Cover


Prolog



“Och nöö! Paps, bitte, tu mir das nicht an! Pa, bitte bitte! Was soll ich denn bei Tante Elinor? Da ist doch nix los. Wieso muss ich denn dahin, kann nicht Melli zu ihr fahren? Bitte, bitte!!” “Es reicht, Anne! Wir haben diese Diskussion schon tausendmal durchgekaut und werden es nicht noch einmal tun. Du wirst zu Elinor fahren und damit basta!”, fuhr Frank Wolter seine älteste Tochter an. Die 16-jährige Anne biss sich auf die Lippen. Wenn ihr Vater “basta” sagte, dann war an seiner Entscheidung nichts mehr zu rütteln. Also hieß es, sie musste zu Tante Elinor fahren, sich dort vor Langeweile in den Arsch beißen und ihre kleine Schwester würde mit ihrem Vater nach London reisen. “Ich versteh nicht wieso Melli mit dir fahren kann und ich nicht. Was soll ich auf diesem gottverdammten Dorf? Wieso, zum Teufel noch mal, kann ich nicht zuhause bleiben? Wieso vertraust du mir nicht?” “Erstens hörst du sofort auf vor deiner Schwester zu fluchen. Wenn man dich hört, kann man ja denken, dass du aus der Gosse kommst.” “Glaub mir, die Leute au der Gosse haben noch ganz andere schlimmere Flüche auf Lager.”, erwiderte Anne verbittert. Nun wurde Frank gereizter und sprach mit kalter Verachtung in der Stimme: “So wie du dich jetzt aufführst, benimmst du dich wie ein Kleinkind. Und einem Kind würde ich nicht eine Kleinigkeit anvertrauen, erst recht nicht ein Haus. Du brauchst jemanden, der auf dich aufpasst. Und da Elinor deine Patentante ist, wirst du zu ihr fahren. Ob du willst oder nicht. Du fährst nächste Woche, und wenn ich dich eigenhändig im Zug fesseln muss. Damit ist die Sache erledigt.” Als Frank die Tränen in den rehbraunen Augen seiner Tochter sah, bekam er ein schlechtes Gewissen. Er konnte nicht lange auf seine Tochter böse sein. Nicht diese Tochter, die seiner verstorbenen Frau so ähnlich sah. Frank betrachtete sie. Anne hatte das lange, dunkelbraune Haar ihrer Mutter. Diese fielen ihr glatt über die Schulter. Sie hatte das ovalförmige Gesicht seiner Frau geerbt. In den langen Wimpern, ebenfalls von der Mutter, hingen nun Tränen. Nur die rehbraunen Augen waren von ihm. In diesen war ein Ausdruck von Traurigkeit, doch dann schlug dieser Ausdruck in Verbitterung um. “Schön wie du willst. Schieb mich nur ab. Ich bin im Gegensatz zu meiner allerliebsten Schwester, die Mutter umgebracht hat, nichts wert. Sag nichts, ich weiß was jetzt kommt. Ich soll solche Anschuldigungen nicht sagen, weil sie nicht stimmen und Melli nichts dafür kann. Ich bin total egoistisch und soll mir doch mal ein Beispiel an meine ach so selbstlose fleißige Schwester nehmen. Hab ich noch was vergessen? Ach ja, und das ich nie ein gutes Vorbild für meine kleine dumm dahergrinsende Schwester war und sein werde. Weißt du was? Mum hätte mich verstanden!” Mit diesen Worten drehte sie sich abrupt um und stürmte hinaus. Sie knallte die Tür zu und hörte die Rufe ihres Vaters nicht mehr.

Ein Monat späte

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Anne starrte auf den Bildschirm ihres Laptops. Sie hatte gerade lustlos im Internet gesurft und stieß auf diesen unglaublichen Artikel. “´Flugzeugabsturz! Ein Flieger von London nach Deutschland. Kein Überlebender! Ursache ungeklärt!`” Es waren einige Bilder zu sehen und sah sie sich an. Bei dem letzten Foto stockte ihr der Atem. Es war das Flugzeug, mit dem ihr Vater und ihre kleine Schwester nach Hause kommen wollten. Da in wenigen Tagen ihr Geburtstag war und sie zusammen feiern wollten. Doch nun waren ihr Vater und Melli tot. Abgestürzt! Sie würden nie wieder nach Hause kommen und mit ihr etwas machen. Sie waren tot, nicht mehr in dieser Welt. Sie hatten sie allein gelassen und nun war sie wirklich einsam. Und eine Vollwaise. Keine Eltern, keine Schwester, keine Familie. Mutterseelenallein.
Plötzlich ging die Tür auf. Eine fremde fröhliche Person stand in der Tür. Nein, sie war nicht fremd. Und doch fremd genug. Diese gehörte nicht zur Familie und Anne war wieder allein. Sie wandte sich ab und starrte wieder auf das Foto. Elinor McBrookes sah den angespannten Rücken und ihre Stimmung wurde schlagartig anders. Sie trat nun zu ihrem Patenkind. Ihr Blick fiel auf den Artikel und dem Bild. Sie rang um Luft. Ihre Lippen formten die Worte: “Keine Überlebende!”. ihr bester Freund Frank Wolter sollte tot sein? Und seine kleine Tochter auch? Nein, das konnte nicht sein. Das war unmöglich! Das kann nicht sein. Nicht Frank. Elinor sah den lebenslustigen Frank vor ihren Augen und es liefen eine Menge Bilder von dem lebenden Frank vor ihren Augen ab. Nur langsam kam die Wahrheit zu ihr durch. Es war wirklich, die ungeschminkte Wahrheit! Ihr bester Freund, der so viel für sie getan hatte, war nun tot und seine kleine Tochter Melinda ebenfalls. Elinor besann sich darauf, dass eine Tochter von Frank noch lebte, vor ihr saß und sie brauchte. Sie berührte Anne an den Schultern, doch es kam keine Reaktion von ihr. Sie versuchte es noch einmal. Wieder der gleiche Erfolg. Als Elinor auf einen Abschnitt zeigte, in dem stand, die Angehörigen sollten sich melden, zuckte Anne ein wenig zusammen. Doch im nächsten Augenblick war sie wieder wie erstarrt und zeigte keine Reaktion. Elinor fragte ob sie da für Anne anrufen sollte oder ob sie es selber machen wolle, doch Anne rührte sich nicht. Auch nicht als Elinor neben ihr zusammenbrach und anfing zu weinen.
Zwei Tage später fuhren sie zum Flughafen, ein Mann fuhr sie. Elinor fühlte sich nicht in der Lage zu fahren und so hatte sich ein Partner der Anwaltskanzlei angeboten sie zu fahren. Der Anwalt schaute zwischen Elinor und Anne hin und her. Während Elinor dauernd weinte und sich die Tränen abwischte, zeigte Anne gar keine Reaktion. Sie war wie versteinert. Keine Gefühle zeigten ihre Gesichtszüge. Ihr Ausdruck in den Augen war hart. Keiner konnte zu ihr durchringen. Sie nahm die ganzen Beileidsbekundungen nur knapp nickend an und sagte sonst nichts. Nur wenn man sie ansprach, antwortete sie höfflich und ihre Stimme war fest und ohne Gefühle. Überall auf demm Flughafen sah man weinende Gesichter. Kaum ein Augenpaar war trocken. Nur wenige. Der Anwalt sah aus den Auugenwinkeln wie sich Anne anspannte und sie nun aussah wie eine Wachsfigur. Dann traten sie in den Raum, den die Fluggesellschaft für die Angehörigen bereitgestellt hatten. Diese holten nun die unversehrten, geborgenen Sachen ab. Der Mann an der Sachenausgabe schaute Elinor mitleidig an, doch bei dem leblosen Anblick von Anne zuckten sie unwillkürlich zurück. Sie suchten schnell die Sachen von Frank und Melinda zusammen und übergaben es. Als diese sich dann abwandten und schon fast an der Tür waren, rief der Mann sie wieder zurück. Sie hatten noch ein Paket gefunden. Dieses nahm Anne ungerührt in Empfang. Das Paket war schwer. Sehr schwer, doch Anne trug es ohne das Gesicht zu verziehen. Die drei machten sich schweigend auf den Weg zum Auto, wo sie alles einluden. Dann fuhren sie nach Hause und der Anwalt half noch beim Ausladen, bevor er sich verabschiedete und verschwand. Elinor und Anne räumten die Sachen in Annes Zimmer. Elinor wollte sie erst in das freie Gästezimmer räumen, doch Anne weigerte sich die Sachen dort einzuräumen. Danach ließ Elinor Anne in Ruhe die Sachen ansehen und verschwand in ihrem eigenen Schlafzimmer. Zuerst öffnete Anne das Paket. Es war eine Harfe dort verpackt. Sie hatte sich schon immer eine Harfe gewünscht. Immer hatte sie sich eine Harfe von der Musikschule geborgt und nun hatte der Vater ihr eine Harfe zum Geburtstag gekauft. Anne zupfte an den Saiten und begann zu spielen. Es entstand eine traurige melancholische Melodie. Langsam und bedächtig. Während sie spielte verlor sich ein wenig die Leblosigkeit in ihrem Gesicht. Elinor lauschte von unten der Musik und wieder rannen ihr Tränen übers Gesicht. Elinor hoffte eines Tages würde ihr Anne freiwillig vorspielen. Sie wusste von Frank, dass Anne eine talentierte Musikerin ist. Das hatte sie von ihrem Vater. Doch Anne hatte noch nie für Elinor gespielt. Und diese sehnte sich danach Anne sagen zu können wie stolz sie auf die Fähigkeit ihres Patenkindes war.
Nach einer halben Stunde beendete Anne ihr Spiel und ihr Gesicht bekam wieder diesen starren Ausdruck. Sie stellte die Harfe weg und machte sich daran, die Sachen auszupacken. Sie leerte erst den Koffer ihres Vaters und verteilte alles auf zwei Haufen. Auf dem einem waren die Anziehsachen und die unpersönlichen Dinge. Auf dem anderen die privaten und wichtigen Dinge. Diesen Haufen sah sie sich noch einmal durch. Sie wusste das ihr Vater Tagebuch geführt hatte, deshalb war sie nicht erstaunt als sie die 4 vollgeschriebenen Notizbücher fand. Sie las sich die Bücher durch und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Doch keine lief über ihr Gesicht. Es war als würde etwas die Tränen hindern zu laufen. Anne konnte einfach nicht weinen. Sie las den ersten Eintrag. Ihr Vater hatte ab der Hochzeit mit Elisa geführt. Anne las und las, bis spät in die Nacht hinein. Bei der Hälfte des 4.Buches stockte sie. Es war ein Eintrag über die letzte Diskussion über die Abfahrt zu Tante Elinor. Anne schämte sich bis heute was sie über ihre Schwester, der sie insgeheim immer die Schuld an dem Tod der Mutter gegeben hatte, gesagt hatte und wie sie sich dem Vater gegenüber benommen hatte.

“Wieder haben wir die gleiche Diskussion geführt. Und wieder war ich zum Schluss vollkommen am Ende meiner Nerven. Doch diesmal war es anders, ich war unmöglich. Ich hab ihr die unverzeihlichsten Dinge an den Kopf geworfen. Ich habe ihr gesagt, dass ich ihr nicht vertraue, doch das tue ich. Ich vertraue ihr über alles. Wieso ist es mir nur rausgerutscht? Wenn ich könnte würde ich die Zeit zurückdrehen und alles was ich gesagt hatte wieder rückgängig machen. Oh mein Gott, wie ich meine kleine Anne verletzt habe. Ich habe all ihre Vorwürfe verdient. Das sie kein gutes Vorbild sei, dass ist auch nicht war. Wie kann sie kein gutes Vorbild sein, wenn sie die Tochter ihrer Mutter ist? Wenn sie das vollkommene Ebenbild ihrer Mutter ist? Beide sind perfekt, beide sind gute Vorbilder und beide sind gute Menschen. Ich liebe sie und das mehr als mein Leben. Sicher es hört sich übertrieben an, aber es ist so.”


