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Camping am Ende der Welt?

 

Es war 1984 und wir waren wieder einmal mit unserem Campingbus unterwegs in Richtung Süden. Wir, das hieß, mein Mann, ich und unser kleiner damals 8 Monate alter Sohn Markus. Hinter uns in ihrem eigenen Bus fuhren unsere Freunde Inge, Fritz und ihre drei Söhne wovon der Jüngste genauso alt war wie unser Markus.

Wir wollten im damaligen Jugoslawien irgendwo an der Küste einen netten Campingplatz suchen, um die 4 Wochen Urlaub, die vor uns lagen, mit faulenzen und im Meer baden, zu verbringen. Allerdings wollten wir nicht gleich in Istrien halt machen, wo sich schon damals die Horden von Touristen tummelten, sondern erst südlich von Split mit der Suche nach einem geeigneten Platz beginnen. Da damals in Jugoslawien Autobahnen noch ein Fremdwort waren, es gab nur die Autoput im Hinterland und die konnte man kaum als Autobahn bezeichnen, waren wir auf normalen Landstraßen unterwegs.

 

Unseren ersten Aufenthalt machten wir bei den Plitvicer Seen, ein absolutes Muss für jeden, der in Slowenien oder Kroatien unterwegs ist, 16 Seen sind durch Katarakte oder richtige, teils ziemlich große Wasserfälle verbunden und die Flora ist ganz einfach überwältigend. Auch gibt es viele Tiere dort, sogar Bären und auch Wölfe, aber die meiden zum Glück die Menschen.

Nachdem wir uns einen Tag lang die Füße wund gelaufen hatten, ging es weiter Richtung Küste, wo wir auf Höhe von Zadar aufs Meer trafen. Obwohl viel über die Jadranska Magistrala, die Küstenstraße, geschimpft wurde, schließlich zog sich damals der gesamte Urlaubs-, und auch LKW Verkehr über diese kurvige Straße, bietet sie einmalige Ausblicke auf das Meer und die vorlagernden Inseln. Heute gibt es hinter dem Küstengebirge eine parallel dazu verlaufende Autobahn und der Verkehr hat an der Küstenstraße deutlich abgenommen, so dass man sich in Ruhe der Schönheit der Umgebung hingeben kann.

 

Weiter ging es an Sibenik vorbei, das geschützt in einer Bucht liegt, von der es einen ca.2,5km langen schmalen Kanal zu Meer gibt. Dann Trogir, eine zauberhafte Stadt, die schon zur Zeit der Griechen besiedelt war und deren heutige Altstadt schon die Römer mittels eines Kanals zu einer Insel gemacht hatten. Als nächstes tauchte Split auf, die größte Stadt der Gegend, deren Altstadt in den Ruinen eines riesigen römischen Palastes liegt, den der römische Kaiser Diokletian um ca 300 n. Chr. einst hatte bauen lassen.

Ich will nun nicht alle Städte aufzählen, aber eine hat es wirklich verdient, erwähnt zu werden

Dubrovnik, früher Ragusa genannt. Wer kennt nicht das Bild der Stadt im Meer mit der gewaltigen Festung an der Spitze der Landzunge?

Man kann oben auf der Stadtmauer rund um die ganze Stadt laufen und von oben auf die alten Häuser blicken. Früher waren auch die Dächer Jahrhunderte alt, aber seit dem schrecklichen Krieg in den 1990gern erstrahlen fast alle Dächer im frischen Rot, ein schönes, aber auch sehr beklemmendes Gefühl, zeigt es doch, dass die Stadt ziemlich beschädigt war.

Damals, als wir immer weiter nach Süden fuhren, war allerdings noch kein Gedanke an Krieg.

Natürlich fuhren wir nicht so schnurstracks und ohne Halt nach Süden, wie es sich hier liest, wir begannen südlich von Split Ausschau nach einem geeigneten Campingplatz zu halten, aber entweder waren sie auch hier überfüllt oder so eng und steil, dass wir mit unserem großen Bus gar nicht reinkamen, oder es passte eben etwas anderes nicht, irgendeiner von uns meckerte immer.

