Cover



Geschrieben am 20.03.2012

Basiert auf der Kurzgeschichte "Schlittenfahren" von Helga M. Novak

Nachdruck, auch auszugsweise nur nach Genehmigung des Autors
Rechtschreibung nach bestem Wissen und Gewissen
Coverfoto: © / jacobjellyroll.deviantart.com
Gestaltung, Satz und Bildbearbeitung: Robin Jander




Es war ein wunderschöner Anblick. So lange er denken konnte lebte er bereits in dem kleinen Haus am Bach. Doch so schön hatte er den großen, verwahrlost wirkenden Garten noch nie gesehen.
Die Nacht zuvor hatte es geschneit. Nun, in der frühen Abendstunde reflektierte die weiße Pracht die große, rote Sonne, welche wie ein triefendes Auge tief am blauen Himmel stand.
Es hätte einfach toll sein können, befand Elias, wäre nicht Andreas, sein nörgelnder, kleiner Bruder gewesen.
Er wollte einfach nicht von dem Schlitten herunter. Dabei war ihr Vater doch über deutlich gewesen. Genau zwei Dinge hatten sie zu beachten, wenn sie hier draußen spielen wollten.
Erstens sie beide durften den Schlitten benützen. Und zweitens, was beinahe noch wichtiger war, wer Schreit, der musste rein gehen.
Nun war Andreas dabei alles zu verderben. Nicht nur, dass er immer zu alleine fahren wollte. Und das wo er noch nicht mal sprechen, geschweige denn alleine rodeln konnte. Nein, er versuchte auch noch seinen Willen lautstark durch zusetzten.
Bestimmt würde gleich ihr Vater heraus kommen und ihrem abendlichen Spaß ein Ende setzten.
Er sollte Recht behalten. Es dauerte keine Minute, bis die personifizierte Autorität die Tür aufriß. Mit rot unterlaufenden Augen und wildem Blick starrte ihr Vater die Buben an.
Elias versuchte sich so klein zu machen, wie es eben ging, nur um der Aufmerksamkeit des Mannes vor sich zu entgehen. Auch Andreas hörte beinahe in der selben Sekunde auf zu zetern und schauten die hünenhafte Erscheinung vor sich betreten an.
„Wer brüllt kommt rein“
Alleine diese Worte reichten aus um Elias komplett verstummen zu lassen. Er kannte seinen Vater lang genug um zu wissen, dass man ihm in einer solchen Situation besser nicht widersprach. Die möglichen Folgen standen ihm nur zu gut vor Augen.
Entsprechend erleichtert war Elias, als er ohne ein weiteres Wort zu sagen wieder zurück ins düstere Innere ging.
Andreas hingegen war scheinbar noch zu klein um die Zeichen richtig deuten zu können. Elias hatte sich lediglich dem Schlitten nähern wollen, da schrie der kleine schon wieder aus vollem Halse.
Elias wollte ihn noch anflehen. Ihm sagen, er solle doch aufhören. Ihm sagen, dass ihr Vater wieder käme. Ihm sagen, dass das schlimme enden können.
Doch es war zu spät. Schon stand der vor Wut Bebende erneut vor ihnen. Diesmal, so war Elias auf der Stelle klar würden sie nicht so glimpflich davon kommen.
Und in der Tat; schon wurde Andreas hinein befohlen. „Wer brült, kommt rein“, hatte ihr Vater zu ihnen gesagt. Wie immer, wenn er so etwas sagte, meinte er es auch.
Doch zu Elias Überraschung ließ sich doch noch etwas in dem Mann vor sich erweichen. Ob es nun Andreas tief trauriger Blick oder sein herzzerreißendes Schluchzen war, konnte Elias nur erraten. Doch die Autorität ließ sich beugen; ermahnte sie zwar, ließ es aber dabei bewenden.
Für Elias wirkte es wie ein kleines Wunder. Ein Wunder, welches er nicht auf die Probe stellen oder gar herausfordern wollte.
Allerdings bedeute genau dies auch, dass er Andreas so lange Schlitten fahren lassen musste, wie dieser wollte. Aber war das nicht die Sache Wert? War es nicht auch Andreas gewesen, der das Herz des Alten aufgeweicht hatte? Hatte er es nicht somit auch verdient seinen Spaß zu haben? Wer war Elias um sich jetzt noch seinem Bruder in den Weg zu stellen?
Zudem würde er schließlich ebenfalls davon profitieren. War nicht jede Minute hier draußen besser als dort drinnen? War es die Zeit hier nicht Wert ein wenig zurück zu stecken? Würde er sich nicht ärgern, wenn er wegen seines Verhaltens früher als er wirklich musste hinein in dunkle gezwungen wurde?
Unwillkürlich wendete sich sein Blick hinüber zu dem Jüngeren und beinahe wäre Elias in schallendes Gelächter ausgebrochen.
Der Anblick wie Andreas falsch herum auf dem Schlitten saß und versuchte zu rodeln war einfach zu komisch. „Gib mal her“, redete auf den Kleinen ein, “ich zeige dir wie's richtig geht“.
Doch der Jüngere, der Elias offenkundig noch nicht verstehen konnte, schien Elias Griff nach dem Schlitten falsch zu verstehen. Beinahe Augenblicklich fing er ein weiteres Mal unartikuliert zu brüllen an.
Schon konnte Elias die Unheil verkündende Gestalt seines Vaters sehen. Reflexartig ließ er den Schlitten los und Andreas so seinen Willen.
Er konnte nur hoffen, dass dieser Zwischenfall ihren Vater nicht zu Weiterem veranlasste.
Die befürchtete Reaktion jedoch schien glücklicherweise aus zubleiben. Statt sich ein weiteres Mal mit seinen söhnen zu beschäftigen schien sich ihr Vater damit zu begnügen die Landschaft zu betrachten und dann wieder zurück ins Haus zu gehen.
Gerade wollte Elias ein weiteres Mal ob seines Glückes aufatmen, als er ein plätscherndes Geräusch hinter sich vernahm.
Vollkommen irritiert drehte er sich in Richtung des Geräusches um. Das was er dort sah ließ ihn stocken. Sekundenlang starrte er einfach nur auf den Bach. Das konnte, nein es durfte einfach nicht wahr sein.
Endlich wurde Elias die Situation vollkommen bewusst. Andreas war mit dem Schlitten in den Bach gefallen und strampelte nun um sein leben.
Elias musste Hilfe hohlen, und zwar schnell. Aus vollem Hals schrie er:
„Vati, Vati, Vativativati, jetzt ist Andreas in den Bach gefallen!“
Die Haustür öffnete sich einen Spalt breit. Eine Männerstimme, die ihres Vaters rief:
„Wie oft soll ich das noch sagen, wer brüllt, kommt rein.“
Elias wusste nicht länger was er noch sagen sollte. Vollkommen verunsichert wanderte sein Blick zwischen dem verunglücktem Bruder und erbosten Vater hin und her.
Was sollte er nur tun?

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 22.03.2012

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