Cover



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Originalausgabe, Frühjahr 2010
Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Verlages
Rechtschreibung nach Duden, 24. Auflage
Coverfoto: © /www.istockphoto.com
Das Modell auf dem Coverfoto steht in keinen Zusammenhang mit dem
Inhalt des Buches und der Inhalt des Buches sagt nichts über die sexuelle Orientierung
des Modells aus.
Umschlaggestaltung: Olaf Welling, Grafik-Designer AGD, Hamburg
www.olafwelling.de


In Gedenken an Martin Schmuck.
Arbeitskollege und Wegbegleiter.

Wie häufig haben wir miteinander gesprochen? Träume, Hoffnungen und das was daraus geworden ist mit einander geteilt? Dennoch war die Zeit mit dir viel zu kurz. Mit diesem Buch erfülle ich mir meinen Traum. Leider durftest du daran nicht mehr Teil haben.
Es ist wahr: Nur die Besten sterben jung.
Ich werde dich nie vergessen.




Prolog



Als der Bus den Schulparkplatz verließ und sich gen Norden aufmachte, wurde es Maik ganz flau im Bauch. Er war ein ganz normaler sechzehn Jahre alter Realschüler, der auf Klassenfahrt ging. Es war die Abschlussfahrt. Bereits in drei Monaten würde er die Schule verlassen. Dies sollte die letzte Gelegenheit der Schüler sein, nochmal in einem solchen Rahmen Zeit miteinander verbringen zu können. Aber Maik wollte nicht hier sein. Am liebsten hätte er sich heute morgen geweigert, auch nur einen Fuß aus dem Bett zu strecken. Scheiß Klassenfahrt. Von nun an würde er sechs lange Tage lang mit seinen ach so lieben Mitschülern zusammen sein. Maik mochte keinen einzigen von ihnen. Er kam mit seiner Klasse nicht besonders gut aus. Schon seit jeher war Maik Ziel des Spotts und der Verachtung seiner Mitschüler gewesen. Etwa einen Meter und siebzig groß und leicht über gewichtig war er nicht eben das, was sie als „In“ betrachteten. Dass seine Eltern kaum Geld besaßen und Maik daher keine Markenklamotten und keine tollen Spielkonsolen sein Eigen nennen konnte, machte es nicht besser. Ebenso wenig die Tatsache dass Maik zu den besten Schülern seiner Stufe gehörte. Alles in Allem gehörte er einfach nicht dazu. Darüber war er sich im klaren und das ließen ihm seine Mitschüler jeden Tag wieder spüren. Jetzt sollte er eine ganze Woche mit ihnen allen verbringen. Herr Bracht, sein Klassenlehrer nannte es „eine besinnliche Woche in einem ruhigen Kurort in Ostfriesland“. Er hätte, wenn es nach Maik gegangen wäre, genauso gut „eine Woche in Guantanamo Bay“ sagen können. Schon die Verteilung der Zimmer war der Albtraum geworden, wie er befürchtete. Bereits Tage zuvor hagelte es immer wieder Sprüche wie „Nah, willst du mit Maik in ein zimmer?“ „Nee, der packt mich doch nachts an“ oder „Mit dem Stinktier will ich auf keinen Fall aufs Zimmer.“ Entsprechend war es dann auch tatsächlich verlaufen, wobei das Resultat besser gewesen war, als es sich Maik hätte vorstellen können. Die zwölf anderen Jungen hatten sich schon zuvor abgesprochen. Ganz allein Maik war übrig geblieben bei der Raumvergabe. Also musste er allein in ein Zweibettzimmer. Was ihn treffen sollte, war in der tat etwas gewesen, worüber er sich freuen konnte. So musste er sich wenigstens keine Gedanken um irgendwelche Schikane machen oder darum bis spät in die Nacht wach gehalten zu werden. Noch einige Zeit ging Maik diesen tristen Gedanken nach, schob sie aber schließlich beiseite. Er konnte ohnehin nichts mehr daran machen. Sie waren auf dem Weg. Ein zurück gab es nicht.


