Es war vor 17 Jahren im Oktober und mein jüngerer damals 12jähriger Sohn Bernhard hatte uns endlich überredet, eine Katze anzuschaffen. Ich schlug vor, einer armen Katze aus dem Tierheim ein neues zu Hause zu geben, was alle ganz toll fanden. Sein 17jähriger Bruder Markus erhob Einspruch, denn er wollte unbedingt einen Hund. Unsere geliebte Cora war ein Jahr zuvor mit 15 Jahren gestorben und Markus litt sehr darunter, denn die Hündin hatte ihn durch die ganze Kindheit begleitet. Ich aber meinte, dass nun sein Bruder dran wäre und ich mein Versprechen halten würde. Ich wusste zwar von meiner Kindheit auf dem Bauernhof bei meinen Großeltern, dass sich Hunde und Katzen durchaus vertragen konnten, aber ich wollte mich neben Beruf, ich hatte ein eigenes kleines Geschäft, und zwei Kindern nicht auch um die Erziehung eines jungen Hundes kümmern müssen. Mein Mann war da auch keine große Hilfe, da er beruflich die ganze Woche weg war.
Markus druckste herum und gestand, dass ein Arbeitskollege ein Husky Pärchen hätte und es da nun 9 Welpen gäbe. Ich winkte entsetzt ab, ein Husky! Ein lauffreudiger Hund! Ich hatte weder Zeit noch Lust jeden Tag stundenlang durch die Gegend zu laufen, denn dass das an mir hängen bleiben würde, wusste ich aus Erfahrung.
Markus erwiderte nichts darauf, aber drei Tage später hielt ein fremdes Auto vor unserem Haus und dann kam Markus zur Tür herein, mit einem 8 Wochen alten Hundebaby auf dem Arm! Er meinte, sein Kollege hatte ihm gesagt, dass die jungen Hunde weg müssten, denn 11 Hunde in einer Wohnung ging nicht und er würde wohl die Welpen in ein Tierheim geben müssen. Ich fand es zwar schon ein Unding, überhaupt Huskys in einer Stadtwohnung zu halten, aber nun konnte ich nicht weiter darüber nachdenken.
So, nun war also der Husky da und…ich war sofort verliebt in das kleine Hundemädchen!
Bernhard war zwar ebenfalls ganz begeistert, aber er machte trotzdem ein langes Gesicht, denn er sah seinen Wunsch schon den Bach runterschwimmen. Ich beruhigte ihn und sagte ihm, dass er trotzdem eine Katze bekommen würde, wir nur darauf achten mussten, dass sie hundeverträglich war.
Hundeleine und Hundekorb waren bald besorgt und nun ging es gleich ans Erziehen. Dazu muss ich sagen, dass Huskys zwar ähnlich wie Schäferhunde aussehen, aber Welten davon entfernt sind. Zudem sind Huskys keine Wachhunde, ein Einbrecher könnte über den Hund wegsteigen und dieser würde nicht mal den Kopf heben. Der Vorteil dagegen ist, dass sie keine Kläffer sind, aber sie haben ein weites Spektrum an Jaul-, und Winsel Lauten, den Wölfen sehr ähnlich. Und ganz wichtig, ein scharfes Wort, dann schaltet ein Husky auf stur, hört überhaupt nicht mehr.
Mein Mann fiel aus allen Wolken, als er am Wochenende von einem grauweißen wedelnden Etwas begrüßt wurde, aber auch er verliebte sich sofort in Nanuk, von uns Nana oder Nani gerufen. Zwei Wochen später hatten wir uns aneinander gewöhnt und es lief ganz gut, im Gegenteil, der Zwang, mit dem Hund spazieren zu gehen war ja für meine Gesundheit auch vom Vorteil.
Ich weiß, man kann sich alles schönreden!
