafen wollte. Das Gästebett war groß genug für zwei.

„Klar“, Cedrics blaue Augen ruhten auf mir.

„Auf dem Stuhl liegen Schlafklamotten. Gute Nacht“.

Ohne ihm einen Kuss zu geben, ohne mich an ihn zu drücken, ging ich ins Sven Zimmer und lies mich in die Kissen fallen. Ich hatte ihm verziehen, aber trotzdem fiel es mir schwer, mich einfach gehen zu lassen.

Mitten in der Nacht erwachte ich. Draussen regnete es in Strömen und ich drückte mich tiefer in die Lacken.

Ich hasste Gewitter, schon immer. Vor allem, seitdem ich alleine wohnte. Jedes Mal hörte ich laut Musik oder versuchte mich anders zu beschäftigen. Stürme erinnerten mich immer an den Unfall meiner Eltern.

Jede Minute, die ich stillschweigend im Bett lag, machte mich nervöser. Ich konnte sowieso nicht einschlafen. Es war hoffnungslos.

Meine Füße machten sich selbstständig und mit einem Mal fand ich mich Gästezimmer wieder.

Es war dunkel und ich konnte Cedrics Gestalt nur schlecht ausmachen. Ich sah ihn nur an.

„Wie lange willst du da noch rumstehen?“, seine Stimme war rauchig.

Er war eben aufgewacht.

Wegen mir oder dem Donner?

„Oh.. em. Tut mir Leid.. ich wusste nicht.. das .. das du wach bist“, stotterte ich.

„Ist alles in Ordnung?“, Cedric setzte sich auf.

Ich schüttelte den Kopf.

„Komm her“, er zog die Decke beiseite und ich kroch zu ihm ins Gästebett.

Sein Duft stieg mir in die Nase und ich atmete sie tief ein.

Cedric machte keine Anstalten,mich an sich zu drücken. Wahrscheinlich, weil ich ihn vorhin hatte einfach stehen lassen.

Ich wusste nicht ob er wieder eingeschlafen war, aber ich hatte das dringende Bedürfnis, ihm etwas wichtiges zu erzählen.

„Ich war mit meinen Eltern auf Segelfahrt, als es anfing, stürmisch zu regnen.. Wir hatten die Wellen nicht mehr unter Kontrolle.. Das Boot ist in zwei Teile zerbrochen. Trotz unserer Westen war es einfach nicht möglich irgendwie über Wasser zu bleiben..“, erzählte ich flüsternd.

Ich dachte, er war eingeschlafen, doch dann zog mich Cedric an sich und ich legte meinen Kopf auf seine Halsbeuge. Seine Hand suchte nach meiner und drückte sie anschließend fest.

In meinem Hals hatte sich ein Kloß gebildet, den ich zu wegschlucken versuchte.

„Meinen Vater hatten die Wellen weit weg getragen und erst ein paar Tage später hatte man seine Leiche gefunden. Ich betete jeden Tag, dass er vielleicht zurück kam.. aber das einzige was kam, war..war seine Leiche. Sven hat sie gesehen. Er war es definitiv. Ich wollte ihn auch sehen, weil ich es einfach nicht wahrhaben wollte, aber .. mir wurde es nicht erlaubt“.

Cedric sagte nichts, sondern hörte mir zu, mit seiner anderen freien Hand strich er mir über die Haare.

„Meine Mutter lag in der Zeit in der Intensivstation.. ich hatte meine ganze letzte Hoffnung an sie gesetzt. Das sie aufwachen würde. Dann wäre mein Schmerz nicht ganz so groß. Aber .. auch sie wachte nicht mehr auf“.

Ich räusperte mich, meine Stimme wurde mit jedem Wort krächziger.

„Ich fühle mich unwohl bei Gewitter und.. ich gehe nicht mehr Schwimmen, nicht ans Meer.. Ich vermeide zu viel Wasser. Ich weiß.. es ist unsinnig, aber ich kann einfach nicht“.

„Es ist nicht unsinnig“, hörte ich Cedric ebenso leise reden, wie ich die gesamte Zeit erzählt hatte.

„Es tut mir Leid, wenn ich mich Mal an dich drücke und danach einfach distanziert bin. Ich versuche das zu ändern“.

„Mach dir kein Kopf“, er drückte mir einen sanften Kuss auf die Stirn.

„Du brauchst auch keine Angst mehr zu haben. Ich bin jetzt da“.

„Irgendwann wirst du nicht mehr dasein“, ich hatte meine Fassung wieder gewonnen, ich sah zu ihm hoch.

„Ich kann dir nichts versprechen, Ari. Ich weiß nicht, was die Zukunft bringt. Aber in Angst zu leben, wird nichts an der Situation ändern. Lass dich fallen, ich bin da“.

„Ich.. ich versuchs“.  

Beziehungen

Wohlige Wärme umschloss meinen Körper.

So eingehüllt und geborgen hatte ich mich noch nie gefühlt.

Ich öffnete meine Augen.

Erst als ich meine Position ändern wollte, bemerkte ich, woher diese Wärme kam, denn ich wurde fest an einen Körper gedrückt.

Mein Blick wanderte nach oben, bis sie auf Cedrics blaue Augen stießen.

„Beobachtest du mich etwa?“, ich löste mich von ihm und zog mir die Decke bis unter die Augen.

„Ja“, meinte er grinsend.

„Ich hoffe du hast Spaß dabei“, ich zog meine Augenbrauen verärgert zusammen.

„Habe ich, sehr viel sogar“, mit einer fließenden Bewegung zog er die Decke weg.

„Was machst du da?“, wollte ich anfangen zu protestieren, als Cedric sich über mich beugte.

„Mit der Decke komm ich nicht an deine Lippen. Sie sind so schön geschwollen vom Schlafen“, behutsam drückte er mir einen Kuss auf

. „Morgen“, raunte er und bahnte sich küssend zu meinem Hals.

„Morgen“, sagte ich überfordert.

Er hörte auf, an meinem Ohr zu zupfen und sah mir stattdessen ins Gesicht.

„Hab ich dir schon mal gesagt, wie hübsch du bist? “Ich überlegte. Nein, das hatte er glaubte ich noch nie gesagt, also schüttelte ich den Kopf.

„Dann mache ich das hiermit. Du bist so verdammt schön, ich hab dich nicht geweckt um dich ausgiebig betrachten zu können. Und weißt du, zu welcher Erkenntnis ich gekommen bin?“, ich schüttelte unsicher den Kopf.

„Das nur ich dich so ausgiebig betrachten darf“.

Er zog spielerisch an meiner Lippe „oder küssen“, hörte ich ihn murmeln. „Und erst recht anfassen“, er fuhr mit seiner kräftigen Hand über meine Seite, was mich wohlig aufseufzen lies.

„Du stimmst mir doch zu, oder?“, er stemmte seine Arme links und rechts von mir ab und sah mir tief in die Augen.

Das war alles eindeutig zu viel für mich. Ich war doch erst eben aufgestanden! Dieses Kompliment und seine Lippen auf meinen waren zu viel für diese frühen Morgenstunden. Mein Herz hämmerte wild gegen mein Brustkorb.

Ich war eingeklemmt zwischen ihm und der Matratze.

„Wenn das gleiche für mich gilt, dann ja.. stimme ich dir zu“, erst einige Sekunden später hatte ich meine Stimme wiedergefunden und konnte zu einer brauchbaren Antwort ausholen.

Er grinste mich frech an.

„Dich selber anfassen, also?“, er zog seine Augenbrauen hoch.

Ich verdrehte meine Augen.

„Du weißt was ich meine“.

„Klingt fair“, er strich mir eine Strähne aus dem Gesicht, eine Gänsehaut breitete sich in meinen Armen aus, nur durch diese kleine, dennoch zärtliche Geste.

Mein Handy klingelte aus dem Nebenzimmer, störte unsere Zweisamkeit.

Ich schob mich aus dem Bett und holte mein Handy aus dem Esszimmer.

„Hallo?“, meine Füßen brachten mich automatisch zurück ins Bett und ich setzte mich wie selbstverständlich auf Cedrics Schoß. Er saß aufrecht gegen die Wand gelehnt, seine dunkelblonden Haare standen ihm wirr auf dem Kopf, was ihn nur noch attraktiver erscheinen lies.

„Na, Kleine. Alles klar? Ich wollte nur mal hören, wie es dir geht“.

„Michael? Hey“, ich war ganz überrascht von seinem plötzlichen Anruf.

Ich spürte, wie Cedrics große Hand mich an der Schulter festhielt, während er mit seinen warmen Lippen Küsse auf meinem Schulterblatt, hoch zu meinem Hals hauchte und irgendwas vor sich hin grummelte.

Warscheinlich, weil Michael der Anrufer war.

„Ja.. ja bei mir ist alles klar. Und bei dir?“, dieses Gespräch zu führen, erforderte eine Menge Konzentration.

„Auch. Geht es dir wirklich besser? Vorhin hat Ella angerufen und naja..erzählt, dass dein Bruder.. das er im Krankenhaus liegt und du nicht mit ihr redest“, druckste er herum.

„Ja. Alles Bestens. Mach dir keine Sorgen. Ella hat es wohl jedem gesagt, nur mir verschweigt sie es. Trotzdem danke für deinen Anruf, aber ich muss jetzt Schluss machen.. Wir sehen uns“.

„Ari, sei nicht sauer auf sie..“,versuchte er meine beste Freundin zu verteidigen.

„Michael, nichts für ungut. Aber das ist eine Sache zwischen Ella und mir, bitte misch dich da nicht ein. Es ist nicht böse gemeint“.

Cedric hörte auf, sich an meinem Hals zu vergnügen und sah mir stattdessen interessiert zu.

„Na gut.. Ich wollte mich nicht einmischen.. Wir sehen uns“.

„Bist du mir jetzt böse?“, fragte ich nach.

„Nein“, er lachte. „Mach dir keinen Kopf. Machs gut, Kleine“.

„Okay.. ja.. wir sehen uns. Du auch“, damit legte ich auf und seufzte schwer. Meinen Kopf vergrub ich an Cedrics Halsbeuge.

„Alles in Ordnung?“, hakte er nach.

„Ja. Es geht schon“. Cedric nahm mein Gesicht zwischen seine Hände.

„Was hatten wir gestern gesagt?“, fragte er und zog eine Augenbraue hoch. Das Gespräch der letzten Nacht hatte ich bisher recht gut verdrängt. Warum sprach er es an?

„Ella hat Michael angerufen und ihm alles erzählt. Ich will darüber gar nichts hören, zufrieden?“

„Ja. Das ist ein guter Anfang“, sagte er zwinkernd.

„Wegen gestern Nacht..“, ich schluckte schwer und suchte nach den passenden Worten. Wie sagte ich ihm am Besten, dass ich noch nie freiwillig über diesen Unfall gesprochen hatte? Nur meine Psychologin hatte den Vorfall bisher von mir geschildert bekommen und das nur, weil ich mich gezwungen fühlte.

„Du musst nicht darüber reden, wenn du nicht willst. Ich bin froh, dass du es mir erzählt hast“, seine Augen blickten mir so warm entgegen, voller Verständnis, dass ich meinen Blick nicht mehr von ihnen nehmen konnte.

Ich war hoffnungslos verliebt.

„Ich wollte trotzdem.. also.. ich.. Danke“, stammelte ich nervös.

Cedric strich mit seiner Hand über meine Wange, sofort bildete sich ein prickeln auf meiner Haut.Die Schmetterlinge in meinem Bauch sollten bitte nie wieder aufhören zu flattern.

Auf dem Weg zum Krankenhaus machten wir einen kurzen Zwischenstopp in einer Bäckerei um uns ein ausgiebiges Frühstück zu gönnen.

„Bist du dir sicher, dass ich nicht lieber eine Sonnenbrille oder so anziehen sollte?“, fragte Cedric mich.

Ich zuckte mit den Schultern.

„Du stehst in der Öffentlichkeit. Das gehört einfach zu dir und ich versuche nicht, irgendetwas an dir zu ändern“.

Wir saßen drinnen, unser Platz so gewählt, dass möglichst wenige Leute Aussicht auf Cedrics Gesicht hatten.

„Wundere dich aber nicht, wenn Morgen Bilder von dir im Netz stehen.. Sei dir einfach im klaren, was du da auf dich nimmst“.

Ich nahm seine Hand und drückte sie.

„Ist es dir lieber, du läufst so versteckt herum? Für mich wäre beides in Ordnung“.

Cedrics Blick ruhte auf unseren verschränkten Fingern, ehe er den Blickkontakt zu mir suchte.

„Die Öffentlichkeit wird das zwischen uns nicht leichter machen. Irgendwelche Gerüchte hier, Bilder da und.. das will ich nicht, verstehst du?“

Ich nickte.

„Sag es deinem Bruder. Sag es Ella, sag es diesem verdammten Michael, damit er dich in Ruhe lässt, aber es geht sonst niemanden etwas an. So viele Beziehungen gehen kaputt, nur durch die Presse“.

„Okay.. dann.. hol am Besten deine Mütze raus und deinen Schal.. und deine Sonnenbrille auch“.

„Es tut mir Leid, dass wir nicht in Restaurants gehen können.. oder Kinos.. oder einfach in den Park.. Du weißt warscheinlich gar nicht, auf was du dich da eingelassen hast“.

„Doch.. ich denke schon. Ich hab die ganzen kreischenden Mädchen gehört vor dem Hotel, die Zimmermädchen, die unbedingt plötzlich alle Zimmer eures Stockwerk putzen wollten oder .. als wir im Auto saßen mit Michael, wie sie an der Autotür geklopft haben und sagten, wie sehr sie dich lieben“, ich fuhr mir seufzend über die Haare.

„Du kommst damit klar?“, hakte Cedric nach.

„Ich muss. Mir wäre es lieber.. du hättest einen normalen Job.. aber es ist so wie es ist und ich versuche damit klar zu kommen“.

Cedrics andere Hand umschloss unsere verschränkten Finger.

„Wollen wir gehen?“, fragte er anschließend.

„Du musst nicht mit ins Krankenhaus, wenn du nicht willst“.

„Was soll ich denn sonst alleine in Chicago?“, fragte er lachend.

Ich zuckte mit den Schultern.

„Wenn du noch ein Tag so maskiert im Krankenhaus rumläufst, rufen sie die Polizei“, meinte ich.

„Ja, da könntest du Recht haben“, gab er schmunzelnd zu.

„Also?“ „Also.. die einzige Möglichkeit wäre, ich gehe meine Großtante besuchen, die etwas außerhalb von Chicago wohnt.. Sie freut sich bestimmt über meinen Besuch. Außer du willst nicht alleine sein, dann bleibe ich“.

„Nein, nein. Großtante klingt gut. Dann kommst du abends wieder zu Sven?“

Cedric nickte und gab mir einen Kuss auf die Stirn. „Gut, dann bringen wir dich erst ins Krankenhaus und von dort statte ich meiner Großtante einen Überraschungsbesuch ab.“

 

Obwohl sich jede einzelne meiner Zellen dagegen sträubte, ein Krankenhaus zu betreten, schaffte ich es irgendwie, an Svens Stockwerk anzukommen. Dieses Mal stand zwar Apryl nicht vor der Türe, dafür aber eine Krankenschwester.

„Oh, em.. ist da gerade ein Arzt drinnen?“, sprach ich die junge Krankenschwester an. Grüne Augen blickten mir entgegen.

„Ja, der Oberarzt ist drinnen. Wer sind Sie, wenn ich fragen darf?“

„Ich bin die Schwester des Patienten“, antwortete ich.

„Ach, du bist Ariana? Apryl hat mir von dir erzählt. Ich bin Ivy, Apryls Schwester“, der Lockenkopf mit den rotorangenen Haaren streckte mir freundlich ihre Hand entgegen.

„Ahh, hey. Ihr habt die gleichen Augen“, stellte ich beim zweiten Blick fest.

„Drinnen ist kein Oberarzt, aber.. ich wollte, dass die zwei ungestört reden“.

„Oh, natürlich. Gut, dass du hier bist. Ich wollte die zwei nicht stören“.

Die junge Krankenschwester lächelte mir verspielt entgegen.

„Du glaubst nicht, wie unheimlich dankbar ich deinem Bruder bin.. Ich würde mich gerne weiter mit dir unterhalten, aber ich krieg noch Ärger, wenn ich länger trödele. Bin noch in der Ausbildung und für Azubis hat man überhaupt kein Verständnis“.

„Sicher, geh ruhig. Ich warte einfach, bis Apryl rauskommt“.

„Ich denke, sie wird gleich rauskommen, sie kann nicht so lange im Rollstuhl sitzen. Wir sehen uns“, mit dieser unglaublichen Offenheit und Lockerheit konnte sie einem nur sympatisch sein.

„Wir sehen uns. Hat mich gefreut“.

„Mich auch“.

Keine 5 Minuten später kam die besagte Person auch schon aus dem Zimmer.

Ihre Wangen, tränenverschmiert, traute sie sich kaum, aufzuschauen.

Ich wollte sie nicht ansprechen. Die Blondine wollte wahrscheinlich gar nicht reden, vor allem nicht mit mir. Schließlich kannten wir uns kaum und außerdem könnte ich wetten, dass mein Bruder dafür verantwortlich war.

Ich biss mir tief in die Unterlippe, um nicht doch nach ihr zu rufen.

Sobald ich Svens Zimmer betrat, fragte ich ihn direkt, was gerade abgelaufen war.

„Ich will nicht reden“, blockte er ab.

Seine Stimme klang um einiges kraftvoller als gestern und auch die blasse Farbe war aus seinem Gesicht gewichen.

„Das hatten wir schon gestern. Du sagst mir jetzt auf der Stelle, wieso deine Angebetete verheult aus dem Zimmer gegangen ist“.

„Sie ist nicht meine Angebetete“.

„Echt? Ich spende auch jedem dahergelaufenen meine Niere“.

Ich zog den Stuhl näher an das Krankenbett.

„Ari, bitte du nicht auch noch“, er seufzte und fuhr sich über das Gesicht.

Der Zorn stieg in mir auf und ich musste mich beherrschen, um ihm keine saftige Backpfeife zu verpassen.

„Sven, stell dir vor, du kommst mich in Roseville besuchen, aber nur ganz zufällig und ich bin weder an der Uni, wo ich eigentlich sein sollte, noch zu Hause. Mein Handy ist aus und einer unserer Nachbarn sagt, ich bin im Krankenhaus. Du eilst ins Krankenhaus, bis der 100. Taxifahrer deinen letzten Cent verlangt und dann siehst du mich hier liegen. Im Krankenbett, obwohl du doch nie wieder in Krankenhäuser wolltest, seitdem Mama genau in so einem Bett gestorben ist. Aber ich sage dir nicht, wieso ich hier liege. Würdest du dir da nicht auch verarscht vorkommen? Nein, du würdest alles aus dem Typen rausquetschen, dem ich die Niere gespendet hab, wenns sein muss mit der Faust und mir vorwerfen, wie unüberlegt meine Handlung mal wieder war. Das mir hätte so viel passieren können. Du würdest mir vorwerfen, dass ich mir bewusst über die Komplikationen sein müsste. Das nur eine Niere zu haben auch mögliche Folgen haben kann. Das ich mir die Schmerzen durch die Blutung im Wundgebiet selbst zuzuschreiben habe und ja, ich hab das mitbekommen! Und vor allem hättest du von mir einen wichtigen Grund verlangt, einen wirklich wichtigen Grund, weshalb ich in diesem Bett liege“.

Meine Hände hatten sich zu Fäusten geballt.

„Ich liebe sie, reicht das als Grund?“

Diese Antwort lies mich erstummen.

„Wieso ist sie heulend raus? Das waren keine Freudentränen“.

„Ich hab ihr natürlich nicht gesagt, dass ich sie liebe“.

„Was heißt ihr natürlich?“, hakte ich angriffslustig nach.

„Ari, sehe ich aus, wie ein gefühlvoller Mann, der irgendwem die Welt vor die Füße legt? Ich kümmere mich nicht mal gut genug um meine eigene Schwester“, seine Worte klangen mehr als nur bitter.

„Du gibst ihr deine Niere und sagst dann ciao, ich will dich nicht?“

„Sie soll sich jemand suchen, der gut für sie ist. Ich bins nicht“, meinte er emotionslos. Aber ich konnte mir sehr gut vorstellen, welches Chaos in ihm herrschte.

„Oh Gott, dieses ewige Machogehabe. Ich bin nicht gut für sie, bla bla. Du klingst wie Edward, der Bella nicht in Gefahr bringen will. Nur weil Frauen diese Filme mögen, heisst das nicht, dass du dich so verhalten sollst“.

„Es ist eben so“, er zuckte mit den Schultern, sein Gesicht verdammt grimmig.

Ich verdrehte die Augen. „Sven, ist mir so egal, wie du dich entschieden hast. Wenn du das nicht wieder gut machst, gehe ich zu Apryl und sage ihr, was du denkst. Und das meine ich verdammt ernst“.

„Das wagst du nicht“, er sah mich aus verengten Augen an.

„Und wie ich es wage, Bruderherz. Ich will nur das Beste für dich und manche Menschen muss man zu ihrem Glück zwingen“.

„Okay. Ich rede mit ihr“, gab er genervt nach.

„Und wehe nicht. Ich lass mich nicht verarschen“.

"Aufeinander stehen tut ihr sowieso schon viel zu lange".

Der Oberarzt kam mit einer Herde junger Assistenzärzte ins Zimmer gesprudelt. Eindeutig zu viele Mediziner in einem Raum, weshalb ich schnell das Weite suchte.

Zumal wusste ich, dass es Sven sehr unangenehm war, mich im Raum zu haben, wenn es um seine Blase ging. Immerhin hatte er nur noch eine Niere, die Urin produzieren konnte.

 

Ich holte mein Handy aus der Tasche, um Cole anzurufen. Gestern war ich dermaßen kaputt gewesen, dass ich keinen Nerv dazu hatte.

„Hey Ari“, Coles Stimme wurde beinahe vom Lärm im Hintergrund übertönt.

„Hey. Sorry, dass ich gestern nicht zurück gerufen habe“.

„Kein Ding. Wie geht’s dir?, fragte er nach.

„Soweit ganz gut und dir? Wo treibt ihr euch rum?“

„Wir haben gleich eine Pressekonferenz und Pete ist stinksauer, dass Cedric nicht da ist“, erzählte er.

„Oh.. lässt er es an euch aus?“, ich biss mir auf die Unterlippe. Immerhin wusste ich, was der Grund dafür war, dass Cedric einfach fehlte.. Ich.

„Ja, aber halb so schlimm. Es ist, als würde unser Vater mit uns schimpfen“.

Während ich mit Cole sprach, holte ich mir einen Kaffee vom Automaten.

„Naja, ich wollte mich nur kurz melden..“

„Ari? Was läuft da zwischen dir und Cedric?“, hakte er nach.

Ich überlegte scharf, was ich ihm antworten sollte. War es in Ordnung für Cedric, wenn ich es Cole erzählte? Sie waren schließlich Freunde.

„Was soll da laufen?“, eine bessere Frage fiel mir nicht ein.

„Ihr habt doch was am laufen“, stellte er fest.

„Und wenn ich nein sagen würde .. du würdest mir eh nicht glauben, also belass ich es“.

„Du hast Recht. Eigentlich wollte ich nur wissen, ob es offiziell zwischen euch ist. Aufeinander stehen tut ihr sowieso schon viel zu lange“.

Ich stockte in meiner Bewegung. „Was meinst du?“

„Das ihr euch immer Blicke zugeschoben habt, ohne das der andere es verstanden hat“.

Ich brauchte einige Sekunden, bis ich verstand, was Cole mir gesagt hatte. Eigentlich dachte ich, ich wäre gut im geheimen Schwärmen und keiner bekam das mit. Ich hatte mich getäuscht.

„Stimmt doch gar nicht“, wehrte ich ab.

Er lachte am anderen Ende der Leitung. „Oh doch. Aber das müssen wir nicht ausdiskutieren. Ich muss auflegen, die Pressekonferenz fängt an“.

„Okay.. Machs gut“, verabschiedete ich mich.

„Du auch, Prinzessin“.

 

 

Als ich zurück im Zimmer war, stand nur noch ein einziger Arzt im Zimmer.

„Ihr Bruder wird in drei Tagen entlassen. Er hat sich mit einem Mal sehr schnell erholt. Besser als erwartet“. Mein Gesicht erhellte sich bei diesen Worten.

„Endlich gute Neuigkeiten“, freute ich mich und grinste meinen Bruder an.

 

Andererseits musste ich wegen Cedric eine Lösung finden. Ich konnte ihn schlecht rauswerfen aber Sven würde ihn niemals in seiner Wohnung akzeptieren.

 

 

Spät abends, während ich am Bett von Sven saß und wir Karten spielten, weil wir uns nicht besser zu beschäftigen wussten, klingelte mein Handy.

Erst überlegte ich, ob ich rausgehen sollte, um mit Cedric zu telefonieren, entschied mich aber dagegen. Ich hatte nichts zu verbergen.

„Hey“.

„Hey, ich bin in 10 Minuten vor dem Krankenhaus. Ich sitze im Taxi, oder willst du noch länger bei deinem Bruder bleiben?“, ohne das es mir bewusst wurde, schlich sich ein lächeln in mein Gesicht, sobald ich seine Stimme hörte.

„Nein, 10 Minuten sind gut. Bis gleich“.

 

Sven sah mich skeptisch an.

„Wer war das?“, hakte er nach.

Ich nahm meinen gesamten Mut zusammen und sah ihn entschlossen an.

„Mein Freund“.

„Dein wer?“, seine Gesichtszüge verrieten seine Verwirrtheit.

„Mein Freund“, wiederholte ich.

„Dieser Michael? Du sagtest, er sei nur ein Freund, nicht dein Freund“.

Ich schüttelte den Kopf.

„Das stimmt auch, Michael ist nur ein Kumpel“.

„Wie heisst dein Freund?“, fragte er beherrscht und betonte die letzten beiden Wörter besonders verachtend.

Oh, oh. Das war wirklich kein Thema, über das ich gerne mit Sven sprach. Als ich damals mit 14 meinen ersten Freund hatte und Sven das mitbekam, hatte er den Jungen bedroht, dass, sobald er sich von mir trennt, Sven ihm seine Eier trennt. Daraufhin hatte Alex, mein damaliger Exfreund, mich angebettelt, dass ich Schluss mache, da er wirklich besorgt um seine Männlichkeit war.

„Cedric“, antwortete ich.

„Cedric?“, wiederholte er stockend.

Ich nickte ruhig.

„Sag mir nicht, dass es dieser Cedric Wesley ist“.

„Gut, dann werde ich es nicht sagen“.

Svens Hand ballte sich zu einer Faust.

„Cedric Wesley? Gibt es nicht genug andere Männer? Ich hätte dich für vernünftiger gehalten! Der Kerl hat jeden Tag einen anderen Groupie und heute hat er Lust auf dich“.

Ich ging nicht auf seine Bemerkung ein.

„Sven, du liegst hier im Krankenbett weil du einer Frau eine Niere gespendet hast und hast sie trotzdem abgewiesen, erzähl du mir nichts von Beziehungen“.

„Jede Nierenspende ist besser als hechelnd hinter einem Star herzulaufen und zu denken, es sei die große Liebe“.

Ich schnappte empört nach Luft.

„Was fällt dir ein? Sven du kennst mich anscheinend kein Stück. Danke das du mir so etwas unterstellst“.

Ich stand auf und packte meine Sachen zusammen.

Seine Worte hatten gesessen aber ich wollte nicht ausholen und ihm meine Meinung zu geigen, weil er in diesem verdammten Krankenbett lag und auch wenn der Arzt sagte, es ginge ihm besser, machte ich mir Sorgen.

„Wo willst du hin? Bleib gefälligst da“, ich war mir sicher, wäre Sven in der Lage aufzustehen, würde er mich in diesem Zimmer einsperren.

„Ich gehe dem Star hechelnd hinterherlaufen. Wir sehen uns Morgen, falls ich nicht an meiner Sabberspur ausrutsche und im Nebenzimmer liege“.

„Wir werden das jetzt klären“, seine Stimme duldete keine Widerworte.

„Es ist mir egal, was du davon hälst, Sven. Ich werde mir nichts einreden lassen.. Er ist mir wichtig und ich habe ihn nicht als Star kennengelernt, verstehst du? Er war mehr für mich da in einem einzigen Monat als du in den gesamten drei Jahren“.

Den letzten Satz hätte ich mir verkneifen sollen. Sven sah mir aus leeren Augen entgegen und ich hatte einen wunden Punkt getroffen.

Ich wusste, dass es ihm Leid tat und in den letzten Monaten war er mit Apryl beschäftigt, ich hatte Verständnis dafür.

Aber mit meinen damals17 Jahren war ich vollkommen alleine gewesen. Eltern tot und der Bruder Stunden von einem entfernt.

Sven sagte nichts mehr und ich hatte meine Stimme auch mit einem Mal verloren.

Stumm verlies ich das Zimmer.

 

Ich lief die Straße herauf und konnte Cedrics Silhouette ausmachen.

Ohne etwas zu sagen lies ich mich gegen seinen Oberkörper fallen. Sofort fiel die schwere Last auf meinem Rücken, nur weil er in meiner Nähe war.

Er umschloss mich mit seinen Armen.

„Nicht gut gelaufen?“.

Ich seufzte schwer und löste mich von ihm, um in sein Gesicht blicken zu können.

„Eigentlich schon.. aber wir haben uns gerade gestritten“.

„Wieso?“,seine Finger strichen sanft über meine Wange, so das ich kurz meine Augen schloss, um dieses wunderbare Gefühl auszukosten.

„Wollen wir in den Park? Es ist sowieso dunkel, es erkennt dich niemand“, fragte ich ihn stattdessen. „Sicher. Lass uns nur zum Taxifahrer, damit er nicht mehr warten muss“.

 

Hand in Hand liefen wir quer durch den Park. Vereinzelte Pärchen liefen an uns vorbei, waren mit sich selbst beschäftigt, so dass uns niemand wahrnahm. Schließlich entdeckten wir eine leere Bank neben einer großen Eiche.

