Mein erstes Buch
Das größte Glück auf dieser Welt
ein Buch, das man in Händen hält.
Und ganz besonders groß der Stolz,
wenn dieses Buch von eignem Holz.
Das heißt, wenn auf dem Einband steht,
wer wirklich an dem Buch gedreht.
Wer sich den Inhalt ausgedacht,
schlaflos so manche Nacht durchwacht.
Der Hauch weht - der Unsterblichkeit -
von hier bis in die Ewigkeit.
Mit Schillers Räubern, Goethes Faust
man durch das Universum saust.
Ein Werk, so wie ein Viadukt
- in Büddelsteadt wurd´ es gedruckt -
Das bringt mir nun der Welten Ruhm.
Dies Buch, es ist mein Heiligtum.
Es ist der Weisheit letzter Schluß,
ein literarisch Hochgenuß,
setzt weite, neue Horizonte,
die man bisher nur ahnen konnte.
Bescheidenheit zählt viel für mich -
und deshalb schrieb und fragte ich
den größten Kritikus im Land,
wie er mein Buch - mein Werk - wohl fand.
Dann kam die Antwort mit der Post,
vom Kritiker Hans Heinrich Frost:
„Ihr Buch bringt - wie könnt’s anders sein -
ganz neue Perspektiven rein.
Vermittelt ungeheures Wissen
Wir sind hin- und auch hergerissen.
Es gibt - dies lernten wir dabei -
in Büddelstaedt ‘ne Druckerei.
Das Buch wurde natürlich nie geschrieben
Das Klavierkonzert
Gedämpft war der Ton, und man sprach nur ganz leise.
Selbst Garderobenmarken auf Ihre Weise
sie wechselten still nur von Hand zur Hand,
damit man zum Schluss alles wieder fand.
Auch der Saal füllte sich ohne Lärm, ohne Schreien,
von der ersten bis hin zu den hintersten Reihen.
Der Vorhang, rotsammet und schön wie Apoll
verhüllte die Bühne geheimnisvoll.
Ein ganz leises Klingeln ertönte durch Haus.
Das Licht wurde dunkel, doch es ging nicht ganz aus.
Ein zweites, ja auch gar ein drittes Mal
erklang dies Geräusch noch im festlichen Saal.
Dann löschten die letzten der Lampen ihr Licht.
Man atmete kaum und mit erstem Gesicht
starrte alles nach vorn, was sich dort wohl nun tat,
als der Vorhang sich hob, wie´s nun mal obligat,
beim Klavierkonzert ist. Doch dahinter war´s dunkel,
bis ein Strahler erstrahlt und in kristall´nem Gefunkel
erglitzert ein Flügel, wie kein schön´ren man fand,
auf dem ganz in Gold das Wort Bechstein nur stand.
Und dann wechselt das Licht hin zum hinteren Teil
und ein Mann erscheint und es braucht eine Weil´,
bis dass er nach vorn kommt und sich leicht verbeugt,
und sein Anblick den letzten nun auch überzeugt,
dass so schwarzbefrackt und mit schlohweißer Mähne
nur Genies erscheinen, so wie heut - notabene.
Als der Beifall nun anschwoll zum wahren Orkan,
war alles dem Meister nur zugetan.
Da hebt dieser berühmte Klaviervirtuose
nur ganz leicht seine Hand mit genieart´ger Pose.
Und die Stille erscheint wie ein sich schließendes Buch
und schwebt über allem als dämpfendes Tuch.
Und er geht, nein er schreitet zum Flügel jetzt hin
und der Atem er stockt, denn nun kommt der Beginn.
Doch das Tastenspiel kann nur dann gut gelingen,
lässt man alles was drin ist nach draußen auch klingen.
Denn bevor ein Chopin aus den Tasten erquillt,
hat der Meister die Absicht und ist auch gewillt,
den Flügel zu öffnen, dass das Publikum sieht,
wie´s drin ausschaut und was mit den Tönen geschieht.
Doch der Deckel rutscht ab und kracht auf´s Klavier
und das Publikum lacht jetzt ganz laut ungeniert.
Wie ein Sprecher dem Publikum später erklärt,
brach´s dem Künstler die Hand; er sei sonst unversehrt
Zirkus.
Heut steht Zirkus auf dem Plane.
Ein Gedanke. Wundervoll.
Und am Sonntag nach dem Kaffee
starten wir dann hoffnungsvoll
zu dem Zirkuszelt dem großen,
das weit sichtbar aufgebaut.
Oma, Opa, Enkelkinder
schnell auf das Programm geschaut.
Nach dem Clown, der mit der Nase
einen Pinguin jongliert,
kommt ein Pudel, dessen Rücken
sich mit dreizehn Affen ziert.
Stark, wenn in der Raubtiernummer
ein Dompteur durchs Feuer springt,
und der Riesenschlange Eva
mal der Würgegriff misslingt.
Doch dann wird es gänzlich stille.
Nur das Atmen hört man laut,
wenn inmitten der Arena
man auf Akrobaten schaut.
Trommelwirbel und Sirenen,
schöner kann es gar nicht sein:
Glitterhafte, bunte Menschen,
Lichterstrahl und heller Schein.
Und man schichtet aufeinander
auf den Schultern von ‘nem Mann
sechzehn wunderschöne Frauen,
dass ein Mensch das tragen kann?!
Auf die Frauen Tisch und Stühle
bis hinauf zum Zeltenhimmel.
Und dann klettert bis zum Tische
obendrauf ein weißer Schimmel.
Trommelwirbel, Totenstille.
Ist noch eine Steig’rung drin?
Da - ein Mann im roten Smoking
tritt zu diesem Aufbau hin.
Und mit Wagemut und Können
steigt er langsam aber sicher
auf die Frauen, Tische, Stühle
zu dem Schimmel. - Meisterlicher
kann es wirklich nun nicht werden.
Doch da hat man weit gefehlt.
Denn der Mann steigt auf den Schimmel,
scheint von Übermut beseelt.
Auf dem weißen Schimmel sitzend,
dreht er eine Pirouette,
greift nach hinten - so als wenn,
er dort was verborgen hätte.
Und zum Vorschein kommt,
man sieht es, eine goldne Violine.
Ihr entlockt er zarte Töne,
dies mit ausdrucksvoller Miene.
Ja, es grenzt schon an ein Wunder.
Akrobat im Himmelslicht.
Selbst dem Schimmel laufen Tränen
übers Pferdeangesicht.
Jetzt muss gleich der Beifall toben,
Jubel, Trubel , Blumenmeer.
Doch da hört man eine Stimme
von der achten Reihe her:
„Schade, kann ich da nur sagen,
dies war wirklich nicht sehr viel.
Neulich im Konzert gewesen,
weitaus bessres Geigenspiel“.
Texte: © Roland Hass (Texte)
Tag der Veröffentlichung: 02.02.2011
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Widmung:
Mein erstes Buch
Das Kavierkonzert
Zirkus