Anne starrte aus dem Fenster, hinter in ihrer Stirn rasten die Gedanken. ´Mehr als mein Leben`, das waren die Worte ihres Vaters. Das Leben schien sie zu verhöhnen. Nun ist der Vater tot und sie konnte ihm nicht mal mehr sagen, dass sie ihn liebte. Anne las weiter und es brach ihr immer wieder das Herz, wenn sie las wie sehr sie der Vater geliebt und vermisst hatte. Wie oft hatte er seine älteste Tochter mit ihrer Mutter verglichen. Wie oft hatte er Anne erwähnt und wie wenig er von Melinda schrieb. Nachdem sie den Rest der Bücher gelesen hatte, verschloss sie sie in der untersten Schublade ihres Nachttisches. Dann legte sie sich auf das Bett und schlief beinah sofort ein. Am nächsten Morgen wachte sie total gerädert auf. Sie wünschte sich, sie wäre nie eingeschlafen und die Albträume hätten sie nie übermannt. Vor ihren Augen sieht sie immer noch die Trümmer des Flugzeuges und in ihr erschien das Bild von der verängstigten Melli, die sich an den Arm ihres Vaters klammerte. Ihr Vater. Anne schloss die Augen. In den Augen des Vaters lag eine Ruhe. Als hätte er sich schon damit abgefunden zu sterben. Als hätte er einen Frieden mit dem Tod schon abgeschlossen. Anne öffnete die Augen und rappelte sich schnell auf. Sie wollte nicht wieder von den Bildern verfolgt werden und so machte sie sich frisch, zog sich an und stürzte sich auf den Rest der Sachen. Sie hatte keinen Hunger und würde nicht runter zum Frühstück gehen. Sie legte sich eine CD ihres Vaters ein und besah sich weiter dessen Sachen. Sie fand ein Schmuckkästchen und öffnete es. Es fiel ein kleiner Ring hinaus. Anne schaute sich das Kästchen noch einmal genauer an. Es lagen insgesamt 3 Ringe darin. Die Eheringe ihrer Eltern. Der Vater hatte seinen Ring aus irgendeinem Grund abgenommen und hineingelegt. Der dritte Ring war anscheinend für sie bestimmt. Anne steckte den Ring auf und dieser passte wie angegossen. Sie wollte ihn sich gerade abnehmen. Sie war noch nicht bereit dafür. Doch sie zögerte und noch bevor sie ihn abziehen konnte, klopfte es an der Tür. Anne regte sich nicht. Sie hatte keine Lust sich mit Tante Elinor zu reden. Sie wartete bis diese von der Tür verschwand und ihr Blick schweifte weiter über die Sachen. Da der Koffer von Melli offen war, spähte sie hinein. Dann erblickte sie ein Buch und als sie sich es nahm, hielt sie den Atem an. Vergessen war der Ring und vergessen war alles was um sie herum geschah. Nur sie und das Buch existierten noch auf dieser Welt. Anne hatte eine Seite aufgeschlagen und auf dieser war ein Foto von ihr und Melli zu sehen. Anne hatte Melli auf dem Arm und beide lachten fröhlich in die Kamera. Auf jeder zweiten Seite war ein Bild von Freunden und Familie zu sehen. Oder etwas von zuhause. Irgendein Baum oder irgendwelche Nachbarskatzen. Alles vertraute von zuhause. Die restlichen seiten waren vollgekritzelt von Mellis Bildern. Anne wusste wann sie dieses Buch gemacht hatten. Sie hatten es zu dritt gemacht. Ihr Vater, sie und Melli. Das war bevor sie sich so gestritten hatten. Als sie noch davon ausgegangen war, dass sie mitfährt.
Anne legte das Buch mit zu den Büchern ihres Vaters und schaute sich weiter die Sachen an. Etwa drei Stunden später ging sie mit einigen Akten unter dem Arm ins Wohnzimmer wo ihre Tante saß. Ihre Patentante saß vor dem Fenster und schaute auf das Meer hinaus. Als diese Anne hineinkommen hörte, drehte sie sich um und schaute sie an. “Tante Elli? Hier sind noch einige Akten von Vater. Er hat sie aus der Kanzlei mitgenommen. Das sind Fälle, die er schon so gut wie fertig hat. Ich nehme an die wirst du jetzt unternehmen? Es geht um ...” Elinor war die zweite Chefin in der Anwaltskanzlei und so war es selbstverständlich, dass sie die Fälle übernahm. Anne erklärte noch um was es sich für Probleme handelte. Sie erklärte wie die Klienten tickten und wie sie diese Personen fand. Dann verschwand sie wieder und ließ Elinor nachdenklich zurück. Diese schaute ihr nach. Sie wunderte sich nicht darüber, dass Anne sich so gut mit den Fällen ihres Vaters auskannte. Frank hatte schon früh angefangen, Anne für diesen Beruf zu begeistern. Er hegte immer den Wunsch, dass Anne eines Tages die Kanzlei übernehmen würde und wie sich herausstellte, war Anne schon jetzt eine gute Hilfe. Elinor war sich sicher, dass Anne eines Tages ganz groß rauskommen würde. Sie würde aus der großen Kanzlei ein riesiges Unternehmen machen und noch bekannter machen als sie jetzt schon ist. Es werden sich immer mehr Leute von ihrer Kanzlei vertreten lassen als bisher. Anne war eine geborene Anwältin. Sie gab allen eine logische Antwort, die nicht von der Hand zu weisen sind und sie kannte sich schon in den Gesetzen aus. Sie gab zu jeder Antwort immer den richtigen Paragraphen dazu. Elinor konnte sich an keine Situation erinnern, in dem Anne voreilig etwas sagte oder sie eine Meinung bzw. Entscheidung hatte, ohne sie begründen zu können. Wie oft hatte sie sich eine Tochter wie Anne gewünscht? Wie oft hatte sie Frank um diese hübsche, kluge und umsichtige Tochter beneidet? Wie oft hatte sie darüber geseufzt, dass sie keine eigenen Kinder hatte? Sie konnte sich nicht mehr an die unzähligen Male nicht mehr erinnern.



Kapitel 1


Aufgeregt flatterte Elinor McBrookes um ihre Patentochter Anne Wolter. Sie waren beide zu einem wichtigen Anwaltspartner eingeladen. Und standen nun vor dessen Tür. Elinor zupfte noch schnell an dem Kleid von Anne herum, dann drückte sie auf die Klingel. Nur wenige Minuten später öffnete sich die Tür. Eine kleine mollige gemütliche Frau stand in der Tür. Sie begrüßte Anne und ihre Patentante freundlich und führte sie ins Haus. Nachdem ihre Jacken von einem der Söhne des Gastgebers abgenommen wurden, führte Mrs.Fisher ihre letzten Gäste in den Saal, wo dieser Abend stattfinden sollte. Anne schaute sich staunend um. Der Saal war riesig. An den holzvertäfelten Wänden hingen goldverzierte Leuchter, die den großen Raum erhellten. Von der Decke hingen drei funkelnde Kristallleuchter hinunter und klirrten leise bei jedem Windhauch. Anne beobachtete die Bewegungen der Leuchter so fasziniert, dass sie den Gastgeber erst bemerkte als dieser vor ihr stand. “Mrs. McBrookes, schön das Sie hier sind. Ach und Sie müssen Anne sein. Dumme Frage, natürlich sind sie Anne Wolter. Sie sehen ihrer Mutter wirklich sehr ähnlich. Es tut mir wirklich sehr leid, was mit ihrer Familie geschehen ist. Nun, wie schön das Sie unserer Einladung gefolgt sind. Kommen Sie, Anne. Ich stell ihnen einige Bekannte vor. Kommen Sie, kommen Sie!” Nach dieser schwungvollen Begrüßung zerrte Matthew Fisher die verwirrte Anne mit sich. Er stellte ihr soviele bekannte und unbekannte Partner ihres Vaters vor bis ihr Kopf nur noch schwirrte und kaum mehr etwas aufnahm. Dann blieb er endlich stehen, doch er schaute sich suchend um und fand schließlich was er vermisste. Sein Gesicht hellte sich auf und wieder zog er Anne am Arm mit sich. Noch bevor sie sich richtig erholen konnte, von den Namen die in ihrem Kof herum schwirrten, blieb Matthew Fisher vor zwei jungen Männer stehen. Nun ja, es war nur einer ein Mann. Die andere Person war jünger als sie und so registrierte sie ihn nicht als Mann. “Anne, es ist mir wirklich eine Freude dir”, er war inzwischen schon zum Du übergegangen, “meinen jüngsten Sohn Etienne vorstellen zu können. Und dies ist ein sehr vielversprechender Geschäftsmann: Samuel Kingston. Sein Vater war ein sehr guter Freund von deiner Familie. Doch nun muss ich dich leider hier allein lassen, ich sehe es sind doch noch einige Gäste eingetroffen. Jetzt ruft mich die Pflicht leider von dir weg. Aber ich weiß dich ja in den besten Händen.” Mit einem strengen Blick auf seinen Jüngsten verschwand er und begrüßte die Neuankömmlinge. Anne schaute ihm noch kurz nach und wandte sich um. Sie sah gerade noch den verächtlichen Blick von Samuel, ehe dieser sich wegdrehte und mit einer vorübergehenden Dame ein Gespräch begann. Anne ballte die Fäuste, sie starrte wütend auf seinen Hinterkopf und in ihrem Kopf verfluchte sie ihn. Was bildete sich dieser verdammte Schnösel ein, sie gleich mit einem verächtlichen Blick abzutun ohne sie zu kennen? Dann wurde sie von Etienne abgelenkt: “Hi, ich bin, wie mein unmöglicher Vater gerade schon erwähnt hat, Etienne. Jüngster und ärmster Sohn von dreien.” Er seufzte schwer und grinste Anne an. “Wieso ärmster?”, fragte Anne höflich. “Oh, erstens: ich hab zwei große Brüder. Zweitens hab ich wirklich später schlechte Karten. Ich muss mir mein Geld selber erarbeiten. Mein ältester Bruder bekommt die Anwaltskanzlei meines Vaters. Der mittlere bekommt die Firma meiner Mutter und ich, der jüngste, bekomm nichts. Wie beim Märchen “Der gestiefelte Kater”. Naja, ich krieg zwar auch Startkapital. Aber trotzdem.” Anne widersprach: “Aber das ist doch ein Vorteil für dich. Du kannst dir aussuchen, was du lernen möchtest und bist nicht abhängig davon, ob es das richtige Fach ist. Und du hast nicht diesen Druck, deinen Eltern zeigen zu müssen, dass du der richtige bist, die Firma oder Kanzlei zu übernehmen.” “Ok, hast vielleicht recht. Aber bevor ich mich weiter mit dir darüber auseinander setze, nennst du mir erst deinen Namen?” Etienne schaute sie schelmisch grinsend an. “Oh, wie unhöflich von mir. Ich bin Anne Wolter.” Sie gaben sich die Hand und schon plapperte Etienne los: “Wolter? Oh, dass ist doch der der mit seiner Tochter abgestürzt ist. Bist du die Tochter von dem Frank Wolter, dem bekanntesten und erfolgreichsten Anwalt? Verdammt, scheiße! Es tut mir leid Anne, es ist mir einfach so rausgerutscht. Das wollt ich nicht. Ich wollte nicht schon wieder alte Wunden aufreißen. Ach, scheiße. Es tut mir echt leid. Wirklich, sorry, das hätte ich nicht sagen sollen.” Noch bevor er sich weiter entschuldigen konnte, unterbrach ihn Anne: “Ist schon ok. Ich hab mich schon daran gewöhnt, dass ... dass ...” Nun wurde sie unterbrochen von einem jungen Mann. Der, so schätzte Anne, vielleicht 5 Jahre älter als Etienne war. “Na Tien. Wen hast du denn so schnell aufgegabelt. Wow, Anne Wolter. Du bist noch hübscher geworden als du es eh schon vor 5 Jahren warst.” Anne schaute ihn verwirrt an und Etienne stellte ihn vor. “Mein Bruder George. Er bekommt die Firma von Mum.” “Du erinnerst dich nicht an mich, oder? Hilft es was, wenn ich Musikcamp sage? Nein? Und klingelt es dann, wenn ich das Stichwort Knutscherei hinter der Scheune fallen lasse? Oder wie du mir mal eine runtergehauen hast, weil ich dir nach dem ersten Kuss gesagt hatte, dass du total schlecht küsst?” Da dämmerte es Anne. “Ach herrje, die erste Geige im Camp. George, schön dich wieder zu sehen.” “Wartet mal, hab ich das richtig verstanden? Ihr habt mal hinter einer Scheune geknutscht?”, fragte
Etienne ungläubig. Anne errötete. “Etienne, das war vor 5 Jahren und ein Geräteschuppen, keine Scheune. Das wird sich nicht wiederholen.” “Schade, dass ich eine Freundin hab. Ich hätte zu gern ausprobiert, ob du dich seitdem verbessert hast.” “George, das war mein erster Kuss. Du wirst nie erfahren ob ich besser geworden bin, also hör jetzt auf damit!”, empörte sich Anne. George seufzte theatralisch auf und entdeckte dann Samuel, wie dieser sich mit seiner Freundin unterhielt. Da verabschiedete er sich von Anne und seinem Bruder. “Da ist Sam und die Ursache, warum ich nicht mit dir knutschen kann. Mia, meine Freundin. Wir sehen uns nachher beim Essen.”

Bei Sam angekommen wurde George gleich von seiner Freundin ausgequetscht. “Wer war denn dieses Mädel?”, fragte sie neugierig. Sam beobachtete sie beide. Mia zeigte keine Spur von Eifersucht. Es war nur reine Neugier. Mia konnte sich bei den Gefühlen von George sicher sein. Dieser würde sie nie betrügen. Die beiden liebten sich so sehr, dass keine Person sich zwischen sie drängen konnte. “Mia, Schatz. Dieses Mädel muss ich dir nachher mal vorstellen. Sie ist eine Meisterin in Harfe spielen. Jedenfalls war sie es vor 5 Jahren.” “Vor 5 Jahren? Woher kennst du sie?” “Anne Wolter war wie ich vor 5 Jahren im Musikcamp. Sie hat dort alle Wettbewerbe gewonnen, die man gewinnen konnte. Sie war die Jüngste aber auch die Beste. Und somit auch die erste Harfe. Ich war die erste Geige. Erst da ist sie mir erst aufgefallen. Wir haben viel Zeit zusammen verbracht, als wir herausfanden, dass ihr Vater ein Partner von meinem Vater war. Sie ist 3 Jahre jünger als ich. Ach, und ich hab ihr den ersten Kuss geraubt, wie sie mir gerade gebeichtet hat.” Er grinste wie ein Schuljunge. “Habt ihr euch mal nach dem Camp wieder getroffen? Und inwiefern war ihr Vater ein Partner?” “Oh, nein. Ich wusste nicht mal, dass sie kommt. Ihr Vater war Anwalt und zwar ein sehr guter. Der beste und erfolgreichste, den es je gab in den Anwaltskreisen. Mein Vater hat oft einen Rat von dort geholt. Manchmal hat er auch Fälle an Frank Wolter abgegeben. Vater hat in letzter Zeit oft darüber geseufzt, dass diese Zeiten nun vorbei sind.” George küsste Mia auf die Stirn und seufzte selber. Dann fragte Sam: “Wieso sind die Zeiten denn vorbei?” “Sam, du solltest dich eindeutig mehr auf den Festen meines Vaters herumtreiben, statt immer wegen irgendwelchen Terminen abzusagen.” Er wurde ernster und räusperte sich. “Vor 3 Jahren war das ein ganz großes Thema bei den Anwälten. Frank Wolter war wegen irgendeinem Fall in London. Und auf dem Rückflug ist das Flugzeug verunglückt. Seine jüngere Tochter Melinda und er sind umgekommen. Anne ist nicht mitgewesen, sondern bei ihrer Patentante Elinor McBrookes. Es war ein Riesenschock für sie. Naja, wie ihr sie jetzt seht, war sie nicht immer. Sie war ein fröhliches lebenslustiges Mädel. Sie hatte sogar auch richtig guten Humor und mit ihr konntest du jeden Scheiß machen. Ob es nun schwachsinnige Mutproben waren oder irgendwelche Leute verarschen. Sie hat immer mitgemacht. Naja, aber mit dem Tod ihres Vaters und ihrer Schwester ist sie eine Vollwaise geworden. Sie ist zur Patentante gekommen und da die Anwaltskanzlei zur Hälfte ihr gehört, ist es keine große Sache, dass sie solange auch die andere Hälfte übernimmt, bis Anne soweit ausstudiert hat und ihre geerbte Hälfte wieder zurück nehmen kann. In den Kreisen wird gemunkelt und es ist mehr als ein Gerücht, dass Anne sehr schlau ist und einige Fälle schon übernommen hat. Die Fälle laufen zwar unter dem Namen McBrookes, aber ich kenne diese Frau und ich kenne auch ihre Meinungen zu bestimmten Themen. Doch wenn man sich die Fälle durchliest, merkt man schon die kleinen feinen Unterschiede, zu ihrer sonstigen Art und Weise. Außerdem hab ich mal meinen Vater mit ihr diskutieren hören. Und da hat sie sich ein wenig verplappert. Sie hatte nämlich eine kleine Abweichung in ihrer Meinung zu einem Fall und da hat Vater zu ihr gesagt, dass sie diese aber nicht so in die Verteidigung geschrieben hatte. Vater hat ihr dann noch gesagt, er hätte das Gefühl, sie hätte den Fall nicht bearbeitet, sondern jemand anders. Und da ist sie rot angelaufen und hat ganz leise, kaum hörbar gesagt, dass habe sie auch nicht. Ich traue es Anne eindeutig zu, dass sie ihrer Tante hilft. Sie war auch im Musikcamp schon so. Immer auf Achse, immer auf der Suche nach jemandem, dem sie helfen kann.” “Jaja, nun mal weg von diesen Gerüchten. Wieso ist sie Vollwaise? Was ist mit ihrer Mutter?”, fragte Mia ungeduldig. “Wieso ist sie nicht bei ihren Großeltern?” “Tja, das ist auch so eine komplizierte Geschichte für sich. Naja, wir haben ja genug Zeit. Also, die Mutter starb 2 Tage nach der Geburt der zweiten Tochter Melinda. Ich glaube, Anne war da 9 Jahre alt.” Mia entfuhr ein kleiner Entsetzensschrei: “Oh Gott!” “Ja, aber warte erst mal ab. Die Eltern von Elisa waren schon beide zu dem Zeitpunkt tot. Auf der väterlichen Seite war die Mutter nicht mehr am Leben. Der Vater, also Großvater, weigerte sich Anne aufzunehmen, man sagt es liegt an dem Streit zwischen Frank und seinen Eltern. Diese waren schon immer gegen die Verbindung mit Elisa gewesen. Doch als sie mit Anne schwanger war, sah Frank keinen Grund mehr weiter zu zögern und heiratete seine Elisa.” “Oh, wie romantisch! Würdest du das auch machen, George?” “Ich glaube nicht, dass Familie Wolter es romantisch sah. Ich bezweifle sehr stark, dass es für sie angenehm war. Jedenfalls brachen die Eltern jeglichen Kontakt zu den beiden ab. Sie meldeten sich nie, nicht mal zu dem Geburtstag ihres eigenen Sohnes. Sie antworteten nicht auf die Briefe und Bilder von den inzwischen dreien. Irgendwann packte Frank Kind und Kegel ins Auto und ist zu ihnen gefahren. Er ist wie nach dem Motto, wenn der Berg sich nicht zum Propheten bewegt, muss der Prophet zum Berg. Aber in diesem Fall war der Berg wirklich unverrückbar und unüberwindbar. Ich weiß nicht was passiert ist, Vater hat uns nie die Einzelheiten erzählt. Aber eines weiß ich, die Großeltern waren nicht gerade höflich und Frank hatte nie wieder mehr von ihnen gesprochen. Nur einmal kam es noch zum Streit. Franks Mutter starb und ihr Grab stand noch offen, während sich Frank und sein alter streitsüchtiger Vater stritten. Es war ein Skandal, der für mehrere Wochen für Gesprächsstoff gedient hat. Frank wollte nicht so in der Öffentlichkeit ihre Differenzen kundtun, doch sein Vater hatte ihm keine Wahl gelassen. Er hat seinem Sohn die Schuld an dem Tod gegeben. Von wegen sie sei aus Kummer und Enttäuschung gestorben, oder so ähnlich. Ich will gar nicht wissen, was der alte Wolter alles gesagt hat. Es gab wieder Funkstille und dann war der tödliche Unfall von Frank. Soweit ich gehört habe, gerät der Großvater von Anne schon in Rage, wenn er den Namen seines toten Sohnes. Naja, Anne kannte ihren Großvater nicht, sie hatte ihn in ihrem Leben vielleicht zweimal gesehen und als sie dahingefahren ist, um bei ihm zu leben, wurde sie hochkant hinausgeworfen. Also kam sie wieder zu ihrer Patentante Elinor zurück und es...” “ und es gab eine Menge Schreibkram und andere Scherereien, damit die liebe arme Anne nicht bei ihrem grässlichen und ungeliebten Großvater leben muss, sondern bei ihrer netten und liebsten Patentante leben darf. Gott sei dank hatte mein Vater gute Partner, die mir helfen konnten.”, ertönte eine Stimme hinter Georges Rücken. Dieser fuhr zusammen und schaute verlegen drein. “Wie lange stehst du da schon?” Doch Anne ignorierte ihn und stellte sich Mia vor. “Ich bin Anne. Du musst die Freundin sein, die unglücklicherweise mit George zusammen ist.” Sie lächelte nicht, sondern sah wie immer ausdruckslos im Gesicht aus. SIe nickte Sam knapp zu und wandte sich ausschließlich an Mia. “Wie ich höre, hat er bereits meine Biographie erzählt? Naja, dann brauch ich das wenigstens nicht mehr machen.” Sie scheiterte bei dem Versuch zu lächeln. Dann herrschte eine kleine verlegene Pause. Bevor sie sich jedoch gefangen hatten, wurden sie alle zu Tisch gebeten.
Beim Abendessen saß Anne zwischen Etienne und George. Sam platzierte sich neben Mia, gleich gegenüber von Anne. Mia saß gegenüber von George und konnte ihn so besser sehen. Anne schaute amüsiert zu, wie oft die beiden beim Essen eine Pause machten, um sich in die Augen zu sehen. Dann unterhielt sie sich angeregt mit Etienne. Sie wollte nicht Sam angucken, sie vermied es überhaupt in seine Richtung zu sehen. Sie alle blickten erst auf als Matthew Fisher dazu ansetzte eine Rede zu halten. Zuerst wunderte sich Anne warum alle so verblüfft waren. Was war denn so besonderes daran, dass der Gastgeber eine zweite Rede hielt? Sie schaute fragend zu Etienne hinüber, dem ebenfalls der Mund offen stand. Anne trat ihm unter dem Tisch gegen das Schienbein. Etienne zuckte und sah sie wütend an. “Mach den Mund zu beim staunen, sonst kommen ganz dicke Fliegen in deinen Mund geflogen. Ist bestimmt eine köstliche Fleischeinlage. Was gibt es denn zu bestaunen?” “Dass Dad eine zweite Rede hält, ist ein Wunder. Wenn er nur kann, dann drückt er sich immer vor seiner ersten Rede. Es ist meistens Mum, die die Rede hält. Es ist fast jedesmal so. Dad ist unauffindbar und Mum muss die Rede halten.” Alle Gespräche verstummten, bis auf einen junger Mann. Anne erkannte in ihm den Jackenabnehmer. “Das ist mein ältester Bruder William.”, flüsterte Etienne ihr leise zu. Anne schaute sich ihn genau an. Sie mochte keine Fremden, doch dieser schien wie seine Brüder nett und nicht aufdringlich zu sein. Und er hatte einen Sinn für Humor. Denn nun zückte er eine Kamera und rief: “Dad, nicht bewegen und bitte lächeln.” Dann zückte er einen Kalendar und einen Rotstift. Er schlug die richtige Seite auf und malte den heutigen Tag rot an. Dann schrieb er etwas auf und las laut vor: “Dads freiwillige zweite Rede bei einem Essen.” Der soeben Verspottete lächelte nur gutmutig und sprach dann ernst weiter. “Nun, ich möchte in dieser Rede ihre aller Aufmerksamkeit auf eine besondere Person lenken. Und dann ein Toast aussprechen. Wie sich sicher einige erinnern werden, geschah vor 3 Jahren ein großes Unglück. Ein guter Freund, Kollege, und natürlich auch Familienmitglied starb bei einem Flugzeugabsturz. Er war ein guter, ein sehr guter Anwalt mit großem Herz und eine Starrsinnigkeit, die einige eigentlich unmögliche Dinge möglich gemacht haben. Er war der beste Mann, den es auf Erden gab.” Anne starrte vor sich hin, sie bemerkte wie Etienne sie festhielt, damit sie nicht vom Stuhl kippte. Sie bemerkte auch nur aus den Augenwinkeln, wie ihre Patentante aufstand. Diese rief in einem fast agressiven Ton: “Matthew, ich denke es ist ein Essen unter Bekannten und kein Totenmahl (ich weiß nicht, ob es das richtige Wort ist ;-) ). Meinst du nicht, du solltest diese Dinge ruhen lassen? Auch wenn es 3 Jahre her ist, schmerzt es noch immer bei einigen!” Dann setzte sie sich wieder. Verwirrung und Empörung machte sich unter den Gästen breit. Was für eine Dreistigkeit! Doch der Gastgeber hob die Hand und bat um Ruhe. “Ich weiß, Elinor. Es tut mir leid, ich weiß wie nah ihr euch gestanden habt. Entschuldige!” Elinor nickte knapp. “Also gut. Ich werde mich nun kurz fassen. Es ist ein sehr großer Verlust für unsere Anwaltswelt, aber auch für andere. Darum freue ich mich, die Person, die ihm am nächsten stand, außer Elinor, hier begrüßen zu dürfen. Obwohl ich sie auch noch nicht lange kenne, erfüllt sie mich schon jetzt mit Stolz an Franks Stelle. Sie hat einen großen Verlust erlitten, doch sie ließ sich nicht unterkriegen und nun steht sie mit Stärke im Charakter und Standhaftigkeit vor uns. Eine Person, wie ich sie noch nie kennengelernt habe. Eine junge Frau, die ich gerne als Tochter hätte. Ich wäre ein stolzer Mann gewesen. Stolz darauf, dass diese junge Frau unabhängig und selbstständig ist. Doch da sie leider nicht meine Tochter ist, kann ich nur als eine fremde Person stolz auf sie sein, dass ich sie überhaupt kenne und dass sie ihren 19.Geburtstag mit uns verbringt und ihr Leben bis heute gut auf die Reihe gebracht hat, im Gegensatz zu meinen chaotischen Söhnen.”, seufzte er gespielt ergeben. “Doch zurück zum Geburtstagskind.Anne Wolter, komm doch bitte zu mir.” Anne stand wie ein Zombie auf. Sie sah aus, als ob sie gleich in Ohnmacht falle. Sie hatte keinerlei Gedanken und Gefühle. Sie fühlte sich leer. Sie spürte wie sich alle Blicke auf sie richteten. Dann hörte sie noch das beleidigte Flüstern von George und Etienne: “Du hast gar nicht erzählt, dass du Geburtstag hast.” Dann wie jemand sie Richtung Gastgeber schubste und sie ging langsam auf diesen zu. Der lächelte ihr aufmunternd zu. Anne wünschte sich ein Loch in dem sie jetzt verschwinden könnte. Doch es gab kein Entfliehen. Sie erinnerte sich an die Worte von Fisher sen.: “... kann ich nur als eine fremde Person stolz auf sie sein ...” Ihr Herz füllte sich plötzlich mit einer Wärme und sie ging mit erhobenen Hauptes schneller auf den Redner zu. Als sie neben ihm stand, hörte sie seine Worte nur durch eine Nebelwand. “Ich wünsche dir alles Gute zum Geburtstag und für dein späteres Leben. Viel Glück und Gesundheit und das du in deinem Leben mal soviel Glück findest, wie du eh schon verdienst. Hier ist eine Kleinigkeit von uns.” Er drückte ihr ein kleines Päckchen in die Hand. Anne bedankte sich mechanisch und dann spürte sie wie eine Hand die ihre ergriff und sie zu ihrem Platz zurückgeleitete. Als sie aufsah, blickte sie in die grau-blauen Augen von George. “George, ich muss hier raus. Wo ist die Toilette?”, flüsterte sie mit gebrochener Stimme. Er verstand sofort. “Mia, Miaa! Bring sie hier raus. Schnell!” Seine Freundin schaute nur kurz auf und stand Sekunden später neben Anne. “Komm, Anne! Ich bring dich hier raus! Es ist alles ok. Alles wird wieder gut. Nur ein paar Minuten frische Luft und es geht dir wieder besser.” Sie redete auf Anne ein und es tat ihr auch gut, jetzt eine Stimme zu hören. “Danke.”, war die leise Antwort. Bevor Anne hinauslief, sah sie ausversehen zu Sam hinüber. Sie sah gerade noch den mitleidigen Blick, bevor er sich schnell abwandte. Anne spürte wie übel es ihr plötzlich wurde und eilte mit Mia raus.