 

„Wieso habt ihr euch gestritten?“, Cedric drehte sein Gesicht in meine Richtung und legte seinen Arm um meine Schulter.

„Sven redet wie immer nur Müll“, ich zuckte mit den Schultern.

Ich wollte ihm nicht erzählen, dass Sven mir vorwarf, nur ein Zeitvertreib für ihn zu sein.

„Was hat er gesagt?“

„Ist das wichtig?“, fragte ich nach. Wenn er mich nicht dazu zwang es auszusprechen, hatte ich auch nicht vor es zu tun.

„Ist es“.

„Als du angerufen hast.. da hat er mitbekommen, dass du der Anrufer warst und ist ausgerastet.. weil ich gesagt habe.. wir sind zusammen“.

Es klang komisch das auszusprechen. Wir sind zusammen.

„Ich rede Morgen mit ihm“, sagte Cedric und zog mich dichter zu sich.

„Du bist immer seelenruhig, egal wer was sagt, kann das sein?“, ich legte meinen Kopf an seiner Schulter und betrachtete den wolkenbedeckten Himmel.

„Showbusiness. Da lernt man sowas“, sagte er nüchtern.

„Cole weiß es übrigens auch..“

Ich spürte, wie sein Körper durch sein lachen vibrierte.

„Sollen es alle wissen“.

„Es ist also in Ordnung? Also ich hab nicht direkt ja gesagt aber es auch nicht abgestritten als er gefragt hat“.

„Sollen doch alle wissen, dass du jetzt zu mir gehörst. Besser für mich“. Ich lächelte verträumt bei seinen Worten. Ich gehörte zu ihm.

„Sven wird in drei Tagen entlassen.. Du brauchst wahrscheinlich eine neue Bleibe, falls du noch länger hier bleiben möchtest“, schlug ich ein anderes Thema ein.

„Darüber wollte ich sowieso mit dir sprechen.. Mein Management tickt aus.. wir müssen auf übernächste Woche eine Weihnachtsshow planen und ich muss dort hin“.

Ich seufzte und äußerte mich nicht dazu. Stattdessen rutschte ich noch ein Stück näher an ihn.

„Willst du nichts dazu sagen?“

Ich zuckte mit den Schultern.

„Du musst tun was du tun musst. Was soll ich dazu sagen?“

„Du könntest auch zur Weihnachtsshow kommen. Die geht bis um 23 Uhr und danach feiern wir Jungs zusammen. Eigentlich war geplant, dass jeder Weihnachten zu Hause feiert aber wegen der Show geht das jetzt nicht mehr und unsere Familien einfliegen zu lassen, ist auch keine Option“.

„Du willst, dass ich Weihnachten mit euch feier?“

„Ich will vor allem, dass das mit uns klappt und ich will, dass wir uns öfters sehen als alle zwei Monate. Nach Weihnachten hab ich einen vollen Kalender bis Silvester. Das wäre noch Mal eine Woche, in der wir uns nicht sehen.. Insgesamt also fast ein Monat“.

„Ich weiß nicht.. Sven ist im Krankenhaus und ich will euch nicht stören“.

„Wieso stören? Die Jungs mögen dich“. „Ich glaube nicht, dass Leon viel von mir hält“.

„Nimm es ihm nicht übel. Er ist gar kein so schlechter Kerl“.

„Das habe ich auch nicht behauptet. Ich sagte lediglich, dass er mich nicht leiden kann“.

„Er hat eigentlich kein Problem mit dir, nur erinnerst du ihn an jemanden, an den er nicht erinnert werden will“.

Ich löste mich von seiner Schulter und sah ihn stattdessen fragend an.

„Was meinst du?“

„Ich würde es dir gerne erzählen, aber er ist mein Freund und es ist seine private Sache. Vielleicht erzählt er es dir irgendwann mal“.

An wen erinnerte ich ihn bloß?

„Du kannst doch nicht einfach anfangen mir etwas zu erzählen und mich dann im Ungewissen lassen“, ich zog meine Augenbrauen verärgert zusammen.

„Tut mir Leid. Ich wollte dich nur etwas beruhigen. Er hat nichts gegen dich, da bin ich mir ziemlich sicher“.

„Woher weißt du das? Hat er gesagt, hey Cedric, ich hab nichts gegen Ari, ich schau sie aus Spaß nur so böse an“.

Cedric schmunzelte, als ich versuchte, Leons tiefe Stimme zu mimen.

„Nein, nicht direkt. Aber ich kenne ihn schon lange.. mittlerweile weiß ich wie er tickt“.

Ich gab mich geschlagen und lehnte mich zurück an seine Schulter.

„Ich will nicht, dass du wieder gehst“. Sein Hals war freigelegt, kein Schal den er normalerweise anhatte, um sein Gesicht halb zu verdecken, so dass ich nicht widerstehen konnte und ihm einen Kuss auf die Halsbeuge drückte.

„Überleg es dir.. Wir hätten Weihnachten und den Tag danach“.

„Während der Show wird auch die Presse sein..“, ich hatte jetzt schon Angst vor der Presse, obwohl noch nichts geschehen war.

„Du musst während der Show nicht da sein wenn es dir unangenehm ist. Danach haben wir auch Zeit“.

Ich schüttelte den Kopf.

„Ich wäre gerne dabei.. aber .. ich weiß nicht. Ich bin nicht bereit nachher in irgendwelchen Klatschmagazinen abgebildet zu werden, wenn uns jemand doch erwischt und ein Bild von uns schiesst“.

Cedric drückte mir einen Kuss auf den Mund.

„Wir finden schon eine Lösung“.

 

"You're beautiful"

„Pscht, es ist spät“, ermahnte ich Cedric, der wie ein Elefant trampelte, als wir die Treppen zu Svens Wohnung hochliefen..

„Ich bin schon still“, flüsterte er schelmisch.

Ich zog ihn an seiner Hand und öffnete die Tür in Svens Wohnung. Sobald die Tür ins Schloss fiel und ich den Lichtschalter betätigte, fand ich mich in seinen Armen wieder. Ein lächeln umspielte meinen Mund, als er seine Lippen auf meine drückte und ich seine kräftige Hand an meiner Hüfte spürte. Er zog mich enger an sich und ich saugte seinen vertrauten Geruch in mich ein.

Cedrics Lippen senkten sich auf meinen Halsansatz, während mein gesamter Körper anfing zu prickeln. In meinen Ohren hallte mein eigener Herzschlag. Würde das niemals aufhören? Nicht mal jetzt, wo wir zusammen waren?

„Am liebsten würde ich dich in meinen Koffer packen und überallhin mitnehmen“, hörte ich ihn murmeln, als er sich hoch zu meiner Wange küsste.

„Keine schlechte Idee“, gab ich ihm Recht und drängte mich noch enger an ihn.

„Das ist sogar eine sehr gute Idee“, sagte er und packte mich an meinem Gesicht, um den Kuss zu intensivieren. Ich seufzte genüsslich auf und vergrub meine Hand in seinen Haaren. Während wir uns küssten, dirigierte Cedric mich ins Gästezimmer und ehe ich mich versah, fiel ich aufs Bett, Cedric über mir liegend.

Diese Situation überforderte mich. Erinnerungen aus dem Hotelzimmer blitzten vor meinem geistigen Auge auf. Das letzte Mal war es kritisch ausgegangen..

Aber trotzdem hörte ich nicht auf, stattdessen zog ich ihn am Kragen zu mir runter, damit unsere Lippen wieder zueinander finden konnten.

 

Seine Arme stemmte er links und rechts neben mir ab und ich schob meine Beine über seine Hüfte. Er löste sich von meinen Lippen und fuhr mit seiner Nase meine Schläfe entlang.

„Du riechst so unglaublich gut“, sagte er nachdem er tief Luft holte und drückte mir anschließend einen Kuss auf die Stirn. Seine weichen Lippen zogen eine sanfte Spur über meinen Nasenrücken, ehe sie wieder auf meine sehnsüchtig wartenden Lippen trafen.

 

Ich rollte uns auf die andere Bettseite, so dass ich rittlings auf ihm saß und mehr Bewegungsfreiraum hatte. Cedric setzte sich aufrecht, so dass ich mich nicht mehr runter bücken musste.

 

All die Liebesfilme aus Hollywood zeigten, wie sehr ein Kuss einen Menschen tief im Herzen berühren und bewegen konnte. Immer dachte ich, dass so etwas nicht möglich sein konnte. Wie sollte der Mund einer anderen Person einen selbst so abhängig machen? Aber spätestens jetzt hatte ich meine Bestätigung. Ich wollte niemals mehr aufhören, Cedric zu küssen und ich wollte niemals, dass dieses Glücksgefühl aus meinem Körper verschwand.

 

Das Klingeln der Haustür unterbrach uns.

„Warum werden wir immer von Türklingeln unterbrochen?“, flüsterte ich frustrierend und löste mich von Cedric.

„Wer kann das sein?“, fragte er. Ich zuckte mit den Schultern.

„Vielleicht eines der Nachbarn“.

 

Und ich hatte Recht. Vor mir stand Frau Commings, in ihrer Hand eine mit Alufolie bedeckter Teller. Mhhhhm Essen!

„Oh hallo“, begrüßte ich sie.

„Wie geht’s dir Liebes? Hat Sven sich erholt?“, fragte sie lächelnd.

„Ja, danke und ihnen? Sie entlassen ihn bald“

„Oh schön zu hören! Ich hab vorhin Kuchen gebacken und dachte mir, ihr Kinder wollt etwas davon essen“. Sie reichte mir den Teller und ich fing bereichts an, unbewusst zu schmatzen.

„Sie sind ein Schatz! Dankeschön“.

„Das ist doch kein Problem. Ich gehe dann wieder. Meine Enkelin ist zu Besuch“.

„Okay. Schönen Abend noch“.

 

Mit einem riesigen Grinsen schlenderte ich ins Gästezimmer.

„Kucheeen“, rief ich laut und hockte mich neben den Sänger.

Als Cedric den Schokokuchen sah, nahm er mir den Teller ab.

„Ich finde, du hast heute schon zu viel gegessen. Vorhin beim Italiener.. Man o man, eine Pizza ist genug. Der Kuchen wäre übertrieben“, begründete er sein Verhalten.

„Soso“, ich zog meine Augenbrauen hoch. „Du bist der berühmte von uns zwei. Wie würde das aussehen, wenn du mit Speckröllchen zum nächsten Auftritt erscheinst. Das wärs dann mit deinen Fans, gibs lieber mir“, ich entzog ihm den Teller und sah gierig auf die Kuchenstücke herab.

„Sehr nett, dass du dich um meine Karriere sorgst, aber der Kuchen schadet meiner trainierten Figur nicht. Sie beeinflusst sie sogar positiv. Ich brauche meine Kallorien, damit ich mein Gewicht halte“, verkündete er altklug.

„Deine trainierte Figur,also? Wo ist sie denn?“, neckte ich ihn und schob mir mit der Gabel ein Stück Kuchen in den Mund.

„Wäre Svens Nachbarin nicht gekommen, hättest du sie garantiert gesehen“.

Hmm. Schade. Das stimmte.

„Ich verzichte. Der Kuchen ist mir lieber. Aber ich will mal nicht so eine schlechte Freundin sein, du darfst mitessen“, ich überreichte ihm die zweite Gabel.

„Wie überaus freundlich von dir“, meinte er ironisch. Meine Augen weiteten sich als ich das großen Kuchenstück sah, welches er in seinen Mund schob.

„Oha. Du hast die Hälfte mit einem Biss gegessen“, ich sah ihn böse an.

„Ich esse nun Mal nicht so kleine Mäusehapen wie du“, rechtfertigte er sich.

„Mäusehapen? Ich esse also wie eine Maus?“, hakte ich nach.

„Ja. Aber Mäuse sind süß“.

„Sehr charmant Herr Wesley“, ich wandte meinen Blick wieder dem Essen.

„Ich weiß“.

 

 

Mittlerweile wurde es mitten in der Nacht. Cedric war genauso erschöpft wie ich. Mein Kopf lag auf seiner Brust und ich spürte, wie er mit seiner Hand über meine Haare strich.

„Ich komme auf jeden Fall zur Weihnachtsfeier“, ich legte mein Kinn auf seine Brust und suchte Blickkontakt. Ein lächeln bildete sich auf Cedrics Lippen.

„Woher der plötzliche Entschluss?“, wollte er wissen.

„Keine Ahnung.. ich musste die ganze Zeit daran denken und wegen irgendwelchen Magazinen will ich mich nicht verstecken, ich werde sowieso nicht drum rum kommen, nicht wahr? Also kann ich gleich mein Revier markieren“.

Cedric schmunzelte und zog seine Augenbrauen belustigt nach oben.

„Dein Revier markieren?“

„Ganz genau“, bestätigte ich.

„Wie willst du das anstellen?“

„Mach dir darüber keine Gedanken. Mir fällt da schon was ein“, ich winkte mit der Hand ab.

„Du hast mich neugierig gemacht“.

„Na und? Vorhin im Park hast du mich auch neugierig gemacht und ich muss mich jetzt damit zufrieden geben“.

„Bei Leon geht’s aber um ihn und bei dir geht’s ja um mich. Das ist was anderes!“

„Ist mir egal“, ich zuckte mit den Schultern.

„Ich bin gespannt“.

„Cedric? Kann ich dich was fragen?“

„Sicher“.

„Singst du mir was vor? Ich hab deine Stimme nur ein Mal live gehört“.

„Mhhm. Was hättest du denn gerne?“, fragte er.

Ich zuckte mit den Schultern. „Ist mir egal. Such du dir was aus“.

„Also gut...Nur für dich Ari-Baby..“, er hüstelte ein wenig, bevor er anfing.

„Spy on me baby youre an satteliteif you read to see me move through the nightain't gonna fire shoot me right I'm gonna like the way you fight. Now you found to secret code I useto wash away my lonely bluesso I can't deny I like is you babeonly want to make me fly

Sex bomb sex bomb you're a sex bombyou can give it to me when I need to come alongsex bomb sex bomb you're my sex bomband baby you can turn me on”

 

Ich verdrehte meine Augen. War natürlich klar, dass er sowas singen würde. Trotzdem unterbrach ich ihn nicht.

“Sex Bombe also, ja?”, hakte ich nach.

Er nickte nur grinsend.

“Sehr tiefgründiger Titel”.

“Allerdings”, bestätigte er.

Ich setzte mich aufrecht und schlug ihn auf den Arm. “Du bist blöd. Ich hab dich um einen richtigen Song gebeten”, ich formte meine Lippen zu einer Schnute.

Cedric packte mich und drückte mich gegen die Matratze.

“Ein anderer Song gefällig?”, fragte er.

“Klar, Lady Marmelade vielleicht?”, half ich ihm aus.

“Ich hab da was anderes”.

“So?”, ich zog meine Augenbrauen hoch. “Dann leg mal los”.

“My life is brilliant. My love is pure. I saw an angel, of that I'm sure. She smiled me on the subway, she was with another man. But I won't lose no sleep on that, cause I've got a plan. You're beautiful, You're beautiful, You're beautiful, it's true. I saw your face in a crowded place, and I don't know what to do,'Cause I'll never be with you.”

 

Mein Herz hämmerte wild gegen meinen Brustkorb und mein ganzer Körper überzog sich mit Gänsehaut. Ich wusste, dass Cedric eine wahnsinnig schöne Stimme hatte, ich hatte sie immerhin oft gehört. Aber in diesem Moment, wo ich in dieser Umarmung unter ihm lag und seine Stimme dicht an meinem Ohr hörte, war unbeschreiblich. Ich konnte nicht verhindern, dass mir eine Träne über die Wange lief. Dieser Moment zwischen uns war unglaublich intim, obwohl wir vollständig angezogen waren, uns noch nicht ein Mal küssten.

 

 

“Yes, she caught my eye, as I walked on by. She could see from my face that I was,Flying high, and I don't think that I'll see her again, but we shared a moment that will last till the end. You're beautiful, You're beautiful, You're beautiful, it's true. I saw your face in a crowded place, and I don't know what to do,'Cause I'll never be with you. You're beautiful. You're beautiful.You're beautiful, it's true. There must be an angel with a smile on her face. When she thought up that I should be with you. But it's time to face the truth,I will never be with you”

Die ganze Zeit über waren meine Augen geschlossen, bis Cedric erstummte. Als ich meine Augen öffnete, begegnete ich seinem warmen Blick. Ich wollte etwas sagen, aber aus meinem Mund kam einfach nichts raus. Ich war völlig sprachlos.

 

“Richtiger Song genug?”, flüsterte er.

Ich brachte ein halbes Nicken zustande.

Niemals in meinem Leben könnte ich mich jemals in einen anderen Jungen verlieben, das war mir ab diesem Zeitpunkt klar.

Niemals könnte ich für jemand anderen das fühlen, was ich in diesem Moment für Cedric fühlte.

“Danke”, sagte ich heißer. Auf seinem Gesicht bildete sich ein leichtes lächeln

.„Wir sollten schlafen meine Süße“, sanft drückte er mir einen Kuss auf die Stirn.

 

(*der erste Song : Tom Jones - sex bomb, zweiter Song: James Blunt - you're beautiful)

 

„Du.. du bist doch das Mädchen hier.. oder?“

Hast du alles?“, fragte ich Cedric und sah ihm dabei zu, wie er sich seine schwarze Lederjacke über sein blaues Hemd zog.

„Ich denke schon. Den Rest lasse ich aus dem Hotel zum Flughafen bringen“. Sein Blick huschte über mein Gesicht und blieb an meinen Augen hängen.

Ich hasste diese ständige Verabschiedung. Jedes Mal fiel mir der Abschied schwerer. Am liebsten wollte ich ihn in Svens Besenkammer einsperren, damit er ja nicht gehen konnte.

„Mach nicht so ein Gesicht, wir sehen uns in zwei Wochen wieder“, versuchte er mich aufzuheitern.

„Genau. 14 Tage. Wir sehen uns in 14 Tagen für zwei Tage..“, ich seufzte und lies den Satz unbeendet.

In Cedrics Gesicht schlich sich ein wehmütiger Ausdruck als er sich mir näherte und seine Finger hauchzart über meine Wangen strichen.

„Ich kann es leider nicht ändern“. Ich nickte und lies mich zu einem Kuss gegen ihn fallen.

„Dafür werden diese zwei Tage umso schöner. Versprochen“.

„Vergiss nicht, mir die richtige Adresse zu geben“, erinnerte ich ihn.

„Ich kümmere mich darum. Du brauchst dir auch kein Kleid kaufen, es gibt viele Designer die sich darum streiten, dass ihre Kleider getragen werden. Sie schenken es dir. Und du kannst Ella auch mitbringen. Dann kennst du jemanden außer den Jungs und mir“.

Ella. Erst hatte ich ein ernstes Wort mit ihr zu reden. Danach sahen wir weiter.

„Ruf sie an und sprecht euch aus“.

„Sicher. Wenn du das sagst“, ich verdrehte meine Augen.

„Die Jungs und ich haben auch viel Scheiße zusammen durchgemacht und trotzdem sind wir Freunde“. „Schon gut. Ich ruf sie an.. ich will jetzt nicht daran denken. Du gehst gleich“.

Er drückte mir einen langen Kuss auf die Stirn.Ich genoss es. Ich genoss jede einzelne Sekunde mit Cedric. Sie waren jedes Mal viel zu kurz und wie ein Traum, aus dem ich jedes Mal zu erwachen schien, sobald er wieder abflog.

„Ich muss los. Sonst komme ich zu spät“.

Ein Blick auf seine Armbanduhr verriet, dass es 11 Uhr in der früh war. Cedrics Flug ging in zwei einhalb Stunden.

„Du kommst definitiv zu spät, wenn du noch trödelst“.

„Das ist deine Schuld, nicht meine“, er zuckte mit den Schultern.

„Nein, Freundchen. DU hälst MICH in DEINEN Armen fest. Nicht andersrum“, antwortete ich altklug.

Prompt lies er mich los.

„Wenn dich das so sehr stört, lass ich es halt“.

„Ach man. Ich will nur nicht, dass du gehst. Bleib einfach hier. Scheiss auf deinen Manager. Der wird mir unsympathisch“.

Ich schmollte pausenlos.

„Siehs positiv. Im Februar habe ich zwei Wochen frei. Wir gehen in den Urlaub. Dann wirst du genervt von mir sein“

.„Februar? Das sind zwei Monate! Und zweitens bin ich lieber genervt von dir als das ich dich nicht zu Gesicht bekomme“.

„Also, wenn du mich unbedingt sehen willst, im Fernsehen wirst du bestimmt fündig“, erwiderte er grinsend.

„Vielen Dank! Und gratis dazu die neuesten Gerüchte. Gute Sache! Jetzt trödel nicht, am Ende bist du deinen Job los“, ein letztes Mal spürte ich seine Lippen auf meinen.

 

Wegen unserem gestrigen Streit hatte ich ein mulmiges Gefühl, als ich auf dem Weg ins Krankenhaus war. Übermorgen sollte Sven entlassen werden und nun, wo ich an Weihnachten hätte in Chicago sein können, würden wir wieder nicht gemeinsam feiern. Diesmal war es meine Schuld.

 

Mein Handy riss mich aus meinen Gedanken. Auf meinem Display erschien ein gemeinsames Bild von mir und Ella. Ich konnte mich nicht ewig drücken, weshalb ich den grünen Hörer betätigte.

 

„Ari! Bitte sei nicht sauer auf mich! Man, ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen und wenn du mir jetzt nicht zuhörst und auflegst, fahr ich nach Chicago, ich meins ernst!“, hörte ich sie am anderen Ende der Leitung runterrattern.„Ich höre“.„Schau. Sven hat mich an einem Morgen angerufen und mir erzählt, dass er eine OP haben wird. Anfangs wollte er mir nicht sagen weswegen. Dann habe ich ihn erpresst und gemeint, ich erzähle es dir. Du kennst mich, ich bin halt neugierig! Daraufhin meinte er, er lässt sich eine Niere entfernen, aber ich solle dir nichts sagen, damit du dir keine Sorgen machst. Ich verstehe ihn auf eine Weise.. außerdem stufte er es als leichte OP ab.. und er sagte, du würdest später sowieso nichts merken.. Nur um auf Nummer sicher zu gehen, rief er halt an..Für den Fall, dass doch etwas schief laufen sollte. Es tut mir Leid, ich weiss du bist enttäuscht von mir. Ich wäre es auch an deiner Stelle aber bitte sei mir nicht mehr sauer! Ich tu alles was du willst“, Ellas Stimme wurde mit jedem Wort hysterischer.

 

Ich seufzte ergeben.

„Ari? Bist du noch dran?“, fragte Ella unsicher nach.

„Bin ich“.„Bist du noch sauer?“

„Ja“„

Verzeihst du mir?“, ich konnte mir nur zu gut vorstellen, wie sie ihre Lippen schürzte.

„Jaaa“.

Sie atmete erleichtert aus.

„Oh man, mir fällt gerade eine riesige Last von den Schultern. Ich hasse es, wenn du nicht mit mir redest! Ich weiß nicht, mit wem ich sonst mein Leben teilen soll“.

„Ich bräuchte jetzt auch dringend jemanden zum Reden“, ich lehnte meinen Kopf gegen die Fensterscheibe und dachte an die vergangenen drei Tage.

„Ist alles in Ordnung bei dir? Was ist mit Cedric? Michael hat mir erzählt, dass du mit geschwollenen Augen im Bett lagst“. Michael diese Petze..

 

Ich stand vor dem Krankenhaus, setzte mich auf eine leere Bank und erzählte Ella alles, was in Chicago passiert war.

„Ihr seit zusammen?“, schrie sie ins Telefon.

„Aua“, ich fasste mir mit schmerzverzerrtem Gesicht ans Ohr.

„Sind wir“, ich konnte mir ein grinsen nicht verkneifen.„Ari!!!! Oh mein Gott, Ari!? Du weisst, was das heisst. Du hast dir eines der heissesten Kerle auf der Welt geangelt! Ich bin so stolz auf dich, das ist echt 'ne wahre Leistung!!“

„Ella! Das ist doch keine Challenge“, ich musste bei der Wortwahl meiner besten Freundin die Augen verdrehen.

„Hattet ihr Sex?“

Meine Augen weiteten sich bei ihren Worten. Ich hasste ihre Direktheit.

„Was? Nein.. Nein, wie kommst du drauf“, Gott sei Dank saß sie nicht neben mir und sah meine glühenden Wangen nicht.

„Ich hätte mir das nicht entgehen lassen! Und all die anderen Mädchen auch nicht. Egal, also erzähl. Was habt ihr so zusammen gemacht? Ich will alles wissen.“

„Gestern Nacht.. Ich hab mich so komisch gefühlt. Er hat gesungen und.. es war dunkel und ich hasse Romantik eigentlich! Du kennst mich. Aber ..keine Ahnung. Ich erkenn mich selbst nicht wieder“.

„Oooh! Was hat er denn gesungen?“

„You're beautiful von James Blunt“, erzählte ich.

Ella pfeifte. „So hätte ich den Herren aber nicht eingeschätzt. Hat er alles gesungen oder nur den Chorus?“

„Wieso willst du das wissen? Ist das wichtig?“, fragte ich irritiert.

„Es ist wichtig“.

„Er hat den ganzen Song gesungen“.

„Aha“, meinte sie einsilbig.

„Em.. wo liegt das Problem?“

„Nichts, bist du im Krankenhaus?“, wollte sie das Thema wechseln.

„Ella. Wer A sagt muss auch B sagen“, forderte ich und war gespannt darauf, was sie zu sagen hatte.

„Keine Ahnung. Eigentlich ist es doch egal.. Nicht wichtiges“, druckste sie herum.

„Man Ella!“

„Ja ok! Wieso singt Cedric so was trauriges? Hm? James Blunt kriegt das Mädchen doch gar nicht! Wieso singt er nicht 'one moment in time' oder so? Es gibt dutzende Liebessongs und er kommt mit dem bittersten“.

Ich zog überrascht meine Augenbrauen in die Höhe. An sowas hatte ich gar nicht gedacht.

„Was willst du damit sagen?“

„Nichts.. es ist mir nur so aufgefallen.. Er ist doch schließlich Sänger.. er muss doch wissen was er da singt“.„Man Ella, hör auf mir ein Floh ins Ohr zu setzen“

„Hey! Du wolltest wissen, was ich denke! Ich wollte es nicht verraten.. aber wenn ich wieder was vor dir verheimliche streiten wir uns. Also bleibe ich offen und ehrlich“.

Plötzlich war ich mir unsicher. Ich war mir immer unsicher, wenn es um Cedric ging.. Aber ich wollte mir nichts anmerken lassen.

„Was machst du an Weihnachten?“, wechselte ich stattdessen abrupt das Thema.„Wie immer. Wieso fragst du?“

„Lust mit mir wegzufliegen? Die Jungs drehen eine live Weihnachtsfeier.. ich will da gerne hingehen. Begleitest du mich?“

„Natürlich! Ich lasse mir doch sowas nicht entgehen“, Ella klatschte in ihre Hände und ihr nachträgliches Geschwärme verriet, dass sie sich mehr auf den Abend freute, als ich.

 

Als Ella auflegen musste, konnte ich mich nicht mehr vor Sven drücken. Ich wollte nicht mit ihm streiten, aber darauf lief es immer hinaus. Er war viel zu impulsiv und lies nicht mit sich reden.

 

Bevor ich jedoch mit dem Aufzug in Svens Stockwerk fahren konnte, wurde nach meinem Namen gerufen. Ivy, Apryls Schwester lächelte und winkte mir zu.

„Sven ist nicht in seinem Zimmer. Er ist bei meiner Schwester, schon seit Stunden“, erzählte sie. „Versöhnen die beiden sich, oder streiten sie?“, hakte ich nach.

„Komm, ich zeig es dir“, Ivy war unglaublich hübsch, besonders mit ihren rotorangenen Locken, sodass ich nicht drum rum kam, sie anzustarren. Ihre Ohren waren abgeklebt mit Pflastern. Ich ging davon aus, dass sich darunter viele Piercings befanden und die Pflaster der Hygiene dienen sollten. Ich grinste in mich hinein. Dieses Mädchen wäre perfekt für einen speziellen Kandidaten!

 

Leise öffnete Ivy die Tür zu dem Zimmer ihrer Schwester.

Der Anblick, der sich mir bot, verschlug mir die Sprache.

Noch nie in meinem Leben hatte ich meinen Bruder so erlebt. Er saß auf einem Rollstuhl, welcher dicht neben dem Krankenbett stand und fuhr immer wieder sanft mit seiner Hand über Apryls Wange, während die zwei sich leise unterhielten.Ich konnte nicht aufhören zu grinsen. Meinen Bruder so verliebt zu sehen, war das achte Weltwunder.

Aber mein Grinsen blieb nicht lange.

 

Denn sobald wir die Tür hinter uns schlossen um die Zweisamkeit der beiden nicht zu stören, kam ein junges Mädchen auf mich zu, ein paar Jahre jünger als ich, in ihrer Hand ein Magazin.

„Du.. du bist doch das Mädchen hier.. oder?“, fragte sie schüchtern und hielt mir das Cover des Magazins hin.

Starr blickte ich auf das Foto von Cedric und mir.

Gestern Morgen beim Bäcker!

Jemand hatte ihn erkannt, als er für kurze Zeit ohne jegliche Mütze oder Sonnenbrille rumgelaufen war.

- Cedric Wesleys neue Freundin? -

Scheiße! Ich hätte nicht gedacht, dass das so schnell gehen würde. Ich war nicht darauf vorbereitet!

 

 

„Ja..Ja, das Mädchen bin ich“

Ich schluckte schwer und wusste wirklich nicht, was ich sagen sollte. Bestätigen oder abstreiten?

Übernächste Woche wäre die Weihnachtsfeier.. Spätestens dort wären Cedric und ich offiziell ein Paar. Sollte ich diese Tage noch warten? Oder gleich mit offenen Karten spielen?

Das Mädchen sah mich aus großen Augen an und wartete geduldig auf eine Antwort.

„Ja..Ja, das Mädchen bin ich“, erwiderte ich schließlich.

Sprachlos sah sie mich an.