Viele Köche verderben eben den Brei und wir waren vier Erwachsene und vier Kinder, wovon allerdings zwei mit ihren 8 Monaten noch nicht so richtig argumentieren konnten. Die zwei größeren, der 14jährige Clemens und sein Bruder Christoph mit 6 Jahren brachten allerdings ihre Einwände ebenfalls lautstark vor.

Also ging es weiter…

Wir fuhren die endlos lange, aber sehr schöne Bucht von Kotor aus und obwohl es auch hier viele kleine Campingplätze gab, gefiel unseren Männern wieder nichts. Uns beiden Frauen und den Kindern war es schon bald egal, es war brechend heiß und wenn es auch in einem Campingbus um einiges angenehmer zu reisen ist, als in einem Pkw, wollten wir endlich ans Ziel kommen, an irgendein Ziel!

Da rückte mein Mann mit einem Vorschlag heraus, er hätte etwas über einen Platz in einem Reiseführer gelesen, (Internet gab es noch nicht mal in Science Fiktion Romanen), der ganz fantastisch sein sollte und dort wollte er hin.

„Gut, und wo ist dieses Zauberding von Campingplatz?“ fragte ich etwas ungehalten.

„An der albanischen Grenze“, meinte mein Mann so harmlos wie möglich. Ich sah ihn mit großen Augen an. Was heute so banal klingt, war damals das Ende der Welt. Albanien hätte auch auf dem Mond sein können, es wäre nicht unbekannter gewesen. Ein absolut weißer Fleck auf Europas Landkarten.

Mein Mann erklärte weiters, dass der Grenzfluss zwischen Jugoslawien und Albanien Bojana hieß und in dessen Mündungsdelta die Insel Ada liege, die ein wahres Campingparadies sein sollte. Gut, wir waren schon so weit gefahren, da kam es auf die paar Kilometer auch nicht an, waren ja nurmehr ca. 100!

Die letzte Stadt in Jugoslawien war Ulcinij, ebenfalls eine sehr alte Stadt und angeblich ein ehemaliges Piratennest. Die Jadranska Magistrala führt bis hierher und auch noch weiter, allerdings war sie damals nach Ulcinij nichts weiter als ein besserer Forstweg, eine Sandstraße mit vielen Schlaglöchern und unglaublich staubig. Die Straße endete nach ca. 15 km ohne Vorwarnung an einem schmalen, träge dahintreibenden Fluss, ein Arm des Bojana. Es war nun bereits Nacht und keine Brücke in Sicht, dafür dümpelte vor uns eine kleine Fähre, wo vielleicht gerade 4 kleine Pkw’s Platz hatten. Noch dazu lag diese nicht auf gleicher Höhe wie die Straße, sondern um einiges höher und mir wurde angesichts dieses windschiefen Dings ziemlich übel, da passte unser Bus nie darauf! Und natürlich weit und breit kein Mensch in Sicht.

Macht nix, dachte ich, ich will da eh nicht rüber!

Doch kurze Zeit später tauchten Männer aus dem Dunkel auf und machten sich an der Fähre zu schaffen. Sie wuchteten zwei lange Holzbretter an den Bootsrand und bedeuteten meinem Mann draufzufahren. Ganz langsam, Schritt für Schritt wagte er sich auf die Fähre, die unter dem Gewicht unseres Busses gefährliche Wassertiefe erreichte, aber ungerührt dirigierten die Bootsmänner auch den zum Glück kleineren und auch leichteren Bus unserer Freunde neben unseren auf die Fähre. Ich stieg mit meinem kleinen Sohn aus und bereute es sofort. Die hinteren Zwillingsräder unseres Gefährts standen messerscharf an der äußersten Kante des Bootes und irgendeine Abstützung gab es natürlich nicht, das hieß, der gesamte Überhang des Busses, das waren ca 2,5m schwebte frei über dem Wasser. Und nur die angezogene Handbremse und der eingelegte Gang hielten den Bus am Fleck, wo er stand. Zum Glück dauerte die Überfahrt nur kurz, denn ich hielt, glaube ich, die ganze Zeit den Atem an.

