Geschrieben im Winter 2005
Nachdruck, auch auszugsweise nur nach Genehmigung des Autors
Rechtschreibung nach bestem Wissen und Gewissen
Coverfoto: Robin Jander (Privatfoto)
Gestaltung und Satz: Robin Jander
Für alle
die ihr wahres Ich am Tage verstecken.
Der Abend hat angefangen. Ich bin mitten in ihm. Was morgen ist, interessiert mich nicht. Mein Leben ist Hier und Heute. Was kümmert mich schon das Morgen? Carpe Noctem! Lebe die Nacht! Meine Freunde sind hier. Wir scherzen, trinken, rauchen, haben Spaß. Das ist es was mir wichtig ist. Ich will leben. Will fühlen, wie es um mich pulsiert. Will seine Windungen sehen. Seinen ungebändigten Schrei hören.
Alles was ich sonst sehe ist Pflicht. Es erfüllt mich nicht. Nicht so, wie mich die Realität erfüllt. Ich weiß nur, dass ich den Alltag durchstehen muss. Er ist kalt. Er ist hart. Ich verabscheue ihn. Niemand dem ich dort begegne scheint mich zu sehen. Niemand kann mich wirklich sehen. Mein Ich, nicht die Maske, die ich trage. All diese Menschen um mich herum; ich bin ihnen egal und genauso sind sie mir egal. Nichts verbindet uns. Keine Gemeinsamkeiten, die wir teilen. Sie treten in mein Leben und ebenso verschwinden sie wieder aus ihm. Wenn sie gehen hinterlassen sie nichts in mir. Da ist keine bleibende Leere, kein Groll, kein Vermissen. Auch ich werde in ihrem Leben keine Spuren hinterlassen. Ich bleibe eine gesichtslose Maske.
Masken. Nichts anderes stellen wir am Tage da. Die fleißige Hausfrau, der freundliche Sachbearbeiter, der nette Nachbar. Sind wir das? Bin ich das was ich für alle darstelle? Ja. Ebenso bin ich es nicht. Ich bin einfach so viel mehr. Mal traurig, dann wieder begeistert. Ich bin sowohl freundlich als auch ein Rüpel. Sehen will das aber keiner. Ich könnte so vieles sein und werde doch auf so weniges reduziert, bin nur das was die Leute sehen wollen.
Ich habe mich damit abgefunden. Trage meine Maske. Sie sitzt. Ich fülle sie aus. Zumindest scheint es so für die , die mich sehen. Die Wahrheit ist eine Andere. Ich hasse all das was ich verkörpern muss, verabscheue meine Maske und kann keiner von ihnen die Augen sehen. Sie alle sind korrumpiert. Sie alle zeigen mir meine Schwäche. Die Schwäche nicht der zu sein, der ich sein will. Nicht der zu sein, der in mir steckt.
Am Tage da bin ich gefangen. Nicht in einem Käfig, der für alle sichtbar ist. Er existiert in meinem Kopf. Seine Stäbe sind all die Wenns und Abers, die mein Leben bestimmen. Meine Wächter sind die Erwartungen meiner Mitmenschen. Das Gefängnis, die Welt die jeden Morgen so hell erleuchtet vor uns liegt.
Heute Abend aber schiebe ich all dass weit weg von mir. Ich denke nicht daran. Ich muss es nicht, denn hier kann ich sein, wie ich bin. Ich bin ich und das ist gut so. Alle Masken fallen ab und schauen die Menschen mich an. Sie finden mich interessant. Sie entdecken den wahren Menschen unter den Hüllen, den Masken und den Rollen. Es gefällt ihnen. Letzten Endes ist der Mensch mehr Wert als all dass was er verkörpert.
Heute im Schein der Lichter und im Klang des Gelächters kann ich es spüren. Ich werde gemocht. Nicht für das was ich darstelle, sondern für das was ich bin. Es wird immer so sein, wenn die Sonne untergegangenen ist.
Deshalb lebe ich wiedereinmal die Nacht. Wiedereinmal ist mir alles egal. Es geht nur darum zu Leben, denn das Leben ist hier und heute wie es sein sollte. Es ist Pur, rein und echt.
Tag der Veröffentlichung: 26.05.2011
Alle Rechte vorbehalten