Das Land lag noch unter einer Schneedecke, kein Anzeichen von Frühlingserwachen in Sicht und doch war ein Flügelschlag zu hören, ungewöhnlich für Anfang Februar, kamen diese Zugvögel doch meist erst mit dem Frühling zurück…
Adebar war schon sehr aufgeregt, nun würde es nicht mehr lange dauern und er wäre wieder zu Hause. Ob sie wohl schon da war?
Seit drei Jahren waren er und Ciconia ein Paar, aber wie es unter Störchen manchmal üblich ist, flogen sie auf verschiedenen Routen in den Süden. Dadurch sahen sie sich zwar monatelang nicht, aber wenn sie wieder zusammen waren, gab es viel zu erzählen. Und nun konnte er es kaum erwarten, sie wiederzusehen und deshalb hatte er sich als einer der ersten auf den Rückweg gemacht.
Je mehr er bekannte Gegenden überflog, desto verwirrter wurde er. Da war nichts von grünen Wiesen zu sehen, alles lag unter einer dicken Schneedecke und auch die Bäume waren noch ohne Blätter, ja zeigten noch nicht mal Ansätze von Knospen. Schon spürte er die bekannten Winde seines Heimatortes und kurze Zeit später hatte er seinen Horst erreicht. Zu seiner Freude hatte noch kein anderer Storch den Horst besetzt, denn er war von dem langen Flug geschwächt und ein Kampf war nicht gerade das, was er jetzt hätte brauchen können.
Aber wie sah sein Horst aus!
Dicke Eiszapfen hingen außen herunter und innen war alles voll Schnee, das gab Arbeit!
Doch zuerst musste er etwas zu Fressen suchen. Er flog zum großen See in der Nähe, der in seinem Schilfgürtel immer eine Menge Frösche und anderes Getier beherbergte.
Aber oh weh, auch der See lag unter einer Eisschicht, selbst das Schilf war steif gefroren, Frösche gab es hier sicherlich nicht. Also musste Adebar woanders suchen und er wusste auch wo. Eine große Wiese war sein Ziel, denn schon oft hatte er dort Mäuse erwischt. Er landete am Rand der Wiese, wo niedrige Büsche den Wald dahinter begrenzten und stolzierte langsam umher, den Blick auf den Boden gerichtet. Allerdings sah er erst nichts als ein paar Schneeglöckchen und ganz versteckt und fast unter dem Schnee vergraben sogar eine Schneerose.
Doch dann hatte er Glück und kurze Zeit später flog er gut gesättigt zurück zu seinem Horst.
Eifrig machte er sich ans Werk und putzte und werkelte, bis das Nest von Schnee und Eis befreit war. Nachdem er das erledigt hatte, holte er sich so nach und nach Schilf vom See und baute den Horst noch schöner und größer als er je war. Seine Gefährtin Ciconia wird Augen machen, wenn sie kommt!
Natürlich war seine Tätigkeit von den menschlichen Bewohnern des Hauses, auf dessen Dach sein Horst war, nicht unbemerkt geblieben und schon bald liefen die Leute aus dem ganzen Dorf zusammen und zeigten aufgeregt auf ihn. Sie kannten „ihren“ Storch natürlich und freuten sich, dass er wohlbehalten wieder da war, aber sie wunderten sich über Adebar, denn er war einen Monat früher als üblich zurückgekommen und nun machten sie sich Sorgen, ob er genug Futter finden würde.
Aber Adebar war ein junger und starker Storch und zu seinem Glück hatte die Sonne Erbarmen mit ihm und schön langsam taute der See wieder auf, das Eis gab auch das Schilf wieder frei und nun konnte er seinen Hunger auch mit Fisch stillen.
Immer öfter hielt Adebar Ausschau nach seiner Gefährtin, seine sehnsuchtsvollen Rufe erschallten als Klappern im ganzen Dorf.
Langsam und anfangs unbemerkt, schlich sich der Frühling heran, der Schnee schmolz und die grünen Stellen auf den Wiesen wurden immer größer, Primeln und Krokusse reckten ihre Köpfchen aus dem Boden und verwandelten die eintönigen Wiesen in ein buntes Blütenmeer.
Nun tauchten immer wieder einmal Störche am Himmel auf, aber Ciconia war nicht dabei und Adebars Herz wurde schwer.
War ihr etwas passiert?
Schließlich war es eine lange und gefährliche Reise, wo viele Feinde lauerten, es gab Unwetter, aber auch Menschen, die auf die Störche schossen. Auch ganz einfach Schwäche ließ etliche Störche sterben und Ciconia war noch jung, nicht so erfahren im Umgang mit den Gefahren.
Da, irrte er sich oder kannte er dieses Klappern? Aufgeregt klapperte er ebenfalls und dann kam ein Storch immer näher und näher, bis er sanft neben Adebar landete. Ciconia hatte es geschafft!
Voll Freude begrüßte Adebar seine Gefährtin und Ciconia, geschwächt, aber sichtlich gesund, gab sich seinen Liebkosungen hin, rieb zärtlich ihren Kopf an seinem Hals, konnte gar nicht genug von seinen Berührungen bekommen und unter den wärmenden Strahlen der Frühlingssonne besiegelten sie erneut ihre Partnerschaft.
Ende
Texte: Margo Wolf
Cover: Pixabay
Tag der Veröffentlichung: 11.02.2019
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