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Kapitel 1




Ein Jahr ist es nun her. Ein Jahr, seit dem ich, Tala, in das Rudel von Mingan aufgenommen wurde. Ein Jahr, seit ich meine Mutter zum ersten Mal nach langer Zeit wieder sah. Die fremden Wölfe hatten sich zurückgezogen. Es hatte sich seit damals einiges verändert. Amaroq und ich waren nun ein Paar. Meine Mutter war, Kachina sei Dank, wieder voll bei Kräften. Wir hatten uns ausgesprochen und haben nun ein sehr gutes Verhältnis zueinander. In die Schule gingen Amaroq und ich weiterhin, damit es nicht so sehr auffiel. Jedoch verbrachten wir jede freie Minute bei dem Rudel. Meine früheren Freunde waren total komisch zu mir, seit ich mit Amaroq zusammen war. Sie sagen, er sei nicht gut für mich. Doch das war mir egal. Mein Vater und Melinda waren schon längst wieder geschieden. Seit den vertrage ich mich auch mit meinem Vater wieder besser. Luna, meine Hündin, war leider letztes Jahr noch eingeschläfert worden, da sie einen großen Tumor an der Niere hatte und nur noch Schmerzen hatte. Vanessa, meine Stiefschwester, redete auch noch kaum ein Wort mit mir. Die einzige die nach wie vor zu mir hielt, war Svenja. Mit ihr konnte ich über alles reden und ihr habe ich auch als einzige das Geheimnis von Amaroq und mir anvertraut. Sie stand voll und ganz auf meiner Seite und schwor mir, es niemandem weiter zu erzählen.

An einem regnerischen Herbsttag saßen wir also wieder in der Schule. Es war die sechste Stunde und alle waren sehr nervös, da wir kurz vor den Prüfungen standen. Ich hatte mich im letzten Jahr noch neben Amaroq gesetzt, da meine Freunde kein Wort mehr mit mir wechselten. Ich bekam nur noch giftige Blicke zu spüren, als wäre ich eine Schwerverbrecherin. Frau Mayer hatte sich kaum verändert, vielleicht ein, zwei graue Härchen mehr, aber sonst nichts weiter. Die Klasse war ebenfalls immer noch die selbe. Alle waren nicht sonderlich begeistert, dass ich mit Amaroq zusammen war. Doch das interessierte uns nicht weiter. Es hat einfach gefunkt.
Als die Schulglocke das Ende der letzten Stunde ankündigte, packten alle ihre Sachen und verließen nach und nach das Klassenzimmer. Auch heute gingen meine Freunde wieder ohne mich. Es machte mich immer wieder leicht traurig. Es war, als stellten sie mich vor die Wahl: Amaroq oder sie. Doch in diesem Fall würde ich ganz klar Amaroq wählen. Er ist meine Familie. Bei ihm und beim Rudel fühlte ich mich zuhause. In Gedanken versunken sah ich den anderen nach. Amaroq berührte vorsichtig meine Hand. Ich drehte mich zu ihm um und er lächelte mich an. Ich lächelte zurück dann nahm ich meine Tasche und lief zusammen mit Amaroq aus dem Klassenzimmer. Als wir das Schulgebäude verließen traf mich der Schlag. Kevin hatte ein paar Jungs zusammengesucht und stand nun mit ihnen vor mir und Amaroq. Ich sah Kevin mit einem verachtenden Blick an. "Kevin was soll der Mist!", rief ich geschockt und klammerte mich an Amaroqs Hand, der vor Wut fast überkochte. Kevin funkelte Amaroq an. "Was hast du mit Mia gemacht?! Sie hat sich völlig von uns abgesondert seit sie mit dir zusammen ist du Mistkerl!", fuhr er