Nachdruck, auch auszugsweise nur nach Genehmigung des Autors
Rechtschreibung nach bestem Wissen und Gewissen
Coverfoto: © /leighfie.deviantART.com
Gestaltung, Satz und Bildbearbeitung: Robin Jander
Mirko wachte schweißgebadet auf. Ihm ging auf, dass es noch mitten in der Nacht sein musste, als er aus dem kleinen Fenster heraus schaute und nichts als Dunkelheit sah. Ein kurzer Blick auf die Uhr, die auf Mirkos Nachttisch stand, bestätigte, dass es mal gerade erst halb drei war. Noch durch den Traum, den Mirko eben durchleben musste aufgewühlt ließ er seinen Blick durch das Zimmer schweifen. Da waren die vertrauten Umrisse seines Schreibtisches, auf dem sein Notebook noch aufgeklappt stand, so wie er ihn noch vor wenigen Stunden verlassen hatte. An der dem Bett gegenüberliegenden Seite stand sein altes Sofa. Alles hier war genau so, wie er es in Erinnerung hatte. So, wie es „richtig“ war. Die kleinen und großen, so vertrauten Dinge die er sah beruhigten Mirkos Geist.
Wiedereinmal hatte er einen Albtraum gehabt. Eigentlich war es nahezu jede Nacht so. Er wachte keuchend, sogar manchmal schreiend auf, nur um festzustellen wohlbehalten im Bett zu liegen. Mirko wusste nicht, woher diese Träume stammten, aber sie ereilten in immer wenn er seine Augen schloss. In dem Moment wo er seinen Geist nicht mehr kontrollieren konnte, waren Sie da. Manchmal konnte er sich nach dem Erwachen noch daran erinnern, was er durchleben musste. Auch in diesem Moment waren Mirko die Bilder nur zu deutlich.
Er hatte sich selbst auf inmitten einer grauen steinernen Wüste wiedergefunden. Mirko hatte nicht gewusst wo er war. Als er an sich herunter schaute, bemerkte er, dass er auf so etwas wie Kies stand. Überall lagen kleine und größere Steinbrocken herum. Alles schien irgendwie gleich auszusehen. Scheinbar machte es keinen Unterschied, wohin er sich wand. Eine Richtung war so gut wie die Andere. Und doch zog es ihn fort an einen bestimmten Ort. Was dieser Ort war, oder warum er ausgerechnet hierauf zusteuerte wusste er nicht, nur das er hin musste. Langsam wand Mirko sich in die Richtung, von der er wusste, das sie die Richtige war und marschierte los. Er lief, wie es Mirko schien, jahrelang durch die Wüste. Dabei schien es weder Tag noch Nacht zu geben. Es herrschte stets ein ewiges Zwielicht. So als ob die Nacht gerade in den Tag überging. Weder Sterne noch ein Mond oder eine Sonne waren am Himmel zusehen. Nur eine undurchdringliche Schicht aus Wolken war dort.
Mirko fror bei jedem Schritt, den er machte. Die Kälte war nahezu erdrückend. Sie war immer da und aus irgendeinem Grund wusste Mirko, dass sie nie weg gehen würde. Sie würde stets bei ihm bleiben, ein Teil von ihm sein. So wie jeder Gedanke, jeder Herzschlag der sich in seiner Brust regte ein Teil von ihm war, so gehörte auch die ewige Kälte zu ihm. Nur hin und wieder in einem flüchtigen Augenblick verspürte das kurze Auflodern einer Inneren Wärme. Sie erhellte seine Gedanken, war wie Balsam für seine Seele. Diese Wärme war es, die Mirko weitergehen ließ. Irgendwie konnte Mirko Kraft aus ihr schöpfen, ihre Energie für sich nutzen. Doch sie war nie von Dauer. Nach nur wenige Herzschläge in denen er sich an dem wohligen Gefühl gütlich tun konnte, war die allumfassende Kälte wieder da.
Auf seinem Weg nahm Mirko Stimmen war. Sie waren um ihn herum, und in ihm selbst. Er fühlte sie mehr, als dass er sie hören konnte. Das Gewirr der Stimmen war so chaotisch und es waren so viele, dass er sie unmöglich voneinander hätte trennten können oder gar verstehen was sie sagten. Die Stimmen gehörten Frauen und Männer jedweden Alters. Da waren kraftvolle und schwache Alte. Selbst die Sprachen unterschieden sich voneinander. Und doch hatte es auf Mirko den Eindruck, dass er verstand. In seinem tiefsten Inneren verstand er Sie alle. Und es war nicht enden wollendes Leid in Ihnen. Nur selten mischte sich eine Glücklich unter Sie. Sie wurde sehr schnell durch die Anderen erstickt. Sie alle klagte, jammerten, flehten.