„Kann ich ein Autogramm haben?“, fragte sie eine Spur zu schnell.

Perplex sah ich sie an und brauchte erst einige Sekunden, ehe ich antwortete.

„Ein Autogramm? Wieso?“

„Du bist doch Cedrics Freundin..“, sie sah beschämt auf den Boden.

„Oh.. em.. Ich weiß nicht. Das ist nicht so mein Ding“, ich kratzte mich überfordert am Hinterkopf.

Die Schultern des Mädchen sackten ein.

„Na gut. Ich geh dann wieder“, abrupt drehte sie sich um und verließ fluchtartig den Gang.

Ich wollte nicht gemein sein, das war nicht meine Absicht! Aber.. ich war doch niemand, den man nach Autogrammen fragte? Ich war weder Schauspielerin, noch Model, noch Sängerin. Rein gar nichts! Nur weil ich mit Cedric zusammen war? Das war doch kein Grund.. Trotzdem tat mir das Mädchen Leid!

 

Ich seufzte und bemerkte den verwirrten Blick von Ivy.

„Was war denn das?“, sie zog eine Augenbraue hoch und sah mich interessiert an.

„Frag nicht“.

„Ich muss weiter, sonst gibt’s Ärger! Aber ich brenne darauf, mehr zu erfahren“, sie lächelte mich aufmunternd an und verschwand in eines der Krankenzimmer.

 

Und was machte ich jetzt? Sven war mit seiner Angebeteten beschäftigt, Ella auf der Arbeit und Cedric wollte ich nicht anrufen.. Ich wollte nicht, dass er von mir dachte, dass ich überreagierte.

Stattdessen überlegte ich, ob es hier einen Kiosk gab, damit ich den Artikel nachlesen konnte. Aber.. war es überhaupt gut, zu lesen, was die Medien schrieben? Bereits am ersten Tag?

Es war einfach unglaublich, dass Cedric in der gleichen Stunde, in der er Mal nicht maskiert rumschlich, sofort geblitzt wurde! Nach langem hin und her, entschied ich mich, nicht einen einzigen Blick in irgendwelche Klatschmagazine zu werfen. Zu sehr hatte ich Angst, dass das unsere Beziehung schädigen könnte. Vielleicht reagierte ich wirklich über? Ich wusste einfach nicht, wie ich damit umgehen sollte.

 

 

Ich stieg in den Aufzug um in Svens Stockwerk zu gelangen. Lieber wartete ich in seinem Zimmer, als vielleicht noch ein weiteres Mal draußen erkannt zu werden. Verdammt war ich ein Weichei. Diese Seite kannte ich noch gar nicht an mir.

Es dauerte einige Zeit, bis Sven zurück in sein Zimmer kam. Derweil sendete ich Ella eine SMS und schrieb ihr ausführlich, was mir passiert war.

 

 

„Ari?“, Sven saß im Rollstuhl und durchbohrte mich aus seinen braunen Augen. Neben ihm ein Krankenpfleger.

„Gehts dir besser?“, fragte ich ihn und obwohl ich sauer auf ihn sein wollte, war mir das nicht möglich. Er war mein Bruder. Und er hatte eine Operation hinter sich. Ich sollte nicht sauer sein.

„Mit dir hätte ich nicht gerechnet“, gestand er und mit etwas Mühe schafften er und der Krankenpfleger es, ihn aufs Bett zu setzen.

Ich seufzte und zuckte mit den Schultern.

„Was soll ich machen? Bist halt mein einziger Bruder“.

Über seine Lippen huschte ein kurzes lächeln, ehe er wieder ernst wurde.

„Vielleicht habe ich gestern etwas überreagiert. Aber meine Meinung hat sich nicht geändert“.

Ich verdrehte meine Augen.

„Willst du streiten?“, fragte ich ihn.

"Nein. Nein, dass sind nicht meine Absichten. Trotzdem halte ich ihn nicht für einen guten Umgang“.

„Soso. Und wer ist ein guter Umgang für mich Sven?“, hakte ich angriffslustig nach.

„Jedenfalls kein Cedric Wesley“, meinte er ernst.

Heute Morgen hatte ich lange gebraucht, um Cedric umzustimmen, noch nicht mit Sven zu sprechen. Und jetzt war ich wirklich froh über mein Bauchgefühl am Morgen. Sven war eindeutig noch nicht so weit.

 

„Ich werde nicht mit dir streiten aber auch nicht diskutieren. Also reden wir über etwas anderes oder ich gehe“, stellte ich ein Ultimatum.

„Seit ihr ernsthaft zusammen?“, wollte er seufzend wissen.

„Ja“.

Er schüttelte den Kopf. „Auch aus seiner Sicht?“

Ich verdrehte die Augen.

„Seh ich aus wie ein fanatischer Fan, der sich einredet, mit ihm zusammen zu sein, ohne ihn zu kennen?“

„Ja“, sagte er.

„Sven!“, meine Augen verengten sich bei seinen Worten.

„Ich mach mir doch nur Sorgen“, erklärte er und fuhr sich über sein braunes Haar.

„Musst du nicht. Absolut nicht“.

 

Schließlich schafften wir beide, uns normal zu unterhalten. Sven erzählte, er hätte sich mit Apryl vertragen. Natürlich wusste ich das bereits, aber ich sagte ihm nichts davon. Meinem Bruder waren Liebesangelegenheiten überaus unangenehm und ich wollte ihn nicht in solch eine Lage bringen. In diesem Punkt sahen wir uns beide sehr ähnlich.

 

„Wo machst du dein Praktikum?“, informierte sich Sven spät am Abend.Überrascht sah ich ihn an.

„Woher weißt du, dass ich eins brauche?“

Er zuckte mit den Schultern und sein Blick fiel auf die weiße Decke, die auf ihm lag.

„Du hattest Recht. In Roseville.. am Morgen.. als du mir vorgeworfen hast, dass ich über meine Geschäftspartner besser Bescheid weiß, als über dich.. Als ich in Chicago war hatte ich ein schlechtes Gewissen und hab einfach angefangen über dein Studienfach zu recherchieren“.

Mir fehlten die Worte. Das war .. süß. Und vollkommen unerwartet von meinem Bruder.

„Ich.. hab noch keins“, gestand ich.

In letzter Zeit war ich mit allem möglichen beschäftigt, aber nicht mit meinem Studium. Das musste sich auf jeden Fall ändern..

„Wie wärs, wenn du dein Praktikum bei mir in der Firma machst? Ein Monat durchgängig jeden Tag? Ein guter Freund von mir arbeitet in der Managementabteilung. Das wäre kein Problem“, erzählte er.

„Du.. hast dich schon erkundigt?“, fragte ich erstaunt.

Er nickte knapp. War das gerade vor mir wirklich mein Bruder?

„Ja.. Ja, das wäre toll.. aber in welchem Monat denn?“, mir fiel es schwer, einen normalen Satz zustande zu bringen. Ich war vollkommen platt.

„Januar am Besten“.

„Im Januar fangen wieder die wichtigen Vorlesungen in der Uni an und ich hab zwei Prüfungen“, ich sah ihn unglücklich an. War wohl doch nichts!

„Du darfst das nachholen. Deine Dozenten wissen, wie wichtig das Praktikum ist, sonst kommst du nicht ins nächste Semester“.

„Woher weißt du das?“, ich musterte ihn prüfend.

„Ich hab mich informiert. So gut es ging eben“, Svens Lippen formten sich zu einem halben lächeln.

Mein Gesicht erhellte sich bei seinen Worten und ich kam nicht dazu, mein Grinsen zu verstecken. Diese Seite hatte ich an Sven so sehr vermisst! Meine Arme schlangen sich um seinen Nacken und ich spürte wie er mir einen Kuss aufs Haar gab. Zwischen uns war alles wieder gut.

„Danke“, meinte ich leise und die Last auf meiner Schulter schien allmählich zu fallen. Zum einen, weil ich endlich einen Praktikumsplatz hatte und nicht mehr mit der Sorge leben musste, dass Semester zu wiederholen und andererseits, weil Sven auf dem Weg der Besserung war. Sowohl psychisch als auch physisch.

 

 

Es war kurz vor 22 Uhr, als mich ins Bett legte.

Es war komisch, hier alleine zu liegen, ohne Cedric, der mich an seine Brust drückte.

Das Kissen roch nach ihm, weshalb ich mein Gesicht drauf presste und seinen Geruch inhalierte. Konnte das sein, dass ich ihn jetzt schon vermisste? Obwohl er vor keinen 12 Stunden noch bei mir war?

War sowas normal? Sonst vermisste ich nie jemanden so schnell. Ich erkannte mich einfach nicht wieder.

 

Mich hatte an diesem Tag sonst keiner mehr angesprochen. Vielleicht lag es auch daran, dass ich mich versteckte. Ich war einfach nicht bereit. Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Ich wusste nicht, was man mich fragen würde. Trotzdem war das Thema „Cedric Wesleys neue Freundin“ nicht an mir vorbeigegangen. Im Taxi, auf dem Weg zurück zu Svens Appartment, hörte ich doch tatsächlich, wie eine Radiomoderatorin zusammen mit ihrem Kollegen spekulierte, wer ich doch sei. Model? Sängerin? Tochter einer einflussreichen Familie? Keiner kam auf die Idee, dass ich keinen besonderen Job haben könnte. Zwar versuchte ich nicht hinzuhören, aber das war unmöglich!

 

Mein Handy klingelte und sofort schlug mein Herz mit einem Mal schneller, als ich den Namen des Anrufers sah.

„Hey“, Cedric hörte sich müde an.

„Hey. Bist du gut angekommen?“

„Bin ich. Aber ich bereue es, so früh abgefahren zu sein“, meinte er, zwischen einem kräftigen Gähnen.

„Du Armer, bist du müde?“, fragte ich nach.

„Und wie! Ich hatte keine Minute Zeit um mich zu setzen, bis jetzt“.

„Hast du Ärger bekommen?“, erkundigte ich mich und während ich Cedrics Stimme hörte und seinen Duft an Svens Kissen einatmete, war es beinahe so, als wäre er in meiner Nähe.

„Ach, mach dir darüber keine Gedanken“.

„Also gab es viel Ärger?“, hakte ich nach.

Verdammt, jetzt hatte ich ein schlechtes Gewissen.

„Ist nicht so wichtig. Wie war es bei Sven?“

„Cedric. Lenk nicht ab“, meinte ich streng.

Er seufzte ergeben. „Hast du heute schon in die Zeitung gesehen?“, fragte er vorsichtig.

Ich drückte mich tiefer in die Matratze. „Oh ja“.

„Wirklich? Wieso hast du nicht angerufen?“, er war sichtlich überrascht. Cedric rechnete wohl damit, dass ich seine Frage verneinte.

„Keine Ahnung. Ist das wichtig?“

„Wurdest du belästigt?“, seine Stimme klang vollkommen ernst.

„Beruhig dich. Nein, wurde ich nicht. Aber.. ich weiß nicht was ich sagen soll, wenn man mich fragt, ob ich deine Freundin bin“.

„Du weißt also nicht, ob du meine Freundin bist? Da hatte ich eigentlich einen ganz anderen Eindruck“, schmunzelte er.

„Ha ha. Ich weiß es. Aber ich weiß nicht, ob die anderen es wissen dürfen“.

„Ari, mach dir darüber keine Gedanken. Wenn es für dich in Ordnung ist, öffentlich mit mir zusammen zu sein, dann kannst du das ruhig sagen. Es liegt an dir“.

 

Für diesen Satz gehörte er totgeknutscht. Wieso sagte er sowas süßes?

 

„Was ist mit der PR Beziehung zu Cheryl?“, fragte ich und kaute nervös an meiner Unterlippe.

„Du brauchst dich um nichts zu sorgen, okay? Ich regele das schon“.

„Ich will nur nicht, dass du so viel Stress kriegst“.

 

Sobald ich Cedrics lachen hörte, stellten sich meine Nackenhaare auf. Dabei hörte ich sein lachen nur durch das Telefon.

 

„Zerbrich dir nicht das hübsche Köpfchen, okay? Erzähl mir lieber, was du heute getan hast“.

Überraschung

Zwei weitere Tage schlief ich alleine in Svens Wohnung – ohne meinen großen Bruder.

Mit Cedric hatte ich seit unserem Telefonat nur zwei Mal kurz gesimst. Nachdem er aufgelegt hatte, hatte ich bereits ein mulmiges Gefühl. Er sprach plötzlich abweisender und ich konnte ihn nicht darauf ansprechen. Ob es an der Arbeit lag oder an mir.. keine Ahnung.

Ich wurde in diesen zwei Tagen 5 Mal angesprochen. „Bist du Cedrics Freundin?“

Die Wörter hallten die ganze Zeit in meinen Ohren. Ich hatte versucht, unerkannt zu bleiben. Woher die Leute mich trotzdem erkannten, war mir ein Rätsel. Ich wollte bloß meine Ruhe. Das war alles nicht meine Welt und mehr als nur unangenehm.

Gott sei Dank hatte Sven nichts davon mitbekommen. Mittlerweile versuchte er mir nicht einzureden, ein Zeitvertreib für Cedric zu sein, aber es war mir lieber, wenn er gar nichts von diesem Thema mitbekam. Es würde nur Streit geben, wenn er mich in irgendwelchen Magazinen sah. Solange er im Krankenhaus war, war es keine besonders schwere Sache, alles vor ihm geheim zu halten.

Aber.. jetzt, wo wir gemeinsam in seiner Wohnung saßen, sah das alles anders aus.Ich hoffte, dass sich alles beruhigen würde. Und Sven so lange wie möglich unwissend blieb.

„Wir feiern dieses Jahr zum ersten Mal wieder Weihnachten zusammen“. Wir saßen beim Abendessen, während Sven das Thema Weihnachten ansprach.

Wie erklärte ich ihm am Besten, andere Pläne zu haben?

„Naja. Nicht ganz..“, ich legte meine Gabel zur Seite und sah ihn an.

Svens Augenbrauen zogen sich hoch. „Wieso?“

„Ich wollte eigentlich nach .. Phoenix fahren“.

„Aha. Und wieso?“

Ich kratzte mich nervös am Nacken. „Em.. mit Cedric feiern.. halt“.

Sven verschränkte seine Arme vor der Brust. „Mit Cedric? Soso“.

„Ist.. ist das schlimm?“ Ich verhielt mich wie ein kleines Kind, dass Angst vor ihrer Strafe hatte.

„Du kennst meine Meinung“, sagte er nüchtern.

Ich atmete stöhnend auf. „Wieso verurteilst du, ohne ihn zu kennen?“

„Ich bin dein Bruder. Das ist meine Aufgabe“.

„Was würdest du machen, wenn ich so einen Aufstand wegen Apryl machen würde?“, ich verschränkte ebenfalls die Arme vor der Brust. Was Sven konnte, konnte ich schon lange.

„Apryl ist nicht Cedric“.

Ich fuhr mir verzweifelt über das Gesicht. Wir kamen immer zur selben Diskussion.

„Sven. Ich weiß nicht warum du es mir so schwer machen willst. Ich bin langsam echt erschöpft. Wieso verstehst du es nicht? Er ist mir wichtig“. Ich hasste es, so vor meinem Bruder reden zu müssen. Was tief in mir vorging, hatte ihn nicht zu interessieren. Die Situation war mir mehr als unangenehm.

„Feier wenn du dort feiern willst. Ich bin trotzdem gegen eine Beziehung mit diesem Sänger“.Er stand auf und nahm sich sein Teller, um in seinem Arbeitszimmer zu essen.

 

*~*~*~*~*~

 

Der Tag der Abreise war gekommen. Sven stand mit mir vor dem Flughafen.

„Mit wem feierst du Weihnachten?“, fragte ich ihn. Die Stimmung war auf seinem Nullpunkt, aber so wollte ich meinen Bruder nicht zurücklassen.

„Weiss nicht. Vielleicht gehe ich zur Firmenfeier mit Apryl“, er zuckte gleichgültig mit den Schultern. Apryl hatte uns vorgestern besucht und Sven ins Gewissen geredet. Seitdem redete er wieder normal mit mir. Ich liebte diese Frau einfach!

„Ich wünsch euch viel Spaß“, ich versuchte mich an einem lächeln. Ich hasste es, wenn Sven nicht mit mir sprach.

„Ich dir auch. Pass einfach auf dich auf, okay Ari?“, er zog mich in eine Umarmung.

„Tu ich immer. Außerdem treff ich mich mit Ella am Flughafen in Phoenix. Bin also nicht alleine“.

„Mir ist nicht wohl dabei, dich dort hin zu schicken“.

Ich schob mich sanft aus Svens Umarmung. „Ich weiß. Aber bitte, mach dir keine Sorgen“.

„Ich versuchs“, er gab mir einen Kuss aufs Haar. „Bis in 3 Tagen“.

 

~*~*~*~*~*~*~

 

4 Stunden schwebte ich über dem Himmel. Der Flug war für mich und Ellla, die aus Roseville rüberflog, kostenlos. Die Airline mit der wir flogen, war einer der vielen Sponsoren von Back-Ups Plattenfirma und weil es zur Zeit so gut lief bei den Jungs, waren sie so zuvorkommend und schenkten uns den Flug.

„Ari!!!“, ich saß in einem Caffee am Flughafen, als ich Ellas schrille Stimme vernahm. „Ich glaubs nicht. Wir gehen auf die Weihnachtsfeier. Ich freu mich so“, ohne Punkt und Komma redete sie auf mich ein und klatschte freudig in die Hände.

„Lass uns gehen, es ist schon spät“, es tat gut, meine beste Freundin wieder in meiner Nähe zu haben.

Wir saßen im Taxi. Das Hotel war eine gute halbe Stunde entfernt vom Flughafen.

„Cedric weiß nicht, dass wir heute kommen“, erzählte ich und gähnte herzhaft.

„Wieso nicht?“, hakte Ella nach.

„Wir haben in letzter Zeit nicht oft miteinander geredet.. naja, um ehrlich zu sein, haben wir kaum Kontakt und.. ich dachte, ich überrasche ihn“.

Ella grinste mich wissend an. „Überraschen also? Was hast du geplant?“

„Was soll ich geplant haben?“, ich zog meine Augenbrauen hoch.

„Du sagtest doch Überraschung“.

„Ja. Ich bin die Überraschung?“

Ella verdrehte ihre Augen. „Ich dachte an etwas anderes“.

„An was?“, ich sah sie gespannt an.

„An Sex“, half sie mir auf die Sprünge.

„Ella!“, ich sah sie aus verengten Augen an.

„Was?! Ihr hattet noch gar keinen Sex! Das sollte sich ändern. Das wäre eine Überraschung. Eine richtig gute Überraschung sogar“.

„Danke für deinen Ratschlag“, ich sah aus dem Fenster. Ich wollte mich nicht unter Druck setzen lassen.. Was Cedric wohl darüber dachte? Sex war keine Sache, mit der ich besonders viel Erfahrung hatte.

„Ich soll dir liebe Grüße von Michael ausrichten“, meinte Ella schließlich.

„Ach Gott. Ich hab ganz vergessen, mich noch bei ihm zu melden“.

„Keine Sorge, ich hab das geregelt und dich entschuldigt“.

„Ich ruf ihn Morgen an“, entschied ich.

„Ari.. ich muss dir was sagen“, Ella biss sich nervös auf die Unterlippe. Ihre Stimmung hatte sich mit einem Mal verändert.

„Schieß los“, sie hatte meine volle Aufmerksamkeit.

„Also.. weißt du. Eigentlich solltest du das gar nicht wissen.. aber irgendwie hab ich das Gefühl, dir das sagen zu müssen“.

„Ella, lass es dir nicht aus der Nase ziehen.“

„Michael.. naja.. er ist.. ein bisschen verliebt“, druckste sie herum.

„Und? Ist doch schön! Ich freu mich für ihn“, ich musste anfangen zu lächeln.

„In dich du Idiotin“, sie verdrehte genervt ihre Augen.

„Was?“, ich blinzelte perplex. Das konnte nicht sein.

„Er will es dir nicht sagen, weil er weiß, dass du auf Cedric stehst“.

„Woher weißt du das?“, hakte ich nach.

„Ich hab Xaver und ihn belauscht.. ich weiß, dass macht man nicht, aber als dein Name gefallen ist, konnte ich nicht weggehen!“

Ich fuhr mir übers Gesicht. Michael mit seinen kurzgeschorenen Haaren, der viel zu durchtrainierten Statur und den unzähligen Tattoos kam mir nicht gerade wie jemand vor, der sich verliebte.

Ella seufzte. „Sie stehen immer auf dich Ari. Und du siehst es nie“.

„Was meinst du?“, fragte ich auf dem Schlauch stehend.

„Egal mit welchem Jungen du etwas mehr Zeit verbringst, früher oder später verlieben sich alle in dich. Jeder einzelne“.

„Das ist sehr weit herausgeholt. Das stimmt doch gar nicht“.

„Natürlich stimmt das. Rick, Steve, Josh, Michael. Sogar Cedric Wesley hast du dazu gebracht, sich in dich zu verlieben“.

„Ja und? 5 Leute? Ich bin 19 und in meinem Leben standen fünf Jungs auf mich. Das ist doch nichts im Vergleich zu.. zu dir zum Beispiel. Und außerdem ist es gerade Mal meine erste Beziehung“. Ich wusste nicht, warum Ella unbedingt darüber reden wollte. Oder worauf sie hinaus wollte.

„Es liegt auch daran, dass du nie was mit Jungs machst. Die fünf sind bisher die einzigen, mit denen du überhaupt etwas gemacht hast. Und jeder einzelne hat sich in dich verliebt“.

Sollte ich mich geehrt fühlen? Oder schlecht? Wie reagierte man auf sowas?

Meine Schultern sackten ein. Ich hoffte, dass was Ella erzählte, stimmte nicht. Ich wollte nicht, dass Michael verliebt war, nicht in mich. Auch nicht ein kleines bisschen. Ich wollte nicht der Grund von dem Liebeskummer eines anderen Menschen sein.

„Soll ich mit ihm reden?“, fragte ich Ella daraufhin.

„Um Gottes Willen, nein! Er weiß doch gar nicht, dass ich es mitgehört habe“.

„Was soll ich sonst machen?“

„Nichts. Du bist doch eh erst Mal in Chicago wegen deinem Praktikum. Michael siehst du so schnell nicht wieder und ich verkupple ihn einfach mit jemand anderen“. So wie Ella das erzählte, klang das ziemlich einfach.

~*~*~*~*~*~*~

Ich konnte es kaum erwarten, Cedric zu sehen. Wir hatten fast Mitternacht, als ich mit Ella vor dem Hotel stand. Mal wieder hatte sich eine riesige Gruppe voll Mädchen vor dem Hotel versammelt. Ich wollte nicht von hier reinlaufen. Zu sehr hatte ich Angst, dass mich jemand von ihnen erkannte.

Ja.. Ich war eine Schisserin.

„Ari, reiss dich zusammen. Es ist viel zu dunkel, keiner wird dich mit Cedric in Verbindung bringen“, beruhigte Ella mich.

Sie hatte Recht. Uns zwei ignorierte man, was mir mehr als nur Recht war.

Wir standen drinnen und nachdem wir an der Rezeption unseren Schlüssel bekamen, checkten wir in unserem Doppelzimmer ein.

„Woher weiß ich jetzt, in welchem Zimmer Cedric ist?“, ich war dabei, meine Jacke auszuziehen. Wir waren im gleichen Hotel, aber trotzdem getrennt. Wie deprimierend.

„Ruf ihn doch an“, schlug Ella vor.

„Ich wollte in sein Zimmer und ihn dort überraschen“, meinen Plan konnte ich vergessen.

„Entweder du rufst ihn an oder wartest bis Morgen“.

„Ich ruf ihn an“, meinte ich und holte mein Handy aus meiner Tasche.

Akku leer. Toll.

Ich kramte in meinem Koffer nach einem Ladekabel, vergeblich. Und Ellas Ladekabel passte nicht an mein Handy.

„Und jetzt?“, ich sah überfordert auf mein Handy. Nichts verlief nach Plan!

„Frag doch an der Rezeption. Wir sind in einem 5 Sterne Hotel. Die haben bestimmt was“, schlug meine beste Freundin vor.

Zu verlieren hatte ich nichts, weshalb ich mich wieder auf den Weg nach unten machte.

 

Glücklicherweise kreuzte sich mein Weg mit dem eines braunhaarigen Gitarristen.

„Mason!“, jetzt fand ich vielleicht doch heraus, wo Cedrics Suite war!

„Ariana? Was machst du hier? Wolltest du nicht erst Morgen anreisen?“, er sah mich überrascht an.

„Planänderung. Wie gehts dir? Sag Mal, kannst du mir verraten, wo Cedric ist?“

„Ich kann mich nicht beschweren! Ich wollte gerade zu ihm, er hat sein Ersatzzimmerschlüssel vergessen. Er ist schlafen gegangen. Den ganzen Tag musste er Gesangsstunden nehmen. Ich bin froh, der Gitarrist zu sein“.

„Wieso Ersatzschlüssel?“

„Logan besorgt uns für jedes Hotelzimmer immer zwei Schlüssel. Im Stress verlegen wir sie immer, deswegen ist ein zweiter immer als Ersatz dabei“.

„Achso. Dann lass uns hoch“.

„Nein, nein. Geh du alleine. Dann kannst du ihm gleich den Schlüssel geben. Ich geh zu den anderen“, er lies den Schlüssel in meine Hand fallen.

Mason dirigierte mich ins 7. Stockwerk. Zimmer 755. Ich freute mich wie ein kleines Kind darauf, ihn wiederzusehen. Diese zwei Wochen ohne Cedric, kamen mir vor wie 2 Monate.

Leise schlich ich in seine Suite. Es war dunkel, als ich versuchte, das Schlafzimmer zu finden.

Automatisch schlich sich ein lächeln in mein Gesicht, als ich ihn auf dem großen Bett schlafen sah.

Die Decke war verrutscht, so dass man sein blaues Muskelshirt sah. Mein Herz setzte aus.

Der Kerl.. war mein Freund? Ich würde das niemals realisieren können.

Ich setzte mich auf die Bettkante, um ihn mir genauer anzuschauen. Sein Atem ging gleichmäßig, die Lider zuckten manchmal.

Meine Hand machte sich selbstständig und strich ihm vorsichtig übers dunkelblonde Haar. Der Drang, ihm einen Kuss aufzudrücken, war stärker als ich mich hätte beherrschen können. Ganz leicht gab ich ihm einen Kuss auf die Lippen. Wie ich das vermisst hatte.

Ich war wohl nicht vorsichtig genug, denn Cedrics Augen öffneten sich träge.

„Ari?“, seine Stimme war rauchig.

„Tut mir Leid, ich wollte dich nicht aufwecken“, flüsterte ich.

„Komm schlafen“, meinte er gähnend.

„Ich hab mein Schlafanzug in meiner Suite“.

„Hol dir einfach ein Shirt von mir“.

Ich stand auf und suchte im Dunkeln nach Cedrics Koffer. Schnell schnappte ich mir ein beliebiges Oberteil. Ziemlich knappes Outfit. Cedric war zwar ungefähr 15 cm größer als ich, dennoch reichte sein Shirt mir nur bis zur Mitte meiner Oberschenkel.

Ich kroch zu ihm unter die Decke, und lies mich an seine Brust ziehen. Seine Lippen drückte er zärtlich auf meine Schläfe. „Du bist früher da, als geplant“, sagte er leise.

„Überraschung“, ich grinste vor mich hin.

„Ist dir gelungen. Wie war der Flug?“, seiner Stimme konnte ich entnehmen, dass er seine ganze Kraft sammeln musste, um nicht einzuschlafen.

„Du hattest einen anstrengenden Tag. Schlaf, wir reden Morgen“.

"Sie ist also waise?"

Das Kitzeln an meinem Hals weckte mich auf. Ich öffnete mein linkes Auge, um zu schauen, ob ein Käfer über meine Haut wanderte. Aber es war Cedrics Zeigefinger.

„Frohe Weihnachten“, hörte ich ihn sagen. Er drückte mir einen sanften Kuss auf den Mund.

„Mhh. Frohe Weihnachten“, ich vergrub mein Gesicht an seiner Halsbeuge.

Seine Brust vibrierte durch sein kehliges lachen. „Ich hab dich vermisst“, er strich mit seiner Hand über meinen Rücken.

„Ich dich auch“, gab ich zu und drängte mich noch näher an ihn.

Dieser Moment war verdächtig perfekt. Wie Cedric einfach neben mir lag und ich seine Zärtlichkeiten genießen durfte.

„Du hast dich lange nicht gemeldet“, sprach ich das Thema an, was mich seit Tagen beschäftigte.

„Ich weiß“.

Er versuchte erst gar nicht, mir zu erzählen, dass er keine Zeit hatte. Also hatte er Zeit und wollte sich nicht melden?

Ich sagte nichts. In seinen Armen zu liegen und dann zu streiten, kam mir unsinnig vor. Vor allem, weil ich ihn viel zu lange nicht gesehen hatte. Trotzdem beschäftigte mich die Frage.

Schlussendlich richtete ich mich auf und begegnete seinem irritierten Blick.

„Gibt es ein Problem zwischen uns zwei? Du weißt, du hast mir versprochen, immer ehrlich zu sein“.

„Was? Nein..nein“, er sah mir dabei nicht in die Augen.

„Wieso hast du mich die letzten Tage so abgewürgt?“

Er zuckte mit den Schultern.

Gut. Wenn er es nicht sagen wollte, sollte er es nicht sagen. Ich stand auf und wollte das Zimmer verlassen, als ich seine Stimme hörte. „Warte“.

Cedric stand ebenfalls auf und kam auf mich zu. „Reden wir“, sagte er schließlich und zog mich zurück ins Bett.

„Du weißt.. das ich dich gern hab“, er nahm meine Hand in seine. Das klang, als ob er Schluss machen wollte. Ich presste meine Lippen aufeinander.

„Das klingt bescheuert. Ich hab dich nicht gerne. Man hat seinen Fernseher gerne. Ich bin verliebt in dich“, seine Worte brachten die Schmetterlinge in meinem Bauch, wie verrückt zu toben.

