Geschrieben am 05.05.2015
Nachdruck, auch auszugsweise nur nach Genehmigung des Autors
Rechtschreibung nach bestem Wissen und Gewissen
Coverfoto: © / http://delskooo.deviantart.com
Gestaltung, Satz und Bildbearbeitung: Robin Jander
Es schreckte ihn auf. Das Gelächter welches den Raum erfüllte war fröhlich. Viel zu fröhlich für Torbens Geschmack. Viel fröhlicher, als er sich selbst seit langem gefühlt hatte. Beinahe klang es so, als würde es ihn und seine Gefühle verhöhnen.
Natürlich konnte er es nicht ignorieren. Er musste nachsehen, woher es stammte; wer sein Jetzt so sehr störte.
Sie waren es. Die Jugendlichen, die ihm an der Theke direkt gegenüber saßen. Bereits bei ihrer Ankunft waren sie ihm aufgefallen.
Erinnerungen waren es, die sie mit sich herein gebracht hatte. Gute. Schlechte. Erinnerungen, welche er nicht länger in sich tragen wollte, konnte er sie doch nicht ertragen.
Zu schmerzvoll war es sich dran zu erinnern, dass er einst so wie sie gewesen war. Früher. In der Vergangenheit. Vor, so schien es ihm, unendlich langer Zeit.
Einst war auch er selbst von Menschen umgeben gewesen, welche mit ihm gelacht hatten. Sie hatten ihn gemocht, hätten sich vorbehaltlos vor ihn gestellt, seine Schlachten mit ihm gemeinsam geschlagen.
Und wo war er heute? Torben saß alleine an einer Theke, in einer Kneipe voller Menschen. Niemand war hier, der ihm selbst etwas bedeutet oder, was wahrscheinlich wichtiger war, dem er etwas bedeutete.
Was war bloß mit ihm geschehen, was war aus ihm geworden? Wann hatte er begonnen falsche Entscheidungen zu treffen? Und welche waren das überhaupt gewesen? Warum konnte er nicht mehr zurück blicken ohne Bitterkeit in sich zu spüren?
Innerlich verfluchte er all die Menschen, die es nicht wert gewesen waren, bei ihnen zu bleiben. Er verfluchte all ihre Unzulänglichkeiten. Er verfluchte all seine Unzulänglichkeiten. Er verfluchte sich selbst. War er es doch, der es nicht Wert gewesen war. Nicht Wert dass sie bei ihm blieben. Er verfluchte all seine Entscheidungen, die ihn hier her gebracht hatten.
Wieder ewinmal ging er sie in Gedanken durch. Im Grunde kannte er jede einzelne, hatte sie schon unzählige Male in seinem Geiste durchgespielt und sich vor Augen geführt, wie eine andere Entscheidung ihn näher zu sich selbst, seinem wahren ich, zurück geführt hätte.
Doch es war vergebens. Entscheidungen konnten nicht rückgängig gemacht werden. Die eigene Geschichte konnte nicht umgeschrieben werden. Wie sehr es sich auch wünschte, es würde ihm niemals möglich sein.
Frustration breitete sich in ihm aus. Aggression brachte sie mit sich. Überwältigend. Totalitär. Absolut.
Schon wollte ihnen ein Ventil verschaffen. Wollte die Gruppe vor sich anschreien. Ihnen in Gesicht schreien, was er von ihnen hielt. Wie sehr er sie alle verabscheute.
Und doch konnte er es nicht. Viel zu tief war der Schmerz in ihm. Viel zu klar die Erinnerung. Die Erinnerung an ihn selbst.
Dies war der Moment. Der Moment wo er es erkannte. Torben traf es wie ein Schlag.
Einmal mehr waren die Erinnerungen in seinen Geist vorgedrungen. Einmal mehr sah er seine entscheidungen vor seinem inneren Auge. Und er hatte es erkannt. Zum ersten mal hatte er sie wirklich entlarvt. Noch nie zuvor hatte er sehen können was sie waren.
Nie hatte er Entscheidungen getroffen. Hatte sich nur ergeben. Ergeben in das Hier und Jetzt. Ergeben in den Strom des Lebens.
Doch hatte er nie in ihm zu schwimmen begonnen; war immer nur mit ihm getrieben.
So Viele Träume hatte er geträumt, so viele Ziele achtlos liegen gelassen. So lange sie in seinem Kopf gewesen waren, hatte er sie bewahren können, ohne sie dem Leben entgegen werfen zu müssen. Hätte er es getan, hätte er sich dieser Schlacht gestellt, er hätte verlieren können. Nie hatte Torben dies riskiert.
Doch hatte er nicht dennoch verloren? War ein Traum, welcher nur geträumt, doch nie gelebt worden war nicht doch am ende Wertlos? Was sollte sein Leben schon bringen, wenn es letzten Endes doch gar nicht seines gewesen war?
Wann hatte sich Torben denn schon für etwas eingesetzt. Wann hatte er widersprochen, Wann hatte er „Nein“ gesagt? Wann hatte er versucht das zu tun, was ihm wichtig war?
Mit wackligen Beinen stand Torben auf und legte ein paar Scheine auf die Theke. Die Jugendlichen blickten, wie durch Zufall kurz auf und sahen ihn an.
Erst jetzt konnte er sie wirklich erkennen. Erkennen, als das was sie wirklich waren: Unschuldig.
Diese Unschuld, die Unschuld, der Jugend würde er selbst wohl nie wieder erlangen können. Dennoch könnte er sie sich zum Vorbild nehmen. Er würde versuchen können wie sie zu leben. Ihre Reinheit, ihre unverdorbene Sicht auf die Welt übernehmen zu können.
Sie sollte nicht länger nur seine Vergangenheit reperesentieren, sie könnten ihm seine Zukunft zeigen. Ihm zeigen, wie er einst war und wie er wieder sein würde.
Als Torben an ihnen vorbeiging, ihnen Dankte, ohne das sie auch nur eine Ahnung hatten warum, schaute er noch ein letzte Mal auf seine Uhr.
Es war 23:59. Höchste Zeit für ihn endlich aufzuwachen!
Tag der Veröffentlichung: 06.05.2015
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