ihn an und schubste ihn, so dass Amaroq nach hinten stolperte. Mir rutschte das Herz in die Hose. Mit weit aufgerissenen Augen sah ich Kevin an. "Ihr habt euch von mir abgesondert, nicht ich von euch! Ich habe euch nichts getan und Amaroq genauso wenig!", schrie ich ihn an. Kevin sah mich entsetzt an. Die anderen Jungs hielten sich noch völlig zurück. Die Mädchen standen ein wenig abseits und beobachteten uns. Amaroq stand wieder auf und stürmte sofort auf Kevin zu packte ihn am Kragen und drückte ihn zu Boden. Kevin versuchte ihn von sich runterzudrücken. Doch Amaroq gab nicht nach. Mein Herz pochte schneller vor Aufregung und Angst. "Hört sofort auf!", rief ich und versuchte Amaroq von Kevin runterzuziehen. Amaroq gab dann schließlich nach und lief einen Schritt zurück. Ich hielt sofort wieder seinen Arm fest. Kevin stand wieder auf, hatte einen knallroten Kopf vor Wut und funkelte Amaroq böse an. "Das wird dir noch leid tun!", drohte er. "Gibt es ein Problem?", fragte eine vertraute Stimme ein paar Meter von uns entfernt. Alle sahen in die Richtung. "Paco...", flüsterte ich erleichtert. Paco, Takoda, Taima und Shiriki waren die 'Jungwölfe' des Rudels. Sie kamen auf uns zugelaufen und stellten sich neben uns. Kevin sah sie an und lachte spöttisch.
Shiriki war ein schmächtiger, kleiner Jungwolf. Er hatte, wie fast alle im Rude, dunkle Haut, schwarze Haare und dunkle Augen. Auch die anderen Jungwölfe sahen so aus. Nur alle waren eben verschieden stark gebaut und hatten einen anderen Charakter.
Nun standen sich also Mensch und Wolf gegenüber. Nur mit dem unterschied, dass die Menschen nicht wussten, dass sie gerade Wölfen gegenüberstanden. "Los verschwindet!", sagte Takoda. Er war kräfig gebaut und nahm nie ein Blatt vor den Mund. Takoda war Amaroqs bester Freund. Kevin sah uns an, dann nur mich. "Mia, wenn du klug bist, kommst du zu uns zurück!", sagte er. Doch ich sah ihn nur eiskalt an. "Wenn ihr klug seid, lasst ihr uns ein für alle mal in Ruhe!", sagte ich mit bestimmender Stimme. Dann lief ich in Richtung Wald davon. Amaroq und die anderen folgten mir. Kevin und seine Jungs sahen uns nach, dann zogen auch sie ab.
Der Regen wurde immer stärker und man konnte nur ein paar Meter weit sehen. Kein Vogel war zu hören, nur das Plätschern des Regens der auf den Boden niederrasselte. Amaroq hatte mich schnell eingeholt, stellte sich vor mich und nahm mich in den Arm. "Es tut mir leid.", sagte er leise. Ich schüttelte den Kopf. "Dir muss nichts leid tun. Ehrlich, die habens verbockt, nicht wir!", sagte ich und schmiegte mich an ihn. Seine Umarmungen waren unglaublich schön und ich fühlte mich immer so sicher. Amaroq hielt mich eine ganze Weile lang im Arm. Die Jungs waren inzwischen wieder im Wald verschwunden. Vom Wald vernahmen wir ein Heulen, dass das Rudel zusammenrief. Ich atmete tief durch und löste mich nur ungern von ihm. Amaroq nahm meine Hände in seine und sah mir liebevoll in die Augen. Er setzte wieder dieses Lächeln auf, bei dem ich einfach nur dahinschmelzen wollte. Wie immer konnte ich nicht anders und lächelte automatisch zurück. Dann liefen wir zusammen zurück zum Rudel.



