Ich heiße Claudia und möchte ich Ihnen mal meinen Werdegang als Unternehmerin im Friseurgewerbe schildern. Zusammen mit meiner Freundin Elvira sollte der Einstieg beginnen. Wir waren voller guter Ideen und Vorstellungen, ein fester, großer Kundenstamm inbegriffen.
Die Geschäftsbeginn gestaltete sich hervorragend. Wir hatten den Friseursalon von einem älteren Kollegen übernommen. Der Laden war zwar sehr heruntergekommen, eine Renovierung war dringend erforderlich. Da der ältere Herr einen großen Kundenstamm hatte, war der Preis für die Übernahme gerechtfertigt, sogar ein Schnäppchen, dachten wir.
Wir fingen mit dem Fußboden an. Erst alles raus, dann die Ausgleichsschicht rein. Wenn nicht immer diese Kunden dagewesen wären. Wir konnten nicht richtig durchlüften, weil sich immer wieder Kunden über den Durchzug beschwerten, der Boden wollte deshalb einfach nicht trocknen.
So begannen wir erst einmal, die Tapeten zu entfernen. Ein Staub war das. Die Kunden wollten einfach nicht akzeptieren, dass wir renovieren. Sie wollten in einer staubfreien Zone sitzen, so kamen wir einfach nicht voran.
In dem einen Bereich war nun endliche die Ausgleichsschicht getrocknet. Wir hatten für die Kunden schicke Gartenstühle bereitgestellt, weil wir keine Lust hatten, jeden Abend für den Bodenverleger die schweren Hydraulikstühle in den Nachbarraum zu wuchten. Und was war wieder, es gab Beschwerden von unseren alten Angestellten und den Kunden. Die eine meinten, sie würden sich den Rücken kaputt machen, die anderen fanden die Plastikstühle unbequem. Keine wollte Rücksicht auf unsere Umbauarbeiten nehmen.
Als der Fußboden dann endliche verlegt worden war, kamen die ersten Möbel. Schicke Vintage-Sachen. Unter dem Waschbecken zur Abdeckung der Rohre eine alt aussehende Holzkiste. Da kam doch tatsächlich die Frage auf, wie denn das sauber zu halten wäre!!! Welche Kunstbanausen.
Dann die Sache mit der Badewanne. Wir hatten uns ein Sofa ausgesucht, das aus einer Badewanne hergestellt worden war. Auf einer Längsseite war die eine Wandung entfernt worden, sodass man toll sitzen konnte. Jetzt wieder die Kunden: Die Sitzfläche ist viel zu tief, man kann sich nicht anlehnen und kommt sich vor wie auf einer Hühnerstange….Kein Rückgrat haben die Leute.
Im alten Salon gab es einen kleinen Tisch, auf dem die Zeitschriften lagen. Was für eine Platzverschwendung. Wir hatten uns ein kleines Steckregal ausgesucht, dass an der Wand hängt. Sie glauben nicht, was die Kunden wieder auszusetzen hatte. Es fehlt die Übersicht. Außerdem guckte der wartenden Kunde pikiert, der unter dem Regal saß, weil der Suchende ihm mit seine Jacke im Gesicht herum wischte.
Als wir uns nun vollständig eingerichtet hatten, sollte die tolle Einweihungsfete steigen. Es wurde Sekt und Selters besorgt. Überall hatten wir selbst gemachte Zettel mit dem Termin verteilt. Und was war jetzt wieder: keiner kam. Dabei musste ich an die tollen Sprüche denken, die wir gut sichtbar für die Kunden aufgestellt hatten: z. B. "Mit einem dummen Spruch können Sie den ganzen Tag einer Friseurin verderben. Das können keine folgenden zehn Kunden mit ihrem Lächeln wieder wett machen."
Wir hatten uns ein tolles Geschäftsmodell ausgedacht. Zum einen konnten wir die alten Angestellten nicht einfach entlassen. Sie wollten aber einfach nicht akzeptieren, dass das Geschäftsrisiko nicht nur bei uns liegen kann. Sie hatten sich so an den alten Trott gewöhnt. Sie wollten einfach unsere neue Bezahlung und Beteiligung nicht annehmen. Zugegeben, das Geld, was am Ende dabei herauskam, war eine "bisschen" weniger als vorher, aber wir leben schließlich im Kapitalismus.