“Tja, was sagst du zu Anne? Ist doch ein interessantes Mädel, oder? Hey, Sam! Ich rede mit dir! Haaalllo, jemand da? Sam?!” George fuchtelte mit der Hand vor Sam`s Nase herum. Mia und Anne waren noch nicht zurückgekommen als sie beim Essen nach draußen verschwunden waren. Und so hatte er auch nach dem Essen nichts anderes zu tun, als sich mit den Gästen seines Vaters zu unterhalten. Als er bei Sam angekommen war, hatte er auf eine lockere Unterhaltung gehofft, aber dieser schien keinerlei Muse zu haben mit ihm zu reden. Trotzdem gab George nicht auf. Zu irgendwas musste ja dieser beste Freund seines Bruders William gut sein. “Hallo, Erde an Samuel Kingston! Mein Gott, 100000 Euro für deine Gedanken. Die sind wahrscheinlich interessanter als deine Unterhaltung mit mir.” Sam sah seinen Freund unwillig an, denn auch diese beiden hatten eine Freundschaft zueinander aufgebaut. Wie auch nicht, wenn Sam alle zwei Tage bei ihnen war. “Was willst du, George?”, knurrte er unfreundlich. Dieser ließ sich nicht so leicht abschrecken. “Sei doch nicht gleich so aggressiv. Ich hab dich gefragt, wie du Anne Wolter findest.” “Wie soll ich sie schon finden? Sie ist ein blasses, unscheinbares und unglückliches Mädchen mit einer traurigen Vergangenheit. Mit solchen Puppen kann ich nichts anfangen.” George schaute bei seinem seltsamen Tonfall ihn scharf an. “Aha.” “Was aha? Verdammt, George, was willst du von mir?”, fuhr Sam ihn an. “Och nichts, Sam, nichts.” Nach dieser wirklich informativen Antwort wechselte George einfach das Thema.
Bald darauf kamen Etienne und William mit Mia und Anne im Schlepptau auf sie zu. Mia ging gleich auf George zu. Anne hatte sich bei William untergehakt, der sie unauffällig ein wenig stützte. Anne fühlte sich unwohl in dieser Nähe, das sah man ihr deutlich an. Kaum waren sie stehengeblieben, riss sie ihren Arm von William und brachte ein wenig Distanz zwischen ihnen. Doch dabei benahm sie sich so souverän, dass es wie Zufall aussah und nicht wie Absicht. Kurz, Williams Stolz wurde nicht verletzt und sie hatte den genügenden Freiraum. William lächelte sie an und Sam und George hatten ein Gefühl etwas verpasst zu haben. Sie hatten das Gefühl, dass etwas zwischen den beiden vorgefallen sein musste. Dieses Gefühl wurde noch verstärkt, als
Anne plötzlich einen Sinneswandel hatte und sich diesmal an ihn schmiegte und dieser sie fest in die Arme schloss. Etienne und Mia lächelten so froh und erleichtert, dass sich die anderen fragten, was hier vor sich ging. George hob eine Augenbraue. “Ähm ... Will und Anne. Wollt ihr uns vielleicht etwas mitteilen?” Der Erstere grinste und sagte: “Ja, du hast Recht. Es gibt tatsächlich etwas. Nun, wie soll ich das formulieren? Also, Anne und ich. Wir werden übermorgen heiraten.” “Waaas? Ähm ... tja. Meinst du nicht, dass du ... äh ... ein wenig alt für sie bist? Ich mein du bist 25 und sie ... ähm ...19.”, stotterte George. “Hey, na und? Das sind nur 6 Jahre. Andere Männer heiraten 30 Jahre jüngere Frauen. Also, 6 Jahre sind wirklich nicht viel. Nicht, dass du dich jedenfalls darüber aufregen müsstest.” William grinste noch breiter in die fassungslosen Gesichter der anderen. Dann konnte er nicht mehr an sich halten und lachte laut und schallend. “Himmel, ich brauch eine Kamera! Wenn ihr euch doch nur sehen könntet. Wie eine Herde Kühe, wenns donnert. Ihr habt es mir echt geglaubt. Ich bin entzückt von mir. Ach du heilige Scheiße, ihr habt es echt geglaubt. Anne Schatz, die haben echt gedacht, dass wir übermorgen heiraten.” Die anderen entspannten sich langsam und fassten sich wieder. Doch ehe sie vollkommen gefasst waren, konnte sich William nicht zurückhalten und sagte: “Anne Schatz, sie denken, wir heiraten erst übermorgen, aber das wir heute geheiratet haben, darauf sind sie nicht gekommen.” Die anderen erstarrten wieder. “Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?” William winkte ab. “Ihr seid so leicht zu verarschen. Natürlich nicht! Wir kennen uns erst seit 3 Stunden.” “Und warum nennst du sie dann Schatz?”, fragte Etienne argwöhnisch. “Weil es Spaß macht, eure Reaktion zu sehen. Ihr seid echt doof. Ihr müsstet eure Gesichter sehen. Das ist echt Gold, viel Gold wert.”, japste William. Anne lächelte ein wenig gelöster und verbarg dann ihr Gesicht an der vibrierenden Brust. Sie war froh, dass wenigstens einer normal mit ihr umging. Alle anderen Leute, die von ihrer Lebensgeschichte hören, behandeln sie danach wie ein rohes Ei, doch nicht Will. Während dieser immer noch schallend lachte, entfuhren Mia und Etienne eine Menge von Schimpfwörtern. Manche die es gab und andere, die sie so auf die Schnelle erfanden. Dies führte dazu, dass William weiter und heftiger lachte. Die anderen Gäste sahen schon neugierig zu ihnen hinüber, als Anne ihn wieder beruhigen konnte. Will grinste noch breit und schaute die anderen an. Sam hatte eine ausdrucklose Maske aufgesetzt. Mia und Etienne waren sauer, dass Will sie schon wieder verarscht hatte. Georges Gesicht wandelte gerade von verdattert zu einem Grinsen.
Nachdem sie sich wieder beruhigt hatten, fragte George Anne: “Wie stehts? Eine Runde Harfe spielen? Wir haben noch Omas Harfe im Nebenzimmer stehen. Wir können ja rübergehen. Dann hast du bisschen Ruhe und kannst uns vorspielen.” “Oh nein. Anne, spiel doch bitte für uns alle. Dein Vater und deine Tante haben uns immer von deinen Künsten vorgeschwärmt. Gib uns doch mal eine Kostprobe. Außerdem wissen wir dein Können besser zu schätzen als diese Musikbanausen.” Mrs. Madelein Fisher sah Anne erwartungsvoll an. Anne zögerte. “Ach, ich weiß nicht. Ich bin nicht gut. Nicht so gut. Mein Vater und meine Tante übertreiben.” “Oh, du bist gut. Denk daran, du warst die erste Harfe.”, warf George ein. “George, das war vor 5 Jahren. Und außerdem waren die anderen einfach nur grottenschlecht. Es war keine Kunst erste Harfe zu sein.” “Siehst du, ach bitte, Anne. Spiel doch auch vor uns Alten.” Ohne auf eine Antwort zu warten, verschwand Madelein Fisher im Nebenzimmer. George grummelte: “Hat sie uns gerade echt Musikbanausen genannt? Wie zum Teufel kommt sie darauf mich einen Musikbanausen zu nennen? Ich mein, wenn hier einer kein Banause ist, dann ich und Anne.” “Schatz, das heißt Anne und ich. Der Esel nennt sich immer zuerst.” “Boah, hier wird man ja nur beschimpft. Erst Musikbanause, dann Esel. Habt ihr vielleicht noch irgendwelche Beleidigungen auf Lager?”, beschwerte sich George. “Oh, es gibt genug. Soll ich sie dir alle aufzählen?” Etienne hörte sich so eifrig an, dass alle lachen mussten. Noch ehe George etwas erwidern konnte, kam seine Mutter zurück. Sie stellte die Harfe in eine stille Ecke und schickte Will los, einen Stuhl zu holen. Dann forderte sie Anne auf zu spielen. Anne setzte sich zögernd auf den Stuhl und sah alle nach der Reihe an. Nachdem sie Will anschaute, überkam sie eine vollkommene Ruhe. Sie strich mit den Händen über die Saiten und begann zu spielen. Erst langsam und leise, dann immer mutiger und lauter. Sie vertiefte sich so in ihre Musik, dass sie das, um sie herum, nicht mehr wahrnahm. Die anderen Gäste wurden immer leiser, sie flüsterten nur und verstummten zum Schluss ganz. Es herrschte eine vollkommene Stille, bis nur noch die Harfe zu hören war. Keiner wagte mehr zu atmen.
Während Anne spielte, beobachtete Sam sie genau. Wie er George vorhin gesagt hatte, konnte er mit diesem blassen, traurigen Mädchen nichts anfangen. Er brauchte eine Frau, die voller Lebensfreude strotzte. Eine, die fröhlich war, oft lachte und unternehmungslustig und reisefreudig war. Sie sollte auch in der Lage sein, ihn, je nach Laune, zu verstehen und sich um ihn zu kümmern, oder auch nicht. Er wollte eine Frau, die ein wenig Abwechslung in sein Leben brachte. Sicher er war erst 21 Jahre, aber er war bereit dafür eine feste Bindung einzugehen. Eine Familie zu gründen und versorgen zu können. Sam hatte die ganzen albernen Frauengeschichten satt. Er wollt nicht mehr jede Woche eine andere Frau und keine kurzen Affären mehr. Er wollte seine eigene, die er für immer um sich hätte. Eine Frau, die ihn stärkte und ihm den Rücken freihielt. Sam betrachtete Anne. Sie war das totale Gegenteil. Doch jetzt, wo sie alles losließ, alles um sich vergaß, schimmerte eine andere Anne hervor. In ihren Augen lag eine Lebendigkeit und Freude an der Musik. Sie lächelte und ihre Augen strahlten. Ihre Blässe wurde von einem Hauch rosa verdrängt. Es saß eine vollkommen andere Person auf dem Stuhl. Stattdessen war dort die echte Anne, die wirkliche und wenn man George glauben konnte, was man in der Regel tun konnte, dann war es auch die alte Anne. Sam änderte nun seine Meinung. Denn sie war nicht unscheinbar, nein, sie war wunderschön. Ihre langen Wimpern verdeckten fast ihre wunderschönen rehbraunen Augen. Doch er würde nie wieder sagen, sie sei nicht hübsch. Sie war mehr als hübsch oder wunderschön. Sie war einfach perfekt. Er merkte wie sein Herz schneller schlug. Sein Blick wurde von Anne angezogen, er hatte keine Chance wegzusehen. Er wollte dies auch nicht.
Dann war das Stück zuende. Ein tosender Applaus brandete auf und riss Anne zurück in die harte und veränderbare Realität. Anne fühlte eine Art Verlust. Sie verneigte sich lächeld, doch als sie wieder aufsah, konnte Sam erkennen, wie die Lebhaftigkeit und alles Glückliche aus den Augen verschwanden. Anne wurde wieder das traurige, einsame Mädchen. Alle Farbe wich wieder aus dem Gesicht und sie musste die Tränen zurückhalten. Während die anderen Gäste sich abwandten, hielt sie durch. Sie zwang sich ruhig zu wirken und dem Drang schreiend aus diesem Saal zu rennen nicht nachzugeben. Erst als Will sie in die Arme schloss, konnte sie weinen. Sie weinte um alle, die sie kannte. Um ihre Eltern, ihre Schwester und ihre Großeltern. Und vorallem um sich. All die nichtgeweinten Tränen der letzten drei Jahre flossen nun aus ihr heraus. Nachdem sie alle Tränen geweint und sich beruhigt hatte, schaute sie verlegen zu Will hoch. “Danke Will!” “Kein Problem. Nur damit du es weißt, ich bin immer für dich da, wenn du mich brauchst.”, erwiderte dieser ernst und legte somit den nächsten entscheidenden Grundstein für ihre lebenslange Freundschaft.


