Geschrieben am 06.11.2012
Nachdruck, auch auszugsweise nur nach Genehmigung des Autors
Rechtschreibung nach bestem Wissen und Gewissen
Coverfoto: © / xmanrho.deviantart.com
Gestaltung, Satz und Bildbearbeitung: Robin Jander
Als er den Raum betrat, sog der Wächter scharf die Luft ein. Schon häufig hatte sich ihm bereits solch ein Bild offenbart. Viel zu häufig, wenn man den Wächter gefragt hätte. Doch natürlich wäre niemand jemals auf die Idee gekommen ihm solch eine Frage zu stellen.
Dies alleine gehörte bereits zu dem Problem, ging es ihm durch den Kopf. Irgendwann einmal hatte irgendjemand fest gelegt, wie mit den Insassen zu verfahren sei. Welche folgen diese Regeln hatten, interessierte nun niemanden mehr. Höchstens die Wächter, die sie durchsetzen und mit ihren Folgen leben mussten. Und häufig nicht einmal diese.
Doch den Wächter berührte es. Es erschütterte ihn bis ins Mark. Wie häufig er noch einen solchen Ablick ertragen können würde, konnte er beim besten Willen nicht voraussagen. Nicht mehr allzu oft, ging es ihm auf.
Er versuchte den Körper vor sich nicht weiter zu beachten und statt dessen seine Pflicht zu tun. Es schien nur symptomatisch zu sein, was die Vorschriften, an welche er sich nun zu halten hatte, besagten. Zuerst galt es den Raum nach Hinweisen auf Beteiligte zu durchsuchen. Es könnte ja sein, dass jemand Hilfe geleistest hätte und somit bestraft werden müsse. Dies war wichtiger, als dem Lebewesen vor sich Ehre zu erweisen.
Folglich suchte der Wächter den gesamten Raum ab. Nicht das es viel zum durchsuchen gegeben hätte. Schließlich besassen die Bewohner dieses Ortes so gut wie nichts. Lediglich ein Schrank mit dem Allernötigsten, sowie ein Schreibtisch waren hier.
Ein nähere Untersuchung des Schrankes förderte nichts Besonderes zu Tage. Zwei Hosen, einen Pullover und drei T-Shirts. Dazu noch einige Garnituren Unterwäsche.
Den Gedanken beiseite schiebend, das kürzlich noch ein Mensch diese Kleidung getragen hatte, wand sich der prüfende Blick des Wächters dem Tisch zu. Als erstes fiel ihm ein Teller ins Auge, welcher die Reste der letzten Mahlzeit enthielten. Kein Besteck. Man machte sich wohl Sorgen, die Insassen könnten es als Waffe gebrauchen.
Unterbewusst schüttelte der Wächter den Kopf. Wenn die Menschen hier drinn Waffen benötigen würden, müssten sie wohl kaum eingesperrt werden müssen.
Dann jedoch viel ihm etwas auf. Vorsichtig, beinahe schon erführchtig schob der den Teller ein wenig zur Seite und betrachtete den Zettel, welcher direkt daneben lag.
Die Stirn des Wächters legte sich in Falten. Aus irgend einem Grund, welchen er nicht erkennen konnte, war es den Insassen verboten Papier und Stift in den Zellen zu haben. Wie hatte sein ehemaliger Besitzer wohl geschafft hieran zu kommen? Und was noch viel wichtiger war, was hatte er darauf nieder geschrieben?
Zuerst wollte er die Zeilen nur überfliegen, nicht zu tief in die Intimssphäre des Anderen eindringen, doch bereits nach wenigen Sekunden versank er in den Gedanken des Fremden...
Liebster!
Ich wage es nicht deinen Namen hier nieder zu schreiben, aus Angst sie könnten es gegen dich verwenden. Die einzige hoffnung die mir bleibt, ist dass du mich findest.
Doch genau so hoffe ich, du wirst nie zu sehen bekommen, was hier geschah!
Ich weiß wie seltsam dies klingt, doch ich glaube du wirst mich verstehen. Du wirst mich sicherlich so verstehen, wie du mich schon immer verstanden hast.
Aber du wirst dich auch nach dem „Warum?“ fragen. Du wirst dich fragen ob du etwas hättest sagen können. Ob du etwas hättest tun können. Ich kenne dich, du wirst dir selbst die Schuld geben. Tu das nicht!
Sie sind es! Sie waren es schon immer! Sie die uns hassen, sie die uns entführen, die uns einsperren, uns wie Tiere behandeln, und für das bestrafen, was wir sind!
Wie gestern kann ich mich daran erinnern, als sie mich holten. Und doch scheint es mir als sei es ein ganzen Leben her. Dabei sind es gerade einmal fünf Jahre.