Kapitel 2



Beim Rudel angekommen erwarteten uns schon Amaroqs Eltern und meine Mutter. Mingan stand auf einem etwas höher gelegten Felsen und sah zu uns herab. Er lächelte uns zu dann sah er zu den anderen Wölfen, die sich nach und nach um den Felsen herum versammelten. Als alle anwesend waren fing Mingan an zu sprechen: "Ich muss verkünden, dass die fremden Wölfe wieder zugeschlagen haben. Sie haben einen wehrlosen Menschen, einen Spaziergänger im Wald überfallen und zerfetzt!" Mir stockte der Atem. Sofort dachte ich an einen meiner Freunde oder vielleicht sogar meinen Vater. Amaroq sah mich an und legte mir vorsichtig einen Arm um die Schultern. Mingan fuhr fort: "Wir müssen uns bereit machen! Bald werden sie die Menschen angreifen. Ihr Rudel ist im letzten Jahr stark gewachsen, es sind nun weit über 100 Wölfe! Wir versuchen erst normal mit ihnen zu sprechen und sie zu überreden, es sich nocheinmal anders zu überlegen!" Bei diesen Worten sah er zu mir mit einem bittenden, sanften Blick. Ich senkte den Blick. "Wenn sie dies jedoch nicht annehmen werden, müssen wir einen anderen Weg finden sie aufzuhalten, der uns vielleicht sogar das Leben kosten wird!", rief er in die Runde. Einige der Wölfe sahen entschlossen und mutig aus, andere hingegen eher verängstigt. Ich versuchte ruhig zu bleiben, in mir stieg aber ebenfalls die Angst. Amaroq sah nur zu Mingan, sein Blick war entschlossen und er schien kein bisschen Angst zu haben. "Ich werde noch heute mit ihrem Anführer sprechen. Ich werde nacher zu den Einzelnen gehen, die mich begleiten werden.", sagte er noch dann sprang er vom Felsen und lief in die Höhle. Wir sahen ihm nach. Als er verschwunden war ging gemurmel und geflüster los. Meine Mutter starrte zur Höhle. Zu gerne wüsste ich, was sie gerade dachte. Einige gingen wieder ihrer Wege. "Was wirst du tun, Amaroq?", fragte Takoda leise, der plötzlich hinter uns stand. Beide drehten wir uns um und sahen ihn an. Amaroq sah ihm in die Augen. Hatte er doch ein wenig Angst. "Ich weiß es nicht!", sagte Amaroq. Takoda senkte den Blick. "Ich würde am liebsten verschwinden. Weit weg!", sagte er leise. Ich sah Takoda mit besorgtem Blick an. Amaroq seufzte leise. "Dann würden wir unser Rudel, unsere Familie im Stich lassen!", sagte er leise und ein wenig nachdenklich. Takoda nickte. "Vielleicht können wir die Wölfe überreden es nicht zu tun.", sagte ich, glaubte aber nicht wirklich, dass das funktionieren würde. Takoda sah mich an. "Tala, wenn das nicht funktioniert und wir uns dem Rudel dann nicht unterwerfen, sind wir verloren!", sagte er. Ich sah ihn an, dann senkte ich den Blick wieder. Takoda sah Amaroq nochmal an, dann drehte er sich um und lief zusammen mit Shiriki in den Wald.
Meine Mutter legte von hinten die Arme um mich. "Tala...", flüsterte sie "Ich glaube an dich. Und selbst wenn es nicht klappt, wir kämpfen für unser Rudel." Ich schloss die Augen, lauschte ihren Worten und lächelte. Amaroq lächelte und beobachtete uns. Es tat unglaublich gut ihre ruhige, melodische Stimme zu hören. Sie gab mir jedesmal von neuem Kraft. Eine Weile standen wir einfach so da. Es regnete noch immer, aber nicht mehr so schlimm wie vorhin. Das Laub raschelte unter den Füßen der anderen. Ein paar Vögel trauten sich nun wieder aus den Bäumen und jagten Insekten.
