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Erster Fall: Der Leichenschmaus

Wolken verdeckten die Sterne am Himmel und der zunehmende Mond brachte nur wenig Licht in die finstere Nacht. Müde begab sich die junge Schankmaid Eugenia auf den Heimweg. Ein anstrengender und überaus einträglicher Abend lag hinter ihr. Die junge Frau konnte sich nicht erinnern, wann sich zuletzt derart schnell das Fass Starkbier geleert hatte. Mit Erreichen der Sperrstunde bekam Eugenia ein üppiges Trinkgeld.

Draußen war es kalt und hatte zu nieseln begonnen. Sie zog den Kragen ihres Wollmantels hoch und verbarg ihren blonden Haarschopf darunter. Hier in der Seitengasse neben der Schänke lag der Gestank von Bier und Erbrochenem in der Luft. Mit schnellen Schritten überquerte sie die stinkenden Pfützen. Sie wusste, der Regen würde das meiste wegschwemmen und am Morgen braungrüne Ränder am Boden hinterlassen.

Ein paar Gassen weiter lag das Haus, in dem Eugenia sich zwei kleine Zimmer mit einer Freundin teilte. Mehr konnte sie sich mit dem schmalen Verdienst aus der Schänke nicht leisten. Eugenia malte sich aus, was sie sich mit dem Trinkgeld ein neues Kleid oder eine warme Decke für den Winter kauft. Gedankenverloren hielt sie auf die Dunklgasse zu. Der Weg über die beleuchtete Hauptstraße war deutlich länger. Nach einem kurzen Moment bildete sie sich ein, Schritte zu hören. „Ist da wer?“, rief sie in die Dunkelheit. Keine Antwort. Eiskalt lief es ihr den Rücken runter. „Sicher bilde ich mir das ein, weil ich müde bin“, machte sie sich selbst Mut und ging langsam weiter. Erneut waren Schritte zu hören.

„Wer ist da? Hallo!“, rief sie erneut und starrte in die Finsternis. Für einen kurzen Moment glaubte sie, eine Gestalt zu erkennen und hörte ein Atmen. Eugenia bekam es mit der Angst zu tun und ihr Herz pochte. „Bitte tue mir nichts! Ich geb dir auch all mein Geld!“ Sie nestelte ihren Geldbeutel hervor und warf ihn vor sich zu Boden. Sogleich jagte sie panisch die schmale Gasse entlang. Eine Hand zerrte an ihr, erwischte aber lediglich ihren Schal. „Hilfe!“, schrie sie panisch und eilte weiter. Irgendetwas geriet in ihren Weg und ließ sie stürzen. Dann war der Unbekannte über ihr.

Kapitel 1

Müde rekelte sich Alfons in seinem Bett. Die aufgehende Sonne ließ ihn blinzeln. Augenblicklich war er hellwach und fluchte. Ausgerechnet heute hatte er verschlafen. Hektisch sprang er auf, schlüpfte in seine Hosen und suchte nach seiner Jacke. Sie hing an der Garderobe und es wirkte, als blickte sie ihn vorwurfsvoll an. Die Zeit drängte und er war noch dabei, seinen Bauch in die Uniformjacke zu zwängen. Endlich war der oberste Knopf geschlossen, auch wenn der Schulterpanzer zu locker saß. Alfons fluchte. Im Spiegel blickte ihm ein pausbäckiges Gesicht mit zwei winzigen Hörnern auf der Stirn entgegen. Der viel zu lange Kopf ruhte auf einem kurzen Hals und Schultern, an denen selbst die schmalste Uniform schlabbern musste. Dafür hatte er das Gefühl, die Uniform zu sprengen, sobald er ausatmete. Der Schneider war offensichtlich von einem ausgewachsenen Dämon ausgegangen. Ein Wanst, wie der von Alfons, war nicht vorgesehen.

Sein leerer Magen machte sich geräuschvoll bemerkbar und ließ ihn fluchen. Für ein Frühstück blieb keine Zeit. Das kann kein guter Tag werden. Er verließ das Haus und eilte quer durch die Stadt zur Hüterwache. Unterwegs gingen ihm die vergangenen Monate mit all ihren Problemen durch den Kopf. Einzig der Fürsprache seiner Mutter Oksana hatte er es zu verdanken, überhaupt als Rekrut bei der Hüterwache beginnen zu können. Einer ehemaligen Hüterin konnte Hauptmann Tallarkhan Donnerfaust diesen Wunsch aus Verbundenheit nicht abschlagen. Außerdem mangelte es ihm an brauchbaren Rekruten. Anfangs war er skeptisch gewesen, ob ihr Sohn tatsächlich geeignet sei. Fleiß und Beharrlichkeit gehörten keineswegs zu den Stärken von Alfons, zumal viele Hüter ihm gegenüber vorbehalten waren und meist nur Spott und Häme für ihn übrig hatten. Schließlich war er, im Gegensatz zu allen anderen, lediglich ein Halbdämon. Wider Erwarten war es Alfons gelungen, die Ausbildung zu beenden, die er größtenteils in der Schreibstube zugebracht hatte. Dort war es gemütlich und warm. Noch viel wichtiger war, er hatte seine Ruhe, auch wenn er insgeheim von einer Karriere als Hüter im Außendienst träumte. In schicker Uniform durch die Stadt zu wandern und Frauen beeindrucken, das war es, was ihm vorschwebte.

Fluchend und stolpernd hastete Alfons über die Treppe durch den Eingang der Hüterwache. Vor sich sah er die Tür zum Besprechungsraum, die sich langsam schloss. Verzweifelt setzte er zu einem Hechtsprung an und rutschte über den Boden auf den Türspalt zu. Mit dem Kopf war er im Raum angekommen, einzig sein Bauch hinderte die Tür am Zufallen. Rund drei Dutzend Hüter starrten auf ihn und nicht wenige verzogen die Gesichter oder grinsten. Zum wiederholten Mal war er der letzte gewesen. Alfons lächelte gequält und klopfte sich den Staub von der Uniform. „Wir können anfangen. Lasst euch nicht stören.“ Unter missbilligenden Blicken bahnte er sich vorsichtig einen Weg vorbei an den erfahrenen Hütern hin zur linken Seite, die für unerfahrene Neuhüter vorbehalten war. Hauptmann Donnerfaust fixierte ihn mit seinem Blick und schnaufte verächtlich. Ein dampfendes Schwefelwölkchen stieg aus seinen Nüstern hervor und die roten Hornschuppen auf seiner Stirn standen aufrecht vor Zorn.

„Schön, dass sich auch der letzte endlich zu uns gesellt hat.“ Krachend fuhr seine Faust auf das Stehpult. „Ich erwarte Pünktlichkeit! Und zwar von allen! Das gilt insbesondere für dich, SCHUSTER!“

Sein stechender Blick wanderte durch die Reihen der Hüter. Ihm gefiel, was er sah: Bullige Dämonen, die alle in Habachtstellung standen. Eine Truppe, geformt nach seinen Vorstellungen. Nur zu gerne erinnerte er sich an die Zeit zurück, als er eigenhändig noch für Sicherheit auf den Straßen gesorgt hatte. Sein Blick fiel auf Alfons, der sich hinter einen breitschultrigen Rekruten gestellt hatte. Kopfschüttelnd nahm er die schlecht sitzende Kleidung zur Kenntnis und rollte mit den Augen. Er ballte die Fäuste und Alfons glaubte, sein Hauptmann würde leise bis zehn zählen, um sich zu beruhigen. Nach einem Moment, die dem jungen Halbdämon wie eine Ewigkeit vorkam, ergriff der Hauptmann das Wort.

„Lasst uns beginnen, bevor ich noch aus der Haut fahre. Und glaubt mir, das wollt ihr nicht erleben!“ Ein Knurren drang aus den Tiefen seiner Kehle und ließ nichts Gutes erwarten. „Ihr wisst alle, was ansteht, ich fasse mich also kurz. Die Händlermesse beginnt heute und das bedeutet Unruhe in unser schönen Stadt Alheim. Ihr wisst, wie ich dazu stehe. „

Ein Raunen ging durch die Reihen der Rekruten, gefolgt von eifrigem Kopfnicken bei den Stadthütern. Alle waren sich der Ehre bewusst, die Uniform der Hüter von Alheim zu tragen. Damit einher ging die Verpflichtung, in den Gassen der Stadt für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Das Zusammenleben von Dämonen, Untoten und Menschen war eben nicht immer harmonisch, doch erst durch Pakt der Völker war die Stadt zu einem Heim für alle geworden und konnte ihrem Namen gerecht werden. Gebannt sahen die Hüter auf den Hauptmann, der mit seiner Einweisung fortfuhr.

„Ihr sorgt mir für einen reibungslosen Ablauf. Das ist eure verdammte Pflicht und ich will keine, ich betone, keine Klagen hören. Wir haben mit streitenden Händlern, aufmüpfigen Kunden und noch mehr streitenden Händlern zu rechnen. Die subversiven Elemente, die ihre Finger nicht von fremden Geldbeuteln lassen, brauche ich nicht zu erwähnen. Ich stehe mit meinem Wort beim Bürgermeister dafür ein, dass die Messe reibungslos verläuft und ihr seid verantwortlich! Jeder Einzelne! Wir können es uns nicht leisten, auch nur einen einzigen Händler zu verärgern. Alle Welt soll wissen, von welch herausragende Pracht unsere Messe ist.“ Sein Blick streifte Alfons und die anderen Neuhüter. „Zu meiner Zeit war es eine Ehre, als Hüter zu dienen. Was ich heute an Jammerlappen vor mir stehen sehe, macht mich nachdenklich. Sei’s drum, ich hoffe, jeder von euch ist sich bewusst, was es heißt, die Uniform zu tragen. Also macht mir keine Schande. Es gilt, eine Reihe von Aufgaben zu erledigen. Packen wir es an!“

Alfons wusste, er konnte gefahrlos weghören. Für gewöhnlich rief der Hauptmann zunächst die erfahrenen Hüter namentlich auf. Stachelrücken, Säurespeier, Knochenbeißer und wie sie alle hießen. Dämonische Familiennamen waren nicht sehr einfallsreich. Das mussten sie allerdings nicht, spiegelten sie doch die herausragenden Kräfte des jeweiligen Dämons wider. Sag Schuster. Sag endlich Schuster. Darauf, seinen Namen zu hören, wartete Alfons vergeblich. Zu gerne besäße er eine besondere Fähigkeit. Ausfahrbare Stachel, Säurespucken oder übermenschliche Kräfte. Einmal mehr wünschte er sich, sein Vater wäre ein Dämon mit einem ähnlich klangvollen Namen. Stattdessen hatte er bloß seine hagere Gestalt geerbt. Was konnte er dafür, wenn sich seine dämonische Mutter mit einem Menschen eingelassen hatte?

Die Reihen der Hüter lichteten sich schnell. Ein Großteil von ihnen war für die Messe eingeteilt. Jeder von ihnen wählte einen Rekruten oder Junghüter aus und begann mit dem Tagewerk. Dadurch war sichergestellt, stets einen erfahrenen und zuverlässigen Hüter vor Ort zu haben. Zugleich konnten die Jungen lernen. Eines war klar: Genug Hüter gab es nie und würde es nie geben. Wer von den Neulingen übrig blieb, durfte sich im kommenden Jahr mit Schreibarbeiten zufriedengeben und auf die nächste Zuteilung hoffen. Alfons stellte sich ein gemütliches, vor allem jedoch ausgiebiges Frühstück vor und gähnte, als ein hektischer Sekretär durch eine Seitentür auf den Hauptmann zustürmte.

Die beiden wechselten schnell ein paar Worte und der Sekretär verschwand. Hauptmann Donnerfaust hingegen ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. „Wer von euch hat Interesse an einem Spezialauftrag?“ Sein Blick wanderte zu den verbleibenden Junghütern, die sich alle auffällig unauffällig verhielten und blieb auf Alfons haften. Der Hauptmann lächelte grimmig, als er ihn gähnen sah.