Begegnungen



Es waren bereits zwei Tage vergangen und Maik fiel schon jetzt die Decke auf den Kopf. Der erste Tag war noch angenehm auslasten gewesen. Am Nachmittag waren sie angekommen und hatten die Räumlichkeiten im Jugendheim bezogen. Kaum genug Zeit ihre Habseligkeiten zu verstauen, waren sie direkt zu einer Ortsbesichtigung aufgebrochen. Zugegebener maßen war hier nicht viel zu besichtigen. Nur das Jugendheim, das Meer mit dem Strand dahinter und ein kleiner Ort ungefähr eineinhalb Kilometer entfernt. Gerade ein Gasthaus, einen kleinen Supermarkt, eine Bäckerei und eine Eisdiele waren hier zu entdecken. Besinnlich traf es wohl doch ganz gut. Tot hätte es wahrscheinlich noch besser. Hier war wirklich nichts los.
Nun ja, dachte Maik, werde ich halt das beste daraus machen.
Doch so sehr er sich auch bemühte, es wollte ihm nicht gelingen. Noch am selben Abend fand er sich selbst alleine in seinem Bett wieder. Im Grunde hätte er schlafen können. Er hätte schlafen sollen, doch immer wieder drang gedämpftes Gelächter von den andern Zimmern zu ihm. Unter seiner Bettdecke lauschte er ganz alleine den Geräuschen. Wieder einmal wurde ihm klar, wie wenig er dazu gehörte. Ansonsten hätte er es nie zugegeben. Es stimmte ihn zutiefst traurig. Doch Gott sei Dank war ansonsten niemand da. So konnte wenigstens keiner sehen oder hören, wie Tränen seine Wangen herunter liefen und er in sein Kopfkissen schluchzte. Er wusste nicht ganz genau warum, nur das er unsagbar traurig war.
Maik war schließlich eingeschlafen und erwachte früh am nächsten Morgen. Der vergangene Abend hatte tief in ihm eine Müdigkeit hervorgerufen, die er auch jetzt nicht so recht abzuschütteln vermochte. Er ging duschen, lang noch bevor die anderen wach waren. Im Grunde war es gut so. Er musste den ganzen Flur entlang zu den Duschen gehen. Ein Duschtrakt für alle Jungen seiner Klasse. Maik konnte sich lebhaft vorstellen, was für Sprüche er sich von seinen Gleichaltrigen hätte gefallen lassen müssen, wäre er mit ihnen duschen gegangen. Jetzt an diesem noch sehr jungen Tag war niemand von ihnen da. Maik schaute sich kurz um und sah nur karge, weiße Wände, die an drei Seiten von Bänken und Kleiderharken eingenommen wurden. Durch eine Glastür konnte er den Duschtrakt erkennen, in dem sich jetzt noch niemand befand. Einige Duschköpfe lugten aus der tristen Mauer heraus und warteten darauf, in Gang gesetzt zu werden. Langsam schälte sich Maik aus seinen Klamotten. Auch wenn es nur einige Meter über den Flur gewesen waren, so hätte Maik diese niemals nur in Boxershorts und T-Shirt zurückgelegt. Was wäre gewesen, wenn ihm dort einer seiner Mitschüler begegnet wäre? Also hatte er vorher sein weißes Hemd, seine schwarze Jeans und ein paar abgewetzte Turnschuhe angezogen. Genau dieser Gegenstände entledigte er sich jetzt wieder. Zuerst waren die Turnschuhe dran. Maik betrachtete sie kurz. Sie waren vor einigen Jahren mal teuer gewesen. Er hatte sie sich zum Geburtstag gewünscht, um endlich auch mal was neues und angesagtes zu haben. Doch mittlerweile waren sie nur noch alt. In seine Gedanken vertieft knöpfte er langsam sein Hemd auf. Als er es schließlich auszog, entblößte er eine weiße, makellose Brust. Maik bedauerte oft, dass keine Haare auf Ihr sprießen. Selbst auf dem Bauch, der für seinen Geschmack viel zu ausgeprägt war, gab es noch nichts zu sehen. Schließlich öffnete er seinen Gürtel und die Hose und legte diese zu seinen restlichen Sachen. Er überlegte einen Moment lang, ob er seine Boxer an lassen sollte. Wäre sonst noch jemand hier gewesen, so hätte er es