Geschrieben am 23.11.2011
Nachdruck, auch auszugsweise nur nach Genehmigung des Autors
Rechtschreibung nach bestem Wissen und Gewissen
Coverfoto: © / vorticity.deviantart.com
Gestaltung, Satz und Bildbearbeitung: Robin Jander
Als Tim die Straßenseite überquerte musste er sich nicht einmal umsehen. Es fuhr ohnehin kein Auto über die verschneiten Straßen. Schließlich war Heiligabend und die Menschen waren alle daheim bei ihren Familien.
Auch Tim beeilte sich nach Hause zu kommen. Zu Weihnachten wollte er nicht draußen in der Kälte zu bringen. Sein Arbeitgeber war der einzige Grund warum er überhaupt noch so spät unterwegs war. Wie so oft hatte es einen sogenannten Notfall gegeben und Tim war zu Überstunden verdonnert worden.
Allerdings gab es auch Vorzüge am Vorweihnachtsabend durch die dunklen Straßen zu wandern, dachte Tim als er an einem wunderschön ausgeleuchteten Haus vorbei ging. Etwas unschlüssig blieb er vor dem Haus stehen.
Bereits als Kind hatte man ihm beigebracht, dass man das was er vorhatte eigentlich nicht machen solle. Die Neugierde war jedoch stärker als die gute Erziehung. Tim beschloss etwas näher an das Haus heranzugehen und durch das große Wohnzimmerfenster zu spähen.
Alleine schon der Weihnachtsbaum, der im Inneren zu sehen war, versetzte Tim in besinnliche Stimmung. Es war einfach irre, wie er fand.
Der Baum maß gut und gerne zweieinhalb Meter und reichte vom Boden bis ganz zur Decke. Geschmückt war er mit großen, roten Christbaumkugeln und farblich passenden Schleifen. Die Äste waren mit Engelshaar behangen. Statt einer Lichterkette die den Gesamteindruck leicht hätte zerstören können standen rings um den ihn kleine Teelichter, die den Raum in ein warmes Licht tauchten.
Noch mehr Freude als das wunderschöne Grün bereite Tim jedoch die Menschen im Haus zu beobachten.
Die ersten auf die sein Blick fiel, waren zwei ältere Herrschaften, die auf einer großen Couch saßen. Irgendwie waren sie Tim auf der Stelle sympathisch, auch wenn er sie noch nie in seinem Leben gesehen hatte.
Die ältere Dame trug eine rote Bluse, die farblich mit ihrem schlohweißen hochgesteckten Haar kontrastierte. Der Mann hingegen war weniger bunt angezogen, was jedoch nur sein fröhliches, freundlich wirkendes Gesicht betonte.
Was Tim am meisten aber auffiel, war wie die beiden die Hand des jeweils anderen hielten. Es lag so viel Geborgenheit, so viel Liebe in dieser einzigen Geste. Diese stumme Intimität miterleben zu dürfen, rührte Tim.
Als wollten sie das Bild auflockern platzen plötzlich drei Kinder ins Zimmer hinein. Tim tat sich mit dem schätzen des Alters schwer. Die Grundschulzeit würden sie jedoch noch nicht hinter sich gebracht haben.
Sie rannten wie wild durch den Raum. Für den stummen Betrachter brachten die Kinder dabei allerdings kein Gefühl der Unruhe in die Szene. Es wirkte viel eher so, als wäre alles genau so wie es sein konnte. Nur zu gut konnte sich Tim noch daran erinnern, wie gespannt er früher auf die Geschenke gewesen war. Bestimmt ging es den Dreien nicht besser.
Wo aber waren die Eltern? Das Paar auf dem Sofa, da war Tim sich sicher, war zu alt dafür. Irgendwo musste sie doch stecken. Tim nahm sich fest vor erst weiterzugehen, nachdem er die gesamte Familie gesehen hatte.
Bis zu ihrem Auftritt dauerte es nur wenige Minuten. Aber was für ein Auftritt das war!
Beide kamen mit Geschenken beladen in den Raum. Die Kinder ließen auf der Stelle alles andere stehen und liegen. Auch die beiden Alten sprangen auf und eilten zu ihnen, um den beiden die Kisten und Kästen abzunehmen.
Erst als die Geschenke um den gigantischen Weihnachtsbaum verteilt waren, konnte Tim sie eingehender Betrachten. Sie mussten beide etwa sein Jahrgang sein und sie waren verliebt, dass konnte er sehen.
Fast unterbrochen lächelt sie einander an. Gerade so zu, als könnten sie ihr eigenes Glück nicht fassen.
Tim wischte sich eine kleine Träne aus dem Gesicht. Das was er in den vielleicht zehn oder fünfzehn Minuten hier gesehen hatte, berührte ihn wirklich. Ihm war derartig warm ums Herz geworden; die Kälte hier draußen hatte er ganz vergessen.
Nun aber war die Zeit gekommen selber nach Hause zu gehen. Einen schnellen Blick warf er noch auf die fremde Familie und wand sich dann vollends ab.
Den restlichen Weg bekam Tim kaum mit. Immer wieder wanderten seine Gedanken zu dem Fenster zurück.
Beim erreichen seines Heims zögerte er einen Augenblick bevor er den Schlüssel ins Schloss steckte. Sein Blick viel auf die Triste graue Fassade. Unterbewusst schüttelte er den Kopf, drehte den Schlüssel um und trat durch die Tür.
Alles war dunkel und kein laut drang an sein Ohr. Zu sich selbst sagte er:
„Frohes Fest.“
Tag der Veröffentlichung: 23.11.2011
Alle Rechte vorbehalten