Version vom 14.06.2011
Nachdruck, auch auszugsweise nur nach Genehmigung des Autors
Rechtschreibung nach bestem Wissen und Gewissen
Coverfoto: © /xenushka.deviantart.com & ColdIcePhoenix.deviantart.com
Gestaltung, Satz und Bildbearbeitung: Robin Jander
"Oh Menschlein hör.
Aus deiner Wiege stammen meine Glieder
und heute bin ich vogelfrei"
Das Ich: Unschuld Erde
Ich erschauderte leicht, als ich das Krankenhaus betrat. So ging es mir in solch einer Umgebung immer. Das Neonlicht verband sich mit dem Geruch nach Krankheit, Tod und Desinfektionsmittel zu einer makaberen Atmosphäre, die ich mehr als abstoßend fand.
Die Gänge waren leer. Um diese Uhrzeit war nichts anderes zu erwarten gewesen. Einzig eine Nachtschwester saß an dem kleinen Empfang, der sich vor der Intensivstation befand. Für mich sah sie aus, als hätte sie sich schon seit Tagen nicht von ihrem Platz weg bewegt. Ihr fettiges Haar fiel ihr strähnig ins Gesicht und auf die Ringe unter ihren Augen wäre selbst der Jupiter neidisch gewesen. Sie musterte mich durchdringend, als ich vor ihrem Refugium zum stehen kam.
„Kann ich etwas für Sie tun?“
„Ich Möchte zu Michael O'Brian“
„Sind sie ein Familienangehöriger“, fragte sie in einem gelangweilten Tonfall, als würde sie eine Bestellung bei Burger King aufnehmen und nicht an einem Ort arbeiten, wo jeden Moment ein Mensch das zeitliche segnen konnte.
„Ich bin sein Sohn.“
Unglaublich, dass ich das wirklich freiwillig gesagt hatte. Unter normalen Umständen würde ich um jeden Preis verleugnen, dass ich etwas mit diesem Mann zu tun hatte. Einzig der Umstand, dass er bald abkratze würde, schien mich weich zu machen.
„Aha“, antwortete sie gleichgültig und schlurfte in einen kleinen Nebenraum. Zurück kam sie mit einem Kittel, einem Paar Plastikschuhen zum überstreifen und einem Mundschutz.
„Das hier müssen Sie anlegen, bevor ich Sie rein lassen darf.“
Noch während ich die mir vorliegenden Sachen anzog, fragte ich mich ein weiteres Mal, was ich eigentlich hier wollte. Zu mir selber sagte ich mir,dass es das Bedürfnis war, mit eigenen Augen sehen zu können, dass mein Vater endlich das zeitliche segnete. Aber aus irgendeinem Grund wollte ich es nicht so recht glauben. Ich war verwirrt über das was ich alles fühlte. So viele Sachen vermischten sich miteinander, dass ich die einzelnen Komponenten nicht mehr heraus filtern konnte. So hatte ich mich schon seit Jahren nicht mehr gefühlt. Alleine hierfür hasste ich meinen Vater schon wieder ein ganzes Stück mehr.
Dabei hatte ich geglaubt meine Vergangenheit hinter mir gelassen zu haben. Doch kaum, tauchten ein paar lose Enden aus ihr auf, drehte ich schon wieder völlig durch. Seit ich mit 16 von zu Hause geflohen war, hatte ich mich stets bemüht einen klaren Kopf zu behalten und mich nicht von irgendwelchen Gefühlen beeinflussen zu lassen. Bis jetzt war es mir immer gelungen.
Ich beschloss nicht weiter darüber nachzudenken. An der Situation ändern würde es ohnehin nichts.
„Kann ich jetzt rein“, fragte ich die Missmutige alte Vettel vor mir.
„Ja. Gehen Sie einfach den Gang hinunter. Es ist das letzte Zimmer auf der rechten Seite.“
Sie schaute nicht einmal von ihrem Monitor auf, während sie mich instruierte. Vor so viel Gleichgültigkeit vor anderer Menschen Gefühlen sollte ich eigentlich Respekt haben. Aber jetzt, wo es um meine eigenen Ging fühlte ich nur Verachtung für das Weibsstück. Dennoch schluckte ich die spitze Bemerkung, die eben noch auf meiner Zunge gelegen hatte herunter. Ich ahnte, dass ich sehr bald meine gesamte Stärke brauchen würde.
Schon von weitem, noch als ich den grauen Flur entlang schritt, erkannte ich meine Familie, die sich vor einer offenen Tür herum drückte. In ihren Gesichtern sah ich nichts als Abfälligkeit und Verachtung als sie mich entdeckten. Natürlich tat es mir weh. Wie hätte es mir nicht weh tun können? Schließlich redeten wie hier vom meiner eigenen Mutter und meinem ach so perfekten großen Bruder, zu dem ich stets aufgeblickt hatte. Ich zeigte es ihnen jedoch nicht. Diese Genugtuung wollte ich ihnen nicht gegeben. Nein, ich war nicht mehr der schwache Junge von damals. Ich war zu jemand anderem geworden. Und das wollte ich Ihnen auch zeigen. Also ließ ich sie das sehen, was jeder auf der Straße zu sehen bekam.