bestimmt getan. Er mochte es nicht sonderlich, sich nackt vor jemand anderen zu zeigen. Irgendwie hatte er das Gefühl, sich angreifbarer zu machen. Dies galt insbesondere bei anderen Jungen seines Alters. Während Maik sich auch dieses letzte Stück Stoff vom Körper streifte und dann an sich herunter schaute, wusste er auch wieder warum. Mit seinen vielleicht elf Zentimetern, die an ihm herb baumelten war er nicht sonderlich weit entwickelt. Doch in diesem Moment des Alleinseins fühlte sich diese absolute Nacktheit für ihn sehr befreiend an. Er ging durch den Raum und genoss die kalten Fliesen unter seinen nackten Füßen. Die Glastür schloss er hinter sich und ging zielstrebig auf die hinterste Dusche zu. Er trat kurz zurück, als er das Wasser auf drehte. Es war kalt und Maik erschauderte leicht. Mit der Zeit wurde es angenehmer und schließlich trat er unter den wohlig warmen Strahl. Es fühlte sich gut an, wie das warme Wasser auf seinen Kopf prasselte, seine Brust und seinen Bauch herunter ran und seinen Schritt umspielte. Maik konnte spüren, wie er einen Ständer bekam. Das war so früh morgens für ihn nichts Ungewöhnliches. Er Seifte sich langsam ein. Zuerst seine Haare, dann den restlichen Körper. Als er an seinem mittlerweile ziemlich prallen Schwanz ankam, zögerte er kurz, konnte dann aber nicht widerstehen und seifte auch ihn ausgiebig ein. Maik zuckte kurz zusammen so empfindlich war seine Eichel mittlerweile geworden. Seine Hand fand zielsicher ihren Rhythmus und wurde dabei immer schneller und schneller. Er stöhnte kurz vor seinem Höhepunkt leise auf. Plötzlich hörte Maik eine weite Dusche angehen. Sofort hielt seine Hand in ihrem tun inne und er schaute sich unsicher um.
Was er sah, war ein Junge, ungefähr in seinem Alter. Die mittellangen schwarzen Haare hingen nass an seinem sehr hübschen Gesicht herab.
„Guten Morgen“ grüßte ihn der Junge leicht hin.
Maik senkte auf der Stelle seinen Blick. Er wusste, dass er knallrot anlief. Nur zu gut kannte er dieses Gefühl. Voller Scham verließ er sturzartig den Raum und ließ den anderen Boy leicht verwirrt hinter sich zurück. Vollkommen verwirrt trocknete Maik sich hastig ab und schlüpfte in seine Sachen. Die ganze Situation war ihm unheimlich peinlich. Da hatte er es sich besorgt, während ein anderer zugeschaut hatte. Maik wäre am liebsten auf der Stelle im Erdboden versunken. Kaum war er angezogen, verließ er auch schon die Umkleide. Er hätte es in diesem Augenblick nicht ertragen, dem Unbekannten in die Augen schauen zu müssen. Als Maik wieder in sein Zimmer kam, schaut er flüchtig auf seinen Reisewecker. Es war mal gerade halb sieben, also noch anderthalb Stunde bis er zum Frühstück musste. Vielleicht sollte er sich noch mal aufs Bett legen. Nein, dass war keine gute Idee. Zum einfach nur Daliegen war er viel zu aufgeregt. Er schaute kurz aus dem Fenster auf den grauen Vorhof des Jugendheimes. Die Sonne war bereits aufgegangen und es versprach ein schöner Tag zu werden. Der Himmel war blau und klar. Auf dem gesamten Gelände, das Maik von hier aus beobachten konnte, war rein gar nichts los. Weit und breit war niemand zu sehen. Kurzentschlossen warf Maik sich seine Jacke über, verließ sein Zimmer und schloss gründlich ab. Der Strand war nur circa einen halben Kilometer entfernt. Natürlich durfte er offiziell das Gelände nicht verlassen, aber Maik war sich sicher nicht gesehen zu werden. Und wenn doch, würden sie ihn schon nicht wegen so einer Kleinigkeit nach Hause schicken. Außerdem hielt er es einfach nicht mehr in dem kleinen Zimmer aus. Zu viele Gedanken beschäftigten ihn.
Er ließ das Jugendheim hinter sich und ging zielstrebig über den Vorhof auf einen kleinen Weg zu, der ihn direkt zum Strand führen würde. Maik genoss die noch sehr kühle Seeluft, war aber gleichzeitig auch froh, eine Jacke über gezogen zu haben. Ohne sie hätte er sicherlich gefroren. Eigentlich war es die letzten Tage immer recht warm gewesen, aber hier an der See schien es sich über Nacht ordentlich abzukühlen. Während er den Weg zurücklegte, betrachtete er die Natur um sich herum. Grüne Hecken und wunderschöne Blumen, die in voller Blühte standen, waren überall um ihn herum. Lediglich einige Vögel und Insekten waren zu hören. In dieser stille konnte er seinen Gedanken nachhängen, ohne von irgendetwas abgelenkt zu werden. Nach einigen Minuten erreichte Maik den Strand. Als er über den Deich ging, um ans Wasser zu gelangen, hielt er einen Augenblick lang inne. Er genoss den Ausblick auf das tiefe, unergründliche Blau des Meeres und den Himmel dahinter. Eigentlich wollte er ein bisschen am Strand spazieren gehen, entschloss sich jetzt jedoch anders. Maik ging bis zur nächsten Düne und setzte sich dort in den Sand. Es machte ihm nichts aus, dass dieser noch etwas nass war und sich kühl anfühlte. Es war für Maik einfach schön, hier zu sein, den Geruch der See in der Nase zu haben und das Rauschen des Meeres zu hören.
Unweigerlich glitten seine Gedanken wieder zurück zu dem Moment unter der Dusche. Er konnte seine Gefühle immer noch nicht richtig verstehen. Natürlich war ihm das ganze peinlich gewesen. Aber da war noch etwas anderes. Irgendetwas ganz tief in seinem Inneren hatte der Anblick des nackten Jungen angesprochen. Maik schrack regelrecht vor diesem Gedanken zurück. Nein es wäre nicht richtig gewesen, sich auf diese Art von einem Jungen angezogen zu fühlen. Sicherlich war es nur die Neugierde gewesen. Ja, das musste es sein. Schließlich hatte er zuvor noch nie Gelegenheit gehabt, einen Gleichaltrigen vollkommen nackt zu betrachten. Trotzdem wusste er in seinem tiefsten Inneren, dass das nicht alles gewesen sein konnte. Die anderen Jungen um ihn herum begannen längst damit, sich für Frauen zu interessieren. Einige von ihnen gingen bereits mit einem Mädchen. Maik hatte bisher noch keine solchen Ambitionen gezeigt. Klar kam er mit Mädchen gut aus. Er konnte sich mit ihnen unterhalten und fand auch die Eine oder Andere ganz nett. Ansonsten konnte er ihnen nichts abgewinnen. Maik hatte es immer darauf geschoben, dass er wohl ein sogenannter Spätzünder sein musste. Die Situation eben hatte etwas in ihm wieder wachgerufen. Maik wusste, es war falsch, aber dieses Gefühl schlich sich in letzter Zeit immer öfter bei ihm ein. Insgeheim hatte er sich schon mehr als einmal dabei erwischt, wie er einem anderen Jungen nachgeschaut hatte oder sich vorstellte, wie er wohl unbekleidet aussah. Sogar beim Wichsen dachte er ab und an an Männer statt an Frauen. Jedesmal, wenn das geschah fühlte er sich schmutzig. Schließlich war er nicht schwul. Nein dass konnte einfach nicht sein. Er hatte die anderen auf dem Schulhof über Schwule reden hören. Sie sagten, Schwule wären weibisch und wollten eh alle nur kleine Jungen verführen. Maik war nicht so. Er wollte nicht so sein. Dennoch konnte er insbesondere an diesem Morgen sein Bedürfnis, einen anderen Jungen zu berühren nicht mehr leugnen. Maik sehnte sich nach eine zärtlichen Liebkosung, einem Kuss. Kein Mädchen würde dieses Verlangen stillen können. Vielleicht war er ja doch schwul. Nicht auf die Weise wie es sich die Anderen immer vorstellten. Wie hätte er sonst diese Gefühle erklären können?
