Prolog
Es war Winter 1976 und wie schon viele vor und nach uns, zog es auch uns in den sonnigen warmen Süden, was konnte anderes in Frage kommen, als die Inseln des ewigen Frühlings?
Wie fast jeder, der Teneriffa einmal erlebt hatte, verloren wir sofort unser Herz an diese wunderbare Insel und wir beschlossen damals, einmal in der Rente hierher zu ziehen, aber wie das Leben schon so spielt, im Laufe der Jahrzehnte kam ein ganzes Leben dazwischen, Beruf, Haus bauen, Kinder, und wir vergaßen…
Frühjahr 2013
Wir haben ein Computergeschäft, dass unser Sohn übernommen hatte, aber mein Mann half immer noch gerne aus.
Eines Tages kam ein Kunde mit einem Freund, der ein besonderes Anliegen hatte. Er hatte eine Ferienwohnung auf Gomera, eine der Kanarischen Inseln, und wollte einen billigen Laptop, den er auch dort lassen könnte, wenn er nicht anwesend war. Zum Glück hatten wir gerade ein passendes Gerät im Geschäft, mein Mann bot es an und als es um den Preis ging, stach meinen Mann plötzlich der Hafer:
„Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Sie können den Laptop umsonst haben, wenn meine Frau und ich drei Wochen in ihrer Wohnung Urlaub machen können.“
Es sollte ein Scherz sein…
„Gerne“, nickte der Mann vollkommen ernst, „ich bin im Sommer ohnehin nie dort.“
Das machte sogar meinen Mann für Sekunden sprachlos!
Wir trafen uns danach noch öfter und bald hatten wir alles abgemacht.
Im nächsten August ging es mit dem Flieger nach Teneriffa, wo uns ein Freund des Wohnungsinhabers abholte und uns auch ein Zimmer für die Nacht anbot, da die Fähre erst am nächsten Morgen fuhr.
Drei Wochen Gomera!
Eine herrliche Insel zum Wandern und Entspannen, die Wohnung war in einer kleinen Ferienanlage in Valle Gran Rey, sie hatte eine große Terrasse und es gab auch einen netten Swimmingpool, der uns fast allein gehörte, da nur wenige Gäste da waren.
Aber…, nach nicht mal zwei Wochen hatten wir alles abgefahren und auch abgewandert und uns wurde immer langweiliger. Wir beschlossen, nach Teneriffa zurückzukehren und uns die letzten Tage des Urlaubs dort umzusehen.
Das taten wir und da kam wieder die Erinnerung…, wie hatten wir nur darauf vergessen können?
Natürlich hatte sich die Insel in den vergangenen Jahrzehnten verändert, Touristenhochburgen reihten sich nun aneinander, wo damals nur winzige Fischerdörfer waren, aber der Zauber und das südliche Flair waren geblieben!
Als wir abflogen, wussten wir eines ganz sicher, diesmal kommen wir wieder!
Im nächsten Herbst, es war ein sehr nebliger kalter Herbst in Wien, wo unser zu Hause ist, reichte es uns und wir beschlossen, unser Vorhaben umzusetzen und ein paar Wochen mehr als einen gewöhnlichen Urlaub lang, nach Teneriffa zu fliegen. Tagelang durchforsteten wir das Internet nach einer passenden Unterkunft. Ich weiß nicht, ob wir besonders wählerisch waren, aber wir fanden nichts Geeignetes, entweder waren die Kommentare dementsprechend, oder die Fotos der Wohnung und Umgebung sagten uns nicht zu. Wir wollten weder in der Einflugschneise des Flughafens, noch oberhalb einer Disco oder mit Blick auf die Autobahn 6 bis 8 Wochen verbringen.
„Ruf doch den Mann an, bei dem wir auf Teneriffa genächtigt haben“, schlug ich meinem Mann vor.
Gesagt getan und er meldete sich auch sofort. Mein Mann fragte ihn, ob er eine Ferienwohnung für uns an der Hand hätte, oder sonst einen Rat wüsste.
Nein, er selbst hätte keine Wohnung an der Hand, aber er kennt jemand, der uns weiterhelfen könnte, er wird unsere Telefonnummer weitergeben und derjenige würde dann zurückrufen.
„Naja, wenn sich in den nächsten 14 Tagen nichts rührt, dann versuche ich es nochmals“, meinte mein Mann, nachdem er das Gespräch beendet hatte.