Ein Freund, der uns oft am Wochenende besuchte, kam vorbei und berichtete, dass in dem nahen Supermarkt ein Zettel hängen würde, mit dem Angebot:
„Kätzchen abzugeben“
Und mit einer Telefonnummer dazu, die unser Freund gleich vorsorglich aufgeschrieben hatte. Wir riefen die Nummer an und eine Frau meldete sich. Auf unsere Anfrage meinte sie, dass sie noch ein Kätzchen hätte, aber sie wäre jetzt zu ihren Eltern aufs Land unterwegs, um die Katze wieder zurückzubringen, denn sie hatte keine Zeit, sich darum zu kümmern. Zu unserem Glück wollte sie mit einem Zug von einem in unserer Nähe gelegenen Bahnhof abfahren.
Wir ins Auto, natürlich mit Nana, da diese absolut noch nicht allein zu Hause bleiben wollte und ab zum Bahnhof. Dort drückte uns eine Frau ein braunweißes kleines Etwas in die Hände und weg war sie, denn der Zug fuhr gerade ein.
Kaum größer als meine Hand, aber so süß und flauschig, wie nur Babykätzchen sein können. Ich stieg wieder in unser Auto und plötzlich hatte ich ein fauchendes, kratzendes und knurrendes Ungeheuer in der Hand. Der Anblick des Hundes brachte das Kätzchen sichtlich total aus der Fassung, im Gegenteil von Nana, die nur verstört dreinsah und gar nicht begriff, was das sollte.
Das konnte ja was werden!
Wir fuhren nach Hause und ich fuhr gleich wieder los, um Katzenutensilien zu kaufen, Babynahrung, Katzenklo und die passende Streu. Als ich wieder nach Hause kam, war es überraschend friedlich, Nana beäugte das kleine Fellding aus sicherer Entfernung und die kleine Katze schien sich an die Gegenwart des Hundes zu gewöhnen. Mein Mann hatte inzwischen festgestellt, dass es ein kleiner Kater war und erst jetzt sahen wir, dass die kleinen Öhrchen schwarz von Milben waren und die Augen ganz verklebt. Ich machte Kamillentee und tupfte, so gut ich konnte, die Augenränder ab, das half zumindest etwas. Leider war es Samstag und wir konnten erst am Montag zum Tierarzt gehen. Als Bernhard aus der Schule kam, war er ganz aus dem Häuschen und von dem Katerchen nicht mehr wegzubringen. Seligkeit ist nur vage beschrieben, für das Gefühl, dass er hatte!
Sobald Bernhard am Montag aus der Schule kam, ging es zum Tierarzt. Dieser untersuchte das Kätzchen gründlich, stellte fest, dass es ebenfalls ca. 8 bis 10 Wochen alt war und machte ein ernstes Gesicht. Er meinte, er wüsste nicht, ob es durchkommen würde, denn der Gesundheitszustand war bedenklich, die Milben wären überall und auch sonst wäre das Tier nicht so gesund, wie es auf dem ersten Blick aussah, denn es hatte auch andere Parasiten an und in sich, von Würmern ganz zu schweigen.
Bernhard, der natürlich mitgekommen war, war den Tränen nahe und auch mir wurde das Herz schwer. Ich bat den Tierarzt, alles zu unternehmen, um dem Kätzchen, von Bernhard inzwischen auf den Namen Gigi (Schischi gesprochen) getauft, zu helfen.
Das tat der Tierarzt dann auch und es glich einem Sturm mit schweren Waffen auf unsichtbare Angreifer. Gigi bekam Injektionen und gleich die erste von einer Folge von Impfungen verabreicht, die Ohren ausgeputzt, in das Mäulchen wurde ihm etwas gespritzt, die Augen mit Augentropfen geschwemmt und sogar in die Nase bekam er etwas geschmiert. Wenn man nun glaubt, dass sich Gigi gewehrt hat, irrt sich. Er ließ alles mit einer stoischen Ruhe über sich ergehen, wehrte sich nicht einmal, kratzte und fauchte nicht, stellte sich tot. Diese Ruhe beim Tierarzt blieb ihm und das oft zur Verwunderung der Anwesenden. Auch Nana bekam zu ihrem Entsetzen gleich etwas verabreicht, um die diversen Krankmacher von ihr fernzuhalten und sie war das Gegenteil von Gigi, schon auf dem Weg zum Tierarzt jammerte und litt sie immer Todesqualen.
