Cover


Ich hasse Schiffe. Ich habe sie schon immer gehasst. Ganz besonders wenn sie auf der offenen See fahren. Ich meine es ist ja schon schlimm genug, wenn alles hin und her schaukelt. Dann auch noch die furchtbare Enge, die in solch einem Boot herrscht. Aber was mir den Rest gibt, ist die Tatsache niergendwo Land zu sehen. Es ist für mich einfach erdrückend. Bei den wenigen Gelegenheiten, bei denen ich gezwungen war auf einem Schiff zu sein fühlte ich mich immer wie ein Gefangener.

Nun sollte ich ganze zwei Wochen auf einem Schiff verbringen. Meine Eltern hatten mich hierzu verdonnert. Eine Segelfreizeit in den Sommerferien wäre genau das richtige für mich hatten sie mir gesagt. Schließlich solle ich endlich lernen auf eigenen Beinen zu stehen und außerdem würde mir der Kontakt zu Gleichaltrigen gut tun. Ich sei ohnehin viel zu eigenbröttlerisch. Ihnen war egal, wie sehr mir der Gedanke zu wieder war.

Natürlich wusste ich worum es ihnen wirklich ging. Schließlich bin ich mit meinen 16 Jahren alles andere als auf den Kopf gefallen. Sie wollte einfach nur einen ungestörten Urlaub ohne mich verbringen. Warum gerade diese beiden unbedingt ein Kind gezeugt hatten war mir schon seit langem ein Rätsel. Weder mein Vater noch meine Mutter hatten jemals wirklich Zeit für mich. Immer war der Job oder eine unbezahlte Rechnung wichtiger als ich. Selbst die Tatsache, dass ich zu keine Freunde hatte störte sie nur deshalb, weil ich hierdurch mehr zu Hause war.

Dabei hatte ich überhaupt kein Interesse an meinen Gleichaltrigen. Natürlich waren da der eine oder andere in meiner Klasse mit dem ich mich ganz gut verstand, aber immer dieses Gehabe, wer nun 'coolere' war. Nein das ist nichts für mich. Also blieb ich lieber für mich.

Jetzt sollte ich also mit eben solchen Kids Wochenlang auf einem Hausboot leben, ohne das ich hätte etwas dagegen tun können. Entsprechend mutlos stand ich an dem Treffpunkt an dem mich meine Eltern abgeliefert hatten. Nichteinmal auf meine Abreise hatten sie gewartet. Eine Mutter hatte mich kurz in den Arm genommen, dann waren schon wieder verschwunden. Schließlich mussten sie ja den Flieger in ihren kinderfreihen Urlaub bekommen. Bis zur eigentlich vereinbarten Zeit war es immer noch mehr als eine Stunde. Ich hasste diesen Urlaub schon jetzt.

Nach und nach trafen auch die anderen Teilnehmer mitsamt ihrer Eltern ein. Wenig verwundert stellte ich fest, dass ich der einzige ohne Begleitung war. Von meinen Eltern hatte ich erfahren, dass auf dem Hausboot nur Platz für 10 Jugendlich war. Also war ich ziemlich gespannt mit wem ich meine Zeit verbringen müsste. Insgesamt waren wir vier Mädels uns sechs Jungen. Die Mädchen sahen auf den ersten Blick allesamt recht nett aus. Ich verstand mich ohnehin schon immer besser mit Mädels. Keine Ahnung warum das so war. Mit ihnen konnte ich einfach besser sprechen, scherzen und so weiter. Das einzige was mir nicht gelang war etwas mit ihnen anzufangen. Nicht das ich es jemals ernsthaft versucht hätte. Natürlich wusste ich, dass andere Jungs in meinem Alterbereits ernsthafte Beziehungen führten, aber bei mir tat sich nichts in dieser Richtung. Für mich waren Mädchen einfach nur gute Kumpels. Bestimmt würde sich auch hier eine finden lassen, mit der ich mich recht gut verstand. Bei den versammelten Jungen hatte ich da weit mehr bedenken. Einer schien cooler sein u wollen als der nächste. Schon jetzt machte mich ihr Pseudo-Matcho-Gehabe verrückt. Auch wenn ich es bereits aus der Schule kante konnte ich nicht verstehen, warm man sich so krampfhaft 'cool' geben wollte.

Nur ein Jungen schien sich nicht beteilgen zu wollen. Ihn hatte ich bereits ins Auge gefasst seit er aus dem Auto seiner Ellies gestiegen war. Irgendetwas war dran an diesem Typen, auch wenn ich in diese Moment nicht hätte sagen können was es war. Vielleicht war es die Tatsache, dass er sich von den anderen fern hielt und ersteinmal abzuschätzen schien, mit wem er es zu tun hatte. Woran es auch lag, er gefiel mir. Mehr sogar. Etwas tief in mir fing beim bloßen Anblick dieses Typen an zu kribbeln. So etwas hatte ich bis jetzt noch nie erlebt. Während ich ihn so betrachtete dachte ich zum ersten mal daran dass dieser Urlaub vielleicht doch nicht so übel werde würde. <NEXTPAGE>