Irrtum, keine zwanzig Minuten später meldete sich eine Karin, zu unserer Freude ebenfalls eine Wienerin, die schon lange auf Teneriffa lebt, und fragte, ob wir diejenigen wären, die eine Ferienwohnung suchen würden. Wir bejahten und sie meinte, es wäre so kurzfristig schwierig, aber sie würde sich umsehen und sich wieder melden.
Ein paar Tage später rief Karin wieder an und meinte, sie hätte etwas, es wäre zwar nur ein Studio, also eine Einzimmerwohnung, aber sie würde Fotos schicken.
Die Fotos gefielen uns und da wir ja den Ort schon vom Sommer her kannten, sah ich mich gleich auf Google Earth um und ging schon mal virtuell in Poris de Abona spazieren. (Der Ort schreibt sich wirklich mit „o“!) Es ist ein kleiner Ort mit nicht mal 1000 Einwohnern im Südosten von Teneriffa, aber direkt an einer schönen Bucht am Meer gelegen und etlichen Gästen, die hier überwintern und auch eher die Ruhe abseits der Touristenzentren suchen.
Anfang Jänner trafen wir auf Teneriffa ein und Karin empfing uns, sie zeigte uns die Wohnung und übergab uns den Schlüssel. Es war ein Studio, lag in einem großen mehrstöckigen Wohnblock und bestand aus einem einzigen Raum mit einer gläsernen Trennwand, Badezimmer und einer Terrasse, In der Mitte des Wohnblocks war ein schöner Garten mit einem großen Pool. Wir, die wir gerade aus dem kalten Europa gekommen waren, genossen die Wärme und die Schönheit der Insel ausgiebigst, kurvten mit unserem Mietauto auf der ganzen Insel herum, wanderten unten am Meer entlang und oben durch die Caldera des Teidegebiets.
Ich glaube, jeder hat schon mal Fotos von Teneriffa gesehen und die zeigen immer eine üppig blühende Insel, voll mit Palmen, die sich im Wind leicht wiegen und wer kennt nicht die so beliebten Papageienblumen oder die Weihnachtssterne, die auf Teneriffa so hoch wie Bäume werden? Dieses Teneriffa gibt es auch, es handelt sich aber dabei um den feuchteren Norden, der Süden, getrennt vom gewaltigen Teidemassiv, ist wesentlich trockener, wüstenartig, hier herrschen Kakteen und verschiedene Sträucher, hauptsächlich Wolfsmilcharten vor.
Der Vorteil ist, dass es im Süden wärmer als im Norden ist und es kaum Regen gibt. Die üppigen Gärten in den großen Touristenzentren Los Christianos und Las Americas sind alle künstlich angelegt und gedeihen nur dank ständiger Bewässerung. Das Beeindruckendste ist aber der Nationalpark Teide. Schon wenn man Kurve um Kurve die Straße höher fährt, ist man von den Eindrücken gefesselt, schließlich muss man sich von 0 Höhenmeter auf 2300m hocharbeiten. Zuerst Kakteen und Gestrüpp, mit dazwischen terrassierten Feldern und Bananenplantagen, danach der Corona Forestal, ein Kiefernwald, der die ganze Insel wie ein Haarkranz umgibt. Oft ziehen hier Nebelschwaden durch, verzaubern alles, es tropft manchmal von den Bäumen. Dann wird es heller, und wie ein Flugzeug stößt man durch die Wolkendecke, man glaubt, sich in einem anderen Land, auf einem anderen Planeten wieder zu finden, so mag es zu Urzeiten auf der Erde oder auf dem Mars aussehen. Schwarzes Lavagestein und rötliches Geröll wechseln sich ab, dazwischen an windgeschützten Stellen, niedriges Gebüsch, kaum kniehoch und wenn man Glück hat und es ist klares Wetter, so sieht man bis hinunter auf das Meer und die Orte dort. In der Ferne sieht man die anderen Inseln des Archipels, als würden sie über dem Meer schweben und über allem thront der Teide, wie ein Vater, der seine Kinder beschützt.
Viel zu schnell waren die 6 Wochen vorbei und da es uns so gut gefallen hatte, verlängerten wir unseren Aufenthalt das nächste Mal gleich auf 3 Monate und die Insel gefiel uns immer besser, wir erkundeten auch die verstecktesten Plätze und langsam fanden wir uns auch in den Städten zurecht, fühlten uns schon ein wenig wie zu Hause.
