Alles ging viel zu schnell, als dass Mama rechtzeitig reagieren konnte. Der rote Porsche auf der Gegenfahrbahn setzte zum Überholen an und schätze den Abstand zu unserem Auto falsch ein. Es war keine Sekunde vergangen, da krachte der Porsche frontal in unseren Golf hinein.
Ich hörte einen ohrenbetäubenden Schrei und merkte nicht, dass es mein eigener war. Ich sah zu meiner Mutter, doch von ihr schien nicht mehr viel übrig zu sein. Sie war vollkommen zerquetscht worden. Der Schrei hielt weiterhin an und ich merkte langsam wie ich wegdämmerte.
Dann sah ich mich selbst. Wie mein Körper in dem zerquetschten Golf um sein Leben kämpfte. Ein Blick in Richtung des Porsches zeigte mir, dass der Fahrer nur leichte Verletzungen hatte. Dann fiel mir ein, dass meine kleine Schwester ja auf der Rückbank geschlafen hatte. Und schon sah ich ihr liebliches Gesicht vor mir und ihre goldenen Locken wippten leicht als sie immer wieder „Mama? Phil?“ sagten. Doch sie bekam keine Antwort.
Meine Mutter war schon längst tot und ich schien auf der Schwelle zu stehen. Alles was ich denken konnte war: „Ich will nicht sterben!“ und das dachte ich immer wieder. Nach einer halben Ewigkeit, so schien mir, kamen endlich die Sanitäter an.
„Die Frau ist tot, der Junge scheint noch zu leben und das Mädchen auf dem Rücksitz sieht unverletzt aus. Holt den Jungen zuerst raus und dann das Mädchen!“, hörte ich einen von ihnen sagen.
Dann wurde meine Tür aufgeschnitten, was wieder eine gefühlte halbe Ewigkeit dauerte. Mein schwer verletzter Körper wurde vorsichtig aus dem Wagen gezogen und auf dem kalten Asphalt abgelegt. Spüren konnte ich davon nichts, aber ich konnte alles beobachten. Ein Sanitäter tastete nach meinem Puls und als er einige wenige Schläge spürte, begann er sofort mit mir zu reden während er den Rest meines Körpers untersuchte. Ich schien zahlreiche Brüche und Quetschungen zu haben. Dann sah ich wie mein Körper aufhörte zu atmen.
Als der Sanitäter es bemerkte, brüllte er mich an, ich solle durchhalten und dass ich es schaffen würde. Wieder wimmerte ich, dass ich nicht sterben wollte.
Und dann spürte ich die Anwesenheit von noch jemand in dieser komischen Zwischenwelt. So drehte ich mich um und sah ein Mädchen in einem langen hellblauen Kleid. Sie hatte die grünsten Augen, die ich je gesehen hatte und die wunderschönsten blonden Locken. Und dann wurde es mir bewusst. Sie war ein Engel. Und als hätte diese Erkenntnis etwas mit meinem Sehvermögen zu tun, so sah ich riesige Flügel durch den dichten Nebel schimmern. Nebel? Wo kam denn plötzlich dieser Nebel her?
Alles was ich jetzt sehen konnte, war dieser wundervolle Engel und inmitten des Nebels ein helles Licht, auf das wir automatisch zuliefen. Zusammen und im Gleichschritt. Kurz vor dem Licht blieb der Engel stehen und lächelte mich an. Und dieses wunderschöne Lächeln gab mir den Mut in das Licht zu gehen und sie zurück zu lassen.
Den letzten Gedanken, den ich in dieser Welt dachte, war: „Ich werde meine Mutter wiedersehen. Aber was wird mit meiner kleinen Schwester geschehen? Wir hatten keine weitere Familie.“
Und so ging ich durch das helle Licht in die Unendlichkeit.
Tag der Veröffentlichung: 05.08.2014
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