Mirko weinte. Er weinte ob des Leides, dass er vernahm. Er wollte ihnen allen helfen, doch hatte er kaum die Kraft einen Fuß vor den Anderen zu setzte. Wie konnte er Helfen, wo er doch selber so schwach war? Er war so Hilflos. Und als er sah und spürte, dass er nichts tun konnte, ignorierte er die Stimmen. Mirko konnte spüren, wie sie langsam leiser und leiser wurde. Mit jedem weiteren Schritt, den er tat, verstummte eine weitere Stimme, bis irgendwann nur noch er selber übrig war.
Die Stille, die nun herrschte war überwältigend. Nun war nichts mehr da als die Kälte, die ihn in dem Zwielicht umgab und er selbst. Gedanken schossen durch seinen Kopf, doch er werte sie ab, in dem er sich nur auf seinen Weg konzentrierte. Nun, da niemand mehr da war, der zu Mirko sprach schien sich die Kälte in ihm nur noch mehr auszubreiten. Selbst diese Wagen Moment von Wärme blieben aus. Er fühlte wie sich sein ganzen Sein mit Trauer und Einsamkeit füllte.
Mirko schob alles das was er fühlte beiseite und ersetzte es. Das einzige was er noch da zu sein schien war Stärke. Ein Stärke, die er aus sich selber zu gewinnen schien. Sie entstammte einer sehr viel roheren Kraft, die in seinem tristen Inneren verborgen war. Wut. Eine Wut wie sie Mirko nie zuvor gespürt hatte. Er war wütend auf diese unendlich scheinende graue Wüste. Er war wütend auf die Stimmen, die ihn so belastet hatten und nun verschwunden waren. Er war wütend auf sich selbst. Auf alles. Seine Wut begann in ihm zu brodeln beflügelte Mirko. Sie trug ihn fort an den Ort zu dem er wollte. Er schoss regelrecht auf sein Ziel zu. Er nahm kaum noch etwas war, was um ihn herum war. Alles verschwamm zu einer einzigen Maße, die für Ihn nicht mehr zählte. Mirko war alles egal. Seine Wut war in Haß umgeschlagen. Ein nicht Enden wollender Haß. Und dieser Haß wand sich allmählich weg von den Anderen hin zu sich selbst. Er Haßte sich dafür, immer weiter zugehen, er haßte sich dafür das die Wärme ausblieb, dafür das es immer kälter um sein Herz wurde. Sein Haß war unstillbar geworden.
Und dann war er da. Er hatte sein Ziel erreicht. Dieser Ort hier, an dem er stehen blieb sah so aus, wie jeder Andere. Mirko war sich trotzdem sicher, dass dies das Ende seiner Reise war. Er war nicht glücklich darüber. Zu diesem Gefühl war er nicht mehr fähig. Auch Genugtuung oder einfache Erleichterung konnte er nicht empfinden. Es war einfach das Ende seiner Reise. Es gab kein Weitergehen mehr. Mirko wäre es nicht mehr möglich gewesen auch nur einen Schritt noch zu gehen.
Auf einmal fiel jedwedes Gefühl von Mirko ab. Da war kein Zorn mehr, kein Haß. Auch die allgegenwärtige Kälte war verschwunden. Es war, als ob nichts mehr da war. Selbst die Wüste um Mirko herum löste sich auf und er fiel in eine nach ihm dürstende Schwärze. Mit jedem Meter, den er fiel entgleiste Mirkos Selbst. Bald war nichts mehr da, von dem was Mirkos ausmachte. Nur eines wurde ihm mit seinem letzten Gedanken gewahr. Es war das letzte Wort, was er sprach: „Verschwendet“.
Mirko hatte sich immer und immer wieder diesen Traum vor Augen gehalten. Er wusste nicht was er bedeutete. Nur eines war ihm klar. Er quälte Mirko schon seit Jahren. Er war immer da, wenn er träumte.
Mirko warf einen letzten Blick auf seine Uhr. Zwanzig nach drei. Er würde bald aufstehen müssen und wieder würde ihm der Schlaf fehlen. Das Leben war für Mirko ohnehin schon schwer genug, da konnte er Schlafmangel nicht auch noch gebrauchen. Mirko würde sich morgen früh wieder zwischen die Menschen begeben, die Ihn mit ihren Belanglosigkeiten langweilten. Und wieder würde Mirko diese Kälte spüren, derer er sich nur im Unterbewussten gewahr war.
Tag der Veröffentlichung: 24.08.2011
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