Ein strahlendes Lächeln umspielte meine Lippen. Sie sollten nicht den Eindruck haben, dass das unvermeintliche Ableben meines Alten mir etwas ausmachen könnte. Nach den Gesichtern der beiden zu Urteilen, verfehlte es nicht seine Wirkung.
„Und wie geht es euch beiden?“, fragte ich leicht hin.
„Wie so soll es uns schon gehen?“, erwiderte der Mann, den ich einst Bruder genannt hatte.
„Och ich wüsste schon etwas“, gab ich immer noch breit lächelnt zurück. Mir war nicht fröhlich zu mute, aber ich wusste, dass es meinen Bruder zur Weißglut treiben würde und ich lag nicht daneben. Sofort fuhr er auf und wäre meine Mutter nicht gewesen, so wäre er womöglich vollkommen aus getickt.
Als Mutter Beimer der Nation, ging sie aber sofort dazwischen.
„Jungs, zu solch einem Anlass streitet man nicht. Shean lass deinen Bruder in Ruhe. Und Marc, du könntest wirklich etwas taktvoller sein.“
Natürlich wollte sie bei dem Ganzen eigentlich nur meinen Bruder schützen. Wäre er hier wirklich vollkommen ausgerasstet, so wäre er bestimmt der Station verwiesen worden. Ein gleichgültiges Schulterzucken war meine einzige Reaktion. Mir war zwar nicht klar, warum ich überhaupt hier war, aber sicherlich nicht um verlogene Worte mit diesen beiden Heuchlern zu wechseln.
„Also er will mich sprechen?“
Mit dieser Frage würgte ich jedwedes anderweitige Thema ab.
Meine Erzeugerin antwortete auf der Stelle. Sie war wohl froh, dass sämtliche anderweitigen Streitthemen somit unterbunden waren.
„Ja, er wartet auf dich. Beeile dich lieber. Wir wissen nicht wie lange er noch hat. Der Rest von uns hat sich bereist von ihm verabschiedet.
„Na dann wollen wir mal schauen, was ich für ihn tun kann.“
Als ich Tür hinter mir schloss und der Gestank des Sterbens in meiner Nase drang wusste ich bereits, egal wie das hier ausging, das Gefecht vor dort draußen hatte ich gewonnen.
Das Bild des alten Greises vor mir konnte ich jedoch überhaupt nicht einordnen. Er hatte rein gar nichts von dem vitalen, sadistischen Mann, den ich über so viele Jahre im Gedächtnis behalten hatte. Schläuche schlungen sich um seinen Körper, Geräte pipsten vor sich hin und erzählten ihre ganz eigene Geschichte von dem langsamen Tod. Er sah mich vor sich stehen und nahm die Sauerstoffmaske vom Mund, die ihn bis dahin versorgt hatte.
Jetzt wo ich ihm von Angesicht zu Angesicht gegenüber stand, klärt sich meine Gefühlschaos. Von der latenten Trauer und dem Mitleid war nichts mehr geblieben. Ich verabscheute diesen Leichnam vor mir, der nur noch nicht wahrhaben wollte, dass er tot war. All das Leid, dass er mir zu gefügt hatte, bahnte sich sein weg und kam an die Oberfläche.
Es war gut gewesen, dass ich ins Krankenhaus gekommen war und ihn nun hier liegen sah, in dem sterilen weißen Zimmer, wie er schwach und alt da lag. Endlich konnte ich mit ihm abschließen.
„Du bist wirklich gekommen?“
Seine Stimme krächzte und hatte nichts mehr von dem Klang der totalen Autorität, die sie früher einmal gehabt hatte.
„Ich wundere mich selber darüber. Aber ja, ich bin offensichtlich hier. Jetzt sag mir, was immer du glaubst mir sagen zu müssen.“
Der Alte lachte leise, bevor er von Hustenanfällen geschüttelt wurde. Es geschah im recht. Was immer er vorgehabt hatte zu erwidern blieb ihm im Halse stecken. Das Leben konnte also doch gerecht sein, bemerkte ich in diesem Augenblick. Als seine geschundenen Bronchien sich endlich beruhigt hatten antwortete er endlich.
„Du bist also immer noch so hochmütig wie damals was?“
Eine lange stille folgte. Als er endlich realisierte, dass ich nicht willens war auf diese Spitze zu antworten, nahm er neuem Atmen und setzte seine kleine Rede fort.
„Du solltest die Möglichkeit haben, dich für die Schande, in der du lebst zu entschuldigen und deinem ekelhaften Lebenswandel ab zu schwören.“
Das war es also was er wollte. Ich sollte mich dafür entschuldigen, dass ich auf Schwänze stand, dafür dass er mich so gezeugt und ich so geboren worden war. Ich hatte bestimmt nicht die ganzen Jahre dafür gekämpft, dass er heute bekam was er sich vorstellte. Glaubte das Elend, das in diesem Bett lag wirklich, dass ich ihm hier und heute abbitte leisten würde? Nie und nimmer wollte ich ihm diese Genugtuung gönnen.
