Cover

Der Lkw Führerschein

 

Ich hatte schon ungefähr zwanzig Jahren den Pkw Schein, als mein Mann im Herbst 1989 vorschlug, dass wir den Lkw Schein, C-Schein genannt, machen sollten.

C1 und sonstige Abweichungen gab es damals noch nicht und den E-Schein für schwere Anhänger wollten wir uns aus Kostengründen ersparen.

 

„Ich will aber nicht lernen“, maulte ich, aber das half mir nicht, denn mein Mann hatte recht.

Wir hatten seit einigen Jahren einen alten Mercedes Lastwagen, der von uns selbst zum Campingbus umgebaut worden war. Nun hatte der Wagen knapp mehr als 3,5 Tonnen, ganz zu schweigen, wenn er mit unserem Urlaubszeug beladen und die Tanks voll waren. Dazu muss ich erklären, dass in Österreich der B-Schein schon damals nur bis 3,5t ging, alles darüber benötigte den C-Schein.

Unser Campingbus war zwar runtertypisiert, aber einer Gewichtsprüfung hätte er nie und nimmer standgehalten.

 

So fügte ich mich in mein Schicksal und saß bald darauf unter lauter Männern im Fahrschulkurs. Ich hatte nur erreichen können, dass wir den Winter noch abwarteten, denn ich wollte nicht auch noch mit Schnee und Eis auf den Straßen kämpfen müssen.

Dass man den B-Schein nochmals machen musste, war ein unerwarteter Schock, denn da wird einem erst klar, was man nach zwanzig Jahren alles vergessen hatte, oder weiß jemand der Leser nach Jahren noch, in wie vielen Metern Abstand genau welches Verkehrszeichen zum Beispiel vor einem Bahnübergang steht?

 

Zum Glück ist mein Mann ein Technik Genie und alles, was ich im Kurs nicht mitbekam, erklärte er mir am lebenden Beispiel, das hieß, an unserem Bus, ganz anschaulich. So hatte ich einige Wochen lang den Kopf mehr unter der Motorhaube als anderswo.

Das Fahren bereitete mir hingegen keine Probleme, denn ich hatte schon zigtausende Kilometer, unter anderem quer durch Nordafrika, in unserem Bus hinterm Steuer gesessen und ich war und bin noch immer eine begeisterte Autofahrerin. Im Gegenteil, ich freute mich auf den Fahrschul Lkw, denn der hatte im Unterschied zu unserem Bus eine Motorstaubremse, die beim Bergabfahren eine große Hilfe ist.

Der Fahrlehrer, verzog ein wenig das Gesicht, als er eine Frau vor sich sah.

„Naja, dann wollen wir mal“, meinte er gönnerhaft zu mir.

Ich grinste innerlich, als ich den Fahrschulwagen sah, denn der Lkw war nicht nur das gleiche Modell wie unserer, sondern noch dazu ein Pritschenwagen mit großen Fenstern und dadurch bester Rundumsicht. Unser Campingbus war ein Kastenwagen, eine Sicht nach hinten gab es nicht und Rückfahrkameras gab es damals auch noch nicht.

Ich kletterte also in den Fahrersitz hoch, der Fahrlehrer nahm auf der Sitzbank neben mir Platz und mein Mann auf der hinteren Bank der Doppelkabine. Ich stellte mir den Sitz ein, wobei ich auf das äußerste vordere Ende rutschen musste, sonst hätte ich die Pedale nicht erreicht, aber das kannte ich schon von unserem Bus.

Ich steckte den Schlüssel ins Zündschloss und…

„Mit dem können Sie nicht starten, der Lkw hat einen Startknopf“, belehrte mich der Fahrlehrer.

„Ich weiß“, strahlte ich ihn an und drückte auf den großen schwarzen Knopf. Mit lautem und tiefem Brummen erwachte der große Dieselmotor zum Leben, hach, ich liebe dieses Geräusch!

Dann schaltete ich und fuhr los…

„Sie müssen auf den rechten Rand achten, der ist breiter als ihr PKW“, warnte mich der Fahrlehrer etwas verkrampft.

„2,10m und mit Spiegel 2,30m, ich weiß“, nickte ich und fuhr weiter.

Zu meiner Freude hatte das Fahrzeug Servolenkung, was ich bei unserem Bus manchmal schmerzlich vermisste, denn gerade beim Einparken brauchte man starke Oberarme, um das Lenkrad überhaupt bewegen zu können.

Nach ca. 2km durch den Stadtverkehr und teilweise engen Gassen räusperte sich der bisher ziemlich schweigsame Fahrlehrer.

„Sie fahren aber nicht zum ersten Mal mit einem LKW, oder?“ fragte er etwas irritiert.

„Nein, wir haben seit zehn Jahren so einen wie diesen hier“, klärte mein Mann den armen Mann endlich auf.

„Und ich stehe hier die ärgsten Ängste aus, weil ihre Frau so ganz einfach losgefahren ist“, schüttelte der Lehrer den Kopf und lachte erleichtert.

 

Er erzählte uns dann, dass es in der ersten Fahrstunde mit einem Lkw meist nicht übers Anfahren und rechtzeitigem Halten hinausging, denn der Schub, denn so ein schweres Gefährt hatte, konnte ziemlich zum Problem werden, wenn man damit nicht umgehen konnte.

Nun war der Fahrlehrer ganz locker und wir unterhielten uns über alles Mögliche, auch als kurze Zeit darauf mein Mann seine Runden drehte.