Seine Augen bohrten sich in meine. „Ich hab einfach Bedenken. Ob du mit allem klar kommen wirst. Ich will einfach nicht, dass es dir danach nicht gut geht“.

Ich seufzte frustriert. Es war immer das selbe. Sven machte sich Sorgen, Cedric machte sich Sorgen, Ella machte sich Sorgen. Und während sie sich 'Sorgen' machten, ging es mir schlechter, als wenn sie die Ereignisse so ließen, wie sie waren.

„Deswegen dachtest du, es ist das Beste, mir aus dem Weg zu gehen?“

„Ich brauchte nur etwas Zeit, um mir etwas einfallen zu lassen. Aber.. ich weiß nicht. Mir fällt nichts ein“.

„Hab ich dir nicht gesagt, dass ich damit klar komme? Hatten wir das Thema nicht oft genug?“

„Du weißt nicht, was du da sagst. Ich meine.. das mit den Bildern in den Magazinen ist erst der Anfang“.

Ich zuckte mit den Schultern. „Jetzt ist es sowieso zu spät. Aber rede bitte mit mir, okay? Es macht mich wahnsinnig, wenn ich mir in Gedanken zusammenreimen muss, was ich denn jetzt schon wieder verbrochen habe“.

Er fuhr mit seiner Hand über meine Wange. „Du hast gar nichts verbrochen“.

„Dann sag das doch gleich und hör auf mit deinen geheimen Spielchen“.

„Du hast Recht. Übrigens siehst du richtig heiß aus, nur in meinem Shirt“, er zwinkerte kess und ich spürte im darauffolgenden Moment, wie er meine Lippen mit seinen verschloss. Seine Zunge spielte ein zärtliches, ruhiges Spiel mit meiner. Mein Herz klopfte unnatürlich laut und schnell. Seine Fingerspitzen fuhren hauchzart über meine Schenkel, überall bildete sich Gänsehaut auf meinem Körper.

„Alles wieder in Ordnung zwischen uns?“, frage er und strich mir eine Strähne aus dem Gesicht. Mehr als ein Nicken brachte ich nicht zu stande. Der Kuss hatte mir – wie immer – alle Sinne geraubt.

Es klopfte an der Tür und unsere Zweisamkeit wurde gestört. Wer auch immer hinter der Türe stand, ich wollte demjenigen den Kopf abreißen.

Cedric stand auf und öffnete die Tür.

„Komm, wir wollen frühstücken“, Leon stand an er Türe. Man merkte an seinem schläfrigen Blick, dass er gerade erst aufgestanden sein musste. Als er mich sah, zog er seine Augenbrauen hoch.Kurz blieben seine Augen an meinen Beinen hängen ehe er wieder zu Cedric schaute.

Super. Ich saß hier, nur bekleidet in Cedrics Shirt.. Was er sich jetzt zusammenreimte..

„Wir kommen gleich“.

Er setzte sich zurück zu mir und zog Socken an. „Wie bist du überhaupt in mein Zimmer gekommen?“

„Ich hab Mason getroffen, du hast deine Ersatzschlüssel vergessen“, erzählte ich. Ich fühlte mich unwohl, so freizügig neben ihm zu sitzen, weshalb ich aufstand und meine schwarze Jeans anzog.

„Ohne Hose hats mir besser gefallen“, hörte ich ihn hinter mir schmunzeln.

„Ich kann es wieder ausziehen, wenn du willst. Dann lauf ich halt nur in deinem Shirt im Hotel herum“, ich zuckte mit den Schultern.

„Nein. Der Anblick ist nur für mich“, ich spürte, dass er plötzlich hinter mir stand. Er hauchte mir Küsse auf den Nacken und fuhr mit seinen Fingern leicht über meine Arme. Eine Gänsehaut breitete sich in meinem Körper aus.

„Frühstück wartet“, etwas besseres fiel mir nicht ein. Ich drehte mich um, um ihm einen schnellen Kuss auf die Lippen zu drücken. Anschließend liefen wir zu den anderen.

Wir saßen in einer großen Lobby. Außer den Jungs, Ella und mir war kein weiterer Gast da. Der Bereich wurde extra für die Jungs abgetrennt.

„Wieso hast du nichts gesagt, Prinzessin? Ein hallo ist doch nicht zu viel verlangt“, beschwerte Cole sich, während er sein Nutellabrötchen kaute.

„Gibts ein Grund warum du Ari Prinzessin nennst? Ich will ja nichts sagen, aber sie ist jetzt eine vergebene Frau“, wies Ella den Bassisten zurecht. Sie lies gerade die beste Freundin raushängen.

„Ella“, zischte ich ihr zu.

„Was denn? Ich spreche nur das aus, was Cedric sich denkt. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen“. Ellas Ehrlichkeit in Ehren, aber .. manche Sachen sollte sie nicht so direkt erwähnen.

„Ich kann auch dich Prinzessin nennen, kein Grund zur Eifersucht Ella. Aber um dich zu beruhigen, meine Schwester nenne ich auch Prinzessin. Nicht Mädels, auf die ich stehe“, erwiderte Cole gelassen.

„Kein Bedarf. Ich will keine Prinzessin sein“, sie winkte mit der Hand ab.

„Hätten wir das jetzt?“, mischte Leon sich ein. „Ich würde liebend gerne die Nachrichten sehen“.

Es herrschte Stille und wir schauten alle auf den gigantischen Plasmafernseher.

„Das ist doch ein Starmagazin. Wieso schaut ihr euch solche Sendungen an?“, Ella verstand die Welt nicht mehr.

„Man muss wissen, was über einen erzählt wird. Heute werden wir sicherlich zahlreiche Interviews geben. Da schadet es nicht zu wissen, auf welche Themen wir angesprochen werden“, erklärte Mason.

„Die Moderatorin ist so verdammt heißt“, schwärmte Cole ungezügelt.

„Und 10 Jahre älter als du“, meine Cedric schmunzelnd.

„Na und? Sie sieht trotzdem heiß aus. Ich würde sie nicht von der Bettkante schubsen“.

Plötzlich fing die Moderatorin an, über Cedric zu sprechen. Wir wurden alle leise.

„Seit Tagen stellen sich Fans nur eine Frage: Wer ist das Mädchen, mit dem Sänger Cedric Wesley fotografiert wurde? Wir haben ein exklusives Interview mit einer alten Bekannten der Unbekannten geführt. Aus Sicherheitsgründen möchte sie nicht erkannt werden“.

Eine Bekannten?

Die Moderatorin war nicht mehr zu sehen. Stattdessen ein Mädchen, hinter einer Trennwand sitzend.

„Ich habe sie sofort erkannt, als ich das Foto gesehen habe. Das Mädchen auf dem Bild ist Ariana Clear“.

Abseits der Kameras hörte man den Reporter Fragen stellen.

„Woher kennen Sie Ariana?“

„Wir waren zusammen auf einer Schule“, erzählte sie. Der Stimme konnte ich nicht entnehmen, um wen es sich handelte.

„Sie können sich vorstellen, dass es weltweit Unruhe gibt. Keiner weiß, von wem wir hier sprechen. Erzählen Sie uns doch ein bisschen etwas. Die Medien spekulieren. Klären Sie uns auf“.

„Ariana.. ist sehr speziell. Eine Einzelgängerin, nicht viele Freunde. Natürlich muss man zugeben, dass sie extrem hübsch ist. Aber Schönheit deckt halt nicht den Charakter“.

Was redete sie da ?

„Was meinen Sie?“, fragte der Reporter.

„Nun ja. Vor ein paar Jahren hatte Ariana einen Unfall. Einen Segelunfall, ihre Eltern waren dabei. Die zwei haben es nicht überlebt. Sie ist waise. Da kommt es natürlich vor, dass man.. nun ja.. etwas neben sich steht. Sie ist niemand, der mit anderen Menschen klar kommt“.

Wie gebannt starrte ich auf den Fernseher, konnte nicht fassen, was diese Person einfach erzählte.

„Sie ist also Waise?“, hakte der Reporter nach.

„Ja. Vielleicht bekommt sie deshalb Aufmerksamkeit von Cedric. Er ist sehr gutmütig.. und eigentlich war er ja glücklich mit Cheryl Griffin zusammen“.

„Es gibt viele Waisen auf der Welt, wieso denken Sie, sollte das Grund dafür sein, dass die zwei womöglich ein Paar sind?“

„Das stimmt natürlich. Aber Arianas Geschichte ist außergewöhnlich. Sie wohnt alleine. Ihr großer Bruder kommt sie selten besuchen. Damals lag ihre Mutter wochenlang im Koma, die Leiche des Vaters wurde erst später aus einem Fluss gefischt. Früher oder später sind wir alle waise, aber nicht so. Ich denke, Cedric hat sich in ihre Geschichte verliebt. Beschützerinstinkte und so“.

„Mach das aus“, das zittern meiner Stimme konnte ich nicht unterdrücken.

„Ari“, Ellas Hand drückte meine, aber ich entzog sie ihr.

Ich hatte das Gefühl, die Welt stürzte auf mich ein. Wie konnte es diese Person wagen, mein Privatleben preiszugeben? Noch besser, den Unfall meiner Eltern?! Mit welchem Mut?

Das Thema, was ich die ganze Zeit versteckte, weil ich Mitleid hasste, wurde in zwei Minuten den Medien offenbart.

Der Fernseher wurde ausgeschaltet.

Alle am Tisch sahen mich bedrückt an. In Masons und Coles Gesicht sah ich genau das, was ich vermeiden wollte. Pures Mitleid. So wollte ich nicht angesehen werden.

Ich stand auf. „Ich brauch 5 Minuten für mich“.

Cedric war ebenfalls dabei, aufzustehen.

„Nein. Alleine“, ich räusperte mich und lief aus dem Zimmer raus.

*~*~*~*~*~*~

Gedankenverloren saß ich in einem Restaurant und rührte in meinem Kaffee.

Jetzt war ich mir nicht so sicher, ob ich auf die Weihnachtsfeier diesen Abend Lust hatte. Ich wollte keine Fragen diesbezüglich hören und erst recht nicht beantworten.

„Hier steckst du“, Leon lies sich neben mich auf den Stuhl fallen. „5 Minuten sind schon seit einer Stunde vorbei“.

Ich zuckte nur mit den Schultern. „Kann schon sein“.

„Stimmt es, was die Tuss erzählt hat?“, hakte er nach.

Ich nickte, sah ihm dabei nicht in die Augen.

„Schätze, das sollte geheim bleiben?“

Leon. Sogar Leon, der mich überhaupt nicht leiden konnte, bekam Mitleid mit mir. Ich hasste sowas.

„Du brauchst nicht auf interessiert tun. Wir zwei sind nicht gerade das, was man als Freunde bezeichnet“.

Er nickte. „Ja. Weil ich Vorurteile hatte. Aber das hat sich beseitigt“.

Ich verdrehte die Augen. „Man braucht also nur tote Eltern und die Vorurteile sind beseitigt?“

„Ich bin auch Waise“, erzählte er. Ich hielt in meiner Bewegung inne. „Im Gegensatz zu dir, habe ich meine Eltern nie kennengelernt. Sie sind beide gestorben, als ich ein Baby war. Ich bin im Waisenhaus groß geworden“.

„Seit wann bist du so gesprächig?“

„War ich nie und werde ich nie sein. Aber keiner kann besser wissen als ich, wie du dich gerade fühlst. Als die Medien angefangen haben, in meiner Vergangenheit rumzustochern, war ich außer mir vor Wut. Es gibt immer Leute, die Sachen über dich veröffentlichen, die niemanden etwas angehen“.

„Die Medien wissen, dass du Waise bist?“, hakte ich nach.

„Ja. Schon von Anfang an. Denen entgeht nichts“.

Ich seufzte. „Gut zu wissen“.

„Das ist kein Grund, sich unterkriegen zu lassen. Heute ist eine Party. Und die wird gut laufen, du musst niemanden irgendetwas beantworten. Sag einfach, dass das alles privat bleibt und niemanden etwas angeht. Was sollen sie schon großartig dagegen tun?“

Ich versuchte mich an einem lächeln. „Danke“.

„Keine Ursache. Vielleicht solltest du zu Cedric gehen, er sucht dich die ganze Zeit. Ich hab ihn auf sein Zimmer geschickt“.

Ich stand auf. „Du bist gar nicht so übel wie ich dachte“, meinte ich.

„Gleichfalls“.

Mit dem Fahrstuhl fuhr ich zu Cedrics Etage. Als er mir die Tür öffnete, sah ich die Besorgnis in seinen Augen. „Ist alles in Ordnung?“

Ich nickte. „Ja. Dann wissen es halt alle. Lass uns heute Spaß haben“.

„Gute Einstellung", er gab mir einen sanften Kuss auf die Stirn. "Übrigens steht drinnen ein Katalog mit Kleidern, die du dir für heute aussuchen darfst. Das heitert deine Laune vielleicht auf“, er zog mich in seine Suite.

Und wie das meine Laune aufheiterte. Niemand sollte mir den Tag versauen. Keine Magazine, keine Reporter, niemand.

"Du hast da etwas Lippenstift".

Ella und ich hatten ausgiebig alle Kataloge durchgestöbert, bis wir uns für jeweils ein Kleid entschlossen.

 

Als nächstes ging es zur Visagistin. Ich wurde noch nie in meinem Leben von jemanden professionell geschminkt, weshalb ich voller Vorfreude gespannt war.

 

„Sarah, das sind Ari und Ella“, stellte Cedric uns der dunkelhäutigen Frau vor.

 

„Freut mich“, meinte sie lächelnd und reichte ihre Hand.

 

„Ich treffe mich mit Pete. Ich bin in spätestens zwei Stunden da, dann gehen wir zusammen los, in Ordnung? Oder sind euch zwei Stunden zu wenig?“, fragte Cedric schmunzelnd.

 

„Ach, das kriegen wir schon hin“, die Frau nahm uns beide an der Hand und setzte uns vor einem Spiegel ab.

 

„Eure Kleider und eine Schneiderin sollten in einer Stunde da sein. Bis nachher“, er gab mir einen schnellen Kuss und lies uns drei alleine.

 

„So. Setzt euch, wer will als erstes?“

 

„Ich will!“, Ella lies mich erst gar nicht zu Wort kommen.

 

„Ich geb mich auch als zweite zufrieden“, erwiderte ich und begutachtete die Visagistin, wie sie ein paar Pinsel aus dem Koffer fischte.

 

„Seit ihr schon aufgeregt? Cedric hat erzählt, dass das eure erste Veranstaltung wird“, Sarah verteilte einen Primer auf Ellas Gesicht.

 

„Etwas“, gab ich zu.

 

„Das wird schon! Bisher ist zumindest noch nie jemand daran gestorben“, versuchte sie mir Mut zuzusprechen.

 

„Vielen Dank. Das heitert mich sehr auf“.

 

~*~*~*~*~

 

Ella war nach einer guten Stunde fertig. Ihre Haare hatte Sarah zu einer kunstvollen Hochsteckfrisur gezaubert.

 

„Wow. Das sieht richtig hübsch aus“, meine beste Freundin konnte locker mit den Models diesen Abends mithalten.

 

„Danke“, ein lächeln umspielte ihre rot geschminkten Lippen. „Schade, dass Xaver nicht hier ist“, sie seufzte und begutachtete sich anschließend vor dem Spiegel.

 

„Du bist die nächste“, Sarah hielt mein Kinn fest und taxierte mein Gesicht. Ich zog nichtsahnend die Augenbrauen hoch.

 

„Hast du an etwas spezielles gedacht?“, fragte sie mich.

 

Ich schüttelte den Kopf. „Nein, ich hab mir kaum Gedanken gemacht. Aber ich will keinen Regenbogen auf meinem Augenlied“.

 

Sie zuckte mit den Schultern. „Dein bewegliches Augenlid ist so schön groß und du hast keine Schlupflider. Ich hätte mich gerne ausgetobt, aber wenn du das nicht gerne magst, wir können es auch klassisch halten“.

 

„Ja, das wäre mir lieber“.

 

Die nächsten Minuten lies ich die Prozedur über mich ergehen. Eigentlich hielt ich das geschminkt werden für eine angenehme Sache, aber das war es nicht. Ich mochte es nicht, wenn mir dauernd im Gesicht rumgepfuscht wurde. Nachdem mir Make-Up aufgetragen wurde und als vom konturieren meines Gesichtes bis zum Tuschen der Wimpern alles fertig war, machte sich die Visagistin an meine Haare.

 

„Ich würde sie gerne offen lassen“, meinte ich an sie gerichtet.

 

„Kein Problem. Das war auch meine Überlegung“, ich öffnete meine Haare und lies mir einzelne Knoten aus dem Haar rauskämen.

 

Ich war schneller fertig als Ella, was daran lag, das sich Sarah nicht an meinen Haaren verkünstelte, so wie an Ellas.

 

„Fertig“, Sarah sah sich zufrieden das Ergebnis an, auch mein Blick galt meinen Haaren, welche ich vom Spiegel aus betrachtete.

 

Sarah hatte meine Haare geglättet. Meine gesamten Haare ruhten auf meiner linken Schulter. Ein rechter Seitenscheitel und drei darauffolgende Rastazöpfe rundeten das Gesamtbild ab.

 

Ich war zufrieden. Es war nicht zu viel und nicht zu wenig. Auch das Make-Up war gelungen. Meine Augen waren mit schwarzem Kajal umrundet und nur am äußeren Augenwinkel hatte sie mit dunkelbraunem Lidschatten gearbeitet.

 

„Oh meine Güte. Wenn Cedric dich nicht ins Bett zerrt, weiß ich auch nicht“, Ella kicherte über ihren eigene Aussage.

 

„Ihr seit also zusammen?“, fragte Sarah und räumte ihre Utensilien weg.

 

„Ja,sind wir“, ein lächeln umspielte meine Lippen. Das sagen zu können, kam mir noch immer unwirklich vor.

 

„Ihr seit ein hübsches Paar“, meinte sie daraufhin.

 

Bevor ich mich bedanken konnte, klopfte es an der Tür. Eine etwas ältere Frau kam mit zwei in Folie eingepackten Kleidern herein.

 

„Unsere Kleider“, Ellas Augen funkelten aufgeregt als sie auf die Frau zulief.

 

„Ich würde sagen, probiert es an und wenn es nicht passt, dann können wir es zurechtschneiden“, Sarah stand auf und drückte die alte Frau an sich. „Schön dich zu sehen, Heidi“.

 

~*~*~*~*~

 

Mit der Kleideranprobe hatte ich kein Problem. Mein Kleid saß wie angegossen und so war ich zurück in meiner Suite, während Ella bei der Schneiderin war.

 

Ich hatte mich für ein schlichtes, dunkelrotes Vokuhila Kleid entschieden. Trägerlos, so das ich beschloss, eine goldene Statement Kette anzuziehen, damit ich mir nicht nackt vorkam.

 

Mein einziges Problem waren die schwarzen Peeptoe Ankle Boots. Sie sahen zwar wirklich hinreißend aus, aber länger als zwei Stunden würde ich niemals mit ihnen überleben. Aber es war auch nicht die feine Art, Sneakers in die Handtasche einzupacken, oder?

 

Ich lies es darauf ankommen. Musste ich halt barfuß laufen, wenn es nicht anders ging.

 

Ich war definitiv mehr als nur aufgeregt, als ich mich fertig vor dem Spiegel sah. Konnte ich so mit Cedric mitgehen? Konnte ich mit den Mädels dort mithalten? Ich sah anders aus. So herausgeputzt hatte ich mich das letzte Mal mit 16 auf dem Geburtstags meines damaligen besten Freundes.

 

Mein Handy vibrierte, eine SMS von Cedric war eingegangen. Bist du fertig? Ich erwarte dich in meinem Zimmer. Fertig war ich. Aber ob ich bereit war, das war eine andere Frage. Die Ereignisse diesen morgens hatte ich bisher grandios verdrängt, jedoch nicht vergessen. Was sollte ich antworten, wenn ich angesprochen wurde? Einfach schweigen, so wie es mir Leon geraten hatte?

 

Ich zerbrach mir den Kopf darüber, kam aber zu keiner Entscheidung.

 

Mit wackeligen Beinen lief ich in Cedrics Etage. Ich brauchte ein paar Anläufe, bis ich klar kam mit den Schuhen, aber letztendlich meisterte ich diese Herausforderung. Wenigstens eine!

 

Ich klopfte an der Tür, aber anstatt das mir Cedric die Tür aufmachte, war es Cole.

 

Er zog seine Augenbrauen hoch und pfiff. „Sieht heiß aus Prinzessin“.

 

„Em, danke?“

 

„Komm rein. Cedric muss nur kurz was holen. Ich muss dann auch los, wie du siehst, hab ich mich immer noch nicht umgezogen“.

 

„Dann Beeilung Cole. Wollten wir nicht in spätestens einer halben Stunde los?“

 

Er nickte grinsend. „Nein, jetzt nicht mehr“.

 

Ich saß auf Cedrics Bett und wartete auf ihn. Vorfreude gemischt mit Angst waren keine gute Kombination. Aber das war genau das, was meine Gefühle am besten beschrieb.

 

Mein Handy klingelte und ich entdeckte den Namen meines Bruders auf dem Display.

 

„Hallo?“

 

„Ari. Hast du heute Nachrichten geschaut?“, Svens Stimme klang alles andere als freudig.

 

„Emm.. möglich, wieso?“, ich betete, dass er nicht das gesehen hatte, was ich gesehen hatte.

 

„Oh. Ist es dir entgangen, dass das Fernsehen von dir berichtet und Bilder von dir und dem Sänger um die Welt gehen? Ich sagte dir doch, lass es sein! Wohin soll das führen?“

 

Ich seufzte und meine Schultern sackten ein. „Willst du das jetzt ernsthaft am Telefon diskutieren?“

 

„Ich muss! Du lässt mir keine Wahl! Ich mach mir Sorgen Ari, das ist nicht gut für dich“.

 

Das wusste ich selber.

 

„Sven, bitte. Lass uns darüber sprechen, wenn ich wieder in Chicago bin, okay? Bitte“.

 

„Meinetwegen. Damit eins klar ist, ich bin sauer auf dich“.

 

„Frohe Weihnachten, Sven. Ich hab dich lieb“. Diese Aussage passte überhaupt nicht zu mir. Ich sagte nie jemanden, dass ich ihn mochte. Aber vielleicht konnte ich Sven etwas weichkochen?

 

„Dir auch frohe Weihnachten. Viel Spaß heute“. Besonders überzeugend klang das nicht, aber ich war zufrieden fürs Erste.

 

Ich starrte noch einige Sekunden auf mein Handy, bemerkte nicht, wie ich von hinten in eine Umarmung gezogen wurde.

 

Cedric hauchte mir federleichte Küsse auf die nackten Schulterbätter. Seine Lippen wanderten hoch, von meinem Nacken bis zu meinem Ohr. „Du siehst unglaublich hübsch aus“.

 

Eine Gänsehaut machte sich in mir breit. Wenn er es hübsch fand, hatte sich die ganze Prozedur gelohnt. Mehr wollte ich nicht.

 

„Danke“, ich lies mich von ihm umdrehen, so dass ich in seine warmen Augen blicken konnte.

 

Er senkte seine Lippen auf meine und sofort war ich in einem berauschten Zustand. Vollkommen gefangen von seinem fordernden Kuss, nahm ich nichts anderes wahr.

 

„Ich werde deine Frisur ruinieren“, meinte er und fuhr über meine Seiten. Ein Schauer fuhr über meinen Rücken.

 

„Das macht nichts“, er durfte meine Frisur zerstören, er durfte mein Kleid zerstören, es zerreißen. Mir war das gleich. Hauptsache, er hörte nicht auf.

 

„Wäre Schade um Sarahs Mühe“, ich spürte die Wand hinter meinem Rücken. Wann waren wir so weit nach hinten gestolpert?

 

„Egal“, hauchte ich benommen und lies mich in einen weiteren Kuss verwickeln. Meine Finger fuhren über seine breite Brust. Das weiße Hemd unterstrich seinen trainierten Körper.

 

Nichts hätte ich lieber getan, als ihm das auszuziehen, aber ich hielt mich zurück.

 

„Du lässt es darauf ankommen“, ich spürte an meinen Lippen, wie er lächelte.

 

„Mhh“.

 

Wir beide waren wie im Fieber. Dabei war es nicht gerade das optimale Timing, um übereinander herzufallen.

 

„Müssen wir nicht los?“, fragte ich keuchend nach, während er an meinem Hals knabberte.

 

Er verharrte in seiner Position und holte tief Luft ein. „Doch“.

 

Als er aufsah, konnte ich mein Lachen nicht verkneifen.

 

„Was ist denn so witzig?“, wollte Cedric wissen.

 

„Du hast da etwas Lippenstift“, ich biss mir auf die Lippen, um nicht loszulachen.

 

„Du hast auch etwas Lippenstift. Nur nicht an den Lippen“, erwiderte er zwinkernd.

 

Wir stellten uns vor den Spiegel und entfernten die roten Flecken von unserer Haut.

 

Ich versuchte das zu retten, was noch zu retten war. Meine Haare waren nicht mehr so glatt wie vorher und auch die rote Farbe war von meinen Lippen gewichen.

 

„Lass uns gehen, bevor ich wirklich über dich herfalle“, Cedrics Augen ruhten auf mir. Das bekannte kribbeln in meinem Bauch stieg erneut auf.

 

„Nach der Feier ist noch genug Zeit – und niemand der stört“, ich versuchte die Wörter so locker wie möglich über die Lippen zu bringen und nichts von meiner Nervosität anmerken zu lassen.

 

„Heute Abend also?“, seine Augen funkelten gefährlich.

 

„Wenn du so lange warten kannst“, ich zuckte mit den Schultern und wollte an ihm vorbei. Aber er zog mich zurück in seine Arme.

 

„Je länger ich warte, desto größer das Vergnügen am Ende. Jetzt werde ich an nichts anderes mehr denken können. Du bist Schuld daran, wenn ich meinen Text vergesse“.

 

„Du wirst das schon schaffen“, ich zwinkerte ihn angriffslustig an.

 

„So?“, bevor er mich wieder in einen Kuss ziehen konnte, löste ich mich von ihm.

 

„Los, Herr Wesley. Eure Show wartet“.

 

~*~*~*~*~*~

 

Der Trubel war groß. Überall ragte Blitzlichtgewitter und ich kam mir fehl am Platz vor.

 

Wir saßen in der Limousine und sahen aus dem Fenster raus. „Mädels, entweder ihr kommt mit uns von hier rein oder lasst euch vom Hinterausgang reinführen“, Cedric saß neben mir und er spürte, dass ich mich nicht wohl fühlte.

 

Ich schluckte meine Angst herunter. „Wenn wir hier sind, dann richtig, oder?“

 

„Bist du dir sicher?“

 

Ich nickte entschlossen.

 

Ein lächeln umschloss seine Lippen, was mein Herz sofort höher schlagen lies.

 

„Hab einfach Spaß, Prinzessin. So schlimm sind die nicht“, so wie Cole das sagte, klang das ziemlich einfach. Während ich stocksteif da saß, war er die Lässigkeit in Person.

 

„Ella, du kannst mit mir aussteigen“, bot Mason an.

 

„Ja, das klingt gut“, die Blondine strich nervös über ihr blaues Kleid.

 

Die Tür wurde geöffnet und Cedric stieg als erster aus, hielt mir von draußen seine Hand hin.

Sobald ich diese erfasste, kam ich mir sicher vor. Ich schenkte ihm ein lächeln und stieg vorsichtig aus dem Wagen.

 

Sofort hörte man hinter den Absperrungen Fans und Fotografen schreien.

 

„Cedric. Hier drüben. Posier etwas für uns“.

 

Cedric drückte mich enger an sich und setzte sein strahlendstes lächeln ein. Das sah unglaublich einfach bei ihm aus. So versuchte ich es ihm nachzutun, aber ich ging davon aus, dass es mir misslang.

 

Auch hörte man die Namen der anderen Jungs schreien und ich fragte mich, ob man das nach zwei Jahren noch immer genießen konnte. Mir gefiel das nicht. Das schrille Schreien regte mich jetzt schon auf. Natürlich hatte ich nichts gegen ihre Fans, aber in letzter Zeit waren mir zu viele schreiende Menschen in die Quere gekommen, dass ich absolut kein Nerv mehr hatte.

 

Locker spazierten wir über den roten Teppich, bis wir an die Ecke mit den Moderatoren kamen.

 

„Ruhig bleiben, Ari. Wenn dir eine Frage nicht passt, musst du es nicht beantworten“, flüsterte Cedric leise.

 

Ich nickte. Der Abend konnte kommen, ich brauchte mich vor nichts fürchten.

"Das ist Ariana".

Cedrics Hand an meinem Rücken gab mir den nötigen Halt, um nicht vor Überforderung wegzurennen.

 

„Cedric hättest du zwei Minuten für uns?“, eine Reporterin, dessen Gesicht mit dem ersten Blick schon auf eine regelmäßige Botoxbehandlung deutete, stellte sich in unseren Weg.

 

„Natürlich“, hörte ich ihn charmant sagen.

 

Neben der Reporterin standen ein Kameramann und ein Tontechniker, die ebenfalls ihre volle Aufmerksamkeit Cedric schenkten.

 

„Super. Dann wäre es in Ordnung, wenn ich eine kurze Anmoderation mache? Dauert auch nicht lange“, erklärte sie sachlich.

 

„Nur zu“, während er sprach, strich er kaum merklich über meine Seite, dennoch genügte das, um ein Kribbeln durch meinen Körper zu schicken.

 

Die Reporterin wandte sich der Kamera und legte ihr hellstes lächeln auf, bevor sie anfing zu sprechen. „Einen wunderbaren guten Abend. Ich stehe live am roten Teppich, auf dem Weihnachtsevent des Jahrhunderts. Haufenweise Prominente und Fans haben sich versammelt, um heute die Weihnachtsfeier von Back-Up zu feiern! Einen der vier Gastgeber habe ich mir direkt geschnappt. Cedric Wesley“.

 

Die Kamera drehte sich zu uns, während ich versuchte, Cedrics lässliges lächeln nachzumachen.

