AFRIKA, ich komme
Noch zwei Stunden, dann feiere ich mit meinen Eltern den Heiligen Abend und der kommenden Bescherung fiebere ich mächtig entgegen.
Übrigens, ich heiße Vanessa, bin 9 Jahre alt und mein größtes Hobby ist das Fotografieren. Ihr könnt euch sicher schon denken, welchem Geschenk ich entgegenfiebere, ja, es ist eine Fotokamera mit einer kompletten Ausrüstung. Ich weiß sehr wohl, dass mein Wunsch ausgefallen und teuer ist, hoffe aber sehr, dass ihn mir meine Eltern erfüllen werden. Auf meiner Wunschliste fanden sie immer denselben Traum, eine Kamera. Das konnte sie manchmal ganz schön nerven.
Also noch zwei volle Stunden Wartezeit – eine Ewigkeit für mich - und dann halte ich sie vielleicht in meinen Händen.
Meine Eltern liefen geschäftigt im Haus herum, musste doch noch einiges hergerichtet werden. Das Wohnzimmer mit Tannenbaum, Krippe und Geschenken durfte nicht mehr betreten werden. Bei uns war es Sitte, dass mein Vater eine Glocke ertönen ließ und wir dann gemeinsam ins festlich geschmückte Wohnzimmer gingen. Meine Mama spielte auf dem Klavier wunderschöne Weihnachtslieder – übrigens sie konnte ganz toll Klavier spielen – und Papa las uns danach die Weihnachtsgeschichte vor. Eine anheimelnde Atmosphäre, der Schnee der draußen fiel, die vielen Kerzen am Tannenbaum und die wohlige Wärme des Zimmers. Irgendwie fand ich das immer andächtig.
Gleich musste die Glocke ertönen, nachdem ich nun schon lange gewartet hatte. Und endlich, ganz leise zunächst, aber dann etwas lauter hörte ich sie. Ich lief direkt zum Wohnzimmer, in dem meine Eltern bereits auf mich warteten. Ich glaube, ich habe an diesem Weihnachtstag nichts wahrnehmen können, weder das Klavierspiel meiner Mama noch die Weihnachtsgeschichte, die mein Papa vorlas. Ich starrte wie gebannt auf die vielen Päckchen, konnte aber durch ihre unterschiedlichen Formen nicht erkennen, ob sich mein Wunsch erfüllen würde.
Nachdem wir uns ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest gewünscht hatten, ging endlich die Bescherung los, - endlich – Als jüngstes Familienmitglied wurde ich immer zuerst beschenkt. Meine Mutter überreichte mir einen ziemlich großen Umschlag, den ich zunächst nicht zu deuten wusste. Voller Neugierde riss ich ihn auf und wäre fast erstarrt. Ich konnte nicht mehr sprechen, habe nur gelesen, gelesen, gelesen. Der Umschlag enthielt ein Flugticket zum Krüger-National-Park-Fotosafari in Südafrika. Ich konnte mich nur noch in den Sessel fallen lassen und vor Freude weinen. Dann kam mein Papa zu mir und überreichte mir mein wertvollstes Geschenk, nämlich die Kamera mit einer ganz, ganz tollen Ausrüstung dazu. Das war mit Sicherheit das wunderschönste und herrlichste Weihnachtsfest meines Lebens, das ich nie vergessen werde.
Nach den aufregenden Feiertagen galt es nun die ersten Vorbereitungen für die Reise zu treffen, die für August gebucht worden war. Wir gingen gemeinsam zu unserem Hausarzt und ließen uns über die nötigen Schutzimpfungen aufklären, da wir wussten, dass einige davon in bestimmten Abständen wiederholt werden mussten. Nach der Aufklärung unseres Reisezieles mussten wir erfahren, dass uns einige Impfungen bevorstanden. Zunächst war da die Typhus-Impfung, es folgte die Polio-Impfung (Kinderlähmung) Tetanus (Wundstarrkrampf) Malaria (Stiche von Mücken in tropischen Ländern) und Gelbfieber (Stiche der Gelbfiebermücke). Also ein volles vorsorgliches Schutzprogramm, bevor unsere eigentliche Reise losgehen konnte. Unsere Arztbesuche waren zeitlich so abgestimmt, das zum Zeitpunkt des Abfluges alle Impfungen durchgeführt worden waren.
