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Verrat

Ich liege in einem Bett und das monotone Flackern einer roten Leuchtreklame sehe ich durch die Ritzen eines Rollos. Die Umrisse des Zimmers kann ich nicht erkennen – wo bin ich – und weshalb habe ich so starke Halsschmerzen.

 

Leise öffnet sich eine Türe und im Lichtschatten der angrenzenden Diele erkenne ich meine Freundin Christine. „Ich wollte nachsehen wie es dir geht, hoffentlich habe ich dich nicht erschreckt.“

„Was ist los und warum bin ich bei dir?“

„Jürgen, dein Verlobter hat dich zu mir gebracht, nachdem sein Einsatz auf der Autobahn beendet war.“

„Was für ein Verlobter und was für ein Einsatz?“

„Susanne ich bitte dich, du wirst doch noch deinen über alles geliebten Jürgen kennen.“

„Nein, habe noch nie etwas von einem Jürgen gehört, Christine, lass bitte die Scherze und erkläre mir endlich weshalb ich bei dir bin und außerdem so starke Halsschmerzen habe.“

„Bleibe bitte liegen, ich komme gleich wieder zurück, dann reden wir.“

Christine ging in die Küche und rief von dort Jürgen an.

„Du musst sofort kommen, Susanne hat mehr als einen Schock, sie hat einen totalen Gedächtnisverlust und kann sich an nichts mehr erinnern, selbst dich kann sie nicht mehr einordnen.“

„Ich komme, so schnell ich kann" und beendete das Gespräch.

„Mit wem hast du telefoniert?", wollte Susanne wissen.

„Ich habe mit Jürgen gesprochen und er kommt in Kürze vorbei nd so lange solltest du noch liegen bleiben.“

„Christine, wenn du nicht mit diesem „Jürgen aufhörst mich zu bombardieren, stehe ich auf und gehe. Schließlich habe ich noch so einiges zu regeln. Wie du weißt sind meine Eltern mit dem Wohnmobil in Urlaub gefahren und ich habe ihnen zugesagt, in dieser Zeit die Villa zu hüten und bei ihren diversen Mietwohnungen nach dem Rechten zu sehen.“

Es klingelte und Christine verschwand in Richtung Haustüre, um nach einer gefühlten Ewigkeit mit einem jungen Mann – dem besagten Jürgen – im Schlafzimmer zu erscheinen. Beide schauten mich eher mitleidig an, was mir gar nicht gefiel.

„Susanne, auch wenn du dich jetzt noch nicht erinnern kannst, das ist Jürgen, dein Verlobter. Er ist Notarzt und fliegt mit der Hubschrauber-Staffel Einsätze, zu denen sie bei schweren Verkehrsunfällen beordert werden.“

„Sehr lobenswert und sicherlich auch kein einfacher Job, aber was hat das mit mir zu tun?“

Jetzt trat Jürgen zur Bettkante und wollte ihre Hand nehmen.

„Lassen sie das, ich bin schließlich kein Hund, der gestreichelt werden möchte und da ich sie nicht kenne, bitte ich sie, das Schlafzimmer zu verlassen.“

Jürgen reagierte sofort und verließ gemeinsam mit Christine das Zimmer.

„Tu etwas, ihr jetziger Zustand sollte anhaltend bleiben, eine Chance die uns so schnell nicht mehr gegeben wird.“

„Hier, ich habe ein sehr starkes Beruhigungsmittel, gebe es in einem Glas Milch, und sie wird nicht nur lange schlafen, sondern ihre Gedächtnislücken werden eine Konstante bleiben".

Während Christine ihr die warme Milch brachte, fuhr Jürgen ins Krankenhaus.

Der schwere Unfall auf der Autobahn, bei dem ein Geisterfahrer ins das Wohnmobil fuhr, wurden beide Eltern schwer verletzt in die Uniklinik geflogen. Jürgen hatte den Einsatz geleitet. Auf der Intensivstation konnte ihm nur noch der Tod der Mutter mitgeteilt werden, der Vater befand sich noch im Operationssaal. Nach stundenlanger Wartezeit lag er dann auf der Intensivstation, mit mäßigen Überlebenschancen. Jürgen stand an seinem Bett, vernahm zwar die etlichen Geräusche der vielen Apparaturen, die sein Leben noch erhielten, war sich aber sicher, dass er es aufgrund der enormen Verletzungen nicht schaffen würde.

„Ich werde für deine kleine Prinzessin sorgen und ihr unterstützend zur Seite stehen, wie es dir einst versprochen, auch wenn ich nur, nach deiner Aussage, ein kleiner geldgieriger Arzt gewesen bin. Bemerkenswert ob deiner Menschenkenntnis, du hattest den Nagel tatsächlich auf den Kopf getroffen. Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall, oder sollte ich es besser formulieren, gut Ding will Weile haben. Schlafe sanft, dein verhasster Schwiegersohn wird es jetzt richten.

