Cover


Geschrieben im Herbst 2007
Nachdruck, auch auszugsweise nur nach Genehmigung des Autors
Rechtschreibung nach bestem Wissen und Gewissen
Coverfoto: © /DopeStars.deviantart.com
Gestaltung und Satz: Robin Jander




Ich kann mich noch an dich erinnern. Du warst es, der mich immer beschütze hast. Ich weiß noch, damals in der Grundschule, ich war gerade eben erst eingeschult worden. Ein Großer Kerl versuchte mich einzuschüchtern. Ich wusste, ich hätte nie eine Schnitte gegen in gehabt. Und doch wart mir nach kürzester Zeit bewusst, dass ich keine Angst haben musste. Plötzlich waren du und deine Freunde bei mir. Dieses Bild, wie ihr hinter mir standet, verließ mich nie. Ihr wart einfach bei mir, schütztet mich.
Immer warst du mein Vorbild gewesen. Ich liebte dich. Ich wusste, dass alles was du machst, seine Richtigkeit haben müsste. Du warst mein großer Bruder, da wäre nichts gewesen, was ich dir nicht geglaubt hätte.
Schicksalsschläge. Wir beide standen sie durch. Es schweißte uns näher zusammen. Wie wussten, wir konnten uns nur aufeinander verlassen. Niemand anderes wäre für uns eingestanden, doch wir wollten zusammenhalten. Wir schworen es uns. Für immer und immer, wollten wir Freunde bleiben. Du hast mir eine Narbe auf dem Handrücken zugefügt, um es zu besiegeln. Ich tat es dir gleich. Ich für dich, du für mich. Wir waren eine Einheit. Es sollte immer so bleiben. Wir wussten es, so wie ein sechsjähriger es eben wissen kann.
Was war es dann, was dich von mir weg bewegt hat? Was half dir zu deinen Entscheidungen, war soviel stärker als ich? Ich liebte dich, doch war es dir nicht genug. Meine liebe, die liebe all der anderen, war es nicht genug?
In der Schule fühltest du dich ganz allein. Niemand war da, der hinter dir stand. Du warst ewig außen vor. Doch da war etwas was dich mit den wenigen anderen verband. Sie wollten es, so wie du es anscheinend brauchtest.
Es fing harmlos an. Es war der Joint, der von Hand zu Hand ging. Es war so leicht, zu ziehen, zu beschaffen, immer weiter zu machen. Es war nur der Anfang.
Ich habe dich damals gesehen. Ich habe die geliebt, als du es machtest. Ich liebte dich für das was du bist. Du warst mein Bruder, wie hätte ich dich nicht lieben können? Aus der Tüte am Abend wurden die Tüten am morgen, die Bong am Mittag, der Eimer am Abend, und ich liebte dich noch immer. Ich wusste, meist warst du nicht bei uns, doch warst du der Mensch, dem ich folgen wollte.
Ich wollte dir folgen, doch gingst du einen Weg, der sich mir nicht öffnen sollte. Immer weiter gingst du den Dingen entgegen, die dich zerstören. Immer weiter entferntest du dich von mir. Schließlich wusste ich nicht einmal wer du warst, wohin du gehen wolltest. Alles was einmal so offen vor mir gelegen hatte, blieb mir nun verborgen.
Du hattest dich nun neuen Freunden zugewendet. Nur eines noch interessierte dich, dein nächster Trip. Du hattest dich aus dem hier und jetzt verabschiedet. Warst endgültig nicht mehr bei mir. Ich spürte den Verlust. Es war mir klar, dass ich dich verlieren würde. Wie lange konntest du so leben? Wie lange konntest du so ein leben ertragen?
Das was du führtest, war kein leben, du vegetiertest vor dich hin. Hast dich von Trip zu Trip gerettet. Und mit jedem kick, den du genossen hast, kam die Forderung nach mehr. Du verlangtest nach mehr. Härteres musste ran. Ich spürte es, auch wenn ich es nicht verstand.
Ich liebte dich noch immer, nur ließt du mich nicht mehr an dich ran. Ich wollte bei dir sein, für dich da sein, doch du hast mich weg gestoßen. Du driftetest immer weiter weg. Entferntestes dich immer weiter. Ich weinte, da ich mir dessen bewusst wurde. Doch du lächeltest mir immer noch ins Gesicht. Es war dieses lächeln, dass nicht hierher zu gehören schien. Es war in einer Welt geboren, zu der ich keinen Zugang hatte.
Schließlich wurde dir alles zu viel. Wie gerne wäre ich in diesem Moment für dich da gewesen. Wie gerne hätte ich dir den reichten Weg gewiesen, doch du suchtest den Weg nur in den Drogen. Du suchtest dich selbst und verlorst dich darüber. Gerne hätte ich dich wieder zu dir geführt, doch dein Sein hatte sich verirrt. Du warst nicht mehr da. Ich konnte nichts für dich tun. Ich musste mich vor dir schützen. Du, der du immer mein Beschützer gewesen warst, warst nun meine Bedrohung geworden. Ich hätte dich so gerne nochmal in die arme genommen, doch du wolltest nur noch das eine: deine Droge.
Zurück gefunden hast du nie. Der Mensch, der du einmal gewesen warst, kehrte nie zurück. Was Ich heute betrachte, wenn ich die wiedertreffe, ist eine leere Hülle. Medikamente und Entzug zeichneten dich. Sie töteten alles, was einst noch in dir war. Ich weiß noch, wie du damals vor unzähligen Jahren der achtjährige Junge warst, der mir Schutz geboten hat. Im hier und heute bist du immer noch der achtjährige liebe Mensch. Doch nun brauchst du meinen Schutz.
Aber was kann ich dir geben. Ich weiß soviel von dir. Doch du weißt nichts von mir. Du hast keine Ahnung mehr wer ich bin. Das einzige was dir gewahr geworden ist; ich hab dich längst überflügelt. Ich wollte es nicht, doch es ist das was das Leben forderte. Ich war der kleine Bruder; ich wurde zum Großen. Ich lieb dich. Mehr als ich mich selber liebe. Du bist es, der mich davor bewahrt mich selber zu vergessen, der mich warnt, was mir passieren kann.
Heute, viele Jahre später, kann ich dich verstehen. Ich habe deine Weg gesehen, ihn ein Stück weit beschritten, und mich dann meinem ganz eigenen hingegeben. Immer wieder sehe ich die Parallelen unsrer Leben.
Und doch frage ich dich: „Wie konntest du dich so diesem falschen Sein hingeben, wie konntest du dich so verlieren?“

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Tag der Veröffentlichung: 24.05.2011

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