Dann löste sich meine Mutter von mir. Ich drehte mich langsam zu ihr um und sah ihr in ihre wunderschönen hellblauen Augen. Sie lächelte mich an und strich mir sanft über die Wange. "Wir schaffen das schon!", sagte sie aufmunternd und lief dann ebenfalls zur Höhle. Ich sah ihr nach und lächelte, dann drehte ich mich zu Amaroq. Der starrte zu boden und sah sehr nachdenklich aus. "Alles in Ordnung?", fragte ich vorsichtig und nahm seine Hand in meine. Er hob den Kopf, sah mich an und lächelte leicht. "Klar.", sagte er leise. "Wollen wir ein bisschen spazieren gehen?", fragte er dann. Ich lächelte und nickte zustimmend. Amaroq lächelte und lief mit langsamen Schritten los, in Richtung unseres Lieblingsplatzes am See. Ein Fuchs lief uns über den Weg, starrte uns kurz an und rannte sofort wieder weiter. Weiter weg suchte ein Bär nach Beute. Es gab nicht mehr viele von diesen Raubtieren. Die Menschen hatten sie schon fast ausgerottet. Einerseits konnte ich die Unruhe und die Wut der fremden Wölfe verstehen. Aber es musste einen Weg geben, dass Tier und Mensch zusammen in Frieden leben konnten.
Der Schrei eines Bussards lies mich aufschrecken. Ich sah zu dem großen Raubvogel, der über uns hinwegflog. All diese wundervollen Tiere würden bald verschwinden, wenn die Menschen nicht bald ihre Augen öffneten.
Nach einer Weile waren wir am See angekommen. Es hatte inzwischen ganz aufgehört zu regnen, trotzdem waren wir völlig durchnässt. Doch das machte mir schon gar nichts mehr, ich war es gewohnt, denn als Wolf konnte man sich schließlich auch nicht einfach andere Klamotten anziehen. Der See war ein wenig voller als sonst und auch der Wasserfall schoss mehr Wasser als sonst herab. Die Bäume waren in den verschiedensten Farben gefärbt. Der herbstliche Wald war wirklich wunderschön. Zugvögel die noch eine lange Reise vor sich hatten, rasteten hier um wieder zu Kräften zu kommen.
Amaroq und ich setzten uns auf einen umgefallenen Baumstamm dicht nebeneinander. Es war kühl geworden. Amaroq legte mir einen Arm über die Schultern und lehnte seinen Kopf an meinen. "Du hast Angst.", sagte ich leise und es war mehr eine Feststellung als eine Frage. Amaroq schloss die Augen, antwortete nichts. Das war für ein klares Ja. "Ich auch.", sagte ich dann leise und schloss ebenfalls die Augen. Dann hörte man nur noch das Schnattern der Gänse im Wasser und das Rauschen des Wasserfalls. Lange saßen wir einfach nur so, Arm in Arm da. Man spürte, dass der Wald nicht mehr sicher war. Die Tiere waren unruhiger, aufmerksamer und scheuer als sonst, und es roch auch ganz anders, viel mehr nach Mensch. Die Bäume schrieen förmlich da einer nach dem anderen abgeholzt wurde, weil hier ein neues Wohngebiet hingebaut werden sollte. Alle Tiere müssten sich ein neues Zuhause suchen, oder würden unter den Maschinen begraben werden. Die Menschen waren einfach zu mächtig geworden. Sie hatten die Herrschaft über die Natur übernommen. Alles schien nicht mehr so zu sein, wie es sein sollte. So wie es Mutter Natur geregelt hatte. Noch könnte man etwas tun, aber dazu müsste den Menschen erstmal die Augen geöffnet werden. Und genau das wollten die fremden Wölfe erreichen, jedoch mit Gewalt, so wie die Menschen es auch taten. Ich konnte die Wölfe die sich dem Rudel anschlossen immer mehr verstehen, aber es würde trotzdem nichts bringen. Die Menschen würden sie alle töten, sie hätten kaum eine Chance. Doch sie waren blind vor Zorn über die Menschheit. Sie würden alles dafür geben die Menschen zu vernichten. Und die Menschen würden sich wehren und würden siegen. Die Vorstellung von toten Tieren und Menschen überall im Wald war traurig und grausam. Amaroq strich mir sanft über den Kopf. Das beruhigte mich ein wenig. Manchmal dachte ich, er könne Gedanken lesen.