Voller Vorfreude verließ ich das Schiff. Bereits fünf Tage waren seit meiner Abreise vergangen und alles hatte sich besser Entwickelt als ich je erwartet hätte. David, der Junge der mir am ersten Tag direkt in Auge gefallen war teilte sich ein Zimmer mit mir. Zwar waren die Kabinen auf dem Boot für jeweils vier Leute ausgerichtet, aber da wir nur zehn Jugendliche waren, blieb eine Kabine für zwei geblieben. Natürlich war es Zufall gewesen, dass ausgerechnet David und ich übrig geblieben waren, aber es war ein glücklicher Zufall gewesen. David und ich kamen einfach prima miteinander aus. Wir hatten einfach so viel gemeinsam und konnten Stunden lang über Gott und die Welt reden. In den vergangenen Tagen war ich einfach glücklich gewesen, etwas was ich so schon sehr lange nicht mehr empfunden hatte. Für heute hatten wir beiden uns etwas ganz besonderes vorgenommen. In dem beschaulichen Städtchen, in dem wir anlegten fand ein Cosplay-Treffen statt. Wie sich heraus gestellt hatte, hatten wir beide etwas hierfür übrig und so mussten wir nicht lange überlegen. Selbstverständlich wollten wir unbedingt dort hin. Zwar hatte keiner von uns passende Klamotten eingepackt, aber mit ein wenig Fantasie und etwas Schminke von den Mädels hatten wir recht passabel improvisieren können.

Doch so sehr ich mich auch auf das Treffen gefreut hatte, ich konnte mich einfach nicht recht auf das Geschehen um mich herum konzentrieren. Das zusamensein mit David ließ es einfach nicht zu. Bereits seit Beginn der Reise war es so. Ich genoss die Zeit mit ihm, und doch war es beinahe beängstigend. Ein einziger Blick zu ihm reichte aus, damit sich etwas tief in mir regt. Schon oft hatte ich hiervon gehört. Aber sicherlich gehörte es hier nicht hin. Oder vielleicht doch? So sehr sich auch mein Kopf dagegen sträubte, meinem Herz war es längst klar. Ich hatte mich in David verliebt. Ich hatte mich in einen anderen Jungen verliebt. Alleine ihn anzusehen ließ mein Herz rasen. Aber ich durfte es mir nicht anmerken lassen. Was wen er es mitbekam. Sicherlich würde er mich verabscheuen. Nur zu gut konnte ich mich an die Sprüche und Witze über Schwule auf dem Schulhof erinnern. Natürlich würde es David an widern, wen er plötzlich erführe, dass ich etwas von ihm wollte. Aber dennoch konnte ich mich nicht dagegen erwehren. Am liebsten hätte ich ihn auf der Stelle in den Arm genommen, ihn gestreichelt und seine zarte Haut gespürt. Es nicht tun zu können, tat beinahe körperlich weh. Im Grunde war es ungerecht. Wäre David ein Mädchen gewesen, wäre alles viel einfacher gewesen. Ich hätte einen versuch starten können ohne mir wirklich Gedanken darüber machen zu müssen. Schließlich wäre es das normalste von der Welt. Aber so. Nein ich konnte es nicht, so weh es auch tat. Wohl oder übel müsste mir die Freundschaft zu ihm genügen.

Plötzlich schrack ich zusammen. Die vergangenen Stunde waren an mir vorbei gegangen ohne das ich es wirklich bemerkt hätte. Längst befanden wir uns auf dem Rückwegzum Schiff.
„Sag mal, was geht in dir vor“, hatte David mich gefragt.
„Wieso?“
„Nunja, die bist de ganzen Tag so abwesend. Woran denkst du?“
"Wenn ich dir das sage, würdest du nie wieder mit mir sprechen", gab ich niedergeschlagen zurück.
David nickte nur und schaute sich um. Unwillkürlich folgte ich seinem Blick. Wir befanden uns in einem wunderschönen Park kurz vor dem Hafen, an dem wir angelegt hatten. Niemand war zu sehen.

Und da geschah es. Plötzlich nahm David meine Hand in seine. Ich wusste nicht wie mir geschieht. Vollkommen ungläubig sah ich in an. Sah tief in seine wunderschönen blauen Augen und erkannte endlich, dass er mich ebenso wollte wie ich ihn. Es war der Moment in dem etwas in mir die Herrschaft übernahm und alle Dämme brachen. So wunderschön sich seine warme Hand auf meiner Haut auch an fühlte, ich wollte mehr.

Mein Gesicht näherte sich vorsichtig seinem, bis uns nichts mehr trennte. Unsere Lippen fanden sich, als währen sie hierfür geschaffen worden. Wir verloren uns in einem endlosen Kuss. Alles andere war mir in diesem Moment egal. Für mich war es einfach das natürlichste der Welt. Endlich konnte ich so mit David zusammen sein wie ich es wollte.

Kurz überlegte ich noch, dass dies der schönste Urlaub meines Lebens war. Doch dann ging auch dieser Gedanke in der Schönheit des Augenblicks unter.

Impressum

Texte: Bei dieser Kurzgeschichte handelt es sich ausdrücklich um eine fiktive Handlung ohne Bezug zur Realität.Geschrieben am 22.05.2011Nachdruck, auch auszugsweise nur nach Genehmigung des AutorsRechtschreibung. nach bestem Wissen und GewissenCoverfoto: © /Yaehara.deviantart.comGestaltung und Satz: Robin Jander
Tag der Veröffentlichung: 23.05.2011

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /