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1. Kapitel

Sie kannten sich kaum. Er arbeitet lediglich in dem Fitnessstudio, in das sie geht. Sie war immer gut gelaunt, frech und scherzte mit ihm. Und heute war sie so komisch. Lächelte ihn zur Begrüßung nur an und er sah förmlich die Gewitterwolke über ihrem Kopf hängen. Er sollte nicht so sehr in die Privatsphäre von Kunden dringen, dass wusste er und hatte die Konsequenzen schon am eigenen Leib erfahren, wenn Fitnessstudio Kontakte nicht zum „echten“ Leben dazugehören. Dennoch nahm er seinen ganzen Mut zusammen und fragte Vanessa was denn los sei. Nachdem sie ihn einen Moment wortlos ansah und er sich schon enttäuscht abwenden wollte, erzählte sie es ihm:

„Ich fühle mich wie eine Motte, die zum Licht fliegt. Ich suche mir die Freunde, die immer glücklich zu sein scheinen. Mein bester Freund, du und er.

Und meine ehemalige beste Freundin war auch kein Kind von Traurigkeit. Doch ihre Arme erzählten von einer ganz anderen Geschichte.

Ich verurteile niemanden, der solche Narben an den Armen hat. Ich kann es sogar verstehen. Ich habe sie auch. Für einige ist es wohl eine Art Hilfeschrei und für andere ist es nichts als Langeweile oder um Aufmerksamkeit zu erregen.

Aber darum geht es nicht. Es geht um die Motte, die zum Licht fliegt. Mich. Die Lampe war lange Zeit für mich aus und jetzt will ich jede Art von Licht genießen. Menschen, die gute Laune versprühen, sind mein Licht. Mehr will ich nicht.

Und du bist so ein Mensch. Und ich weiß auch, dass du ein guter Mensch bist und ich dir vertrauen kann. Doch das habe ich mir selber eingebrockt, also muss ich auch selber eine Lösung finden.

Ich habe in diese Thematik schon einmal eine Person mit einbezogen und das hat mehr kaputt gemacht, als mir zu helfen.

Aber danke, dass du mir helfen willst. Das tut gut, jemanden zu kennen, der dies möchte. Es gibt so viele, die dich fallen sehen wollen oder total falsch sind, dass es eine angenehme Abwechslung ist.

Danke dir!

Sollte dir mal nach quatschen zumute sein oder wenn du ein bisschen Ablenkung von deiner Ausbildung brauchst, sag Bescheid. Ich kann auch ganz gut zuhören und auch mal ernst bleiben.

So, jetzt muss ich mal meiner Lösung hinter her rennen, sie ist gerade um die nächste Ecke gebogen. Man sieht sich dann und viel Erfolg in deiner Ausbildung!“

Und schon war sie weg mit einem leichten Lächeln auf dem kirschroten Mund.

Joker sieht ihr sprachlos hinterher und kann es nicht fassen. Dieses Mädchen, das immer so glücklich schien, sollte Narben an den Armen haben. Narben der Vergangenheit, nicht nur im Herzen sondern auch sichtbar für jeden auf der zarten Haut ihrer Arme, die von ihrer Geschichte erzählten. Sie hatte fast nichts gesagt und ihm doch so viel anvertraut. Das bedeutet ihm eine Menge.

Er hatte bei ihr das Gefühl etwas Besonderes zu sein. Und nicht nur ein Fitnesstrainer, der zwar im Fitnessstudio super für Späße geeignet ist, aber man sich außerhalb des Studios nicht kannte. Nach der Enttäuschung mit Svetlana war das eine angenehme Überraschung. Er musste nur aufpassen, dass er nicht Gefühle für diese kleine süße Maus entwickelte. Er überlegte einen Moment und kam zu dem Schluss, dass Vanessa mal einen Freund erwähnt hatte. Er sollte sein Herz hüten. Freche Blondinen mit Freund gehören nicht in sein Herz, aber eine Freundschaft mit ihr konnte er bestimmt wagen. So suchte er ihre Handynummer aus der Datenbank des Fitnessstudios und schickte ihr eine Nachricht. Er wollte reden. Er musste. Er konnte es nicht weiter in die hinterste Ecke seines Hirns verschieben. Und er brauchte Freunde. Er lebte immerhin schon seit 2 Jahren hier und hatte noch nicht wirklich Freunde gefunden. Aber er musste Vanessa zustimmen: es gibt kaum ehrliche, gute Seelen, die für eine Freundschaft geeignet sind. Denn diese guten Seelen sind meist schon in den besten Händen von den falschen Freunden, die sie nur ausnutzen.