Damals war ich gerade zehn geworden. Die Geschenke, die ich zum Geburtstag bekommen hatte lagen noch neben meinem Bett, weil ich sie unbedingt hatte bei mir haben wollen. Ganz genau kann ich mich an das energisch Schlagen an die Tür erinnern. Dann ein Krachen. Die Schreie meiner Eltern.
In jener Nacht hatte sich alles verändert. Sie hatten mir erzählt, dass ich ein Magier war. Zuerst hatte ich mich sogar darüber gefreut. Wie naiv ich damals doch gewesen war! Hirngespinnste von Harry Potter und dem Herrn der Ringe schossen mir durch den Kopf. Doch schnell erkannte ich welch Fluch meine „Gabe“ für mich werden sollte.
Sie erzählten mir, dass ich eine Abscheulichkeit wäre, wider dem Willen des Herrn. Dass meine Art eingesperrt, wenn nicht gar ausgemerzt gerhörte, auf das meine Seele auf ewig in der Hölle brenne. Diese Spinner!
Dann brachten sie mich hier her, in den Magiturm.
Ganz genau weiß ich noch wie ich jede Nacht weinte. Wochen lang. Und immer wenn mein schluchzen zu laut wurde, kam einer von denen, schrie mich an, ich solle leise sein. Oder sie schlugen mich. Oder beides. Für mich war es bereits die Hölle. Schon damals.
Warum lassen sie uns bloß am leben, wenn sie uns doch nur die Hölle auf Erden bereiten. Nur um uns als Werkzeuge gegen Geister, Werwölfe und was weiß ich noch zu verheizen? Sind wir nichts anderes als Schwerter für sie, die man wegschmeißen kann, sobald sie stumpf geworden sind? Ich weiß es nicht.
Nur eines weiß ich, ich wollte sterben. Zumindest bis du kamst.
Du warst für mich das erettende Licht in einer Welt voller Dunkelheit. Bei all den Schmerzen, all dem Leid hier, warst du Balsam für meine Seele. Du mein Liebster. Du mein Anker. Du mein Retter.
Nie hätte ich geglaubt, dass ein anderer Junge mir das hätte geben können, was du mir gabst. Doch du bist etwas besonderes. Bitte vergiss das nie! Du bist wertvoll. Von allem hier bist du der einzige von Wert!
Ein Jahr hatten wir beide gemeinsam. Doch sie haben entschieden, das es enden soll. Sie wollten mich von hier fortschaffen. Fort in einen anderen Magiturm. Warum kann ich nicht sagen. Vielleicht haben sie, Gott bewahre es, das mit uns heraus gefunden. Vielleicht haben sie auch einfach nur, einmal mehr, willkührlich gehandelt.
Doch ohne dich will ich nicht länger in dieser Welt des Leids und des Schmerzes wohnen. Nur mit dir habe ich mich hier noch wie ein Mensch fühlen können. Nur das „Wir“ gab mir einen Teil meiner Würde zurück. Wenn nun all das wegbricht, dann bleibt nichts mehr übrig. Nichts mehr, für das es sich zu Leben lohnt.
Ich gehe ohne Angst! Ich habe mich von ihnen gelöst. Nie wieder sollen sie über mich bestimmen! Ich bin an meinem Ziel. Diese Reise endet hier, die letzten Schritte muss ich alleine gehen.
Weine nicht mein Liebster! Weine nicht um mich. Ich habe meinen Weg gewählt, mein Schicksal selbst bestimmt.
Dennoch verlasse ich dich nicht. Nicht wirklich. Ich bin bei dir. Immer. Wo du auch bist, ich bin in deinem Herzen. Meine Seele brennt auf immer, nur für dich!
Ich gehe mit dir, auf deinem Weg. Wann immer du einsam bist, werde ich bei dir sein. Auch wenn du mich nicht siehst.
Ich Liebe Dich!
Marcus
Mit zitternden Fingern ließ der Wächter den Zettel sinken, besann sich dann jedoch eines besseren und steckte ihn in die Tasche. Würde jemand Anderes ihn finden, würde der Abschiedbrief zweifelsohne in der Müllverbrennung enden. Das konnte er nicht zu lassen.
Viel zu lange schon hatte er einfach nur zugeschaut. Das musste ein Ende haben. Dieser Magus, nein dieser gerade einmal fünzehn jährige Junge, schollt der Wächter sich selbst, war eines der Opfer seiner eigenen Untätigkeit. So durfte es einfach nicht bleiben.
Und wenn er ansonsten schon nichts für ihn getan hatte, so konnte er doch wenigstens versuchen heraus zu finden, wem der Brief gegolten hatte und ihn zustellen.
Was dannach geschehen würde, konnte der Wächter noch nicht vorraussagen. Doch er, Jan, würde sein möglichstes tun, das schworr er sich!
Tag der Veröffentlichung: 07.11.2012
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