Stille erfüllte den kleinen Raum, die lediglich durch die Geräusche der Maschinen unterbrochen wurde. Mein Vater war offensichtlich nicht dazu bereits mehr zu sagen und ich war ganz gewiss nicht dazu bereit ihm den Gefallen zu tun und mich selbst zu verleugnen. Statt dessen schüttelte ich einfach den Kopf. Mehrere Antworteten warteten auf meiner Zunge darauf, auf den Todgeweihten losgelassen zu werden. Im Kopf ging ich sie durch und entschied mich dazu ihm die letzte Vorstellung zu geben, die er von mir in seinem Leben sehen würde.
„Tja, du alter, kranken Wichser. Da hast du wohl Pech gehabt. Es ist noch keine Stunde her, da hat mir ein Kerl mörderisch meinen Schwanz gelutscht. Und soll ich dir was sagen? Ich fand es geil!“
Angewidert verzog der Alte sein Gesicht. Es war ihm überdeutlich in seine runzelige Fresse geschrieben, wie all das wofür ich stand gegen alles verstieß, was er für richtig erachtete. Früher einmal, als ich noch ein Teenager gewesen war, hätte er mich damit mehr verletzt, als es seine Fäuste jemals vermochten, doch nun ließ es mich kalt.
„Bei deinem Sündigen Leben solltest du hier todkrank liegen, nicht ich“, stieß er zornig hervor, bevor ihn ein erneuter Hustenanfall, ungleich schlimmer als der vorige überfiel. Es ging mit ihm zu Ende.
Dieser Hass, den ich in seinen trüben Augen auf blitzen sah, war alles, was ich braucht um um mich auf meine ganz eigene Weise von dem Alten für immer zu verabschieden.
„So ist es aber nicht. Du krepierst, ich lebe weiter. Wegen mir, kannst du zur Hölle fahren.“
Ohne ihn auch nur eines weiteren Wortes oder Blickes zu würdigen, verließ ich das stickige Zimmer und ließ den Alten zum sterben allein.
Fragende Blicke ruhten auf der Stelle auf mir. Ich schüttelte sie ab. Mein Interesse an einem weiteren Wortwechsel mit meiner Mutter oder meinem Bruder war mehr als nur gering. In folge dessen ließ ich auch sie einfach stehen und setzte meinen Weg zum Ausgang fort.
„Du kannst doch jetzt nicht gehen“, hörte ich eine gebrochene Frauenstimme hinter mir rufen.
Zur Antwort erhob ich mein rechten Arm, so dass meine Hand über meine Schulter ragte und zeigte ihr den Mittelfinger. Diese Aussage reicht ihr wohl, um mich endgültig von dannen ziehen zu lassen.
Bis heute habe ich keinen der beiden wieder gesehen.
"Ich sehe das alles noch immer vor mir,
wie in einem Kinofilm,
als wäre es nie mein Leben gewesen,
als ob ich jemand anderes bin."
Die Toten Hosen: Unser Heim
Ich war so gut drauf wie lange nicht mehr, als ich durch unseren großen Garten ging, der mitten in seiner sommerlichen Blühte stand und die Tür zu unserem Haus auf schloss. Der letzte Schultag war vorbei, ich hatte ein spitzen Abschlusszeugnis bekommen, meine Ausbildung begann erst in sechs Wochen und so konnten die Ferie konnten endlich beginnen. Nichts konnte meine gute Laune trüben.
Zumindest hatte ich das gedacht, bis ich meine Mutter auf dem Sofa liegen sah. Eine fast leere Flasche Wodka stand neben ihr auf dem Boden. Sie hatte also wieder getrunken. Sie jetzt zu wecken hatte keinen Zweck. Wenn die es denn überhaupt schaffen würde die Augen auf zu bekommen, würde sie mehr als ungehalten über die Störung sein. Nein, es war wohl besser, wenn ich sie hier ihren Rausch ausschlafen ließ.
Auf Zehenspitzen schlich ich die Treppe hinunter und ging in mein Zimmer.
Unten angekommen, freute ich mich ein weiteres Mal darüber, dass ich endlich mein eigenes Reich hatte. Erst vor zwei Wochen war ich hier unten eingezogen. Vorher musste ich mir ein Zimmer mit Shean teilen. Es war die letzten Monate die Hölle gewesen. Ich hatte seine Sachen nur falsch anschauen müssen, schon hatte es Prügel gegeben. Gott sein Dank hatten meine Eltern mir dann zu meinem sechzehnten Geburtstag das Zimmer im Keller überlassen.
„Ihr beide seit sowieso zu alt, um euch noch ein Zimmer zu teilen“, hatte mein Vater zu mir gesagt. „Aber sieh das nicht falsch: Das alles hat so viel gekostet, dass du keine sonstigen Geschenke bekommst.“
Dieses kleine Reich ganz für mich allein hatte mir gereicht. In die Gerade mal 15 Quadratmeter passte zwar wenig mehr, als ein Regal, mein Kleiderschrank mein kleines Bett und ein Schreibtisch aber hier konnte ich endlich ungestört die Tür hinter mir schließen und alles andere dort draußen aussperren.
Genauso tat ich es in diesem Augenblick, als ich eine Kassette mit meiner Lieblingsmusik anmachte und mich auf mein Bett warf. Es dauerte nur wenige Minuten, bis meine Gedanken weit weg von meiner betrunken Mutter waren oder davon, dass mein Vater bald wieder nach Hause kommen würde. Statt dessen überlegt ich, was ich wohl die nächsten sechs Wochen anstellen würde.