Meine Aufregung wuchs von Monat zu Monat, galt es doch noch viele Besorgungen zu machen. Da waren zunächst die Unmengen von Filmen, die ich im Fotoshop einkaufte und in der Buchhandlung erwarb ich einen Reiseführer über den Krüger-National-Park mit seinen regionalen Begebenheiten. Meine Abendlektüre beschränkte sich ab sofort nur noch auf die kommende Reise. Beim Lesen erfuhr ich, dass der Park im Nordwesten von Südafrika zur Grenze von Mosambik liegt, mit einem riesigen Elektrozaun umgeben ist, damit die Tiere dort auch verbleiben und nicht abwandern können. Außerdem ist der gewaltige Park auch ohne Führung von ortskundigen Ranchern zu befahren, wir können also unsere eigene Fotosafari gestalten. Eigentlich kann ich mein Glück immer noch nicht so richtig erfassen.
Aber dann war es soweit, die Koffer standen gepackt in der Hausdiele bereit, um von dem bestellten Taxi abgeholt zu werden. Während der Fahrt bin ich hin und her gerutscht, konnte einfach nicht still sitzen bleiben. Das Reisefieber hatte mich endgültig gepackt. Die Abfertigung in der Flughafenhalle ging recht zügig und dann verkündete eine sehr nette Stewardess „ alle Passagiere nach Johannisburg zum Terminal 1 bitte „ Ich kann einfach nicht beschreiben, was dann in mir vorgegangen ist. Freude und Aufregung wechselten sich ständig ab.
AFRIKA, ich komme ……………… waren jetzt nur noch meine Gedanken.
Der Flug war nicht non Stopp, sondern wir machten eine Zwischenlandung in Tunis, der Hauptstadt von Marokko. Ohne langen Aufenthalt flogen wir dann unserem Reiseziel entgegen und landeten viele Stunden später auf dem riesigen Flughafen von Johannisburg.
Hier wurden wir von einem deutschsprechenden Reiseführer in Empfang genommen und mit einem Shuttlebus zum Camp in den National-Park gefahren.
AFRIKA, ich bin da ………………. Hieß es jetzt nur noch für mich.
Im Hotelzimmer waren Koffer auspacken und frische Kleidungsstücke wechseln schnell erledigt. Ich konnte jetzt die Welt des Tierparks schnuppern und in mich aufnehmen. Meinen Eltern wurden die Schlüssel des Safaribusses übergeben, der uns die nächsten 10 Tage durch Buschwerk und Savanne fahren sollte.
Am nächsten Morgen, ausgerüstet mit Kamera, Objektiv und vielen Filmen ging dann die Fahrt los, wobei der Rancher uns nochmals dringend ermahnte, die vorgeschriebene Fahrtroute nicht zu verlassen und auch nicht aus dem Wagen auszusteigen.
Nach kurzer Zeit sah ich sie bereits, die wilden Tiere Afrikas. Eine große Gruppe von Pavianen stritten sich auf einem Baumgerippe um eine Mahlzeit und ganz in ihrer Nähe äste eine kleine Anzahl von Impalas (Antilopen) und Streifengnus. Meine Kamera hatte Mühe, meinen Tatendrang zu stoppen, denn ich befand mich wie im Rausch. An einem fast ausgetrockneten Wasserloch sah ich einen einzelnen Geparden auf Beute lauern. Die Mittagshitze hatte jedoch viele Tiere ins Buschwerk vertrieben, so dass wir die Möglichkeit nutzten, um diesem imposanten Schauspiel von Grazie und Muskelspiel der Großkatze zuzusehen. Viel zu schnell war der erste Tag vergangen.