 

„Cedric, sag uns doch, wer ist deine hübsche Begleitung“, sprach die Frau weiter.

 

Wenigstens redete sie nicht um den heißen Brei, sondern fragte direkt das, was ihr auf der Zunge lag.

 

„Das ist Ariana“, stellte er mich vor und drückte mich enger an sich.

 

„Deine Freundin?“, hakte sie nach.

 

„Meine Freundin“, bestätigte er gelassen.

 

„Oh, oh. Ariana, dann warten wir auf die Antwort, die sich huntertausende Mädchen stellen.Wie ist es, die Freundin von Cedric zu sein?“

 

Ich wollte nicht miteinbezogen werden. Aber auf schüchtern zu tun, schien mir auch keine Alternative. „Och, ganz nett“, etwas besseres fiel mir nicht ein.

 

Die Reporterin fing an zu lachen, wobei sich das bei ihrem Botoxgesicht als ziemlich schwer erwies. „Ganz nett? Mehr nicht?“

 

„Es ist ein wenig gewöhnungsbedürftig. Aber sonst kann ich mich nicht beklagen“, ich zuckte mit den Schultern und ignorierte den Blick, den mir Cedric zuwarf.

 

„Interessante Antwort! Was unternehmt ihr denn am liebsten miteinander?“, fragte sie uns.

 

Gute Frage. Besonders viel hatten wir nicht miteinander unternommen. Um ehrlich zu sein, fiel mir in diesem Moment auf, wie wenig Zeit wir im Allgemeinen miteinander verbracht hatten und trotzdem war ich ihm verfallen.

 

„Hmm, was ich am liebsten unternehme? Also ich weiß nicht wie es Ari geht, aber ich denke Küssen ist auf Platz 1 meiner Liste“, antwortete er ungezügelt.

 

Hatte er das gerade wirklich gesagt? Ich versuchte mir nicht anmerken zu lassen, in welch einer Aufruhe ich innerlich war. Toll. Das wäre die perfekte Schlagzeile. Sänger Cedric küsst am liebsten seine Ariana oder was auch immer. Ich wollte keine Aufmerksamkeit von den Medien.

 

„Ich glaube zwar nicht, dass das mit Unternehmung gemeint ist, aber belassen wir es dabei.Ich würde ja sagen, am liebsten gammeln wir rum. Ich sehe ihn nicht oft, und wenn, dann machen wir nichts besonderes, sondern sitzen zusammen und essen oder sowas..“, erzählte ich schulterzuckend.

 

„Was esst ihr am liebsten?“, die Frau sah uns gespannt an. Wieso interessierte sie das?

 

„Kuchen“, antworteten wir beide synchron. Ich schaute ihn verwundert an. Dachte er an das gleiche wie ich? An die Szene in Svens Gästezimmer?

 

Ein lächeln umspielte seine Lippen. Ja, er dachte an das gleiche wie ich.

 

 

„So, da seit ihr euch einig. Wieso denn ausgerechnet Kuchen?“

 

Langsam ging mir die Frau auf die Nerven. Was interessierte sie das?

 

„Ach, das ist eine lange Geschichte. Wir müssen rein, wenn das in Ordnung wäre“, auch schien Cedric die Laune vergangen zu sein.

 

„Hmm, natürlich. Vielen Dank! Und viel Spaß euch beiden“.

 

*~*~*~*~*~*~

 

Bis wir zur Tür ankamen, gaben wir 4 weitere Interviews. Es ging immer um das selbe. „Wer ist deine Begleitung? Was?Deine Freundin?! Ariana, wie ist es, Cedrics Freundin zu sein?“.. Das war wirklich nicht meine Welt. Aber ich schlug mich gut durch, das musste man mir lassen. Glücklicherweise sprach mich keiner auf das Interview von heute Morgen an.

 

„So schlimm war es gar nicht, oder?“, Cedric verschränkte beiläufig unsere Finger miteinander. Er tat das so natürlich, als hätte es nie etwas anderes gegeben. Mein Herz machte einen kräftigen Hüpfer, als er sanft mit seinem Daumen über meinen Handrücken strich.

 

„Habs mir schlimmer vorgestellt“, gab ich zu.

 

„Willst du dich ins Publikum setzen oder lieber Backstage, hinter die Bühne?

 

„Wer sitzt denn so im Publikum?“

 

„Vorne sitzen Promis, hauptsächlich auch die, die selbst einen Auftritt haben und nach der Absperrung kommen die Fans“.

 

„Ihr habt eine Absperrung?“, fragte ich mit hochgezogenen Augenbrauen.

 

 

„Sicherheitsmaßnahmen. Wir können Promis und Fans nicht nebeneinander sitzen lassen. Stell dir vor, du wirst die ganze Zeit während der Show von der Seite bequatscht oder es werden Fotos gemacht.. Das ist nervig“, erklärte er.

 

„Hm. Stimmt auch wieder. Naja, ich bleib lieber mit Ella hinter der Bühne. Vielleicht setzen wir uns um, wenn das geht?“

 

„Klar, kein Problem“.

 

Ich lernte die zwei Bodyguards kennen, die uns bis nach oben begleiteten. Hinter uns lief der Rest der Truppe. Allen voran Ellas Stimme hallte durch den Gang.

 

 

„So cooooool“, hörte ich sie permanent schwärmen.

 

Unser Weg führte uns letztendlich in eine riesige Gardarobe. Pete saß bereits auf einem Stuhl und empfing die Jungs.

 

Als er mich sah, verdrehte er die Augen.

 

 

„Cedric. Habe ich mich nicht klar ausgedrückt?“, er stand auf, ohne uns zu begrüßen.

 

„Tut mir Leid, ich habe es öffentlich gemacht“, er zuckte desinteressiert mit den Schultern.

 

Die Augen des Managers verengten sich augenblicklich. „Das kannst du nicht machen“, er fuhr sich energisch über das Gesicht.

 

„Kann ich. Und habe ich“.

 

Wie es aussah, durfte Cedric mich nicht als Freundin vorstellen. Hatte er aber. Wie hatte er es geschafft, mich den ganzen Morgen außer Petes Reichweite zu halten?

 

Der grauhaarige Mann fasste sich wütend auf den Nasenrücken und schloss die Augen.

 

 

„Wir sprechen nach der Show darüber“, war das einzige was er noch sagte, ehe er mir einen feindseligen Blick zuwarf.

 

„Und du? Wer von den Jungs hat dich mitgebracht?“, fragte er Ella schroff.

 

So kannte ich Pete gar nicht. Natürlich hatten wir bisher nicht viel miteinander zu tun gehabt, aber als noch nichts zwischen mir und dem Sänger war, hatte er nichts gegen mich gehabt.

 

„Keine Sorge, ich schnappe mir schon keinen von ihren Jungs“, meinte Ella genervt.

 

„Jungs! Sowas müsst ihr mit mir absprechen! Ihr könnt nicht einfach irgendwen mitnehmen. Waren die Mädchen am roten Teppich?“

 

„Ja, waren sie. Ich hab keine Lust mehr zu diskutieren. Du bist unser Manager, aber ich lasse mir nicht alles vorschreiben, okay? Und jetzt, entschuldige uns, wir müssen uns auf die Show vorbereiten“, Cedrics Stimme wurde lauter und seine vorherige Gelassenheit war verschwunden.

 

„Wir sprechen uns nachher“, Pete schüttelte verständnislos den Kopf und verließ die Garderobe.

 

*~*~*~*~*~*~*~

 

Still saß ich mit Ella hinter der Bühne. Vor einer halben Stunde war Einlass und der riesige Saal war bereits voll. 7000 Sitzplätze gab es und Cedric hatte bereits erzählt, dass alles ausverkauft war. Seitdem Pete einen Aufstand gemacht hatte, war mir die Laune vergangen. Hätte ich gewusst, dass ich Cedric so viele Probleme bereite, hätte ich mir alles ein zweites Mal überlegt.

 

 

„Ari, jetzt mach nicht so ein Gesicht“, Ella begutachtete mich kritisch.

 

„Es ist nicht gut das wir hier sind“, meinte ich seufzend.

 

„Wieso? Weil es der Managerheini nicht will? Sein Pech. Cedric ist erwachsen genug um zu entscheiden, wen er mitbringt und wen nicht“.

 

Ich zuckte nur mit den Schultern. „Trotzdem sollte es wegen mir kein Stress geben“.

 

Meine beste Freundin verdrehte die Augen. „Jetzt ist es doch eh zu spät. Schmollen bringt nichts“.

 

~*~*~*~*~*~

 

Cedric wusste ganz genau, dass eine Standpauke auf ihn wartete, sobald wir zwei alleine waren. Grund genug für ihn, sich die gesamte Zeit vor dem Auftritt von mir fern zu halten.

 

Ich lies ihn in Ruhe. Nur weil er jetzt vor mir weglaufen konnte, hieß es nicht, dass ich ihm nicht heute Nacht den Kopf waschen würde!

 

Aber andererseits konnte ich stolzer nicht sein. Gebannt saß ich auf einem, zugegeben, ungemütlichen Stuhl abseits der Bühne und beobachtete gebannt, wie Cedric mit den anderen locker und gelassen über die Bühne lief und mit dem Publikum sprach.

 

Die Ärmel seines weißen Hemdes waren hochgekrempelt, die ersten Knöpfe bereits offen.

 

„Einen wunderschönen guten Abend Phoenix und alle Leute vor den Bildschirmen! Wir sind unendlich froh, das Fest der Liebe, heute, auf eine andere Art und Weise mit euch feiern zu können“, begann der Sänger grinsend zu moderieren.

 

 

Wenn ich eins sagen konnte, dann, dass Cedric seinen Job verdammt gut draufhatte. Niemand würde auf die Idee kommen, dass er vor weniger als einer halben Stunde riesigen Stress mit seinem Manager hatte oder das er wie ein kleiner Junge vor mir weglief.

 

„So ist es! Wir freuen uns drauf, den Tag mit euch lieben Fans und auch unseren Gästen feiern zu können!“, stimmte Mason mit ein.

 

„Wollt ihr sehen, wen wir hier im Saal versteckt haben?“, fragte Leon zwinkernd in die Menge. Durch das darauffolgende Gejubel ging die Leinwand an und verschiedene Gesichter aus dem Publikum wurden abgelichtet. Ein paar Gesichter kamen mir bekannt vor, aber den größten Teil dieser Menschen kannte ich nicht. Sie waren berühmt, das konnte ich aus dem Gekreische des Publikums entnehmen.

 

Das die Jungs Spaß hatten, sah man ihnen an. Die ganze Zeit fragte ich mich, wie man sich nur so wohlfühlen konnte, obwohl Hunderte von Kameras in jeder Ecke aufgestellt waren und über 7000 Menschen in diesem Saal saßen, alle Augenpaare auf Back-Up gerichtet.

 

Es war kein gewöhnliches Konzert. Mal sangen die Jungs, mal wurden kleine Einspieler an der Leinwand gezeigt und Mal kamen irgendwelche gutaussehenden Menschen hoch zur Bühne und redeten mit den Gastgebern. All das erinnerte mich etwas an die Show von George Willis. Die Tatsache, dass die Show von ihm erst ein paar wenige Wochen her war, war ziemlich erschreckend. Wie viel war in dieser kurzen Zeit passiert? Damals saß ich noch im Publikum, während ich jetzt abseits der Bühne hockte und gestaunt zusah, wie Cedric und die Jungs alles professionell meisterten.

 

Mittlerweile hatten wir 21 Uhr und nur noch 2 Stunden bis das Event vorbei war. Ich war ungeduldig und sah andauernd auf meine Uhr. Ich hatte das Gespräch zwischen Cedric und mir am Nachmittag nicht vergessen. Mein Körper prickelte aufgeregt, als ich daran dachte, heute vielleicht wirklich mit ihm zu schlafen. Das war doch etwas vollkommen normales! Aber ich drehte am Rad und konnte nichts dagegen tun. Ella sei Dank hatte ich nicht meine langweilige Wäsche an. Während der Kleideranprobe hatte sie mir einfach neue Wäsche vorgelegt.

 

 

„Jetzt stell dir mal vor, ihr schlaft miteinander, da sollte er dich wenigstens in schöner Reizwäsche sehen, nicht in diesem beigen Oma BH“, hatte sie kopfschüttelnd gemeint.

 

„Das ist doch kein Oma BH“, wehrte ich mich verärgert. „Außerdem, kannst du bitte aufhören die ganze Zeit über Sex zu reden? Woher willst du wissen, dass wir miteinander schlafen werden?“

 

Meine beste Freundin verdrehte die Augen. „Ich spüre, dass es so weit ist! Ich versuch dir nur zu helfen, glaub mir, du wirst mir dankbar sein“.

 

Und wie dankbar ich war. Jetzt saß ich hier und konnte es kaum abwarten, dass er meine schwarze Spitzenwäsche sah.

 

„Wo bist du denn mit deinen Gedanken“, hörte ich Cedric an meinem Ohr flüstern und spürte, wie er mir einen Kuss auf die Ohrmuschel drückte. Ja, wenn er wüsste, an welche jugendfreien Sachen ich dachte..

 

Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass die Jungs die Bühne geräumt hatten und eine junge Frau auf der Bühne stand und einen traurigen Liebessong performte.

 

„Traust du dich also doch in meine Nähe?“, fragte ich schroffer als beabsichtigt und beantwortete seine Frage nicht.

 

„Was soll denn das heißen?“, er zog seine Augenbrauen hoch.

 

„Wie lange hast du Pause?“

 

„10 Minuten“.

 

„Komm mit“, ich schnappte seine Hand. Am Rand der Bühne war es ziemlich laut, so dass ich ihn kaum hören konnte. Ich spürte die Blicke der anderen Mitarbeiter hinter der Kulisse, aber es war mir egal. Wir hatten unsere Beziehung öffentlich gemacht und ich tat schließlich nichts verwerfliches!

 

In einem leeren Zimmer blieben wir stehen und ich schloss die Tür hinter uns.

 

„Ich will jetzt keinen Streit anfangen, vor allem nicht, wo du gleich wieder auf die Bühne musst, aber .. ich will das geklärt haben. Wieso hast du mir schon wieder verschwiegen, dass dein Management dir nicht erlaubt hat, öffentlich eine Freundin zu haben?“

 

Cedric seufzte frustriert. „Man und ich dachte, du verschleppst mich aus anderen Gründen hierher“.

 

Ich wusste ganz genau, worauf er hinaus wollte. Aber ich ging nicht darauf ein.

 

„Cedric, ich meine es ernst“.

 

„Ari. Hör doch bloß für einen Moment auf, dir um alles und jeden Gedanken zu machen. Deshalb habe ich es dir nicht gesagt. Dann wärst du nie entspannt in meiner Gegenwart, sondern hättest immer Ausschau nach Kameras gehalten.. oder nach Pete.. oder unseren Fans, wem auch immer. Ich versuche das zwischen uns so normal wie möglich zu gestalten, aber .. du machst es mir nicht einfach“.

 

„Was meinst du?“, ich schluckte schwer.

 

„Ich merke es doch, dass du immer unentspannt bist, wenn jemand dabei ist. Vielleicht merkst du es nicht mal selber, aber du lässt mich nur an dich ran, wenn wirklich niemand in Reichweite ist. Wie hättest du dich dann erst verhalten, wenn ich dir gesagt hätte, dass Pete gegen eine Beziehung ist?“

 

Ich blinzelte ein paar Mal, bevor ich zu einer wenig geistreichen Aussage ausholte. „Das stimmt gar nicht!“

 

„Wenn wir jetzt darüber reden, werden wir uns streiten. Und ich muss jetzt raus. Ich kann verstehen, dass du ein paar Antworten willst, aber es ist gerade ein ungünstiger Moment“.

 

Ich war wirklich dämlich. Er war mitten beim Arbeiten und ich belastete ihn. Jetzt sollte er raus und weiter auf gutgelaunten Gastgeber tun, während ich hier mit verschränkten Armen auf Antworten seinerseits wartete. Er hatte es nicht einfach mit mir, dass musste ich mir eingestehen.

 

„Ja.. Em.. tschuldige“, kam es kleinlaut von mir. „Reden wir nachher. Ich will dich nicht verärgern und aus dem Konzept bringen, wo du gleich wieder raus auf die Bühne musst“. Schuldbewusst sah ich ihn an.

 

„Oh Ari. Wir zwei haben noch einen weiten Weg vor uns“, meinte er und gab mir einen Kuss auf die Wange. „Aber ich bin zuversichtlich. Lass uns gehen, okay? Wir reden nachher, versprochen“.

 

„Ich sollte euch jemanden vorstellen“

Die Veranstaltung neigte sich dem Ende. Das Event hatte mir gefallen, aber mir war es lieber, wenn es eine einmalige Sache bleiben würde. Erstens, weil ich Paparazzis und Reporter vermeiden wollte und zweitens – ja ich musste es zugeben - ich eifersüchtig war. All die hübschen Frauen ringsrum machten Cedric schöne Augen und ich konnte rein gar nichts dagegen tun!

 

„Wir haben 23 Uhr und leider ist der Abend vorbei! Es war sensationell Leute, vielleicht sieht man sich wieder nächstes Jahr! Wir freuen uns auf euch, alle Teilnehmer im Saal und natürlich unseren Zuschauern vor dem Fernseher! Schlaft schön!“, Cole hatte das Mikrofon ergriffen und schlagartig fing das Gekreische an, sobald er mit seiner kleinen Rede endete.

 

Die Jungs winkten gut gelaunt in die Kameras, die Live-Aufnahmen ins Fernsehen übertrugen.

 

Endlich! Jetzt hatte Cedric Zeit für mich! Eine Stunde heute und ein Tag Morgen.

 

 

Doch da machte mir Pete ein Strich durch die Rechnung.

 

„Halt, halt, halt halt!“, er lief auf die große Bühne und gesellte sich zu den Jungs. „Für alle die mich nicht kennen, ich bin Pete Apelt und bin der Manager dieser talentierten, aber zugegebenermaßen anstrengenden Jungs“.

 

Ein Applaus ging durch die riesige Halle. Aber kein Gekreische, wie es bei den Jungs der Fall war.

 

„Und bevor wir uns verabschieden, habe ich noch eine Überraschung für euch! Ihr habt euren Fans mit der Weihnachtsfeier beschenkt und ich habe auch ein Geschenk für euch, dass euch sicherlich gefallen wird!“, er grinste aufgeregt.

 

 

Ob das gespielt war? Vorhin hatte er alle noch angemotzt.

 

Verwirrt sahen sich die Jungs gegenseitig an und auch Ella und ich tauschten fragende Blicke aus.

 

Die große Leinwand öffnete sich und ein weiterer kleiner Saal kam zum Vorschein. Es war eine Versammlung von vielleicht 40 Leuten. Wer das wohl war? Jung und Alt saßen beieinander, der Saal sah aus wie in einem Restaurant. Die Tische edel gedeckt, dutzende Kronleuchter verzirrten die Decke.

Das Gesicht der Jungs erhellte sich, als könnten sie nicht glauben, was sie da sehen.

 

„Die Jungs feiern jetzt Weihnachten mit ihren engsten Freunden und Familie! Und das rate ich euch allen auch. Genießt die Zeit mit euren Lieben, es gibt nichts wichtigeres auf der Welt. Gute Nacht“.

 

 

Pete, der mich nicht als Cedrics Freundin haben wollte, etwas von 'Zeit mit Freunden und Familien' reden zu hören, erschien mir mehr als nur verkehrt.

 

 

*~*~*~*~*~*~

 

Wie sich herausstellte, hatte Pete wirklich diese Feier für die Jungs organisiert. Ein Flugzeug von Dallas, die Heimatstadt der Jungs, brachte den engen Bekanntenkreis der 4 nach Phoenix. Eine süße Idee, wie ich fand.

 

Wir fuhren etwa 15 Minuten mit der Limo, bevor wir an einem noblen Restaurant anhielten.

 

 

„Habt Spaß Jungs“, meinte er und öffnete die Autotür.

 

Etwas ratlos lief ich neben den anderen her. Ich sollte jetzt Cedrics Familie und Freunde kennenlernen? Ich wurde ins kalte Wasser geschmissen, war nicht bereit dazu! Was, wenn sie mich nicht mögen würden?

 

Cedric bemerkte meinen Unmut und schlang seine kräftigen Arme um meine Schulter.

 

„Alles in Ordnung?“, fragte er.

 

„Klar“, ich schluckte meinen Klos runter.

 

„Sie werden dich lieben“, meinte er gelassen. Woher wusste er, was ich dachte? Und woher wollte er wissen, ob seine Eltern mich mögen würden?

 

Ella dagegen, war mehr als nur erfreut, die Freunde der Jungs kennenzulernen. Manchmal wünschte ich mir ihren extrovertierten Charakter sehr!

 

Sobald wir den Saal betraten, wurde geklatscht und gejubelt. Die Jungs wurden von ihren Familien und Freunden in die Arme geschlossen, was verständlich war. Sie sahen sich nie und ohne Pete, hätten sie sich nicht mal an Weihnachten getroffen.

 

Wie selbstverständlich nahm Cedric meine Hand und zog mich zu seinen Eltern.

 

„Ich sollte euch jemanden vorstellen“, meinte er grinsend und zwinkerte mir zu.

 

Die blauen Augen und die dunkelblonden Haare hatte Cedric von seiner Mutter. Das markante Gesicht von seinem Vater. Er war den beiden wie aus dem Gesicht geschnitten. Diese zwei Menschen hatten ihn also erzogen, ihn zu dem gemacht, was er heute ist und was mich magisch in den Bann zog.

 

 

„Ariana, das sind meine Eltern. Mom, Dad, das ist Ariana“, stellte er uns einander vor.

 

„Was für ein hübsches Mädchen du bist! Herrlich! Du weißt gar nicht, wie gespannt ich war, dich kennnenzulernen!“ Das offene lächeln, die leuchtenden Augen verrieten, dass Cedric eine liebevolle Mutter hatte. Beeindruckt musste ich feststellen, dass auch ihr Körper für eine Frau ihres Alters wirklich verdammt gut aussah!

 

 

Was mich aber noch viel mehr wunderte, war die Tatsache, dass seine Mutter bereits über mich Bescheid wusste? Hatte Cedric schon von mir erzählt?

 

Sein Vater dagegen sah mich kühl an. „Hallo“, meinte er schlicht und reichte mir seine Hand. Er sah weder grimmig aus, noch erfreut mich kennenzulernen.

 

„CEDRIC“, zwei Mädchen drängelten sich an Cedrics Eltern vorbei und sprangen in seine Arme.

 

 

Zwillinge! Seine Geschwister?

 

„Jenna, Laura“, ein Grinsen umspielte seine Lippen, als er die beiden umarmte.

 

Cedric so vertraut mit anderen Menschen zu sehen, war etwas vollkommen neues. Im Showbusiness war er zwar immer gelassen und charmant – meistens zumindest – aber nicht auf die Art und Weise, wie er jetzt war.

 

Die zwei Mädels, hatte Cedric eins erwähnt, seien 14. Interessiert musterten sie mich.

 

„Cedric hat 'ne Freundin“, eine der beiden kicherte amüsiert.

 

„Und das Ari, sind meine bezaubernden Hexenschwestern“, scherzte er.

 

„Ha – ha! Sehr witzig. Coole Frisur“, sprach seine andere Schwester.

 

„Danke, gleichfalls“, mit jüngeren zu sprechen fiel mir wesentlich einfacher als mit seinen Eltern.

 

~*~*~*~*~*~

 

Es war mittlerweile nach 1 Uhr morgens. Zwei Stunden lang waren wir bereits hier. Nachdem ich jedem vorgestellt worden bin und jeder erst ein Mal gründlich Zeit mit seiner Familie verbracht hatte, hatten sich zwei große Gruppen gebildet. Ein Mal die Erwachsenen und ein Mal wir Jugendlichen.

 

„Und, wo habt ihr euch kennengelernt?“, das schwarzhaarige Mädchen, die sich als Chiara vorstellte, setzte sich zu mir und schenkte mir ein aufrichtiges lächeln.

 

„In einem Hotel in New York. Ich hab dort gearbeitet“, erzählte ich.

 

„Coole Sache!“, Chiaras Freund Dan legte seinen Arm um ihre Schulter.

 

„Wo ist Juliet?“, fragte Cole schließlich.

 

„Sie konnte nicht kommen. Aber einen lieben Gruß an euch alle“, Jessica – Masons beste Freundin trank aus ihrer Bierflasche, während sie berichtete.

 

„Wer ist Juliet?“, fragte Ella.

 

 

„Meine beste Freundin“, antwortete Chiara.

 

„Dank Juliet sind wir berühmt geworden. Sie hat es irgendwie geschafft, Aufnahmen von uns in Petes Büro einzuschmuggeln“, erzählte der Bassist.

 

„Und, läuft wieder etwas zwischen dir und Juliet?“, fragte Cole weiter und sah zu Chris, Leons besten Freund.

 

 

Es waren auf einmal so viele neue Gesichter, trotzdem fühlte ich mich schnell in die Clique der Jungs integriert.

 

„Ich hab sie lange nicht mehr gesehen“, antwortete der blondhaarige Chris. Im Gegensatz zu Leon war er freundlich und zuvorkommend. Wie die zwei beste Freunde sein konnten, war mir ein Rätsel.

 

Während ich versuchte, den Geschichten der anderen zu folgen, spielte Cedric mit einer meiner Haarsträhnen. Noch immer hatten wir uns noch nicht ausgesprochen, aber das konnte warten. Fürs erste. Er war glücklich und ich wollte kein Stress schieben.

 

 

Es war einfach etwas vollkommen anderes, ihn so zu sehen. Es gab kein Rampenlicht, keine Reporter. Es war Cedric – privat. Inmitten seiner Freunde und seiner Familie.

 

„Und Ella, bist du Single?“, fragte Coles große Schwester Amy.

 

„Wieso fragst du?“, wollte diese wissen.

 

„Ja für Cole natürlich!“, meinte sie lachend.

 

„Danke Amy, aber um mein Liebesleben kümmere ich mich schon selbst“, meinte dieser augenverdrehend.

 

„Außerdem habe ich einen Freund. Und Cole ist nicht mein Typ, sorry“, sie zuckte entschuldigend mit den Schultern, konnte sich ein Grinsen aber nicht verkneifen.

 

„Ella ist auch nicht mein Typ, sorry“, der Bassist machte Ellas Schulterzucken nach.

 

Ein Gelächter brach aus, während die vierte Getränkebestellung ankam. „Cole, wenn du so weiter machst, bleibst du Single“, meinte Amy in einem anklagenden Ton.

 

„Na und. Wenigstens gibt’s da noch Leon, der wird auch alleine sterben“.

 

„Alter Cole. Ich ende nicht so wie du“, widersprach der Drummer.

 

„Sucht euch alle drei eine Freundin. Es wird Zeit“, mischte sich Chiara ins Gespräch.

 

„Damit wir Ärger kriegen wie Cedric?“, Mason zog amüsiert die Augenbrauen hoch.

 

„Wieso Ärger?“, hakten die anderen nach.

 

„Pete hat heute versucht, mich mit seinen Blicken zu ermorden“, erzählte ich theatralisch.

 

„Der soll mal 'nen Gang zurückschalten“, Jessica verdrehte ihre Augen.

 

Cedric zuckte mit den Schultern. „Soll er machen was er will, ist mir egal“.

Zweisamkeit

„In welchem Hotel seid ihr?“, mein Kopf lag an Cedrics Schulter und ich war bemüht nicht einzuschlafen. Seine Brust vibrierte schwach, während er mit den anderen sprach.

 

„Im gleichen wie ihr“, antwortete Coles große Schwester.

 

„Super. Dann sehen wir uns auch morgen“, freute sich Cedric aufrichtig.

 

Ich war ein wenig eifersüchtig, musste ich zugeben. Ich freute mich natürlich, dass er den Tag mit seinen Freunden und mit seiner Familie verbringen konnte. Aber seit 3 Wochen wartete ich auf den heutigen Tag! Das er ihn mit mir verbringen konnte, das wir einfach wie ein normales Paar Zeit miteinander verbringen konnten. Aber es funktionierte einfach nicht. Wir waren nie alleine.

 

„Ari, ich muss aufs Klo. Kommst du mit?“, Ella riss mich aus meinem Halbschlaf.

 

„Sicher“, willigte ich ein.

 

„Warum gehen Frauen immer zu zweit aufs Klo? Was treibt ihr da?“, fragte Leons bester Freund, der sich ein Grinsen nicht verkneifen konnte.

 

„Tja, das mein Lieber, bleibt ein Frauengeheimnis“, Ella zwinkerte, ehe wir aufstanden und die Toilette suchten.

 

Ich brauchte unbedingt kaltes Wasser um nicht einzuschlafen. Meine Uhr zeigte bereits nach 3 Uhr in der früh und meine Augen fielen beinahe zu.

 

Ich betrachtete mein müdes Gesicht vor dem Spiegel. Trotz der Uhrzeit sah ich gar nicht so katastrophal aus – Cedrics Anwesenheit brachte mich zum Strahlen. Dagegen war ich wehrlos.

 

„Wer hätte gedacht, dass wir hier mal landen?“, hörte ich Ella aus der Kabine quaseln.

 

„Nicht Mal beim urinieren kannst du ruhig sein, Ella“, ich verdrehte grinsend die Augen.

 

„Deswegen liebst du mich auch so sehr. Wir ergänzen uns perfekt“.

 

Ella wusch sich die Hände und versuchte ihre Frisur zu richten, als es an der Tür klopfte.

 

„Das ist hier eine öffentliche Toilette, man muss nicht klopfen“, sagte meine beste Freundin in einem belehrenden Ton, als sie die Tür öffnete. „Kumpel, du hast dich an der Tür geirrt. Hier, siehst du das Zeichen? Die Symbol bedeutet Frauentoilette“. Vor uns stand Cedric, der sich schmunzelnd Ellas Weisheit anhörte.

 

„Was du nicht sagst, Ella. Vielen Dank! Was würden wir nur ohne dich tun. Aber eigentlich wollte ich nur mit Ari reden“.