Meinen Wunsch, einmal die Höhenstraße über den Kahlenberg zu fahren, eine tolle Serpentinenstraße, wo alle Fahrschüler, die in Wien den Schein machen, drüber müssen, erfüllte er mir in einer der nächsten Stunden und mit Genuss konnte ich mich auf die Motorstaubremse verlassen. Bei unserem Bus war jedes Bergabfahren ein heikles Spiel, denn wenn er zu schnell werden würde, könnte man ihn nicht mehr bremsen, da nutzten auch seine großen Trommelbremsen nicht mehr viel.

 

Vor der Prüfung hatte ich richtige Angst, denn damals war man noch den Launen des Prüfers ausgesetzt, aber ich hatte gelernt, dass mir der Kopf rauchte.

Die Theorie war kein großes Problem, nur einmal überraschte ich den Prüfer, als ich glatt verweigerte, ein Bild näher zu erläutern. Damals wurden einem noch Bilder von diversen Straßenszenen vorgelegt, die man dann erklären musste. Eines davon zeigte eine schmale Straße, die über eine Brücke führte.

„Auf dieser Straße fahre ich nicht mit meinem Lkw“, erklärte ich kategorisch.

„Und warum nicht?“ fragte der Prüfer überrascht.

„Weil ich diese Straße kenne“, erklärte ich, „sie ist in der Südsteiermark und auch wenn man es auf dem Bild nicht sehen kann, ist Erstens die Brücke auf unter 3,5t beschränkt und gleich danach hat die Straße eine Steigung von gut 24%. Das tue ich mir und meinem armen Auto ganz gewiss nicht an.“

Unser Campingbus hatte ganze sagenhafte 80PS, eine für damalige Zeit durchaus übliche Motorenstärke für Lkws in dieser Gewichtsklasse.

Der Prüfer guckte verblüfft.

„Was kann ich da noch einwenden, wenn Sie so genau darüber Bescheid wissen“, lachte er dann und ich war mit Erfolg entlassen.

Aber nun kam die Technik…

 

In der Fahrschule war uns die Funktion der Luftdruckbremse so eingebläut worden, dass ich diese wahrscheinlich noch heute im Schlaf aus und wieder einbauen könnte.

„Über Bremsen werde ich Sie nicht fragen, denn ich weiß, dass Sie das aus dem ff können, das lehren alle Fahrschulen bis zum geht nicht mehr und keiner weiß, warum“, empfing mich der Prüfer und mir rutschte gleich das Herz in die Hose.

Aber dann fragte er mich Alltägliches, wovon ich vieles aus eigener Erfahrung wusste und danach ging es hauptsächlich um diverse Bezeichnungen, Tafeln und Gefahrenkennzeichen, die auf einen Lkw gehörten, da schwindelte ich mich durch.

„Naja, für einen Berufsfahrer reicht es wohl nicht ganz“, meinte der Prüfer nach für mich gefühlter Ewigkeit.

„Das will ich auch nicht“, versuchte ich mein Glück, „ich will nur mit unserem Campingbus fahren und meinen Mann ein wenig entlasten.“

Dass fast alles ich mit dem Bus fuhr, weil mein Mann so gerne neben mir saß und sich chauffieren ließ, musste der gute Mann ja nicht wissen!

„Sie haben einen Campingbus?“ fragte der Prüfer überrascht.

Ich erzählte ihm, dass wir einen alten Mercedes hatten und der Prüfer gestand, dass er selbst ein begeisterter Camper war. Nun war alles kein Problem mehr und mein Mann, der nach mir dran war, kam schon nach wenigen Minuten wieder aus dem Prüfungszimmer. Nun hatten wir zumindest die theoretische Prüfung geschafft und nun ging es ans Fahren.

Die beiden Prüfer nahmen hinten Platz und während mein Mann und ich fuhren unterhielten sie sich mit uns über unsere Reise durch Afrika.

Ich weiß nicht mehr, wie lange ich gefahren bin, aber es waren bestimmt nicht mehr als 500m als einer der Prüfer meinte, dass ich halten sollte.

So kurz? War ich jetzt durchgefallen?

Ich war mir keines Fehlers bewusst, aber…

„Also fahren können Sie wirklich“, sagte der Prüfer gut gelaunt, „und wenn es wirklich technische Schwierigkeiten gibt, dann haben Sie ja ihren Mann.“

Noch gefühlte 300m fuhr mein Mann und dann segnete der Prüfer auch seine Fahrkünste ab.

Geschafft!

Am Donnerstag, den 29. März 1990 und ziemlich genau zwanzig Jahre nach meinem B-Schein war ich stolze Besitzerin eines Lkw Scheines und ab sofort berechtigt Lkws bis zu 40t zu fahren, was ich aber leider nie voll ausnutzen konnte.

 

Zwei Jahre später verliebten wir uns in einen alten ziemlich verrosteten 7t Mercedes Lkw, mit Servolenkung(!) und leider wieder ohne Motorstaubremse, den wir in zweijähriger Bauzeit zu einem tollen Bus mit allen Schikanen umbauten und der uns viele Jahre auf vielen schönen Reisen ein treuer Begleiter war.

Unser C-Schein hatte nun seine volle Berechtigung und wir brauchten keine Angst mehr zu haben, dass wir bei einer Polizeikontrolle womöglich wegen Fahrens ohne berechtigten Führerschein zur Kasse gebeten werden konnten.

 

 

 

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 13.03.2018

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
An alle Lastwagenfahrer, denn ich weiß, dass ihr Leben hinterm Steuer nicht leicht ist

Nächste Seite
Seite 1 /