Die nächsten Tage wäre Bernhard am liebsten zu Hause geblieben, um sich um Gigi zu kümmern, was natürlich nicht ging, aber ich bekenne mich insofern für schuldig, dass ich ihn am nächsten Tag eine Entschuldigung schrieb, so dass er sich zumindest einen ganzen Tag um Gigi kümmern konnte. Und dieser dankte es ihm mit innigster Anhänglichkeit und vor allem mit gesund werden!
Nana und Gigi gewöhnten sich immer mehr aneinander, ja sie begannen, sich richtig gern zu haben. Bald herrschte in unserem Haus eine wilde Jagd treppauf und treppab, was uns des Öfteren nachts den Schlaf raubte, denn unser Haus ist alt und die Holztreppe knarrt. Die beiden spielten und tobten miteinander, wurden unzertrennlich. Manchen Besucher stockte das Herz, wenn Nana ihr Maul aufriss und der ganze Katzenkopf darin verschwand, oder sich Gigi wie ein wildgewordener Tiger auf Nana stürzte und sich in ihrem Fell am Hals verbiss, doch die beiden wussten genau, was sie taten, denn niemals gab es eine Verletzung, ja nicht einmal ein Haar wurde dabei ausgerissen.
Gigi entwickelte sich zu einem guten Jäger und manchmal brachte er eine Maus mit nach Hause, die ihm dann oft entwischte und dann lagen Hund und Katze einträchtig vor dem Schrank, unter dem das zitternde Mäuschen saß. Dann hieß es wieder, die beiden mit Leckerlis wegzulocken, die Lebendfalle aufzustellen und dann das Mäuschen wieder in die Freiheit zu entlassen, mit der Belehrung meinerseits, sich möglichst weit zu entfernen. Auch der Goldfischteich eines Nachbarn war nicht mehr sicher vor ihm, kam er doch eines Tages mit einem Fisch im Mäulchen angetrottet, der fast größer als er selbst war.
Nana entwickelte sich ebenfalls prächtig und sie war so eine Schönheit, dass sich Leute auf der Straße nach ihr umdrehten. Sie war ein Alaskan Husky, die sind größer und schlanker als ihre Verwandten, die Siberian Huskys, und wurden eigentlich für die Hundeschlitten Rennen gezüchtet. Damit hatte unser Mädchen allerdings nichts am Hut, dazu liebte sie ihren Platz auf der Couch zu sehr. Trotzdem wurde sie zu einem wunderbaren Hund und auch wenn es etwas länger dauerte, war sie schließlich so gut erzogen, dass sie auf Ruf sofort kam und auf die üblichen Befehle, wie „Steh, Sitz und Platz“ ohne Wenn und Aber folgte. Obwohl Huskys als gute Jäger gelten und deshalb kaum frei laufen dürfen, war dieses Gen bei Nana sichtlich nicht vorhanden. Wenn sie im Garten lag und ein Eichhörnchen vor ihre Nase herumspazierte, hob sie kaum ihren Kopf und im Wald blieb sie am Weg neben oder knapp vor uns. Selbst wenn Rehe unsere Wege kreuzten, was in unserem Wald gar nicht so selten vorkommt, genügte ein kurzes „Nein!“ und sie sah geflissentlich vom Wild weg, tat, als würde sie es gar nicht sehen.
Wir hatten 12 Jahre eine wunderbare Zeit mit ihr und ihr Ende kam so überraschend, dass es uns einen nachhaltigen Schock versetzte.
Und wieder in einem Oktober…
Wie jeder große Hund wurde ihre Hüfte im Alter steifer und dann wollte sie nicht mehr weit laufen und sie wirkte überhaupt lustlos. Mein Sohn Markus und ich gingen mit ihr außerhalb der jährlichen Impfung zum Tierarzt, in der Meinung, sie würde eine schmerzstillende Injektion bekommen und einige Tabletten. Dem Tierarzt gefiel gar nicht was er sah, er fand, dass ihre Schleimhäute sehr blass waren und ihr Herz viel zu schnell schlug. Nana wurde geröntgt, dazu musste sie etwas betäubt werden und sie wachte zur Verwunderung aller nicht mehr so recht aus dieser Betäubung auf.