 

„Auf der Toilette? Sei doch nicht so romantisch, Cedric“, die Blondine liebte es, Cedric zu ärgern. „Aber mach nur. Ich geh wieder rein“.

 

„Was gibt’s denn?“, wollte ich stirnrunzelnd wissen. Cedric stellte sich vor mich, während ich mich gegen das Waschbecken lehnte.

 

„Ich wollte mit dir reden“.

 

Ich zog die Augenbrauen hoch. „Schieß los“.

 

„Ich hab dir leere Versprechen gegeben, das tut mir Leid“, er sah mich geknickt an.

 

Klar wusste ich, was er meinte. In Chicago hatte er mir 2 Tage nur für uns zwei versprochen. Aber er wusste schließlich nichts von Petes Überraschung.

 

„Mach dir kein Kopf. Ich freu mich, dass du endlich deine Familie wieder siehst“. Wenigstens einer von uns beiden sollte ab und an seine Familie sehen. Zum Beweis, dass mir das nichts ausmachte, drückte ich ihm einen Kuss auf die Lippen. Bevor ich mich wieder zurückziehen konnte, spürte ich Cedrics Hand, welche sich in meinem Haar verirrte und mich wieder zu sich zog. Seine Lippen streiften meine, ohne sie richtig zu küssen.

 

„Lass uns gehen“, meinte er anschließend dicht an meinen Lippen.Ich lachte leise. „Wir können nicht einfach gehen“.

 

„Doch. Können wir und werden wir“.

 

„Gut, dann lass uns wenigstens schnell verabschieden“. Ich hatte kein Problem damit, endlich alleine mit ihm zu sein.

 

„Glaub mir Ari, wenn wir uns verabschieden, werden wir in zwei Jahren nicht wegkommen“, er schmunzelte bei seiner Aussage.

 

„Du willst abhauen?“

 

„Wir werden schon eine Ausrede finden. Ausserdem sind alle im gleichen Hotel wie wir. Wir sehen sie Morgen früh wieder“, er zuckte mit den Schultern und gab mir einen kurzen Kuss, bevor er die Tür öffnete und wir uns rausschlichen.

 

Da alle im großen Saal saßen, hatte uns keiner gemerkt und schneller als gedacht, hatten wir den Ausgang gefunden und suchten nach einem Taxi.

 

„Um die Uhrzeit werden wir nicht so schnell eins finden“, meinte Cedric und schlang seinen Arm um meine Schulter.

 

„Wie wollen wir hier sonst vom Fleck weg?“

 

„Gott sei Dank hast du zwei Beine, Ari. Wobei ich mich wirklich frage, wie du nur auf diesen Dingern laufen kannst. Sieht zwar wirklich heiß aus, aber in diesen Schuhen will ich nicht stecken“, er schnitt eine Grimasse, die mich unweigerlich zum Lachen brachte.

 

„Du musst das auch niemals anziehen“, beruhigte ich ihn. „Aber ja, lass uns laufen“.

 

Langsam schlenderten wir über die leergefegten Straßen. Niemand, der uns störte.

 

„Du hast süße Freunde“.

 

„Ja. Ich hab Glück denke ich. Mit den anderen war ich befreundet, bevor wir berühmt wurden. Sie sind nicht aus Pressegeilheit unsere Freunde“.

 

Ich nickte stumm.

 

„Aber schade, dass du Juliet nicht kennengelernt hast. Sonst wären wir vollzählig gewesen“.

 

„Ach. Es wird sich bestimmt eine Möglichkeit ergeben. Wieso war sie nicht da? Ich hätte mir das heute bestimmt nicht entgehen lassen“.

 

Er zuckte mit den Schultern. „Sie hat bestimmt ihre Gründe. Schade, dass sie nicht da war. Sie ist der Grund, warum wir so leben dürfen, wie wir leben“.

 

„Ich muss ihr bei Gelegenheit auch mal danken“, meinte ich schließlich.

 

Cedric lachte. „Wieso?“

 

„Sonst wären wir uns nie über den Weg gelaufen. Oder willst du mir erzählen, du hättest dir  das Hotel auch so leisten können?“ 

 

Er schüttelte den Kopf. „Wahrscheinlich nicht“.

 

Über uns zogen sich erste Gewitterwolken zusammen und ehe wir uns ein Unterschlupf finden konnten, prasselte der Regen stürmisch auf uns. „Es sind noch 5 Minuten bis zum Hotel. Kannst du rennen?“, fragte Cedric mit fragendem Blick auf meine Schuhe. 

 

„Auf den Hacken? Wohl eher nicht“.

 

„Komm“, Cedric deutete auf seinen Rücken.

 

 „Willst du mich Huckepack tragen?“

 

„Sieht so aus“.

 

„Ich bin doch viel zu schwer“.

 

„Bist du schon nicht. Und jetzt, hören wir auf zu diskutieren. Steig auf“.

 

Fasziniert stellte ich fest, dass es Cedric überhaupt nichts auszumachen schien, mit knapp 57 Kilo auf dem Rücken durch dunkle Gassen zu rennen.

 

Es gewitterte in Strömen, der Wind wehte so stark, dass ich Angst hatte, die Bäume könnten jeden Moment abreißen und über uns fallen. Eine typische Weihnachtsnacht sah anders aus. Aber so war es nun mal in Phoenix.

 

„Pass auf, dass du nicht ausrutscht“, schrie ich laut. Das Gewitter übertönte meine Stimme.

 

Cedric lachte nur ausgelassen und umklammerte meine Beine fester, so dass ich nicht ausrutschen konnte.

 

Am Hotel angekommen, setzte er mich ab. Kurzerhand zog ich meine Schuhe aus um selber den restlichen Weg bis in sein Zimmer zu rennen. Wohl bemerkt, so leise wie möglich, was sich bei unserem Zustand schwerer als erwartet gestaltete.

 

„Scheiße ist das kalt“, ich zitterte und rieb mir über die nackten Arme, als Cedric die Tür in seine Suite öffnete. Mein Kleid presste sich wie eine zweite Haut an meinen Körper. Vergessen war meine ruinierte Frisur.

 

Cedric schob mich sofort ins Bad und stieg völlig bekleidet in die Dusche. Mit einer Hand stellte er die Dusche an und warmes Wasser prasselte auf ihn.

 

„Komm rein, oder du erkältest dich“, meinte er und ohne groß darüber nachzudenken, folgte ich ihm, lies meine Schuhe achtlos auf den Boden fallen.

 

Mir entfuhr ein erleichtertes seufzen, als die warmen Tropfen die Kälte aus meinem Körper vertrieb.

 

„Ich schätze, dass Kleid kann ich nicht mehr zurückgeben“, ich drehte das Wasser noch ein Ticken heißer.

 

Cedrics Blick fand mein Kleid und anstatt wieder in mein Gesicht zu schauen, verharrte er dort.

 

Irritiert sah ich an mir herab und bemerkte, dass meine Unterwäsche durch den feinen, nassen Stoff mehr als nur sichtbar war. Das war doch genau das, was ich während der Aufführung wollte! Das er meine Unterwäsche sah. Aber plötzlich war ich nicht mehr so mutig. Vielleicht würde ihm das was darunter war, nicht gefallen.

 

„Schick“, kommentierte mein Gegenüber mit tiefer Stimme, ohne den Blick abzuwenden.

 

Ich schluckte schwer und bemerkte die aufsteigende Spannung im Raum.

 

„Nicht wahr?“, meinte ich bemüht lässig.

 

„Mh“, brummte Cedric bevor er mich gegen die kalten Kacheln drückte und mir ohne Vorwarnung seine weichen Lippen auf meine drückte. Mich um den Verstand küsste.

 

Ich wusste, dass Cedric nicht weiter gehen würde außer mich zu küssen. Er wusste nicht, ob er die Grenze überschreiten durfte. Das er bereit war, spürte ich deutlich an meinem Bauch, aber was war mit mir?

 

Während Cedrics Zunge sich in meinen Mund schob, nästelte ich unsicher am Reißverschluss meines Kleides herum.

 

Cedric bemerkte mein Vorhaben und löste sich schwer atmend von meinen Lippen. „Bist du sicher?“, seine Stimme hatte einen heißeren Ton angenommen.

 

„Ja“, ich hörte meine feste Stimme im Bad hallen. 

 

Seine Augen bohrten sich in meine und wieder einmal fragte ich mich, wie ich es geschafft hatte, diesen Typen zu angeln.

 

Cedrics Finger fuhren über mein trägerloses Kleid, welches in der nächsten Sekunde am Wannenboden lag und einen Kranz um meine Beine bildete.

 

Da stand ich vor ihm – nur mit der Unterwäsche, die mir Ella aufgeschwatzt hatte. Unter seiner Musterung kribbelte es in meinem ganzen Körper und mein Herz schlug laut gegen mein Brustkorb. So aufgeregt war ich noch nie. Nicht ein Mal bei meinem ersten Mal.

 

„Verdammt. Du lässt es wirklich drauf ankommen. Nach diesem Anblick kann selbst ich nicht mehr standhaft bleiben“, murmelte Cedric ehe er sich wieder meinen Lippen widmete.

 

Als wir klatschnass aus der Dusche heraustraten und in Cedrics Bett stolperten, verlor ich jegliches Zeitgefühl. Der Weg vom Bad bis zum Bett zeichnete sich aus einer langen Spur Kleidung und Wasserlachen, bis ich schließlich tief in die Laken gedrückt wurde und mich nicht entscheiden konnte, ob ich Freude verspüren sollte, vor dem was gleich passieren würde, oder doch eher Angst.  Denn ich wusste, dass Cedric nicht in Enthaltsamkeit gelebt hatte und ich dagegen bis auf ein Mal Sex nicht mithalten konnte.

Liebesglück

Noch immer völlig berauscht benutzte ich Cedrics nackte Brust als Kopfkissen und starrte Löcher in die Luft, während ich sein ruhig schlagendes Herz, gepaart mit seinem gleichmäßgen Atem hörte. Er schlief.

 

Ich hatte nicht lange geschlafen, vielleicht eine gute Stunde. Viel zu sehr kreisten meine Gedanken um das was die letzten Stunden passiert war. Mein Herz fing an, viel zu schnell zu schlagen sobald ich daran dachte.

 

Er hatte alles gesehen. Alles an mir. So wie ich alles gesehen hatte.

 

 

Ich schluckte schwer. Das war doch völlig normal mit seinem Freund zu schlafen. Aber andererseits auch nicht. Ich lag hier neben Cedric, der egal wohin er ging, eine riesige Scharr an Frauen sich um ihn versammelten. Der ganz genau wusste, was er bei einer Frau machen musste. Der zielsicher und geübt seine geschickten Finger auf Wanderschaft schickte und mich um den Verstand gebracht hatte.  Wie viele Frauen hatte er schon? Die wie vielte war ich? Hatte er das bei all den Frauen auch gemacht, was er bei mir gemacht hatte? Hatte er sie auch so zärtlich angesehen und ihnen gesagt, wie hübsch sie seien? Wie war es mit Cheryl?

 

Meine Gedaken kreisten ständig nur darum.

 

 

Es war toll. Mehr als das. Stundenlang hatte er mir gezeigt, worauf ich bisher immer verzichtet hatte und hätte mir jemand nach meinem ersten Mal erzählt, dass Sex so eine entspannende Beschäftigung sein konnte, hätte ich es nicht geglaubt. Meine anfängliche Angst war unbegründet und ich war froh, dass ich das mit Cedric teilen konnte.

 

Verdammt. Ich machte mir zu viele Gedanken um nichts.

 

 

„Wie viel Uhr haben wir?“, Cedrics kratzige Stimme vibrierte an meinem Ohr.

 

„ 10 Uhr“, antwortete ich und fuhr mit meinem Zeigefinger über seinen beeindruckenden Bizeps.

 

„Wieso bist du schon wach? Hab ich dich nicht ausgepowert?“, fragte er frech grinsend.

 

Ich schloss peinlich berührt meine Augen - seiner Bemerkung wegen. 

 

„Ari, bloß keine falsche Scham“, er lachte dunkel und mich überkroch eine Gänsehaut.

 

Er ärgerte mich mit Absicht und das machte ihm einen Heidenspaß.

 

Ich nahm den Blick von seinem Arm und sah ihm stattdessen funkelnd in die Augen. „Hast du nicht“, meinte ich trotzig.

 

„So?“, er zog die Augenbrauen hoch und ehe ich mich versah, vergrub er mich unter sich, ein diabolisches Grinsen zierte seine Lippen. „Dann ab in die nächste Runde, wenn du doch so fit bist“.

 

Ich schluckte schwer. Eigentlich hatte ich nichts dagegen, aber .. ich konnte nicht. Das wurde mir zu viel.

 

„Noch eine Runde? Hast du nicht genug?“, fragte ich und überspielte meine Unsicherheit.

 

„Ich werd nicht genug von dir kriegen. Der Spaß hat doch erst begonnen“, er zwinkerte frech, ehe er seine Lippen auf mein Schlüsselbein drückte.

 

Eigentlich wollte ich mich wehren. Eigentlich. Aber zu sehr genoss ich seine Berührungen.

 

Über Cedrics Lippen huscht ein winziges lächeln und ich fuhr seinen Rücken entlang, als er die Arme links und rechts neben mein Kopf stemmte und meine Lippen einfing. Ohne das ich mich wehren konnte, schob sein Knie meine Beine auseinander.

 

Aus dem Flur ertönte sein Handy. Cedric löste sich fluchend von mir und stand auf – nackt wie Gott ihn erschaffen hatte – und suchte seine Hose im Durcheinander, den wir während unseres Liebesspieles veranstaltet hatten.

 

„Hmm?“, grummelte er missgelaunt. „Wir sind in meinem Zimmer, keine Sorge. Ja, wir sind in einer Stunde da“.

 

Cedric fuhr sich über das Gesicht und lies sich zurück ins Bett fallen.

 

 

„Wer war das?“, erkundigte ich mich und beobachtete mit klopfenden Herzen, wie er seine Hand um meine Taille schob.

 

„Mason. Um 11 Uhr gibt’s großes Familienfrühstück“.

 

Gedankenverloren fuhr ich mit meinen Fingern über seine Brust. Cedric lies es mit einem lächeln geschehen und beobachtete mich mit halb geschlossenen Augen.

 

 

„Kann ich dich was fragen?“

 

„Sicher“.

 

„Mit wie vielen Frauen hast du bisher geschlafen?“, ich presste meine Lippen aufeinander und begegnete seinem erstaunten Blick.

 

„Ist das wichtig?“

 

Ich nickte zaghaft. „Es interessiert mich“.

 

„Sagen wir.. genug.“

 

„Mehr als 10 ?“

 

Er nickte zu meinem Leidwesen. Aber das war mir klar.

 

„Mehr als 15?“

 

Wieder nickte er.

 

„Aber nicht mehr als 20, oder?“

 

„Ari, ich führe keine Strichliste. Es ist doch auch egal, mit wie vielen Frauen ich geschlafen habe. Das gehört zur Vergangenheit“.

 

Mit dieser Antwort gab ich mich nicht zufrieden. „Wäre es auch egal, wenn ich dir erzähle, mit mehr als 20 Männern geschlafen zu haben? Das gehört ja schließlich zur Vergangenheit“

 

Er presste die Zähne aufeinander. „Das ist was anderes“, wehrte er ab.

 

„Aha und wieso bitteschön?“

 

„Weil du nicht so ein Mensch bist. Du steigst nicht mit jedem in die Kiste“.

 

„Du schon?“

 

„Ich hab nicht gesagt, das ich das richtige getan habe, Ari“.

 

Ich zuckte mit den Schultern. Diskutieren war sinnlos. Geschehen war Geschehen.

 

„Und du?“, fragte er.

 

Toll. Darüber wollte ich nicht reden. Das war mir unangenehm.

 

 

„Was und ich?“, tat ich auf unwissend.

 

„Ich weiß, dass ich die Frage hätte stellen sollen, bevor ich mich mit dir im Bett gewälzt habe. Aber ich konnte keinen klaren Gedanken fassen, als du da halb nackt vor mir standest. Ich war nicht der erste, mit dem du geschlafen hast, oder?“

 

Ich schüttelte den Kopf. „Nein. Der zweite“.

 

„Ich dachte, du hattest bisher keinen Freund gehabt?“

 

„Hatte ich auch nicht. Können wir nicht das Thema wechseln?“

 

„Oh nein. Können wir nicht“, beharrte Cedric und sah mich ernst an.

 

„Es ist damals einfach mit meinem ehemals besten Freund passiert, okay? Wir wollten es so. Wir waren nie zusammen. Es war nur das eine Mal. Wieso interessiert es dich überhaupt so?“

 

„Weil du meine Freundin bist und ich das Recht habe, alles zu erfahren. Hast du noch Kontakt zu dem Kerl?“

 

Ich schüttelte den Kopf und merkte, wie die Anspannung aus Cedrics Gesicht fiel.

 

„Schon lange nicht mehr“.

 

„Gut“, meinte Cedric schließlich um einiges besser gelaunt. „Sonst hätte ich ihn verprügelt“.

 

Noch eine weitere Frage brannte mir auf der Zunge. „Cole hat gesagt, du hast Broken Strings selbst komponiert. Für wen? Warst du in ein Mädchen verliebt?“

 

Cedric seufzte schwer und starrte die weiße Decke an. „Nein. Ich war in kein Mädchen verliebt. Ich weiß, der Text hört sich danach an, aber eigentlich geht es nicht um Liebe zwischen Frau und Mann. Es geht um Liebe, um unerfüllte Liebe aber.. Es war .. es ist schwer zu erklären“, Cedric drehte sich zu mir und ein trauriger Schleier hatte sich in seinem Blick gebildet.

 

„Versuchs einfach“, ermutigte ich ihn leise.

 

„Vorletztes Jahr gab es in Dallas einen Brand in der Grundschule. Dabei sind viele Kinder verletzt worden und zwei sind gestorben. Zwei Mädels im Alter von 6 Jahren“.

 

Ich hielt erschrocken die Luft an und wartete auf das, was Cedric mir erzählen würde.

 

„Ich kannte die zwei Mädels. Und auch die Geschwister von ihnen. Du im übrigen auch“, erzählte er stockend und strich mir währenddessen sanft durchs Haar.

 

Kein Wort kam über meine Lippen und so sah ich ihn nur fragend an.

 

„Chiaras kleine Schwester und Juliets kleine Schwester waren zusammen auf der Toilette und keiner hat die beiden gehört. Sie haben es nicht geschafft. Deshalb sind die beiden beste Freundinnen. Ein Herz und eine Seele. Sie haben alles zusammen durchgestanden, davor konnten sie sich überhaupt nicht leiden.. Jedenfalls.. letztes Jahr am ersten Todesjahr hab ich die zwei so fertig gesehen und.. es hat mich inspiriert. Die zwei sind mir wichtig und keiner hat es verdient, seine Schwestern zu verlieren. Wenn ich nur daran denke, dass Jenna oder Laura nicht mehr am Leben sein könnten..“, er schluckte schwer. „Wer die Geschichte nicht kennt, könnte meinen, es sei ein Song, geschrieben von einem Typen, der aus dem Liebeskummer nicht raus kommt,, aber das ist es nicht. Es geht um den Tod und Liebe, Geschwisterliebe, Liebe in der Familie. Sowas halt“.

 

Wake me up, when you arrive. Without you my strings are broken. I don't care what the others say. At least i just want you by my side“, flüsterte ich die Strophe, die sich in mein Hirn gebrannt hatte und mit einem Mal eine völlig neue Bedeutung bekam.

 

„Juliet und Chiara haben sich nicht für die Meinung ihrer Mitmenschen geschert. Sie waren verletzt und traurig und haben gewartet, das ihre Schwestern zurückkommen. Die Menschen interpretieren den Refrain falsch“, erzählte er weiter.

 

 

Der Text passte zu mir. Ich war genauso, in der selben Situation gewesen. Mit – wie Cedric es nannte - gebrochenen Saiten und nicht interessiert an der Meinung anderer, wartend darauf, dass Mom und Dad wieder zurückkamen.

 

 

„Der Text passt auch gut zu mir“, meinte ich, nachdem mir die Stille unangenehm wurde.

 

„Du hast recht. Deshalb war ich so fasziniert von dir. Du hattest diese kühle Aura, hast mir das Grab deiner Eltern gezeigt. Je besser ich dich kennengelernt habe .. desto mehr hatte ich das Gefühl, den Song für dich geschrieben zu haben, ohne dich davor zu kennen“.

 

„Es ist ein schöner Song“, meinte ich zwinkernd, versuchte die ernste Stimmung zu lockern.

 

„Bevor ich es vergesse, ich hab noch etwas für dich“.

 

Überrascht sah ich Cedric an, der mit seinen zerzausten Haaren mehr als verführerisch aussah.

 

Wieder stand er auf – noch immer unbekleidet, wobei ich feststellen musste, dass er kein Gramm zu viel hatte und unzählige Stunden im Fitnessstudio verbracht haben musste, um so auszusehen, wie er aussah. Kurzerhand kam er zurück und setzte sich neben mich. Auch ich setzte mich auf, darauf bedacht, dass die dünnen Lacken das nötigste verdeckte.

 

Er nahm meine Hand und legte ein Kettenetui drauf.

 

Perplex starrte ich ihn an um anschließend nachzusehen, was sich darin befand.

 

Was ich sah, lies mich stocken. Eine wunderschöne silberne Kette, mit rundem Amulett gewann meine volle Aufmerksamkeit.

 

 

„Ach du meine Güte.. Wir.. Hatten wir nicht gesagt, wir schenken uns nichts?“, ich sah ihn tadelnd an, konnte meine Gerührtheit aber nicht verstecken.

 

„Ich wollte es dir schon gestern geben, aber .. alles lief anders als geplant“, er kratzte sich entschuldigend am Hinterkopf.

 

„Danke.. Das ist .. wow. Du hast genau meinen Geschmack getroffen“. Ich grinste hoffnungslos vor mich hin. Konnte man vor Glück sterben?

 

Cedric quittierte meine Aussage mit einem lächeln, dass mich wieder sofort auf Wolke 7 beförderte.

 

„Machst du es mir dran?“, fragte ich ihn.

 

„Sicher, dreh dich um“.

 

Seine Finger streiften meinen Nacken, als er mir die Kette umhing. Das kalte Amulett stand im Kontrast zu seinen warmen Lippen, die mir einen Kuss auf die nackten Schulterblätter hauchten.

 

Ich platzierte meinen Kopf zurück auf Cedrics Brust. „Ich bin müde.. Ich werd noch 'ne halbe Stunde schlafen“, meinte ich gähnend und schob ein Bein zwischen seine Beine, um der Kälte, die dieser Wintertag mit sich brachte, entgegenzuwirken.

 

*~*~*~*~*

 

„Wow, sehr nett, das ihr uns mit eurer Anwesenheit beehrt“, Cole kaute an seinem Brot, als wir uns verspätet zu den anderen an den Tisch setzten.

 

„Dir auch einen guten Morgen“, meinte ich gutgelaunt und schnappte mir die Tasse heißen Kaffee, welcher neben meinem Teller stand. „Ist das meiner?“

 

„Ja. Ella hat gesagt, du trinkst ihn gerne schwarz“, Jessica rückte ihren Stuhl zurecht und streute Salz über ihr Omelett. Ich fragte mich, ob zwischen Mason und ihr wirklich nicht mehr als Freundschaft war. Schließlich sah sie ziemlich hübsch aus, mit ihren langen, hellbraunen Haaren und wenn man sich das als Junge entgingen lies, stimmte etwas nicht. Aber das war ja nicht meine Angelegenheit.

 

„Super, Danke“.

 

„Wir haben uns Sorgen gemacht, wo wart ihr denn gestern plötzlich?“, hinter uns tauchte Cedrics Mutter auf. Die Hände vor der Brust verkreuzt.

 

„Ari ging es nicht gut. Sie verträgt nicht so viel Alkohol“, lügte Cedric gelassen.

 

Bitte? Kein guter Anfang, seiner Mutter am zweiten Tag zu erzählen, die Freundin trinke Alkohol.

 

 

Ich presste meine Zähne aufeinander und versuchte mich an einem zuckersüßen lächeln.

 

„Schatz. Wenn ich mich recht erinnere, hast DU mir auf die Schuhe gekotzt, nicht anders rum“, ich sah Cedrics Mutter an und schüttelte verständnislos den Kopf. „Er übertreibt es immer mit dem feiern. Aber ich bin dabei, ihn zu erziehen“.

 

„Ach, Ariana. Ich weiß wovon du redest. So war er schon während seiner Highschoolzeit. Aber du meisterst das schon“, meinte sie zuversichtlich und klopfte mir auf die Schulter.

 

Tja. Was Cedric konnte, konnte ich schon lange. Ich ignorierte seinen vorwurfsvollen Blick gekonnt und konzentrierte mich stattdessen auf mein Frühstück.

 

Unser Frühstück zog sich stundenweise in die Länge, bis es schließlich 15 Uhr wurde und jeder in seinem Zimmer verschwand. Während ich in meinem Koffer nach meinen Duschutensilien suchte, saß Ella auf dem Bett und lies mich nicht aus dem Auge.

 

„Und, jetzt erzähl schon“, forderte sie mich auf.

 

„Was willst du hören?“, meinte ich schmunzelnd und verstaute meinen Koffer wieder unter dem Bett.

 

„Was habt ihr gestern getrieben? Oh, eigentlich weiß ich es. Du hast dich endlich flachlegen lassen“, sie grinste bis über beide Ohren.

 

„Ella!“, zischte ich empört.

 

„Was denn? Gibs doch wenigstens zu“, sie seufzte theatralisch. „Jetzt sag schon! Ich brenne darauf zu erfahren, wie es mit Cedric Wesley ist“.

 

Ich stockte in meiner Bewegung und setzte mich zu ihr. Reden war nicht schlimm, oder?

 

„Es war einfach der Hammer“, schwärmte ich ungehalten.

 

Ella fing an laut zu lachen. „So wie du die ganze Zeit vor dich hergrinst, ganz bestimmt. Ist er ein Softie oder ein Wilder?“

 

Ich schlug ihr auf den Arm. „Das geht dich rein gar nichts an!“

 

„Ja, was? Wir reden hier nicht von irgendeinem dahergelaufenen Kerl, Ari. Nur noch das, bitte! Dann bin ich still“.

 

„Beides. Mal war er so sanft, dass ich am liebsten anfangen wollte zu weinen und mal so wild, das ich nicht mehr wusste , wo oben oder unten ist“, erzählte ich schwärmend.

 

„Soso. Das heißt, ihr hattet nicht nur ein Mal Sex?“, sie wackelte bedeutsam mit den Augenbrauen.

 

„Nein. Er hat mich die ganze Nacht auf Trap gehalten, wenn du es genauer wissen willst. Und jetzt pscht, ich werde nicht mehr darüber reden“.

 

"Es ist nur Wasser".

Wir saßen gemeinsam im Aufenthaltsraum, der extra für uns abgesperrt wurde.

 

 

Den ganzen Vormittag lang hatte ich versucht, Fernsehen und Magazinen aus dem Weg zu gehen, was mir gut gelungen war. Auch interessierte es die anderen nicht, was die Medien zum gestrigen Tag zu sagen hatte. Heute hatten sie frei, und wollten nichts mit dem Trubel zu tun haben.

 

„Ari, dein Handy vibriert die ganze Zeit“, Cole saß am Tisch, an welchem ich mein Handy zum laden hingelegt hatte und surfte im Internet. „Sven ruft dich an“.

 

Ich löste mich von Cedric und stand vom Sofa auf, um den Anruf meines Bruder entgegenzunehmen.

 

„Hi Sven“, etwas unbeholfen verlies ich den Saal um mir ein ruhiges Plätzchen zu suchen.

 

„Wie geht’s dir?“, fragte mein Bruder. Seiner Stimme konnte ich nicht entnehmen, ob er noch sauer war oder ob April es ganz geschafft hatte, ihn zu beruhigen.

 

„Mir geht’s gut.. und dir?“ Da überall irgendwelche Leute waren, ging ich letztendlich in das Zimmer von Ella und mir.

 

„Du bist überall im Fernsehen“, bemerkte Sven.

 

„Bin ich das?“, ich biss mir schuldig auf die Lippen.

 

„Ja. Und das nicht zu wenig. Du fliegst Morgen zurück, nehme ich an?“

 

Ich unterdrückte ein frustriertes Seufzen. „Ja, Morgen Abend bin ich bei dir“.

 

„Gut. Wir haben nämlich viel zu besprechen. Pass auf, dass seine Fans dich nicht fressen“.

 

„Werden sie schon nicht“, meinte ich trotzig.

 

 

„Du sahst hübsch aus gestern“, sagte er zu meiner Verwunderung.

 

„Oh. Em.. Danke“. Sprach ich gerade mit meinem Bruder?

 

„Wann bist du da? Ich komme dich abholen“.

 

„Nein.. es ist schon in Ordnung, ich komme alleine. Ich hab ja nichts schweres dabei“.

 

„Bist du dir sicher?“

 

„Absolut. Bis Morgen Abend“.

 

„Ja.. bis Morgen Abend“.

 

Ich fuhr mir schnaubend über das Gesicht. Sven und Cedric würden in Lebzeiten keine Freunde werden. Morgen würde er mich damit zutexten, dass Cedric es nicht ernst mit mir meint und wie unverantwortlich es von mir war, mich im Fernsehen zu präsentieren. Darauf hatte ich wirklich keine Lust! Wieso konnte er mir mein Liebesglück nicht gönnen? Ich sagte ja auch nichts dazu, dass er seine Niere gespendet hatte..

 

„Hier bist du“, Cedric stand mit einem Mal vor mir.

 

 

Ich war so abgelenkt mit meinen Gedanken, dass ich gar nicht gehört hatte, wie er hier rein gekommen war.

 

„Wie bist du..- ?“ „Ellas Schlüssel“, Cedric grinste und verschränkte seine Arme hinter seinem Rücken.

 

„Was lachst du so?“, wollte ich misstrauisch wissen.

 

„Da du jetzt sogar offiziell meine Freundin bist, musst du mit ein paar Sachen klarkommen“.