Dann war es geschafft und wir hatten wieder festen Boden unter den Füßen. Dass wir da bei der Rückfahrt wieder rüber mussten, das schob ich im Augenblick ganz weit weg von mir!

 

Nach einer kurzen Fahrt durch unwegsame und finstere Wildnis, kamen wir beim Campingplatz an, das hieß, es gab kein Tor, Schlagbaum oder ähnliches, nur ein verwittertes Schild mit dem Wort Camping und dahinter schimmerten im Dunkel weiße Wohnwagen und auch Zelte und Busse, also waren wir richtig.

Was mich aber erstarren ließ, waren die Buchstaben, die noch auf der Tafel standen: FKK!

Nun bin ich kein Gegner der Freikörperkultur, nur hatte ich es selbst noch nie gemacht und besonders selbstbewusst war ich auch nicht.

„Das ist ein Fkk Camp“; sagte ich vorwurfsvoll zu meinem Mann.

„Ja, stört dich das?“ gab er ungerührt zurück.

„Ja, natürlich“, dann zuckte ich mit den Schultern, „naja, ich weiß es ehrlich gesagt nicht.“

Im Dunklen versuchten wir einen geeigneten Platz zu finden, eine Beleuchtung gab es auf dem Platz nicht, nur die beleuchteten Fenster der Wohnwägen tauchten das Ganze in ein düster schimmerndes Licht. Mit Hilfe unserer Scheinwerfer, wahrscheinlich hatten wir den halben Platz wieder aufgeweckt, fanden wir einen einigermaßen ebenen Platz, der zumindest für den Rest der Nacht genügen würde.

 

Wir waren alle in Schweiß gebadet, selbst das dünne Badekleid klebte an mir, und obwohl es inzwischen ziemlich genau Mitternacht war, zeigte das Thermometer 38 Grad. Da unsere Kinder endlich schliefen, auch eine Herausforderung, da die Kinder schon während den langen Fahrten viel geschlafen hatten und demnach zu Unzeiten putzmunter waren, hatten wir nur einen Wunsch, duschen!

Unsere Männer schickten uns vor, sie wollten einstweilen auf die Kinder aufpassen

und ich erhob dagegen keinen Einspruch, denn ich fand, dass mein Mann zur Strafe ruhig noch ein wenig schwitzen sollte!

Meine Freundin Inge ging schon in Richtung Duschen voraus, ein erleuchtetes Gebäude in der Nähe, kam aber sofort zurück.

„Ich glaube nicht, dass ich da dusche“, meinte sie nur.

„Sind sie so dreckig?“ fragte ich, wir waren so einiges von den Campingplätzen in dem Land gewöhnt.

„Nicht schlimmer als andere, aber“, sie zuckte mit den Schultern, „komm mit, sieh selbst.“

Ich nahm mein Duschgel, Handtuch, und folgte ihr.

Dann standen wir beide vor den Duschanlagen…

Es war ein hell erleuchteter U-förmiger offener Raum, wo etliche Duschköpfe an der Wand befestigt waren. Es gab weder eine Trennwand zwischen den Duschen, noch irgendeine Abtrennung oder Sichtschutz nach vorne. Da der ganze Platz ohne Licht war, erschien dieser offene Raum selbst mit den altersschwachen Lampen wie von Scheinwerfern angestrahlt.

„Wenn wir uns da duschen, kann uns der halbe Platz zusehen“, gab Inge zu bedenken, auch sie hatte noch nie FKK gemacht.

