Sie stand vor dem Spiegel, blickte auf ihr wunderschönes Kleid. Sie drehte sich und betrachtete sich von allen Seiten. Ja, das Kleid war wunderschön. Ihre Mutter und Schwestern, sowie Tanten und Cousinen hatte sie schon raus geschickt. In wenigen Minuten würde es los gehen. Sie warf noch einen Blick zum Fenster, wie oft war sie diese Möglichkeit schon durchgegangen.. Aber sie war zu pflichtbewusst, wollte keinen Verletzen, deswegen konnte sie es nicht tun. Springen. Nein, sie atmete noch dreimal tief durch und zog ihren Lippenstift nach. Sie presste die Lippen aufeinander und verteilte so die Farbe. Ein letzter Blick in den Spiegel, sie sah wunderschön aus, wunderschön und traurig. Doch sie setzte ein Lächeln auf.
Es klopfte. „Ich komme“ ihre Stimme zitterte. Sie räusperte sich, öffnete die Tür und trat hinaus. Wie in einem Traum ging sie den langen Gang entlang, langsam in den weißen hohen Schuhen, hinter sich ihre beiden Nichten, die ihre Schleppe trugen. Selbst die lange Marmortreppe mit dem roten Samtteppich schien sie herunter zu schweben. Ein Beobachter würde sie womöglich als grazil beschreiben, sie fühlte sich jedoch nur zerbrechlich. Nun standen sie vor den rießigen Eichentüren die den großen Saal mit all den Gästen von ihr trennte. Es war soweit dachte sie und gab das Zeichen.
Die Türen öffneten sich und die Musik ertönte. Ihr Vater wartete am Ende der letzten Bankreihe. Er streckte ihr stolz und zufrieden die Hand entgegen und führte sie in sicheren, großen Schritten zum Altar. Dort stand er, der Mann dem sie das Ja-Wort geben würde. Sie fühlte sich in diesem Moment wie ein Zuschauer, nicht wie die Hauptperson auf der alle Augenpaare gerade lagen. Erst jetzt sah sie ihrem Vater ins Gesicht sie lächelte ihn gespielt an und er nickte ihr zu. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie er sich etwas ungeschickt vor Aufregung neben ihre Mutter niederließ. Diese konnte sie weinen hören, ob vor Freude wusste sie nicht genau.
Sie stand ihrem zukünftigen nun direkt gegenüber und ließ die Rede des Geistlichen über sich ergehen. In Gedanken war sie weit weg von Alledem. Ohne diesen Mann und ohne alle ihre Verpflichtungen, an einem Ort ohne Zeit und Namen. Ein kurzes Wort ließ sie erschaudern, nun war sie daran es verlauten zu lassen. Sie blickte noch einmal auf ihre Familie und dann öffnete sie den Mund, sie schwitzte ein wenig an den Händen. „Ja“ krächzte sie. „Ja, ich will“ wiederholte sie diesmal deutlich aber nicht sehr überzeugt. Eine kleine Träne rollte an ihrer Wange hinab und ließ den Kuss salzig schmecken. Als sie die Augen schloss, hätte sie ein kleiner Schwächeanfall beinahe in die Knie gezwungen, doch ihr Ehemann hatte die Hand um ihre Hüfte gelegt und sie gehalten.
Nun war es vorbei. Sie war verheiratet. Sie konnte nicht mehr wegrennen oder aus dem Fenster springen. Sie trug nun einen Ring, der sich so schwer anfühlte wie Ketten. Doch sie sah das Funkeln in seinen Augen und dann kam diese winzige wohlige Gefühl in ihr auf, es war kaum bemerkbar und nannte sich Zuversicht. Ja, vielleicht bestand eine Chance, dass sie doch glücklich werden würde. Sie lächelte und nahm die Hand ihres Mannes und folgte ihm raus, raus in ihr zukünftiges Leben, wie auch immer es wohl werden würde, sie war bereit.
Lektorat: fate.of.life
Tag der Veröffentlichung: 15.09.2014
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Widmung:
Danke für das Cover daniealane!