 

„So? Und das wäre?“, ich stützte mich an der Matratze und beobachtete Cedric, der wie verwurzelt an seinem Platz stehen blieb.

 

„Wir hatten diese Nacht wirklich heißen Sex.. aber du musst wissen, dass ich dich nicht mit Samthandschuhen anfassen werde. Meine Freundin erfüllt auch die Aufgaben einer besten Freundin. Und meine beste Freundin zu sein, wird anstrengend und nervig“.

 

Ich verschränkte die Arme vor der Brust. „Was hast du hinter deinem Rücken?“, wollte ich wissen und verengte meine Augen zu Schlitzen.

 

„Eier“, meinte er grinsend und zog diese hinter seinem Rücken hervor.

 

 

Alarmiert stand ich auf. Ich wusste, was er vorhatte. Sven hatte das als Kind nicht nur ein Mal getan.

 

„Wehe“, warnte ich ihn.

 

Cedric lachte glockenklar. Es machte ihm unheimlichen Spaß.

 

„Sonst was?“, fragte er mich provozierend.

 

„Keine Eier, sonst gibt’s Ärger. Und du willst mich nicht sauer erleben“, ich trat einen Schritt zurück und suchte nach einem Versteck.

 

„Ich liebe es, wenn du sauer bist. Dann siehst du richtig heiß aus“.

 

„Lass es nicht drauf ankommen“, warnte ich ihn.

 

Ohne das ich weiterreden konnte, klatschte mir Cedric ein Ei auf mein blaues Top. Fassungslos sah ich an mir herab.

 

„Gut, du hattest deinen Spaß, jetzt reichts“. Ich war bemühnt, ihm nicht etwas an den Kopf zu werfen.

 

„Der Spaß hat doch erst begonnen, Schatz“. Er grinste diabolisch und das zweite Ei traf auf meine schwarze Shorts.

 

„Cedric verdammt. Was soll das?“, ich wollte auf ihn losgehen, als das dritte Ei auf meine Haare traf und die Eierschale vor meinem Auge runterfiel.

 

„Was zur Hölle“, schrie ich ihn an und bekam als Antwort nur ein lautes Lachen.

 

„Wenn ich dich in die Finger kriege“, ich stürmte auf ihn los, was Cedric schnell registrierte und einfach wegrannte.

 

Ich rannte ihm hinterher. „Bleib stehen du Ratte! Was soll das? Wenn ich dich in die Finger kriege!“

 

„Du machst mir aber Angst“, hörte ich ihn von vorne schmunzelnd rufen.

 

 

Wir rempelten dauernd irgendwelche Leute an, aber das störte keinen von uns beiden.

 

Das Katz und Maus Spiel ging so lange weiter, bis wir irgendwann gefühlte Tausend Treppen ins Untergeschoss rannten. Ich wusste nicht, wohin Cedric rannte, aber das war mir im Moment auch egal.. Ich wollte nur die Eierreste aus meinen Haaren sammeln und es in Cedrics Gesicht schmieren. Wie kam er dazu, mich mit Eiern zu bewerfen?!

 

Im riesigen Hallenbad des Hotels blieben wir stehen. Beziehungsweise Cedric blieb stehen und ich stürmte eilig auf ihn zu. „Na warte-“

 

Cedric sah mich grinsend an und lief geschmeidig rückwärts, während seine Augen an meinen hefteten.

 

„Bleib gefälligst stehen du Angsthase!"

 

Ich hatte das große Becken bemerkt. Vorsichtig versuchte ich so viel Abstand wie möglich vom Becken zu gewinnen. Nur wenn ich daran dachte, in diesem tiefen Becken zu sein, überkroch mich die Gänsehaut.

 

„Ich bleibe stehen, und jetzt?“

 

 

Ich fasste in meine Haare. Igitt. Das Eigelb war zum größten Teil noch in meinen Haaren verfangen. Ich fuhr mir durchs Haar und klatschte alles was sich auf meiner Hand befand auf Cedrics Gesicht.

 

„Was zum Geier sollte das? Du hättest ja wenigstens mit einem kleinen Streich anfangen können, wenns dir so großen Spaß macht! Aber nicht gleich mit Eiern!“, zischte ich beleidigt.

 

Cedric lachte vergnügt und zog mich zu einem Kuss an sich heran.

 

„Du hast Eigelb im Gesicht, fass mich nicht an“.

 

Cedric ignorierte meine Aussage und während er mir einen Kuss aufdrückte, bemerkte ich nicht, wie Cedric meinen Zustand ausnutzte, um mich in das Becken zu schubsen.

 

Das Becken war tief.

 

 

Viel zu tief.

 

 

Ich hasste Wasser.

 

 

Damit kam ich überhaupt nicht klar! Mit pochendem Herzen tauchte ich wieder auf und bemerkte, wie ich am ganzen Körper anfing zu zittern. Scheiße! Ich fing an zu hyperventilieren.

 

„Ari“, Cedric tauchte neben mir auf und fasste meinen Arm an.

 

„Scheiße.. Cedric. Ich muss hier raus“, quitschte ich aufgebracht und drückte mich an ihn.

 

 

Etwas perplex sah er mich an. „Ari, das Wasser kann dir nichts“.

 

„Ich spüre den Boden nicht. Oh mein Gott, wie tief ist es hier? Was .. Cedric. Ich .. ich krieg keine Luft. Bitte, ich muss raus.. schnell.. raus..“, ich atmete viel zu schnell und hatte mich einfach nicht unter Kontrolle.

 

Ich wusste, dass es nur Wasser war. Viel zu viel Wasser in einem Becken. Aber Wasser hatte so eine ungeheure Kraft und hatte mein Leben zerstört.

 

„Pscht, beruhige dich“.

 

„Nein. Nein. Raus.. ich.. -“

 

Cedric schloss mich fest in seine Arme und packte meine Beine, um sie über seine Hüften zu legen. „Das Wasser kann dir nichts. Atme tief ein und aus“.

 

Mir war es mehr als nur peinlich, mich so neben Cedric zu verlieren. Aber das war nichts, was in meiner Hand lag.

 

„Dir kann nichts passieren, Ari“, meinte Cedric einfühlsam und strich über meinen Rücken. „Es ist Zeit, deine Angst zu überwinden. Das du nicht an einen See oder ans Meer willst, ist eine Sache.. Aber in einem Pool kann dir nichts passieren“.

 

„Ich will hier raus“, meinte ich mit krächzender Stimme.

 

„Wenn du hier raus willst, musst du alleine rausschwimmen“.

 

„Wie tief ist es hier?“, fragte ich mit zitternder Stimme.

 

„5 Meter“.

 

„Scheiße. Scheiße“, ich atmete hysterisch ein und aus.

 

Cedric nahm mein Gesicht in seine Hand, um mich zu küssen.

 

Ich entspannte mich etwas unter seinen Berührungen.

 

„Es ist nur Wasser“, sagte er zwischen einem Kuss, bevor er seine Zunge in meinen Mund schob.

 

Mein starkes Herzklopfen hörte nicht auf. Zwar war das Wasser nicht der Grund, dafür aber Cedrics Nähe.

„Nur Wasser“, wiederholte er und löste sich wieder sanft von mir.

 

Ich sagte nichts, sondern sah in seine klaren Augen. Es war die reinste Überwindung, in diesem tiefen Becken zu sein, indem mein Fuß keinen Boden spürte.

 

„Ich lasse dich jetzt langsam wieder los, okay?“

 

„Cedric.. bitte lass uns raus.. Bitte“, flehte ich.

 

„Wenn du raus willst, musst du alleine rausschwimmen“.

 

 

Mir blieb also keine andere Wahl. Zuerst löste er meine Beine von seiner Hüfte.

 

„Du musst dich selbst über Wasser halten. Benutz deine Beine“, wies er mich an.

 

Ich nickte eingeschüchtert und konzentrierte mich auf meine Beine.

 

„Guck! Ist doch alles in Ordnung. Und jetzt.. nimm die Arme von mir“.

 

„Du kriegst alles zurück“, ich klang leider nicht so bedrohlich, wie ich es gerne hätte.

 

Mit Mühe und viel zu panischen Bewegungen schaffte ich es an den Beckenrand und hievte mich hoch. Ich fühlte mich wie ein häufchen Elend. Meine Beine zitterten unkontrolliert und ich setzte mich auf den Boden um zur Ruhe zu kommen.

 

 

Cedric stieg ebenfalls aus dem Becken und setzte sich stumm neben mich.

 

Ich fuhr mir über das Gesicht und versuchte die eindringlichen Blicke von Cedric zu ignorieren.

 

„Entschuldige, ich habe nicht damit gerechnet, dass du wirklich so große Panik vor Wasser hast, wie du erzählt hast“.

 

Ich schüttelte den Kopf. „Wieso sollte ich lügen?“, murmelte ich abweisend.

 

„Ich dachte, du kriegst ein wenig Panik aber .. dass du solche Angst hast, wusste ich nicht. Eigentlich wollte ich dir nur zeigen, dass du dir selber nur einredest, dass du Angst vor Wasser hast.. aber es gar nicht so schlimm ist. Tut mir Leid, damit habe ich nicht gerechnet“.

 

Ich atmete tief aus. „Was sollte die Eieraktion?“

 

„Ella hat mir erzählt, dass Sven das als Kind bei dir gemacht hat.. und ich habe irgendetwas gebraucht, um dich ins Wasser zu kriegen“, beichtete er.

 

Ich antwortete nicht darauf. Viel zu beschäftigt war ich noch mit meinem rasenden Herzen.

 

„Bist du sauer?“

 

Überrascht sah ich ihn an. „Nein.. nein.. Es.. ist vielleicht nett gemeint.. aber lass es in Zukunft einfach, okay? Hör auf mir dauernd helfen zu wollen. Ich kann das nicht von jetzt auf gleich“.

 

„Ich hol uns zwei Handtücher“, wechselte Cedric das Thema und antwortete nicht auf meine giftige Aussage.

 

Es dauerte nicht lange und er war zurück. Unachtsam zog er sich sein Shirt über den Kopf und trocknete sich ab, anschließend überreichte er mir das andere Handtuch.

 

Nicht mal sein beeindruckender Oberkörper lenkte mich ab. Mit dem Handtuch trocknete ich meine offenen Haare. Mein Top klebte unangenehm an meinem Körper.

 

„Ich sollte mir was frisches überziehen“, meinte ich anschließend.

 

„Ari.. bitte, hör auf so ein Gesicht zu machen. Ich krieg ein richtig schlechtes Gewissen“.

 

Ich setzte mich auf und hauchte ihm einen schnellen Kuss auf den Mund. „Tut mir Leid.. ich bin nur etwas aufgelöst. Ich brauch ne warme Dusche um zu mir zu kommen. Bis nachher“.

 

„Es ist Weihnachten. Zeit das Kriegsbeil zu begraben“

Frisch geduscht und wieder beruhigt war ich auf der Suche nach den anderen.

 

„Ari, komm her, das musst du sehen!“, ich stand an der Türe zur Lobby, als Ella mich zu sich rief.

 

„Was denn?“

 

Sie drückte mir ihr Handy in die Hand. „Das ist ein Videoausschnitt von Cedric und dir von der gestrigen Feier. Irgendjemand hat euch auf dem roten Teppich aufgenommen uns Internet gestellt. Schau mal, in einem Tag mehr als 300.000 Aufrufe!“

 

Ich lies den Clip laufen und musste schmunzeln. Man sah nicht viel, nur das Cedric seinen Arm um meine Taille schob und mir was ins Ohr flüsterte. Oh Gott, wie ich ihn anschaute! Man konnte ja förmlich die Herzchen sehen, die sich um uns herum bildeten.

 

„Wo ist Cedric überhaupt?“

 

„Draußen, er sitzt bei seiner Familie“.

 

„Okay, ich seh mal nach ihm“. Vorhin waren wir weniger erfreulich auseinander gegangen. Und Morgen würden sich unsere Wege für die nächste Zeit wieder trennen. Da sollte ich jeden Moment mit ihm doch genießen..

 

~*~*~*~*~*~

 

„Ariana! Hier sind wir, komm, setz dich!“, hörte ich Cedrics Mutter rufen.

 

Während seine Eltern auf zwei vereinzelten Korbsesseln saßen, hatte es sich Cedric auf einer Liege gemütlich gemacht. Seine Schwestern lagen gemeinsam auf einer Hängematte.

 

Ich setzte mich neben Cedric auf die Liege. „Findet ihr es nicht ein bisschen zu kalt draußen?“, fragte ich in die Runde und rieb mir über die Arme.

 

„Doch. Aber Laura wollte unbedingt zur Hängematte“, beschwerte sich Cedrics Schwester Jenna.

 

„Du doch auch! Jetzt schieb nicht alles auf mich“, ihre Zwillingsschwester schubste sie am Arm.

 

„Mädels, jetzt hört doch auf zu streiten. Wenigstens heute“, mischte sich Cedrics Mutter ein. Wieder ein Mal stellte ich fest, dass sie wirklich hübsch für ihr Alter war.

 

 

„Und, Ariana? Was machst du beruflich?“, lenkte Cedrics Vater ab.

 

Er machte nicht besonders den Eindruck, als ob er viel von mir hielt.

 

 

„Ich bin Studentin“, erzählte ich.

 

„Oh, was studierst du denn?“, hakte er nach.

 

„Medienmanagement“.

 

„Dann kannst du irgendwann Cedrics Managerin werden. Pete ist auf Dauer zu doof“, kommentierte Jenna.

 

„Mhh. Dagegen hätte ich nichts einzuwenden“, meinte Cedric schmunzelnd.

 

„Schauen wir erst ein Mal, das ich mein Studium zu Ende kriege. Das dauert ja noch eine Weile“.

 

„Wie bist du denn auf Medienmanagement gekommen?“, fragte Cedrics Mutter aufrichtig interessiert.

 

„Hmm. Eher spontan. Ich hab einen Test gemacht, welches Studienfach zu mir passen könnte.. und irgendwie ist dann Medienmanagement rausgekommen“.

 

„Ja, das ist natürlich auch eine Möglichkeit! Hast du Geschwister?“, fragte seine Mutter weiter.

 

„Einen großen Bruder. Er heißt Sven“.

 

„Und.. deine Eltern sagen nichts, dass du Weihnachten nicht mit der Familie feierst?“, hakte Cedrics Vater nach.

 

Meine Eltern? Ich wusste nicht, was die Leute dauernd mit meinen Eltern hatten. Jeder schien auf sie ansprechen zu wollen.

 

„Wollen wir rein? Es ist langsam wirklich kalt“, unterbrach Cedric unser Gespräch. Ich wusste, er wollte mir helfen. Früher oder später würden alle es aus den Medien erfahren und es wäre vielleicht besser, wenn sie das von mir hören würden, aber ich wollte nicht erzählen, dass ich Waise war. Noch nicht.

 

„Ja, ich hab genug von der Hängematte, lasst uns rein und was heißes trinken“, stimmte Laura ihrem großen Bruder zu.

 

Während alle reinliefen, erfasste Cedric mein Handgelenk, damit ich stehenblieb.

 

„Alles in Ordnung?“, fragte er und zog seine Stirn in Falten.

 

„Ja. Tut mir Leid.. ich bin.. naja.. du weißt, das Thema.. -“

 

„Schon gut, Ari. Ich muss mich entschuldigen. Ich hätte es dir vielleicht sagen sollen, was ich vorhatte“.

 

„Vergessen wir es einfach“, schlug ich vor.

 

„Schon getan“, Cedric verschränkte seine Finger mit meinen. Ein unbeschreibliches Kribbeln zog durch meine Magengegend. „Übrigens habe ich vor, dich diese Nacht zu entführen“.

 

Ich zog amüsiert meine Augenbrauen hoch. „So, wohin denn?“

 

„Lass dich überraschen“, meinte er geheimnisvoll.

 

„Leute, jetzt kommt endlich rein“, Jenna war wieder nach draußen zu uns gelaufen. „Wir haben für euch mitbestellt, die Getränke werden kalt“.

 

„Wir kommen gleich, kleine Hexe“, antwortete Cedric und zwinkerte seiner Schwester zu.

 

~*~*~*~*~*~

 

Es gab eine Sache, die mir wirklich Leid tat. Coles Eltern, Cedrics Eltern und Masons Mutter waren gekommen – samt Geschwister aller dreien. Nur Leon war alleine. Ich wusste ganz genau, wie er sich fühlen musste, auch wenn er sich nichts anmerken lies, denn ich fühlte genauso. Jedes Mal durchfuhr mich ein Stich im Herz, wenn ich mitbekam, wie liebevoll alle miteinander umgingen und man wirklich merkte, wie sehr sie sich vermisst hatten und die gemeinsame Zeit nutzten. Wenn meine Eltern da wären, hätte ich sie mindestens genauso innig umarmt. Wenn nicht sogar gar nicht mehr losgelassen. Aber während die Jungs sich wenigstens darauf freuen konnten, irgendwann Mal wieder in den nächsten Wochen oder Monaten ihre Eltern wiederzusehen, mussten Leon und ich damit leben, sie nie wieder zu sehen. Oder in seinem Fall, nie gesehen zu haben.

 

„Ari, wo bist du wieder mit deinen Gedanken?“, Cole nahm neben mir platz und sah mich erwartungsvoll an.

 

„Ach.. nicht so wichtig“.

 

„Ich weiß nicht, ob es mir gefallen soll, dass du mit Cedric zusammen bist oder nicht“.

 

„Wieso denn das?“, fragte ich verwundert.

 

Cole zuckte mit den Schultern. „Naja.. seitdem ihr was miteinander habt, haben wir nichts miteinander zu tun“.

 

„Was, das stimmt doch gar nicht“, wehrte ich ab.

 

„Oh doch, und wie das stimmt. Mich freut es ja, dass ihr euch habt. Ich kann euch schließlich beide gut leiden. Aber ich wollte es nur erwähnt haben.. ich bin ein ehrlicher Mensch und hab keine Lust mich mit solchen Gedanken zu belasten“.

 

Perplex sah ich ihn an. „Tut mir Leid. Ich wollte dir nicht das Gefühl geben.. -“

 

„Ari, chill. So heftig ist das nicht“, meinte er im nächsten Moment völlig heiter.

 

Coles Stimmung war ziemlich sprunghaft. Aber ich war nicht so wie er. Ich konnte nicht jeden Gedanken, der mir im Kopf herumspukte, frei äußern.

 

„Soll ich dir sagen, an was ich gedacht habe?“

 

„Klaro“, er nickte eifrig.

 

„Ich hab mich gefragt, wo Leon ist“.

 

Cole zuckte mit den Achseln. „In seinem Zimmer schätze ich. Er vermeidet große Menschenmengen“.

 

„Ja aber.. diese Menschenmenge ist doch sein Bekanntenkreis.. Bei euren Auftritten sucht er ja auch nicht das Weite“.

 

„Du kennst ihn nicht.. Um dir Leons Charakter zu erläutern, müssten wir uns ein paar Tage Zeit nehmen.. Lass dir einfach gesagt sein, dass es normal ist. Ihm geht’s bestens. Schau doch nach ihm, wenn du dich besser fühlst“.

 

„Ich?“, ich zeigte anklagend mit dem Zeigefinger auf mich. „Ph. Der lässt mich bestimmt nicht mal rein, so wie er mich immer ansieht“.

 

„Es ist Weihnachten. Zeit das Kriegsbeil zu begraben“, er zwinkerte kess.

 

Ich zuckte nur mit den Schultern. „Nachschauen kostet ja nichts“, murmelte ich.

 

Egal ob Cole sagte, Leon würde es gut gehen, glaubte ich das nicht. Es war Weihnachten. Keinem Waisen auf der Welt ging es an Weihnachten gut.. Seitdem mir Leon gestern offenbart hatte, auch Waise zu sein, sah ich ihn mit ganz anderen Augen und seine abweisende Art nahm ich gelassener an wie zuvor.

 

Deshalb nahm ich meinen Mut zusammen und klopfte keine 10 Minuten später an seiner Tür. Ich sollte mir ein Beispiel an Cole nehmen. Anstatt irgendwas in mich reinzufressen, sollte ich einfach fragen, ob und was sein Problem mit mir war.

 

„Was gibt’s?“, Leon sah mich desinteressiert an.

 

„Alles in Ordnung?“, hakte ich nach.

 

Er zog seine Stirn in Falten. „Hat dich Cedrics Mom geschickt?“

 

„Nein, wieso sollte sie?“, fragte ich ein wenig verwundert.

 

„Vergiss es. Also, was gibt’s?“

 

„Sag mal, haben wir zwei ein Problem miteinander?“

 

„Ein Problem?“

 

Ich nickte.

 

„Sollten wir ein Problem miteinander haben?“, stellte er eine Gegenfrage.

 

„Keine Ahnung. Du wirkst so“.

 

Er verdrehte seine Augen. „Komm rein“.

 

Wutausbrüche und Schmuddeltelefonate

Leon war im Gegensatz zu Mason und Cole ziemlich ordentlich. Während die zwei Jungs alles dran setzten, um das Zimmer wie ein Schlachthof aussehen zu lassen, war in Leons Suite keine Spur von Unordnung zu erkennen.

 

Etwas unbeholfen sah ich mich um und wartete darauf, dass er mich aufforderte, mich hinzusetzen. Doch davon keine Spur. Stattdessen zog er erwartungsvoll seine Augenbrauen nach oben und deutete mit einer genervten Geste, dass ich meinen Mund aufmachen sollte.

 

„Ich frage mich, ob du ein Problem mit mir hast, weil du immer so grimmig schaust und kaum mit mir redest. Gestern dachte ich eigentlich, dass alles vom Tisch wäre.. Aber du bist in dein altes Muster gefallen. Also Leon, was hab ich dir getan?“

 

„Nichts. Aber ich muss dich nicht in den Himmel loben, wie die anderen, oder?“

 

Perplex sah ich ihn an und versuchte eine schlagfertige Antwort auf seine Aussage zu finden.

 

„Keiner lobt mich in den Himmel“, widersprach ich.

 

„Sieh es wie du willst. Ich bin nicht so ein Typ“, er zuckte nüchtern mit den Schultern.

 

„Zu den anderen bist du auch nicht so“.

 

„Wie lange kennen wir uns? Wie lange kenne ich die anderen? Ich sehe es nicht ein, dir Interesse vorzuheucheln“.

 

„Um Gottes Willen! Das hab ich doch gar nicht gesagt. Hör auf mir die Wörter im Mund umzudrehen“.

 

„Gut. War das alles?“

 

Ich atmete tief aus. „Nein. Heute ist Weihnachten. Ich weiß, dass du mir das niemals bestätigen würdest, aber keinem Waisen auf der Welt geht es an Weihnachten gut. Egal wie desinteressiert man auch tut, hat jeder irgendwo ein Herz. Auch wenn es klein ist und aus schwarzer Kohle“.

 

Um Leons Mundwinkel zuckte ein lächeln. „Mein Herz ist also klein und aus schwarzer Kohle?“

 

„Scheint so“, meinte ich achselzuckend.

 

„Ariana. Ich hab kein Problem mit dir, wenn es das ist was du hören willst. Von Anfang an nicht, okay? Reicht dir das?“

 

Ich nickte artig. Das war mehr als ich von Leon erwartet hätte.

 

„Ah und bevor ich es vergesse, Cedric hat gestern etwas im Restaurant vergessen. Warte, ich hole es dir“.

 

So lange Leon also im Nebenzimmer verschwand, schweifte mein Blick durch seine Suite. Was mir auffiel, war, dass Leon einen Stapel Bücher in einer Ecke platziert hatte. Die Neugier meiner inneren Literaturfanatikerin war geweckt und so lief ich geradewegs in dessen Richtung.

 

Ich schnappte mir das erste Buch aus dem Stapel und begann die Kurzbeschreibung zu lesen.Wer hätte gedacht, dass Leon las? Kurzerhand fiel sein Lesezeichen herunter.

 

Beim zweiten Blick fiel mir auf, dass es gar kein Lesezeichen war, sondern eine Zeichnung.Ein hübsches, blondhaariges Mädchen saß im Sand und gab einem kleinen, ebenfalls blondhaarigen Jungen einen Kuss auf die Wange.

 

Woher Leon dieses Motiv hatte? Hatte er doch Sehnsucht nach einer Familie?

Die Initialen am unteren Rand des Bildes sprangen mir ins Auge. L.P.

 

Für einen kurzen Moment hatte ich mit dem Gedanken gespielt, dass die Inizialen für Leon standen. Leon Parker! Das hätte gut gepasst. Aber genauso schnell vergaß ich den Gedanken. Das passte überhaupt nicht zum kalten Drummer, irgendwelche herzerweichenden Bilder von Menschen zu malen. Und dann auch noch so unglaublich originalgetreu!

 

„Was machst du da?“, hörte ich ihn hinter mir brummen.

 

„Hab mir deine Bücher angeguckt und dein Lesezeichen ist rausgefallen“, gestand ich ahnungslos und war nicht auf seine nächste Reaktion gefasst.

 

 

Mit schnellen Schritten kam er auf mich zu und riss mir Bild und Buch aus der Hand.

 

„Was glaubst du wer du bist? Warum zum Teufel schnüffelst du hier herum?“, schrie er mich an.

 

Verwirrt sah ich ihn an. „Leon? Ich schnüffele nicht. Mir ist nur deine Büchersammlung ins Auge gesprungen“, versuchte ich ihn zu beruhigen.

 

„Raus hier“, meinte er wütend.

 

„Okay.. ich gehe schon.. Ich verstehe nicht, warum du dich so aufregst“, ich schluckte meinen verletzten Stolz herunter und lief zur Tür. „Tut mir Leid. Ich wollte dich nicht verärgern“, sagte ich bevor ich die Tür hinter mir zuschloss.

 

Warum zum Teufel war er auf ein Mal so ausgeflippt? Ich mochte es auch nicht, wenn man in meinen Sachen schnüffelte und auch ich hatte damals Cedric angekeift, weil er das Bild meiner Eltern in seine Hand genommen hatte.. Aber das? Das war übertrieben?!

 

Es war kein normales Bild!

 

Hätte er nicht so reagiert, hätte ich das Motiv bereits vergessen .. aber seines Verhalten wegen war meine Neugier gepackt. Waren es doch seine Inizialen? Wer waren diese zwei Personen? Versteckte Leon etwas? Konnte ich Cedric fragen? Aber es ging mich nichts an.. Aber seine Reaktion hatte mich wirklich neugierig gemacht. Ich musste der Sache auf den Grund gehen.. irgendwann.

 

Anstatt wieder zurück zu den anderen zu gehen, schlug ich den Weg in Ella und mein Doppelzimmer.

Leise setzte ich mich auf mein Bett und überlegte, was ich machen sollte. Ich war es nicht gewohnt, dass man mich anschrie. Vor allem aber hatte er mir das Gefühl gegeben, ich hätte etwas falsches und unerlaubtes getan. Dabei hatte ich mir nur ein Buch angeguckt!

 

„Xaver! Ich hätte Weihnachten auch so gerne mit dir verbracht. Aber Morgen bin ich zurück! Wehe, du nimmst dir nicht frei für mich! Ja.. Ja.. Ich vermisse dich auch unglaublich..“ Ella kam kichernd ins Zimmer rein, ohne mich zu bemerken.

 

„Hat dir das Kleid gefallen? Oh, wirklich? Du hättest erst sehen sollen, was ich darunter anhatte.. Mhh.. beschreiben? Ein Hauch von nichts.. die Unterwäsche entsprach genau deinem Geschmack.. ich werds dir Morgen zeigen.. Natürlich zieh ich sie an.. wenn du willst..“

 

„Ella. Führ deine Schmuddelunterhaltungen wo anders“, unterbrach ich meine beste Freundin und setzte ihre Aufmerksamkeit auf mich.

 

„Ariana Clear!“, rief sie erschrocken. „Schatz, ich rufe dich nachher an. Wir haben einen unerlaubten Zuhörer. Bis nachher und grüß Michael von uns“.

 

Ella stemmte ihre Hände an die Hüften und sah mich funkelnd an. „Ari. Du bist zwar meine beste Freundin und ich bin offen was mein Sexualleben angeht, aber was ich mit meinem Freund am Telefon bespreche, geht dich nichts an!“, wies sie mich zurecht.

 

„Dann schau doch mal im Zimmer herum, ob jemand da ist. Schließlich teilen wir uns das und es ist nicht dein eigene Suite“, meinte ich unbeeindruckt.

 

Skeptisch sah sie mich an. „Ist was passiert?“

 

„Nein, wieso?“, log ich.

 

Sie verdrehte ihre Augen. „Ich sehe dir sowas an der Nasenspitze an. Also, was ist passiert?“

 

Ich seufzte und erzählte ihr vom Zusammentreffen mit Leon.

 

„Mensch Ari, jetzt bin ich auch neugierig geworden. Der hat bestimmt ne Leiche im Keller“.

 

Ich verdrehte meine Augen. „Jetzt übertreib es doch nicht gleich.. Aber irgendetwas ist dran“.

 

„Frag doch Cedric“.

 

„Hab ich schon Mal. Aber er meinte, er sei Leons Freund und könnte deshalb nichts sagen.. Naja. Wird wohl immer ein Rätsel bleiben der Kerl“.

 

„Kopf hoch, Wir sind ja nicht wegen Leon hier. Übrigens sucht dein Freund dich. Du sollst dich fertig machen, er wartet um 18 Uhr am Hintereingang. Mehr hat er nicht verraten“.

 

Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich nur noch eine Stunde hatte. Panisch stand ich auf. „Scheiße, das ist ja bald!“

 

„Dann Beeilung“, kam es schmunzelnd von Ella. „Und wehe du ziehst Oma Unterwäsche an“.

 

„Ich hab halt nichts anderes. Außer, du leihst mir dein 'Hauch von nichts' aus?“

 

Auf meine Aussage hin schmiss Ella mir ein Kissen entgegen. „Die sind für Xaver meine Liebe, ich kann sie dir nicht ausleihen“, meinte sie und streckte ihre Zunge raus.

 

„Ich will auch gar nicht die Unterwäsche haben, mit der du Morgen deinen Freund verführen willst“, meinte ich lachend und verschwand im Bad.