Mein Vater hatte sich dazu entschieden Shean in ein fünfwöchiges Fußballcamp zu schicken, dass direkt im Anschluss an die Schule beginnen sollte. Bereits heute morgen war er mit Sack und Pack aufgebrochen und in diesem Augenblick saß er schon im Bus in Richtung Nordsee.
Da diese Ferienmaßnahme für meinen Bruder einiges kostete, musste ich zu Hause bleiben. Am liebsten hätte ich protestiert und meinen Vater gefragt, warum es Shean mehr verdiente als ich, weg fahren zu können. Aber ich hatte es herunter geschluckt. Seine Antwort wären ohnehin blanke Fäuste gewesen. Außerdem wusste ich bereits, warum er in den Augen meines Vaters mehr Wert war: Er war ein Sportass. So einfach war das. Ich hingegen, war für ihn ein Weichei, dass seine Aufmerksamkeit nicht Wert war.
So lief es halt bei uns in der Familie. Schon vor Jahren hatte ich mich damit abgefunden.
Statt mich weiter damit zu beschäftigen, wendete ich mich wieder meiner Kernfrage zu. Was sollte ich in den Ferien unternehmen? Tagsüber zu Hause bleiben kam nicht in Frage. Meiner Mutter dabei zu zu sehen, wie sie sich voll laufen ließ, war wenig attraktiv. Aber welche Alternativen hatte ich schon großartig?
Plötzlich kam mir eine Idee. Ich stand auf und durchsuchte meine Schultasche, die ich eben noch so unbedacht in die Ecke geworfen hatte. Nach kurzem suchen fand ich endlich einen Ausweg aus der miesere. Ich hatte das kleine Stück Papier bis jetzt garnicht weiter beachtet, ihn eher mechanisch in der Schule eingesteckt ohne darüber nachzudenken. In meiner Hand befand sich ein Abgegriffener Flyer auf dem in großen Lettern stand „Ferienspiele für Teenager“. Zwar hatte ich bis Dato nur von Ferienspielen für Kinder gehört, aber auf dem Blatt stand klar und deutlich, dass es für Jungen und Mädchen im Alter von fünfzehn bis siebzehn Jahren war. Und besser als hier würde es bestimmt werden.
Das beste an der Sache: Da es ein Pilotprojekt war, sollte es nichts kosten. Also musste ich nicht einmal meinen Vater um Geld anbetteln. Somit waren wenigstens drei der sechs Wochen gerettet.
Froh darüber etwas gefunden zu haben, was ich machen konnte, ließ ich mich zurück aufs Bett fallen und betrachtete weiter gedankenverloren den Flyer. Vielleicht würde ich bei dieser Freizeitmaßnahme sogar den einen oder anderen niedlichen Jungen sehen. Insgeheim wünschte ich mir schon seit langem mich zu verlieben und einen festen Freund zu haben.
Das ich schwul war wusste ich schon seit langem. Natürlich hatte ich es noch niemandem gesagt. Wem häte ich es auch schon sagen können. Einen wirklich guten Freund hatte ich nicht. Und in meiner Familie war dieses Thema ohnehin Tabu. Meine Mutter war, wenn sie nicht gerade voll trunken in der Ecke lag, ultra katholisch und mein Vater hatte unlängst durchblicken lassen, dass „diese homos“, wie er sie immer nannte eh alle kranke perverse wären. Also hielt ich in dieser Beziehung brav meine Klappe und miemte einen ganz normalen Jungen, der auf Frauen stand.
Nichts desto Trotz sehnte ich mich nach der zärtlichen Berührung eines Jungen, der mich wirklich liebte und mir die Geborgenheit schenken konnte, die ich suchte. Bis jetzt allerdings hatte ich niemanden gefunden.
Irritiert schaute ich mich um. Irgendetwas klingelte hier doch. Aber was? Verwirrt schaute ich meinen Wecker an. Er war es nicht. Aber was war es dann sonst? Dieses klingeln lenkte mich ab und raubte mir die Konzentration, auf alles was sonst noch war.
Meine Hand ertastete das Handy und mein Daumen fand zielsicher die Taste, die es ausschaltete. Mit verquollenen Augen betrachte ich die Zeitanzeige. Zwanzig nach sechs. So ein Mist, ich hatte gestern vergessen die Weckfunktion zu deaktivieren.
Der Traum, den ich bis eben noch gehabt hatte, schwirrte mir immer noch im Kopf herum. Seit zehn Jahren hatte ich mich nicht mehr wirklich mit jenem Sommer auseinander gesetzt. Ich wollte einfach nicht zurück schauen, also hatte ich diese Erinnerungen in eine Schublade in meinem Geist verstaut und den Schlüssel dazu weggeworfen. Nun war er wohl wie durch Zauberhand wieder aufgetaucht.
Es war im Grunde nicht verwunderlich. Die gestrigen Ereignisse hatten mich aufgewühlt, ob ich es nun wollte oder nicht.
Als ich zu Hause angekommen war, hatte ich zuerst einmal überhaupt nicht einschlafen können. Ich war so verdammt wütend, dass es mir einfach nicht möglich war abzuschalten. Immer wieder dachte ich daran, wie ich am liebsten meinem Alten ein Kissen ins Gesicht gedrückt hätte, um das Unvermeidliche zu beschleunigen.
Mehr als ein halbes Gramm Gras war nötig gewesen um mich endlich in einen unruigen Schlaf retten zu können.
Und jetzt dieser Traum. Noch während ich schlaftrunken aufstand und in Richtung Dusche ging, versuchte ich ihn wieder aus meinem Bewusstsein zu verbannen. Es gab einfach Schubladen, die besser verschlossen blieben.
Das heiße Wasser, dass auf mich herab prasselte half mir, meine Gedanken in eine andere Richtung zu lenken. Statt über meinen Alten oder den Traum nachzudenken überlegte ich, was ich mit dem Tag anfangen sollte. Normalerweise pflegte ich Sonntags lange zu schlafen. Mich jetzt aber nochmal hinzu legen kam nicht in Frage. Wenn ich morgens einmal wach war, konnte ich ohnehin nicht mehr einschlafen.
Schließlich war es mein Magen, der die Entscheidung für mich traf. Ich hatte einen Bärenhunger. Mein Kühlschrank war jedoch bis auf eine halb volle Flasche Vodka und etwas Poppers leer. Folglich würde ich woanders Frühstücken gehen müssen. Die Liste der möglichen Lokalitäten, die um diese Uhrzeit geöffnet hatten, war kurz. Ich entschied mich für eine gemütliche kleine Kneipe mitten in der Innenstadt. Hier war ich schon häufig nach einer durchgemachten Nacht eingekehrt. Es gab ein reichhaltiges Frühstücksangebot, nette Musik und jede Menge gut aussehender Kerle.
"Aus den Ruinen meiner Träume
blick ich nun zu Dir empor.
Zu Dir mein Engel, den die Liebe
mir zum Gegenstück erkor"
L'âme Immortelle: Aus den Ruinen
Ein rascher Blick nach dem Eintreten reichte um zu sehen, dass nur noch ein Tisch frei war. Ohne die anderen Gäste weiter zu beachten ließ ich mich dort nieder und machte mich daran die Speisekarte zu studieren. Schon alleine das Lesen der verschiedenen Köstlichkeiten ließ mir das Wasser im Munde zusammenlaufen.
„Und weißt du schon was du bestellen möchtest“, fragte mich ein junger Kerl, der so aussah als hätte er schon die ganze Nacht durchgearbeitet.
„Ähm, ja. Ich nehme das Rührei mit Speck und dazu zwei Scheiben Tost.“
„Darf es auch etwas zu trinken sein?“
„Eine Tasse Kaffee und ein Glas Orangensaft bitte.“
Kaum hatte er sich meine Wünsche aufgeschrieben, eilte er auch schon hinter die Theke und machte sich an der der Kaffeemaschine zu schaffen.
Derart allein gelassen wanderten meine Gedanken wieder zurück zu dem gestrigen Abend. Noch immer verstand ich nicht vollends, was dort geschehen war. Mein Vater war jetzt bestimmt schon Tod.
Als ich in mein innerstes lauschte, bemerkte ich, dass dieser Gedanke nichts in mir auslöste. Eigentlich hätte es mich nicht weiter verwundern dürfen, so wie er mich behandelt hatte. Trotzdem war ich von meiner Unberührtheit schockiert. Sicherlich war er ein Schwein gewesen, der in meinen Augen den Tod verdient hatte. Aber was machte die Gefühllosigkeit aus mir? Gerne wollte ich mir einreden, dass es eine innerliche Stärke war. Konnte ich mir dessen aber sicher sein? War es nicht viel eher eine Form von Kälte, die mich ihm eher näher brachte als von ihm unterschied? Nein, das konnte nicht sein. Ich hatte, seit ich mich von meiner Familie getrennt hatte, ein gänzlich neues Leben gelebt. Eines ohne Bindungen oder Verpflichtungen. Ich hatte mir das genommen, was ich wollte ohne faule Kompromisse einzugehen.
Ja, ich war wahrlich das Produkt meines eigenen Handelns. Was mich am meisten von diesem Sterben Wichser unterschied war, dass ich keine Versprechungen machte. Ich verletzte niemanden, da es niemanden gab, dem ich genug bedeutet hätte.
Natürlich war es manchmal hart, dass ich keinen Mr. Right in meinem Leben hatte. Schlussendlich war es so aber Besser. Ich konnte niemanden verletzten und, was viel wichtiger war, es gab niemanden mehr der mir weh tun konnte.
Nur einmal hatte ich einen fremden Menschen nah an mich heran gelassen. Das Ergebnis war eine weitere Narbe gewesen, die er tief in mir hinterlassen hatte. So wie es jetzt war, war mir sehr viel lieber.
Meine Überlegungen wurden jäh unterbrochen, als heißes, dampfendes Essen und die von mir bestellten Getränke vor mir abgestellt wurden. Der Typ, der mich bediente schenkte mir noch ein kurzes Lächeln, bevor er sich dem nächsten Tisch zu wand. Mit einem ziemlichen Heißhunger machte ich mich über die Leckereien her. Es war wirklich gut. Mit jedem Bissen, den ich nahm wurde meine Entscheidung hier zu frühstücken mehr bestätigt.
