Cover

Kapitel 1

Während sich in ihren wunderschönen dunkelblauen Augen das glitzern der Sterne widerspiegelt gleicht ihr Herz den Tiefen eines Ozeans. Nora ist erst 16 und hat schon einiges durchmachen müssen, doch dann trifft sie Shaun. Er ist drei Jahre älter und trotzdem scheinen beide auf der selben Wellenlänge zu sein. Doch auch Shaun trägt ein Geheimnis mit sich...

Es war der 2. Juli , ein Freitag und es war verdammt warm draußen. Deshalb lag ich nur leicht bekleidet mit einem schwarzen lockerfallenden bauchfreien Top und einer kurzen Hotpants aus Jeansstoff auf meinem Bett und hörte mit meinem Handy und Kopfhörer in den Ohren Musik. Ich lag auf dem Bauch und wippte mit meinen Füße in der Luft über meinem Hintern, leise summte ich das Lied mit. Meine schwarzen langen Haare fielen mir locker und glatt über die Schultern. Ich hatte meine dunkelblauen Augen geschlossen und war in Gedanken vertieft.

Als ich diesen unangenehmen Blick auf mir spüren konnte, sah ich auf. Ich erschrak trotz meiner Ahnung leicht und schaltete die Musik ab. Carlos mein Stiefvater lehnte in meinem Türrahmen. Er hatte dieses dreckige schiefe Lachen in seinem Gesicht. Seine pechschwarzen kurzen Haare und die tiefe Narbe, die sein Gesicht quer verzierte, verschlimmerten seinen Anblick für mich nur. Das war es aber nicht was mich so beunruhigte.

Nein - Er trug nur eine graue Boxershorts. Ich bekam Gänsehaut bei seinem Anblick. Dennoch sah ich ihm direkt in die Augen, ich wollte mir nicht anmerken lassen, wie unangenehm seine Anwesenheit für mich war. Sein grinsen wurde breiter und er kam auf mein Bett zu und ließ sich direkt neben mir nieder. Für meinen Geschmack etwas zu nah.

Nun sah auch er mir direkt in die Augen und raunte mir zu: „Du bist noch viel schöner als deine Mutter, Kleines...“. „Ich denke nicht dass du so etwas sagen oder denken solltest!“ entgegnete ich gespielt kühl. Ich hoffte dass er nicht bemerken würde wie sehr ich gerade am ganzen Körper zitterte. Ich verkrampfte mich automatisch, als er weiter sprach „Was sie nicht weiß…“. Er leckte sich über die Lippen und lies seine Augen über meinen Körper wandern.

An den intimsten Stellen blieb sein Blick etwas länger hängen und ich musste mich zurück halten nicht laut zu würgen. Er würde doch nicht etwa? „Komm schon, ich weiß dass du es dir auch wünscht. Findest du das Verbotene nicht auch reizvoll?“ sagte er nun laut und deutlich.

Ich schlug ihm mit voller Kraft meine flache Hand ins Gesicht. Mit demselben Reflex, der mich dazu gebracht hatte meine Hand gegen ihn zu erheben, sprang ich nun auf. Angetrieben von seinem Wutverzerrten Gesicht und dem Beben in seinen Augen, rannte ich aus der Haustür. Ich wusste weder wohin ich rannte, noch wie lange schon. Ich hatte kein Ziel vor Augen, ich wollte nur noch weg.

Als es jedoch dunkel geworden war und meine Lungen keine Luft mehr bekamen und die Kraft nun auch meine Glieder verließ, ließ ich mich an Ort und Stelle auf den Boden sinken. Ich hatte mich gar nicht umgesehen. Ich fing einfach an zu weinen ich hielt meine Hände vor mein Gesicht und schluchzte laut. Ich wusste zwar, dass ich nun vor Carlos in Sicherheit war, aber ich konnte nicht zurück nach Hause.

Meine Mom hatte uns für eine Woche alleine gelassen um meine kranke Tante Marla zu besuchen und gesund zu pflegen. Ich war nun also obdachlos. Dieses dreckige Schwein Carlos hatte die Abwesenheit meiner Mutter wirklich ausnutzen wollen um mit mir in die Kiste zu gehen und ich war mir sicher, dass er es auch ohne meine Zustimmung getan hätte. Ich erschauderte erneut. Nun fiel mir erst auf wie kalt der Boden war auf dem ich einfach zusammen gesunken war.

Ich kam wieder zu mir und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht. Zum Glück schminkte ich mich nicht sonderlich, sonst würde ich jetzt vermutlich aussehen wie ein Clown. Mir wäre das aber gerade auch ziemlich egal gewesen. Mein größtes Problem bestand gerade darin, mir eine Unterkunft für die Nacht zu suchen.

Ich stand auf und wischte mir erst mal den Dreck von den Beinen. Die Straße war noch leicht feucht. Es regnete in den letzten Tagen häufiger und ich hoffte, dass ich die nächsten Tage davon verschont bleiben würde. In meinen Chucks und meinen kurzen Klamotten würde es trotz der Jahreszeit etwas kühl werden in der Nacht. Nun sah ich mich um.

Ich musste enorm weit gelaufen sein, denn mir kam die Gegend nur wenig bekannt vor. Doch umso weiter ich von Carlos entfernt war umso besser. Ich wusste aber dass er sich keinen Finger schmutzig machen würde um mich zu suchen. Ich ging einige Seitenstraßen ab um mir ein trockenes windgeschütztes Plätzchen zu suchen, dass nicht gleich von der Straße sichtbar war. Weitere Belästigungen konnte ich mir getrost sparen.

Ich fand sogar eine saubere Pappschachtel auf die ich mich kauern konnte und deckte mich mit Zeitung zu. Ich hatte weder Geld noch ein Handy dabei und bei Fremden klingeln konnte ich auch nicht, die würden wahrscheinlich die Polizei benachrichtigen und mich zurück zu Carlos bringen. Ich seufzte verzweifelt.

Ich hatte die Augen nun schon ein paar Minuten geschlossen und drehte mich hin und her, da es am Boden einfach nur unbequem war und ich mein weiches Bett vermisste, da hörte ich jemanden leise Schritte und Atemgeräusche. Dieser jemand musste dem Geräuschpegel nach, mittlerweile direkt neben mir knien. Ich hatte Recht.

Als ich die Augen genervt und etwas beunruhigt öffnete, sah ich direkt in die schönsten grünen Augen die ich je zuvor gesehen hatte. Für einen kurzen Moment hatte ich das Gefühl mich darin zu verlieren. Wenn ich in diesem Moment nicht gelegen wäre, hätte ich womöglich kurz das Gleichgewicht verloren. Ich setzte mich schnell auf und schüttelte den Kopf.

„Du hast nicht wirklich vorgehabt, hier die Nacht zu verbringen oder?“ lächelte der Fremde, ehe sich seine Gesichtszüge in einen ernsten und besorgten Ausdruck veränderten und er fragte „Es sei denn du bist Lebensmüde und stehst auf leichtsinnige Abenteuer.“ Während er sprach, betrachtete ich ihn unauffällig von oben bis unten.

Er hatte seine Haare bis auf wenige Millimeter geschoren, jedoch keine Glatze, sein dunkler Haaransatz war gut zu erkennen. Sein Körper war für sein Alter verdammt gut gebaut. Er war muskulös und hatte ein breites Kreuz. Außerdem hatte er eine wunderschöne natürlich gebräunte Haut. Als mir auffiel, dass ich kurz davor war zu sabbern und er aufgehört hatte zu sprechen, musste ich kurz überlegen, was er gerade gesagt hatte, ehe ich ihm verdutzt antwortete:

“ Ich.. ähm… nee aber doch eigentlich schon. Wieso? Wer bist du eigentlich? Was fällt dir eigentlich ein dich einfach anzuschleichen?“ sprudelte es langsam aus mir raus ehe ich mich aufrichtete und die Fäuste in die Hüften stemmte. Der fremde Schönling richtete sich nun auch direkt vor mir auf und ich schluckte. Er war mindestens einen ganzen Kopf größer als ich, was mit meinen 1,76 m nicht viele schafften.

Jetzt wo ich dieses Muskelpaket vor mir hatte überdachte ich meine Wortwahl von eben nochmal und sackte etwas in mich zusammen. Er räusperte sich „Also Schätzchen, deinen Blicken nach zu urteilen scheint dir eigentlich zu gefallen was vor dir steht, also beschwere dich doch nicht. Jedoch meine ich es Ernst, dass du wirklich nicht hier schlafen solltest!“. Seine raue Stimme klang genauso sexy, wie er aussah und klang gleichzeitig besorgt.

Ich wunderte mich über diesen Unterton und war gleichzeitig über sein gesagtes empört. „Du bist ganz schön arrogant und unhöflich weißt du das? Sag mir doch erst mal wer du bist und warum ich auf dich hören sollte!“ über meinen eigenen Mut überrascht, trat ich einen Schritt zurück und stand nun direkt mit dem Rücken an die Wand gelehnt. Ich wartete gespannt auf die Reaktion meines Gegenübers, er machte mich neugierig. Er kam nun auf mich zu und stützte ein Hand neben meinem Gesicht an die Wand an.

Er war mir nun so nah, dass ich sein Piercing in der Augenbraue glitzern sah, außerdem hatte er tattoowierte Arme. Er machte mir mit seinem Auftreten Angst und gleichzeitig fand ich ihn sehr attraktiv. Er sah mich Ernst an und flüsterte mir ins Ohr:“ Ich habe dich ziellos an mir vorbei rennen sehen und ich weiß zwar nicht was passiert ist und du musst es mir auch nicht erzählen aber bitte bleibe nicht hier sondern komm mit mir. Mein Name ist Shaun, mehr musst du auch nicht wissen. Ich möchte aber dass du weißt, dass du vor mir keine Angst haben brauchst, bitte hör auf mich.“.

Ich nickte nur und folgte ihm als er auch schon meine Hand in seine nahm und mich hinter ihm her zog. „Du könntest ein irrer Psychopath sein oder ein Mörder!“ sagte ich während ich mich noch von ihm weiter ziehen lies. „Woher weiß ich das du mir nichts antust?“. Er drehte sich um und sah leicht beleidigt aus „Das weißt du nicht, aber entweder du bleibst hier auf der Straße liegen, wo nicht nur ich sondern noch 1000 andere dir etwas antun könnten oder du vertraust mir.“ sagte er mit tonloser Stimme und sah mich ungeduldig an. Ich vertraute ihm, auf unerklärliche Weise und machte einen Schritt auf ihn zu ohne ihn anzusehen. Er nahm mich wieder am Arm und ging wortlos weiter.

Kapitel 2

Wir liefen unzählige Seitenstraßen entlang und ich merkte wie ich immer müder wurde. „Sag mal wohin gehen wir eigentlich?“ die Erschöpfung in meiner Stimme, war kaum zu überhören. Ich hatte mich konzentrieren müssen um nicht über meine eigenen müden Beine zu stolpern. Er blieb stehen, drehte sich zu mir um und betrachtete mich kurz. „Zu meiner Wohnung ist es noch ein ganzes Stück, wenn du willst, hätte ich aber noch eine Notlösung.“ Er sprach sehr ruhig und ich konnte ihm ansehen, dass auch er nichts gegen eine Pause hätte. Ich nickte nur und nach nur 10 Minuten weiteren Fußmarsches weiter raus aus der Stadt, blieb er vor einer Tür stehen, die wie ein Notausgang aussah.

Als er wortlos einen Schlüsselbund aus seiner linken Hosentasche zog und die Tür aufsperrte, bestätigte sich meine Vermutung. „Willkommen in meiner Welt.“ Sagte er während er mir die Tür aufhielt und mit der rechten Hand in das Innere des Gebäudes zeigte. Ich folgte seiner Aufforderung und mir blieb der Atem weg. Um mich herum war alles Dunkel, bis auf die vielen kleinen Lichter, die von der Decke dünne Lichtstreifen durch den Raum warfen. Ein „Wow!“ entrang sich meiner Kehle.

Shaun stellte sich neben mich und starrte genauso wie ich, an die Decke, aus den Augenwinkeln, konnte ich ein leichtes Lächeln über sein Gesicht huschen sehen. „Wo hast du denn den Schlüssel für ein Planetarium her?“ ich konnte meinen Blick nur schwer von dem unglaublichen schönen künstlichen Nachthimmel über mir wenden, schaffte es schließlich doch und blickte ihm in die grün-schimmernden Augen. „Ich arbeite hier. Reparaturen, Technik und son Kram. Ne Art Hausmeister. Aber ich putze nicht!“ antwortete er und zuckte dabei mit den Schultern. „Cool“ entgegnete ich nur und ließ mich auf einer der hinteren breiteren Sitzbänke nieder. Shaun ließ sich nach einiger Zeit auch auf die Bank sinken. Sein Kopf berührte fast meinen Kopf und eine Weile lagen wir nur still so da.

„Wie heißt du eigentlich?“ unterbrach Shaun die Ruhe und ich überlegte kurz, ob ich ihm meinen richtigen Namen verraten sollte, entschied mich jedoch dafür. Schließlich hatte er mir bis jetzt nur geholfen und wenn er etwas anderes vorgehabt hätte, hätte er dies schon lange tun können. „Nora. Nora Lain.“ Flüsterte ich ihm zu. Er nickte und ich konnte hören wie auch er leise flüsterte „Nora. Gefällt mir.“ Dann wurde er plötzlich lauter, richtete seinen Arm Richtung Sternenhimmel und fing an mir seine liebsten Sternbilder zu zeigen. Wir lachten über einige Namen und erfanden selbst unsere eigenen Sternbilder, bis wir, letztendlich, beide eingeschlafen waren.

 

 

Kapitel 3

 

Ich spürte, als erstes wieder die Sonne auf meiner Haut. Langsam wurde ich wach. Moment.. Sonne? Wo war ich denn gerade? Ich öffnete ruckartig die Augen und saß, mit einem Mal, senkrecht im Bett. Ich blickte mich um. Ich war eindeutig in einer Wohnung. Nicht mehr im Planetarium. Wie kam ich hier her ohne aufzuwachen? Ich musste ganz schön erschöpft gewesen sein… „Shaun?“ rief ich etwas verunsichert. Keine Antwort.

Ich glitt langsam aus dem Bett und stellte fest, dass er mir sogar meine Schuhe ausgezogen hatte. Der Raum war schlicht und mit älteren Möbeln ausgestattet. Eine Kommode, ein Kleiderschrank, ein Wandspiegel und ein kleiner alter Fernseher, der gegenüber des Bettes stand. Es sah eigentlich ziemlich gemütlich aus. Ob er hier allein lebte?

 

Ich lauschte nun etwas genauer und hörte hinter einer der beiden Türen, die aus dem Zimmer führten, Wasser rauschen. Ohne weiter nach zu denken, ging ich auf die Tür zu und machte sie ohne zu Klopfen schwunghaft auf. „Shaun?“ sagte ich erneut und hielt die Luft an, als ich ihn unter der Dusche stehen sah. Er stand mit dem Rücken zu mir und hatte mich gar nicht bemerkt. Schnell machte ich die Tür wieder zu und lief hochrot an.

Natürlich hatte ich es nicht vermeiden können, ihn kurz von oben bis unten zu mustern. Auch in den wenigen Sekunden hatte ich genug gesehen. Ich hatte noch nie einen vergleichbar erotischeren Körper gesehen, als seinen. Sein Körper war durch und durch trainiert. Sein Rücken, sein Hintern alles wurde von Muskeln perfekt definiert. Es war eindeutig nicht zu leugnen, er erregte mich. Mit dieser Erkenntnis, erkundete ich den Rest der Wohnung, um der Versuchung zu widerstehen, einen zweiten oder dritten Blick zu erhaschen.

Die zweite Tür führte in einen kleinen Flur und von dort aus, ging es zur Haustür oder in den Wohnraum, in dem sich auch die Küche befand. Die Küche war auch sehr klein und sah zudem noch relativ unbenutzt aus. Das helle grün ließ diese jedoch sehr freundlich wirken, weshalb ich vermutete, dass er entweder nicht gut kochen konnte oder er einfach nur zu faul dafür war. Die Wohnnische, bestand aus einem weiteren Fernseher, einem grauen Sofa und einer schwarzen Wohnwand. Insgesamt war die Wohnung sehr schlicht eingerichtet und verfügte über wenig Dekoration. Ich hatte noch keine Anzeichen gefunden, dass eine Frau hier wohnte. Merkwürdiger Weise freute mich dies ein wenig.

Ich drehte mich um, als plötzlich ein räuspern hinter mir ertönte. Ich hatte ihn gar nicht bemerkt. „Naa Schlafmütze? Alles begutachtet?“ grinste er, während er sich nur mit einem Handtuch um die Hüften an den Türrahmen lehnte. Sofort wurde ich wieder rot. Ich wusste nicht wo ich hinsehen sollte, also starrte ich auf einen Fleck am Boden. Warum hatte er sich nicht schnell etwas anziehen können? Wenn ich diesem Anblick noch länger standhalten müsste, würde ich noch durchdrehen. „Ähh.. Ja. Gemütlich hier. Wohnst du alleine hier?“ endlich hatte ich mich wieder gefangen und schon blamierte ich mich wieder mit meiner Neugier. Es musste ihm ganz schön auf die Nerven gehen, schließlich benahm ich mich wie ein verliebter und verklemmter Teenie.

Während er mir antwortete, ging er wieder zurück ins Schlafzimmer und ich folgte ihm. „Nur ich und mein Hund“. Suchend schaute ich mich nochmal um, konnte aber keinen Hund entdecken. Er bemerkte meinen Blick und fügte noch hinzu „Keine Sorge, Madox ist im Garten. Ich hoffe du hast keine Angst vor großen Hunden!? Hier, du kannst dich auch gerne duschen.“ Er hielt mir Kleidung, die er während er gesprochen hatte, aus dem Kleiderschrank genommen hatte, entgegen. „Danke und nein ich mag Hunde, auch große!“. Ein ehrliches Grinsen befand sich nun auf unseren Gesichtern und ich ging erst mal ins Bad.

Wieso freute ihn meine Begeisterung für Hunde? Er wusste kaum etwas von mir. Noch ich von ihm. Wie lange würde ich bei ihm wohnen können? Wie lange würde ich es aushalten, mit so einem attraktiven Mann? Aber ich könnte wetten, dass ich ihm auch ganz gut gefiel. Jedenfalls hoffte ich das. Nun trat ich endlich mal wieder vor einen Spiegel. Okay ich glaube, ich hatte mich getäuscht. So wie ich gerade aussah: zerzauste Haare, dunkle Augenringe, müdes fahles Gesicht, blass. So konnte ich ihm unmöglich gefallen.

Schnell wendete ich mich ab und machte mich daran, wieder das Beste aus mir rauszuholen. Ich entledigte mich also meiner Kleidung und stieg in die kleine blau geflieste Dusche. Das Wasser war kühl und sehr angenehm zu dieser Jahreszeit. Nachdem ich aus der Dusche stieg, entdeckte ich, dass Shaun mir schon zwei Handtücher vorsorglich an den Waschbecken Rand gelegt hatte. Ich grinste, er war ein kleiner Gentleman, dachte ich.

Auch eine neue Zahnbürste lag für mich bereit am Waschbecken. Sofort überlegte ich, ob er diese schon als Ersatz für sich selbst da hatte oder ob er diese für One-Night-Stands vorsorglich in großen Mengen aufbewahrt. Zu diesem, würde ich definitiv nicht werden! Ich war noch Jungfrau und so leicht würde ich mich nicht hergeben! Obwohl er zugegeben, einen gewissen Reiz für mich darstellte.

Nachdem ich mich frisch gemacht hatte und wieder einigermaßen ordentlich und gesund aussah, schlüpfte ich noch in die geliehen Klamotten. Eine graue Jogginghose, die ich am Bund fest zuziehen musste und ein schwarzes Hemd, welches ich mir auch mit einem Knoten zu einem Bauchfreien Top umrangierte. Er hatte mir auch eine frische, enge Boxershorts gegeben, die ich unter der Jogginghose trug. Zufrieden, sah ich an mir herab. Aufgrund der Hitze hatte ich meine schwarze Mähne, mit einem Haargummi, den ich immer an meinem Handgelenk trug, zu einem Zopf gebunden. Fertig trat ich nun wieder aus dem Badezimmer, in das Schlafzimmer.

 

Kapitel 4

Ein frischer, süßlicher Duft strömte in meine Nase und ich bekam sofort Hunger. Shaun musste wohl gekocht haben. Mein Magen knurrte. Ich hatte schon ewig nichts mehr gegessen und merkte erst jetzt, dass ich kurz vor dem Verhungern war! Ich steuerte die Küche an und blieb stehen, als sich plötzlich ein großer Schatten aus der linken Ecke des Zimmers, auf mich zu bewegte.

Der Hund. Er war riesig und sah dadurch noch bedrohlicher aus. Er ging mir fast bis zur Hüfte. Sein schwarz-braunes Fell schimmerte, er sah edel aus. Der Hund gefiel mir, doch ich wusste ihn noch nicht einzuschätzen. Jedoch vertraute ich Shaun, der ihn vermutlich nicht in die Wohnung gelassen hätte, wenn er eine Gefahr für mich darstellen würde. Ich machte langsam einen Schritt auf das schöne Tier zu und streckte ihm, eine Hand zum Schnuppern entgegen.

„Nora? Geht’s dir gut? Oder hat dir Madox einen Herzinfarkt verpasst?“ hörte ich Shaun belustigt rufen. Wenige Sekunden später, stand er im Rahmen der Schlafzimmertür und starrte mit offenem Mund aufs Bett. Madox und ich kuschelten und spielten wie alte Freunde. Ich grinste Shaun an. „Ich hab doch gesagt, ich mag Hunde.“ Er lachte nun auch und erwiderte „Ja, aber damit hätte ich trotzdem nicht gerechnet! Übrigens ich hab Pfannkuchen gemacht, also wenn du Hunger hast, komm in die Küche.“. Sofort sprang ich auf und lief ihm hinterher in die Küche, Madox folgte uns natürlich.

„Sitz Madox!“ sagte ich, und der Hund gehorchte aufs Wort. „Gut erzogen oder?“ meinte Shaun, ich nickte. Mein Bauch knurrte wieder. Wir schauten uns an und lachten beide. Nachdem ich sieben! Pfannkuchen mit Apfelmus verdrückt hatte, setzten wir uns zu dritt auf die Couch. Shaun hatte mich die ganze Zeit beobachtet, ohne ein Wort zu sagen. Doch ich hielt es langsam nicht mehr aus. Ich musste ihn fragen.

Ich musste wissen, wieso er mich einfach mitgenommen hatte. Wie lange er mich beobachtet hatte. Warum er keine Fragen stellte. Warum er mir einfach vertraute und am Wichtigsten.. Wie lange ich noch hier bleiben dürfte. Ich wollte ihm nicht von dem was passiert war erzählen, wusste aber, dass ich es ihm schuldig wäre, dafür dass ich bei ihm wohnte. Wie sollte ich das Gespräch nur anfangen? Nervös kaute ich auf meiner Unterlippe und spielte mit meinen Haarspitzen. Immer wieder sah ich ihm kurz ins Gesicht, doch ich konnte ihn einfach nicht einschätzen.

„Nora, du kannst mich fragen, was du willst.“ Sagte er nun und sprach mir damit, direkt aus der Seele. Er schaute mich mit seinen verführerischen, grünen Augen an, aber diesmal lies ich mir deren Wirkung auf mich nicht anmerken. „Wieso?“ antwortete ich nur und hielt seinem innigen Blick stand. „Wieso nicht?“ er schmunzelte. „Ich meine wieso, hast du dass alles für mich getan? Du kennst mich doch gar nicht.“ Ich wollte endlich eine Antwort auf die unzähligen Fragen in meinem Kopf.

Jetzt wich er, meinem Blick aus. Er streichelte Madox und starrte an mir vorbei als er redete „Ich habe dich eine ganze Weile rennen sehen. Du sahst so zerbrechlich aus. Ich musste wissen, was mit dir passiert. Du wolltest auf der Straße schlafen und das konnte ich nicht zulassen.“ Na toll er hatte wohl Mitleid mit mir und auch noch meine erbärmliche Flucht beobachtet. Es ärgerte mich, dass er mich so gesehen hatte.

„Was wäre denn so schlimm daran gewesen, wenn ich auf der Straße geschlafen hätte?“ murmelte ich und sah auf den Boden. Sein Gesichtsausdruck wurde Ernst. Er drehte mein Gesicht, mit seinem Zeigefinger und Daumen an meinem Kinn, in seine Richtung. Seine Berührung, ließ mich erschaudern, es lag so viel Fürsorge in dieser Geste. Ich war dieses Verhalten gar nicht gewohnt von Männern. „Hast du dich schon mal angesehen? So ein verdammt hübsches Mädchen wie du.. Du kannst dir doch denken, was passiert wäre, wenn dich andere Leute in die Finger bekommen hätten!“ angewidert schüttelte er den Kopf.

Ich sah ihn erschrocken an und errötete. JA, das ich konnte ich mir sogar sehr gut denken, schließlich war ich genau davor geflüchtet und erst jetzt merkte ich, dass Shaun recht hatte, beinahe hätte ich diese Situation, auch noch selbst verschuldet. Ich war so dumm. Als ich merkte, wie mir vor lauter Scham und Ärger über dieser Erkenntnis, die Tränen in die Augen schossen, rannte ich schnell aus dem Wohnzimmer. Ich rannte bis ins letzte Zimmer, das Badezimmer und schloss mich ein. Wie kindisch, dachte ich noch und ließ mich laut schluchzend mit dem Rücken an der Tür entlang nieder sinken.

Kapitel 5

 

Nach einer Weile, hörte ich, dass Shaun, an der anderen Seite der Tür lehnte und sich setzte. Er seufzte. „Es tut mir leid, wenn ich etwas Falsches gesagt habe.“ flüsterte er. Ich hatte aufgehört zu weinen und saß mit dem Kopf auf meinen Knien und meinen Armen um die Beine geschlungen, auf den kalten Badezimmerfliesen. Etwas kratzte an dem Holz der Tür und ich öffnete sie kurz einen Spalt. Madox kam sofort tröstend rein geschlichen, kuschelte sich an mich und wärmte mich. Ich musste schmunzeln und streichelte ihn. Ich vergaß die Tür wieder zuzusperren und irgendwann war ich wohl eingeschlafen.

Als ich wieder aufwachte lag ich erneut im Bett. Shaun musste mich wieder dort hingelegt haben. Ich drehte mich um und errötete sogleich, er lag neben mir und schnaufte leise. Ich betrachtete ihn. Er lag auf dem Bauch, mit dem Gesicht zu mir. Er trug nur eine schwarze Jogginghose. Wie gerne meine Finger doch über seine Oberkörpermuskeln geglitten wären… Auch sein Hintern sah sehr knackig aus. Ich fühlte mich so sicher und geborgen in seiner Nähe, obwohl wir nichts voneinander wussten. Aber da war noch was anderes. Ich fühlte mich körperlich wahnsinnig hingezogen zu ihm. So hatte ich nie zuvor für einen Mann empfunden. Nicht so intensiv.

Ich warf einen kurzen Blick auf den Wecker, der auf der Kommode neben dem Bett stand, welcher mir verriet, dass es 17:30 Uhr war. Ich musste mindestens 3 Stunden geschlafen haben. Ich blickte mich um, konnte Madox jedoch nirgends entdecken. Vielleicht war er wieder im Garten. Ich wollte unbedingt auch mal an die frische Luft, jedoch Shaun nicht wecken. Also entschied ich mich zu warten, bis dieser aufwachte und legte mich wieder neben ihn.

Er roch sehr angenehm. Ich genoss es, ihm so nahe zu sein. Plötzlich legte er, schlaftrunken, einen Arm um mich und zog mich an sich. Ich schluckte. Er war so warm. Das Gefühl in seinen Arm zu liegen, war das schönste Gefühl, dass ich seit langem verspürt hatte. Er sollte mich nie wieder los lassen! Wenige Minuten später, wachte Shaun auf. Zu meiner Überraschung, war ihm die Situation gar nicht peinlich.

Nein wir blieben schweigend liegen. Ich bemerkte wie er Duft meiner Haare einsog. Dann streichelte er mir über den Kopf. „Hast du dich wieder beruhigt?“ fragte er mit ruhiger Stimme. „Ja.“ Flüsterte ich. Ich lag immer noch, mit dem Rücken zu ihm gedreht. „Es tut mir leid, dass ich mich vorhin nicht im Griff hatte.“ hängte ich beschämt an.

Er drehte mich in seine Richtung und sah mir in die Augen. „Das macht nichts Süße. Möchtest du mir vielleicht erzählen, was passiert ist?“ während er sprach streichelte er meine Wange. Ich hielt eine Weile den Blickkontakt aufrecht, doch als ich anfing zu erzählen, musste ich weg schauen. Ich schämte mich für dass, was passiert war. Für das was Carlos getan hatte oder tun wollte. Ich schämte mich, obwohl ich das Opfer war.

Als ich fertig war, schaffte ich es Shaun wieder anzublicken und erschrak. Sein Gesichtsausdruck, war wutverzerrt. Er hatte die Hände zu Fäusten geballt. „So ein mieser Wichser!“ zischte er und sprang auf. Er lief wütend auf und ab und musste sich zurück halten, um mich nicht anzuschreien. „Zeig mir, wo ihr wohnt! Ich mach ihn fertig! Wie kann er es Wagen, einem Mädchen wie dir…?“ noch nie hatte ich jemand so zornig erlebt und dass auch noch wegen mir!

Ich stand auf und ging zaghaft auf ihn zu. Ich nahm seine Hand in meine und versuchte ihn zu beruhigen. „Shaun.. Bitte.. Das musst du nicht. Du hast mir schon genug geholfen.“ Sagte ich mit zitternder Stimme. Irritiert blickte er mich an. „Bist du dir sicher?“ fragte er mit hochgezogenen Augenbrauen. „Ja, es langt mir, dass ich nicht mehr dort sein muss, sondern gerade hier bin.“ Bestätigte ich ihm mit einem ehrlichen lächeln. Er nahm mich in seine Arme und murmelte in meine Haare „Du darfst so lange bleiben, wie du willst kleines.“. „Danke“ meinte ich und musste erneut mit den Tränen kämpfen, diesmal jedoch vor Freude.

 

„Irgendwann mach ich ihn kalt.“. Hatte ich mir diese Drohung eben eingebildet? Ich hoffte es…

 

Kapitel 6

Am nächsten Tag, saßen wir, den ganzen Vormittag, draußen im Garten bei Madox. Es war ein kleiner Garten, jedoch groß genug, für eine Hundehütte, eine kleine Wiese und zwei weiße Liegestühle, in deren Mitte ein weißer Gartentisch stand. „Wie alt bist du?“ fragte ich Shaun, als wir Madox beim Toben beobachteten. „19 und du?“ entgegnete er. „16.“ sagte ich und versuchte ihm anzusehen, was er dachte.

„Dann darfst du noch gar nicht Trinken.“ Grinste er. Ich warf ihm einen gespielt beleidigten Blick zu. Daraufhin mussten wir beide losprusten. Als wir uns wieder beruhigt hatten, stand er auf und hielt mir seine Hand entgegen. „Komm wir machen jetzt einen Spaziergang und gehen was einkaufen.“ Schlug er vor und zwinkerte mir zu. Ich nickte und nahm seine Hand, um aufzustehen. Shaun führte Madox an einer kurzen Leine und ich dachte während ich neben den beiden herlief, die ganze Zeit darüber nach, wie es wäre, mit Shaun Hand in Hand zu laufen. Ich schüttelte meinen Kopf über meine seltsamen Gedanken und war froh, dass Shaun dies nicht bemerkt hatte.

Wir kamen an eine Tankstelle und Shaun ging sofort Richtung Alkohol. Ich folgte ihm. Er sah sich kurz unauffällig um, grinste mich an und ließ eine Flasche Wodka, in seiner schwarzen Lederjacke verschwinden. Ich riss die Augen auf. Mein Herz fing an zu rasen. Hatte er wirklich vor, die Flasche zu klauen? Wollte er womöglich noch mehr klauen oder dass ich ihm half? Würde ich es tun?

Ich wollte nicht, dass Shaun bemerkte, wie nervös mich diese Situation machte. Er sollte nicht denken, ich wäre ein Weichei. Ich grinste ihn an und nahm ihm Madox ab. Wir liefen Richtung Ausgang und ich konnte fühlen, wie das Blut in meinen Adern rauschte. Ich hatte einen richtigen Adrenalinkick. Wir hatten Glück und keiner hielt uns auf.

Nachdem wir drei Blocks weiter waren und ich immer noch nichts verdächtiges, gesehen oder gehört hatte, atmete ich einmal tief durch. Mein Herzschlag verlangsamte sich wieder und ich realisierte erst, was gerade passiert war. Wir hatten geklaut! Ich hatte dies nie zuvor probiert. Ich war immer anständig, aber mit Shaun, hatte es sich so aufregend angefühlt.

Er legte einen Arm um meine Schultern und fragte „ Du hast das noch nie gemacht oder? Ich hab es dir angesehen.“. Verlegen sah ich auf meine Schuhe und wusste ich brauchte ihm nicht zu antworten. Mist, wieso konnte er auch ständig aus mir lesen, wie aus einem offenen Buch? Ich strich mir eine Haarsträhne hinters Ohr und wir gingen wieder zurück nach Hause. Ja, Shaun Haus, war nun auch mein Zuhause.

Wir setzten uns in den Garten und tranken bis spät in die Nacht. Wir tranken die ganze Flasche leer und betrachteten erst den Sonnenuntergang und dann die Sterne am Nachthimmel. Ich versuchte mich an alle Sternbilder, die Shaun mir im Planetarium gezeigt hatte, zu erinnern. Je mehr ich getrunken hatte, umso weniger wusste ich noch. Irgendwann konnte Shaun sich nicht mehr halten und hielt sich den Bauch vor Lachen. „Gut isch gebs auuf!“ lallte ich „aber nua für Heude! Irgenwann weiß ich jenauso viel wiiie du!“ fügte ich hinzu. „Ich nehm dich beim Wort!“ sagte Shaun unerwartet klar und verschwand kurz im Haus.

Er kam zurück mit einer Decke und deutete mir zu ihm auf die Liege zu kommen. „Ich hab nur eine Decke da.“ Erklärte er. „Aber wenn es dir lieber ist, können wir auch rein..“. bevor er weiter sprechen konnte, saß ich schon bei ihm. Wir kuschelten solange, bis ich meine Augen vor Müdigkeit nicht mehr offen halten konnte.

Shaun nahm mich auf seine starken Arme und trug mich ins Bett, wo wir weiter kuschelten. „Shaun?“ murmelte ich kurz bevor ich eingeschlafen war. „Hmm?“ brummte er. „Ich finde dich toll. Außerdem bist du echt sexy.“ Brabbelte ich im volltrunkenen Halbschlaf und schon war ich ins Land der Träume geglitten.

Kapitel 7

 

Als ich aufwachte, war Shaun nicht da. Ich hatte ihn gar nicht gehen hören. Das musste an meinem Rausch vom Vorabend liegen, ich konnte mich nur noch dunkel an meine Versuche mit den Sternbildern erinnern. Ich hoffte, mich nicht zu sehr blamiert zu haben. Ich krabbelte aus dem Bett und suchte nach Shaun. Doch er war weder im Haus, noch im Garten anzufinden. Als ich in die Küche kam, fand ich einen Zettel.

 

Hey Kleines,

ich bin bis 21 Uhr auf Arbeit.

In der Kühltruhe liegt noch eine Pizza

Und zur Not findest du in der Keksdose,

über dem Ofen, etwas Geld.

Shaun

 

Ich war traurig, dass ich den ganzen Tag ohne Shaun verbringen musste. Wieso hatte er gestern nicht erwähnt, dass er heute arbeiten musste? Ich aß ein paar Cornflakes und ging dann in den Garten. Ich pfiff einmal und Madox kam sofort auf mich zu gerannt. Wenigstens war ich nicht ganz allein, dachte ich. Ich nahm ihn mit in die Wohnung und gab ihm ein Paar Würstchen, die im Kühlschrank lagen.

Gegen Mittag nahm ich ein Bad und schaute ein paar Cartoons. Die Zeit verging einfach nicht. Ohne Shaun war alles grau und langweilig. Ich schnappte mir Madox und ging mit ihm eine Runde spazieren, dabei vermied ich es, in die Richtung zu gehen, in der ich wohnte. Meine Mom würde in vier Tagen zurückkommen und ich vermisste sie bereits sehr.

Als ich mit Madox die Straßen von Shauns Nachbarschaft erkundete, dachte ich über meine Familie nach. Als ich noch eine fröhliche Familie hatte, ohne Carlos. Meine Familie das waren meine Eltern, Ethan Laine und Charlotte Laine, und ich Nora Laine. All die Jahre hatte ich mir meinen Vater zurück gewünscht, mir gewünscht dass wir wieder eine Familie sein könnten. Doch mein Dad würde nie mehr zurückkommen. Ethan Laine war tot, dass würde sich nicht ändern.

Er hatte als Streetworker gearbeitet, er half Drogenabhängigen aus der „Szene“ zu kommen. Er war sehr engagiert und mit Herz und Seele dabei. Wenn ihn erst mal jemand um Hilfe gebeten hatte, gab er diesen nicht so schnell auf. Ich bewunderte meinen Vater dafür sehr. Er hatte sich zwar immer sehr bemüht, sein Privatleben von seiner Berufswelt zu trennen, an diesem Tag jedoch, kam es zu einer verheerenden Überschneidung und mein Vater wurde vor meinen Augen erschossen.

 

Es war der 18 September. Ich war gerade 12 und spielte mit meinem Dad im Hinterhof. Ich saß auf der Schaukel und lachte aus vollem Halse. Mein Vater stand neben mir und schwang mich immer höher. Es war  warm an diesem Abend.

Ich erinnere mich nicht mehr an viel mehr als an die Schreie und einen Mann mit einem Dunkelgrünen Kapuzenpullover. Ich erinnere mich nicht einmal mehr daran, wessen schreie es waren, die ich gehört hatte. Doch nie vergessen werde ich, den Anblick meines Vaters. Ein lauter Knall ertönte, der Fremde hatte eine Knarre auf meinen Vater gerichtet. Im nächsten Augenblick rannte der Mann, an mir vorbei. Mein Vater hatte ein mildes und beruhigendes Lächeln im Gesicht. Sein letzter Augenblick galt mir. Er streckte seine linke Hand nach mir aus, mit der anderen hielt er sich an die rot tropfende Wunde an der Brust. Dann ging er in die Knie und kippte nach vorn. Ich konnte weit entfernt schon Polizei Sirenen hören, starrte aber dennoch auf den Mann vor mir am Boden. Sowohl, das Lachen auf seinen Lippen, als auch das lebendige funkeln seiner blauen Augen erloschen in diesem Augenblick für immer.

 

Ja, mein Dad hatte genau wie ich blaue Augen und rabenschwarze Haare. Ich sah genauso aus wie er. Von meiner Mutter hatte ich nur meinen vollen rosaroten Lippen und die kleine zierliche Stupsnase geerbt.

Meine Mom redete nicht gern mit mir über Dads Tod. Ich wusste, dass sie Schuldgefühle hatte, weil sie nicht dabei gewesen war. Sie erwähnte mir gegenüber nur einmal, dass der Mörder meines Vaters, für viele Jahre ins Gefängnis kam.

Ich erfuhr außerdem durch die Medien, dass der Mörder meines Vaters, ein Dealer war. Mein Dad hatte sich zum Schutz seiner Klienten mit ihm angelegt. Dieser musste ihn beobachtet und verfolgt haben, da mein Dad immer darauf geachtet hatte, dass keiner wusste wo er wohnte. Sein Arbeitsrevier lag weit entfernt von unserer Wohngegend. Doch dieses eine Mal, war er nicht vorsichtig genug gewesen und ich konnte froh sein, dass ich noch lebte.

 

Kapitel 8

In Gedanken versunken, hatte ich nicht bemerkt, dass ich genau das Ziel angesteuert hatte, welches ich vermeiden wollte. Ich stand direkt vor unserem Haus. Erschrocken riss ich die Augen auf und blickte ich mich um. Carlos durfte mich nicht sehen. Ruckartig nahm ich die Beine in die Hand und versteckte ich mich hinter einem Auto, dass zwei Häuser weiter parkte.

Ich spürte, wie ich anfing vor Aufregung zu zittern. Doch da war noch was anderes. Ein Kribbeln und es gefiel mir. Ich liebte schon immer den Nervenkitzel. Ich ging gern in dunkle Keller und stellte mich meinen Ängsten, da ich meine Ängste überwinden wollte. Doch nun würde ich mich, in eine wirklich gefährliche Situation begeben.

Was würde Carlos mir wohl antun, wenn er mich erwischte? Dieser Gedanke lies mich erschaudern, jedoch hatte ich neben der Angst, auch ein anderes Gefühl. Wut. Ja ich war wütend und ich wollte ihm eins auswischen. Ich wollte keine Angst vor ihm haben. Ich wollte mich wehren, nur wusste ich, dass ich keine Chance gegen Carlos hätte.

Ich überlegte kurz und dachte daran, dass ich ja einige Sachen packen könnte. Ich müsste mich nur für c.a. 10 Minuten unbemerkt hineinschleichen und ein paar Sachen mitnehmen. Ich sah an mir runter, ich trug wieder Shauns Klamotten, die mir viel zu groß waren. Ich hatte nun einen Grund um mir meinen Adrenalinkick zu holen, den ich gerade so sehr wollte.

Ich blieb lange dort sitzen und betrachtete unser Haus. Nach gefühlten 1 ½ Stunden kam wirklich Carlos aus der Tür. Mein Blick verfinsterte sich. Wie sehr ich diesen Mann hasste! Ich betrachtete ihn von oben bis unten und fand alles an ihm grässlich. Wie konnte sich meine Mutter nur in ihn verlieben? Er war das genaue Gegenteil meines Vaters!

Mein Vater war ein aufrichtiger, hilfsbereiter und liebevoller Mann, während Carlos hingegen ein schmieriger, notgeiler Kotzbrocken war. Ich schüttelte den Kopf und konzentrierte mich wieder auf das Hier und Jetzt. Da ich nicht wusste, wohin Carlos nun ging, wusste ich auch nicht wie viel Zeit mir für meine Packaktion blieb. Ich rannte mit Madox zu unserem Haus und band den Hund am Gartenzaun des Nachbarn fest. „Mach Sitz.“ flüsterte ich dem Rottweiler zu und er gehorchte. Mit dem Zeigefinger am Mund deutete ich ihm, dass er leise sein sollte, um mich nicht zu verraten.

Mein Schlüssel war an dem Tag, an dem ich gegangen war, das einzige dass sich noch in meiner Hosentasche befunden hatte. Zu meinem Glück, dachte ich. Ich schlich mich auf leisen Sohlen zur Haustüre und lies den Schlüssel in das Schlüsselloch gleiten, er passte noch. Eine Drehung und mit einem leisen zaghaften ‚klick‘ ging die Türe auf und ich trat schnell ein. Die Tür schloss ich schnell hinter mir, um zu vermeiden, geräuschlos von Carlos überrascht zu werden. Ich ging durch den Flur und warf einen Blick in die Küche. Auf dem Küchentisch standen einige leere Bierflaschen und dreckiges Geschirr. Es roch etwas gammlig und ich ging schnell weiter. Zum Glück musste ich ihm nicht mehr hinterher räumen! Ich schnaubte.

In meinem Zimmer angekommen, atmete ich kurz tief ein und aus. Wie ich mein Zimmer vermisst hatte. Den vertrauten Geruch meiner Duftkerzen und den Anblick meiner geliebten selbstgemalten oder fotografierten Bilder an der Wand. Doch ich hatte nicht viel Zeit, deshalb öffnete ich schnell meinen Schrank und zog aus dem obersten Fach, eine große grüne Trainingstasche heraus. Ich stopfte im Handumdrehen alle möglichen Kleidungsstücke in die Tasche und sah mich nochmal um.

Mein weißes Bett mit der roten Bettwäsche, wie gern ich mich jetzt reingekuschelt hätte. Daneben stand mein großer Wandspiegel und ein Regal mit vielen Büchern. Ich liebte Bücher und ich liebte lesen. Ich packte mein Lieblingsbuch und steckte es auch ein. Dann widmete ich mich dem weißen Schreibtisch, der dem Bett gegenüber gleich neben der Zimmertür stand und öffnete die oberste Schublade.

In der Schublade bewahrte ich Erinnerungen an meinen Vater auf. Ich musste sie einfach mitnehmen. Bilder, Zeitungsartikel und seinen Ring. Er war silbern und sehr schlicht gehalten, nur ein kleiner dunkelblauer Stein zierte ihn. Der Stein hatte die Farbe seiner Augen und somit, auch die meiner Augen.

Zuletzt griff ich nach meiner kleinen schwarzen Lederhandtasche. Sie lag noch neben meinem Bett, so hatte ich sie am Tag meiner Flucht dort abgestellt. In ihr befand sich mein Geldbeutel, mein Handy, meine Kopfhörer, meine Sonnenbrille und mein Notizbuch. So nun hatte ich alles. Ich lächelte zufrieden und wollte aus der Tür treten, doch dann hörte ich ihn plötzlich...

Kapitel 9

 

Ich lauschte und konnte deutlich seinen abstoßenden, rasselnden Atem hören. Ich hatte nicht bemerkt, wie er die Haustür aufgeschlossen hatte und nun lief er durch den Flur. Mein Atem stand still, ich presste mir eine Hand auf den Mund und überlegte. Ich sah zum Fenster und wieder zur Tür. Ich hielt es für das schlauste aus dem Fenster zu klettern. Ich müsste dies nur lautlos hinbekommen.

Als ich auf das Bett gestiegen war und mein Fenster sich überraschenderweise wirklich geräuschlos geöffnet hatte, war ich froh im Erdgeschoss zu wohnen. Ich schmiss meine beiden Taschen zuerst auf den Rasen und sprang anschließend hinterher. Er hatte mich zwar nicht bemerkt, doch würde dass nun offene Fenster mich früher oder später sowieso verraten.

Über diese Erkenntnis musste ich schmunzeln. Ich wollte ihn ja provozieren. Er sollte nicht denken ich hätte Angst. Ich hatte nur noch keine Möglichkeit gefunden mich zu wehren. Doch die würde ich früher oder später noch finden. Darüber war ich mir sicher.

Mit den beiden Taschen und Madox, der die ganze Zeit brav gewartet hatte, im Schlepptau, machte ich mich auf den Weg zurück zu Shauns Wohnung. Einige Male blieb ich stehen und musste überlegen wo ich war und wo ich hin musste, doch Madox zeigte mir den Weg. Er war ein sehr intelligenter Hund und morgen würde er definitiv noch ein Paar Würstchen von mir kriegen.

Am Ziel angekommen, streichelte ich Madox Kopf und lobte ihn „Guter Hund. JA FEIN!!“ und er schleckte meine Hand ab. Ich brachte Madox im Garten zu seiner Hütte und leinte ihn ab. Ich lief auf die Haustür zu und noch bevor ich die Klingel betätigen konnte wurde sie schon aufgerissen.

Ich blickte in Shauns wütende grüne Augen und trat einen Schritt zurück. Sein Blick wechselte kurz in Erleichterung und er rief „Nora!!!“. Er ging auf mich zu und umarmte mich, mir klappte dabei nur überrascht der Mund auf und ich blieb dabei einfach stehen.

„Wo zur Hölle warst du?“ fragte er mich und sprach sehr laut und energisch. Sein Blick fiel auf die beiden Taschen die neben mir auf dem Boden standen und sein Blick wurde ernst. „Ich.. ähm..“ fing ich an doch ich war sprachlos. Ich wusste nicht was ich ihm sagen sollte. Hatte er sich um mich gesorgt?

Shaun schüttelte den Kopf und drehte sich kommentarlos um. Er lies mich einfach stehen. Ich folgte ihm in die Wohnung und legte meine Tasche im Schlafzimmer ab. In der Küche fand ich Shaun mit dem Rücken zu mir am Tisch sitzend, die Ellenbogen auf dem Tisch gestützt und den Kopf in die Hände gelegt. Er sah enttäuscht und verzweifelt aus. Mein Mund wurde trocken und ich bekam Angst. Irgendwie fürchtete ich mich davor, ihn so zu sehen.

Ich wollte auf ihn zugehen und ihm meine Hand auf die Schulter legen, doch er stieß sie weg. Dann blickte er auf und blitzschnell war er auch schon aufgestanden, auf mich zugetreten und hatte mich an die Wand gedrückt. Er hielt meine Handgelenke in seinen Händen und hinderte mich daran, mich zu bewegen. Ich riss meine Augen auf und starrte ihn erschrocken an.

Er sah mir auch direkt in die Augen. „Wieso bist du zu ihm? Wieso bist du ohne mich zu ihm? Dir hätte etwas passieren können!“ presste er trocken hervor, fast flüsterte er. Ich hatte ihn verletzt, dass sah ich. Empfand er denn etwas für mich? Oder wieso reagierte er jetzt so?

Mir rannte eine Träne, an meiner Wange entlang und ich konnte ihn nicht mehr ansehen. Ich konnte ihm auch nicht sagen wieso ich das getan hatte. Er würde mich verrückt halten! Doch noch schlimmer war für mich, dass ich ihm auch nicht sagen konnte, was ich für ihn fühlte, denn sogar diese Berührung genoss ich.

Dieser Mann brachte mich um den Verstand! Erst brachte er mich dazu, ihm wie eine Willenlose zu folgen, einem fremden Mann und dann dieses Gefühlschaos in mir… Was war nur mit mir los? Lag es wirklich nur an meiner verzweifelten Lage oder war es mehr? War ich einfach verrückt geworden? Vielleicht konnte er ja nichts dafür? Hatte mich der Tod meines Vaters, doch irgendwann Irre werden lassen?

Ich kam wieder aus meinen wirren Gedanken und spürte jetzt, dass Shaun mich losgelassen hatte. Er lehnte nun leicht kuschelnd an mir und hatte den Kopf in meine Haare geschmiegt. Er atmete leise und ich hob meine Hand und streichelte über seinen Kopf. Er trat nur einen winzigen Schritt zurück und wir blickten uns in die Augen. Er hatte so gut gerochen, ich vermisste diesen Duft schon jetzt.

Seine Augen, sie waren so wahnsinnig schön, ihr kräftiges und leuchtendes grün verzaubert mich immer wieder aufs Neue. Ich wollte, dass sie nur noch für mich strahlen würden. Sie gaben mir das Gefühl von Hoffnung und Geborgenheit.

Er nahm mein Gesicht in seine Hand und strich mir mit seinem Daumen über meine Lippen. Dieser Moment, ich würde ihn nie mehr vergessen, alles in mir sehnte sich nach ihm. Die Stelle, die berührt hatte, glühte und ich leckte mir über die Lippen. „Deine Augen.. Shaun… Du… Ich…“ stammelte ich.

„Shht…“ wisperte er und dann presste er seine Lippen auf die meinen.

 

Kapitel 10

Es war ein elektrisierendes Gefühl, von dem ich sofort süchtig wurde. Seine Lippen waren weich und doch fest. Er schmeckte besser, als meine liebste Süßspeise. Außerdem fühlte ich diese unvergleichliche Leidenschaft. Nie hätte ich gedacht, dass ein Mensch etwas so intensives spüren könnte…

Er vergrub seine Hände in meinen Haaren und ich ließ meine Hände, langsam über seinen Rücken wandern, bis ich meine Nägel tief in sein Fleisch grub. Er keuchte während des Kusses kurz auf und ich biss ihm zärtlich in die Unterlippe.

Dann öffneten wir beide gleichzeitig unsere Augen uns lachten uns an. Er ging einen Schritt zurück und konnte nicht aufhören zu lächeln während er sprach „Du hast mir schon von der ersten Sekunde an den Kopf verdreht.“. Dann schüttelte er seinen Kopf und setzte sich an den Tisch.

Seine Worte und sein Blick hatten mich gefesselt. Nun konnte ich mich wieder bewegen und setzte mich zu ihm. So gerne ich es wollte, ich konnte ihm nicht sagen dass ich genauso empfand. Was war nur los mit mir? Ich musste ihn ablenken. Ich wollte erst mehr über ihn erfahren!

„Erzähl mir deine Geschichte!“ fordernd sah ich ihm in die Augen und nahm seine Hand. Sein Mund lächelte doch seine Augen sahen gequält aus. „Warum denkst ich hätte eine interessante Geschichte?“ erwiderte er.

„Ich kann es in deinen Augen sehen… Ich verliere mich in ihnen wie in einem tiefen grünen Ozean.“ Erklärte ich und fuhr mit meinen Finger über die Tattoos an seinen Arm.

Ich sah wie er innerlich mit sich Rang und dann doch nachgab. Er atmete tief durch und ich lauschte ihm kommentarlos.

„Meine richtigen Eltern, habe ich durch einen Autounfall verloren, damals war ich 2 Jahre alt. Ich kam in eine Pflegefamilie und meine Pflegeeltern… „ Er stoppte und ballte seine Hände zur Faust als er weitersprach. „sagen wir, sie waren keine Engel.“ Zischte er und stand auf. Er wirkte sehr wütend, deshalb blieb ich sitzen. Ich wollte ihm Zeit geben, sich zu beruhigen.

Nach einer gefühlten Ewigkeit, wollte ich doch nach ihm sehen und fand ihn im Garten. Ich setzte mich zu ihm und schaute, wie er, in den Himmel. „Es tut mir leid, wenn ich dir zu Nahe getreten bin.“ Flüsterte ich zaghaft. „Schon gut.“ Murmelte er und wir blieben eine Weile schweigend neben einander sitzen.

 

Den restlichen Abend redeten wir auch nicht mehr viel und ich musste ständig über unseren Kuss nachdenken. Hoffentlich würde es nicht der einzige bleiben, dachte ich, bevor ich neben ihm einschlief.

Am nächsten Morgen, wachte ich auf und Shaun war wieder nicht da. So wie beim letzten Mal, fand ich wieder einen Zettel in der Küche:

 

Hey Kleines,

ich komme heute schon um 16 Uhr heim,

sei bis dahin bitte fertig.

Ich werde dich an einen schönen Ort entführen

und bitte vergiss den gestrigen Abend.

Shaun

 

Mit einem Schmunzeln auf den Lippen machte ich mich auf den Weg ins Badezimmer. Mein Anblick sollte ihn heute Nachmittag umhauen!

Kapitel 11

Ich betrachtete mich im Spiegel. Ich fand mich richtig hübsch und war zufrieden mit meinem Ergebnis. Meine langen schwarzen Haare, hatte ich mir mit ein paar Spangen nach Hinten gesteckt. Ich war dezent Geschminkt, nur ein bisschen Mascara, Eyeliner und Lipgloss zierten mein Gesicht. Außerdem trug ich eine Mini-Jeans und ein trägerloses weißes Top mit Strasssteinen. Doch das war nicht alles, ich hatte mir meinen Lieblingssilberschmuck angelegt – ein paar große Kreolen im ersten Ohrloch, ein paar kleine Glitzerstecker im zweiten Ohrloch, eine dazu passende Glitzerkette, viele verschiedene Armkettchen und natürlich den Ring meines Vaters.

Den ganzen Vormittag, hatte ich gegrübelt, wohin Shaun mit mir gehen würde. Nun war es bald 16 Uhr und ich konnte es kaum noch erwarten. Ständig sah ich auf die Uhr und dann wieder aus dem Fenster. Ich war aufgeregt und hibbelig, wie ein kleines Kind. Als ich Schritte hörte, sah ich erneut raus und da lief er. Schnell sprang ich auf und rannte zur Tür. Ich schlüpfte in meine geliebten Chucks und lief ihm mit großen Schritten entgegen.

Direkt vor Shauns Nase, blieb ich stehen und schnaufte kurz durch. Er lachte. „Du bist ganz schön ungeduldig oder?“ fragte er mich stirnrunzelnd. Ich grinste ihn an und meinte „JA! Und jetzt sag mir wo wir hin gehen!“ ich hatte während ich sprach meine Hände auf Shauns Brust gelegt, und sah ihn nun, mit vorgeschobener Unterlippe, bettelnd an.

„Nein.“ Sagte er bestimmt laut und fuhr fort „So süß du auch schauen kannst… du wirst dich noch gedulden müssen.“ Er zwinkerte mir zu und grinste hämisch weiter. Ich schmollte und verschränkte meine Arme vor der Brust „Manno.“ Brummte ich.

Shaun nahm mich, zufrieden drein blickend, am Handgelenk und ich stiefelte ihm beleidigt hinterher.

Nach kurzer Zeit schon, merkte ich, dass mein Verhalten nichts bezweckte. Also entschloss ich mich, es einfach auf mich zukommen zu lassen. Ich hakte mich bei ihm ein und grinste ihn an. Er schenkte mir nur einen kurzen verwunderten Blick, der gleich in Zufriedenheit umschlug und schlenderte weiter.

In der Ferne, konnte ich Musik spielen hören und das Schreien von Menschen. Wir kamen dem Geräuschpegel immer näher und dann sah ich auch schon das Riesenrad. Es war ein Jahrmarkt! Viele bunte Lichter blendeten mich und ich roch den süßlichen Duft, von Zuckerwatte.

„Na was sagst du?“ hörte ich Shaun neben mir begeistert fragen. Ich quitschte kurz vor Freude auf und dann packte ich ihn am Arm und zog ihn schon zu den ersten Ständen. Er lachte laut und ließ es geschehen.

Als Erstes, kaufte mir Shaun eine riesige Portion rosaroter Zuckerwatte. Der Wattebausch, war größer als mein Kopf und mir klebte der Mund beinahe beim Kauen zu. Shaun versuchte ständig sich ein Stück Watte von meiner Stange zu klauen aber ich versuchte ihm auszuweichen.

Wir rannten also über das ganze Jahrmarktgelände und die Leute starrten uns an. Mir war das jedoch ziemlich egal, denn wir hatten unseren Spaß dabei. Nach 10 Minuten war ich außer Puste und gab auf.

Ich setzte mich auf eine Bank und er tat es mir nach. Ich musste laut schnaufen, während er ruhig da saß und von meinem Essen naschte. Er sah also nicht nur sportlich aus, sondern hatte eine wirklich gute Kondition, dachte ich und schmachtete ihn in Gedanken noch etwas an. Kurz dachte ich auch wieder über den Kuss nach und schmunzelte.

Genüsslich verdrückten wir beide die Zuckerwatte und gingen wieder normal weiter. An einem Schießstand blieb ich abrupt stehen und setzte meinen besten Dackelblick auf.

„Bitte! Schieß mir eine Rose!“ flehte ich ihn so zuckersüß wie ich nur konnte an. Ich liebte diese Plastikrosen, doch konnte ich selbst leider absolut nicht mit Waffen umgehen. Ich hatte auch ein bisschen Angst vor Schusswaffen, seit dem was passiert war. Doch diese Jahrmarktgewehre beunruhigten mich nicht sonderlich.

„Was krieg ich dafür?“ grinste er hämisch und stand frech mit den Händen in den Hosentaschen vor mir.

„Was möchtest du denn?“ entgegnete ich daraufhin und grinste dreckig. Was er kann, konnte ich schon lange!

„Geh mit mir ins Riesenrad.“ Forderte er ganz ungeniert und deutete in die Richtung des großen Fahrgeschäfts.

Ich zögerte und starrte auf die höchste Kabine, das waren mindestens 30 Meter! Ich litt unter Höhenangst, für gewöhnlich wurde mir schon in geringen Höhen übel und schwindelig.

Shaun hatte meinen verunsicherten Blick sehr wohl bemerkt und nahm meine Hand in seine.

„Heii… Nora dir wird nichts passieren! Vertrau mir.“ Sagte er ruhig und ich blickte in seine Augen. Diese umwerfenden Augen könnten von mir alles verlangen! Ich würde es tun! Also nickte ich und bereute dies gleich danach.

„Worauf hab ich mich da eingelassen?“ flüsterte ich leise zu mir und konnte Shaun glucksen hören.

Er strich mir mit der Hand über den Kopf, zwinkerte mir dann zu und ging zum Schießstand.

Shaun hatte natürlich alle Ziele getroffen. Ich bekam nicht nur meine rote Rose, sondern auch noch einen riesigen weißen Plüschhasen mit Schlappohren. Doch nun war ich daran mich zu revanchieren, deshalb hielt sich meine Freude erst mal in Grenzen.

Kapitel 12

Den Plüschhasen unterm Arm geklemmt, ließ ich mich langsam von Shaun Richtung Riesenrad zerren. Alles in mir sträubte sich, gegen die Vorstellung mich in dieses Monstrum zu begeben und auf geschätzten 30 Meter zu baumeln. Doch ich hatte es ihm versprochen und ich hielt mein Wort immer!

Nervös hüpfte ich von einem Bein aufs andere und beobachtete, wie mein attraktiver Begleiter unsere Todestickets am Schalter bezahlte. Für einen winzigen Augenblick lang, überlegte ich, ob ich nicht einfach weglaufen sollte und suchte mit den Augen schon den Jahrmarktplatz nach möglichen Ausgängen ab, wollte mir diese Demütigung dann aber doch ersparen.

Shaun winkte mir zu und langsam bewegten sich auch meine angstschweren Beine auf ihn zu. Augen zu und durch dachte ich und schnaufte noch mal durch. Wir stiegen in eine der kleinen Gondeln und reflexartig griff ich nach seiner Hand. Ich spürte wie er mit seinem Daumen beruhigend über meine Hand strich.

Ich saß neben ihm und er hatte einen Arm um mich gelegt. Meine Wangen glühten, ob vor Aufregung oder weil er mir wieder so Nahe war, konnte ich diesmal nicht sagen, vielleicht war es auch beides. Ich hielt den Plüschhasen fest umklammert, fast schon krampfhaft, in meinen Armen.

In diesem Moment, war mir nichts peinlich! Sollte er doch denken ich wäre kindisch! Ich wollte nur schnell wieder aussteigen.

Der Mann in der Kontrollkabine, lies per Durchsage verlauten, dass es nun losginge und ich kniff meine Augen fest zu. Die Kabine fing an zu vibrieren und zu wackeln, ehe ich merkte, dass wir uns in der Luft befanden. Ich unterdrückte einen Schrei und Shaun drückte mich noch näher an sich.

„Mach die Augen auf Kleines… Es ist wunderschön!“ wisperte er in mein Ohr und ich tat was er verlangte. Ich befürchtete, das Schlimmste. Tiefen Abgrund unter meinen Füßen. Doch was ich dann sah raubte mir auf ganz andere Weise den Atem.

Ich konnte die ganze Stadt überblicken! Es hatte gerade Angefangen zu dämmern und einige Lichter leuchteten schon. Ich sah gar nicht nach unten. Ich sah nur in die Ferne, denn dort glitzerte auch das Meer. Ich liebte das Meer!

In Shauns Gesicht konnte ich dieselbe Begeisterung entdecken, wie ich sie vernahm.

„Danke.“ murmelte ich und dann nahm ich sein Gesicht in meine Hände und küsste ihn einfach. Dieser Moment, voller Glückgefühle, die eben noch die pure Panik gewesen waren. Ich wollte unseren Kuss schon seit einer Weile wiederholen.

Er erwiderte den Kuss und wir wurden richtig Leidenschaftlich. Ich hatte meine Hände wieder in seinen muskulösen Rücken gekrallt und er taste sich unter mein Top. Er glitt mit seinen großen Händen, über meinen straffen Bauch und streichelte über meine heiße Haut.

Ich fing an, ihm am Hals entlang bis zum Schlüsselbein runter zu küssen und hörte wie ihm ein leises Keuchen entwich. Seine Hand glitt nun über meinen Nacken, in die Haare an meinem Hinterkopf, dann packte er zärtlich zu und zog mich hoch zu seinem Gesicht.

Während er mich wieder küsste, hauchte er „Nora.. Bitte.. Lass uns zu einem anderen Zeitpunkt weiter machen.“. Ich nickte und löste mich von ihm. Verlegen blickte ich auf den Plüschhasen.

Für kurze Zeit, hatten wir alles um uns herum Vergessen. Ich hatte nicht mal bemerkt, dass es schon dunkel geworden war und sich ein wunderschöner Sternenhimmel nun über unseren Köpfen befand.

„Ich wollte dir hier oben noch etwas anderes zeigen.“ Flüsterte er in mein Ohr und ich spürte seinen heißen Atem auf meiner Haut, welcher mir eine leichte Gänsehaut bereitete. „Sieh nach oben.“ forderte er nun laut und grinste.

Wir waren dem Himmel so nah, dass es den Anschein erweckte, man müsste nur die Hand ausstrecken um einen Stern zu berühren. „Es ist so schön!“ staunte ich.

„Es gibt keinen besseren Ort dafür, als diesen. Ich liebe es hier zu sein. Ich habe hier oben schon ne Menge Zeit verbracht.“ gestand er mir.

„Danke, dass du mich mitgenommen hast. Ich weiß es zu schätzen!“ antwortete ich lächelnd und dann setzte sich das Riesenrad wieder in Bewegung. Ich nahm wieder automatisch seine Hand und drückte leicht zu, meine Augen hatte ich auch geschlossen, bis wir unten angekommen waren.

Ich war sehr erleichtert, als ich wieder festen Boden unter den Füßen spüren konnte und sprang aus der Kabine. Shaun folgte mir lachend.

„Lach mich nicht aus!“ meinte ich gespielt böse und hob warnend meinen Zeigefinger.

„Ach quatsch, ich finds echt gut, dass du es dich getraut hast.“ Sagte er und schaute mir mit ehrlicher Miene in die Augen. Moment! Meine Augen befanden sich ein Stückchen weiter oben! Sofort färbten sich meine Wangen rot und ich schmunzelte verlegen.

Als er bemerkt hatte, dass ich seinem Blick gefolgt war, grinste er mich nur schamlos an.

„Hey!“ rief ich gespielt verärgert und boxte ihm leicht gegen die Schulter. Daraufhin stürzte er sich auf mich und fing an mich zu kitzeln. Ich lachte und wand mich unter seinen kräftigen und doch zärtlichen Händen.

„Hör auf bitte!“ flehte ich ihn an. „Ich kann nicht mehr“ flüsterte ich vollkommen außer Puste.

„Das macht nichts.“ Entgegnete er gelassen, ließ mich los und lief Richtung Ausgang. Ich rannte ihm nach und sprang ihm auf den Rücken.

„Wenn du noch so Fit bist, kannst du mich ja auch tragen.“ Sagte ich ihm direkt ins Ohr und er zuckte nur lachend mit den Schultern.

„Kein Problem.“ Meinte er und trug mich und meinen Plüschhasen, den ganzen Weg nach Hause. Ich hatte mich an seinen kräftigen Rücken geschmiegt und genoss seinen atemberaubenden Duft.

Kurze Zeit später, war ich auch schon eingeschlafen.

Kapitel 13

Am nächsten Morgen lag Shaun neben mir, mit seinem Handy in der Hand und schrieb mit jemandem. Ich beobachtete ihn eine Weile, er hatte die Stirn in kleine Falten gelegt und sah konzentriert aus. Da ich ihn nicht stören wollte, nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und holte auch mein Handy aus der Tasche, um zum ersten Mal seit meiner Flucht einen Blick darauf zu wagen:

 

2 Verpasste Anrufe meiner Mum & 7 Sms von meiner besten Freundin Liah

 

Ich öffnete die Smsen und wurde sogleich von Fragen bombardiert. Wie geht’s dir? Was machst du? Wo bist du? Lebst du noch? Wieso meldest du dich nicht? Usw. Ich antwortete ihr, dass es mir gut ging und ich mich gern mit treffen wollte um ihr zu erzählen was in den letzten Tagen so los war. Sie stimmte sofort zu. Während des Schreibens hatte ich meine Lippe so zerkaut, dass diese mir nun wehtat. Wie sollte ich ihr erklären, was passiert war? Sie war zwar meine beste Freundin, aber würde sie mich auch verstehen? Ich schluckte und versuchte bis dahin an was anderes zu denken, was mir wirklich schwer fiel.

 

Ich seufzte und starrte weiter auf mein Handy. Shaun hatte mittlerweile sein Handy beiseite gelegt und strich mir über die Haare. Ich seufzte und legte mein Handy wieder in meine Tasche. Das Gespräch mit meiner Mum wollte ich noch etwas herauszögern. Als ich mich zurück aufs Bett drehte, zog mich Shaun plötzlich an sich und küsste mich heiß und innig. Es fühlte sich an, als hätte er nur darauf gewartet seine Lippen auf meine zu pressen.

 

Geschickt und mit einem kurzen Ruck lag ich schon auf ihm. Er fing an mit den Händen über meinen Hintern zu streicheln, während wir uns weiter küssten. Langsam spürte ich wie sich etwas bei ihm regte. Ich wurde sofort rot, denn so sehr ich das auch wollte, ich hatte zur selben Zeit auch Angst. Ich wollte nicht dass sich irgendwas zwischen uns ändert und außerdem wusste er ja nicht, dass ich noch Jungfrau war. Ich musste mir also sehr schnell etwas einfallen lassen.

Ich rollte mich ruckartig von ihm und stand auf. Dann stammelte ich etwas von „ich muss los“ und „sie wartet schon!“ und schon war ich aus der Tür. Zwei Blocks weiter rief ich Liah noch mal an und bat sie gleich vorbei zu kommen. Auf dem Weg zu dem Café in dem wir uns verabredet hatten, lief ich an einigen Schaufenstern vorbei. Da ich gerade erst aufgestanden war, standen mir die Haare in allen Richtung vom Kopf. Ich fuhr mit meinen Fingern durch meine Matte und versuchte sie zu bändigen.

 

Kapitel 14

 

Am Café angekommen musste ich schmunzeln, ich freute mich sehr sie endlich wieder zu sehen. Wenige Minuten später bog das blonde Mädchen auch schon um die Ecke. Wir rannten uns halb lachend und halb weinend entgegen. Als ich in ihren Armen lag und sie mich halb zerquetschte sagte sie in tadelndem Ton: „Du glaubst mir gar nicht, was ich mir für Sorgen um dich gemacht habe! Du blöde Kuh ich bin fast gestorben vor Angst!“. Ich quetschte erstmal ein leises „Sorry.“ hervor und wir nahmen an einem der runden Tische vor dem Café platz.

Ich betrachtete ihre hellen Locken und ihr rundes, rosiges Gesicht. Ihre hell blauen Augen strahlten und sie trug ein lässiges weißes Sommerkleid mit Sandaletten dazu. „Du siehst hübsch aus.“ meinte ich und freute mich immer noch einfach nur sie zu sehen. Sie verdrehte die Augen und winkte mein Kompliment mit einer kurzen Handbewegung ab. „Das weiß ich.“ grinste sie. „Jetzt sag mir endlich, wo du gewesen bist!“. Ich kaute wieder auf meinen Lippen und Seufzte.

Wir saßen unter einem Schirm und ein kühler angenehmer Luftzug wehte an uns vorbei. Wir hatten uns, da ich natürlich kein Geld mitgenommen hatte uns auf ihre Kosten einen rießigen Eisbecher bestellt und ich begann ihr von Shaun zu erzählen. Ich sagte ihr nur dass ich mich mit Carlos gestritten hatte und sie fragte nicht weiter nach. Schließlich konnte sie Carlos auch nie leiden. Als ich geendet hatte blickte sich mich vorwurfsvoll an.

„Dummerchen! Wieso bist du nicht einfach zu mir gekommen?“. „Ich wollte dir und deiner Familie nicht zur Last fallen und außerdem hätte deine Mum doch sicher Carlos oder meine Mum oder gar noch die Polizei informiert! Das will ich nicht!“ erklärte ich ihr darauf hin. „Aber was hast du denn jetz vor? Willst du bei diesem Fremden weiter wohnen bleiben? Und was willst du deiner Mum sagen? Immerhin kommt sie doch bald zurück!?“ entgegnete sie mir.

Ich nahm einen Löffel Schokoladeneis in den Mund und überlegte. „Du weißt doch noch, dass ich mich vor 2 Monaten für ein Auslandspraktikumsjahr in Paris beworben hatte oder?“ sprudelte es auf einmal aus mir raus. „Ja aber was hat das denn jetz damit..“ sie riss die Augen auf und brüllte los „.. NA KLAR!! Du erzählst ihr einfach du wurdest kurzfristig genommen und hattest gar keine Zeit mehr und musstest sofort packen! Aber wird sie es dir glauben?“. „Das hoffe ich! Das muss sie einfach..“ meinte ich.

Als wir das Eis verdrückt und Liah für uns gezahlt hatte, hatte sich mich sogar dazu überredet mit ihr noch einen Trinken zu gehen. Schließlich hatten wir zusammen die Lösung für das Problem mit meiner Mum gefunden. Auf dem Weg zu der Bar, bedankte ich mich bei Liah dafür, dass sie so viel Verständnis für mich hatte und sie wuschelte mir durch das Haar. „Für dich doch immer du Spinner!“ lachte sie und ich nickte grinsend.

In der Bar bestellte ich mir ein Bier und Liah einen Cocktail. Dann lehnte sie sich zu mir rüber und sagte „Aber jetz bin ich schon neugierig, ich meine wie sieht denn dieser Shaun aus? Er muss ja ein richtiger Adonis sein wenn du sofort mit ihm mitgegangen bist.. HALT! Du bist doch nicht schon in ihn verknallt oder?? Was ist genau bei euch gelaufen? ICH WILL JEDES DETAIL!“. Ich kicherte verlegen und erzählte meiner besten Freundin daraufhin grob und so sachlich wie ich nur konnte wie Shaun aussah.

Sie nickte immer wieder und grinste. Dann stupste sie mich an und neckte mich „Und ob du verliebt bist! Das sieht doch ein Blinder!“. Sie war zwar schon beschwipst, doch musste ich mir eingestehen, dass sie ein wenig Recht hatte. Eine halbe Stunde später lagen wir uns lachend in den Armen. Wir wollten geraden die Bar verlassen, als ich einen Klaps auf den Hintern bekam und wütend herum schnellte.

Kapitel 15

 

Ich hatte gerade meine Hand erhoben und wollte aufziehen um dem Grabscher eine saftige Ohrfeige zu verpassen, als ich verblüfft erkannte wer vor mir stand. Ich lies die Hand sinken und schaute verwirrt drein. „Jaden?“ fragte ich verdutzt, „Was machst du hier? Und was sollte das denn eben?“. „Hey Nora.“ antwortete er mit einem verschmitzten Grinsen und winkte kurz in Liahs Richtung, die genauso verwirrt drein Blicken musste wie ich. „Chill, das war doch nur ein kleiner Klapps, auf die alten Zeiten.“ und wieder grinste er unverschämt und blickte mir direkt in die Augen.

Doch meine Augen waren auf das gerichtet, was hinter ihm passierte, noch bevor ich Jaden warnen konnte, ertönte ein dumpfer Schlag und die Flasche zersplitterte an seinem Kopf. Er fiel mir direkt vor die Füße und ich sprang erschrocken einen Schritt zurück. Liah schrie und klammerte sich an meinen Arm. Der Boden war voller Scherben und ein paar Blutspritzern.

„Spinnst du?“ schrie ich Shaun an und kniete mich vor Jaden. Er hatte die Augen wieder geöffnet. Ich atmete tief durch und war erleichtert, dass er nicht bewusstlos war. „Liah ruf dir ein Taxi und fahr nach Hause, ich mach das schon.“ wies ich meine beste Freundin an, die sich sofort durch die Menschentraube, die sich inzwischen um uns gebildet hatte drängte und nach draußen verschwand, um zu telefonieren. Ich wollte sie nicht auch noch gefährden, sie war viel zu betrunken. Zum Glück hatte sie den Ernst in meiner Stimme erkannt und meinen Rat befolgt. Jaden hielt sich seinen Kopf, während er sich langsam in eine sitzende Position brachte.

„Gehts?“ fragte ich und legte meine Hand auf seinen Arm, ich vermied es bewusst Shaun anzuschauen. „Ich denke schon.“ zischte Jaden und ich half ihm aufzustehen. Sobald Jaden wieder auf den Beinen war, stürmte Shaun auf ihn und drückte ihn an die Wand. Er hatte ihn am Kragen gepackt und sein Blick war Hass erfüllt. „Lass ihn sofort los Shaun! Das war doch nichts schlimmes! Er hat mir nichts getan! Es geht mir gut! Sieh mich an!“ schrie ich ihn verzweifelt an. „Was ist dein Problem Alter?“ zischte diesmal Jaden immer noch mit schmerzverzerrtem Gesicht. „Kennst du den Irren etwa?“ die Frage hatte er an mich gerichtet.

„Pass auf was du sagst!“ drohte ihm Shaun, der nicht locker lies. „Ist es normal für dich Frauen einfach zu begrabschen du perverser Wichser!?“ knurrte er regelrecht mit zusammen gebissenen Zähnen. Ich bekam Angst. Wie sollte ich es schaffen dass er von Jaden ablies und sich wieder beruhigte? Dann hatte ich eine verrückte Idee, ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und trat langsam auf Shaun zu. Jaden versuchte eine lahme Entschuldigung vor sich hin zu stammeln, doch Shaun hörte ihm nicht mal richtig zu. Als ich meine Hand auf seine Schulter legte, merkte ich wie er vor Wut noch leicht zitterte. Sein ganzer Körper war angespannt. Shaun war um einiges kräftiger als Jaden, weshalb dieser sich nicht wirklich wehren konnte.

Etwas überrascht von meiner Berührung drehte Shaun den Kopf zu mir, und im Augenwinkel konnte ich sehen, wie sein Griff um Jadens Hals sich lockerte. Ich schnaufte noch einmal tief durch und dann legte ich sanft meine Hand an seine Wange und küsste ihn. Es war ein zaghafter Kuss, doch Shaun lies von Jaden ganz ab und legte die Arme um mich. Ich merkte wie er sich beruhigte und lies ihn nicht los. Ich hörte im Hintergrund wie einige der Zuschauer Jaden beleidigten, als dieser die Bar schnell verlies.

Dann packte jemand Shaun und riss ihn unsanft von mir weg. „Schleich dich aus meiner Bar, du Schläger bevor ich die Bullen holen muss!“ brüllte der wütende Mann und fügte an mich gerichtet hinzu: „Und dich will ich hier auch nicht mehr sehen!“. Im Handumdrehen hatte Shaun mich über seine Schulter geschmissen und mich mit aus der Bar getragen.

Sobald er mich abgesetzt hatte, fing ich an mit meinen Fäusten auf seine Brust und Arme einzuschlagen. Er lies es über sich ergehen und sagte mit ruhiger Stimme: „Beruhige dich. Es tut mir Leid.“. Als ich trotzdem nicht aufhörte, packte er mich an den Handgelenken und zog mich in seine Arme. Ich fing unkontrolliert an zu schluchzen und auch das ertrug er. Er hielt mich einfach fest. Bis ich mich nach ein paar Minuten wieder ein gekriegt hatte.

Wir setzten uns beide auf die Straße und schwiegen uns an. Bis ich ihm leise zuflüsterte: „Bitte, tu das nie wieder!“. „Nein, das kann ich dir nicht versprechen. Niemand darf so mit dir umgehen! Wieso nimmst du den Kerl eigentlich in Schutz? Wer ist er?“ antwortete Shaun darauf gereizt. „Er ist mein Ex.“ sagte ich tonlos und blickte auf meine Schuhe.

Kapitel 16

 

Wir hatten daraufhin schweigend den Heimweg angebrochen, ich war hinter ihm her gelaufen und zum Teil musste ich ihn bitten langsamer zu gehen. Er hatte sich immer noch nicht ganz abgeregt. Jedoch wollte ich darauf keine Rücksicht nehmen, ich wollte noch ein paar Antworten, für mich war unser Gespräch noch lange nicht beendet. Also joggte ich ein paar Meter, bis ich ihn eingeholt hatte und zog zaghaft an seinem Kapuzenpullover.

Er drehte sich mit mürrischem Gesicht zu mir um. Fast hätte mich der Mut verlassen, aber dann brachte ich so sicher ich nur konnte meine brennenste Frage hervor: „Wieso warst du in der Bar?“. Diese Frage brachte ihn leicht aus dem Konzept für ein paar Sekunden wirkte sein Gesichtsausdruck ratlos und dann antwortete er ehrlich: „Weil du zur Zeit Probleme anzuziehen scheinst.“. „Das heißt, du vertraust mir nicht, weil ich ohne dich meine Klamotten geholt habe?“. Brachte ich das Ganze auf den Punkt. Es war genau dass, was ich erwartet hatte und es ärgerte mich.

„Du kannst nicht jedem, der mit mir redet oder mal unfreundlich zu mir ist, eine Flasche über den Schädel ziehen!“ versuchte ich es diesmal, doch er lief wieder schnellen Schrittes weiter. Also blieb ich einfach stehen. Als er nach einigen Minuten bemerkte, dass ich ihm nicht mehr folgte, fluchte er etwas, dass ich nicht verstand, und lief mir entgegen. „Du machst mich irre!! Du sturer Bock!“, sagte er mir ins Gesicht, drückte mir unterwartet einen Kuss auf, und hievte mich wieder über seine Schulter. Während des restlichen Heimwegs lachte er mich aus, während ich fluchend versuchte mich seinem Griff zu entwinden, vergeblich.

Am Ziel angekommen, warf mich Shaun aufs Bett und ich war so erschöpft, dass ich liegen blieb. Er legte sich neben mich und zog mich eng an sich. Er war so warm, trotz meinem Ärger, genoss ich seine Nähe wieder. Er strich mir von hinten mit der Hand übers Gesicht und flüsterte mir zu: „Nora, du weißt vielleicht nicht, was für ein wundervoller Mensch du bist aber glaub mir, du hast einfach etwas besseres verdient.“. 'Dich?' war die Frage die mir im Kopf herum schwirrte, ich aber nicht auszusprechen wagte. Immerhin wusste ich nicht, was ich für ihn war. Ein Zeitvertreib? Eine Eroberung im Bett? Oder mochte er mich wirklich? So wie ich ihn mochte?

Wenn ich nicht so müde gewesen wäre, hätte ich darüber noch die ganze Nacht gegrübelt, ich musste aber jedoch relativ schnell eingeschlafen sein.

Am nächsten Morgen hatte ich eine Sms von Liah: „Ich hoffe dir geht’s gut! Melde dich doch bitte. - Liah.“. Ich antwortete ihr in kurzen Sätzen, dass es mir gut gehe und ich mich bald wieder bei melden würde, zuerst müsste ich aber ein Paar andere Dinge regeln.

Kapitel 17

 

Ich wurde geweckt, durch den Duft, von frischen Waffeln. Ich rieb mir verschlafen die Augen und gähnte. Als ich mich aufsetzte, erblickte ich neben mir, ein Tablett. Auf dem Tablett waren frisch gemachte noch lauwarme Waffeln, mit Erdbeeren und einem kleinen Häufchen Sahne. Mir lief das Wasser im Mund zusammen. Neben dem Tablett, lag ein Brief. Ich öffnete ihn und schob mir gleichzeitig eine süße Erdbeere in den Mund.

 

Guten Morgen meine Schönheit,

ich bin nur kurz etwas besorgen

lass dir das Frühstück schmecken

wir sehen uns dann,

Shaun.

 

Immer diese Geheimniskrämerei, dachte ich mir und verschlang innerhalb von wenigen Minuten, genussvoll mein Frühstück. Ich sollte mich demnächst unbedingt mal revanchieren und Shaun bekochen, dachte ich mir und machte mich unter die Dusche.

Nachdem ich mich endlich wieder ausgiebig um mein äußeres gekümmert hatte, blickte ich zufrieden in den Spiegel. Ich hatte meine Augen mit dunklem Kajalstift betont und die obere Hälfte meiner Haare am Hinterkopf zusammen gesteckt. Meine Lippen hatte ich mit einem eher unauffällig dunklem rot bemalt. Schließlich streifte ich mir ein zu dem Lippenstift passendes rotes Tanktop über und schlüpfte in eine kurze schwarze Shorts.

Jetzt konnte ich mich mit nichts mehr davor drücken und widmete mich dem unangenehmen Teil des Tages zu. Doch ich musste es Tun. Ich räusperte mich und wählte flink die Nummer. Als ich das tuten vernahm, pochte mir mein Herz bis zum Hals. Das durfte mir meine Mutter jedoch nicht anmerken, zum Glück war ich nie schlecht im Lügen. Doch diesmal war es etwas anderes, meine Hände waren schwitzig und meine Kehle ausgetrocknet.

„Hallo Spätzchen?“ ertönte es dann nach einer gefühlten Ewigkeit am anderen Ende der Leitung. „Hi M.. Mom!?“ scheiße dachte ich, ich durfte nicht stottern. „Liebling, was gibt’s?“, fragte meine Mutter freundlich nach, jedoch konnte ich ihre Eile in der Stimme hören. Das war ein gutes Zeichen, sie würde nicht viele Fragen stellen, wenn sie beschäftigt war, ich musste nur noch meinen Text runter rattern und die Sache war erledigt. Ich schnaufte einmal durch und hatte mich wieder im Griff.

„Mom, du wirst nicht glauben was passiert ist! Ich hatte mich doch für ein Auslandspraktikumsjahr in Paris beworben.. und rate mal!!! ICH WURDE GENOMMEN!!“ brüllte ich mit falscher Freude in das Handy, doch ich ließ sie nicht zu Wort kommen. „Allerdings geht der Flieger schon morgen früh um 8 Uhr, Liah und ihre Mutter werden mich zum Flughafen bringen, es ist schon alles geregelt. Ich weiß das ist ziemlich kurzfristig, ich bin auch überrumpelt aber du weißt wie wichtig mir dieses Praktikum ist. Ich hätte mich wirklich gerne von dir verabschiedet aber du kommst ja erst morgen Abend wieder.“. Nach dem ich diesen Redeschwall, wie ich fand überzeugend rüber gebracht hatte, atmete ich leise erleichtert aus.

„Nora!! Aber das ist ja.. Wow! Ich freue mich natürlich für dich aber das ist so kurzfristig!?“ brachte meine Mutter verdutzt hervor. „Ja ehm es ist kurzfristig jemand ausgefallen und deswegen konnte ich nachrutschen!“ log ich hemmungslos und beinahe schon stolz auf meinen Einfallsreichtum. „Naja gut aber ich brauche doch deine Adresse dort und hast du auch alles was du brauchst? Was ist mit Geld? Brauchst du Geld? Ach Kind ich weiß gerade gar nicht wo mir der Kopf steht.“ seufzte sie in den Hörer.

Nervös kaute ich auf meiner Unterlippe, angesichts der Tatsache, dass ich sie gerade dreißt angelogen hatte, wollte ich nicht auch noch Geld von ihr verlangen. Allerdings könnte ich das Geld schon gebrauchen. „Das Austauschprogramm kommt für alle lebensnotwendigen Kosten auf. Ich wäre dir jedoch Dankbar, wenn du mir eine Art Not-Konto einrichten könntest mit einem kleinen Betrag nur für den Notfall.“ erfand ich für mein eigenes Gewissen eine Grauzone. „Gut, das hört sich doch vernünftig an, ich rufe dich dann in ein paar Tagen nochmal an und dann sprechen wir nochmal.“ diesmal atmete meine Mom schwer aus.

Sie tat mir schon etwas Leid, der Abschied musste für sie sehr überrumpelnd sein, allerdings hatte ich keine andere Wahl. Ich musste mich und sie vor Carlos schützen und das konnte ich am Besten indem ich erst mal meine Abwesenheit vorspielte. Wie ich meine Mom von Carlos weg bringen konnte musste ich noch herausfinden. Zunächst jedoch hatte ich keine Angst, dass er ihr etwas antun würde und so war das ganze Schauspiel in meinen Augen vorerst die beste Lösung. Ich verabschiedete mich noch schnell herzlich von ihr und lies mich nachdem sie aufgelegt hatte, auf das weiche Bett hinter mir fallen.

Sonnenstrahlen schienen mir warm ins Gesicht und ich schloss nur für einen kurzen Moment die Augen und genoss den Moment.

Wenige Augenblicke später hörte ich, wie jemand einen Schlüssel ins Schloss steckte und gleich darauf die Tür aufging.

Ein kurzes „Hey.“ ertönte aus dem Flur. Ich richtete mich auf und streckte mich langsam. Als Shaun ins Schlafzimmer kam und mich sah, grinste er „Hast du solange geschlafen?“. „Nein“ gähnte ich unglaubwürdig und erzählte ihm von meinem Telefonat. „Und wo warst du?“ fragte ich ihn direkt danach. „Nicht so wichtig, hab nur was erledigt.“ entgegnete er und winkte meine Frage mit seiner Hand ab. Es gefiel mir nicht, dass er mir nicht einfach sagte wo er war, doch ich schwieg daraufhin

 

Shaun ging mit entschlossenem Blick auf mich zu und zog mich mit Leichtigkeit auf meine Beine. Ich sah ihm in die Augen und war von seinem Blick gefesselt. Er nahm mein Gesicht in seine Hände und flüsterte mir ins Ohr „Nora, ich liebe dich.“.

Damit hatte ich nicht gerechnet, dieser Mann hatte eine unbeschreibliche Wirkung auf mich. Meine Knie wurden weich und um nicht zu fallen legte ich schnell meine Arme um seinen Hals und küsste ihn. Meine Lippen prickelten unter seiner Berührung. Er hob mich hoch und warf mich sanft aufs Bett, doch sofort lag er wieder über mir. Er küsste an meinen Lippen runter über meine Wangen, bis zu meinem Hals. Ich keuchte, mit seinen Fingern zog er die Spur nach die er entlang geküsst hatte und ich bekam Gänsehaut.

Er machte plötzlich eine Pause und richtete sich auf um sein Shirt elegant über den Kopf zu ziehen und schmiss es einfach achtlos neben das Bett. Ich beobachtete ihn, er sah so unwiderstehlich aus. Sein muskulöser Oberkörper reizte mich. Trotz meiner Nervosität, tat ich es ihm gleich und zog auch mein Top aus. Er sah kurz überrascht aus, doch grinste er gleich darauf und stürzte sich wieder auf mich um mich zu küssen. Ich drückte leicht gegen seine Schulter, sodass er sich zur Seite fallen lies und mit einem Ruck saß ich auf ihm.

Seinem Gesichtsausdruck zu folge schien im mein überraschender Positionswechsel zu gefallen. Ich drückte mich fest an ihn und küsste ihn ebenfalls am Hals entlang bis runter zu seinen atemberaubenden Bauchmuskeln. Dann packte er meine Handgelenke und zog mich wieder hoch um mich zu küssen. Ich war ihm verfallen und gab mich ihm ohne zu zögern völlig hin. Widerstand war zwecklos ich liebte diesen Mann auch.

Kapitel 18

 

„Mhh..“ brummte ich verträumt als ich langsam von dem schönen Traum aufwachte. Moment ich war nackt. Vollständig nackt. Das war kein Traum! Ich spürte wie ich rot wurde und wagte es mich umzusehen während ich die Bettdecke bis zur Nase hoch gezogen hatte. Doch ich wurde enttäuscht. Shaun war wieder nicht da. Es machte mich wütend. Gerade nach so einer Nacht musste er mich wieder allein lassen.

Ich stand auf, die Decke um mich gewickelt und suchte nach einer Nachricht, wie üblich, doch ich fand keine. Ich schaute auf mein Handy – auch nichts. Mein Bauch brummte, nach der letzten Nacht war ich hungrig. Ich machte mir eine Schüssel Cornflakes und schob gedankenversunken einen Löffel nach dem anderen in meinen Mund. Wo konnte er nur wieder hin sein. Vielleicht ist er arbeiten. Ich konnte mich noch wage an den Weg erinnern. Also sprang ich motiviert auf lief ins Bad und machte mich frisch.

Bevor ich ging pfiff ich im Garten einmal laut und nahm Madox mit. Der Hund war viel zu oft allein hier dachte ich und schloss die Gartentür. Als ich durch die Straßen lief, hatte ich immer wieder ein Grinsen im Gesicht, da ich nicht aufhören konnte an die wunderschöne letzte Nacht zu denken oder daran wie perfekt Shaun war und welches Glück ich hatte. Vor dem Planetarium angekommen, atmete ich nochmal tief durch und versuchte ganz normal zu wirken. Ich drückte auf die Klingel, mehrmals, doch niemand öffnete.

Ich lief zur Hintertür, durch die ich mit Shaun gegangen war, sie war offen. Ich band Madox vor der Tür an und ging hinein. Es war dunkel, nur die Sterne an der Decke leuchteten. Ich kniff die Augen zusammen und versuchte etwas zu erkennen, doch da war nichts. „Hallo?“ rief ich. Vielleicht machte er eine Pause? Ich war enttäuscht, meine Überraschung war nicht gelungen. „Hallooo?“ rief ich noch einmal. Dann hörte ich eine Tür quietschen. Ich trat einen Schritt zurück. Das Geräusch kam von weiter oben, doch ich konnte nichts erkennen. „Ist da wer?“ sagte eine mir unbekannte Stimme. Ich zögerte. Wer war das? Aber die Person musste Shaun kennen vielleicht wusste er wo Shaun sich befand. „Ja.“ sagte ich „ich suche nach Shaun“. „Shaun? Der arbeitet heute nicht.“ sagte der ältere Mann, der jetzt langsam näher kam. Ich machte noch zwei Schritte zurück und spürte schließlich die Tür an meinem Rücken. „Oh.“ sagte der Mann „tut mir leid Kind, warte.“. Plötzlich wurde es hell, der Mann hatte das Licht eingeschalten.

Ich atmete tief durch und wurde etwas selbstsicherer. Das war nur Shauns Chef, kein Grund nervös zu sein sagte ich zu mir selbst. Dennoch hatte ich dieses mulmige Gefühl in der Magengegend. „Du bist Nora oder?“ sagte der ältere Mann, dessen spärliche graue Haare in alle Richtungen ab standen. Er war klein und irgendwie alles andere als furchteinflößend. Ich nickte. „Ich würde dir gerne einen Kaffee anbieten“ sagte er und lächelte freundlich. Ich nickte erneut und lächelte zurück. Er drehte sich um und lief die Treppe voraus nach oben, wo er hergekommen war.

Ich folgte ihm in eine kleine Teeküche. „Das ist der Pausenraum.“ sagte er und seufzte. „Wir haben in letzter Zeit so wenig Gäste, da mach ich nur noch Pause.“. Er holte zwei Tassen aus einem Hängeschrank aus Holz und stellte zudem Milch, Zucker und eine Glaskanne mit Kaffee auf den Tisch. „Wie lange kennen Sie Shaun?“ fragte ich, während er mir Kaffee in die Tasse goss.

Er runzelte nachdenklich die Stirn „Sieben Jahre sind es nun. Weißt du Kind, Shaun ist wie ein Sohn für mich.“ er lächelte und nahm einen Schluck aus seiner Tasse. „Das wusste ich nicht.“ entgegnete ich „Shaun hat Sie nie erwähnt.“. Der Mann sah mir eindringlich in die Augen „Aber er hat dich erwähnt Nora. Ich glaube du bist ihm sehr wichtig.“ sagte er mit ruhigem und ernsten Ton. Dann Stand er ruckartig auf und klatschte sich die flache Hand auf die Stirn. „Wo sind meine Manieren?“ rief er und hielt mir seine Hand entgegen. „Ronny, es ist mir eine Freude.“ Ich kicherte und reichte ihm meine Hand. „Die Freude ist ganz meinerseits.“ entgegnete ich.

Dann wurde ich wieder ernst. „Als ich heute morgen aufgewacht bin, war Shaun nicht da. Normalerweise hinterlässt er Nachrichten aber heute nicht, deswegen bin ich hier.“ erklärte ich meinen Besuch. „Weißt du vielleicht, wo er sein könnte?“ als ich fertig gesprochen hatte, fiel mir auf, wie übertrieben meine Reaktion auf andere wirken könnte und nahm mir fest vor etwas sicherer aufzutreten. Ich sah Ronny an, doch der schien gar nicht bei der Sache. Er war aufgestanden und wühlte in einer Schublade. „Wo ist es nur?“ murmelte er. Ich runzelte die Stirn, hatte er mir überhaupt zugehört? „Ahhh, da ist es!“ rief er erfreut und legte mir einen Zeitungsartikel auf den Tisch. Wie sollte mir das helfen dachte ich und las die Überschrift.

 

Mörder nach sieben Jahren entlassen

 

Impressum

Bildmaterialien: Cover von LynMara
Tag der Veröffentlichung: 11.02.2014

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /