Spring
Tagelang schon saß ich einfach da und schaute nur aus dem Fenster ohne überhaupt etwas zu sehen. Alles war so weit von mir entfernt. Sogar mein damaliger Freund mit dem ich zusammen lebte war weit weg für mich. Ich wollte und konnte auch niemand mehr an meine Gedanken teil haben lassen. Ich sperrte alle aus meinem Leben aus. Es gab nur noch mich und meine immer wieder kreisenden Gedanken. Immer dasselbe und immer wieder von vorne. Der Tot von meinem Onkel lag nun schon über 1 Jahr zurück. Er war für mich mehr als ein Onkel, denn er hatte mich großgezogen. Er war für mich auch Vater und bester Freund zugleich. Als er starb war ich nur sauer auf ihn weil er mich alleine zurück gelassen hatte. Dieser Gedanke und der das meine restlich Familie 800 Km weit weg wohnte ging mir immer wieder durch den Kopf. Ich hasste mein Leben. Ich war in einer Stadt in der ich mich nicht wohlfühlte, die Menschen die mir wirklich was bedeuteten waren zu weit weg und einfach zum Telefon zu greifen um sie anzurufen konnte ich aus irgendeinen Grund nicht. Ich war in einem großen schwarzen Loch. Heute weis ich das man sich nicht schämen braucht aber damals war ich zu feige um Hilfe zu bitten. Einfach zu sagen, hallo mir geht es schlecht und ich brauche Hilfe. Vielleicht muss man aber auch erst solche Erfahrungen machen bevor man erkennt das es einem so schlecht geht das man es ohne Hilfe nicht mehr schafft. Ja nun saß ich da so am Fenster und sah nicht nur einfach so raus. Nein an diesem Tag schaute ich immer nur in die Tiefe und dachte wie einfach es doch war. Fenster auf und springe! Das dachte ich immer und immer wieder. Dann wäre alles vorbei und ich hätte diesen verdammten schmerz in mir nicht mehr. Und dann auf einmal war ich ganz ruhig, mir kam es sogar so vor als wäre ich wieder viel fröhlicher. Dann ging alles ganz schnell. Ich schickte meinen damaligen Freund weg, wartete ein paar Minuten und dann sprang ich einfach. Das letzte an was ich mich noch erinnern kann war das ich dachte wie einfach das doch war. Dann war alles dunkel. Als ich wieder zu mir kam lag ich in einem weißen Bett und daneben stand ein Arzt der versuchte mir zu erklären was geschehen ist. Es war irgendwas mit glück gehabt und genau aufs Gesicht gefallen. Ich war einfach zu benommen um ihn richtig zu verstehen. Das einzige was ich verstand war das ich immer noch lebte und das machte sich jetzt auch auf schmerzlichste Weise bemerkbar. Wenn ich schon nicht durch den Sprung gestorben bin dann, so war ich mir sicher, würde ich 100 % an den Schmerzen sterben. Ein zweiter Arzt kam hinzu, Psychologe, der mir nahe legten wenn ich körperlich wieder hergestellt wäre sollte ich doch freiwillig eine Therapie machen. Ich musste wohl zugestimmt haben, denn nach einer 6 Stündigen OP und vielen endlosen Tagen des Bangens ob ich wohl jäh wieder etwas schmecken oder riechen könnte verlegte man mich. Am Anfang fühlte ich mich sehr Fremd unter all den anderen Menschen auf meiner Station das ich es schon fast bereute gesprungen zu sein. Auf Gespräche mit meinen Arzt oder mit anderen Patienten lies ich mich so gut wie nicht ein. Bis zu dem einen Tag als ich alleine im Garten war und auf einmal ein Mitpatient vor mir stand und mich regelrecht nieder machte. Ich kann mich nicht mehr so genau an alles erinnern aber an 2 Sachen dafür umso mehr. 1. Das er mich fragte wer mir das Recht gegeben hat, das ich mich selber umbringe und 2. Ob ich auch mal an die Menschen gedacht habe die mich lieben. Er hatte Recht denn ich hatte bis zu dem Zeitpunkt kein einziges mal an meine Familie gedacht. Von da an nahm ich regelmäßig meine Tabletten und an Einzel sowie auch an Gruppengesprächen teil. Auch trennte ich mich von meinen Freund und ordnete alles wieder neu.
Ich bereue es heute immer noch nicht dass ich gesprungen bin aber nun aus einem ganz anderen Grund.
Tag der Veröffentlichung: 01.08.2009
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