„Ist hier vielleicht noch ein Platz frei?“
die fragende Stimme klang warm und alles andere als unangenehm. Ich schaute auf und sah eine netten Boy Anfang zwanzig mit vor mir stehen. Irgendwie passte er in diesem Laden überhaupt nicht ins Bild. Im Gegensatz zu den anderen hier, wirkte er nicht, als hätte er die ganze Nacht durchgemacht. Vielmehr erschien er mir frisch, munter und wach zu sein. Seine Augen hatten einen hellwachen Ausdruck und seine kurzen, hellblond gelockten Haare wirkten, als wären sie eben erst gestylt worden. Auch sein Outfit wollte sich nicht ins Modeeinerlei der Szene einfügen. Mit seiner schwarzen Jeans der Marke Noname und einem einfachen weißen Polo-Shirt wirkte er eher brav, fast schon bieder. Dennoch war da etwas, das mich sofort an ihm faszinierte. Beim besten Willen konnte ich nicht sagen was es war, aber ich fühlte deutlich, wie sich etwas in mir für ihn erwärmte.
„Klar, schließlich ist das hier ein freies Land“, erwiderte ich grinsend.
„Das ist nett. Danke.“
Er ließ sich mir gegenüber nieder und warf mir ein etwas schüchternes Lächeln zu. Eben dieses Lächeln, das ihn etwas verlegen wirken ließ, machte ihn in meinen Augen nur noch sympathischer. Meine Hand griff wie von selbst zum Kaffee und ich nahm einen tiefen Schluck. Nicht, weil ich Durst hatte, sondern weil ich mein unverhofften Tischherrn so unauffällig betrachten konnte. Von Sekunde zu Sekunde gefiel er mir besser. Dabei war er noch nicht einmal sonderlich attraktiv. Statt einem Sixpack trug er ein kleines Bierfass vor sich her. Aber irgendwie störte mich das nicht weiter. Ganz im Gegenteil. Es passte zu ihm.
„Ich bin übrigens Marc“, ließ ich so beiläufig wie möglich fallen.
„Tobias.“
Statt mehr zu erzählen, wie ich eigentlich gehofft hatte, senkte sich sein Blick wieder gen Tisch. Er wahr es wohl nicht gewohnt mit anderen Kontakte zu knüpfen.
„Und, kommst du öfter her?“
Ich wollte nicht locker lassen. Normalerweise hätte ich spätestens an diesem Punkt das Interesse verloren, aber etwas an ihm schien es wert zu sein meine Aufmerksamkeit weiterhin auf ihn zu richten.
„Nein. Ich bin das erste Mal hier.“
„Und, wie gefällt es dir?“
„Naja, um ehrlich zu sein, bin ich froh jemanden gefunden zu haben, der nüchtern ist. Es scheint so, als wollten die Schwestern hier nur noch schnell einen abbekommen, bevor sie nach Haus gehen“.
Jetzt musste ich lachen. In einem Satz hatte Tobias zusammengefasst, was ich schon seit dem rein kommen gedacht hatte. Auch wenn ich selber häufig nach einer durch gezechten Nacht morgens hier einkehrte, so wäre ich niemals auf die Idee gekommen, mir hier einen abzuschleppen. Entweder waren die Typen zu voll um überhaupt einen hoch zu bekommen oder aber so hässlich, dass sie zu recht keinen abbekommen hatten.
Bevor ich etwas entsprechendes sagen konnte, kam wieder die junge Bedienung an den Tisch und nahm Tobias Bestellung auf. Ebenfalls Rührei mit Speck, wie ich bemerkte. Als er verschwunden war, nahm ich das Gespräch wieder auf.
„Also, wie kommt es, dass sich jemand wie du hierher verirrt?“
„Jemand wie ich?“
„Nichts für ungut. Du scheinst nicht gerade eine Szene-Schwester zu sein und offensichtlich bist du auch nicht nach einer durch gefeierten nach hier angespült worden. Also was hat dich hier her verschlagen?“
„Und was machst du hier“, ging er in die Gegenoffensive, ohne meine Frage beantwortet zu haben. Ich überlegte, was ich entgegnen sollte und entschied weitestgehend bei der Wahrheit zu bleiben.
„Um ehrlich zu sein, bin ich mir selbst nicht ganz sicher. Mir ist heute morgen die Decke auf den Kopf gefallen und da wollte ich einfach nur raus und was anderes sehen.“
„So in etwa war es auch bei mir. Wobei, wenn ich so auf die Uhr schaue muss ich auch gleich schon wieder los.“
„Heiß begehrt, was?“, fragte ich ihn flaxend. Er lächelte mich unverbindlich an.
„Ja so könnte man sagen.“
Offensichtlich war das Gespräch für Tobias erst einmal beendet, da seinen Blick vollkommen grundlos in der Speisekarte vergrub.
Mit einem Achselzucken machte ich mich wieder über mein Essen her. Wenn er sich nicht unterhalten wollte, war das seine Entscheidung. Trotzdem fand ich es schade. Der Kurze Wortwechsel hatte mir Spaß gemacht und mich zumindest zeitweilig von meinen eigenen Gedanken abgelenkt.