Kapitel 2



Die Türklingel läutete. Anne drückte auf den Summer um den Besucher in das Haus zu lassen. Inzwischen hatte sie eine eigene Wohnung im 10.Stock. Als es an ihrer Wohnungstür klingelte, öffnete sie die Tür und stieß dann einen Freudenschrei aus. Sie sprang dem Besucher in die Arme, der sie geschickt und geübt auffing. Es war eine vertraute Geste und Anne fühlte sich wieder sicher und geborgen. Der Besucher trug sie in ihre Wohnung ins Wohnzimmer hinein. Dort setzte er sich auf die Couch und zog Anne auf den Schoß. Sie blickte ihn erst stumm an und strich über sein Gesicht. Dann umarmte sie ihn wieder stürmisch und sprach erst dann: “Will, du musst dich unbedingt rasieren. Erstens kratzt das, zweitens sieht es scheußlich aus.” “Oh, was für eine Begrüßung! Ich bin als allererstes zu dir gekommen und du sagst zu mir, ich seh scheußlich aus.” Er drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. “Och, Will! Du weißt wie ich es meine. Das sieht wirklich scheußlich aus. Aber ich freu mich, dass du wieder da bist. Ich hab dich total vermisst.” Anne plapperte weiter und ließ ihren besten Freund gar nicht zu Wort kommen. William Fisher hatte nichts dagegen. Er freute sich darüber, dass Anne ihm inzwischen so vertraut, dass sie jetzt ein bisschen auftaut und lockerer mit ihm umgeht, als es am Anfang ihrer Freundschaft der Fall gewesen war. Mit anderen Leuten hatte sie noch immer ihre kleinen Probleme, aber bei ihm kam stets die fröhliche Anne zum Vorschein. Will liebte seine beste Freundin wie eine Schwester und wünschte ihr von Herzen, dass sie eines Tages einen Mann fürs Leben finden und mit dem glücklich sein würde. Doch er sprach nie davon, denn er wusste, es würde wieder zu einer Diskussion führen, bei der er eh nichts erreicht hätte. Als er Anne wieder bewusst zuhörte, wusste er nicht von was sie sprach. Anne wiederholte es ihm noch einmal und sah ihn erwartungsvoll an. “George hatte mich vorhin angerufen, er feiert wieder mal. Ich hab gesagt ich komme. Kommst du mit? Oder triffst du dich mit anderen Freunden?” “Eigentlich wollte ich zuhause bleiben, ich bin müde und ...” “Vergiss es, du warst ein 1 Jahr auf Weltreise. Dass du wieder da bist, muss gefeiert werden. Du wirst nicht zu Hause bleiben. Gut, du hast nichts vor. Ich ruf George an und sag Bescheid, dass du mit mir kommst.” “Mir bleibt wohl nichts anderes übrig. Selbst wenn ich nicht wollte, ich könnte dich nicht alleine lassen.” “Jaja, ich weiß. Der große-Bruder-Instinkt.” Dann war sie weg. Will wusste, dass sie nicht seine Heimkehr feiern wollte. Sie wollte ihn mit irgendwelchen Frauen verkuppeln. Er war mit 29 Jahren immer noch ohne feste Beziehung. Darüber machte sich Anne wieder mal Sorgen. Sie wusste von dem Ärger, den Will mit seinen Exfreundinnen hatte. Sie ließ keine Chance, neue Frauen kennenzulernen, ungenutzt und schleppte ihn überall mit. Doch keine Frau hielt es länger als vier Monate mit ihm aus. Sie fühlten sich immer von Anne bedroht. Bei den Szenen der Trennung hielten sie ihm immer und immer vor, dass Anne zwischen ihnen stehe. Sie waren eifersüchtig darauf, dass Will so viel Zeit mit ihr verbrachte. Und da Anne nun zu einer Schönheit ausgereift ist, die aber erst dann zu richtig zum Vorschein kam, wenn sie lachte und fröhlich war, spielte den meisten Frauen die Phantasie einen gewaltigen Streich. Dass Will nur der beste Freund war und nur eine freundschaftliche Liebe zu Anne empfand, wollten sie nicht glauben. Doch Anne gab die Hoffnung nicht auf.
Nun kam sie wieder freudestrahlend in den Raum. “George freut sich darauf, dass du kommst. Ach und er ist beleidigt, dass du nicht zuerst zu ihm gekommen bist, sondern zu mir. Aber ich soll dir ausrichten, dass du dafür einen ausgeben musst.” “Ist in Ordnung. Dann muss ich mir wenigstens nicht anhören, dass ich zu wenig Stimmung in die Bude bringe.” “Aber das doch nie einer gesagt.” “Oh, nicht gesagt, aber durchaus gedacht. Ich kann nun mal nix mit verdammtes Säufern anfangen. Sie fangen an zu saufen und in 5 Minuten sprinten sie heraus um sich zu bekotzen. Weißt du noch als George aus der Kirche kam? Der hat sich von oben bis unten bekotzt und wir mussten ihn nach Hause bringen. Ich weiß noch, wie dieser verdammte Dreckskerl mein Auto schmutzig gemacht hat. Und dann konnte er uns nicht mal mehr sagen, was er in der Kirche gemacht hat. Das ist doch abartig. Ich weiß nicht was die Leute daran finden.” “Wenn manche Menschenkinder nun mal darauf stehen. Lass sie doch! Aber ich hoffe, dass du nicht auf diesen Geschmack kommst. Sonst könnte es meine Gesundheit und all den Kram drumherum gefährden. Du weißt wie Tantchen Elli darauf reagiert. Wie ein Stier und ein rotes Tuch.” “Anne, du weißt wie abartig ich das finde. Ich bin mit deiner Tante vollkommen einer Meinung. Das ist nicht gut für dich.” “Ok, ok. Themenwechsel. Will, ich weiß nicht was ich anziehen soll. Ich hab keine Klamotten mehr im Schrank.” “Du und keine Klamotten? Boah, Anne. Du hast 2 riesengroße Kleiderschränke voller Sachen und du willst mir jetzt ernsthaft erzählen, dass du keine Sachen mehr hast.” “Ach, das verstehst du nicht. Wenn du dir einen Anzug kaufst für eine besondere Situation, dann willst du den doch auch nicht für eine andere unwichtige Situation anziehen, oder?” “Och, keine Ahnung. Erstens hab ich keinen Anzug. Zweitens ich denk schon, dass ich das machen würde. Wenn ich schon einen Anzug hab, wozu so viel Geld ausgeben und mir einen neuen kaufen? Ich mein, ich kann das Geld auch woanders gut gebrauchen.” “Oh mann, Will, du bist sowas von ...” Anne blieben die Worte im Hals stecken als sie das Grinsen von ihrem besten Freund sah. “Hast du gedacht, ich bringe dir von meiner Reise nichts mit? Du weißt doch, für dich hab ich immer besonders viel und ich glaub da sind ein oder zwei Kleider dabei. Komm mit zum Auto. Ich hab da ne Kiste drinstehen.” Anne grinste selig und schon war sie zur Tür gesprungen. “Komm schon, Dicker. Mach hinne! Ich will die Sachen sehen. Och bitte Will, beeil dich. Außerdem haben wir nicht mehr soviel Zeit. Wir haben nur noch 2 Stunden. Und du musst mir mal wieder die Haare machen. Sonst kommen wir viel zu spät da an.” Will stöhnte. “So was Ungeduldiges. Kleines, wie du gesagt hast, wir haben noch 2 Stunden. Das heißt 120 Minuten. Das schaffen wir ja wohl. Wir sind ein eingespieltes Team und geübter als am Anfang. Weißt du noch, als ich dir das erste mal bei den Haaren helfen sollte? Ich muss heute noch darüber lachen, wie du früher aussahst. Wie eine Vogelscheuche. Jaja, ich komm ja schon. Mensch, das du immer den alten Mann herumscheuchen musst. Man wird doch auch nicht jünger.” Doch Anne lachte ihn aus und zeigte keine Gnade. “Na komm Opa. Wenn du heute schon mit 29 schlapp machst. Was soll dann aus dir werden, wenn du mal 60 oder 70 bist?” “Tja, da schiebst du mich im Rollstuhl und kümmerst dich sonst auch um mich. Du darfst mich dann füttern und mir den Arsch wischen.” “Ich? Wieso ich, was ist mit deiner Frau?” “Richtig meine Frau. Das hab ich ja ganz vergessen. Also, wenn ich keine Frau demnächst finden werde, heirate ich dich. Also wir setzen eine Frist bis 50. Wenn ich eine Frau gefunden hab, dann bist du aus allem entlassen. Obwohl, eigentlich finde ich die Vorstellung ganz verlockend mit dir verheiratet zu sein.” “Ok, machen wir so. Aber das heißt für dich noch lange nicht, dass du aufhörst dich mit irgendwelchen Frauen zu treffen, klar? Ich meine nur weil du diesen Vertrag als Rückenstärkung hast ...” Mit diesen Worten riss sie die Tür auf und Will mit sich.
Unten am Auto sah sie schon eine große Kiste durch den Seitenfenster. Sie tanzte wie ein kleines Kind auf und ab. “Will, du bist ein Schatz. Will, du bist der Beste!”, sang sie dabei. Will grinste und schloss das Auto auf. Er lud den Karton aus und schon drängte Anne ihn sich zu beeilen. Wieder oben, stellte William den Karton im Schlafzimmer ab. Anne stürzte sich auf diesen und leerte den Karton. Dabei stieß sie immer wieder in Freudenschreie aus. “Wow, die Sachen sind wundervoll!”, seufzte sie selig auf. “Will, ich liebe dich.” “Danke. Ich glaube wir verkürzen die Frist und heiraten doch schon dieses Jahr.”, erwiderte er trocken. Anne ignorierte diese Bemerkung und fragte stattdessen. “Will, was soll ich anziehen?” “Zieh das weiße Sommerkleid an.” “Ok, bin gleich wieder da.” Anne verschwand kurz in ihrem Zimmer und kurz darauf erschien sie wieder, nur in Unterwäsche gekleidet. “Das Kleid muss noch ein wenig gebügelt werden. Machst du das bitte? Ich muss meine Haare auch noch waschen. Ach du scheiße, wie soll ich das denn nur schaffen? Du musst dich doch auch umziehen!” “Keine Panik. Wir schaffen das schon. Geh du Haare waschen. Ich bügel für dich. Oh mann, ich hasse bügeln. Aber was tut man nicht alles für die Liebe. Auch wenns nur Geschwisterliebe ist. Na los, verschwinde.” Anne ließ es sich nicht zwei mal sagen und verschwand.
Anderthalb Stunden später saß Anne in Williams Schlafzimmer auf dem Bett und sah ihm beim Umziehen zu. Während dieser sich umzog, schaute sie sich um. Es war irgendwie verändert. Es war ungemütlicher. Dann sah sie in einer besonders dunklen Ecke einen Stapel Umzugskartons stehen. Sie blickte wieder auf den nackten muskulösen Oberkörper ihres besten Freundes und fragte: “Ziehst du hier aus? Wieso hast du nichts gesagt?” Will zuckte kaum merklich zusammen, aber das entging Anne nicht. “Also?” “Ich muss hier raus. Ich bleibe hier in der Gegend, aber ich muss hier aus der Wohnung raus. Oder bessergesagt, ich verschwinde freiwillig von hier. Meine Eltern wollen das Etienne aus ihrem Haus verschwindet. Sie haben keine Lust mehr, jeden Morgen ein neues Mädchen beim Frühstück dabei zu haben. Sie haben Etienne sozusagen rausgeschmissen. Er sollte also zu mir. Da ich aber auch nicht so scharf darauf bin, seine Bettgesellschaften kennenzulernen und da ich auch meine Nachtruhe brauche, ziehe ich erst mal vorübergehend zu meinen Eltern bis ich eine neue Wohnung gefunden habe.”, antwortete er ruhig. “Und wieso bei deinen Eltern und nicht bei mir? Wieso hast du nichts gesagt?” “Weil ich genau das verhindern wollte. Du hast jetzt ein Gefühl, dass du mich in deine Wohnung wohnen lassen musst. Ich will aber deine Privatsphäre nicht stören. Außerdem, wenn ich bei dir wohne, dann gibt es eine Menge Gerede und du wirst nie deinen Mann fürs Leben finden.”, Wills Tonfall war jetzt sanft. Er küsste sie auf die Stirn und Anne schaute ihn stumm an. “Ach Anne. Ich kenn dich doch. Deine Gefühle werden dich eines Tages noch überrollen und dir wehtun. Das will ich nicht.” “Will, glaub mir. Meine Gefühle hab ich im Griff. Sie werden mich nie mehr überrollen. Sie haben nicht mehr die Kraft dazu. Nur wenn es um einen bestimmten Menschen, dich, geht. Aber das wird nie geschehen. Keiner meiner Gefühle wird mir je wehtun.” “Genau das ist der Fehler. Du lässt keine Gefühle und keine Menschen außer mich ganz nah an dich ran. Aber das musst du. Eines Tages wird ein anderer Mann meinen Platz einnehmen. Aber wenn er dich glücklich macht, werde ich den Platz gerne räumen, doch du musst es auch zulassen.” “Will, hör auf. Das bringt jetzt nichts. Aber mal ehrlich, willst du wirklich bei deinen Eltern wohnen statt bei mir? Wie willst du denn eine Frau finden, wenn du noch bei deinen Eltern wohnst?” “Wie soll ich eine Frau finden, wenn ich bei einer wunderschönen Frau schon wohne? Was werden sie dann wohl alle denken?” “Ach komm schon. Du findest doch eh bald eine eigene Wohnung. Aber die kurze Zeit kannst du doch zu mir kommen. ...” Will flogen die Argumente von Anne um die Ohren bis er resigniert nachgab. Wenn er ehrlich war, war ihm bei dem Gedanken wieder zu den Eltern zu ziehen nicht wohl gewesen.

Nachdem sie nun die Sache zu Annes Zufriedenheit ausdiskutiert hatten, machten sie sich auf den Weg zu George. Dieser wartete mit seiner Freundin Mia schon ungeduldig auf diese beiden. Mia seufzte leise, als sie die beiden von weitem kommen sah. “Wieso tun sie sich so schwer? Die beiden sehen perfekt zusammen aus. Ein schöneres Paar kann es einfach nicht geben.” “Vergiss es, Mia Schatz. Die beiden empfinden nichts füreinander. Das ist genauso, als würdest du deinen über alles geliebten Bruder lieben. Obwohl ich manchmal nicht sicher bin, ob zwischen euch nicht doch was läuft.”, grinste George. “Hey, das ist mein Bruder. Das ist was anderes als bei Anne.” “Nein, ist es nicht. Die beiden sind sowas wie seelenverwandt. Sie können sich nicht so lieben wie es zwischen Männchen und Weiblein sein soll. Sie lieben sich wie unzertrennliche Geschwister. Mehr ist nicht.” “Schade, dass wäre das perfekte Paar gewesen.” “Ach, die werden schon noch die richtigen Partner finden. Wichtig ist doch, dass sich vorübergehend noch so glücklich sind wie sie es jetzt sind.” George zog seine Freundin an sich und küsste sie.
“Ach, so sehen die Gastgeberpflichten aus? Statt Gäste begrüßen, lieber rumknutschen?”, ertönte plötzlich eine belustigte Stimme hinter ihnen. George beendete den Kuss in aller Ruhe. Mia wurde puterrot und verschwand dann nach einem Lächeln ins Haus. Will rief ihr noch nach: “Mia, nachdem ihr schon 4 Monate zusammen lebt, hätte ich gedacht, dass du schon genug von Georgie hast!” Lachend wich William vor den heranfliegenden Fäusten seines Bruders aus. “William Fisher, man merkt, dass du wieder zuhause bist. Mensch, waren das schöne Zeiten, als du nicht da warst. So ruhig und so harmonisch.” “Jaja, George, mach mir nix vor. Ich weiß das du dich sehnsüchtig nach mir verzehrt hast.” “Mann, woher weißt du das denn nun schon wieder? Kann man denn hier keinen mehr vertrauen?”, grummelte George. Noch während die Brüder sich weiter hochschaukelten mit ihren Spinnereien, beobachtete Anne die beiden amüsiert. Als sie langsam die anderen begrüßen wollte, unterbrach sie die beiden. “Bevor ihr euch weiter die Liebe gesteht, willst du mich da nicht noch vorher schnell begrüßen, George?” George wandte sich um. “Hi, na, Schwesterchen! Wie gehts, wie stehts? Siehst hübsch aus. Schickes Kleid. Wieder ein Anzeichen, dass Will da ist. Wenn er nicht gewesen wäre, würdest du nur in Jeans und t-shirt kommen.” Er grinste Anne an. Obwohl er überhaupt nicht mit ihr verwandt war, nannte er sie Schwester. Er wusste, dass er nie der beste Freund von Anne sein würde, das war seinem älteren Bruder vorbehalten. Also übernahm er schlicht und einfach die Rolle des Bruders. Er führte sich so auf und fühlte sich pudelwohl in der Rolle. Ein Bruder für ein Mädchen zu sein, ist auf jeden Fall was anderes als ein Bruder für einen unreifen Bengel zu sein. Zu dieser Erkenntnis kam er öfter mal.
Da wandte er sich wieder zu seinem Bruder um. “Ach, Will. Gott sei dank, konntest du Anne dazu bewegen, doch noch zu kommen. Sie hatte sich geweigert zu kommen, Mia war schon ganz verzweifelt. Sie hatte zu mir gesagt, dass ich Anne dann gefesselt hierher bringen soll, wenn sie nicht kommt. Du weißt gar nicht, was sich Mia für Grausamkeiten ausgedacht hatte. Woher wusstest du eigentlich überhaupt von der Party? Ach und wenn du Etienne irgendwo siehst, dann schick ihn zu mir. Ich hab noch mit diesem kleinen Mistkerl eine Rechnung offen. Eine Schande, dass das mein kleiner Bruder ist. Ich frag mich aber immer wieder, warum er sich irgendwelche Dummheiten nur mir gegenüber erlaubt oder mich immer irgendwie mit rein zieht. Bei dir macht er das nie.” Während sie nun zu dritt ins Haus gingen, plapperte George einfach weiter ohne Antworten zu erwarten. Willam aber schaute mit hochgezogener Augenbraue Anne an und stellte mit Befriedigung fest, dass sie errötete.
Während Will und Anne durch die Menschen gingen und hier und dort stehen blieben, um mit irgendwelchen Bekannten zu plaudern, hatten beide eine ganze Menge von harmlosen bis zu nicht so harmlosen Schimpfwörtern im Hinterkopf. Will hatte das Bedürfnis seiner besten Freundin den Hals umzudrehen. Nun hatte Anne wieder mal eine Chance ergriffen, ihn mit irgendjemand zu verkuppeln. Das Opfer seiner Gedanken hegte wiederum Mordgedanken für seinen jüngeren Bruder. Wieso musste George petzen? Wieso konnte er nicht einfach die Klappe halten? Konnte er nicht einfach still und dankbar zur Kenntnis nehmen, dass sie da war und auch Will mitgebracht hat? Na, der konnte in einem unbeobachteten Moment was erleben. Anne dachte an verschiedene Dinge, die sie mit ihm anstellen würde und sie nahm sich vor Mia ins Vertrauen zu ziehen.
Keine Stunde später zerrte Will Anne in eine ruhige Ecke. “So. Du wolltest eigentlich gar nicht kommen?”, fragte er trocken. “Wieso hast du mir gesagt, dass du schon zugesagt hast, bevor ich zu dir kam? Ich hätte es wirklich besser wissen müssen.” Anne wand sich und fühlte sich höchst unwohl. “Ach, weißt du. Eigentlich kenn ich ja kaum jemanden und alleine macht es eben keinen Spaß.” “Sicher und auf einer Party kann man ja gar keine Leute kennenlernen.” Will verdrehte die Augen. “Ach Anne. Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich mir jetzt einen schönen Abend mit dir gemacht, statt hier zu sein. Mein Gott, wenn du auch nur halb so viel Elan an deiner Partnersuche an den Tag legen würdest wie bei mir, dann ...” “Was dann? Oh, und glaub mir William Fisher, bei mir funktioniert alles einwandfrei. Aber bitte, dann mach ich mir eben keine Sorgen mehr um dich.” Mit diesen Worten stolzierte sie an ihm vorbei von dannen. Will seufzte und starrte ihr nachdenklich nach.