Damit verließ er die Station, ohne sich an den diversen Mitleidsbekundungen der diensthabenden Krankenschwestern zu stören.

„Wie geht es den beiden, war die direkte Frage“, als Jürgen zu Türe hereinkam.

„Die Mutter ist bereits tot und der Vater wird, so wie ich das sehe, die Nacht nicht überstehen. Hast du ihr die Milch gegeben?“

„ Klar, sie schläft tief und fest.“

„Du wirst ihr dieses Mittel in regelmäßigen Abständen verabreichen und nach einer Woche werde ich ihren Hausarzt konsultieren und die nötigen Erklärungen zu ihrem Zustand kundtun. Wir werden ihn bitten, sich selbst von ihrer Beschaffenheit zu informieren mit der Maßgabe, sie vielleicht in einer Psychiatrie einweisen zu lassen, damit dort gezielte Anordnungen getroffen werden können. Christine, wir sind unserem erträumten Leben eine ganze Spur näher gekommen. Der einst unpopuläre Schwiegersohn wird nun aktiv. Ein willkommen auf unsere gemeinsame Zukunft, wer hätte das je gedacht, so unspektakulär ans Ziel zu kommen.“

„Mein Schatz, dafür liebe ich dich noch eine ganze Meile mehr.“

Susanne war nur noch ein Schatten ihrer selbst, nahm nichts mehr wahr, reagierte gelegentlich aber etwas cholerisch.

Nach dem Besuch des Hausarztes und seiner Anordnung, Susanne tatsächlich in eine Psychiatrie einzuweisen, machte den – vermeintlichen – Traumweg von Jürgen und Christine frei.

Bei ihren regelmäßigen Besuchen wurde Susanne nach der Freigabe der Konten und der Vollmacht zur Betreuung der vielen Mietwohnungen befragt. Susanne, immer noch im Dämmerzustand ihres Seins, gab meist nur vage oder überhaupt keine Antworten, so dass der finanzielle Coup noch auf sich warten ließ.

Die Wende dieser bösartigen Intrige kam in Gestalt der Nachbarin und Freundin der verstorbenen Mutter. Monika Reiter sah das Kommen und Gehen von Jürgen und Christine mit gemischten Gefühlen und das diese sie nicht getäuscht hatten, bewies eines Tages deren Unachtsamkeit. Bei nur teilweise geschlossenen Vorhängen konnte sie beide im intensiven Austausch von Zärtlichkeiten beobachten.

Sie entschloss sich, den Hausarzt, den auch sie konsultierte, zu informieren. Hier musste sie erfahren, dass Susanne in die Psychiatrie eingewiesen wurde, eine seinerzeit unterschwellige Empfehlung ihres Verlobten.

Hier sah Frau Reiter jetzt dringenden Handlungsbedarf. Mit Hilfe des Hausarztes und einem Rechtsanwalt wurde die Patientenakte Susanne offensichtlich gemacht, bei der eine völlig unnötige Ruhestellung bekannt wurde. Es konnte nie das Mitwirken des Oberarztes des Krankenhauses zweifelsfrei geklärt werden.

Susanne wurde zur Entgiftung in ein allgemeines Krankenhaus verlegt und von Frau Reiter liebevoll betreut. Sie erzählte der Nachbarin, dass sie von dem Unfall im Radio gehört und sofort gewusst hätte, dass es sich hierbei um ihre Eltern gehandelt habe, worauf sie schreiend und völlig desorientiert zu ihrer Freundin gelaufen wäre, dass ihr ehemaliger Verlobter sie begleitet habe, daran konnte sie sich überhaupt nicht erinnern, was auch hätte gar nicht sein können, da er sich zu diesem Zeitpunkt am Unfallort befand.

Nach ihrer Genesung erhob sie Anklage gegen ihren ehemaligen Verlobten und ihrer damalige besten Freundin.

Dieser gab unter Druck der Staatsanwaltschaft und nach längerem Zögern zu, Susanne für unzurechnungsfähig erklären zu wollen, um sich das Vermögen aneignen zu können, die Beziehung zu Christine bestand schon seit langem. Auch sie hasste ihre Freundin wegen ihres Reichtums, war sie doch eher in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen.

Beide erhielten Geldstrafen und Jürgen wurde seine Approbation entzogen.

 

MAN LIEBT DEN VERRAT ---- HASST ABER DEN VERRÄTER

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Tag der Veröffentlichung: 18.11.2017

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