Als er auf seine Armbanduhr schaute fluchte Maik laut. Innerlich ärgerte er sich darüber, die Zeit nicht besser im Auge behalten zu haben. Er hatte einfach alles um sich herum vergessen. Schnell stand er auf und eilte wieder zurück. Mittlerweile war auf dem Hof einiges los. Jede Menge Schüler schwirrten herum. Einige hatten sich hinter eine Hecke zurückgezogen, wo sie genüsslich eine Zigarette rauchten. Maik schaute nochmal auf seine Uhr. Kurz nach acht. Es war ohnehin schon zu spät. Genauso gut konnte er noch schnell eine rauchen. Tatsächlich war er vorhin so abwesend gewesen und hatte daran gar nicht gedacht. Also gesellte er sich zu den anderen, die dort herum standen und grüßte mit einem kurzen „Morgen“.
Ohne auch nur einen von ihnen wirklich anzuschauen fingerte er an seinem Päckchen Tabak herum. Für Filterzigaretten fehlte ihm einfach das Geld. Dann zündete er sich die Kippe an und genoss es, den kratzigen Rauch tief ein zu atmen, bevor er ihn wieder in kleinen, bläulichen Ringen in die Luft pustete. Lange hatte er an diesem kleinen Trick geübt und war recht stolz darauf. Ansonsten kannte er niemanden, der ihn ebenfalls beherrschte.
Auf einmal fühlte Maik eine Hand auf seiner Schulter. Er blickte sich rasch um und sah dem Jungen von heute morgen direkt ins Gesicht. Sofort senkte sich sein Blick und Maik betrachtete ausgiebig seine eigenen Schuhe. Er fühlte bereits, wie er wieder begann rot zu werden. Der Andere schien seine Unsicherheit bemerkt zu haben und trat einen Schritt zurück. Erst jetzt traute sich Maik etwas aufzublicken und konnte sich schließlich sogar überwinden, seinem neuen Gegenüber in die Augen zu schauen. Fast hätte er sich gewünscht, es nicht getan zu haben. Maik konnte spüren, wie etwas tief in ihm nachgab, als sein Blick die Augen des anderen Jungen berührte. Es war fast so, als ob sich etwas in ihm öffnete. Plötzlich bemerkte er, dass er den Jungen sekundenlang förmlich angestarrt hatte und zwang sich zu einem entschuldigenden Lächeln.
„Oh, Hallo“. Mehr konnte er nicht über die Lippen bekommen. Nicht nur die Situation ein paar Stunden zuvor hinderten Maik daran. Es waren vielmehr diese Augen, die ihn förmlich anstrahlten.
„Du schienst es aber heute morgen verdammt eilig gehabt zu haben.“
Maik schaute wieder etwas beschämt zu Boden und erwiderte ein schwaches „Hm“.
„Ich bin übrigens Falk.“ Er reichte Maik seine Hand.