Der andere Clou war, das wir "Tage" verpachteten. Das sah so aus: Der Salon besteht aus zwei Räumen. Die eine Hälfte des Ladens, der Herrensalon, wurde dann für einen festen Betrag für einen Arbeitstag verpachtet. Das Risiko der Einnahmen ging voll auf den Pächter und wir hatten ein festes Einkommen, ohne Arbeitsaufwand. Einfach genial. Und jetzt wieder die Kunden. Warum ist denn hier ständig wechselndes Personal? Für jeden Haarschnitt muss alles neu erklärt werden. Alle Gespräche fangen immer von vorne an, ein Tiefgang wie bei dem Vorbesitzer kommt nicht auf, alles nur Geplänkel. Ich Frage Sie, was erwartet der Kunde. Wir tun unsere Arbeit, das muss reichen. Was interessiert uns deren Privatleben? Wenn der Vorbesitzer es anders gesehen hat, ist das seine Sache.
Jetzt muss mal was zu den Nerven der Angestellten gesagt werden. Wenn sie am frisieren waren und nur ein Kunde bearbeitet wurde war alles OK. Nun kam ein zweiter. Die Nervosität stieg, weil man beobachtet wurde. Man merkt, dass die Zeitschrift immer flüchtiger gelesen wird. Jetzt kommt noch ein Kunde und noch ein Kunde. Für manche Mitarbeiter ein nicht zu ertragender Zustand. Also haben wir das intern besprochen und beschlossen, die Kunden zu bitten, später wieder zu kommen.
Nun gab es aber manche Kunden, die waren so uneinsichtig, dass sie beleidigt verschwanden. Wenn man anderen erklärte, das man schon den ganzen Tag durchgehend gearbeitet hätte und nachher auch noch die Abrechnung machen müsste, fand das kein Verständnis. Auch das Argument, noch "klar Schiff" machen zu müssen erhöhte nicht den Verständnissgrad. Alle denken nur an sich.
Oder hier noch ein anderer Fall: Es war schönes Wetter, einige Mitarbeiter hatten Überstunden angesammelt. Wie jeder fürsorgliche Chef war das ein Zeitpunkt, um solchen Kollegen frei zu geben. Und jetzt wieder die Kunden. Kommen rein sehen den letzten verbliebenen Mitarbeiter, der gerade "behandelt". Wenn dieser ihm dann mitteilt, das es heute nicht mehr geht, weil er der letzte verbliebene Mitarbeiter sei und er wegen des schönen Wetters auch gleich gehen wird, gucken die nur blöd und verlassen wortlos den Salon. Oder ein anderer Fall.
Ein Mitarbeiter hat persönliche Probleme. Ein Kunde erscheint vertrauensvoll, ihm erzählt er all sein Leid. Nach der Frisur meint der Kunde, er sei doch kein Kummerkasten. Nur weil er mitten im Schnitt nicht einfach gehen kann, muss das nicht ausgenutzt werden.
Eine Zeit lang ging das ganz gut. Wir mussten aber feststellen, dass die Kunden so unflexibel waren, und nachdem sie zwei-, dreimal wieder wegschickt worden waren, einfach den Friseur wechselten. Was für eine Betriebstreue. Die Auslastung der einzelnen Mitarbeiter sank, der Umsatz wurde geringer. Was der Betriebsvorgänger an Umsatz versprochen hatten, wurde nicht mehr im geringsten erreicht. Wir mussten uns was überlegen.
Nachdem wir und unsere Mitarbeiter in uns gegangen waren, mussten wir feststellen, dass der Kunde ein zartes Pflänzlein ist, das umsorgt sein will. Wenn wir unsere Grundeinstellung zur Arbeit nicht den Mitbewerbern anpassen, wird aus unserer tollen Geschäftsidee nichts und wir können den Laden schließen, denn die Kunden, die einmal weg sind, kommen nicht wieder. Schade
Tag der Veröffentlichung: 01.06.2017
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