Dann der Schock…, sie hatte einen Milztumor und noch schlimmer, dieser war aufgebrochen und blutete in den Bauchraum. Der Tierarzt nannte uns unsere möglichen Optionen. Eine sofortige Operation könnte er zwar durchführen, aber die würde sie aufgrund des schlechten Herzzustandes nicht überleben und wenn wir sie wieder so mit nach Hause nehmen, würde sie in einigen Stunden unter großen Schmerzen verblutet sein und sterben. Der Tierarzt überließ uns zwar die Wahl, aber eigentlich hatten wir keine. Mein Sohn und ich sahen uns nur an, sprechen konnten wir nicht, zu sehr hatten wir mit unserem Schluchzen zu kämpfen.
„Sie hat es nicht verdient, dass wir sie leiden lassen, dazu war sie ein zu toller Hund“, brachte Markus mühsam heraus und ich konnte nur nicken. Ja, diesen Liebesdienst waren wir ihr schuldig, sie hatte uns soviel Liebe geschenkt und jetzt hatten wir die schwere Pflicht, ihr etwas von dieser Liebe zurück zu geben.
Wir gaben unser Einverständnis und obwohl sie sichtlich nicht mehr bei Bewusstsein war, gab ihr der Arzt noch eine Betäubungsspritze, und erst nach einer ganzen Weile die endgültige Spritze. Dazu hatte uns der Arzt in ein kleines Hinterzimmer gebeten und wir blieben noch eine ganze Stunde bei ihr, hielten sie in den Armen, gaben ihr all unsere Liebe mit auf ihren letzten Weg.
Wir brauchten lange, bis wir uns von dem Schock erholt hatten und auch Gigi reagierte verstört. Lange saß er oft am Fenster, so als ob er auf etwas zu warten schien, nun wir wussten, auf wen…
Er wurde noch anhänglicher, folgte uns auf Schritt und Tritt und wenn sich jemand von uns niedersetzte, kam er sofort und forderte Streicheleinheiten ein. Doch ein knappes Jahr später bekam er eine neue wichtige Aufgabe.
Mein Sohn Markus, inzwischen verheiratet, wurde Papa!
Die kleine Emilia erhellte wieder unsere Welt, mit Wehmut dachten wir daran, wie gern Nana Kinder hatte und sie bestimmt ein toller Babysitter gewesen wäre.
Die Angst, dass Gigi, nun schon etwas alt und natürlich verwöhnt, eifersüchtig reagieren würde, bewahrheitete sich zum Glück nicht. Zwar war er anfangs von dem schreienden Bündel etwas irritiert, aber bald wurde er zum Babysitter, schlief neben der Kleinen und als diese zu Krabbeln und später zu Laufen anfing, war er immer an ihrer Seite.
Nun sind seit Nanas Tod 5 Jahre vergangen und Gigi ist mit seinem17 Jahren ein alter Herr geworden. Und auch wenn es ihm schon manchmal schwerfällt, folgt er meiner Enkelin noch immer auf Schritt und Tritt und sie hängt mit zärtlicher Liebe an ihm, oft unterhält sie sich leise mit ihm, erzählt, was sie im Kindergarten erlebt hat.
Uns erfüllt das mit leiser Wehmut, denn auch Gigis Tage sind gezählt, aber so weit wollen wir gar nicht denken, sondern jeden Tag genießen, den er uns mit seiner Anwesenheit noch verschönt!
Zum Abschluss ein paar Erinnerungen…
Eine neugierige Nase
Was sich liebt, das neckt sich…
Freunde
Eine neue Aufgabe für Gigi
Danke Nani, für die wunderbare Zeit, die wir mit dir verbringen durften
Texte: Margo Wolf
Bildmaterialien: Margo Wolf
Cover: Pixabay
Tag der Veröffentlichung: 04.10.2018
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Allen Haustieren gewidmet, die uns lieben, obwohl wir sie oft nicht so behandeln, wie sie es verdient hätten