Sein Gedankenfluss wurde von einer fröhlichen Stimme gestört. Will drehte sich langsam aufseufzend um und erkannte seinen jüngsten Bruder Etienne. “Na, Bruderherz! Sag mal, nur eine Frage am Rande, hast du diese scharfe Braut gerade in allem Ernst abserviert? Hm, anscheinend schon, so wütend wie sie aus deiner Ecke gestürmt kam. Wenn du sie nicht willst, dann macht es dir nichts aus, wenn ich mich mal mit ihr unterhalte, oder?”, kam Etienne direkt zur Sache. “Hallo Tien. Ja, es ist auch schön dich wieder zu sehen. Und danke, mir geht es sehr gut und ja, die Europareise war fantastisch. Aber ich erzähl euch das ein andermal. Hier kann man das nicht. Außerdem hab ich die megageilen Fotos nicht mit.”, erwiderte Will in einem leicht ironischen Tonfall. Doch da unterbrach ihn Etienne. “Jaja, schön. Aber wer war denn nu diese hamma geile megaheiße Frau?” “Sag mal, hast du auch mal Gedanken, die nicht durch deinen kleinen Minischwanz gelenkt werden?” “Ey, der ist nicht klein und auch kein Mini, klar!” “Ok, ok. Aber hör endlich auf, ihr dauernd auf den Arsch zu glotzen. Sondern sieh mich an.” Etienne, der Verrenkungen gemacht hatte, um die Frau im Blickfeld hatte, richtete sich nun widerwillig auf. “Kannst du
dich an Anne Wolter erinnern?”, fragte Will. “Nein, nicht wirklich.” “Wann hast du sie das letzte mal gesehen?” “Was sollen diese Fragen?”, antwortete Etienne gereizt. “Beantworte mir einfach meine Frage, du wirst schon noch mitkriegen worauf ich anspiele.” “Oh mann, also, ich glaub das war vor ungefähr 3 Jahren. Irgendwo auf Dads Festen. Ich hatte nie soviel Kontakt mit ihr. Du und George habt sie ja immer in die Mitte genommen und in Beschlag genommen. Kein Mensch konnte an sie herantreten, ihne dass ihr dabeistandet. Und wenn nicht ihr, dann die Eltern. Das war manchmal zum kotzen. Aber ließ sich nu mal nicht ändern. Und dann schickte mich Dad ins Internat und so hab ich Anne irgendwie nie wieder gesehen. Ach, ist Anne eigentlich hier? George erwähnte mal sowas.” Will warf ihn einen bedeutungsschweren. “Wenn du zu dieser Frau gehst. Dann ohne den Hintergedanken sie ins Bett zu kriegen, haben wir uns verstanden?” “Wieso?” “Weil du das eh nicht schaffen würdest und außerdem bist du viel zu jung für sie.” “Wie alt ist sie denn?” “Zu alt für dich.” “Ach, komm schon, Will.” “Nein, vergiss es.” “Will, wenn du mir das nicht sagst, dann geh ich zu ihr und bagger sie an mit Hintergedanken und frag sie selber.” “Das wagst du nicht, du verdammter Wicht.” “Oh, doch das wage ich.” Will fluchte und wurde sauer. “Ich schwöre dir, Etienne Fisher. Wenn du sie auch nur anfasst ... ” “Dann sag mir das Alter und ich bin ganz brav.” “Verdammt, ich hasse kleine Brüder!!! Ok, 23.” “Um himmels willen, sie ist gerade mal 4 Jahre älter als ich. Das ist doch gar nix. Du bist 6 Jahre älter.” “Ich will aber auch nix mit ihr anfangen. Aber trotzdem näherst du dich ihr nur ohne diesen bestimmten Hintergedanken, klar? Wenn du ihr gegenüber eine blöde Bemerkung machst, dann ...!” Will ließ die Drohung unausgesprochen. Etienne riss die Augen auf. “Du willst doch was von ihr.” Will stöhnte genervt auf. “Verdammt, nein, will ich nicht. Mann, bist du wirklich so doof wie du bist oder tust du nur so?” Etienne sah ihn beleidigt an, dann klickte es bei ihm. “Sag nicht, dass ... dass ANNE ist???” “Mensch bist du schlau.”, meinte Will daraufhin sarkastisch. “Deswegen hast du mich wegen Anne gefragt. Oh mann, hat die sich vielleicht herausgemacht. Schade, dass das Anne ist. Na gut, dann gehe ich sie mal begrüßen ohne diesen Hintergedanken.” “Bravo Etienne, du hast meine Botschaft verstanden. Der Kanditat bekommt hundert Punkte!” “Ach, halt die Klappe.”

Sam Kingston trat durch die Tür. Eigentlich wollte er nicht hierherkommen. Aber George hatte seinen besten Freund Will als Köder hingehalten und Sam ihn geschluckt. Nun war er hier und schaute sich um. Er entdeckte George am anderen Ende des Flurs und bahnte sich einen Weg. Nur wenige Schritte vor George wurde er angerempelt. Er drehte sich um und bevor er den Übeltäter erkannte, schnauzte er los. “Sag mal, kannst du nicht gefälligst aufpassen? Du bist nicht der einzige Mensch hier.” Dann verstummte er. An ihm stürmte eine Schönheit im weißen Kleid vorbei. Sam grummelte vor sich hin, als diese es nicht für nötig befunden hatte, stehen zu bleiben und weiter zu rennen. Sam ging weiter auf George zu und blieb dann stehen, als er sah, dass die junge Frau direkt auf George zugerannt war. Sam schlich sich an die beiden heran, um das Gespräch belauschen zu können. Dass diese junge Frau nicht Mia, die Freundin von George war, das wusste er und Sam war neugierig was diese Frau von dem Bruder seines besten Freundes wollte. Nun konnte er erkennen, wie die junge Frau auf George zusprang: “George, du bist ein verdammtes verblödetes Rindvieh. Also die Schlauheit hast du nicht erfunden. Mich wundert echt, dass du vor lauter Blödheit noch nicht gestorben bist. Wieso musstest du Will unter die Nase reiben, dass ich nicht kommen wollte?” Sam zerbrach sich den Kopf. Wieso ließ sich George so beschimpfen? Und wer war diese junge Frau? Sie kam ihm irgendwie bekannt vor und doch war sie ihm vollkommen fremd. Währenddessen hatte George die Hände gehoben. “Anne, es tut mir wirklich leid, aber ich kann doch auch nix dafür. Ich dachte, dass Will dich dazu überredet hat, hierher zu kommen.” “Und wie soll er, deiner Meinung, erfahren haben, dass ihr eine Party veranstaltet, wenn er erst gestern ankam, du Vollspacko? Von mir ganz bestimmt nicht.” “Keine Ahnung, im Eifer des Gefechts hatte ich es vergessen und da ist es mir halt ausgerutscht.” Anne schnaubte, warf George einen vernichtenden Blick zu und nahm sich ein Glas Sekt, dass sie auf Ex leerte. George sah sie erstaunt an. “Ähm, Anne? Du kannst Sekt nicht ausstehen. Und du kannst doch nicht soviel Alkohol auf einmal hinterkippen. Trink nicht soviel heute abend, ja? Bitte! Ich möchte nicht Will erklären müssen, dass du besoffen bist.” “EIgentlich sollte ich mich au Prinzip besaufen. Na toll, jetzt werde ich schon wegen euch Alkoholiker.”, grummelte Anne. George grinste: “Ach komm, so schlimm ist es auch wieder nicht.” “Was? Das ich Alkoholiker werde oder das Will verdammt sauer auf mich ist?” George verging das Grinsen und er stöhnte auf. “Nein, sag nicht, dass mein allerliebstes Geschwisterpärchen sich gestritten hat!” “George, dass ist nicht witzig und außerdem bin ich NICHT deine Schwester.” “Doch, du bist meine kleine Schwester. Nicht meine leibliche, aber meine kleine Wahlschwester und wenn es je jemand wagen sollte dir wehzutun, dann hat er es nicht nur mit Will zu tun, sondern auch mit mir. Aber du hast recht, es ist nicht lustig.” George zog Anne in eine feste Umarmung, die sie sich nur widerwillig gefallen ließ. “Und was soll ich jetzt machen? Will ist stinksauer auf mich.”, fragte Anne unglücklich. “Anne, mach dir keine Sorgen. Will kann nicht lange sauer auf dich sein. Er kann dir nicht länger als 8 Stunden böse auf dich sein. Weißt du noch dein 20. Geburtstag? Du wolltest eine kleine Feier und Will wollte dir eine riesige Party organisieren. Und da habt ihr euch doch auch total gestritten. Will hatte nach eurem Streit mit mir gsprochen und gesagt, dass er sich vornimmt, ganze 24 Stunden nicht mit dir zu sprechen. Aber dann ist er doch schon nach 2 Stunden zu dir gegangen. Er kann einfach nicht lange mit dir im Argen liegen. Bei dir wird er immer so schnell schwach. Selbst wenn er sich mit uns streitet, wartet er immer bis wir uns entschuldigen, jedenfalls wenn er im Recht liegt. Mit mir war er mal 2 Monate verkracht, bis ich mich entschuldigt habe, aber unsere Beziehung zueinander ist besser geworden. Und selbst Sam hatte er mal 1 Monat schmoren lassen. Daraus vermute ich fast, dass du sogar noch vor Sam kommst. Sam ist sein bester Freund, aber du bist seine Allerbeste. Kein Haar darf dir gekrümmt werden, sonst bekommt man gewaltigen Ärger mit ihm. Das eine mal war total gefährlich. Ich weiß nicht mehr, wer das war. Irgendein Kumpel von ihm, der hatte eine Bemerkung zu deinen Körper gemacht, dass Will echt ein Glückpilz sei und warum Will dich noch nicht, naja du weißt schon. Aber wenn man das locker sieht und nicht wortwörtlich, könnte man es als Kompliment sehen und der Kumpel hat es aus Respekt vor Will gesagt, weil er sich nicht so benehmen würde. Naja, dann begann eben eine Schlägerei. Will hätte ihn beinah krankenhausreif geschlagen, wenn Sam nicht gewesen wär.” “Oh Gott!! Warum hat mir das keiner gesagt?” “Weil Will es so wollte.” “Seit wann hört ihr alle auf Will?” “Weil er das nach der Schlägerei total ruhig gesagt hatte, aber es hatte einen drohenden Unterton. Und glaub mir, es wollte keiner ein blaues Auge riskieren.” “Klasse, jetzt mache ich aus Will auch noch einen Schlägertypen. Vielleicht sollten wir mal Abstand nehmen.” “Nein, dass darfst du nicht denken. Will ist doch gerade erst von seiner 1-jährigen Europareise wiedergekommen. Wenn du ihm jetzt sagst, dass du ihn nicht mehr so oft sehen willst, der dreht durch. Und er ist deprimiert und einfach nicht zu ertragen. Du weißt nicht wie er ist, wenn du nicht da bist und er dich mindestens 3 Tage nicht gesehen hat. Glaub mir, wie es jetzt ist, ist es perfekt. Will ist absolut glücklich und ein tolles Leben. Es fehlt ihm an nichts und er ist wirklich zufrieden mit seinem Leben. Er ist sogar besser zu ertragen als vorher, also bevor du seine beste Freundin warst. Wirklich, Anne. DU bist einfach die Sonne bei ihm und auch bei uns anderen in der Familie. Du darfst nicht auf Abstand gehen.” George redete noch eine Weile auf Anne ein, bis sie vollends überzeugt war, dass es vielleicht doch keine gute Idee war, auf Abstand zu gehen. “Ok, danke Georgie!! Hab dich lieb!”, sagte sie lächelnd und stellte sich auf die Zehenspitzen um ihn auf die Wange zu küssen. George gab ihr grinsend einen Kuss auf die Stirn und dann verschwand Anne in der Menge. George lächelte zufrieden und schaute über die Menschenmenge und entdeckte seine Freundin. Seine Frau fürs Leben. Er wünschte sich nun inbrünstig, dass Will und Anne jeweils ihre Partner fürs Leben finden. Dann schweiften seine Gedanken wieder zu Anne. Wie sie sich verändert hatte und mit ihr das Verhältnis zu ihnen allen. Heute war Anne schöner als vor 4 Jahren. Anne war nicht mehr das melancholische blasse Mädchen von früher. Sie war eine selbstbewusste 23-jährige Schönheit. Anne sah wie das blühende Leben in Person aus. Auch ihr Verhältnis hatte sich verändert. Sie gehörte jetzt mit zur Familie. Bei allen Festen, die der Vater gab, wurde Anne immer als enge Freundin bezeichnet, aber Matthew Fisher betonte immer wieder, wie gerne er sie als Tochter hätte und dass sie ihm auch so nahe war wie ein eigenes Kind. Sie alle liebten Anne wie das eigene Fleisch und Blut. Obwohl sie immer noch so distanziert anderen Menschen gegenüber, aber Georg war sich sicher, dass es alles noch irgendwann ins Lot käme. Sam hatte die ganze Unterhaltung mitgehört und nun ging ihm ein Licht auf. Er wusste jetzt wer diese junge Frau war. Er erinnerte sich an die erste Begegnung. Es war vor 4 Jahren an ihrem Geburtstag, an dem Matthew Fisher wieder mal ein Fest gab und er hatte sie am Anfang verabscheut. Doch seine Abneigung wurde auf einen Schlag zu Zuneigung umgewandelt. Sam erinnerte sich noch ganz genau an seine Gedanken, die er hatte als er Anne dabei beobachtete wie sie versunken eine Harfe spielte und dabei aus ihrer Haut kam. Nach diesem Abend hatte er sie nie wieder gesehen, obwohl sie beide den gleichen besten Freund hatten. Sam kannte Anne also praktisch nur aus Erzählungen. Zum einen von irgendwelchen Bekannten oder Geschäftspartnern, die ihre Probleme immer über den Schreibtisch von der Kanzlei McBrookes&Wolter laufen ließen und auch von seinen Eltern. Seine Mutter war von der Person Anne restlos begeistert und sein Vater war von ihr und ihrem verstorbenen Vater begeistert. Er stellte immer Vergleiche zwischen Frank und seiner Tochter Anne auf. Umso erstaunter war Samuel als sein Vater seit einem bestimmten Gespräch aufhörte Frank Wolter zu erwähnen. Er nahm nie wieder den Namen in den Mund und stellte auch keine Vergleiche mehr an. Es war das Gespräch welches vor 3 Wochen stattfand.
Seine Eltern schwärmten von der Kanzlei McBrookes&Wolter, sie hatten nun auch eine Angelegenheit von ihnen klären lassen. Obwohl Mr. Kingston den Gründer der Anwaltskanzlei kannte, hatten sie nie über diesen Anwalt etwas laufen lassen, doch nun hatten sie es bereut. Sie waren zwar begeistert, wie Elinor McBrookes ihre Angelegentheit übernommen und bearbeitet haben, doch sie wussten, dass Frank Wolter besser war als sie. Das hatte selbst Elinor zugegeben. Doch sie hatte auch Anne erwähnt und gesagt, dass sie das Talent ihres Vaters hätte. Und bei dem Bericht, den Sams Eltern ihm nun ablieferten, mehr aus Freude als Notwendigkeit, drehte es sich schon wieder um Anne. Sam schaltete ab, denn er kannte die Lobeshymmnen auf Anne Wolter, die er nicht kannte. Doch dann wurde er von seinem Vater direkt angesprochen. “Junge, wenn du eines Tages mal heiraten solltest, dann nimm dir ein Prachtmädel wie Anne. So eine wie die junge Wolter würde ich allzu gerne meine Schwiegertochter nennen. Die Frau hat echt Stil.” Sam verdrehte die Augen, während seine Mutter Matilda Kingston ihren Mann vorwurfsvoll ansah. “Gerald, hör auf!! Wie kannst du nur sowas sagen? Sam hat sicher noch keinerlei Ambitionen dazu, zu heiraten. Außerdem hat er eine Freundin, da kannst du doch nicht ihm ins Gesicht sagen, dass du ein anderes Mädchen als Schwiegertochter haben willst.” Da fuhr Gerald Kingston auf, vergaß seinen Sohn vollkommen und schrie aufgebracht: “Willst du damit sagen, dass du lieber diese Schlange als Schwiegertochter haben willst, als Anne? Verlass dich darauf, diese Frau wird uns noch Ärger bereiten. Sie spielt ihm nur die Liebe vor. SIe ist doch nur auf sein Geld aus. Ich wette er hat schon mehr Geld in 5 Monaten ausgegeben, als er normalerweise in einem Jahr ausgibt. Und glaub mir, diese Frau wird ihn noch betrügen, wenn sie es nicht schon hat oder sie wird ihm ein Kuckucksei ins Nest legen. Ich hoffe nur darauf, dass unser Sohn nicht so dumm, weiß was gut für ihn ist und Anne Wolter heiratet! Anne wäre die Richtige, sie passt zu ihm und sie passt zu uns. Sie wäre die perfekte Frau. Sie, nicht diese Hexe, die Sam
seine Liebste nennt.” Sam hörte mit offenem Mund zu. Sein Vater zog tatsächlich eine andere Frau als Schwiegertochter vor. Und woher, zum Teufel, wusste er, dass Sam wirklich viele Ausgaben hatte? Dann räusperte er sich und sein Vater schnellte zu ihm herum und erbleichte, anscheinend erinnerte er sich nun, dass Sam mit im Raum saß. Dann sprach er noch einmal Sam leise an. So leise, dass sein Sohn sich anstrengen musste, alles zu verstehen. “Sam, ich weiß es. Sie ist die Richtige. Sie ist ein Glückskind. Eine Frau, die Glück bringt. Es heißt, jeder ist seines Glückes Schmied. Hol dir das Glück, hol Anne zu dir und lass sie nie wieder los. Lass sie nie wieder gehen und du wirst das ganze Leben lang glücklich sein. Nicht die Frauen, bei den du immer denkst, dass es die Richtige ist. Sie wollen nur das Geld, Anne dagegen würde dich als Person lieben und glücklich machen. Anne ist eine Frau, um die es sich zu kämpfen lohnt. Anne ist eine Frau, bei der man kämpfen MUSS. Lass dir das bitte durch den Kopf gehen.” Dann wandte er sich zu seiner Frau um und ging mit ihr. Er ließ seinen Sohn in einem Gedankenchaos zurück. Keine Woche später erwischte er seine Freundin mit einem Geschäftspartner im Bett. Er fragte sie, wie lange das schon so ginge. Da erwiderte sie hochmütig, seit 4 Monaten. Sam war fassungslos. Sie waren gerade mal 5 Monate zusammen und seit 4 Monaten betrog sie ihn schon? Als er sie nach den Gefühlen fragte, lachte sie ihn aus und gestand, dass sie ihn nur wegen dem Geld haben wollte. Nun musste Sam daran denken, wie er sich in den letzten 5 Monaten dauernd mit William Fisher gestritten hatte, weil dieser ihm von Anfang an, gesagt hatte, dass diese Frau ihn betrüge. Da ließ er seinen Gefühlschaos an seiner trügerischen Freundin aus und trennte sich umgehend von ihr. Als er seinem Vater davon erzählte, sagte dieser wieder: “Hol Anne an deine Seite und du wirst glücklich sein wie noch nie. Anne ist das Glück.”