Aber für die lange Zeit wurde uns die Einraumwohnung doch zu klein, noch dazu, wo unsere Kinder uns auch gerne mal besuchen würden. Da wir die Absicht hegten, von nun an jeden Winter auf der Insel zu verbringen, begann ich mich im Internet umzusehen, wie es mit Ferienwohnungen in Langzeitmiete aussah, kaufen wollten wir nichts, denn wer weiß, ob es uns in fünf Jahren noch auf der Insel gefallen würde? Wir baten auch Karin, mit der wir inzwischen gut befreundet waren, sich für uns umzusehen. Wir sahen uns einige Wohnungen an, aber nichts gefiel uns so richtig, wir wollten in keine große Ferienanlage, wovon es einige sogar in dem beschaulichen Poris gibt.
Karin wohnte damals in einem kleinen Haus mit 6 Wohnungen, drei im Erdgeschoß und drei im ersten Stock, fest in spanischer Hand und eine Wohnung davon war zu mieten. Wir sahen sie uns an und es gefiel uns ganz gut. Die Wohnung hat einen Wohnraum, in dem die Küche integriert ist, zwei Schlafzimmer und natürlich Bad und Vorraum. Vom Balkon hat man einen schönen Blick, fast über die ganze Bucht und vom Küchenfenster direkt auf den Teide. Zu dem Haus gehört noch ein Pool und daneben eine große Außenküche mit langen Tischen, wohin man ausweichen kann, wenn man kleine Feste feiern will. Und auch eine Garage mit einer allerdings engen Einfahrt gehört dazu. In ca. 50m ist man am Meer und in 200m gibt es einen kleinen Sandstrand.
Wir überlegten kurz, riefen Karin an und sagten nur: „Ja, wir wollen die Wohnung.“
Sie war sehr erstaunt, dass wir uns so ohne weiteren Kommentar oder Diskussion entschlossen hatten, aber entweder passt es oder nicht!
Bald darauf hatten wir mit der Eigentümerin alles geregelt und den Mietvertrag in der Tasche. Die Eigentümerin war so glücklich einen Dauermieter zu haben, dass sie uns erlaubte, unsere Sachen, die wir so nach und nach für das Studio angeschafft hatten, in der Wohnung zu deponieren, obwohl es erst April war und der Mietvertrag erst ab September galt.
Als wir zu Hause eröffneten, dass wir ab nun jedes Jahr 6 bis 7 Monate verschwinden würden, gab es lange Gesichter, hatten doch alle geglaubt, wir würden nur reden, träumen und es doch nicht durchziehen, aber denkste!
Den nächsten Aufenthalt nutzten wir hauptsächlich, die Wohnung an unsere Ansprüche anzupassen, kauften Möbel, die uns gefielen, strichen Wände und erneuerten auch vieles im Badezimmer, so wurde aus einer neutralen Ferienwohnung ein richtiges zu Hause. Wir kauften uns auch ein kleines Auto, um nicht die, auf Dauer doch teure Automiete, zahlen zu müssen.
Nun verbrachten wir schon einige Winter auf Teneriffa und die Insel wird uns immer mehr zur zweiten Heimat, wobei die Einheimischen mit ihrem entspannten und fröhlichen Wesen noch das ihrige dazu beitragen. Auf jeden Fall sollte man, wenn man vom hektischen Europa kommt, erst einmal tief durchatmen und einen bis zwei Gänge runterschalten, sich ganz dem Zauber der Insel hingeben, im Meer baden, durch Wälder wandern, oder oben die marsähnliche Landschaft bewundern. Teneriffa hat viele Seiten, bietet für jeden etwas, da gibt es sanfte Hänge voll mit Bananenplantagen, aber auch wilde Schluchten und Felswände, ein Paradies für Kletterer. Man kann stundenlang wandern und begegnet doch keinem Menschen, man kann aber auch in das dichte Gewühl der Städte eintauchen und durch Fußgängerzonen von Geschäft zu Geschäft schlendern.
So sind wir in unserem doch schon fortgeschrittenem Alter zu Aussteigern geworden, haben Stress und Hektik zurückgelassen und passen uns immer mehr an die Lebensweise auf Teneriffa an. Unsere Kinder und auch Freunde besuchen uns gerne und alle sind begeistert von der Schönheit der Insel und dem entspannten Leben hier.
Ich kann nur jedem raten, wenn man Träume hat, soll man sie sich erfüllen, es ist nie zu spät dafür, nichts ist schlimmer, als sich am Lebensabend sagen zu müssen, hätte ich nur…!
Ende
Die zwei Seiten von Teneriffa
Texte: Margo Wolf
Bildmaterialien: Margo Wolf
Cover: Margo Wolf
Tag der Veröffentlichung: 06.01.2019
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