 

Kurz nachdem Vanessa aus dem Studio stürmte um ihrer Lösung hinterher zu laufen, klingelte ihr Handy und kündigte eine SMS an. Sie wunderte sich kurz wer ihr schrieb und fummelte ihr Handy aus dem Rucksack während sie sich mühsam an einer Stange in der Bahn festhielt. Eine unbekannte Nummer hatte ihr geschrieben und kurz wunderte sie sich, wer es war und woher dieser jemand diese Nummer hatte, da las sie auch schon den Text: „Hey. Brauche wirklich mal jemand zum quatschen. Hoffe dein Angebot gilt noch? Joker“  Vanessa musste lachen. Sie hatte dieses Angebot gerade erst gemacht, natürlich galt es noch. Aber das schrieb sie nicht zurück. Stattdessen schrieb sie: „Nein. Meine Angebote gelten immer nur genau 1 Minute. :D  Schreib mir wann du kannst und ich sag dir wann ich nicht kann.“

„Kannst du heute? Wäre dringend. Aber wenn du noch der Lösung deiner Probleme hinterherjagst, kein Problem.  J“

„Die Lösung ist leider wieder außer Sichtweite. Treffen uns am AD, 30 min. V“, schrieb Vanessa und legte den Stift aus der Hand. Nachdem ihr bewusst wurde, dass Hilfeschreie in Form von Narben nichts brachten, fing sie damit an ihre Gefühle in Geschichten zu verarbeiten. Geschichten, die zu ungefähr gleichen Teilen Wahrheit und Fantasie waren. Sie musste verarbeiten, was passiert war. Das, was gesagt worden war. Und sie fragte sich, ob er sie geküsst hätte, wenn sie nicht zu reden angefangen hätte.

Sie hatte sich gefühlt, als wenn jedes Mal wenn sie sich berührten die Luft um sie herum anfing zu knistern. Doch das durfte nicht sein. Er war ein guter Freund von ihr und von ihrem Freund Jonas. Und dennoch konnte sie nicht wiederstehen und suchte immer wieder den Körperkontakt mit Chuck. Auf dem Sofa an Chuck gekuschelt und Film guckend, nahm Vanessa dann allen Mut zusammen und sprach mit Chuck.

„Siehst du“, sagte sie „ Dass meinte Jonas damit, dass du ihm nicht die Wahrheit gesagt hast. Weil du sagtest, du würdest nichts für mich empfinden.“ Das war der Einstieg in ein längeres Gespräch. Schon schnell war klar, was das Ergebnis sein würde: Es würde nie zwischen ihnen funktionieren. Nicht nur weil Jonas mein Freund ist und Chuck einer seiner besten Freunde, sondern auch weil Chuck…  Ach sie wusste es einfach nicht. Es sollte wohl einfach nicht sein. Außerdem liebte sie Jonas, das konnte sie nicht leugnen, aber genauso wenig konnte sie ihre Gefühle für Chuck leugnen. Dass Jonas einen Teil davon kannte, machte es für Vanessa nicht gerade leichter. Und ohne Freunde, wie sollte sie da eine sinnvolle Entscheidung treffen?

 

2. Kapitel

„Hey Joker, was ist los? Alles okay bei dir?“, fragte Vanessa Joker nachdem sie ihn auf dem AD-Platz gefunden hatte. Und da erzählte er ihr von Svetlana und wie sie ihn verletzt hatte. Er erzählte von einer wunderschönen Schwarzhaarigen. Einem rassigen Weib mit wundervollem Akzent. Sie war neu in Dresden und kam das erste Mal in ihrem Leben in ein Fitnessstudio und er hatte das Glück sie herumführen zu dürfen. Svetlana gefiel es sehr gut in dem Fitnessstudio und machte gleich einen Termin bei Joker aus. Am Anfang war sie eine Kundin wie jede andere, doch schon bald kamen die beiden sich näher und Joker hoffte, auch in Svetlana ihrem Privatleben außerhalb des Studios eintauchen zu dürfen. Svetlana flirtete was das Zeug hielt mit ihm, doch in ihrem Privatleben wollte sie ihn nicht haben. Als er vorsichtig nach einem Treffen außerhalb des Studios bat, sagte Svetlana zu ihm: „Du spielst lange nicht in meiner Liga!“, und ließ ihn stehen. Joker war einfach nur eines ihrer Spielzeuge geworden und er hatte es nicht gemerkt, wie sehr sie ihn ausnutzte. Er war am Boden zerstört, da er echte Gefühle für die kalte Italienerin empfand. Um ihr zukünftig aus dem Weg gehen zu können wechselte er das Fitnessstudio und schwor sich nie wieder eine derart private Bindung zu einer seiner Kunden oder Kundinnen aufzubauen. Er sah Svetlana nie wieder.  

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 08.09.2014

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