„SCHUSTER! Dir ist langweilig, was? Es ist mir ein Vergnügen, dies zu ändern. Ein totes Menschenweib ist aufgetaucht und liegt unerlaubt tot in meiner Stadt herum! Wie ich das hasse! Was sollen die Leute denken? Du findest für mich heraus, wer das anstellt. Habe ich mich klar ausgedrückt?“

Starr vor Schreck blickte Alfons ihn an.

„Was ist? Noch Fragen?“, brüllte der Hauptmann.

Schnell schüttelte Alfons den Kopf und konnte sein unverhofftes Glück kaum fassen. Endlich raus aus der Schreibstube. Mein erster eigener Fall! Er trat nach vorne, nahm das aufgerollte Pergament entgegen und salutierte vorschriftsgemäß. Noch bevor er sich umdrehen konnte, sah er seinen Vorgesetzten hämisch grinsen.

„Hast du nicht etwas vergessen, mein Zuckerpüppchen?“, fragte er gespielt höflich. „Seit wann gehen Hüter alleine los? Du benötigst einen Partner. Wen haben wir denn noch?“

Sein Blick wanderte erneut über die Rekruten, die bemüht waren, in eine andere Richtung zu schauen. Die Aussicht, mit dem Halbdämon einen Auftrag zu erledigen, missfiel jedem.

Der Hauptmann lief vor dem kümmerlichen Häufchen von Junghütern und Rekruten auf und ab. Sobald sein Blick einen von ihnen traf, erstarrte der Betroffene für einen Moment. Dies quittierte der Hauptmann mit einem Grinsen. Da fand er, was er gesucht hatte.

„Du bist genau der richtige für unseren Junghüter Schuster. Der braucht einen Helfer, der sich mit Menschen auskennt, sie sozusagen zum Fressen gerne hat. Harharhar!“ Über seinen eigenen Wortwitz lachend, deutete er auf einen der Rekruten. Ungeschickt schlurfend und schief lächelnd bewegte er sich auf Alfons zu und salutierte.



Kapitel 2

Leise vor sich hin schimpfend, verließ Alfons den Besprechungsraum. „Ausgerechnet ich! Warum? Endlich habe ich einen Fall und dann das!“ Hinter sich hörte er die Schritte seines neuen Partners. Missmutig drehte Alfons sich um. Ihm gefiel nicht, was auf ihn zukam. Etwa einen Kopf größer, wenige blonde Haarbüschel auf dem Schädel, eingefallene Augen, hervorstehende Zähne und augenscheinlich weiblich. Ihre Bewegungen waren ungelenk und stockend. Noch dazu wies jedes bisschen sichtbare Haut eine ungesunde graue Farbe auf. Und dann war da noch dieser penetrant süßlich-faulige Geruch nach Verwesung, der ihm langsam in die Nase stieg. Ein verdammter Zombie! Mir bleibt aber auch nichts erspart. „Selbst ihr steht die vermaledeite Uniform besser als mir“, stellte Alfons frustriert fest.

„Iiichhh ffffreeuuuue mmmich“, begrüßte ihn die Untote mit einer Stimme, die einer Mischung aus Räuspern und Erbrechen glich. Zugleich streckte sie die Hand zur Begrüßung aus.

Angewidert ignorierte Alfons die leichenblasse Hand, an der schwarze Venen hervorschimmerten. „Häh? Was hast du? Ich verstehe kein Wort.“

Die Untote machte einen weiteren Versuch. „Iiichhh ffffreeeuueee mmiiiich.“

„Redest du immer so?“

„Mmmund verweeest. Rrreden schschwer.“

„Na klasse. Als ob das meine Schuld ist! Was soll ich mit einem wie dir anfangen? Du bist eine verdammte Untote.“

„Jaaa … uuund?“, zeigte sich die Untote unbekümmert. „Bbbin erererste Uuuntote bbbei…HüHütern. NaName ist Eelizaabeth. Mmmeine Fffreunde saaagen Eli.“ Sie legte den Kopf schief und verzog das Gesicht zu einem Lächeln. Dabei entblößte sie eine Reihe gelber Zähne.

„Schön für dich, Elizabeth“ Wortlos ging Alfons weiter. Mir doch egal. Mit diesem verrotteten Stück Kadaver will ich nicht befreundet sein.

So sehr Elizabeth sich bemühte, mit ihrem schlurfenden Gang konnte sie nicht Schritt halten. Alfons hingegen wollte nicht langsamer gehen. „Untot, riecht nach Verwesung und all das auf leeren Magen. Ich hasse es, wenn ein Tag so anfängt.“

„Kaaann mir aaauch bebesseres vor…vorstellen als fffetten Hhhalbddddämon aaaaallls Pppartner zu zu zu hahaben“, rief Elizabeth ihm nach. „Wawas sosollen dddie Leuleute dedenken? Ababer eggggal, dddder Hauptmann wwwiiill es so. Mamachen wir … dadas bessste ddaaraus. Mein…Meinst duu ninicht?“

Alfons rollte mit den Augen. Jetzt bekomme ich schon gute Ratschläge von einem Zombie. Wo führt das noch hin? Sie kamen an einem Aufenthaltsraum vorbei. Schnell bugsierte Alfons seine neue Partnerin hinein. Dort angekommen zog er sich die Uniform gerade und versuchte, seine Wampe zu kaschieren. „Wir müssen uns unterhalten und ein paar Regeln aufstellen.“

„Kkklingt guuut“, antwortete die Untote.

„Gut, Elizabeth, höre mir zu. Ich…“

„Sssag dodoch bbbitte Eli. Aaaalle nenennen mich so.“

„Unterbrich mich nicht, Elizabeth. Mein Name ist Alfons Schuster und habe keine Lust, diesen Fall zu vermasseln. Das ist meine Chance, aus der Schreibstube rauszukommen. Die Befehle gebe ich und du führst sie aus. Ist das klar?“

Elizabeth nickte eifrig.

„Hast du einen Nachnamen? Nicht, dass es mich interessiert.“

„Nnnachname? Kkaaann mich nnnicht erinnerrn“, bekannte Elizabeth.

„Dann nicht. Und übrigens, bevor ich es vergesse: Ich bin nicht fett. Mein Körper ist lediglich zu klein für mein Gewicht. Damit das klar ist. Wir halten uns an die Vorschriften und gehen uns den Tatort anschauen. Dort müssen wir nach Zeugen Ausschau halten. Außerdem sollten wir die Leiche bergen. Gegen körperliche Arbeit wirst du bestimmt nichts haben. Schließlich bist du ein Zombie.“

Tatsächlich war es in Alheim üblich, niedere Dienste von Zombies verrichten zu lassen. Sei es das Tragen schwerer Lasten, das Fällen von Bäumen oder Graben von Tunneln und Gräbern - all dies waren Tätigkeiten, die Untote ausführten. Ihr Vorteil lag an der immensen Ausdauer. Ein Zombie konnte die Arbeit von mehreren Männern verrichten. Selbst das Problem der besonderen Ernährung von Zombies konnte gelöst werden. Jeder, der seinen Körper nicht mehr benötigte, also Tote oder zum Tode verurteilte, war ein willkommener Spender. Auf diese Weise war allen gedient. Es gab folgsame Arbeitskräfte und die Zombies standen in Lohn und Fleisch. Selten gab genug Nahrung für Zombies. Im Ausgleich dafür gab es eine Vielzahl an Ersatzprodukten.

Als sie den Aufenthaltsraum verließen, gerieten sie an einen Hüter, der sich drohend vor Alfons aufbaute und ihn finster von oben herab ansah.

„Ist irgendetwas nicht in Ordnung?“, erkundigte sich Alfons und lächelte gequält. Er kannte Blicke wie diese und ahnte, sein Gegenüber war auf Streit aus. Auf der Uniform des Dämons konnte er den Namen Feueratem lesen. Ein weiterer Grund, sich nicht mit ihm anzulegen.

„Ich beobachte dich!“, warnte Feueratem und stieß Alfons mit der flachen Hand vor die Schulter, sodass er einen Schritt zurückwich. „Komm mir nicht in die Quere, du widerwärtige Menschenbrut!“ Er warf ihm noch einen verächtlichen Blick zu und knurrte, bevor er sich umdrehte und mit einem Rekruten das Gebäude verließ.

„Hahast duuu iiihm wasss gegetan?“

Alfons rieb sich die schmerzende Schulter. „Nein. Ich befürchte, er mag mich nicht.“

„Klaaaar“, gab Elizabeth zurück. „Iiigno…rier den einfffach. Gegehen wwwir?“

Laut polternd zog Elizabeth eine Karre über das vom Nieselregen nasse Kopfsteinpflaster. Am frühen Morgen war in der Stadt viel Betrieb und die Gassen füllten sich zunehmend. Die meisten Passanten beachteten sie nicht oder gingen ihnen aus dem Weg. Trotzdem kam es Alfons vor, als lachten hinter vorgehaltener Hand alle über ihn. Er konnte die mitleidigen Blicke förmlich spüren. Die werden noch Augen machen, wenn ich den Mörder fange. Vorbei an Wohnhäusern und Handwerkbetrieben näherten sie sich dem Hafenviertel. Irgendwoher erklang eine krächzende Stimme. „Mord in der Dunklgasse. Hört, ihr Leut, Mord sage ich. Mord in der Dunklgasse.“

„Furchtbar, dieses Geschrei“, kommentierte Alfons das Geschehen und zog seinen durchnässten Kragen hoch. Er träumte von einer warmen Mahlzeit und sah sich nach dem Neurufer um. Meistens handelte es sich um Halbwüchsige, die für ein paar Silberlinge die neusten Nachrichten in der Stadt verbreiteten. „Macht unsere Arbeit nicht leichter.“

„Ich fffinde gu…gut. Wwwir hhhören … aalle Nneuigkkeiten“, erwiderte Elizabeth. „Wwwo iiist Dudunklgggasse?“

„Du bist bisher nicht viel in der Stadt herumgekommen, oder? Die Gasse kennt nun wirklich jeder. Komm mit.“

Am Flussufer entlang erstreckten sich zahlreiche Lagerhallen. Dazwischen lagen kleine Tavernen. Tagsüber herrschte hier reges Treiben von Seeleuten und Händlern, die Schiffe belieferten. In all diesem Gewirr lagen ein gewaltiges überdachtes Trockendock und dahinter eine nicht minder große Halle. Zwischen diesen Gebäuden war eine schmale Gasse, die trotz der hoch am Himmel stehenden Sonne im Schatten lag. Inmitten dieser Gasse stand eine Gruppe von Menschen, die aufgeregt durcheinander redeten.

„Da sind wir. Der Name der Gasse erklärt sich von selbst.“

„Ssschtimmt“, meinte Elizabeth kurz und sah ihn fragend an.

„Los, wir sind nicht zum Vergnügen hier.“ Er trat einen Schritt vor und überließ es Elizabeth, den Karren abzustellen.

„Lasst uns durch! Wir sind Hüter.“

Tatsächlich traten die Leute zur Seite und gaben den Blick auf einen Hüter frei. „Die Ablösung! Na endlich“, knurrte er und deutete auf eine Wolldecke am Boden neben sich. „Ich habe da was drauf gelegt. War kein schöner Anblick. Der Wirt im Henkelkrug hat die Sauerei hier gemeldet.“ Erst spät erkannte er Alfons und runzelte die Stirn. „Uhh, du bist das. Falls noch was ist, frag jeden, nur nicht mich. Ich gehe und wärme mich auf.“

Erbost sah Alfons dem Dämon hinterher. „Und was ist mit der Vorschrift? Laut Handbuch...“

„Iiich ggglaube, der wwwiwill dddich ninicht hhhören.“

„Mag sein“, gab Alfons mürrisch zu. „Als Erstes müssen wir nach Zeugen suchen. Schreib alles auf, was wir erfahren. Ich kümmere mich um die Leute.“ Ein kleiner Junge zog an seinem Hosenbein. „Du willst ein Hüter sein? Siehst komisch aus. „Grummelnd beschloss Alfons, ihn zu ignorieren.

Einer der umstehenden Menschen unverblümt und trat einen Schritt auf die Decke zu. „Können wir die Leiche sehen?“

Sofort versperrte Alfons ihm den Weg. „Wie? Nein, natürlich nicht. Hat hier irgendwer beobachtet, was passiert ist?“

„Wenn ich groß bin, werde ich auch Hüter“, versicherte der Junge.

