Der Taucher
Aufbruchstimmung, der Winter mit seinen kalten und dunklen Tagen war Vergangenheit.
Die letzten Blütenkelche zeigten sich jetzt in ihren vielfältigen Farben und das satte Grün der Bäume hob so manche Gemütslage wieder ins Gleichgewicht
Die vielen Biergärten, Straßencafe`s und Parks waren mit farbenfroh gekleideten Menschen bevölkert. Jeder wollte Sonne tanken und sich endlich wieder im Freien bewegen.
Meine Freundin Jutta und ich, hatten bei unserem gestrigen Telefonat den gleichen Gedanken. Beide hatten wir einige Tage arbeitsfrei und verabredeten uns deshalb für den nächsten Nachmittag in einem, am Rand der Stadt gelegenen, Biergarten.
Was hatten wir diese Zeit vermisst.
Wir genossen nicht nur unsere Freizeit, sondern auch den warmen Frühlingstag mit einem köstlichen Radler, den lachenden Leuten, den hererumwirbelden Kindern und Hundegebell.
Für Ende Mai stiegen die Temperaturen sehr hoch auf 26 Grad, und der Wetterbericht sagte für den morgigen Tag bereits bis zu 28 Grad voraus.
Es bot sich einfach an, schwimmen zu gehen. Also beschlossen wir, uns am nächsten Tag im nahegelegenen Waldsee zu treffen. Jutta war darüber Feuer und Flamme, da sie eine ausgesprochene Wassernixe ist. Wasser ist einfach ihr Elend, sie hätte auch eine Nixe werden können, mit Schwimmhäuten zwischen ihren Zehen ausgestattet.
Die Wettervorhersage – 28 Grad – war perfekt.
Ausgestattet mit Proviant, Decken, Sonnencreme und natürlich unseren neuesten Bikinis – schließlich wollten wir ja Aufmerksamkeit erlangen – fuhren wir zum Waldsee, Die Lage des See`s war einfach phantastisch, muldenähnlich wurde er seinerzeit angelegt und mit Bäumen und duftenden Sträuchern umrandet.Der See war recht übersichtlich und in der Mitte befand sich eine sogenannte Ruheinsel.
Obwohl zu dieser Uhrzeit schon viele Besucher anwesend waren, mussten wir auf unseren Lieblingsplatz nicht verzichten. Die Decken wurden ausgebreitet, die Sonnencreme kam zu ihrem ersten Einsatz, die Bücher wurden platziert.
Die ersten Blicke der Männlichkeiten ließen nicht lange auf sich warten, genauso wie die üblichen Fragen: Wo kommt ihr her, ihr habt einen geilen Body, wollen wir uns zusammen in die Fluten stürzen? Der Patrouille laufende Bademeister konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Aufmerksamkeiten und Bewunderungen, die man einfach genießen sollte, wie real oder irreal sie ausgesprochen oder gemeint waren.
Jutta wollte erst Sonnenbaden und danach ins kühle Nass springen, was mir sehr recht war, da ich noch etwas in die Runde schauen wollte, das Beobachten von Menschen finde ich immer sehr spannend, außerdem hatte ich noch einen tollen Schmöker in meiner Tasche.
Jutta war mittlerweile eingeschlafen und ich ließ meine Blicke schweifen. Der große, flache Uferbereich war schon sehr stark bevölkert. Der Knabe auf der Nachbarliege meinte, das diese Zonen schon recht warm wären, nur mittig sei was Wasser noch recht kalt. Trotzdem sah ich einige Verwegene zur Insel schwimmen, die im vorderen Teil und an den Seiten einsichtig war. Nur den hinteren Teil konnte man von der Liegewiese aus, nicht sehen.
Die Mutigeren hielten sich jedoch in der Kältezone des Wassers nicht allzu lange auf, darunter auch einige der Jünglinge, die uns zuvor angemacht hatten.
Aus meiner Perspektive sah ich einen Mann an der linken Seite der Insel, der nicht schwamm, dafür aber im gleichen Rhythmus
immer auf und ab tauchte. Ich weckte meine Freundin und erklärte ihr meine Beobachtung." Da stimmt was nicht, ich informiere den Bademeister" und schon rannte sie los.
Die Badeaufsicht sah ebenfalls das Verhalten dieses Mannes, und setzte sofort das Rettungsboot aus. Schnell war der Schwimmer erreicht, und wir konnten hören, dass eine recht lautstarke Unterhaltung erfolgte. Das Boot drehte bei und kam ohne den Taucher wieder zurück.
Meine Freundin Jutta – ich war mittlerweile auch an ihrer Seite – befragte den zurückgekehrten Bademeister, der immer noch ziemlich giftig zu sein schien. Er wollte zunächst keine Antworten geben, aber auf Drängen meiner Freundin, erzählte er uns, das auf der rückwärtigen Seite der Insel – also der Teil, der vom Ufer aus nicht einsichtig ist – eine Dame im Wasser wäre, und der Mann – also der Taucher – sie unter Wasser beglücken würde.
Somit waren die rhythmischen Tauchgänge erklärbar geworden.
Manche der Besucher schüttelten die Köpfe, einige fanden es eine Frechheit und wieder andere, dazu zählten auch meine Freundin und ich, haben vor Lachen lautstark losgebrüllt.
Der leidenschaftliche Taucher und sein See-Jung-Frau wurden nicht mehr gesichtet, wohin sie auch immer verschwunden waren.
Tag der Veröffentlichung: 12.04.2017
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