Der nächste Tag unserer Fotosafari begann einfach traumhaft. Wir saßen noch nicht sehr lange in unserem Bus, als uns eine Gruppe Giraffen vor die Linse lief. Dabei muss ich erklären, dass Giraffen meine absoluten Tier-Favoriten sind. Zu Hause habe ich ein kleine Sammlung von Giraffen-Figuren , aber hier, wo ich sie leibhaftig und in freier Wildbahn sehen und fotografieren kann, übertrifft jegliches Glücksgefühl in mir. Sie sind nicht nur die größten Landtiere der Erde und können eine Körpergröße von bis zu 6 Metern erreichen, sie sind für mich einfach nur schön. Ihr majestätischer Gang, ihre wunderschöne Fellzeichnung (Netzzeichnung nennt man sie) ihr ruhiges Wesen, ihr starkes Gruppenverhalten und ihr fürsorgliches Miteinander, wenn es darum geht, ihre Jungen zu beschützen, das alles ist Faszination pur. Meine Eltern wollten bereits die Fahrt fortsetzen, blieben aber auf mein Drängen noch etwas stehen. Plötzlich kam ich auf die Idee den Giraffen Namen zu geben.
Zu dem Giraffenbullen passte der Name Wambo, die Giraffendame habe ich Shalah und das Giraffenjunge Tabon getauft. Meine Eltern haben über diese Idee schallend gelacht, fanden aber, das diese Namen passend seien. Die Fotografien dieser herrlichen Tiere werde ich mir sicherlich in meinem Kinderzimmer aufhängen.
An den folgenden Tagen konnte ich noch eine Menge Tieraufnahmen machen. Da waren zum Beispiel die Breitmaulnashörner, die, wie uns der Camp-Leiter erzählte, durch Wilderer fast ausgerottet worden wären. Ihr Horn ist eine sehr begehrte Trophäe in den asiatischen Ländern und auf dem Schwarzmarkt werden hierfür enorme Geldsummen gezahlt. Es sind mächtige große Tiere und sie in freier Wildbahn zu erleben und im Bild festzuhalten, einfach unbeschreiblich. Ich wusste gar nicht, dass sie trotz ihres tonnenschweren Gewichtes so schnell laufen können. Eine große Gruppe von Büffeln lief ins nahegelegene Buschwerk und im weit entfernten Steppengras hielt eine Löwenfamilie ihren Mittagsschlaf. Der Mittelfinger meiner rechten Hand zeigt schon erste Schwielen vom ständigen Drücken auf den Auslöser meiner Kamera. Aber egal, Hauptsache war es für mich, die Tiere Afrikas in ihrer Natürlichkeit per Bild festzuhalten.
Einen Tag habe ich heute noch immer in meiner so erlebnisreichen Erinnerung. Wir wollten schon zum Camp fahren, als eine kleine Gruppe von Elefanten unseren Fahrtweg kreuzten. Zwei Jungtiere liefen zwischen den mächtigen Körpern hin und her und als uns die Leitkuh entdeckte, lief sie mit aufgeklappten Ohren und wütend trompetend auf uns zu. Da wir die Anweisung der Parkwächter kannten, haben wir uns ganz ruhig verhalten und gewartet, bis sie ihren Weg fortsetzten. Natürlich habe ich diese Begebenheit fotografiert, obwohl uns allen die Aufregung noch ein zeitlang in den Knochen saß.
Am vorletzten Tag unserer Reise gab der Park-Rancher uns den Tipp, doch einmal die Felsengruppe zu besuchen, denn dort würde eine Hyänen-Familie leben und es wäre interessant, ihr soziales Verhalten kennenzulernen. Wir machten uns auf die Suche und konnten sie, wegen der guten Wegbeschreibung schnell entdecken. Wir sahen ein Rudel von mindestens 20 Tieren, angeführt von einem weiblichen Mitglied. Ihr Bau war ganz in der Nähe, der von einigen Jungen bevölkert wurde, die Alttiere sorgten sich rührend um sie und plötzlich setzte sich eine Gruppe in Bewegung und ging auf die Jagd. Die Jungtiere verschwanden, wie auf Kommando, in den Bau zurück. Leider haben wir ihren Jagderfolg nicht mehr sehen können, da es Zeit wurde, ins Camp zu fahren.
Der Tag kam, an dem wir unsere Koffer packen und einem Land mit so vielfältiger Schönheit ade sagen mussten.
Für diese Reise werde ich meinen Eltern auf ewig dankbar sein, hat sie mir doch gezeigt, dass Gottes Natur etwas einzigartiges ist und wenn wir sie erhalten, sie auch so bleiben wird.
Tag der Veröffentlichung: 24.05.2016
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