„Prima!“, brummte Alfons kurz angebunden. Elende Mistgöre! „Also, wer hat was gesehen und vermag zu berichten?“, warf Alfons in die Runde.

„Gesehen habe ich nichts. Es soll eine Tote gegeben haben“, behauptete ein älterer Mann wichtigtuerisch.

„Das habe ich auch gehört“, fügte eine ältere Frau neben ihm hinzu. „Ich habe die vielen Leute hier gesehen und war neugierig. Kann man mal ‘nen Blick riskieren? Vielleicht ist sie noch nicht ganz tot.“

„Ohne Zweifel war das dieser Nekromant“, fügte ein Marktweib hinzu. „Der hat was mit Toten zu schaffen.“

„Das ist gut möglich“, mischte sich ein weiterer Mann ein. „Gesehen habe ich es nicht.“ „Ich auch nicht“, mischte sich eine junge Frau ein, warf einen Blick auf Elizabeth und schüttelte sich angewidert. „Der ist mir gleich aufgefallen“, fiel der ältere Mann ein. Unterdessen starrte der kleine Junge die Hüter neugierig an und salutierte. Unter den Schaulustigen entstand eine Diskussion, wer was nicht gesehen hatte. Alfons glaubte sogar zu hören, wie sich zwei Marktweiber über ein Kochrezept unterhielten. „Ruhe! Alle miteinander!“, rief er. „Offensichtlich hat nicht einer von euch etwas gesehen?“ Allgemeines Kopfschütteln folgte.

„Was ist? Dürfen wir die Leiche sehen?“, drängelte der ältere Mann.

„Auf keinen Fall!“, rief Alfons und bemühte sich, grimmig zu gucken. „Alle, die nichts gesehen haben, können gehen. Ihr seid doch bloß elende Gaffer! Lasst uns hier in Ruhe ermitteln.“ Enttäuscht zerstreute sich die Menge.

„Iiich … iich aaaauch gegehen?“

„Wieso du?“

„Iiich hahab ninichts gessssehen“, gab die Untote zurück und sah ihn einfältig an.

„Du bleibst hier. Wir machen einen Notizenvergleich.“ Zufrieden beobachtete Alfons, wie sich die Menge zerstreute. „Was hast du bisher aufgeschrieben?“

Elizabeth lächelte verlegen. „Ninichts. Iiich … Ich kkkaan nniinicht sch…schr . . .schreiben.“

„Du kannst nicht…verstehe. Was erwarte ich Dummbold auch von einem Zombie?“, fluchte Alfons. „Die Aussagen der Leute waren ohnehin unnütz. Immerhin können wir uns jetzt die Leiche ansehen. Wir müssen klären, wer die Tote war.“

Unter der Wolldecke fanden sie den Leichnam einer jungen Frau, die auf dem Rücken lag. Ihr Kleid war mehr aufgerissen als aufgeschnitten und ihr Oberkörper wies eine klaffende Wunde auf. Eine Kruste geronnen Blutes bedeckte Leiche und Boden gleichermaßen.

Alfons verzog das Gesicht. „Ich verstehe, worauf der Kollege hinauswollte.“ Ein säuerlicher Geschmack breitete sich in seinem Mund aus. Insgeheim war er dankbar, noch nichts gegessen zu haben.

„Wawawann gehen wir … fr…frühstücken?“, warf Elizabeth ein und leckte sich die Lippen.

Alfons war angeekelt von Elizabeth. „Ist das alles, was dir dazu einfällt?“ „K… Kakann nichts mamamachen? Wwwir sisind … so.“ Sie warf einen genaueren Blick auf die Leiche. Bevor sie anfing zu sabbern und zu geifern, schob Alfons sie zur Seite und begann mit der Untersuchung der Leiche.

„Hmm, sie ist kalt, also bereits länger tot. Und sie hat weder Mantel noch Geld bei sich. Vermutlich ist beides gestohlen worden. Die Tatbestände für einen Raubmord erfüllt sind alle erfüllt. Los, heb die Leiche auf den Karren. Der Medicus muss sie untersuchen. Wir brauchen seine fachkundige Auskunft.“

„Me…Medicus? Warrrum? Iiich … iiich … ich könnte…“

„Vor allen Dingen aufhören, dir dauernd die Lippen zu lecken. Ich weiß, was du vorhast. Dass eines klar ist: Die Tote wird NICHT angeknabbert.“


Kapitel 3

In der Nähe der Hüterwache lag die Behausung von Adalbert. Er war Alfons als Medicus und Experte für den menschlichen Körper empfohlen worden. Außerdem übernahm er, falls nötig, die Versorgung von verletzten Hütern. Auf dem Weg zu ihm malte Alfons sich aus, was er dort zu erwarten hatte. Für ihn war die Beschäftigung mit Toten ein notwendiges Übel, das er gerne vermieden hätte.

Ein kleiner Mann mit lichtem Haar begrüßte die beiden freundlich und öffnete ein Tor für den Karren. „Nur hereinspaziert, was ihr auch bringen mögt. Ob lebendig oder tot, ich nehme alles“, verriet er augenzwinkernd. „Mein Name ist Adalbert.“

Sofort fiel Alfons ein beißender Geruch auf. „Ich bin Alfons Schuster, die Untote hier ist meine Kollegin Elizabeth. Wir haben eine Frauenleiche, die deine Aufmerksamkeit benötigt.“

„Die Leiche einer Frau? Wie reizend. Bringt sie nur herein und legt sie auf den Tisch. Ich kümmere mich gleich um sie.“

Alfons gab Elizabeth einen Wink und die Untote legte die Leiche behutsam auf eine Unterlage. Diesen Moment nutze Alfons, um sich umzusehen und erschauderte. In der Werkstatt waren zahlreiche Körperteile von Menschen wie Dämonen präpariert oder in farbigen Flüssigkeiten eingelegt. Offenkundig hatte dieser Mensch Freude daran, sich mit Leichenteilen zu beschäftigen. Ein stechender Geruch füllte den Raum aus. Elizabeth hielt das nicht davon ab, aufgeregt in alle Richtungen zu schnuppern.

„Was ist das hier? Und was ist das für ein Gestank? Mir tränen die Augen“, erkundigte sich Alfons.

„Och, das ist Teil meiner Experimente. Wenn ich Leichenteile nicht einlege, riechen sie schnell unangenehm. Lasst mich sehen, was ihr mir mitgebracht habt. Oh! Alt war die noch nicht. Eine schöne Leiche. Woher habt ihr sie?“

„Wie lange brauchst du?“, drängelte Alfons und ignorierte die Frage. Er bemühte sich, nur durch den Mund zu atmen. „Wir sind bei der Ermittlung und müssen weiter.“

„Geht ihr nur. Hilfe erwarte ich von euch ohnehin nicht. Wir wissen beide, wie diese Untoten sind. Womöglich nagt mir deine Kollegin noch die Leiche an. Ich mache mich umgehend ans Werk und bereite die Leichenschau für morgen vor.“ Dankbar nickte Alfons und verabschiedete sich wortlos nach draußen.

Als Nächstes stand auf dem Plan, die Taverne „Henkelkrug“ aufzusuchen und den Wirt zu befragen. Obendrein hoffte Alfons dort einen Imbiss zu bekommen, um sein Erlebnis beim Medicus besser zu verarbeiten. Essen hatte sich bisher stets als guter Helfer erwiesen, um zumindest zeitweilig alle Sorgen zu vergessen. Unterwegs unterhielt er sich mit Elizabeth, die langsam neben ihm her schlurfte.

„An manche Dinge werden sich die Menschen nie gewöhnen. Meinst du nicht?“

„Wiewieso? Sie mamachen sisich gagaganz gguuut. Frfrüher hahaben sssie euch bebekämpft.“

„Und sich blutige Nasen geholt. Manch einer von uns sehnt sich diese Zeiten zurück, habe ich gehört. Ich bin der Meinung, es ist besser so. Wir leben seit drei Generationen friedlich miteinander. Sogar mit euch stinkenden Zombies kommen die Menschen klar.“

„Wuwuundert dich dddas?“ Elizabeth spannte ihren rechten Oberarm an und zeigte ein beeindruckendes Muskelspiel. „Wwwir mmamaachen die schschwwere Drecksarbeit, die kkkeiner mamachen…will. Wir wwwerden nie müde. Sososolche Arbeita sind prprpraktisch. Iiich bin zuufrieden mit dddem, wawawas iiich bibibin.“

„Meinst du? Mich würde es stören, wenn dauernd irgendwelche abgefallenen Körperteile herum liegen. Von eurem Gestank rede ich erst gar nicht.“

„Dudu wiewieder! Tttyp…isch Ddämon.“ Elizabeth schüttelte den Kopf. „Wawas sosollen wir … mamachen? Ssssobbald eiei…ein Kkkörper anfäfängt zuzu veverrroten, fäfällt eeeeben mal was aa…ab. Wwozu gigibt es dedenn die Schschschneider? Rrratzfatz ist aaeein Ohr ooder aaeeine Nnnase wieda draaan.“

Alfons konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Wo du es gerade erwähnst: Wann hast du zuletzt dein linkes Ohr gesehen?“

Vorsichtig betastete Elizabeth ihren Kopf und fluchte. „Mmmist. Iiichch werde es sususuchen mmmmüüssen. Wwir sesehen uns dada…dannn später im Hhh…enkelkrug.“

Die Taverne im Hafenviertel war schnell gefunden. Bereits auf Entfernung sah Alfons einen großen Krug mit einem Henkel auf einem Türschild abgebildet. In der Umgebung war am frühen Nachmittag nicht viel los. Auf dem Weg dorthin sah er eine feiste Ratte, die tot am Gassenrand lag. Angeekelt beschleunige Alfons seine Schritte. Als er in der Taverne eintrat, empfing ihn der schale Geruch von abgestandenem Bier. Einige Gäste hingen über rustikalen Holztischen, unterhielten sich leise und tranken, während ein älterer Mensch gedankenverloren den Tresen abwischte. Angesichts der Hüteruniform von Alfons verfinsterte sich seine Miene augenblicklich.

„Sei mir gegrüßt“, entgegnete Alfons höflich. „Bring mir bitte ein Tagesgericht. Eine große Portion.“

Der Wirt verschwand in der Küche und tauchte mit einem dampfenden Teller voller Gulasch wieder auf.

„Sonst noch was?“, erkundigte sich der Wirt pflichtbewusst. „Du wirkst auf mich nicht wie ein Kostverächter.“

„Tatsächlich“, erwiderte Alfons mit vollem Mund und senkte seine Stimme. „Einer meiner Kollegen ließ mich wissen, du bist, also, du hast SIE gefunden.“ Seine Betonung ließ keinen Zweifel daran, wen er meinte und die Reaktion des Wirtes war entsprechend.

„Richtig“, kam prompt die Antwort. „Schrecklich! Wer hat ihr das bloß angetan? Meine arme Eugenia.“

„Hatte sie irgendwelche Feinde?“

„Sie und Feinde? Ich bitte dich! Jeder mochte sie. Ein liebes Ding wie Eugenia muss man erst einmal finden. Sie war nicht nur fleißig, sondern auch hübsch anzusehen. Manch einer kam nur ihretwegen hier her.“ Er verdrückte eine Träne. „Ich weiß gar nicht, wie ich mich in Zukunft alleine um alles kümmern soll. Jedenfalls, bis ich Ersatz gefunden habe. Als ob ich sie so leicht ersetzen könnte.“

„Verstehe“, nickte Alfons mitleidig und schob sich einen weiteren Löffel in den Mund. „Echt gut, dein Gulasch. Erzählst du mir ein bisschen mehr über Eugenia? Wie sie war? Und wo sie gewohnt hat?“

„Sicherlich. Gleich hinter der Dunklgasse, wo ich sie gefunden habe. Das dritte Haus auf der linken Seite. Dabei habe ich ihr gesagt, sie soll auf sich aufpassen. Insbesondere gestern. Sie hat einen Haufen Trinkgeld bekommen. Eine Horde von Seeleuten war den ganzen Abend mit Trinkspielen beschäftigt. Die haben ihre gesamte Heuer auf den Kopf gehauen.“

Alfons horchte auf. „Sie hatte viel Geld bei sich? Gut zu wissen. Wie ist es…“

„Entschuldige, ich habe echt keine Zeit mehr.“ Der Wirt deutete auf die Tür, in der ein zerlumpter Mann stand. „Meine Gäste verlangen nach mir.“ Er ging um den Tresen herum. „Hannes, vergiss es. Anschreiben ist nicht. Oh, was sehe ich? Du hast Geld? Komm setz dich mein Guter. Heute gibt es Wein, nicht wie sonst den billigen Fusel.“

Alfons leerte noch seinen Teller und rülpste zufrieden, bevor er ein paar Münzen daneben legte. Hastig wischte er über Soßenflecken auf seiner Uniform und warf im Hinausgehen einen kurzen Blick auf diesen Hannes. Runtergekommene Kleidung, ein dreckiges, ungepflegtes Äußeres. Solange der Wirt ihn hier duldete, war es in Ordnung.