Zwischen zeitig hatte ich das gesamte Mahl, das vor mir gestanden hatte vertilgt und auch mein Gegenüber war fleißig dabei seine Portion zu vernichten. Bis jetzt hatten wir kein weiteres Wort miteinander gewechselt. Ich überlegte kurz ob ich doch noch mal einen versuch machen sollte, stand dann aber auf und ging zum Tresen um zu bezahlen. Wenn Tobias kein Interesse hatte, konnte ich ihn wohl kaum zwingen. Wahrscheinlich war es ohnehin besser so. Bereits nach der kurzen Zeit merkte ich, wie in mir etwas herauf kroch, was ich seit vielen Jahren nicht mehr gefühlt hatte. Da waren mir meine Gelegenheitsbekanntschaften doch lieber. Ein schneller Fick, und schon waren sie Schnee von gestern. Das hier hingegen barg das Potential in sich kompliziert zu werden. Noch mehr Komplikationen konnte ich im Moment nun wirklich nicht gebrauchen.
Nach dem ich gezahlt hatte, nahm ich meine Lederjacke, zog sie über und verabschiedete mich freundlich von dem jungen Mann. Ich konnte mir nicht helfen. Irgendwie wirkte er unglücklich, als ich ihm sagte, dass ich gehen wolle. Dann aber nickte er mir freundlich zu.
Gerade als ich die Tür zur Straße öffnen und aus der Kneipe verschwinden wollte, folgte ich einem inneren Impuls und schaute mich nochmals um. Wie von selbst trafen sich mein und Tobis Blick. Seine Augen leuchteten dabei auf und ein strahlendes Lächeln umspielte seine Lippen. Auch ich konnte nicht anders als zurück zu lächeln. Obwohl, oder vielleicht auch gerade weil mir die Schönheit dieses Momentes bewusst war, drehte ich mich endgültig um, gab mir einen Ruck und trat aus der Kneipe auf die kleine Seitenstraße hinaus.
Etwas unschlüssig schaute ich mich um und überlegte, was ich jetzt machen sollte. Zurück nach Hause wollte ich eigentlich nicht. Zwar würde ich dort bestimmt etwas finden, was ich tun konnte, aber es reizte mich mehr etwas zu unternehmen. Aber was konnte ich um diese frühe Uhrzeit schon unternehmen?
Ich spürte eine Hand auf meiner Schulter und drehte mich um. Tobias stand vor mir. Fragend schaute ich ihn an. Einige Sekunden herrschte schweigen. Wenn er sich schon die Mühe gemacht hatte hinter mir her zu kommen, sollte er mir schon sagen, was er wollte. Als ich jedoch sah, wie sein Blick sich zu Boden richtete und er angestrengt seine eigenen Schuhe zu betrachten schien, beschloss ich ihm dennoch eine Brücke zu bauen.
„Hey Tobias, was gibt’s?“
Jetzt schaute er mich wieder an, wobei er meinem Blick auswich. Er war es wohl wirklich nicht gewohnt in irgendeiner Art und weise auf andere Menschen zuzugehen. Eigentlich hatte ich für solche Menschen nicht besonders viel übrig, aber ich entschied in diesem einen Fall eine Ausnahme zu machen. Irgendwie schien es mir, als ob er es Wert wäre. Ich konnte auch nicht genau sagen, woher dieses Gefühl kam. Es war etwas tief unten in meiner Bauchgegend, das mir sagte dieser junge Mann verdiente meine Aufmerksamkeit.
„Kann ich etwas für dich tun“, fragte ich erwartungsvoll.
Noch mehr würde ich ich ihm nicht entgegenkommen. Nachdem ich ihm jetzt eine Brücke geschlagen hatte, war ich gespannt zu sehen ob er von alleine hinüber gehen wollte. Sollte jetzt nichts vernünftiges von ihm kommen, war dieser dezente Flirt für mich gelaufen. Bei aller Sympathie hatte ich es ja wohl nicht nötig mich ihm anzubiedern.
„Naja, ich wollte dich fragen, ob du schon etwas vor hast“
Er wirkte ein bisschen wie eine Katze, die um den heißen Brei herum schlich aber wenigstens hatte er die traute mich überhaupt zu fragen. Zudem fand ich seine unbeholfene Art verdammt süß. Ich konnte mir einfach nicht helfen, bei anderen hätte ich es abturnend empfunden, zu Tobi jedoch passte es. Im Grunde machte genau dieses Gehabe ihn nur noch anziehender für mich.
„Ich habe gleich noch eine wichtige Verabredung.“
natürlich war das gelogen. Aber ich wollte ihn noch einen Moment lang zappeln lassen. Als ich jedoch in sein Gesicht sah, besann ich mich. Seine Augen wanden sich gen Boden und er schien regelrecht in sich zusammen zu sacken.
„Mensch ich wollte dich doch nur ein bisschen hoch nehmen“, stellte ich schnell klar und schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter. „Gerade eben habe ich mich noch gefragt, was ich mit dem Tag anfangen soll. Also im Klartext: Ich habe noch nichts vor.“
Tobi war sichtlich erleichtert. Auf der Stelle kehrte ein Lächeln auf sein Gesicht zurück und seine gesamte Haltung straffte sich ein wenig.