Plötzlich schreckten die Wasservögel auf und flogen panisch schnatternd davon. Ich schrak auf und sah hektisch um mich. Amaroq stand auf und sah sich um. Ich witterte und hörte nichts. Warum waren sie auf einmal so panisch? Ich wurde unruhig und stand ebenfalls auf. Mein Herz pochte laut vor Schreck und ich traute mich kaum zu atmen. Dann sahen wir die Ursache. Ein Fuchs hatte sich eine Gans geholt und trabte zufrieden in den Wald. Er hatte sich zuvor in Tierkot gewälzt um seinen Geruch zu verbergen. Ich atmete erleichtert auf. Auch Amaroq war die Erleichterung sichtlich ins Gesicht geschrieben.
Dann hörten wir das Heulen von Mingan. Er rief das Rudel zusammen. Amaroq und ich nahmen unsere Wolfgestalten an und trabten, Seite an Seite, zurück zur Höhle. Mingan stand wie immer auf einem Hügel, von wo aus er alles gut im Überblick behalten konnte. Als wir stehen blieben, stellte sich meine Mutter neben mich und sah starr hinauf zu Mingan. Der fing an zu sprechen.
„Es gab wieder einen Todesfall… Takoda und die anderen Jungwölfe entdeckten im Wald ein junges Mädchen.“, sagte er traurig und mit diesem traurigen Blick sah er zu mir. Ein Schauer fuhr mir über den Rücken. Amaroq und meine Mutter sahen mich ebenfalls an.
„Wir können so nicht weitermachen! Wir müssen uns schnellstmöglich etwas einfallen lassen. Wie vorhin schon angekündigt, werde ich das Rudel noch heute aufsuchen und mit ihrem Alpha Rüden sprechen. Nun werde ich diejenigen nennen, die mit mir kommen: Lim, Amaroq, Tala, Shiriki, Kachina und Alagos. Folgt mir, auch wenn es unser letzter Marsch sein sollte.“, sagte er traurig und sprang von dem Hügelchen. Meine Mutter, Amaroq und ich, so wie die anderen die er genannt hatte, folgten ihm sofort. Mingan schlug sofort die Richtung ein in der er das Rudel witterte. Die anderen blieben zurück. Nun war Lain, Amaroqs Mutter die Ranghöchste und würde das Rudel so lange anführen bis Mingan wieder zurück war. Mingan hatte seine Alpha Wölfin durch Jäger verloren und bis jetzt keine andere gefunden. Der Wald kam mir nun noch dunkler, noch erschreckender vor als sonst. Die Vögel waren still und kein Blatt regte sich. Immer wieder schwirrte mir Mingans Satz im Kopf umher, dass ein junges Mädchen tot entdeckt wurde. Nachfragen wollte ich allerdings erst, wenn wir wieder sicher beim Rudel angekommen waren.
Kurze Zeit später sahen wir das riesige Rudel. Es mussten weit über 100 Wölfe sein. Mir stellten sich die Nackenhaare. Der Alpha Wolf bemerkte uns sofort und drehte sich zu uns. Er baute sich auf und er war weitaus größer als Mingan, doch das schreckte unseren Rudelführer nicht ab.
„Wir sind nicht hergekommen um zu kämpfen, aber auch nicht um uns euch zu unterwerfen!“, sprach Mingan.
Der schwarze, große Wolf bleckte die Zähne und gab ein leises Grollen von sich.
„Was tut ihr dann hier?“, fragte er mit tiefer, furchteinflößender Stimme.
Und bevor Mingan irgendetwas sagen konnte, trat ich vor und übernahm die Stellung.
„Wir möchten mit euch reden!“, fing ich an. „Es hat keinen Sinn was ihr hier plant. Die Menschen sind viel zu mächtig, nicht mal ein so großes Rudel wie ihr es seid würde gegen ihre Waffen ankommen! Außerdem wärt ihr dann nicht sehr viel besser als die Menschen. Ihr würdet euch gegenseitig abschlachten. Das sieht Wölfen nicht ähnlich und man könnte euch dann mit Menschen vergleichen! Wir sind dazu geboren worden, Mensch und Tier zu verstehen und die Menschen dazu zu bringen mit uns in Frieden zu leben! Lasst uns die Chance die Menschen umzustimmen. Wenn das nicht klappt…“
„Schweig!“, knurrte der große, schwarze Wolf mich an.
Ich zuckte heftig zusammen und duckte mich leicht. Er sah wirklich bösartig aus, doch ich sah in seinen Augen Schmerz.
Kachina sah ihn böse und verachtend an, als würde sie gleich einen Fluch auf ihn hetzen.
„Die Menschen umstimmen? Das ist unmöglich! Die Menschen sind nicht mehr bei Sinnen! Sie werden uns alle ausrotten, bis zum letzten Tier. Die Menschen verstehen nur, wenn man ihnen das gleiche Leid antut, das sie uns angetan haben.“, sagte er dann drehte er sich von uns weg.
„Wenn ihr euch uns nicht unterwerft, solltet ihr lieber so schnell wie möglich verschwinden… Sonst werde ich euch töten lassen!“, knurrte er.
Und wie auf Stichwort versammelten sich einige Wölfe um ihn und bleckten die Zähne. Sie sahen uns finster und böse an. Mingan gab nur ein Brummen von sich und drehte um. Die anderen folgten ihm. Ich blieb noch eine ganze Weile stehen und sah mir die Wölfe genauer an. Sie hatten Narben am ganzen Körper. Fast alle Wölfe waren entweder Schwarz oder dunkelbraun. Nur eine Wölfin hatte fast blondes Fell und grüne Augen. Ihr Blick kam mir irgendwie vertraut und doch fremd vor. Die Augen der anderen Wölfe waren matt, nicht glänzend wie die unseren. Was wohl mit ihnen passiert war? Doch weitere Fragen wollte ich jetzt nicht stellen. Auch ich drehte um und lief den anderen nach. Das große Rudel gab ein lautes Geheul von sich.
Mit gesenktem Kopf lief ich nun zwischen Amaroq und meiner Mutter. Mingan lief vorn und sprach kein Wort. Als wir wieder zurück beim Rudel ankamen verzog er sich gleich in die Höhle. Ich blieb stehen und sah ihm nach.
„Es ist nicht deine Schuld. Du hast es zumindest versucht.“, versuchte meine Mutter mir Mut zu machen. Dann lief auch sie zur Höhle.
Mir fiel das Mädchen wieder ein. Also trabte ich ebenfalls zur Höhle und sah mich kurz um. „Mingan? Ich habe noch eine Frage… Wer war das Mädchen das umgebracht wurde?“, fragte ich vorsichtig und mit leicht zittriger Stimme. Amaroq war draußen geblieben.
Mingan sah mich an. Seine Augen waren noch immer traurig.
„Tala, es war deine Stiefschwester… Vanessa.“, sagte er kaum hörbar.
In dem Moment spürte ich ein Stechen das meinen ganzen Körper durchfuhr. Das konnte nicht sein! Was würde Vanessa denn im Wald machen? Ich machte ein paar Schritte zurück. Meine Mutter sah mich besorgt und traurig zugleich an.
„Du lügst!“, rief ich nur und rannte aus der Höhle. Ich rannte zurück in den Wald so schnell meine Füße mich trugen. Vanessa? Nein! Das konnte nicht sein.
„Tala warte!“, hörte ich Amaroq von hinten rufen, doch ich blieb nicht stehen. Ich wollte mich selbst davon überzeugen.
Und als ich am Tatort ankam, blieb mir kurz die Luft weg.

Kapitel 3


Impressum

Tag der Veröffentlichung: 22.06.2010

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Friede ist nicht nur das Gegenteil von Krieg, nicht nur der Zeitraum zwischen zwei Kriegen - Friede ist mehr. Friede ist das Gesetz menschlichen Lebens. Friede ist dann, wenn wir gerecht handeln und wenn zwischen jedem einzelnen Menschen und jedem Volk Gerechtigkeit herrscht.

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