Vor der Tür sah er auf Entfernung Elizabeth heranschlurfen. Alfons deutete in Richtung der Dunklgasse und warte einen Moment. Der Geruch nach Verwesung stieg in seine Nase und er verzog angewiderte das Gesicht. „Ich bin echt dankbar, nie in der Schreibstube mit dir zu tun gehabt zu haben.“ Er ignorierte ihren verständnislosen Blick. „Wo warst du so lange? Ich dachte schon, ich muss hier alle Arbeit alleine machen.“

„DDDann hhhast dddu dddeenn Ssssoßenfleck vvvom Aaarbeiten?“

Schnell wischte Alfons sich den verräterischen Fleck von der Uniform und wechselte das Thema. „Wir müssen hier entlang. Sie wohnte in der Gasse dort hinten. Hast du dein Ohr gefunden? Oder verschwenden wir damit auch noch unsere Zeit?“

„Hhaab es“, strahlte Elizabeth. „Aaalles wieda festgegenänäht, wwiwir kkköönnen weita. Hahahbe ich wwwas ver…pppasst?“

„Nicht wirklich. Wir sehen uns das Haus von Eugenia an. Das ist der Name der Toten. Eine fleißige Schankmaid und beliebt bei den Leuten.“

„Ststimmt. Sie sssah eeecht … lllelecker aus.“ Als Elizabeth Alfons missbilligenden Blick sah, lenkte sie schnell vom Thema ab. „Bin gege….spannt, wwas wiwir dodort hhherausfffinden.“

Unterwegs kamen sie an einem großen Gebäude mit mehreren Säulen und einem breiten Treppenaufgang vorbei. Alfons stockte für einen Moment und blickte einer jungen Dämonin hinterher, die flink die Stufen hoch lief. Für einen Moment sah sie sich um und lächelte ihn mit vier Augen an, bevor sie weiterlief.

„Wwwas ist?“

„Nichts. Was soll sein“, entgegnete sichtlich verwirrt. „Ich dachte, ähem, also die Bibliothek wäre in einer anderen Gasse. Los, gehen wir weiter, oder brauchst du eine Pause?“

Wenig später standen sie vor dem schmalen, heruntergekommenen Haus von Eugenia. Alfons deutete auf den rauchenden Schornstein. „Entweder es ist jemand zu Hause oder der Kamin brennt unbeaufsichtigt“, vermutete er und klopfte an die wurmstichige Tür. Einen Moment später hörten sie, wie entriegelt wurde. Das Gesicht einer jungen Frau zeigte sich im Türspalt.

„Ja, bitte? Oh, Hüter! Was gibt es?“

„Dürfen wir hereinkommen? Es geht um Eugenia“, betonte Alfons sachlich.

„Bitte! Was hat sie angestellt?“ Die junge Frau öffnete die Tür und ließ die Hüter eintreten. „Hatte mich gleich gewundert, weil sie gestern nicht nach Hause kam.“ Ihr Blick blieb an den kleinen Hörnern auf seiner Stirn haften. Anschließend fiel ihr Blick auf Elizabeth und sie verzog kaum merklich das Gesicht. „Muss die hier rein?“, fragte sie hinter vorgehaltener Hand und deutete auf den Zombie.

„So leid es mir tut. Sie ist meine Partnerin.“ Sofort wusste Alfons ihren verwirrten Blick zu deuten. „Nein, nicht das, was du denkst. Sie ist meine Hüterpartnerin. Eine Kollegin.“

Erleichtert atmete die Frau auf. „Ach so. Und ich dachte, ihr beide, ich meine...“

„Schon klar. Alleine der Gedanke widert mich über alle Maßen an“, unterbrach Alfons sie und folgte ihr grummelnd in die Wohnstube. „Um auf Eugenia zurückzukommen. Du setzt dich besser. In welchem Verhältnis stehst du zu ihr?“ Aufmerksam sah er sich um. Ein klapperiger Schrank und ein alter Tisch mit drei Stühlen waren die einzigen Möbel.

„Sie ist, also wir wohnen zusammen. Teilen uns den Mietzins. Alleine ist es zu teuer für uns beide. Warum all diese Fragen? Ist ihr was passiert?“

„Sssie ist tot. Hahaben sie wwwweeggebracht. Ddder Mmeedicus schschaut didie Llleieiche an. Ich dudurfte nnicht“, platze es aus Elizabeth. Den strafenden Blick von Alfons kommentierte sie mit einem kurzen unsicheren Lächeln.

„Sie ist was? Nein! Das darf nicht sein!“, sagte die junge Frau mit bebender Stimme. „Was ist passiert? Sagt es mir!“

„Beruhige dich bitte und verrate uns deinen Namen“, bat Alfons. „Ich bin Alfons.“

„Bist du, ich meine, du bist ein Dämon, oder?“

Alfons nickte. „Gewissermaßen. Mein Vater ist ein Mensch, meine Mutter eine Dämonin. Zurück zu Eugenia. Bisher wissen wir noch nicht viel. Deshalb müssen wir dir ein paar Fragen stellen.“

Sie sank auf einen der Stühle und nickte zaghaft. „Adara. Mein Name ist Adara. Die arme Eugenia. Sie hat keiner Menschenseele etwas getan.“ Sie schluchzte für einen Moment in sich hinein, bevor sie weitersprechen konnte. „Was möchtet ihr wissen?“

„Hatte Eugenia irgendwelche Feinde? Schulden? Gab es irgendwelche Probleme?“, fragte Alfons und zückte sein Notizbuch.

Adara überlegte für einen kurzen Moment. Eine Träne lief ihre Wange hinunter und sie fing wieder an zu schluchzen. „Nein, ich wüsste niemanden, der ihr was tun würde. Jeder hatte sie gerne.“ Sie nestelte an ihrer Kitteltasche, förderte ein Taschentuch zutage und schnäuzte sich die Nase. „Und Schulden hatte sie keine. War fleißig und hat geschafft wie ein Brunnenputzer.“

„Verstehe. Können wir ihre Kammer sehen? Unter Umständen gibt es dort irgendwelche Hinweise.“

„Natürlich. Alles was hilft, ihren Mörder zu finden. Hat er sie, ich meine, hat er sich an ihr vergangen? Seid ehrlich zu mir. Bitte!“

„Das wissen wir nicht. Die Anzeichen deuten nicht darauf hin“, beteuerte Alfons.

„Ooobwohl ihr Klkleid aufgegegeschschlitzt war. Und dddeer Schschädel war eingegegeschlagen. Es roch lelecker nach HIRN“, schwärmte Elizabeth mit verklärtem Blick. An Adaras schreckensbleichem Gesicht erkannte sie, etwas Falsches gesagt zu haben. „Iiich memerke schschoon, ddaas inininteressiert ninicht.“

„Da hast du recht. Du wartest du lieber draußen“, schlug Alfons mit einer abwertenden Handbewegung vor. Meine Nase dankt es dir. Schnell erhob Elizabeth sich und schlurfte vor die Tür.

Unterdessen war Alfons Adara in eine kleine Kammer gefolgt. Eine dünne Strohmatratze lag dort neben einer Kleidertruhe.

„Bitte entschuldige meine Partnerin. Zombies sind gemeinhin nicht unbedingt feinfühlig.“

„Das habe ich gemerkt. Und dieser Gestank! Ich muss dringend lüften. Sieh dich nur um. Das alles hier gehört, ich meine, es hat Eugenia gehört.“

Langsam öffnete Alfons die Truhe. Eine Decke und mehrere Kleider und Strümpfe lagen darin. Er tastete sich zum Boden der Truhe vor und fand ein kleines Büchlein. Vorsichtig schlug er es auf und überflog ein paar Seiten.

„Ich beschlagnahme dieses Buch. Vielleicht finde ich brauchbare Hinweise.“

„Mach du nur. Sie braucht es ohnehin nicht mehr“, antwortete Adara und seufzte. Weitere Tränen kullerten über ihr Gesicht. „Bitte geh! Ich möchte eine Weile alleine sein.“

„Das verstehe ich. Falls wir zusätzliche Fragen haben, kommen wir auf dich zurück. Wir finden den Mörder auf jeden Fall.“ Mit diesen Worten ging er zum Ausgang, wo Elizabeth auf ihn wartete.

„Wwas hast dduu ddaa?“

„Ein Tagebuch. Mal sehen, ob es uns weiterbringt. Eines muss ich klarstellen, Elizabeth. In Zukunft überlässt du mir das reden und hältst deine verwesende Zunge in Zaum. Sonst reiße ich sie dir raus und geb sie dir zu fressen. Verstanden?“

„Ist ggguut“, murmelte Elizabeth und sah beschämt zu Boden. „Trotrotzdddem dadarfst du Eli zzzzuu mmmir sasagen.“

„Warum sollte ich?“

Betrübt sah sie ihn an. „Wwewwohin als nnnächstes?“

„Hmm, es ist Zeit, früh Feierabend zu machen. Meine Mutter wird Augen machen, wenn ich ihr von meinem Fall berichte. Wir sehen uns morgen an der Wache.“

Kapitel 4

Am nächsten Morgen stand der Besuch beim Medicus an. Alleine die Vorstellung der Leichenschau hatte Alfons eine schlaflose Nacht bereitet. Entsprechend müde war er beim Treffen mit Elizabeth. Nicht einmal das Schmalzgebäck in seinen Händen beruhigte ihn.

„D. . . Du siiieeehst bbblass …aus“, begrüßte ihn die Untote gut gelaunt.

„Wundert dich das? Leichen am frühen Morgen, also ich kann mir besseres vorstellen. Sag mal, riechst du das auch? Obwohl, du riechst so! Ist bestimmt das Wetter. Tote Körper ekeln mich an. Die sind widerlich. Und dein Anblick am frühen Morgen hilft mir nicht.“

„Och, mmmir gefffällt es. Mmman kk…kommt auf … den Geschmmschmack“, erwiderte Elizabeth und ignorierte die Beleidigung. „Hahast du … eeetwas in dddem Tage…buch gefunden?“

„Sie erwähnt einen Mann, auf den sie ein Auge geworfen hat“, erzählte Alfons. „Ich lese noch weiter. Einen Namen konnte ich bisher leider nicht finden.“

„Versststehe“, gab die Untote zurück. „Uuund wie wwwar es bbbei ddddeiner Mmumumutter?“

„Was soll diese elende Fragerei? Du hast scheinbar die Neugier mit Löffeln gefressen, was? Ich habe weitaus Besseres zu tun, als dir deine dämlichen Fragen zu beantworten.“

„Wowollte nnnnuuuur hhhöffflich ssssein.“

„Erspar mir das! Falls es dich interessiert, kann ich es dir auch sagen. Ihrer Auffassung nach ist es höchste Zeit gewesen für einen eigenen Fall. Und sie bedrängte mich wegen der Details. Verraten habe ich ihr logischerweise nichts, das wäre gegen die Vorschrift. Das hat sie natürlich nicht abgehalten, mich weiter zu löchern.“

„Vvvverstehe. Sssieh, dddort ist dddas …Hhhaus vom Me…Medicus.“ Sie ging voran und klopfte an die Tür. Von innen tönte ein lautes „Herein!“ Elizabeth sah hilfesuchend zu Alfons.

„Was ist? Er hat gesagt, es sei offen.“ Er verschlang den letzten Rest von seinem Schmalzkrapfen und leckte sich die Krümel von den Fingern. „Mach die Tür endlich auf und trödel nicht lange herum.“

„Kakaann ich …nicht“, gestand Elizabeth ein.

„Wie? Was? Nicht dein Ernst?“

„Tütüüren öööffnen. Hahast du mmmal gehhhört, dass Zombies Tttüren aaaufmmaachen? Ein…Einssschschlagen ja, a…ber das wiwird uuuns meist üü…übel gggegenommen.“

Grummelnd wischte Alfons sich die fettigen Hände an seiner Uniform ab und drängte sich an der Untoten vorbei. Nach dem Öffnen der Tür kam ihm sofort der beißende Geruch entgegen. Er verzog das Gesicht und ging voran. In dem Arbeitszimmer fand er den Medicus, der in einem kleinen Kessel rührte.

„Adalbert, was treibst du hier? Es riecht zum Götter erbarmen.“

„Oh, ich bereite einen Sud vor. Den benötige ich für meine Untersuchungen“, erklärte der Medicus. „Ihr kommt früher als erwartet. Ich nehme an, ihr wollt wissen, was eure Tote macht?“

„Genau. Konntest du etwas herausfinden?“

„Ja, sie liegt still und rührt sich nicht“, witzelte Adalbert. Als er Alfons missmutigen Blick sah, grinste er. „Kommt mit, ich zeige sie euch gerne.“ Er führte sie durch zwei Türen zu einem Untersuchungsraum. Dort lag die mit einem Leinentuch abgedeckte Leiche. Ohne lange zu zögern, hob Adalbert das Tuch hoch. Blass und still lag die junge Frau auf dem Tisch und starrte sie mit ihren toten Augen an. Wenig zimperlich drehte Adalbert ihren Kopf zur Seite.

„Seht ihr? Ich habe nicht zu viel versprochen. Sie liegt vollkommen ruhig da. Haha! Spaß beiseite, hier hat sie einen festen Schlag abbekommen. Der Schädel ist gebrochen, sie hat nicht lange leiden müssen. Das ist gemeinhin tödlich.“

Alfons musste schlucken, um nicht sein Frühstück von sich zu geben. Er schüttelte sich voller Ekel, während Elizabeth interessiert die Schädelwunde betrachtete. Erste Bläschen von Geifer traten aus ihren Mundwinkeln aus.

„Hier am Oberkörper“, fuhr Adalbert mit seiner Erklärung fort, „sind mehrere Einschnitte. Das war ein echter Stümper. Die Wundränder sind ausgefranst, als ob der Täter ein stumpfes Messer benutzt hätte. Sieht mehr aufgerissen als aufgeschnitten aus. Zweifelsohne hat es übel geblutet. Falls die nicht bereits tot oder bewusstlos war, hat das echt wehgetan.“

Alfons wurde bleich und hielt sich die Hand vor den Mund. „Ich...ich…frische Luft.“ Schnell eilte er nach draußen. „Scheint nicht viel zu vertragen“, merkte Adalbert grinsend an.

„Rrrichtig“, stimmte Elizabeth ihm zu. „Kakann ich nnn…noch mal sehen?“

Vor der Tür holte Alfons tief Luft. Kurz darauf kam Elizabeth heraus. Sie hatte ein seliges Lächeln im Gesicht.

„So wie du grinst, glaube ich, du hattest echt Vergnügen da drin, du elender Leichenschänder“, moserte Alfons.

„Wwwas sssoll ich mamaachen? Lllleichen inter…essieren m..ich. Aaabeber wawarum bebeschschimpfst duuu mimich die gaganze Zzzzeit wie eeein Rürüpel.“

„He, nur weil ich dich beschimpfe, brauchst du mich nicht einen Rüpel nennen. Als ob ich an dem Gestank und der Verwesung Schuld bin.“

„Hhhabe ich mir nnnicht auauausgesucht. Dddu wolltest dddoch …. hier hhher. Aaaußerdem sasag bibitte Eli zzzu mimir.“

„Hier her? Oh verdammt! Elizabeth, du bist es, die stinkt und verwest, nicht der Medicus“, schimpfte Alfons und ignorierte ihre Bitte weiterhin. „Sei’s drum. Unser nächster Besuch dürfte dir gefallen. Einige der Leute haben den Nekromanten im Verdacht. Und dort gehen wir jetzt hin.“

„Neeein, dddaanke. Dddaa kakannst duuu allei…ne hinggeegehen. Ich mmmag den Kkkeerl nicht!“ Die Untote verschränkte schmollend die Arme vor der Brust. Zu ruckartig, denn drei ihrer Finger fielen zu Boden. „Hmm.“

„Geh und lass die verdammten Dinger annähen. Ich bin es ja gewohnt, die ganze Arbeit allein zu machen. Bloß sag mir noch, was hast du gegen den Nekromanten? Du kennst ihn, nicht wahr?“

„Ihn kkkennen? Uuunnd ob. Mmman hahaht als Zzzombie seine Vvvor…ururteile gegeegenüber Nenekromanten. Ddu weißt schschon was iiiicch meine. Iiisst so eiein ein Zzzombieding. Wwwir seh…en uns in inn der Wwwache.“

Murrend ließ Alfons sie gewähren und machte sich auf den Weg. In der Stadt gab es lediglich einen Nekromanten, der sogar während der Ausbildung zum Hüter erwähnt worden war. Der Zombiebeauftragte von Alheim hatte sich dafür starkgemacht, den Totenbeschwörer am Stadtrand zwischen zwei Tempeln anzusiedeln. Falls es zu unkontrollierten Totenbeschwörungen kommen sollte, ließen sich auf diese Weise sofort geeignete Gegenmaßnahmen ergreifen. Zombies gehörten mittlerweile zum Stadtbild, weswegen viele Menschen besorgt waren, von Untoten überrannt zu werden. Entsprechend stand der Nekromant unter strenger Aufsicht.

Endlich kamen die Türme des ersten Tempels in Sichtweite. Daneben befand sich ein düsteres Gebäude, welches einem gewaltigen Totenschädel nachempfunden war. Eigenwillige Architektur. Wen’s gefällt! Anstelle einer Eingangstür grinste Besucher ein riesiges Gebiss entgegen. Aus der darüber liegenden Nasenhöhle hing ein Ring herab, der als Türklopfer diente. Beim Anblick des Gebäudes bereute Alfons nicht vorher in einer Schenke Halt gemacht zu haben. Mit vollem Magen wäre ihm wohler zumute.

Auf sein Klopfen hin tat sich für einen Moment gar nichts. Klackend öffnete sich eine Klappe und eine Stimme ertönte.

„Wer stört meinen Magister?“

„Hüterkontrolle!“, rief Alfons mit betont fester Stimme. „Ich habe eine dringende Angelegenheit mit dem Magister zu besprechen.“

Die Klappe schloss sich und ein Rumpeln ertönte. Einen Augenblick später öffneten sich Ober- und Unterkiefer des Gebisses und gaben den Weg in das Gebäude frei. Eine schmächtige Gestalt in einer Robe stand dort und gab Alfons ein Zeichen, näher zu kommen. Kaum hatte Alfons einen Schritt vorwärts gemacht, erklang das Rumpeln erneut und das Gebiss klappte langsam zu.

Alfons folgte der Gestalt in der Kutte einen schmalen Gang entlang. Sie gelangten zu einem kleinen Raum, den wenige Leuchter in ein fahles Licht tauchten.

„Mein Name ist Klas. Gedulde dich für einen Augenblick. Ich werde sehen, ob der Magister dich empfängt. Wen bitte darf ich melden?“

„Schuster ist mein Name. Von der Hüterwache.“ Ohne weitere Fragen entfernte sich Klas. Irritiert sah Alfons ihm hinterher. Ein muffiger Geruch stieg in seine Nase. Ich will lieber nicht wissen, wonach es hier riecht. Noch bevor er weiter darüber nachdenken konnte, kam Klas zurück.

„Magister Yavandir bat mich, dich zu ihm zu führen. Folge mir.“

Der Geruch nach Moder nahm bei jedem Schritt zu. Für einen kurzen Moment überlegte Alfons, ob es schlau gewesen war, alleine herzukommen und bereute einmal mehr, vorher nichts gegessen zu haben. Wenn er hier umkommen sollte, dann wenigstens mit vollem Magen. Er wusste, als Hüter durfte er solche Gedanken im Grunde nicht haben. Dennoch war ihm nicht wohl bei der Sache. Klas führte ihn in das Arbeitszimmer von Yavandir. Alfons hatte einen dunklen, zumindest düsteren Raum erwartet. Ein paar Kerzen und als Zierde Totenschädel oder Skelette. Was er daraufhin zu sehen bekam, überraschte ihn.

Ein heller, von Sonnenlicht durchfluteter Raum mit Bücherregalen an allen Seiten. Kein einziger Schädel war zu sehen. Auf einem großen Tisch aus Eichenholz lagen zahlreiche Schriftrollen und Folianten. In einen von ihnen hatte der Nekromant sich vertieft. Zumindest nahm Alfons an, es handelte sich um den Nekromanten. Begegnet war er ihm noch nie. Als Alfons mit Klas den Raum betrat, blickte der Mann hinter dem Tisch auf. Aus der Kapuze seiner schwarzen Robe blickten zwei fröhliche Augen hervor und musterten Alfons.

„Besuch, wie schön! Ich bin Yavandir und heiße dich willkommen. Deinem Äußeren entnehme ich, du bist ein Halbdämon. Euresgleichen sind selten zu sehen. Was kann ich für dich tun?“

„Mein Name lautet Alfons Schuster. Ich untersuche einen Mordfall an einer jungen Frau. Bei der Befragung von Zeugen fiel dein Name. Deshalb...“

„Hast du ihnen Glauben geschenkt. Was sonst? Bei Todesfällen ist es naheliegend, den Nekromanten zu beschuldigen, nicht wahr!“ Er stützte sich auf den Tisch und beugte sich vornüber. Binnen weniger Herzschläge verdunkelte sich der Raum und die Augen des Nekromanten glühten rot. „Glaubst du ernsthaft, ich habe nichts Besseres zu tun, als Leute umzubringen.“

„Ich, ähem, so war es nicht gemeint“, stotterte Alfons nervös vor sich hin. Verdammt! Der Kerl ist gut. Ich darf mich nicht ins Bockshorn jagen lassen.

Yavandir lächelte grimmig. „Ach, war es nicht? Wie war es denn? Lass mich raten, ein besorgter Bürger hat gesehen, wie ich sie eigenhändig erwürgt habe? Oder wie die Tote ums Leben kam?“

„Nein, nicht gesehen“, gab Alfons zu. „Dein Name fiel mehrfach.“

„Verstehe mich nicht falsch, ich finde Mord schrecklich und verabscheue ihn. Meine Studien gelten ausschließlich den Toten und der Kunst, sie zurückzuholen. Dabei lässt sich unglaublich viel falsch machen. Mittlerweile sind die Zombies in unserer Gesellschaft willkommen, nicht wahr? Aber bekommen Magister wie ich Dankbarkeit? Mitnichten!“

„Wohl wahr! Trotzdem muss ich dich fragen, wo du in der vorletzten Nacht warst.“

Erneut lächelte der Nekromant und der Raum war wieder hell. „Du wirst es nicht glauben, des Nachts pflege ich zu schlafen. Beobachtet hat mich niemand. Jedenfalls nicht, dass ich wüsste.“

„Kein Alibi“, notierte Alfons.

„Richtig, genauso wenig wie viele andere Bürger unserer Stadt“, gab Yavandir erbost zurück. „Willst du die alle befragen und verhaften? Die Wahrscheinlichkeit, auf diese Weise den wahren Mörder zu finden, ist gar nicht so gering.“

„Ich befürchte, du hast erneut recht“, gab Alfons notgedrungen zu. Was mache ich hier eigentlich?

„Bevor du weiterhin meine kostbare Zeit verschwendest, solltest du ein paar handfeste Beweise finden. Ich sehe es dir nach. Du bist noch jung und erst seit kurzem ausgelernter Hüter, wie an deiner neuen Uniform zu erkennen ist. Wenn du erlaubst, würde ich mich gerne meinen Studien widmen.“

Ohne abzuwarten, ließ sich Yavandir in seinen Lehnsessel fallen und vertiefte sich in einen Folianten. Enttäuscht ließ Alfons sich von Klas nach draußen geleiten. Die Befragung hatte er sich anders vorgestellt.

Zurück auf der Hüterwache setzte er sich in eines der Dienstzimmer und widmete sich dem Tagebuch von Eugenia. Die ersten Seiten waren voll mit Erlebnissen der letzten Jahre. Nach und nach bekam er einen Einblick in das Leben der jungen Frau, die immer hart gearbeitet und offenbar nie viel Freizeit hatte. Alfons beschloss, besser von hinten anzufangen, mit der Hoffnung, die jüngeren Ereignisse in ihrem Leben wären aufschlussreicher. Nach einer Weile hörte er die schlurfenden Schritte von Elizabeth und rief sie zu sich.

„Siesieh dddooch. Fffast wwwie neu. Hhhübsch, ninicht wawahr?“ Voller Stolz präsentierte sie ihre angenähten Finger. „Wwas lieliesst duuu ddda?“

„Das Tagebuch der Toten. Was sonst?“, brummelte Alfons ohne aufzusehen. „Eugenia hatte ein eher tristes Leben. Vor ein paar Tagen scheint sie sich in einen Mann verguckt zu haben. Und der hat sie angelächelt. Leider nennt sie keinen Namen.“

Elizabeth war sichtlich verwirrt. „Wwer wüwürde dddeenn eine …Ttote anllläächeln? Viellleelleicht ein Zzzombie.“

„Du Dummbatz! Da war sie noch nicht tot!“, schimpfte Alfons. „Ich vermute, das hat nichts mit dem Mord zu tun. Eher war das Motiv Geldgier. Sie hatte an dem Abend viel Trinkgeld verdient.“

„Achchh so. Iiich weiß Wwir mmmüüüssen nuuur alle ver….verhaften, die mmemehr Geld als vorvorher … hahahaben“, schlug Elizabeth vor.

„Ich kriege zu viel“, jammerte Alfons und hielt sich den Kopf. „Wir haben uns doch über das Nachdenken unterhalten. Das ist nichts für dich, da waren wir uns einig, nicht wahr? Ich beantrage beim Hauptmann, mir einen anderen Partner zu geben“, drohte er. „Wir sollen uns ohnehin bei ihm melden, sobald wir beide hier sind.“




Kapitel 5

Im Büro von Hauptmann Donnerfaust standen Alfons und Elizabeth in Habachtstellung und ließen seine Wutattacke hilflos über sich ergehen. Das Gebrüll schallte bis auf den Gang hinaus. In kurzen Intervallen bebte seine Tür und drohte jeden Augenblick aufzufliegen. In sicherer Entfernung hielten sich drei grinsende und feixende Hüter auf, die sich das Lachen kaum verkneifen konnten. „Keine Ergebnisse? GAR KEINE! Ich traue meinen Ohren nicht!“, brüllte Donnerfaust. Er machte seinem Namen alle Ehre und knallte seine rechte Faust auf den Tisch, der verdächtig knackte.

„Was, frage ich euch, was ist daran so schwer? Ein toter Mensch und ihr macht die halbe Stadt verrückt. Seid ihr noch bei Trost? Am liebsten täte ich euch in der Luft zerreißen! IN DER LUFT!“ Sein Gesicht war knallrot angelaufen und Schwefelwölkchen quollen aus seinen Ohren. „Wenn ich nicht knapp an Hütern wäre, ich würde euch am liebsten die Gedärme herausreißen und sie euch zu fressen geben!“ Grimmig starrte er seine Untergebenen an, die starr vor Schreck waren.

„Wie konnte ich mich auch überreden lassen, einen Halbdämon aufzunehmen. Und einen Zombie! Diese verfluchte Quote! Ihr könnt von Glück reden, dass der Pakt der Völker Gewalt verbietet. Aber ANSCHREIEN DARF ICH EUCH!“

Alfons und Elizabeth zuckten zurück, ihre Pupillen weiteten sich vor Schreck. Ohr ihr Götter! Der Alte hat wieder schlechte Laune. Verdammt schlechte Laune.

„Wenn mir danach ist, brülle ich euch bis zum Abend an. VERSTANDEN?“ Der Hauptmann setzte seinen Monolog fort und wanderte unruhig durch den Raum.

„Der Bürgermeister liegt mir in den Ohren. Er verlangt, Erfolge zu sehen. ERFOLGE! Und was bringt ihr mir? Richtig. NICHTS! Ihr elenden Versager vertrödelt meine Zeit.“ Er ballte seine rechte Faust und rieb sie in der anderen Hand. Sein Atem ging schwer und seine Lippen bewegten sich langsam. Im nächsten Moment redete er mit ruhiger Stimme weiter.

„Es gibt einen neuen Todesfall. Und seht zu, nicht ein weiteres Mal Mist zu bauen. Sonst überlege ich mir, was ich mit euch anstellen kann, ohne gegen den Pakt zu verstoßen. Habe ich mich klar ausgedrückt?“

Alfons und Elizabeth nickten augenblicklich.

„Worauf wartet ihr noch? Muss ich euch erst Beine machen?“, polterte der Hauptmann erneut los. Ehe er sich versah, stand er alleine in seinem Raum. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Er wusste, er hatte es noch drauf, seine Hüter zu motivieren.

Vor der Tür bauten sich mehrere breitschultrige und muskelbepackte Hüterkollegen vor Alfons auf. Ihr hämisches Grinsen verhieß nichts Gutes.

„Na, wenn das nicht der Junghüter Schuster ist. Siehst aus, als hättest du einen Toten gesehen“, frotzelte der Erste.

„Kein Wunder. Der Tod folgt ihm auf den Fersen“, fiel der Zweite ein. Alle drei lachten über ihren Witz.

„Amüsiert ihr euch nur. Elizabeth und ich müssen arbeiten. Also geht uns aus dem Weg“, schimpfte Alfons und versuchte sich groß zu machen.

„Gar keine Frage. Für euch tun wir alles“, gab der Erste hämisch grinsend zurück. „Ihr seid schließlich besonders wichtig. Sagt mal Jungs, wie viele Taschendiebe haben wir erwischt?“

„Soweit ich weiß, waren es fünf“, erwiderte der Dritte.

„Nein, es waren sechs“, korrigierte ihn der Zweite.

„DAS nenne ich einen Erfolg. Jetzt geht schön eure Leiche einsammeln. Los Jungs, wir haben uns eine Pause verdient.“ Lachend und lärmend verschwanden sie in Richtung der Aufenthaltsräume.

„Nnoch eeeeine Llleeiche! Wwwie aauaufregend.“

„Wenn du es sagst“, antwortete Alfons griesgrämig. „Beeilen wir uns, damit die Leute nicht noch mehr darüber reden.“

Dicke Regentropfen fielen ohne Unterlass vom Himmel und sammelten sich in Pfützen auf den Straßen und Wegen. Dennoch war viel los und das Gemurmel der Leute war überall zu hören. Abseits der Hüterwache war der Straßenlärm sogar noch lauter. Es dauerte nicht lange, bis Alfons in den Gesprächsfetzen zum ersten Mal von einem Mord hörte. Die nächste Leiche war in der Hafengegend zu finden.

Wenig später hatten sie den genauen Fundort der Leiche heraushören können. In einer Seitengasse fanden sie einen bulligen Dämon in Hüteruniform, der auf seine Ablösung wartete. Sichtlich erleichtert kam er ihnen entgegen. „Höchste Zeit! Dachte, ich warte hier vergeblich auf Ablösung“, brummelte er.

„Was ist hier passiert? Und gibt es Zeugen?“, erkundigte Alfons sich und zückte sein Notizbuch.

„Häh? Was wohl? Tot ist sie. Die Straßenreinigung hat sie gefunden. Der Kadaver dort drüben sagt euch alles Nötige. Tote sind nicht mein Bereich. Wir sehen uns.“

Irritiert folgte Alfons seinem Wink und verstand. Neben einem Müllhaufen stand ein in Lumpen gehüllter Zombie und starrte teilnahmslos in die Gegend.

„Ähem du da? Verstehst du mich?“, vergewisserte sich Alfons, während der fremde Zombie aus seinen trüben Augen anstarrte. Seine eingefallenen Wangen bewegten sich und ein Zucken ging durch seinen Körper.

„Ja, iich hhhöre dddich. Duuu Hhüüter.“

„Richtig. Ich bin ein Hüter. Hast du die Tote gefunden? Wie lautet dein Name?“

Der Untote blickte ihn teilnahmslos an. Wasser lief über seinen kahlen Schädel, was ihn nicht zu stören schien. „Ich Zzzombie.“

Ungeduldig trat Alfons auf der Stelle. „Das sehe ich. Noch weitaus schlimmer ist, ich rieche es auch. Ich hingegen bin ein Hüter. Soweit waren wir bereits. Hast du die Tote gefunden?“

Der Untote schien zu überlegen und nickte schwerfällig. „Duuu Hüüter.“

Alfons fasste sich an die Stirn. Ein hirnloser Zombie ist schlimm genug. Aber zwei? „Ich Hüter, richtig. Sag mir, was du gesehen hast? Hast du verstanden?“

„Lllass mmmich mmmal vvvver…ersuchen“, schlug Elizabeth vor. „Duuu kkkennst dddich echt ninicht mmmit uuns aaus.“ Sie baute sie sich vor dem Zombie auf und deute auf Alfons, zeigte auf sich und schließlich auf die Leiche. Der Zombie gab einen seltsamen Laut von sich und nickte. Anschließend starrte er ins Leere und rührte sich nicht mehr.

Zufrieden lächelnd drehte Elizabeth sich zu Alfons um. „Eeer hhhaat die Ttote gggefuuunnden. Wwaas wwwollen wwwir ssssonst nonoch wwwissen?“

„Woher weißt du das? Er hat nichts gesagt?“

„Eer hahaat gegestöhnt. Der aaarme Kkerl kkann nicht viviel meehr sssaagen“, erklärte Elizabeth. „Hhhaat die Mmm...undfäule erst einmmamal anangefangen, schschschlägt einem dddas eeecht auaufs Hirn.“

„Was macht er hier?“

„Eer wartet auf An…anweisungen. Iiimmer eieieine Aauufgabe nnnach ddder aaa…anderen. Er ist bbbbei dddder Stststraßen…rrrreinigung. Wiwird eeeben nicht jeda Hüter wwerden.“

„Sag ihm, er soll seinen verwesenden Hintern hier wegschaffen“, schimpfte Alfons. „Wir sehen uns die Tote an.“

Die Augen von Elizabeth leuchteten freudig. Schnell gab sie dem Zombie ein Zeichen und schubste ihn in die richtige Richtung. Ein Bein nach sich ziehend schlurfte er die Gasse entlang. Unterdessen hatte Alfons sich neben die Frauenleiche in den Müll gekniet. Ihr Körper lag regungslos, der Kopf überstreckt, die Augen starr. Angewidert hob er den Arm der Toten und versuchte sie umzudrehen. Allerlei Maden krochen unter dem Körper hervor und Alfons schüttelte sich vor Ekel. Als er merkte, wie Elizabeth ihm geifernd über die Schulter sah, stand er wütend auf.

„Mach dich nützlich und hol die Leiche aus dem Müll. Das kannst du, oder?“

„Gggerne“, gab Elizabeth zurück, zerrte die Tote aus dem Müllberg und warf sie sich über die Schulter. „Ssonst nnnoch was?“

„Ja, du bist widerlich! Dreh sie wenigstens um. Die Eingeweide gucken raus! Was sollen die Leute denken?“

„Och, mich sschtört ddaas nicht“, stöhnte Elizabeth fröhlich. „Rriecht gggut.“

„Du wieder! Schau, sie hat einen Geldbeutel am Gürtel.“

Elizabeth tastete danach und reichte ihn Alfons. „Hhhier. Sie brrraucht es sssiicher nicht mehr. Wwwas kkkaaufen wir daddamit?“

„Was?“ Alfons blickte ihn verwirrt an. „Wir kaufen nichts. Das ist ein Beweisstück! Es war offensichtlich ein weiterer Mord. Allerdings kein Raubmord, sonst wäre das Geld weg. Komm. Ich habe keine Lust, den ganzen Tag hier herumzustehen.“ In einigen Schritt Abstand hatten sich ein paar Schaulustige eingefunden. Alfons runzelte die Stirn. „Wir machen es anders. Du bringst die Tote zum Medicus. Ich werde mich hier umhören. Auf deine Hilfe kann ich problemlos verzichten.“ Außerdem habe ich dann meine Ruhe.

„Gggeht klklar.“ Noch bevor die Untote verschwunden war, widmete sich Alfons den Schaulustigen.

„Hat hier irgendwer etwas Brauchbares zu berichten? Jemand was gesehen? Oder weiß einer, wer die Tote ist?“

Allgemeines Kopfschütteln. „Definitiv ein Serienmörder!“, vermutete eine alte Frau mit schiefen Zähnen. „Hat sich eine zweite Maid geholt.“

„Genau, womöglich greift der sich noch mehr“, stimmte ihr ein alter Mann zu. Ein anderer Mann begann zu schwanken und japste nach Luft.

„Was ist mit dir?“, fragte Alfons besorgt und stützte sein Gegenüber. „Wir werden alles tun, um den Mörder zu fassen.“

„Mir wurde ganz anders. Du musst wissen, meine Tochter Lilia ist verschwunden. Ich, ich mache mir große Sorgen. Hoffentlich ist ihr nichts passiert.“

Aufmerksam musterte Alfons ihn. Der Mann trug einen sauberen Straßenanzug und wirkte insgesamt manierlich. „Wir sollten uns unterhalten, ihr anderen geht eurer Wege. Es gibt hier nichts zu sehen, also verschwindet!“

Nachdem die anderen Schaulustigen sich entfernt hatten, wandte Alfons sich an den Mann.

„Wie lautet dein Name?“

„Ich bin Jurik“, stellte sich der Mann vor, „eingetragener Meister in der Zunft der Spiegelmacher.“

„Wie alt ist deine Tochter und seit wann vermisst du sie?“

„Bald zählt sie 16 Sommer. Sie ist ein gescheites Mädel und immer züchtig. Gestern allerdings ist sie nicht nach Hause gekommen.“

„Sie ist vielleicht bei einer Freundin. Hast du dort nachgefragt?“, schlug Alfons vor. „Nicht jeder Fall ist für uns Hüter.“

„Das habe ich bereits getan. Sie wollte sich um die Kinder im Waisenhaus kümmern. Deswegen mache ich mir ja Sorgen, weil niemand sie dort gesehen hatte.“

„Keine Sorge, guter Mann. Zweifelsohne kommt sie bald zurück. Selbstverständlich werde ich trotzdem meine Augen offenhalten.“ Alfons schloss sein Notizbuch. „Deinen Namen habe ich. Vorausgesetzt, es gibt Neuigkeiten, lasse ich es dich natürlich wissen.“


Zwischenspiel

Am frühen Abend hatte sich Kashia, die beinahe großjährige Tochter des Waffenschmiedes Dieter, mit ihren Freundinnen Alida und Neele verabredet. Gemeinsam waren sie seit ein paar Wochen dabei, das Nachtleben von Alheim zu erkunden und entdeckten ständig neue Ecken. Zunächst hatten ihre Eltern Bedenken gehabt, die Neele geschickt auszuräumen wusste. Als Dämonin der Familie Feuerwut kannte sie keine Angst und hatte sich bereit erklärt, jederzeit ihre Freundinnen zu beschützen. „Auf euch schwächliche Menschen werde ich schon aufpassen“, hatte sie betont. Die besorgten Väter hatten sich zufrieden gezeigt. Einzig Alida, der jüngsten, war es ein wenig bang, wollte dies vor ihren Freundinnen jedoch nicht zugeben. Zu dritt hatten sie in den vergangenen Wochen mehrere gemütliche Tavernen gefunden. Wein trinken und Männer schauen war für sie ein spielerisches Vergnügen, zumal Neele allzu aufdringlichen Männern deutliche Grenzen aufzeigte.

Irgendwo hatten sie von einigen Schauspielern erfahren, die in der Nähe auftreten sollten. Eilig machten sich die Freundinnen auf und verbrachten einen vergnüglichen Abend. Nach der Vorstellung auf der Schaubühne waren sie in einer nahe gelegenen Taverne eingekehrt. Zwei Krüge Wein später hatten sich die drei jungen Frauen getrennt. Die anderen beiden wohnten außerhalb, sodass Kashia alleine den Heimweg antrat. Zu dieser späten Zeit war nicht mehr viel los auf den Gassen. Einzelne streunende Hunde waren zu sehen und in einiger Entfernung zog der Nachtwächter seine einsamen Kreise. Kashia liebte diese Augenblicke. Die kalte Nachtluft half ihr, nach dem vielen Wein einen klaren Kopf zu bekommen. Unterwegs dachte sie über ihr Leben und die Welt nach.

Aus einiger Entfernung drangen leises Gemecker und Schimpfwörter an Kashias Ohr. Aufmerksam schaute sie sich um. Die Geräusche kamen aus einer Seitengasse. Neugierig blickte Kashia um die Ecke.

Vor sich sah sie eine vom Alter gebeugte Gestalt mit einer Krücke. Ein grauer Umhang mit Kapuze verdeckte den Kopf. Das Männlein verrenkte sich fast und streckte eine Hand zum Boden. Unaufhörlich schimpfte der Alte weiter. „Verdammt noch eins! Verflixt! Früher war das alles einfacher.“ Jetzt erkannte Kaisha, was vor sich ging. Eine seiner Krücken war zu Boden gefallen und er versuchte verzweifelt, sie aufzuheben.

„Kann ich helfen?“, schlug Kashia höflich vor und lächelte den Alten an. Das Männlein hob den Kopf. „Na endlich kommt Hilfe. Wurde höchste Zeit. Das verfluchte Alter!“

„Kein Problem“, erwiderte Kashia. „Das mache ich gerne.“ Sie ging an dem Männlein vorbei und bückte sich nach der Krücke. Hinter sich hörte sie ein Rascheln. Im Augenwinkel sah sie, wie der Alte mit dem verbleibenden Krückstock ausholte und ihr auf den Kopf schlug. Benommen ging sie in die Knie.

„Welch ein schönes Exemplar“, hörte sie den Alten flüstern. Seine Stimme klang gar nicht mehr wie die eines alten Mannes. „Halt still, dann tut es nicht lange weh.“




Kapitel 6

Während der vergangenen Nacht hatte Alfons von der Leichenschau geträumt und war mehrfach aufgeschreckt. Nicht einmal ein ausgiebiges Mitternachtsmahl hatte die Träume verjagen können. Müde stand er morgens an der Wache und wartete, bis Elizabeth angeschlurft kam. Die Untote salutierte und dabei fiel ihr rechter Arm zu Boden. Alfons rollte mit den Augen, als Elizabeth ihren Arm aufhob und sich zum Schneider verabschiedete.

Auf dem Weg zum Medicus kamen Alfons die Bilder von der Leiche in den Sinn. Alleine der Gedanke verschaffte ihm einen säuerlichen Geschmack im Mund. Dies machte einen Zwischenhalt an einem Verkaufsstand erforderlich. Die scharfe Gewürzmischung einer Portion gebratener Teigtaschen brannte sich in seine Zunge und verdrängte die aufkommende Übelkeit. Frisch gestärkt traf er beim Medicus ein und erkundigte sich nach den neusten Ergebnissen.

Adalbert begrüßte ihn wenig erfreut. „Du wieder? Na komm herein. Was macht dein nervöser Magen? Ach egal, ich habe viel zu tun, keine Zeit für Plaudereien. Ohne Zweifel verstehst du, wenn ich die Lebenden den Toten vorziehe.“

„Du kannst mir also noch nichts sagen?“, drängelte Alfons ungeduldig. „Der Hauptmann hat es gewissermaßen eilig.“

„In gewisser Weise sicherlich“, gab der Medicus genervt zurück. „Die Lebenden haben es immer eiliger als die Toten. Deshalb sind mir die toten Patienten ehrlich gesagt lieber. Wie auch immer. Der Hieb mit einem stumpfen Gegenstand hatte einen Schädelbruch zur Folge. Das hat sie nicht überlebt. Sehen willst du sie vermutlich nicht, wie ich dich kenne.“

„Nein, danke, nicht notwendig. Und sonst?“

„Ich will mich wahrlich nicht beklagen.“ Adalbert stockte kurz und verzog das Gesicht. „Dieser Geruch. Ich bin echt Kummer gewohnt, jedoch eines sage ich dir, das muss besser werden. Dieser Gestank nach Verwesung ist widerwärtig. In Zukunft möchte ich das nicht mehr erleben, sonst geh und such dir einen anderen Medicus.“

„Beschwer dich nicht!“, beklagte sich Alfons. „Ich kann mir schließlich nicht aussuchen, wo die Leichen herkommen. Hast du es mit Waschen versucht?“

„Waschen? Sie ist weggelaufen, nachdem sie die Tote abgeladen hat. Zum Glück, ihr Gestank ist kaum zu ertragen. Ich habe eine halbe Ewigkeit gelüftet. Wie gesagt, in Zukunft erspare mir das bitte.“

Alfons seufzte verständnisvoll. „Ich sollte lieber gehen. Will dich nicht länger von der Arbeit abhalten.“

„Gut, bitte denk an meine geplagte Nase. Du findest zweifelsohne alleine hinaus.“ Sofort widmete sich Adalbert seinen Unterlagen.

Auf dem Rückweg zur Wache machte Alfons einen Umweg und ging an der Bibliothek vorbei. Unterwegs bemerkte er Gezeter in unmittelbarer Nähe. Für einen Moment schwankte er zwischen Pflichtbewusstsein und der Möglichkeit, die Dämonin wiederzusehen. Noch bevor er sich entscheiden konnte, sah er zu seiner Überraschung Elizabeth auf sich zu wanken. Was hat sie jetzt schon wieder angerichtet? Das Geschrei hingegen kam von einer Menschenfrau, die Elizabeth hinter sich her zerrte.

„Lass mich endlich los, du untoter Widerling! Warum hilft mir niemand?“, schimpfte die Frau. „Weil du vorgibst ein Hüter zu sein, kannst du mich nicht einfach wegschleppen. Ich habe Rechte!“ Mit ihrer freien Hand schlug sie nach ihrer Peinigerin, die geschickt auswich.

„Elizabeth, was treibst du da?“, mischte sich Alfons ein. „Was willst du mit der Frau?“

„Sie iiist aa…eine Zzzeugin uuund AUA!“ Für einen Moment war sie abgelenkt und die Frau hatte ihr eine Ohrfeige verpasst.

„Lass sie los“, schlug Alfons vor und wandte sich der Frau zu. „Stimmt es, was meine Kollegin sagt? Du bist eine Zeugin?“

Die Frau ordnete ihre Kleider und nickte. „Ja, ich glaube, das bin ich. Als ich gehört habe, dass Eugenia ermordet wurde, habe ich mich richtig erschrocken.“

Alfons sah sie und Elizabeth fragend an. „Und weiter? Warum macht dich das zur Zeugin?“

„Na ja, wie wäre es, wenn ich gesehen habe, wie sie sich unterhalten hat. Jemand hat sie angegraben und sie hat ihm eine derbe Abfuhr erteilt. Das hat ihm nicht gefallen“, umschrieb sie vielsagend.

„Und verrätst du uns, wer das war?“, bohrte Alfons weiter.

„Eventuell“, gab die Frau keck zu verstehen. „Was kriege ich dafür?“

„Sso wwweit wwwar ich aaauch schschschoon.“

„Und weil sie sich nicht gesagt hat, schleifst du sie mit? Elizabeth, das ist keineswegs Art der Hüter!“, mahnte Alfons. „Wir sind auf die Mitarbeit der Bürger angewiesen. Deswegen müssen wir alle schützen. Laut Vorschrift gehört dazu eine respektvolle Befragung.“

„Respektvoll? Geht es noch?“, beklagte sich die Frau. „Durch die halbe Stadt hat sie mich gezerrt.“

Alfons versuchte zu lächeln, was ihm nur schwer gelang. „Warum hast du nicht gleich gesagt, was du weißt. Hätte dir viel Theater erspart.“

„Wenn du mir so kommst, dann nicht. Ihr könnt mich mal kreuzweise! Von mir erfahrt ihr gar nichts.“

„Gut. Da lässt sich nichts machen. Vorschrift ist Vorschrift. Elizabeth, bring sie zur Wache. Dort können wir uns in Ruhe unterhalten. Die Streckbank müsste heute Morgen noch frei sein. „

Sofort griff Elizabeth nach dem Arm der Frau, die starr war vor Schreck. „Ja...nein…“

„Ja?“, fragte Alfons übertrieben freundlich.

„Es war der Bader Giselher. Ich schwöre es beim Grab meiner Mutter. Lasst mich bitte laufen.“

Schnell gab Alfons seiner Partnerin einen Wink, die ihn daraufhin verwirrt ansah.

„Loslassen! Lass sie laufen!“

„Aaalso nicht zzzur Wwwache? Eeeben hhahaast duuu gggesagt...“

„Hast du nicht gehört? Du sollst mich loslassen, du Monster!“, keifte die Frau.

„Ist gut“, meinte Alfons. „Lass sie abhauen.“

Zögerlich ließ Elizabeth die Frau laufen, die sofort ihren Rock raffte und davon eilte.

Auf Elizabeths fragenden Blick hin klärte Alfons seinen Partner auf. „Ich habe offenkundig nichts Besseres zu schaffen, als dir alles zu erklären. Wo hast du nur dein Hirn?“

„Hhhrrin?“ Bei dem Gedanken leckte Elizabeth sich die Lippen. „Hahatte kekeins. Gigibt es nunur bbbei ddder Füfütterung.“

„Wie konnte ich das vergessen. Ihr Untoten bekommt ja nur einmal pro Woche Hirn zu fressen. Isst du bis dahin nichts?“

„Doodoch. Ich pppprobbbiere Eeeeieingewwwweiddde vovon Ttttiiieren. Schmmmeckt ninicht ssooo gggut uuundd wiwirkt ninicht.“

„Ehrlich? Ich dachte, du warst schon immer eine Ausgeburt an Klugheit“, spottete Alfons. „Die Zeugin wollte nicht reden. Deswegen habe ich ihr ein bisschen gedroht, um ihre Zunge zu lockern. Den Trick kenne ich von meiner Mutter. Sie war früher eine Hüterin, musst du wissen. Du glaubst nicht wirklich, wir verhören und foltern Bürger? Würde nicht nur gegen Anstand, sondern auch gegen jede Vorschrift verstoßen.“

„Mit Vvvor…schschriften hahahabe ich es nnnicht ssso. Die kkkonnte ich mmmir nnniee aalle mmmerken.“

„Wie konntest du Junghüter werden? Die Prüfung setzt die Kenntnis aller Vorschriften voraus. Und zwar aller!“

„Nein, mumussste iiich nnniicht. Der Zzzombiebeaaauftragte der Schschtadt hat mir ein Aaaattest gggegeben. Den Ttteil der Ppprüfung duduurfte iiich aaauslassen.“

„Du hast was? Ich fasse es nicht! Die Vorschriften sind ein Hauptbestandteil!“ Alfons rieb sich die Schläfen und wollte nicht glauben, was er gehört hat. Er seufzte. „Es erklärt jedenfalls einiges. Lass uns diesen Bader aufsuchen. Einen besseren Hinweis haben wir bisher nicht.“

„Ist ggguut. Auch wwwwenn mir nnnicht klklaar ist, was ein Bbbader mmmaacht.“

„Wieso überrascht mich das nicht“, sagte Alfons mehr zu sich selbst als für Elizabeths Ohren bestimmt. Sein Blick fiel auf eine tote Katze, die tot am Straßenrand lag. Ihre Augen blickten starr und der Kadaver wirkte, als sei die Katze von einem Moment auf den anderen tot umgefallen. Für einen kurzen Augenblick kam Alfons die tote Ratte in den Sinn und verwarf diesen Gedanken sogleich. Tierkadaver kamen häufiger vor.

Schließlich erreichten sie das Haus des Baders Giselher. Ein flaches Gebäude nahe am Fluss mit einer großen Rohrleitung für den Wassernachschub. Neben dem Haus standen mehrere große Wannen und Eimer. Eine Seitentür stand offen.

„Lass uns nachsehen“, beschloss Alfons und ging voran. Er trat an die Tür und klopfte.

„Hallo! Ist wer zu Hause?“

Die Tür öffnete sich durch das Klopfen ein weiteres Stück und gab leise knarrend den Blick in einen Vorraum frei. Dort waren große Wannen in den Boden eingelassen. Eine Apparatur mit angeschlossenem Ofen blubberte fröhlich vor sich hin und versorgte sie mit heißem Wasser.

„Kkkeiner dda.“ Elizabeth kratze sich am Kinn. „Wwwas macht ddder mit aaall dem Wwwasser?“

„Wundert mich nicht, dass du es nicht weißt“, erklärte Alfons genervt. „Du bist sicherlich noch nie in einem Badehaus gewesen. Die Leute kommen zum Baden hier her, manche sogar mehrfach in einer Woche.“

„Bbbaden? Im hhheißeeen Wwwaasser? Bibist dudu vververrückt? Mmmein ununntotes Fffleisch ist gagaanz schschnell ggar. Wwwill nicht wwwissen, was mir dddann aalles aaabfällt.“

„Darüber denke ich lieber nicht nach“, stöhnte Alfons. „Riechst du das? Merkwürdig. Komm, wenn wir hier sind, können wir uns auch umschauen.“

Zwischen all den verschiedenen Becken fiel Alfons eines besonders auf. „Sieh! Das ist Blut.“ Er griff nach einer Schöpfkelle, die am Beckenrand lag. Damit fischte er im trüben Wasser, fand jedoch nichts. „Das kommt mir alles seltsam vor. Wir beobachten den Kerl für eine Weile. Um sicherzugehen.“

„Bbbeobachten? Dddas gegegehört zu mmmeinen Schschschpezia….litäten.“

„Na, ich bin gespannt. Los, wir suchen uns draußen ein Versteck und warten ab, was hier vor sich geht.“

Vor dem Gebäude standen ein paar Wannen, die ausreichend Deckung boten. Von dort aus hatten sie freie Sicht auf die Zugänge. Zu spät bemerkte Alfons, wie schlecht die Idee war, längere Zeit dicht neben Elizabeth zu hocken. Ihr penetranter Verwesungsgeruch stieg ihm in die Nase und förderte den Brechreiz. Langsam schob Alfons sich ein Stück zur Seite und vermied es, durch die Nase zu atmen. Elizabeth ließ sich nichts anmerken und starrte teilnahmslos auf das Haus. Als die Sonne langsam unterging, kamen ein paar Gäste, andere verließen das Gebäude. Langsam setze die Dämmerung ein. Vom Bader war nichts zu sehen. Alfons bewunderte Elizabeth, die neben ihm saß und nicht rührte. Er selbst hatte mehrfach gähnen müssen, die Untote schien unermüdlich. Sein Vorrat an gesalzenem Gebäck war längst aufgebraucht, zu dem Hunger kam jetzt noch Durst dazu. Bevor er darüber nachdenken konnte, tat sich etwas. Die Tür ging auf und einige Gestalten kamen hervor. Nervös schauten sie sich um und als sie niemanden sahen, eilten sie zur nächsten Gasse. Anhand ihrer Umrisse musste es sich um vier Frauen handeln. Danach erschien ein gutaussehender, muskulöser Mann mit einem Eimer in der Hand. Den entleerte er in einem Abfluss zur Kanalisation und verschwand nach drinnen. Einen Moment später kam er erneut heraus, diesmal mit einer fahrbaren Wanne. Daraus entfernte er einen Stöpsel und eine dampfende, dunkle Flüssigkeit strömte in den Kanal.

Alfons zögerte keinen Augenblick und zog Elizabeth mit sich.

„Halt ein! Wir sind Hüter! Rühre dich nicht vom Fleck!“, rief er laut. Der Bader drehte sich erschrocken zu den beiden um und bewegte sich nicht.

Die Hüter kamen näher und warfen ein Blick in die Wanne. Das Wasser war blutrot gefärbt.

„Du hast einiges zu erklären, mein Freund“, sagte Alfons in der Gewissheit, ihn beim Entsorgen von Beweismitteln erwischt zu haben.

„Da bin ich gespannt“, erwiderte Giselher und blickte von der Wanne auf. „Was wollt ihr von mir? Kann man nicht einmal in Ruhe seine Arbeit machen?“

„Ein dermaßen schändliches Tun verdient keine Ruhe!“, betonte Alfons streng und bemühte sich, seinen Brustkorb auszustrecken, um Autorität auszustrahlen. „Gestehst du deine Tat ein?“

Der Bader sah ihn irritiert an. Sein Blick fiel auf Alfons Bauch, der langsam über seinen Gürtel hervorquoll. „Meine Tat? Klar! Ich bekenne mich schuldig, Dreckwasser zu entsorgen.“

„Dreckwasser? Schöne Bezeichnung für etwas derart Widerwärtiges. Nicht wahr, Elizabeth?“

„Gggenau. Ddduu bist ein Mmmörder und wir hahahaben dddich üüüberführt“, pflichtete die Untote ihm bei.

„Mörder? Wovon redet ihr aberwitzigen Gestalten eigentlich?“ Der Bader sah die beiden irritiert an. „Ich verstehe nicht, was ihr habt.“

Alfons zeigte sich verwundert. „Ist das etwa nicht die Brühe, in der du die Leiche hattest?“ Gesteh endlich, du Bastard und verschwende nicht meine Zeit. „Das Blut ist noch deutlich zu erkennen. Wir haben dich ertappt!“

Langsam dämmerte es Giselher. „Blut? Ach, du meinst, die rote Farbe hier wäre Blut? Ihr haltet mich für dämlich, nicht wahr? Riecht daran und sagt mir, ob das Blut ist.“

Der Hüter beugte sich über die Wanne. Ihnen stieg der aromatische Duft von Kräutern entgegen.

„Da staunt ihr, was? Ein paar meiner Gäste kommen regelmäßig, um ein erfrischendes Kräuterbad zu nehmen. Das Bad in erlesenen Wildblumen verjüngt die Haut und reinigt zugleich. Allerdings färbt die Pampe furchtbar.“

„Demnach ist das kein Blut?“, wunderte sich Alfons. Verdammt! Er hat Recht. Dank dem Gestand von Elizabeth ist es mir nicht aufgefallen.

„Wer würde in Blut baden? Widerlich“, wunderte sich Giselher und schob die Wanne an.

„Hat mit Eugenia nichts zu tun wie mir scheint“, korrigierte Alfons sich verärgert. „Mist!“

Für einen kurzen Augenblick zuckte Giselher zusammen und ließ los. „Eugenia? Was ist mit ihr?“

„Die ist tttot. Aaeingegeschlagenener Schschschädeeell.“

„Was?“, fragte Giselher erschrocken. „Wie konnte das passieren?“

„Das fragen wir uns auch. Deswegen ermitteln wir in dem Fall. Und du bist zuletzt mit ihr gesehen worden“, verdeutlichte Alfons. Offensichtlich weißt du

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Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Das Copyright des Textes liegt beim Autor. © 2023
Cover: Das Copyright des Covers liegt beim Autor. © 2023
Tag der Veröffentlichung: 24.10.2018
ISBN: 978-3-7438-8439-7

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