Cover


Geschrieben am 24.11.2011
Nachdruck, auch auszugsweise nur nach Genehmigung des Autors
Rechtschreibung nach bestem Wissen und Gewissen
Coverfoto: © / Acerbusphoenix.deviantart.com
Gestaltung, Satz und Bildbearbeitung: Robin Jander




Für Dennis war es ein ganz besonderer Abend. Zehn Jahre lang hatte er die Schule ertragen müssen. Nun würde es endlich ein Ende haben. Dies war der Abend seines Abschlussballs.
Bereits Wochen vorher hatten seine Mitschüler von nichts anderem mehr sprechen können. Immerzu war es bei ihnen um Garderobe oder Dates gegangen.
Zeitweilig hatte es Dennis sogar als störend empfunden. Obwohl er sich mindestens so sehr wie alle anderen auf diese Veranstaltung freute, so zeigten ihm die Gesprächsthemen, wie weit entfernt er sich doch von seinen Klassenkameraden befand.
Nicht im Traum hatte Denis daran gedacht ein Mädchen zu fragen. Und Gott sei Dank war auch keine auf ihn zu gekommen; nicht das er es erwartet hätte.
Auch hatte sich niemand damit aufgehalten mit Dennis über das bevorstehende Event zu sprechen.
Warum hätte das auch jemand sollen, schoss es Dennis durch den Kopf. Schließlich war es ihm in den vergangenen vierzehn Monaten nicht gelungen auch nur eine Bekanntschaft zu schließen, geschweige denn einen Freund zu finden.
Anfangs hatte es Dennis nicht belastet, doch mit der Zeit konnte er sich damit abfinden. Lediglich ab und an, so wie in der Zeit vor dem Ball, versetze es ihm doch einen Stich.
Dies waren die Momente in denen er an sich selbst und an der Art und Weise wie er mit sich umging zweifelte.
Vielleicht hätte er nicht ganz so offensiv sein sollen? Möglicherweise hätte er doch nicht von vornherein mit offenen Karten spielen sollen?
Aber wäre es wirklich besser gewesen nicht ehrlich zu sein? Hätte er sich selbst etwa verleugnen sollen? Und selbst wenn, hätte Dennis das wirklich gekonnt, oder gar gewollt?
Die Antwort auf diese Fragen war ein ganz klares 'Nein'. Und doch hatte es ihm von Begin an zu schaffen gemacht.
Schließlich hatten es seine Mitschüler sehr schnell mitbekommen. Und da er nichts getan hatte um es zu dementieren war es eben so schnell in seiner neuen Schule verbreitet worden.
Dennis war schwul.
Schon sehr bald hatte er es zu spüren bekommen, dass er anders war. Die Anderen hatten über ihn geredet. Dabei war es vollkommen egal, ob er nun daneben stand oder ein paar Meter entfernt.
Beinahe vom ersten Tage an war er, Dennis, Gesprächsthema Nummer eins gewesen.
Dabei empfand er sich selbst als nichts besonderes. Er stand nun mal auf Jungen. Na und? Was war daran nun so außergewöhnlich?
Doch in der neuen Schule sah man es offenbar anders.
Nicht nur dass Dennis sich selbst rasch am äußersten Ende der Hackordnung wieder fand. Nein er musste sich auch andauernd der feindlichen Sprühe der anderen erwehren.
Der schlimmste unter ihnen war Daniel. Er war der wahre Grund dafür, warum die Schulzeit für Dennis im letzten Jahr so hart gewesen war.
Daniel. Dennis musste unwillkürlich bei dem Gedanken an diese Jungen seufzen.
Sicherlich würde er ihn auch an diesem Abend wieder sehen. Wie sollte er bloß reagieren? Eigentlich hätte er ihn verabscheuen müssen. Vielleicht sogar hassen. Hatte er doch nichts weniger als seine persönliche Hölle über Dennis gebracht.
Und doch konnte er es nicht. Zwar hatte Daniel ihn bei jeder sich bietenden Möglichkeit beleidigt oder bedroht und doch konnte Dennis ihn nicht hassen. Dafür war er einfach zu süß.
'Wie pervers', dachte Dennis bei sich. Insgeheim stand er auf eben jenen Jungen, der ihn am meisten auf dieser Schule zu verabscheuen schien.
Doch nichtsdestoweniger konnte er sich dieses Gefühls in keinster Weise erwehren.

Genau so empfand er auch jetzt.
Einige Stunden waren bereits vergangen und Dennis stand ebenso wie viele Andere auf der Tanzfläche.
Der Ball war wirklich ein voller Erfolg.
Alle Animositäten schienen vergessen zu sein, nun da sie alle die Schule überstanden hatten. An ihre Stelle rückten Gefühle der Freundschaft und der unbändigen Freude.
Dennis genoss es sich in diesem Taumel der Emotionen zu befinden. Er tanzte ausgelassen mit Mädchen und Jungen, mit denen er ansonsten nichts zu tun gehabt hatte. Und es fühlte sich nicht einmal merkwürdig an. Ganz im Gegenteil schien es ganz natürlich zu sein. So als wäre all das Vergangene nur ein Vorspiel auf den heutigen Abend gewesen.
Zumindest war es so bis er Daniel auf der Tanzfläche erkannte.
Wie sollte sich Dennis nun verhalten?
Sein erster Impuls war zu fliehen. Er wollte runter von der Tanzfläche und so viel Abstand zwischen sich und Daniel bringen, wie er nur konnte.
Doch würde das wirklich etwas bringen? Wäre es nicht genau das Falsche? Warum sollte er schließlich abhauen, wenn er doch nicht einen einzigen Grund fand warum er sich seiner schämen sollte?
Doch auch Daniel schien verunsichert zu sein. Nur zögerlich blickte er zu Dennis. Nichts von seiner sonst so selbstsicheren, ja sogar überheblichen Art schien noch übrig zu sein. Oder Irrte sich Dennis?
Nein so sehr konnte er gar nicht daneben liegen. Daniel schien bei ihrem ungeplanten Augenkontakt regelrecht in sich zusammen zu sacken.
Was war da bloß los, fragte Dennis sich.
In der Vergangenheit schien Daniel immer so stark und unabhängig zu sein. Insbesondere wenn Daniels Augen auf Dennis ruhten. Dann erschien er ihm stets als eine Art Übermensch, der über ihn richten konnte. Doch heute Abend war wohl alles anders.
Nichts von Daniels Stärke und Überlegenheit war übrig geblieben.
Derart verunsichert und beinahe schon verschämt drein blickend hatte Dennis diesen Jungen noch nie gesehen.
Er trat vollkommen fahrig von einem Bein auf Andere und wirkte dabei auf Dennis als wollte er etwas tun was ihn alle Kraft kostete.
Wie Recht Dennis doch habe sollte.
Gerade wurde der gespielte Song gewechselt. Der Übergang war hart. Eben noch Lady Gagas „Born this Way“, nun die harten klänge von Metallicas „The Unforgiven“. Dennoch schien es Dennis passend zu sein.
Kurz blickte er wieder zu Daniel herüber. Bei diesem schien sich etwas zu verändern. Vielleicht war es der Text des neuen Tracks? Dennis konnte die Beweggründe nur erahnen. Doch es war überdeutlich, dass sich bei dem Anderen etwas veränderte.
Daniels Schultern strafften sich.
Von neuer Selbstsicherheit erfüllt ging er auf Dennis zu. Dieser befürchtete schon Opfer einer neuen Attacke des anderen werden zu müssen. Doch etwas vollkommen anderes sollte folgen.
Erst als Daniel ganz dicht bei Dennis stand blieb dieser stehen. Dennis konnte regelrecht die wärme des Fremden Körpers spüren und den Duft des Jungen einsaugen.
Es war Seltsam. Trotz allem was gewesen war durchfuhr ihn dabei ein wohliger Schauer. Vielleicht weil Dennis spürte, dass hier alles vollkommen anders lief, als er es bis jetzt gewohnt war?
Dennis kam nicht mehr dazu diesen Gedanke zu ende zu führen.
Daniels Lippen kam ganz nah heran an sein Ohr, berührten sie fast und hauchten ihm jene Worte zu, die ihm für ewig im Gedächtnis bleiben würden:
„Dennis, es tut mir so leid.“
Beinahe hätte Dennis geglaubt sich verhört zu haben. Doch das konnte nicht sein. Schließlich hatte er jene Worte überdeutlich vernommen. Und dabei hatte sich sogar etwas tief in ihm bewegt.
Doch statt zu antworten, konnte er nicht anders und den Großen vor sich nur ungläubig anstarren.
Einmal mehr nahm er jedes Detail seines Gegenübers zur Kenntnis.
Daniel stand nun vor ihm. Seine muskulöse Statur war in einen enganliegenden Anzug gezwängt, der nur wenig verborgen halte konnte. Die blonden, glänzenden Haare hatte er wuschelig ins Gesicht gekämmt.
Doch was am faszinierendsten auf Dennis wirkte, waren die glänzenden, blauen Augen welche ihn durchdringend anschauten.
In ihnen war ein Flehen zu erkennen, welches Daniels bewegende Worte in den Schatten stellten.
Zum ersten Mal konnte Dennis in ihnen etwas anderes erblicken als Hohn und Spott. Auch Abscheu und Ekel waren wie verbannt. An ihre Stelle war etwas gänzlich neues getreten.
Vielleicht war es schon immer da gewesen? Womöglich hatte es Daniel ihnen nie gestattet etwas anderes zu zeigen? Doch sei es wie es sei, nun war es da.
Und es traf Dennis wie ein Blitz.
Es war einfach so viel Wärme, Zuneigung und auch versteckte Pein in diesem einen Blick, dass Dennis nicht anders konnte als Daniel zu vergeben.
Dennis vergab ihm auf der Stelle denn nun wusste er warum Daniel immer so zu ihm gewesen war. Alleine dieser Blick hatte es ihm verraten. Zuviel Zuneigung und zu viel Liebe steckte in ihm um es nicht zu wissen.
Doch Daniel schien nicht mit zu bekommen, was in Dennis vor ging. Betreten schaute er Dennis an und hauchte ein letztes „Ich wollte nur das du weißt, dass es mit leid tut“, dann drehte er sich um und schickte sich an zu gehen.
Doch in diesem Augenblick, wollte Dennis diesen Jungen nicht mehr gehen lassen.
Ja Daniel hatte ihn ihm den letzten Monaten zugesetzt. Doch warum? Ganz bestimmt weil er selbst verunsichert gewesen war. Und nun da er ihm dies eingestand, wer war Dennis ihn so gehen zu lassen?
Und außerdem regte sich noch etwas anderes ihn ihm. Dennis spührte wieder eben das, was er bereits vor so vielen Monaten verspürt hatte. Doch nun konnte er Gewissheit haben. Er wusste einfach, das Daniel ebenso empfand, wie er selbst.
Warum also sollte er diesen tollen Jungen vor sich einfach gehen lassen? Sollte er ihn etwa dafür bestrafen, dass er sich so unendlich schwer mit seinen Gefühlen getan hatte?
Nein das konnte Dennis einfach nicht.
Wie von alleine streckte er seine Hand aus um den Anderen am Weggehen zu hindern.
Sofort als er die fremde, warme Haut ertastete, fühlte Dennis wie sich etwas in seinem tiefsten inneren bewegte. Etwas dass er nie in sich vermutet hätte. Eine gut uralte und zutiefst befriedigende Kraft durchflutete ihn.
Dies war der Moment an dem Dennis nicht mehr nachdenken brauchte. Etwas in ihm wusste einfach was zu tun war und er ließ diesen Teil nur zu gerne gewähren.
Langsam drehte sich Daniel zu ihm herum. In seinen Augen spiegelte sich wieder, wie er sich wohl fühlen musste: Hin und her gerissen und vollkommen verunsichert.
Folglich würde Dennis den ersten Schritt wagen müssen.
Doch war dies hier der richtige Anlass? Hier unter all den anderen Mitschülern?
Andererseits konnte Dennis beim besten Willen nicht sehen, wie es ihm jetzt noch schaden konnte.
Also folgte er einfach seinem innersten Verlangen.
Sehr vorsichtig näherte er sich immer weiter Daniels Gesicht, zog ihn während dessen sogar an sich heran.
Der Junge, den er begehrte wehrte sich nicht im geringsten. Nein er schien das bevorstehende sogar zu begrüßen, schloss gar die Augen, kurz bevor sich ihre Gesichter trafen.
Für Dennis war es genau die Bestätigung, die er brauchte. All seine Befürchtungen und Zweifel vielen ab von Dennis.
Und schließlich trafen sich vor den Augen aller anderen ihre Lippen.
Viele starrten sie an und Stimmen erhoben sich. Doch die Jungen störten sich nicht daran.
Plötzlich war es Liebe.

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Tag der Veröffentlichung: 24.11.2011

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