Kurz kam mir in den Sinn, ob es uns wohl etwas helfen würde, wenn wir beim Duschen die Augen zukniffen, so nach dem Motto, wenn wir nichts sehen, sieht uns auch Keiner. Wohl kaum!

Da standen wir nun vor den heißersehnten Duschen, und wussten im Augenblick nicht, was wir tun sollten.

 

„Ja, dass schon“, meinte ich nach einigen Sekunden des Zögerns, der Wunsch, mich von dem klebrigen Film zu befreien, der auf meiner Haut klebte, wurde immer größer.

„Aber wir sind hier auf einem FKK Gelände, wir müssen morgen bei hellstem Sonnenschein nackt aus dem Bus, das wird bestimmt auch nicht leicht“, gab ich zu bedenken, ich gab mir einen Ruck, „weißt du was, ich dusche jetzt und wenn sie Platzkarten verkaufen, um uns zuzusehen, ist’s mir auch egal, ich will jetzt duschen!!“

Gesagt getan, ein paar Sekunden später stand ich endlich unter der Dusche und genoss das kühle Nass, dass etwas zögernd und dünn den Duschkopf verließ. Inge folgte meinem Beispiel und bald hatten wir vergessen, dass wir sozusagen in der Auslage standen.

 

Am nächsten Morgen nackt aus dem Bus zu steigen, kostete noch etwas Überwindung, aber bald hatten wir uns an die „nackten“ Tatsachen gewöhnt. Noch dazu kamen wir im Gespräch mit anderen Urlaubern darauf, dass es etliche Campinggäste gab, die ebenso wie wir auf Ada „gestrandet“ waren und auch erst lernen mussten, sich nackt zu zeigen. Diese Leute waren leicht zu erkennen, denn im Gegensatz zu erfahrenen Nudisten, die nahtlos braun waren, kämpften die Neulinge mit erheblichen Sonnenbränden an gewissen Teilen des Körpers, die die Sonne sonst nie zu Gesicht bekam. So liefen viele mit T-Shirts herum, um dem Sonnenbrand auf Schultern und Rücken Herr zu werden, und auf dem verlängerten Rücken zeigte sich die Haut, die noch nie zuvor Sonne gesehen hatte, im schönsten Signalrot.

Und die Sonne brannte, was das Zeug hielt, ich erlebte dort die höchste Temperatur, die ich jemals gemessen hatte: 50 Grad!

Das hieß, frühmorgens baden, dann in der Mittagshitze ganz ruhig im Bus bei offenen Fenstern ruhen, damit der leichte Seewind etwas Kühlung verschaffte und am Abend, wenn es nur mehr so 35 Grad hatte, wieder zum Strand.

Wen wunderts, dass man bei 30 Grad bereits einen Pullover anzog, weil es „kalt“ war?!

Es gab noch auf der Insel etliche Ferienhäuser, einige Restaurants und auch einen kleinen Supermarkt, der allerdings den Namen nicht verdiente, denn mehr als Zwiebel, Tomaten, Kartoffeln und ein paar Getränke hatte er nicht zu bieten.

 

Trotz der Hitze und der langen Anfahrt gefiel es uns so gut, dass wir noch einige Male dort Urlaub machten, bis der Krieg alles änderte. Heute führt eine schöne asphaltierte Straße bis zum Fluss und natürlich eine Brücke auf die Insel.

Auch die Städte, die ich im Laufe der Reise erwähnt habe und noch einige andere, sind jede für sich eine Reise wert, wie Juwelen eines Colliers reihen sie sich an der Küste Kroatiens und Montenegros entlang.

 

Hier einige Bilder dazu:

 

Ein Teil der Plitvicer Seen

 

Kirche aus dem 9.Jahrhundert in Zadar

Straße in Trogir

 

 

Typische Küstengegend in Kroatien

Split

Dubrovnik

Bucht von Kotor

Insel Ada

Impressum

Texte: Margo Wolf
Bildmaterialien: Pixabay
Cover: Pixabay
Tag der Veröffentlichung: 03.02.2019

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