Es war ein schöner Sonntagmorgen im September des Vorjahrs und mein Mann und ich freuten uns auf einen geruhsamen Tag, als uns unser Sohn anrief und fragte, ob wir Lust hätten, mit in den Tiergarten zu gehen. Natürlich hatten wir Lust mit unserer Enkelin den Tag zu verbringen!
Da wir mit der U-Bahn hinfuhren und er mit seiner Familie mit dem Auto, trafen wir uns am Eingang zum Park von Schönbrunn.
Schönbrunn ist nicht nur prächtiges Schloss im berühmten Schönbrunner Gelb, das sein heutiges Aussehen Kaiserin Maria Theresia (1717- 1780) verdankt, sondern auch ein sehr schöner großer Park im französischen Barockstil, mit Blumenrabatten, Springbrunnen, einer nachgebauten Ruine und vieles mehr, begrenzt von der Gloriette, die gegenüber dem Schloss auf einer Anhöhe liegt und einen herrlichen Blick auf Schloss und Wien bietet.
Unsere vierjährige Enkelin begrüßte uns stürmisch und drängte aufs Weitergehen, wir wandten uns nach rechts, vorbei am ebenfalls prächtigen Palmenhaus, erbaut 1882 und es braucht den Vergleich mit dem berühmten Palmenaus im Kew Garden in London nicht zu scheuen.
Natürlich war unserer kleinen Emilia herzlich egal, welch geschichtsträchtige Gebäude hier standen, sie lief zielstrebig auf das große schmiedeeiserne Tor vor uns zu, aber vorher mussten wir uns noch um Karten anstellen. Danach gings hinein in den ältesten noch immer im Betrieb befindlichen Tiergarten der Welt. Gegründet 1752 von Kaiser Franz Stephan von Lothringen, dem Gemahl von Maria Theresia und vorerst nur zum Vergnügen des Adels gedacht, wurde Park und Tiergarten bereits 1778 von seinem Sohn Joseph II in einem Dekret „Anständig gekleideten Personen“ der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Das Kernstück der „Menagerie“ ist damals wie heute ein Pavillon, früher zur Erholung für die Habsburger gedacht, sorgt dort heute ein Restaurant fürs leibliche Wohl. Der Pavillon ist von einem sternförmigen Ring von Käfigen umgeben, für heutige Zeit viel zu klein, aber in meiner Kindheit waren dort sehr wohl noch Tiere untergebracht. Zum Glück ist auch der altehrwürdige Tierpark in der neuen Zeit angekommen und die Tiere sind heute alle in großen Gehegen untergebracht.
Unsere Enkelin hüpfte aufgeregt von einem Gehege zum anderen, drängte sich zwischen den Zuschauern vor, um auch einen Blick auf die beliebtesten Zwillinge Wiens, Fu Feng und Fu Ban, die kleinen Pandabären zu erhaschen. Leider war es den kleinen Rackern zu heiß zum herumtoben, sie dösten in einer Ecke des Geheges vor sich hin.
Aber es gab ja noch genug andere Tiere, den Affen schnitt Emilia Grimassen und die waren ganz angetan von der Kleinen mit dem pinken Oberteil, das passend zur Gelegenheit mit einem glitzernden Pony in Regenbogenfarben verziert war. Weiter ging es zu den Elefanten, vor denen sie wegen deren Größe ein wenig Angst hatte. Dafür gefielen ihr die Pinguine viel besser, denn das waren schon seit längerem ihre Lieblingstiere.
Vor einem Kiosk bettelte Emilia um eines der Stofftiere, aber da ihr Zimmer ohnehin vor Stofftieren überquoll, blieben wir hart. Wir wussten nur zu gut, dass das Stofftier, wenn sie es erst einmal in ihrem Besitz hatte, sofort wieder uninteressant sein würde. Mit einem für ihr Alter sehr erwachsen klingenden und herablassenden: „Naaa gut“, gab sie sich mit einem Eis zufrieden und mit dem Versprechen, dass wir mit ihr zum Ponyreiten gehen würden. Vor dem Gelände, wo das Ponyreiten stattfindet, ist ein großer Spielplatz angelegt, zur Freude der Kinder und zu Entspannung der Erwachsenen, da rundherum Bänke zum Ausruhen aufgestellt sind. Wir holten uns Getränke von dem Kiosk daneben und nun verfolgten vier Augenpaare jede Bewegung unserer Enkelin, damit ihr ja nichts passieren würde.
Typisches Schicksal eines Einzelkindes!
Nachdem Emilia alle Geräte auf dem Spielplatz mehrmals durchhatte und den Eltern ein zweites Mal Ponyreiten abgeschwatzt hatte, gingen wir weiter. Nun ging es durch ein kleines Wäldchen vorbei an Gehegen mit Wölfen, Luchsen und verschiedenen Greifvögeln eine Anhöhe hinauf, zum Tirolerhof.
Hier stand schon früher ein kleines Jagdhaus und das jetzige prächtige Gebäude stammt wirklich aus Tirol und ist aus dem Jahr 1722. Im Jahr 1993 wurde der unter Denkmalschutz stehende Bauernhof Stück für Stück abgetragen und in Schönbrunn wieder aufgebaut. Nun beherbergt der Hof etliche alte Haustierrassen und ist ein beliebtes Ziel im Tiergarten. Daneben gibt es noch einige Gebäude und auch ein Restaurant. Wir kauften uns allerdings nur eine Jause, zu mehr hatten wir keine Lust und unsere Enkelin wahrscheinlich auch nicht genug Geduld.
Zur Enttäuschung von Emilia waren die Ställe leer, die Tiere auf dem Freigelände draußen. Ganz am Ende der Ställe war ein Extraraum, in dem Hühnerküken in jeder Altersstufe untergebracht waren, von ganz gelb flauschig, bis zu den größeren, schon mit kleinen richtigen Federn an ihren Flügeln. In einer Ecke stand ein Glaskasten und unter einer Wärmelampe lagen ein paar Eier. Und siehe da, an einem der Eier tat sich etwas, ein kleines Loch war zu sehen und ein winzig kleiner Schnabel, der daran arbeitete.
Ich machte Emilia darauf aufmerksam und bereute es einige Zeit später schon. Inmitten anderer interessierter Kinder verharrte sie nun vor dem Brutkasten und war nicht wegzubekommen. Leider gab es keine Gelegenheit, sich in dem Raum niederzusetzen und nach geraumer Zeit begannen uns die Füße wehzutun, so dass wir Erwachsenen uns abwechselten, um uns draußen hinsetzen zu können. Ich wusste von meiner eigenen Kindheit auf dem Bauernhof meiner Großeltern, dass es sehr lange dauern kann, bis es das Küken schafft, sich aus dem Ei zu befreien, ja manchmal schlafen sie sogar zwischendurch.
Keine der Argumente kamen bei unserer Enkelin an, sie stand ganz versunken im Anblick des Eis da, selbst das Angebot, nochmals zum Ponyreiten mit ihr zu gehen, kommentierte sie nur mit einem: „Später.“
Wir überlegten gerade, womit wir sie doch weglocken könnten, als sich Emilia zu uns umdrehte, uns mit ihren großen blauen Augen ansah und eingedenk ihres sonntäglichen Frühstückseis meinte:
„Wenn das Küken einen Löffel hätte, würde es schneller gehen!“
Texte: Margo Wolf
Bildmaterialien: Margo Wolf, Pixabay
Cover: Pixabay
Tag der Veröffentlichung: 11.09.2018
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