Dieser schaute zwar immer noch leicht zu Boden, aber schüttelte dann dennoch die angebotene Hand. Irrte er sich oder hielt Falk seine Hand länger als es sein musste? Maik fühlte seinen Daumen leicht über den eigenen Handrücken streicheln, dachte sich aber nichts dabei. Schließlich trennten sich ihr Hände wieder und Maik schaute Falk abermals an. Er war ungefähr so groß wie er selbst und hatte ebenfalls einen kleinen Bauch, was seinem Äußeren jedoch keinen Abbruch tat. Seinen mittellangen schwarzen Haare waren nun gescheitelt und im Gegensatz zu heute morgen trug er einen Brille mit Halbmond förmigen Gläsern, die perfekt zu seinem Gesicht zu passen schienen. Da sein Gegenüber sich nicht weiter zu dem früh morgentlichen Vorfall äußern wollte, entspannte sich Maik ein wenig. Dennoch fand er die eingetretene Stille zwischen ihnen etwas befremdlich. Gerade als er daran dachte, versuchte Falk noch einmal einen neuen Anfang zu machen.
„Ihr seid seit zwei Tagen hier, oder? Wenn ich mich recht erinnere, seid ihr doch mit uns zusammen angekommen?“
Tatsächlich konnte Maik sich erinnern. Einige Stunden nach ihnen war ein weitere Bus eingetroffen, der eine Meute von Schülern aus seinem Inneren ergossen hatte. „Ja, stimmt. Jetzt wo ich dich länger sehe, erinnere ich mich, dass du mir schon vorgestern aufgefallen warst“, hörte Maik sich sagen. Er hatte überhaupt nicht über das Gesagte nachgedacht, doch es stimmte. Maik war er sofort aufgefallen. In der Tat hatte er Falk schon bei seiner Ankunft so unsicher aber auch bestimmt gemustert, wie er es jetzt tat. Dabei wusste er nicht einmal warum. Genau diesem Jungen war er heute morgen unter der Dusche begegnet. Als Maik sich wieder aus seinen Gedanken reißen konnte, sah er ein leichtes Lächeln, das Falks Lippen umspielte. Wenn Maik so in Gedanken war, konnte er manchmal alles um ihn herum vergessen und genau dass war ihm auch jetzt passiert. Verdammt, wie lang war er weg gewesen?
„Also, wenn ich mich recht erinnere, müsstest du doch auch schon längst beim Frühstück sein, oder?“
Jetzt fiel es Maik wieder ein. Falks Klasse teilte sich mit ihnen den Speisesaal und frühstückte entsprechend zur selben Zeit. „Du doch auch“, erwiderte er flaxend.
Falk zuckte leicht mit den Schulter, als wolle er sagen, und wenn schon.
Er sog nochmals an seiner Kippe und warf diese dann unachtsam auf den Boden. Maik sah Falk eine einladende Geste machen.
„Was meinst du, wollen wir zusammen rein?“
Maik nickt kurz und schloss sich Falk an. Sie sagten beide kein Wort mehr, als sie in das Gebäude gingen. Es kam Maik sehr entgegen. Er war mehr den je verwirrt von der ganzen Situation. Eigentlich erwartete er, dass Falk ihn wegen heute morgen aufgezogen hätte. Nicht ein Mal erwähnt hatte er es. Stattdessen war er freundlich und aufmerksam gewesen. Da war noch mehr. Maik hatte dieses Funkeln in Falks Blick bemerkt, wenn er ihn ansah. Auch er selber konnte nicht wirklich beschreiben was passiert war, als er in Falks klare, braune Augen geschaut hatte. Etwas in ihm hatte sich geregt und ihm befohlen, sich in Falks Nähe aufzuhalten. Maik hatte jeden Augenblick genutzt, den anderen aus dem Augenwinkel heraus zu mustern oder auch einfach nur sich seiner Gegenwart gewahr zu sein.

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Tag der Veröffentlichung: 11.06.2011

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