 

„Schön, mir steht sie eh um längen besser“, rief mir meine beste Freunde schmollend hinterher.

 

Erstes Date Part 1

Ein Überflug von Melanchonie durchströmte mich, als ich Cedric auf mich zulaufen sah.

 

Würde das zwischen uns immer so ablaufen? Das wir uns nur an wichtigen Feiertagen sahen?

 

Die schwarze Jeans und das dazugehörige dunkelblaue Hemd standen ihm hervorragend. Niemals würde ich mich an diesen Anblick gewöhnen.

 

„Na meine Schöne? Bereit für die Überraschung?“, fragte er und zog mich an sich.

 

„Mehr als bereit“, meine Hände strichen über seine Brust. Einfach, weil ich es konnte und durfte.

 

„Heute keine Absätze?“, er deutete auf meine schwarzen Stiefel.

 

„Nein.. Falls es wieder anfängt in Strömen zu regnen kann ich selber rennen und muss nicht von dir getragen werden“.

 

„Ich trag dich gern“, er legte seinen Arm um meine Schulter und dirigierte mich zum Hinterausgang.

 

„Bestimmt, wer trägt schon gern“, meinte ich augenverdrehend.

 

„Beim Training stemme ich das Doppelte“.

 

„Schön du Angeber“.

 

„Das war nicht das was ich hören wollte“, meinte er schmollend.

 

„So? Was wolltest du denn hören?“, mit klimpernden Augen sah ich ihn an.

 

„Sowas wie.. Oh Cedric, du bist so stark“, dabei veränderte er seine Stimme zu der eines Mädchens.

 

„Tz, träum weiter, sowas wirst du niemals von mir hören“, ich drückte ihm einen Kuss auf den Mund.

Draussen stand ein kleiner blauer Wagen, der nicht mit den sonstigen Autos, mit denen die Jungs herumkutschiert wurden, mithalten konnte.

 

„Schenkst du mir ein Auto?“, wollte ich amüsiert wissen.

 

„Wenn du eins willst – sofort. Aber dieses Auto ist für unseren Ausflug gedacht“.

 

„Ausflug?“

 

„Ja, steig ein“.

 

Ich ließ mich auf den weichen Sessel plumsen. „Jetzt hast du mich aber wirklich neurigierig gemacht“, gestand ich.

 

Er zwinkerte mir zu und dieser perfekt harmonische Moment lies mich auf Wolke sieben steigen.

 

Unsere Fahrt verlief schweigend, nur die Musik aus dem Radio war zu hören. „Ich sehe dich das erste Mal fahren“, bemerkte ich nach einer Weile. „Im Regelfall sieht das Mädchen den Jungen immer beim ersten Date fahren, wenn er sie abholt“.

 

„Du sagst es – Regelfall. Nichts zwischen uns beiden ist ein Regelfall“.

 

„Ja.. das stimmt“, mein Blickfeld war auf Cedrics Profil gerichtet. Heute war unser letzter gemeinsamer Abend. „Wann sehen wir uns das nächste Mal wieder?“

 

Cedric seufzte tief. „Ich weiß es nicht.. Ich schätze erst wieder in 3 Wochen“.

 

Super. Schon wieder 3 Wochen. „Wie lange hast du frei?“

 

Die Lippen des Sängers pressten sich zu einem schmalen Strich. „3 Tage“.

 

„Na gut“, meinte ich kleinlaut. Hatte eine Beziehung in der man sich alle 3 Wochen einen Tag sah überhaupt eine Chance? Egal wie schön unsere gemeinsame Zeit war und wie sehr ich sie genoss.. dieses Bedenken würde ich wohl niemals loswerden.

 

Cedric antwortete nicht, konzentrierte sich stattdessen auf den Verkehr.

 

~*~*~*~*~*~*~

 

„Wo sind wir hier?“, wollte ich wissen, als ich bemerkte, dass Cedric parkte.

„Wirst du gleich erfahren“.

 

Wir stiegen aus, Cedric nahm meine Hand während ich versuchte, rauszukriegen, was seine Überraschung hätte sein können.

 

„Ich hab mir überlegt, dass es uns beiden gut tun würde, etwas zu unternehmen, was jedes normale Paar auch tun würde. Das hier ist unser erstes Date. Ich hab dich mit dem Auto abgeholt und werde dich jetzt zum Essen einladen“.

 

„Du willst mit mir essen gehen?“, wir standen vor dem Restaurant und ich sah ihn skeptisch an.

 

„Magst du etwa kein Essen?“

 

„Und ob! Aber.. ich weiß nicht ob das so eine gute Idee ist... jetzt dort drinnen zu essen..“

 

„Wieso denn nicht?“, Cedric zog seine Augenbrauen in die Höhe.

 

„Egal wohin du gehst ist Blitzlichtgewitter.. deshalb“.

 

„Keine Sorge Ari. Daran habe ich schon gedacht“, meinte er schmunzelnd und zog mich hinter sich zum Eingang.

 

„Hä? Wo sind denn die ganzen Menschen?“, das Restaurant war leer. Keine Menschenseele.

 

„Naja.. letzten Endes sind wir eben doch kein normales Paar und können nicht in irgend ein Restaurant.. Also habe ich.. Deshalb habe ich das Restaurant für heute Abend gemietet. Nur für uns zwei“, gestand er und wirkte mit einem Male plötzlich eingeschüchtert.

 

„Du.. du hast was gemacht?“, fragte ich schroffer als beabsichtigt.

 

Cedrics Schultern sackten ein. „Keine gute Idee?“

 

„Bist du verrückt?“, ich sah ihn entsetzt an. „Das ist doch viel zu teuer! Wie kannst du sowas nur machen, Cedric!“

 

„Ari, Geld ist nun wirklich nicht das Problem“.

 

Ich schüttelte den Kopf. „Nein.. aber trotzdem.. Das ist so süß.. und so teuer. Ich hab doch gesagt du sollst kein Geld für mich ausgeben.. Ich meine das ernst!“

 

„Also Überraschung gelungen?“, fragte er und kratzte sich am Hinterkopf.

 

„Natürlich. Ach Gott.. natürlich gefällt es mir! Wie kannst du nur fragen“.

 

„Dann genieß es einfach. Mach dir über das Geld keine Sorgen, okay? Ich will, dass das mit uns zwei funktioniert – wirklich“, sagte er ernst und sah mir so tief in die Augen, dass ich außer zu Nicken keine weitere Reaktion von mir geben konnte.

 

*~*~*~*~*~*~*~

 

„Wissen Sie schon, was Sie wollen?“, fragte uns der Kellner nachdem wir eine halbe Ewigkeit gebraucht hatten, bis wir die Speisekarte genug erkundigt hatten.

 

„Ehrlich gesagt nein – bringen sie uns ihr bestes Menü“, meinte Cedric daraufhin.

 

„Herr Wesley.. Geschmäcker sind verschieden“.

 

„Ihr Koch weiß bestimmt, was uns schmecken könnte“.

 

Der Kellner sah Cedric weniger begeistert an. Er war offensichtlich kein Fan von ihm. „Natürlich. Ich richte es ihm sofort aus“.

 

Still hatte ich das Szenario mitangesehen. „Wie viel hast du bezahlt, dass die so nett sind?“, fragte ich und verschränkte meine Arme vor der Brust.

 

„Tja. Mann spricht nicht vom Preis. Wie gesagt Ari – Geld ist nicht das Problem. Genieß es einfach“.

 

„Na gut.. kann ich dich dann etwas anderes fragen?“

 

„Klar doch“.

 

„Naja..“, ich nahm die Serviette in die Hand und spielte an ihr herum. „Ist Leon zufällig in ein Mädchen verliebt?“

 

Cedric zog seine Stirn in Falten. „Verliebt? Wie kommst du denn darauf?“

 

„Beantworte mir meine Frage, dann beantworte ich deine“.

 

„Das musst du ihn schon selber fragen“.

 

„Das heißt, er ist verliebt. Sonst würdest du es verneinen“.

 

Cedric lachte leise. „Das heißt gar nichts. Wenn du das wissen willst, musst du ihn schon selber fragen“.

„Dann halt nicht.. Und.. hat er noch andere Talente außer Schlagzeugspielen?“

 

„Nicht das ich wüsste, wieso fragst du? Hast du jetzt Interesse an meinem Bandkollegen?“

 

Ich verdrehte lächelnd die Augen. „Leon ist wirklich nicht mein Typ. Dazu ist er mir zu unfreundlich. Ihr seid seit Jahren befreundet. Du kannst mir nicht erzählen du wüsstest nichts von seinen anderen Begabungen“.

 

„Ich hab keine Ahnung von was du sprichst“.

 

„Du weißt also nichts von seinen genialen Zeichnungen? Unglaublich, dabei kennt ihr euch doch schon so lange! Wieso er mir das erzählt und dir nicht...“, bluffte ich und hoffte Cedric würde darauf anbeißen.

 

„Er hat dir seine Zeichnungen gezeigt?“, fragte Cedric mehr als erstaunt.

 

Das war also tatsächlich Leons Zeichnung! Ach du meine Güte!

 

„Ja er hat mir das Bild gezeigt, die Blondine ist wirklich hübsch gewesen“.

 

„Ich fasse es nicht! Er hat dir einfach die Zeichnungen von Juliet gezeigt? Nicht mal ich hab sie zu Gesicht bekommen!“

 

In meinem Hirn fing es mächtig an zu arbeiten. Das blonde Mädchen war Juliet? Hatte Leons bester Freund nicht gesagt, es sei aus zwischen ihm und Juliet?

 

„Das Mädchen auf dem Bild ist Juliet? Ist Leon in Juliet verliebt? Oh mein Gott! Weiß Chris davon Bescheid?“

 

Leon war ja ganz anders gestrickt, als er sich immer gab!

 

Auch in Cedrics Hirn schien es zu rattern. Er weitete ungläubig seine Augen „Sag mal.. Hast du mich gerade verarscht?“

 

„Sonst hättest du mir nichts erzählt!“

 

„Ari. Leon ist mein Freund und er will nicht, dass irgendjemand Bescheid weiß. Er weiß nicht Mal das ich Bescheid weiß“.

 

Ich rückte ein Stück näher zu ihm. „Und woher weißt du es dann, Detektive?“

 

Er seufzte ergeben. „Ich hab die Bilder auch gefunden.. Und dann eins und eins zusammengezählt. Er versucht es sich nicht anmerken zu lassen, was ihm auch wirklich gut gelingt, aber Leon .. ach vergiss einfach was ich gesagt hab“.

 

„Aber Schatz!“, ich zog eine Schnute.

 

„Seit wann bist du denn neugierig? So kenne ich dich gar nicht“.

 

„Ob du es glaubst oder nicht – so kenne ich mich selber nicht. Aber Leon ist ja sogar noch verschlossener als ich es war.. Und verschlossen sein ist wirklich anstrengend. Ich versuche ihn nur zu verstehen“.

 

„Misch dich nicht ein Ari. Es geht uns nichts an“.

 

„Und ob es dich etwas angeht. Er ist doch schließlich dein Freund“.

 

„Ja. Aber wie du mitbekommen hast will er nicht darüber reden. Woher kennst du seine Zeichnungen?“

 

„Hab sie in seinem Zimmer gefunden als ich ihn zur Rede stellen wollte, warum er immer so abweisend zu mir ist.. Dann ist er ausgeflippt“, ich zuckte mit den Schultern.

 

Ich verstummte, als ich den Kellner mit zwei großen Teller auf uns zukommen sah.

 

„Als Vorspeise haben wir Gambas al Ajillo und gratinierter Ziegenkäse auf Baguettescheiben mit jungem Blattsalat“, erklärte er während er uns die Teller servierte.

 

„So Ari und jetzt genug von Leon. Witme dich lieber deinem Essen“, hörte ich Cedric sagen, der seine Augen nur schwer von seinem Teller nehmen konnte.

 

Vorerst würde ich mich mit der Situation zufrieden geben. Aber ich musste einfach herauskriegen, was Leon wirklich für ein Typ war. Mein Helfersyndrom war geweckt.

 

"Mit mir wird dir nicht langweilig, dafür sorge ich"

 

Ich war wunschlos glücklich. Vor mir saß der Mann meiner Träume und schenkte mir seine ganze Aufmerksamkeit. Ich konnte es nicht beschreiben, aber jede Sekunde, die ich mehr mit ihm verbrachte, brachte mich dazu, mich noch mehr in Cedric zu verlieben, als ich es sowieso schon war. Es war mehr als verliebt sein, es war Liebe. Ehrliche Liebe, die ich noch nie für jemanden empfunden hatte. Ich fühlte mich einfach geborgen in seiner Nähe.

 

Nachdem wir gegessen hatten, Cedric und ich hatten uns ein Essmarathon der Extraklasse geliefert, wobei er haushoch gewonnen hatte, beschlossen wir, noch etwas spazieren zu gehen, bevor wir zurück zum Hotel fuhren.

 

„Ich hab lang' nicht mehr so gut gegessen“, meinte ich und strich mir mit vollem Magen über den Bauch.

 

„Was war mit gestern?“, fragte Cedric und zog seine Augenbrauen in die Höhe.

 

„Nein, das heute konnte nicht mal das Essen von gestern toppen“.

 

„Ich wusste gar nicht, dass du gefräßig bist“, meinte er lachend und zog mich an sich, um seinen Arm über meine Schultern zu legen, während wir planlos die Straßen entlangliefen.

 

„Du weisst noch vieles nicht über mich“, ich zuckte mit den Schultern und gab ihm einen Kuss auf die Wange.

 

„So, was gibt’s denn sonst noch über dich zu erfahren, Ariana Clear?“, wollte er zwinkernd wissen.

 

„Das musst du schon selbst rausfinden“.

 

„Zur Zeit häufen sich die Infos über dich Ari, aber ich bin gewillt, noch mehr rauszufinden“.

 

„Achso? Es häufen sich die Infos? Was hast du denn über mich erfahren?“

 

„Hmm. Zum Beispiel habe ich heute Nacht feststellen können, dass man ungehemmten Sex mit dir haben kann, was ich echt geil finde“.

 

Mit geweiteten Augen sah ich ihn an. Hatte er das wirklich gesagt?

 

„Außerdem habe ich rausgefunden, dass du richtig schöne, empfindliche Brüste hast“, zählte er unverfroren weiter.

„Cedric!“, ich sah ihn mahnend an.

 

„Was denn? Jetzt lass mich weiter aufzählen. Du wolltest es doch hören.. Im Schlaf schiebst du immer deine Füße zwischen meine Beine, auf der Suche nach Wärme. Du hast zwei Muttermale am linken Steißbein und du hast extrem schöne Fußfesseln“.

 

Schmunzelnd sah ich ihn an. „Im Ernst? Fußfesseln? Hast du den Durchmesser gemessen oder wie?“

 

„Nein, manche Frauen haben so dünne Fußfesseln und andere so dicke, aber deine sind genau nach meinem Geschmack“, erklärte er wissend.

 

„Soso. Dann bin ich ja beruhigt, wenn dir meine Fußfesseln gefallen“.

„Es sind nicht nur deine Fußfesseln“, sagte er und blieb stehen. Ich sah ihn fragend an.

„Ich glaube, ich sage dir viel zu wenig, dass ich alles an dir toll finde“.

 

Der abrupte Stimmungsumschwung blieb mir nicht verborgen. Mein Herz machte einen lauten Sprung. Wieso war er so süß?

 

„Alles. Ich meine.. Alles, sogar deine Fußfesseln. Ich finde nichts an dir, was ich nicht wunderschön finde. Du bist wahrscheinlich die schönste Frau, die ich je in meinem Leben gesehen habe“.

Berührt sah ich ihn an. So etwas aus Cedrics Mund zu hören, war anders. Das er so ernst darüber sprach, was er an mir mochte, ging mir richtig Nahe.

 

„Dir ist es auch noch unangenehm, wenn ich es laut ausspreche, oder? Ich sehe es dir an“.

 

Für Cedric wurde ich langsam zu einem offenen Buch.

 

„Nein.. Ja.. Es ist nur so.. komisch, dass von dir zu hören.“

 

„Ich bin dein Freund. Ich werde dir nicht oft sagen, wie begehrenswert ich dich finde, weil ich nicht so ein Typ bin, aber wenn ich das sage, dann meine ich das vollkommen ernst. Ich will nur, dass du das weisst“.

 

„O..Okay“, ich sah Cedric dabei zu, wie er meine Hand mit seiner verschränkte und mich zu sich zog. „Und außerdem kann ich die ganze Zeit an nichts anderes mehr denken, als ins Hotel zu fahren, und dich auszuziehen, also lass uns langsam los“.

 

Ich fing an zu lachen. „Deswegen die ganzen Komplimente? Damit du mich ins Bett kriegst?“, fragte ich neckend.

 

„Erwischt“, antwortete er zwinkernd und zog mich zurück Richtung Wagen.

 

„Wir brauchen kein Hotel. Dein Wagen ist groß genug“, meinte ich mutig.

 

Cedric blieb stehen und ich prallte gegen seinen Rücken.

 

„Soso?“ Er legte seine Arme um meine Taille und fuhr meine Seiten herauf. „Das wäre natürlich auch eine tolle Idee. Aber schweren Herzens geht das nicht, man weiß nie, wo Paparazzis auftauchen und auf ein Sextape können wir beide gut verzichten“.

 

Stimmt. An die Paparazzis hatte ich gar nicht gedacht.

 

„Mhh. Das sind wohl die Nachteile eines Weltstars“.

 

Cedric sah mich lustvoll an und senkte seinen Kopf, um mich in einen harten Kuss zu ziehen.

„Lass uns gehen, bevor wir es am Ende auf der leeren Straße treiben, denn langsam verabschiedet sich mein Hirn“, hauchte er, bevor er seine Zunge in meinen Mund schob und mit seiner Hand in meinen Po kniff.

„Aua“, meinte ich erschrocken.

 

„Schmerzempfindlich am Po. Noch eine neue Entdeckung“, grinsend drückte er mir noch einen Kuss auf.

 

Ich musste meine Augen verdrehen. „Lass uns los, es wird kalt“.

 

*~*~*~*~*~*~

 

 

Wir waren mal wieder fast die gesamte Nacht aufgeblieben, schlicht und ergreifend deshalb, weil wir sonst zu wenig Zeit miteinander hatten. Ich konnte genug schlafen, wenn Cedric nicht da war.

 

Es war 7 Uhr morgens, als ich übermüdet die Restsachen aus meinem Zimmer in meinen Koffer packte.

 

„Das waren richtig coole Tage“, schwärmte Ella, die mir beim Packen zusah. „Ich komm mir langsam schon selbst wie ein VIP vor“.

 

Ich musste lachen. „Das ist genau deine Welt, Ella“.

 

„Finde ich auch. Leider kann ich weder singen, noch tanzen.. Noch schauspielern.. Das wird schwer mit dem berühmt werden“.

 

„Wie wärs mit It-Girl sein?“, fragte ich neckend.

 

„Neee. Obwohl.. Partys und so sind genau mein Ding! Aber Xaver würde das wohl nicht so toll finden..“, sie zuckte mit den Schultern und lies sich zurück aufs Bett sinken.

 

„Ich würde zudem behaupten, dass deine Eltern das auch nicht entzückend finden würden“.

 

„Ach“, sie winkte mit der Hand ab. „Meine Eltern kann man überreden. Xaver aber nicht“.

 

Ich zog meine Augenbrauen hoch. „Das Xaver dominant ist, ist mir neu“.

 

„Ich brauch 'nen Kerl und kein Äffchen, Ari. So gut solltest du mich kennen“.

 

„Pack lieber deine Sachen, Ella“, meinte ich und verschwand im Bad, um meine Kulturtasche einzupacken.

 

„Schätzchen, das habe ich bereits gestern, während du mit deinem Freund schick essen warst“.

 

„Höre ich da etwas Neid heraus?“, meinte ich lachend.

 

„Neeein, ich gönne es dir. Vom ganzen Herzen. Das weißt du doch.. Brauchst du noch lange? Ich will nämlich noch was essen, bevor wir gehen“.

 

„Geh schon mal vor, ich brauch noch etwas“.

 

Keine 10 Minuten nach Ellas Verschwinden, tauchte Cedric auf. „Wir gehen gleich los“.

 

Ich sah ihn mit leidvollem Blick an. „Bis in 3 Wochen, schätze ich“.

 

„Schau nicht so, Ari“, er kam auf mich zu und nahm mich in den Arm.

 

„Das ist doch so ein Dreck. Wir sehen uns in 3 Wochen wieder für 3 Tage“, seufzte ich und schmiegte mich an seine Brust.

 

„Ich weiß, aber bald haben wir mehr Zeit“.

 

Ich löste mich von ihm und gab ihm einen Kuss. „Irgendwann sperre ich dich ein“.

 

Cedric fing an zu lachen. „Das wäre doch langweilig“.

 

„Mit wir wird es dir nicht langweilig, dafür sorge ich“, meinte ich versprechend.

 

„Da lege ich meine Hand für ins Feuer“, Cedric strich mir durchs Haar, bevor er mir einen Kuss auf die Stirn drückte und mir erzählte, dass er eine Überraschung in 3 Wochen habe.

 

„Sag doch nicht immer, du hast eine Überraschung und dann verräts du mir nicht, was es ist. Das ist gemein!“, meckerte ich hilflos.

 

„Dann hast du etwas, auf das du dich freuen kannst“.

 

Unser Gespräch wurde von einem Klopfen an der Tür gestört. „Ich unterbreche euch zwei ungern, aber wir müssten jetzt los“, sagte Cole und deutete auf die Koffer in seiner Hand.

 

„Na gut“, ich begleitete die Jungs nach unten, wo Pete bereits mit dem gesamten Bekanntenkreis der vier vor einem Auto wartete.

 

Der Abschied zog sich eine gefühlte Ewigkeit hin und nicht nur ich wollte Cedric nicht losgehen lassen, sondern auch seine Geschwister, wobei Jenna sogar ein paar Tränen vergoss.

 

Das gab mir einen Denkanstoß. Die gesamten letzten Tage, in denen Cedric frei hatte, hatte er mit mir statt seiner Familie verbracht und in 3 Wochen würde das genauso weitergehen. Ich wusste nicht, wie das funktionieren sollte. Mein schlechtes Gewissen schaltete sich ein. Denn während ich seine wenige Zeit beanspruchte, bekam seine Familie kaum noch etwas von ihm mit. Das machte ihnen zu schaffen. Unsere Zeit war begrenzt und selbst der Gedanke, dass unsere Beziehung scheitern könnte, zerbrach mir das Herz.

 

"Ich gebe dir kein Mitspracherecht in meinem Liebesleben"

 

Wenige Stunden später saßen Ella und ich ebenfalls im Flieger. Mein Kopf lehnte gegen das Flugzeugfenster und tausend Gedanken kreisten mir im Kopf herum. Die letzten Tage waren sehr turbulent gewesen.

 

„Ari?“, Ella schüttelte leicht an meinem Arm.

„Ja?“

 

„Alles in Ordnung? Seit der Abreise der Jungs hast du kaum ein Wort gesagt“.

 

Ich zuckte mit den Schultern. „Cedrics Schwester hat bei der Abreise wegen ihrem Bruder geweint. Ich komme mir so schäbig vor, weil ich die wenige Zeit die er hat, für mich beanspruche. Dabei hat er eine Familie, die ihn vermisst.. und die er sicherlich auch vermisst“.

 

„Ach Ari.. Du machst dir um alles Gedanken! Wenn Cedric nicht gerne Zeit mit dir verbracht hätte, hätte er dich sicherlich auch nicht aus der Überraschungsparty vom Manager Heini entführt.. Oder dich in dieses Restaurant gebracht. Das waren seine Entscheidungen“.

 

Ich seufzte tief. „Trotzdem..Es kann ja nicht immer so bleiben“.

 

„Mach dich doch nicht jetzt schon so fertig! Genieß es doch lieber“, versuchte sie mich zu trösten.

 

„Ja.. Du hast Recht. Und außerdem steht mir noch ein Gespräch mit Sven bevor. Ich will gar nicht wissen, was er mir an den Kopf werfen wird. Diese dumme Kuh hinter dem blöden Vorhang musste ja mit ihrem Wissen prahlen“, ich sank tiefer in meinen Sitz und sah aus dem Fenster.

 

„Wenn ich rauskriege wer das ist, dann werde ich ihre Haare ausreißen, versprochen“, meine beste Freundin lächelte mich aufmunternd an, ehe sie sich ihrem Buch widmete.

 

*~*~*~*~*~

 

Am Flughafen von Chicago trennten sich unsere Wege. Während Ella zurück nach Roseville fuhr, hatte ich noch 3 Tage in Chicago.

 

Ich stand schon viel früher vor Svens Haustüre als geplant. Vielleicht wäre es besser für mich gewesen, gleich nach Roseville zu fliegen, ohne einen Zwischenstopp bei meinem Bruder. Ich wusste, er würde mir die Sache mit Cedric ausreden. Er mochte ihn einfach nicht.

 

„Apryl?“, die Nierenempfängerin meines Bruders öffnete die Türe und lächelte mich warm an.

„Hey“, begrüßte sie mich und nahm mich wie selbstverständlich in die Arme. „Hereinspaziert, wir dachten, du kommst erst später“.

 

Perplex zog ich meine Schuhe aus und folgte ihr in den Flur.

„Schaut mal, wer gekommen ist“.

 

In Svens Wohnzimmer saßen Apryls Schwester Ivy und mein Bruder. Sie unterhielten sich angeregt.

 

War ich mitten in eine Familienversammlung geplatzt? „Hallo“, meinte ich skeptisch.

 

Mein Bruder sah mich verwundert an. „Oh, wen haben wir denn da“, sagte er monoton.Das Sven vor zwei Minuten noch fröhlich mit Ivy sprach und mir so pampig entgegenblickte, war nicht gerade die Art und Weise, wie ich mir unser Zusammentreffen erhofft hatte.

 

„Ariana! Was geht ab du Superstar. Komm, setz dich“, meinte Ivy und klopfte auf den freien Platz neben sich.

 

Ich kam ihrer Aufforderung nach und nahm neben ihr Platz. „Und, erzähl! Wie wars? Ich hab mir die Weihnachtsfeier im Fernseher reingezogen. Sahst echt richtig hübsch aus“, plapperte sie munter drauf los.

Ich musste über ihre offene Art schmunzeln. „Danke“.

 

„Durchlöcher sie nicht mit Fragen, Ivy. Sie ist bestimmt müde. Das Essen ist übrigens fertig. Wir können uns gleich setzen“.

 

Sven überlegte nicht lange und setzte sich an den Esstisch. Wir taten es ihm nach und die schlechte Stimmung verbreitete sich schlagartig in der Wohnung.

 

„Wo hast du deinen Freund gelassen?“, Sven sah mich über den Tisch hinweg freudelos an.

 

„Sven. Ich weiß, Cedric wird niemals dein bester Freund, aber bitte, fang nicht mit deinen Sticheleien an, okay?“ Sven wollte mich provozieren, aber ich wollte nicht nachgeben und mich in einen Streit verwickeln lassen.

 

„Das ist keine Stichelei, ich wollte nur wissen, wo deine bessere Hälfte ist? Ist es nicht üblich, dass Verliebte Zeit miteinander verbringen?“

 

„Sven. Du bist 26. Hör auf und blamier dich nicht“, versuchte ich es ein letztes Mal.

 

Sven legte sein Besteck bei Seite und sah mich zornig an, bevor er anfing mich anzuscheinen„Wer? Ich blamiere mich? Ariana, schau dich doch an! Du blamierst dich! Du hast doch das Interview gesehen, wo über unsere Eltern berichtet wurde. DU alleine blamierst dich! Aber nein, Madame hat es sich zum Ziel gemacht, ins Fernsehen zu kommen. Schicke Partys besuchen, mit angesagten Sängern turteln und in Klatschmagazine abgebildet werden!“

 

„Wieso blamieren? Ist es eine Blamage, dass unsere Eltern bei einem Segelunfall gestorben sind? Du tust so, als ob es meine Schuld wäre, als ob ich etwas dafür kann?! Glaubst du, ich finde es toll, dass irgendwelche Menschen meine Privatangelegenheiten der Presse mitteilen müssen?“, versuchte ich es noch in einem ruhigen Ton.

 

Sven stand auf und knallte seine Faust auf das Esstisch. „Es war deine Entscheidung. Du hast dich auf diesen Kerl eingelassen. Woher willst du wissen, dass er dich nicht in 2 Wochen fallen lässt?“

 

„Sven, jetzt hör auf! WENN er mich fallen lässt, dann ist es noch immer meine Sache! Das gleiche kann ich doch auch über Apryl sagen, was wenn sie dich nächste Woche fallen lässt, weil sie merkt, was für ein egoistischer, selbstsüchtiger und aggressiver Kerl du sein kannst? Du hast ihr sogar deine Niere gespendet!“, dann fand mein Blick Apryls Gesicht. „Tut mir Leid. Ich weiß, ich sollte dich nicht mit reinziehen und ich denke auch nicht so über dich, ich kann dich wirklich gut leiden“, dann sah ich wieder zu Sven. „Aber ich meine nur. Du hast kein Recht dich in mein Liebesleben einzumischen, ich bin 19, ich bin seit unsere Eltern gestorben sind vollkommen auf mich alleine gestellt und ich gebe dir auch kein Mitspracherecht in meinem Liebesleben, verstanden? Du kannst nicht dafür, in wen du dich verliebst, genauso wenig wie ich es kann. Aber ich bin es nun Mal, okay? Mir wäre ein Nachbarsjunge auch lieber, aber ich kann es nicht ändern. Und jetzt, entschuldigt mich, mir ist der Appetit vergangen“. Ich stand auf und eilte aus dem Haus.

 

20 Minuten. Vor 20 Minuten war ich angekommen und jetzt war ich schon wieder draußen. Weil mein Bruder und ich uns einfach nicht vertragen konnten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

Texte: Die Texte wurden von mir verfasst.
Bildmaterialien: Cover von Blackpearl, danke dafür!
Lektorat: Gebetat wird das alles zukünftig von der lieben Bailey!
Tag der Veröffentlichung: 01.08.2013

Alle Rechte vorbehalten

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