„Ich hätte vielleicht eine Lösung für dich. Natürlich nur wenn du Lust hast etwas mit mir zu unternehmen. Magst du den Zoo?“
„Dort war ich schon seit Jahren nicht mehr.“
Es stimmte. Das Erste Mal war ich dort als kleiner Junge gewesen. Wir hatten einen Ausflug mit meiner Grundschulklasse gemacht. Eine Stunde lang hatten wir im Zug gesessen und voller Vorfreude an all die Fremdartigen Tiere gedacht, die wir dort sehen würden. Das Ergebniss war ernüchternt gewesen. Die meisten Tiere hatte ich ohnehin schon einmal im fernsehen gesehen. Ausserdem gefiel es mir schon damals nicht, wie wilde Tiere auf kleinstem Raum hinter Gittern gehalten wurden. Es schien mir falsch zu sein sie einzusperren. Auf dieser Welt gab es einfach Geschöpfe, die durch die Wildnis streifen sollten und nicht in einen Käfig gehörten.
Zudem wurden meine Erinnerungen an diesen Tag dadurch getrübt, dass einigen Mitschüler es fiel interessanter fanden mich mit den verschiedensten hässlichen Tierarten zu vergleichen als sich auf den eigentlichen Ausflug zu konzentrieren.
Mein nächster Besuch stand unter einem ähnlich unglücklichem Stern. Es war kurz nachdem ich in die Stadt gekommen war. Damals fühlte ich mich irgendwie leer und verlassen. Tage lang wanderte ich wie Falschgeld durch die überfüllten Straßen und wusste nicht wohin mit mir und meinen Gefühlen. Meine ganze Welt war von einem Tag auf den Anderen aus den Fugen geraten. Eigentlich hatte ich nicht wirklich gewusst, warum ich überhaupt den Eintritt für den Zoobesucht bezahlt hatte, aber was hätte ich schon besseres zu tun gehabt. Also lief ich an den Gehegen vorbei, blieb hier und dort mal stehen und beobachtete die Tier bei ihrem treiben. Es half mir dabei für ein paar Stunden mich vor meinen Problemen, die mich zu der Zeit plagten zu verstecken.
Meine Gedanken waren abgedriftet. Beim Anblick von Tobias zwang ich sie wieder ins hier und jetzt zurück. Unsicher tapste er von einem Fuß auf den anderen. Meine Antwort war alles andere als eindeutig gewesen.
In Wahrheit wusste ich selber nicht was ich wollte. Tief in mir fühlte ich etwas, dass ich schon fast vergessen hatte. Genau diese Tatsache machte mir Angst. Tobias war ganz anderes als die Bekanntschaften, die ich mir in den letzten Jahren gesucht hatte. Nicht im Traum hatte ich damit gerechnet, ein Date mit einem Typen könnte nicht im Bett sondern im Zoo enden. Außerdem suchte Tobias offensichtlich alles mögliche aber bestimmt nicht etwas zum poppen. Dabei war ich doch eigentlich ganz anders. Und doch schwemmten meine Gefühle alle diese Bedenken beiseite und ich konnte nicht anders als ja zu sagen.
Ob ich es nun wollte oder nicht, dieses Frühstück hatte sich zu mehr entwickelt, als ich gedacht hätte. Weitere Komplikationen in meinem Leben konnte ich nicht gebrauchen, soviel war mir vollkommen klar. Nicht desto trotz ließ ich mich hier und jetzt auf etwas ein, von dem ich wusste es hätte das Potential überaus kompliziert zu werden.
„Klasse, dass du mitkommen willst“, antwortete mit Tobias “aber um ehrlich zu sein werden wir nicht alleine sein.“
Jetzt hatte er mich total aus dem Tritt gebracht. Etwas verwiirt fragte ich mich, ob ich ungewollt in irgendeine dubiose Dreiecksgeschichte hineingeraten war. Nicht, dass ich Dreiern nichts hätte abgewinnen können, aber in der Regel fing so etwas nicht auf diese Art und weise an.
Tobias schien es hinter meiner Stirn arbeiten zu sehen und beeilte sich damit seine Aussage zu erklären.
„Mein kleiner Bruder wollte heute unbedingt mit mir in den Zoo. Ich habe es ihm versprochen. Also wenn es dir nichts ausmacht?“
So war das also. Tobias hatte einen Familienausflug geplant, an dem ich nun auch teilnehmen sollte. Der Dreier währe mir wohl lieber gewesen. Da hätte ich zumindest gewusst worauf ich mich eingelassen hätte. Ich hätte mich auf vertrautem Boden wiedergefunden. So jedoch hatte ich keine Ahnung, was mich erwarten würde. Ich konnte es drehen und wenden wir ich wollte, diese Bekanntschaft entwickelte sich immer mehr in eine Reise ins Ungewisse. Erschwerend kam hinzu, dass bei einer solchen Aktion wohl auch noch etwas von mir erwartet werden würde. Nur hatte ich nicht die geringste Ahnung was dieses etwas sein könnte. Zudem mochte ich Kinder noch nicht einmal sonderlich. Andererseits hatte ich bereits zugesagt. Daher schlug ich alle negativen Gedanken in den Wind. Schließlich war ich zu nichts verpdlichtet. Es würde sich schon zeigen, wohin das hier alles führen würde.
„Warum nicht. Könnte bestimmt Spaß machen.“
„Super. Wir müssen Tim nur schnell abholen. Es ist auch direkt um die Ecke.“
„Na dann gehst du am besten vor.“
Tag der Veröffentlichung: 15.06.2011
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