Sam grinste als er den Hinweis von seinem Vater durch den Kopf und zeitgleich die soeben abgespielte Szene vor seinen Augen ablaufen ließ. Eine wütende Anne, die sich auf den armen George gestürzt hatte. Wenn dass das Glück war, welches sein Vater für ihn im Sinn hatte, na dann halleluja. Sam musste nun aus vollem Hals lachen und war froh, dass die Musik so laut war, dass es keiner mitbekam. Doch dann musste er zugeben, dass Anne, selbst wenn sie wütend war, immer noch atemberaubend schön war. Dann erinnerte er sich an ein Gespräch welches er mit Will vor drei Tagen geführt hatte.
“Oh mann, meine Eltern haben schon wieder von Anne Wolter geschwärmt. Ich hab langsam das Gefühl, ich kenn sie in- und auswendig. Aber wer zum Teufel ist diese Frau?”, klagte Sam. Sein bester Freund lachte aus vollem Hals: “Stell dir vor, bei uns vergeht kein Tag an dem Anne nicht erwähnt wird. Meine Familie ist restlos begeistert von ihr und sie fressen Anne aus der Hand. Naja, und ich bin ihr natürlich auch total ergeben. Ach, ich freu mich so, dass ich bald wieder von meiner Europareise zuhause bin und Anne wiedersehen kann.” “Ich find das immer wieder schön wie du dich auf Anne freust, aber was ist mit uns anderen normal Sterblichen?” “Oh, auf euch freue ich mich natürlich auch.” “Das hört sich ja sowas von begeistert an. Wirklich Will, ich bin geschmeichelt. Das mich eine Frau von meinem Platz drängen kann.” “Sam, dass stimmt doch gar nicht. Dich kann keiner von deinem Platz drängen. Du warst und wirst immer mein bester Freund bleiben.” “Ok, aber wer ist denn nun Anne? Ich kenn keine Anne. Außer aus den Erzählungen von anderen Leuten.” “Doch du kennst sie. Sie war mal auf Dads Festen.” “Bist du ein Scherzkeks. Du Esel, du dummes Walross (nichts gegen die Tiere, mir fehlen bloß die Schimpfwörter), ich könnte jetzt noch mehr aufzählen. Denkst du echt, ich kann mich an alle Frauen erinnern, die sich auf den Festen deines alten Herrn herumstolzieren?” William verteidigte sich. “Wärst du in den letzten 4 Jahren auch nur einmal gekommen, dann würdest du sie kennen. Im Gegensatz zu dir, war sie nämlich jedesmal dabei. Und außerdem stolziert Anne nicht, du Vollidiot.” “Jaja, reg dich nicht so auf. Das ist schlecht für deinen Blutdruck ... Also, erzähl mir von ihr. Wie sieht sie aus, wie ist sie?” Jetzt war bei Will kein Halten mehr und schwärmte: “Anne ist eine Göttin. Sie ist die schönste Frau auf der Welt. Keine Frau kann sich je mit ihr messen. Sie hat sich sehr verändert. Sie ist faszinierend. Sie ist treu, loyal und immer freundlich. Man kann sie nicht beschreiben. Man muss sie selber kennenlernen und lieben. Ich zeig sie dir das nächste mal. Aber eins sag ich dir. Sie ist es wert, dass man um sie kämpft. Sie ist die Traumfrau!” Sam schmunzelte: “Von wem, meine oder deine.” “Na nimmt sich nicht viel. Ich würde sagen von uns beiden.” , erwiderte Will, “Versprich mir, dass du das nächste mal kommst.” “Ja ja, wenn es dich beruhigt.” “Ey, ja ja heißt, leck mich am Ar*** und das beruhigt mich keineswegs. Du musst einfach kommen. Und wenn ich dich an einer Leine hinter mir herzerre.” “Das würdest du nicht wagen.” “Oh, doch. Wenn es um Anne geht, gibt es nicht viel, was ich mich nicht wagen würde.” Das gab Sam zu denken. “Sag mal...” “Mal.” “Mensch hör auf. Ähm... liebst du sie?” Will musste überlegen. “Ja, ich denke schon, dass ich sie liebe. Ich liebe sie aber auf eine andere Art, als du meinst. Ich liebe Anne wie meine eigene Schwester. Sie ist mein Gegenstück, aber sie und ich. Wir können uns nicht das geben, was andere Leute unter Liebe verstehen. Ich würde nie was mit ihr anfangen. Das würde sich wie Inzest anfühlen.”


Jetzt fühlte Sam eine Erleichterung, dass sein bester Freund nichts von Anne Wolter empfand. Bevor er sich jedoch weiter in diese Gedanken verstrickte, trat jemand auf ihn zu. Er blickte auf und schaute in die lächelnden und glücklichen Gesichter von George und dessen Freundin Mia. Sam zog es sich im Herzen zusammen. So glücklich sein wie George und Mia, sowas wollte er auch mal mit einer Frau seines Herzens verspüren. Dann fragte er nach Will, den er heute noch gar nicht gesehen hatte. George verzog das Gesicht zu einer Grimasse und Mia lachte: “Oh, ich glaube der steckt in einer Ehekrise. Oder anders gesagt, das Malheur, in dem er zurzeit steckt, kommt einer Ehekrise sehr nah.” “Mia, hör auf! Will ist ...”Doch diese ließ George nicht ausreden und sagte süffisant grinsend: “Und George ist schuld.” George verteidigte sich nciht, sondern schaute Sam augenrollend an. “Tja, dagegen kann man nix machen. Sie diskutiert dann noch solange mit mir, bis ich ihr recht gebe. Ich sag dir, lass dich niemals mit einer Frau ein. Du bist älter als ich, eigentlich hättest du mit den Rat geben sollen als ich mit ihr zusammen gekommen bin. Aber nein, du musstest mich ja darin bestärken. Naja, Will ist in der Küche.” Sam lächelte den beiden zu und steuerte auf die Küchentür zu. Er kam dort schnell an, denn es standen dort keine Leute herum. Was er als Glück empfand, denn als er nur noch wenige Schritte entfernt war, hörte er schon einen Streit. Die lauten Stimmen wurden noch lauter, als Sam die Tür öffnete. Er steckte den Kopf durch die tür und blinzelte. Anne und Will standen ganz nah voreinander und schrien sich an. Sam schlich durch die Tür und setzte sich in eine Ecke auf einen Stuhl. Anne stand mit dem Rücken zu ihm und Will hätte ihn sehen können, wenn er nicht die ganze Zeit Anne angestarrt hätte. Anne setzte wieder zu einer längeren Rede an, doch Will unterbrach sie: “Anne, hör einfach auf damit. Du kannst es nicht ändern, also lass es einfach. Und weißt du was? Ich ziehe doch zu meinen Eltern.” Anne schnappte nach Luft. Will fuhr ungerührt fort. “Ich möchte nicht eines Tages mit einem Messer im Rücken aufwachen, weißt du. Verdammt, Anne. Schau mich nicht so an. Wach endlich auf und werde so wie du früher warst. Ich meine vor dem Tod deines Vaters und deiner Schwester. Deine ganze Familie würde nicht wollen, dass du so verdammt distanziert und verklemmt bist. Deine Familie ist glücklich gestorben, sie alle wussten, dass du sie liebst. Und sie alle würden heute stolz auf dich sein. Alsi find dich jetzt endlich damit ab. Es sind inzwischen 7 Jahre vergangen, dass das Flugzeug abgestürzt ist. Anne, es waren 7 verdammt lange Jahre. Vergiss sie einfach. Lass sie ruhen und lebe du stattdessen dein Leben. Jetzt, für dich, für deine Freunde, Familie und für deine Zukunft.” Will hatte sich so in Rage geredet, dass er nicht mitbekam, wie Anne immer unsicherer auf den Beinen stand. Sie war blaß geworden und als Will eine Atempause machte, sagte sie: “Ich habe keine Familie und keine Freunde.” Dann machte sie kehrt und verschwand aus dem Raum. Will stand wie erstarrt auf der Stelle und schaute die eben zugefallene Tür an. Sam erhob sich aus seiner Ecke und räusperte sich. Will wandte sich um und sah ihn mit ausdruckslosem Gesicht an. “Wie lange stehst du schon da?”“Ähm... seit du ihr erklärt hast, dass du lieber doch zu deinen Eltern ziehst.” “Oh.”, war alles was Will dazu sagte. Sam fragte, um die Stille zu unterbrechen: “Will, willst du lieber zu mir ziehen?” “Ja, das wäre nett.”, kam die tonlose Antwort. Dann ließ sich Will auf einen Stuhl fallen. “Gut, dann...” Sam wusste nicht was er sagen sollte, doch das war nicht nötig. Aus Will brach nun alles heraus und seinem besten Freund Sam fiel die Rolle als Zuhörer zu. Will redete über das, was ihm gerade in den Sinn kam, doch das Thema Anne ließ er vorerst aus. Er sprach über Arbeit, Frauen und die Reise. Seine Familie zu erwähnen konnte er nicht über sich bringen, denn er zählte Anne zur Familie. Also schwieg Will, nachdem ihm sein Gesprächsstoff ausging. Auch Sam hielt den Mund und so hörte man nur das Ticken der Küchenuhr und den gedämpften Lärm der Party durch die geschlossene Tür. Nach einer gefühlten Ewigkeit begann Will unvermittelt zu sprechen an. “Das hätte ich nicht zu Anne sagen sollen, oder?” “Nein, durchaus nicht.
Das hat sie total verletzt. Ich weiß nicht, um was es ging, bevor ich hereingekommen bin, aber ich glaube sie will dir nur helfen. Sie bietet dir eine ehrliche und ernstgemeinte Hilfe an und du stößt sie einfach weg. Das war wahrscheinlich ein totaler Schlag für sie. Deine Worte waren hart und etwas ... ähm ... unpassend.” “Weißt du, du kennst Anne besser als ich. Und ich habe die letzten 3 Jahre vor meiner Europareise praktisch jede freie Minute mit ihr verbracht, während du sie nicht mal einen halben Tag kennst.”, sagte Will verbittert. Sam widersprach ihm: “Das ich sie nicht lange kenne, stimmt. Aber ich kenne sie nicht besser als du. Ich kann sie nur verstehen, weil ich weiß wie ich mich gefühlt und wie ich reagiert hätte. Und ich hab jetzt auch irgendwie Respekt vor Anne gekriegt.” Will schaute ihn verwundert an. “Respekt? Was meinst du?” “Sie ist nicht mit Fäusten auf dich los. Ich hätte nicht eine Minute gezögert.”, antwortete Sam schlicht und einfach. “Oh, deswegen. Ich denke mal, dass sie nah dran war.” “Kann sein, aber nah dran heißt nicht, dass sie es gemacht hat. Ich bezweifle auch, dass sie es getan hätte. Sie hatte sich vollkommen im Griff und hat eine total tolle Selbstbeherrschung.” Will sah ihn nur merkwürdig an und dann schwiegen sie wieder beide. In ihr Schweigen platzte Mia, die auf 180 war, herein. “William James Fisher! Du verdammter Hurenbock! Was hast du mit Anne gemacht?” Sam stellte sich schnell schützend vor Will hin, da Mia sehr gefährlich in ihrer Wut aussah. Er hob beruhigend die Hände und sagte: “Mia, die beiden haben sich nur gestritten, sonst nichts.” “Samuel Ian Kingston. Du wirst sofort aus dem Weg gehen!”
Doch Sam rührte sich nicht. Mia ignorierte ihn einfach und beugte sich dann vor, um an ihm vorbei Will anfunkeln zu können. Dann sagte sie leise und erstaunlich sanft: “Anne ist fix und fertig. Sie ist total verzweifelt. Will, das war ein Streit den ihr nie
vergessen werdet. Ich weiß nicht, was du ihr alles gesagt hast, aber tu etwas. Sorge dafür, dass das nicht auch der Streit sein wird, den sie dir nie verzeihen wird. Will, tu irgendwas, bitte! Sonst wirst du das später bitter bereuen, weil du nämlich dann die Freundschaft zu Anne und das Vertrauen von George verlieren wirst. Will, ich bitte dich, tu etwas!!! Will, bitte!”, flehte Mia eindringlich. Doch ihre Worte drangen nicht bis zu ihm. Da wurde sie lauter und sprach in einem wütenden Ton weiter: “George konnte Anne gerade noch so daran hindern, dass sie in ihrem Zustand nach Hause fährt. Überleg dir mal, was passieren oder was sie sich hätte antun können. Weißt du, was passiert ist, als George sie in ihr Zimmer hier gebracht hat, weißt du das?” Sie sprach noch lauter und trat näher. “Anne hat versucht aus dem Fenster zu klettern, weil sie nicht mehr ertragen konnte mit dir unter einem Dach zu sein. Und du weißt wie verdammt hoch das ist. Sie hätte sich das Genick oder sonst was brechen können, wenn dein Bruder, nicht du, sondern dein Bruder sie nicht daran gehindert hätte. Danach hat sie ihn angefahren, wir könnten sie nicht festhalten und das sie uns wegen Freiheitsberaubung oder so verklagen wird.” Mia lachte hart und wenig belustigt auf. “Danach hat sie geschrien sie wolle mit dir und deiner Familie inklusive George nichts mehr zu tun haben. George ist natürlich mächtig sauer auf dich, denn als er unklugerweise angemerkt hat, dass ihr ihre einzige Familie seid, ist sie richtig ausgerastet. Danach ist sie zusammengebrochen und nun heult sich sich bei ihm die Augen aus. Er gibt sich jetzt die Schuld daran, weil er es war, der sie dazu ermutigt hat, sich mit dir auszusprechen.” Bevor Will irgendetwas sagen konnte, flog die Tür auf und George stürzte wie ein Racheengel auf seinen Bruder zu. Er schlug auf ihn ein und brüllte dabei: “Du verfluchter Scheißkerl! Wieso sagst du ihr, sie soll ihre Familie vergessen? Und erzählst ihr vorher noch, dass sie uns nicht als Familie sehen soll? Sondern nur als gute Freunde? Bist du denn echt ein so großes gefühlsloses Arschloch? Wieso hast du ...?” George brach ab, denn Sam hatte ihn gepackt und von Will weggezogen. Dieser saß zusammengesunken auf dem Stuhl und rührte sich nicht ein bisschen.
Nun öffnete sich die Tür wieder und wer spazierte frisch und fröhlich pfeifend herein? Natürlich war es der jüngste Fisher. Dieser stutzte, besaß aber genug Geistesgegenwart um die Tür zu schließen. Dann betrachtete er die Szene genau. “Nanu? Eine
Schlägerei? Kann ich mitmach ... ähm, ich meine, kann ich helfen?” Doch keiner antwortete. Alle Augen richteten sich auf Will, der sich nun regte. Er schaute George an und Mia schmerzte es bei dem Ausdruck seiner Augen. Sie waren gefüllt mit Traurigkeit, Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung und Tränen. Doch George sah es nicht. Vor seinen Augen liefen die Bilder von dem elenden Häufchen, dass Anne nach ihrem
Wutausbruch war. Anne hatte sich dann an George geklammert und ihn angefleht, niemanden etwas zu sagen. Als er das versprochen hatte, erzählte sie alles. Was sein älterer Bruder gesagt hatte. George ging in seiner Bruderrolle auf und sein
Beschützerinstinkt meldete sich gegen Will. Wieder machte George Anstalten sich auf seinen Bruder zu stürzen. Er hatte Sam vergessen, der ihn noch immer festhielt. Aber diesen riss er einfach so mit, denn gegen die Kraft, die er in seiner Wut entwickelt hatte, konnte Sam nichts tun und hatte keine Chance. Als Etienne es erkannte, lief er auf George zu und schmiss sich mit seinem Körper auf ihn. Somit lagen sie zu dritt auf dem Boden. Sam, George und Etienne. George versuchte sich zu befreien, doch die anderen ließen ihm keine Chance. Nun bewegte sich auch Will, aber statt seinem Freund und seinem Bruder zu helfen, fasste er Mia an den Schultern und wollte sie beiseite schieben. Diese, immer noch wütend, stieß ihn stärker als gewollt zurück. Will taumelte rückwärts und stolperte über die am Bodenliegenden. George nutzte die Gelegenheit und teilte einige saftige Hiebe aus. Es entstand eine Prügelei in der Küche. Mia stand vor dieser Menge und bangte nicht nur um die Gesundheit der Männer, sondern auch um ihr Küchenmobiliar. Vergessen war die Freude um Wills Rückkehr, vergessen die Party, die immer noch vor der Küchentür im vollen Gange war. Selbst Mia hatte alles andere um sich vergessen. Erst als ihre Cousine Sophie Miller auftauchte, erinnerte sie sich an die Gäste. Sophie riss die Augen ganz groß auf als sie das um sich schlagende Knäuel auf dem Boden sah. Bevor sie etwas sagen konnte, schob Mia sie resolut aus der Küche und schloss mit Nachdruck die Tür. Sie schaute ihre etwas ältere Cousine an: “Keine Sorge, da passiert nix. Sie haben gerade absoluten Spaß. Sie sind eben doch nur zu groß geratene Jungs, die ihren Spaß haben wollen.” “Aber irgendwie sah das eben ziemlich ernst aus.”, warf Sophie zögernd ein. “Unsinn, mach dir bloß keine Sorgen. Da passiert wirklich nichts. Echt, die denken sie sind erwachsen, aber manchmal haben sie eben ihre kleine Phasen, in denen die kleinen Jungs zum Vorschein kommen. Und jetzt ist es mal wieder soweit. Mach dir mal keine Platte drum.”, beteuerte Mia. Sophie schaute sie skeptisch an, aber sie achtete nicht mehr darauf. Sie begann einfach die Gäste einen nach dem anderen hinauszukomplimentieren. Nachdem das relativ reibungslos über die Bühne gegangen war, zum Schluss ihre besorgte Cousine verabschiedete, ging sie in die Küche zurück. Das Bild hatte sich noch immer nicht verändert. Es zeigte 4 männliche gutaussehende Exemplare, die sich eifrig die Köpfe einschlugen.
Der Spaß wurde durch eine Stimme, die es gewohnt war, dass man ihr gehorchte, unterbrochen. Es war eine kräftige, männliche Stimme, die von der Tür aus die 4 Männer zu Räson brachte. “Seid ihr denn noch zu retten? Was ist denn hier los? Habt ihr denn keine anderen Hobbies als wie kleine Kinder auf der Erde herumzukullern?” Die Angesprochenen und Mia fuhren herum und sahen dort zu ihrem großen Entsetzen die Ehepaare Fisher und Kingston stehen. Diese schauten ihre Söhne fassungslos an. Matthew Fisher, der gerade laut gesprochen hatte, hob die linke Augenbraue und sah dann Mia an. “Mia Jane Evans. Was zum Teufel geht hier vor? Warum wälzen sich ALLE drei meiner Söhne auf dem Boden?” “Und wieso ist mein Sohn Samuel mit von der Partie? Samuel Ian Kingston. DU hast dich seit mindestens 6 Jahren nicht mehr geprügelt.”, warf der nun belustigte Gerald Kingston ein. Matthew fuhr, ohne auf diesen wirklich wichtigen und qualifizierten Einwurf zu achten, fort. “Wieso schreien hier alle so durcheinander und wo ist Anne?” Die jungen Leute fühlten sich recht unwohl in ihrer Haut und antworteten nicht sogleich. Dann meldete sich George zu Wort. “Hi Mum, hi Dad. Ähm...schön das ihr schon da seid. Wie ich sehe, habt ihr ähm... die Kingstons auch gleich mitgebracht. Willkommen in meinem bescheidenen Heim, Mr. und Mrs. Kingston. Wir haben euch gar nicht so früh erwartet.” “Nein, durchaus nicht, dass haben wir bereits mitbekommen. Ich will auch nur nebenbei bemerken, dass wir eigentlich zu spät sind.”, erwiderte sein Vater trocken. “Oh, kann ich euch vielleicht ins Wohnzimmer begleiten?”, mischte sich Mia ein, da George ihr einen hilfesuchenden Blick zuwarf. “Matthew, ihr seid gerade in einen ungünstigen Moment reingeplatzt. Es ist jetzt eine Situation, die deine Söhne alleine ausbaden müssen. Da kannst du nichts tun und auch nicht helfen. Komm, wenn sie soweit sind, kommen sie nach.” Mia führte die ältere Generation ins Wohnzimmer und somit die Männer außer Sichtweite. “Kann ich euch etwas zu Trinken anbieten?”, fragte sie, nachdem alle Platz gefunden hatten. Keiner antwortete. Sie starrten in Richtung Küchentür und ihnen stand die Fassungslosigkeit im Gesicht. Außer Gerald Kingston, der amüsiert vor sich hin grinste. Auf diese äußerst unwitzige Situation, die nun leicht lächerlich wirkte, waren die Eltern nicht gefasst gewesen. Dann klirrte es hinter der Küchentür. Mia, die sich hingesetzt hatte, sprang auf. Doch Mathilda Kingston hielt sie auf. “Mia, wollen Sie uns nicht diese absurde Situation erklären. Und sagen Sie uns doch bitte, weshalb sich die 4 jungen Männer dort in der Küche benehmen wie kleine pubertierende Kinder. Ich kann es mir nicht erklären, und ich denke, ich bin nicht die einzige hier.” Mia sah verzweifelt auf den Boden. “Ich kann...es nicht. Tut mir leid, aber der Grund ist ... kompliziert. Der ist nicht gerade angenehm.” “Das, junge Dame, können Sie getrost uns überlassen zu entscheiden.”, mischte sich Gerald ein. Seine Frau warf ihm einen ungnädigen Blick zu. Sie fühlte mit Mia und bemerkte, an der ganzen Sache einen faden Beigeschmack. Sie spürte, dass es einen schwerwiegenden Grund gab. Mia holte tief Luft und sah Matthew direkt an. “Anne und Will haben sich gestritten ...” Bevor sie weiter sprechen konnte, begann Mr. Fisher zu lachen. Er konnte sich gar nicht mehr beruhigen, während Madelein ungläubig fragte: “Deswegen? William und Anne streiten sich, und 3 erwachsene Männer und mein kleiner Tien wälzen sich auf dem Boden?” Matilda spürte auch jetzt wieder, dass das nicht alles war und noch was kommen musste. Sie bemerkte auch, dass Mia unruhig geworden ist.

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Tag der Veröffentlichung: 10.07.2012

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